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Full text of "Archiv für mikroskopische Anatomie"

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Archiv 


Mikroskopische Anatomie 


herausgegeben 


Max Schultze, 


Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Instituts 


ın Bonn. 


Siebenter Band. 


Mit 30 Tafeln, 1 Phototypie und 1 Holzschnitt. 


Bonn, 
Verlag von Max Cohen & Sohn. 


1871. 


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Inhalt. 


Die Flughaut der Fledermäuse, namentlich die Endigung ihrer Nerven. 
Von Dr. Jos. Schöbl in Prag. Hierzu Tafel I—V. 
Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe, und Be- 


merkungen über die Structur des Letztern. Von Dr. W. Flemming. 
Hierzu Taf. VI, VO und VII. 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch, Salamander und Triton. 
Von Dr. Edmund Landolt. Hierzu IX. 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. Von Prof. 
A. Kowalevsky. Hierzu Taf. X, XI, XII und XI. 


Ueber Schwärmerbildung bei Noctiluca miliaris. Von Prof. L. Cien- 
kowski. Hierzu Taf. XIV und XV... 


Beiträge zur Mikroskopie. Von G. Valentin. 
ll. Die doppelt brechenden Eigenschaften der Embryonalgewebe 
Ueber die erste Entwickelung des Herzens und der Pericardial- oder Herz- 
höhle bei Bufo einereus. Von Dr. Josef Oellacher, Prosector am 
anatomischen Institut zu Innsbruck. Hierzu Taf. XV. 
Beiträge zur Kenntniss der Nerven, Blut- und Lymphgefässe der Kehl- 
kopfschleimhaut. Von Dr. Boldyrew aus Kasan 
Ueber ein Mikrotom. ‚Briefliche Mittheilung an den Herrn Herausgeber. 


Von Dr. Alexander Brandt in St. Petersburg. Mit einem Holz- 
schnitt . 


Essigsaures Kali zum Aufbewahren mikroskopischer Präparate. Von Max 
Schultze 


Die Schnauze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. Von Dr. Th. Eimer 
Privatdocent und Prosector der Zootomie zu Würzburg. Hierzu 
Taf. XVII. 


Beiträge zur Lehre vom Amnion. Von Dr. S.L. Schenk, Assistenten am 
physiologischen Institute der Wiener Universität. Hierzu Taf. XVII 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. Von Prof. Dr. F. Leydig in 
Tübingen. Hierzu Taf. XIX. 


Seite. 


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Seite. 
Beiträge zur Mikroskopie. Von G. Valentin. 


III. Das Ocularspectroskop des Mikroskopes . ; 5 : . 220 
Bemerkungen über einige die Anatomie der Labdrüsen betreffenden Punkte. 
Von R. Heidenhain in Breslau \ k i 1 ; 2 . 239 
Neue Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. Von Max 
Schultze. Hierzu Taf. XX. ß ? n i S 3 . 244 
Das äussere Ohr der Mäuse als Tastorgan. Von Dr. Jos “chöblin 
Prag. Hierzu Taf. XXI-XXIV.. ; - ; 5 e - . 260 


Der Lichtdruck in seiner Bedeutung für die Mikrophotographie, unter 
Beifügung von selbstgefertigten phototypischen Probebildern. Von H. 
Landois und W. Thelen . ; i . c 3 i \ . 269 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. Von 
Dr. Franz Boll, Assistenten am physiologischen Laboratorium der 
Unversität Berlin. I. Hierzu Taf. XXV, XXVI, XXVH . r . 276 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle Von Dr. W. Flem- 
ming, Proseetor und Privatdocent in Rostock. Hierzu Taf. XXVII. 327 

Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. Von Prof L. Cienkowski. 
Hierzu Taf. XXIX. i > ; . 2 . . . } . 371 


Zur Kenntniss der feineren Nerven der Mundhöhlenschleimhaut. Von Dr. 
E. Elin aus Sibirien. Hierzu Taf. XXX. h B ; 4 382 


Die Flughaut der Fledermäuse, namentlich die 
, Endigung ihrer Nerven. 


Von 


Dr. Jos. Schöbl 
in Prag. 


Hierzu Tafel I—V. 


Es ist eine von altersher bekannte Thatsache, dass die Fleder- 
mäuse in ihrer Flughaut ein überaus feines Tastvermögen besitzen. 

Besonders massgebend waren hiefür die bekannten Versuche 
Spallanzani’s mit geblendeten Fledermäusen, welche trotz ihrer 
Blindheit allen in verschiedenen Richtungen des Versuchslocales aus- 
gespannten Fäden mit der grössten Geschicklichkeit und Sicherheit 
auswichen. 

Ich habe dieses Experiment zu wiederholten Malen auf eine 
minder grausame Weise ausgeführt, indem ich verschiedenen Fleder- 
mäusen, welche ich jahrelang in gezähmtem Zustand in meinem 
Wohnzimmer hielt, die kleinen Augen vorsichtig mit einem Pflaster 
verklebte, und gelangte stets zu denselben Resultaten. 

Es ist daher nicht zu verwundern, dass man seit jeher in der 
Flughaut der Chiropteren ein feines Tastvermögen, ja ein eigenes 
Sinnesorgan vermuthete, ohne jedoch hierüber den exacten anato- 
mischen Nachweis liefern zu können. 

Es spricht zwar schon Cuvier von einem ungemeinen Nerven- 
reichthum der Chiropteren-Flughaut, doch aus seiner Schilderung 


geht, wie bereits Leydig bemerkt hat, mit Sicherheit hervor, 
M» Schultze, Achiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 7, 1 


2 Dr. Jos. Schöbl: 


dass er elastische Balken mit Nerven verwechselt hat, was bei dem 
Umstande, dass bekanntermassen Cuvier in der Handhabung des 
Mikroskopes nicht eben Meister war, uns nicht Wunder nehmen kann. 

In neuerer Zeit wurde die Chiropteren-Flughaut mit Zuhülfe- 
nahme unserer modernen optischen Instrumente und aller so weit: 
vorgeschrittener Untersuchungsmethoden zu wiederholten Malen unter- 
sucht, und mitunter von Histologen ersten Ranges, ich meine vor 
allen anderen F. v. Leydig, und dann Krause, doch in Bezug 
auf Nervenendigungen ohne besondere Erfolge. 

Leydig, dem wir die einzigen brauchbaren, dafür aber auch 
vorzüglichen Daten über die Chiropteren-Flughaut verdanken, äus- 
sert sich in Bezug auf den Nervenreichthum derselben sehr restrin- 
girend. Krause sagt, dass esihm trotz der sorgfältigsten Durch- 
musterung der Flughaut von Vesperugo Noctula nicht gelungen sei, 
seine Endkolben oder anderweitige terminale Gebilde in derselben 
aufzufinden. 

Im Laufe des verflossenen Jahres habe ich die Chiropteren- 
flughaut zum Untersuchungsobjecte gewählt, hauptsächlich in der 
Absicht, um in derselben die Endigungen sensitiver Nerven aufzu- 
finden. Die Resultate, die sich mir hierbei ergaben, haben meine 
Hoffnungen noch weit überflügelt. 

Ich habe vorzüglich Vesperugo serotinus zu meinen Unter- 
suchungen benutzt, Anfangs einzig aus dem Grunde, weil er mir 
zufälliger Weise in hinreichender Quantität zu Gebote stand, später 
weil ich mich überzeugte, dass er sich unter den Chirepteren, welche 
ich lebend erlangen konnte, am besten zur Untersuchung der Flug- 
haut eignet. Ausserdem habe ich jedoch nicht unterlassen, andere 
Arten, deren ich habhaft werden konnte, wie Vesperugo Noctula, 
Vespertilio murinus, Rhinolophus hipposideros, Plecotus auritus, ver- 
gleichend zu untersuchen. 

Was die Untersuchungsmethoden anbelangt, so wurde zunächst 
die ganz frische, bald injieirte, bald nicht injieirte Flughaut, nach 
freilich äusserst schwieriger theilweiser Entfernung der Oberhaut, 
in möglichst indifferenten Zusatzflüssigkeiten untersucht. 

Dann wurde die Maceration in M. Schultze’s Jodserum, oder 
in einem Gemische von Holzessig-Glycerin und Wasser mit gutem 
Erfolge angewendet. 

Ausserdem wurde verdünnte Essigsäure, Oxalsäure, Essigsäure- 
Alkoholgemische in den allerverschiedensten Concentrationen und 


Die Flughaut der Fledermäuse. 3 


Mischungsverhältnissen, die Clarke’sche Flüssigkeit, das Moleschot’- 
sche Gemisch, mitunter auch Natronlaugen und anderthalb kohlen- 
saures Kali angewendet, welches letztere manchmal prachtvolle, 
wenn auch sehr vergängliche Bilder ergab. 

Zur Tinktion !wurde, wo sie überhaupt nothwendig war, zu- 
meist Anilin angewendet, seltener Carmin. Das Chlorgold bewährte 
sich wenig, trotzdem die Cohnheim’schen Vorschriften aufs gewissen- 
hafteste befolgt wurden. Viel bessere Dienste leistete die Ueberos- 
miumsäure. 

Das zur Untersuchung hauptsächlich verwendete Instrument 
stammt von Amici und besitzt ein vorzügliches Immersionssystem. 

Bevor ich zur Betrachtung der Flughaut übergehe, erfülle ich 
noch die angenehme Pflicht, Herrn Prof. Max Schultze für seinen 
mir freundlich ertheilten Rath, der mich nach vorläufigem Abschluss 
der Arbeit noch zu weiteren eingehenderen Untersuchungen anreste, 
meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Sonst bin ich Nieman- 
dem zu Dank verpflichtet; ich hatte in der mikroskopischen Ana- 
tomie keinen Lehrer, Niemand lehrte mich das Mikroskop hand- 
haben, nirgends fand ich Anregung. 

Die Chiropteren-Flughaut erscheint als eine Hautduplikatur, 
gebildet durch die Verlängerung sowohl der dorsalen als der ven- 
tralen Rumpfhaut, Epidermis und Maipighi’sche Schicht beider 
Häute bleiben getrennt und bekleiden die beiden Oberflächen der 
Flughaut, die beiderseitigen Lederhäute jedoch sind zu einer einzi- 
gen Membran verschmolzen, welche sich in keiner Weise in zwei 
Lamellen präpariren lässt und nicht die geringste Spur der statt- 
gefundenen Verschmelzung darbietet. In dieser einfachen, zarten, 
durchsichtigen, aus welligem Bindegewebe mit zahlreichen eingestreu- 
ten Bindegewebskörperchen bestehenden Membran eingebettet liegen 
die elastischen Balken, quergestreifte Muskeln, Blutgefässe, Haar- 
bälge und deren Anhangsdrüsen, Nerven und deren Endigungen. 


Oberhaut. 
(Tafel V Fig. 1 und 2.) 


Die Oberhaut besteht aus einer einfachen Lage schöner hexa- 
gonaler Plättchen, welche an ihren verdünnten Rändern zu einer 
continuirlichen feinen Membran verschmolzen sind. 

Im natürlichen Zustande erscheint diese Membran vielfach und 
zierlich, sowohl der Länge als der Quere nach, gefaltet und gefäl- 


4 Dr. Jos. Schöbl: 


telt, wodurch die ganze Flughautoberfläche in unregelmässige, drei-, 
vier- und vieleckige Felder abgetheilt erscheint. Jedes dieser Felder 
enthält drei bis acht Oberhautplättchen. 

Von den Hauptfaltenzügen, welche diese Felder begrenzen, 
gehen feinere sekundäre Fältchen in das Innere derselben, welche 
sich zwischen die einzelnen Plättchen fortsetzen, so dass die einzel- 
nen Plättehen stets nun durch diese feinen Fältchen aneinander- 
stossen, wodurch in den obengenannten Feldern secundäre Felder- 
chen entstehen, welche nicht die reguläre hexagonale Gestalt der 
Oberhautplättchen besitzen, sondern mehr oder weniger abgerundet 
drei- oder viereckig erscheinen. Jedes dieser secundären Feldchen 
entspricht jedoch ziemlich genau je einen ÖOberhautplättchen, was 
schon aus der Vertheilung der Pigmentkörnchen ersichtlich ist. 

Die eigentliche Gestalt der Oberhautplättchen bekommt man 
im natürlichen Zustande durch einfaches Abziehen der Epidermis 
gar nicht zu Gesichte. Wendet man jedoch Alkalien an und übt 
dann einen sehr mässigen Druck auf das Deckgläschen aus, so 
verschwinden die Falten und die ganze Oberhaut erscheint aus 
sehr regelmässigen sechsseitigen Plättchen zusammengesetzt. 

Jedes Oberhautplättchen enthält braungelbe glänzende Pig- 
mentkörner, welche in einer intramarginalen Zone angehäuft sind, 
so dass das Centrum und die Ränder des Plättchen von ihnen frei 
bleiben. 

Die Plättchen der äusseren (dorsalen) Flughautoberfläche ent- 
halten viel zahlreichere und dunklere Pigmentkörner als die der 
inneren (ventralen). 

Die Durchmesser der Epidermisplättchen beträgt 0,0222 Mm. 


Das Stratum Malpighii. 
(Tafel V Fig. 3 und 4.) 


Die Malpighi’sche Schicht besteht aus zwei einfachen Lagen 
dichtgedrängter, aber isolirter Zellen. Die äussere oberflächliche 
Lage, welche beim Abziehen der Epidermis gewöhnlich an derselben 
haften bleibt, enthält überaus viel und dunkles Pigment. Die innere 
und tiefere Lage dagegen, welche bei Entfernung der Oberhaut 
wenigstens theilweise an der Cutis haften bleibt, namentlich längs 
der feinen Gefässe und Capillaren, ist pigmentlos dem Mundepithel 
ähnlich. 


Die Flughaut der Fledermäuse. 5 


Die Zellen der äussern Lage der äussern (dorsalen) Flughaut- 
oberfläche (Fig. 3) sind sehr polymorph, besitzen eine bald drei- 
eckige, bald viereckige, bald polygonale, bald längliche Gestalt. 
Ebenso variabel wie ihre Gestalt ist auch ihre Grösse; sie schwankt 
zwischen 0,0074 Mm. und 0,0148 Mm. Ohne mit einander ver- 
schmolzen zu sein, stossen sie mit ihren Rändern dicht aneinander 
und bilden so eine continuirliche einfache Zellschichte. 

Sie enthalten viel dunkles braunschwarzes Pigment, welches 
nahezu die ganze Zelle erfüllt; nur der äusserste Rand und eine 
schmale Zone um den colossalen Zellkern erscheint etwas blasser. 

Die grossen Zellkerne, welche nahezu die Hälfte des Durch- 
messers, ja bei den kleineren Zellen noch mehr betragen, enthalten 
ungewöhnlicher Weise gleichfalls viel dunkles braunschwarzes Pig- 
ment, wie es bereits von Leydig angegeben wurde. (Ueber die 
äusseren Bedeckungen der Säugethiere in Reichert’s und Du Bois’ 
Archiv J. 1859 8. 677.) 

Die entsprechenden Zellen der inneren (ventralen) Flughaut- 
oberfläche (Fig. 4) sind weniger polymorph, mehr rundlich elliptisch 
von Gestalt und variiren auch in Bezug auf ihre Grösse nur unbe- 
deutend. Sie beträgt 0,0070—0,0078 Mm. 

Sie stossen gleichfalls dicht aneinander und bilden eine conti- 
nuirliche Schicht, enthalten jedoch selbst sowie ihre grossen Kerne 
nur wenig und blasses Pigment. 

Die unteren tiefer liegenden Malpighi’schen Zellen sind an bei- 
den Flughautoberflächen einander gleich, meist rundlich oval von 
Gestalt, pigmentlos und gieichen ganz und gar einem rundlichen 
Pflasterepithel, wie es etwa in der Mundhöhle vorkommt. Sie bil- 
den keine so continuirliche Schicht wie die vorigen und bleiben meist 
zu beiden Seiten der Capillaren und feinen Stämmchen an der Cutis 
haften (Tafel II). 


Die Lederhaut. 


Das Stroma der Flughaut besteht, wie bereits erwähnt, aus 
welligem Bindegewebe mit zahlreichen Bindegewebkörperchen. In der 
mittelsten Schicht der Flughaut, welche dem Unterhaut-Bindegewebe 
der beiden Häute, aus deren Verschmelzung die Flughaut entsteht, 
entspricht, ist das Gewebe etwas lockerer. In der Flankenflughaut, 
und hier wieder im inneren Dritttheil derselben, sowie in der 
Schwanzflughaut hat das Stroma die grösste Stärke, in den äussern 


6 Dr. Jos. Schöbl: 


Parthien der Flankenflughaut, und dann in den Einzelflughäuten 
nimmt sie gegen die Spitze zu gradatim ab. 

Im inneren Dritttheile der Flankenflughaut liegen, im Stroma 
derselben an beiden Oberflächen colossale sternförmige Pigmentzellen 
(Tafel V Fig. 5) im Durchmesser von 0,185 eingebettet, und um- 
spannen auch grosse Nervenstämme (Tafel III). Im Stroma ein- 
gebettet liegen alle folgenden Gebilde. 


Elastische Balken. 
(Tafel I, II und V.) 


Die Anhäufung elastischer Fasern zu mächtigen Strängen oder 
Balken, welche ein äusserst complieirtes Netzwerk in der Chirop- 
teren-Flughaut bilden, wurde zuerst von Leydig (a. a. O.) an- 
gegeben. 

Die einzelnen Balken erscheinen auf ihrem Querschnitt quer- 
elliptisch ungefähr zweimal so breit als hoch (Tafel V Fig. 6), ihre 
Breite schwankt zwischen 0,0249 Mm. und 0,2905 Mm.; die Höhe 
beträgt jedesmal die Hälfte. 

Die die Balken zusammensetzenden elastischen Fasern besitzen 
eine nahezu unmessbare Feinheit. Wo je zwei oder mehrere Bal- 
ken miteinander zusammenstossen und anastomosiren, bilden sie 
durch gegenseitigen Austausch von Fasern ein dichtes, filzartiges 
(ewebe, 

Längs ihres ganzen Verlaufes geben die elastischen Balken 
zahllose Fasern von unmessbarer Feinheit in das Gefüge der Flug- 
haut ab, die sich auf weite Strecken hin verfolgen lassen. Trotz 
dieser Faserabgabe bleibt jeder einzelne Balken längs seines ganzen 
Verlaufes gleich stark; nur an seinen beiden Enden, wo er mit 
anderen anastomosirt, erscheint er breiter, dafür aber auch flacher. 

In den einzelnen Flughautabtheilungen verlaufen die elastischen 
Balken (Tafel I) in folgender Weise: 

1. In der Flankenflughaut (demjenigen Theile der Flughaut, 
der zwischen der Flanke, dem Ober- und Unterarm, dem kleinen 
Finger und dem Ober- und Unterschenkel ausgespannt ist), befin- 
det sich 

a) ein System von Balken, welche nur sparsam Anastomosen oder 

Gabeltheilungen bildend, vom Ober- und Unterschenkel zum 

Oberarm untereinander und zur Längsaxe des Körpers nahezn 

parallel und durch beinahe gleiche Abstände von einander 


Die Flughaut der Fledermäuse. 14 


getrennt sind. Sie werden insgesammt von später zu beschrei- 
benden Muskelbündeln begleitet. 

b) Ein zweites Balkensystem, welches gleichfalls wenigstens in 
der untersten Partie wenig Anastomosen oder Gabeltheilungen 
bildet, verläuft von der Fusswurzel bogig zum freien Flanken- 
flughautrande nahezu parallel zur dritten Phalanx des kleinen 
Fingers. 

c) Ein drittes Balkensystem, welches gegen seine Anheftungs- 

punkte zu zahlreiche Gabeltheilungen und in der Mitte seines 

Verlaufes ziemlich zahlreiche Anastomosen bildet, verläuft in 

diagonaler Richtung von innen und oben nach aussen und 

unten, vom Vorderarm zum Mittelhandknochen und den Pha- 
langen des kleinen Fingers. 

Ein viertes Balkensystem endlich, welches von allen drei vor- 

hergehenden Zweigen und Anastomosen ausserdem einige selbst- 

ständige Balken aus der Gegend des Ellenbogengelenkes er- 
hält, bildet ungefähr in der Mitte der Flankenflughaut ein 
ziemlich engmaschiges complicirtes Netz, welches gleichsam 
den Knotenpunkt des Balkensystems der ganzen Flankenflug- 
haut darstellt. 

2. In der ersten Fingerflughaut (zwischen dem kleinen Finger 
und Ringfinger) verlaufen die elastischen Balken anfangs einfach 
dem freien Flughautrande parallel; weiter nach oben stark bogig 
geschwungen, Anastomosen und gegen die Anheftungspunkte zu 
zahlreiche Gabeltheilungen bildend, vom Mittelhandknochen und den 

Phalangen des kleinen Fingers zu denselben Theilen des Ringfingers. 

3. In der zweiten Fingerflughaut (zwischen Ringfinger und 
Mittelfinger) ist der Verlauf der elastischen Balken ein ganz analo- 
ger wie in der vorigen Flughautabtheilung. 

4. In der dritten Fingerflughaut, zwischen Mittelfinger und 
Zeigefinger, verlaufen die sparsamen elastischen Balken ganz ähn- 
lich wie früher. 

5. In der Schwanzflughaut (welche zwischen Oberschenkel, 
Unterschenkel und Schwanz ausgespannt ist), verlaufen die elasti- 
schen Balken transversal untereinander und zum freien Flughaut- 
rande parallel, gegen die Anheftungspunkte zu sparsame Bifurka- 
tionen bildend vom Unterschenkel bis zum Schwanze. Sie werden 
sämmtlich von Muskelbündeln begleitet und fehlen im oberen Dritt- 
theile des betreffenden Flughautabschnittes gänzlich. 


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Dez 


8 Dr. Jos. Schöbl: 


6. In der Ober-Vorarmflughaut befindet sich ein starker ela- 
stischer Balken am freien Flughautrande, welcher dem dort ver- 
laufenden Muskel als Sehne dient. Alle übrigen elastischen 
Balken dieses Flughautabschnittes nehmen von diesem eben er- 
wähnten Balken ihren Ursprung, verlaufen, zahlreiche Anastomosen 
und Bifurkationen bildend, schief nach vorne und abwärts, sowie 
nach hinten und abwärts, um sich am Öber- und Vorderarme zu 
inseriren. 

Schliesslich sei von den elastischen Balken der Chiropterenflug- 
haut erwähnt, dass sie bei den Muskeln der Flughaut, welche nicht 
während ihres ganzen Verlaufes muskulös bleiben, die Stelle der 
Sehnen vertreten. 


Quergestreifte Muskeln. 
(Tafel I.) 


Die Existenz quergestreifter Muskeln in der Chiropterenflug- 
haut wurde bereits von Leydig (a. a. OÖ.) constatirt, genauere 
Angaben jedoch über ihre Anzahl, ihren Verlauf und ihre Verthei- 
lung auf die einzelnen Flughautabtheilungen sind mir nicht bekannt. 

In der Flankenhaut befinden sich folgende Muskeln: 

1. Zwei mächtige bauchig angeschwollene Muskeln fallen schon 
bei unversehrter Flughaut ins Auge und konnten somit der ober- 
flächlichsten Untersuchung nicht entgehen. Sie haben einen gemein- 
samen Ursprung zwischen dem M. pectoralis major und M. serratus 
anticus major als elastische Balken (welche überhaupt bei den 
Flughautmuskeln, wo sie vorkommen, die Stelle der Sehnen ver- 
treten), werden dann muskulös, schwellen bauchig an und enden 
abermals als elastische Balken. 

Der erste Muskel verläuft von seinem Ursprung aus der Achsel- 
höhle nach aussen und unten gegen das Centrum der Flankenflug- 
haut. Er entspringt, wie bereits erwähnt, als elastischer Balken, 
wird jedoch gleich nach seinem Austritte aus der Achselhöhle 
muskulös, wird vom ersten Hauptgefäss und Nervenstamm der 
Flankenflughaut begleitet, und übergeht endlich in einen starken 
elastischen Balken, welcher nach geschehener Bifurkation gegen die 
Mitte des freien Flankenflughautrandes zustrebt, die mit diesem 
parallel verlaufenden elastischen Balken unter nahezu rechten Winkeln 
kreuzend und sich mit ihnen verwebend. Bei seiner Zusammen- 
ziehung nähert er den freien Flankenflughautrand namentlich dessen 


Die Flughaut der Fledermäuse. 9 


Mitte gegen die Achselgegend und faltet zugleich mit anderen 
später zu beschreibenden Muskeln die mittlere Partie der Flanken- 
flughaut in querer Richtung. 

Der zweite Muskel entspringt in derselben Gegend gleichfalls 
als elastischer Balken, begleitet aber in dieser Form den Oberarm 
bis zu seinem unteren Dritttheil, wird hier erst muskulös, schwillt 
bauchig an, verlässt in der Achselgegend den Oberarm und verläuft 
in der Flankenflughaut nach aussen und unten mit dem früher be- 
schriebenen Muskel einen spitzigen Winkel bedeutend. Er begleitet 
den zweiten Hauptgefäss- und Nervenstamm, der in Flankenflughaut 
eindringt, und übergeht schon nach kurzem Verlaufe wieder in 
einen mächtigen elastischen Balken, welcher seinerseits durch wieder- 
holte Gabeltheilungen Aeste abgebend und mit benachbarten Balken 
sich verbindend sich an den Phalangen des kleinen Fingers inserirt. 
Bei seiner Zusammenziehung nähert er den kleinen Finger und 
mit ihm sämmtliche Fingerflughäute gegen die Achsel, und faltet 
die äussere Flankenflughautparthie in diagonaler Richtung, senk- 
recht zu seinem eigenen Verlauf. 

Kolenati (Beiträge zur Naturgeschichte der europäischen 
Chiropteren. Allg. deutsche nat. Zeitung 1857) hat diese beiden 
Muskeln in höchst ungenauer und unrichtiger Weise beschrieben 
und noch ungenauer abgebildet. Er hielt beide zusammen für einen 
einzigen Muskel und nannte ihn Corrugator plagiopatagii. 

2. Vier bis fünf Muskeln entspringen aus der Flankengegend 
des Rumpfes, sind durch nahezu gleiche Distanzen von einander 
getrennt und verlaufen wenigstens anfangs zu einander parallel, senk- 
recht auf die Längsachse des Körpers, biegen dann bogig nach ab- 
wärts und enden sich verschmächtigend und zahlreiche Gabelthei- 
lungen bildend am inneren Dritttheil des freien Flankenflughaut- 
randes zwischen den Bündeln des dort verlaufenden Muskels. 

Die beiden obersten dieser Muskeln pflegen, bevor sie am Ende 
ihres Verlaufes Gabeltheilungen bilden, mit einander zu verschmelzen. 
Jeder dieser Muskeln enthält 20—30 Primitivbündel. Bei ihrer 
Zusammenziehung nähern diese Muskeln das innere Dritttheil des 
Flankenflughautrandes gegen die Flankengegend und legen gleich- 
zeitig den innersten Abschnitt der Flankenflughaut, welcher zwi- 
schen Fuss und Oberarm ausgespannt ist, in longitudinale zur 
Längsaxe des Körpers paralelle Falten. 

3. Drei ziemlich mächtige Muskeln verlaufen ungefähr in der 


10 Dr. Jos. Schöbl: 


Mitte der Flankenflughaut, durch gleiche Abstände von einander 
getrennt, untereinander und nahezu auch zur Längsachse des Kör- 
pers parallel, und enden einerseits am freien Flankenflughautrande, 
Gabeltheilungen bildend, während sie andererseits nach aufwärts in 
elastische Balken übergeben, welche sich ihrerseits wieder, nachdem 
sie sich wiederholt mit benachbarten Balken verbunden haben, am 
Vorderarmknochen in der Nähe der Achselgegend befestigen. Sämmt- 
liche drei Muskeln werden von starken Blutgefäss- und Nerven- 
stämmen begleitet. Jeder derselben enthält 40— 50 Primitiv- 
bündel. Bei ihrer Zusammenziehung nähern sie den mittleren Theil 
des Flankenflughautrandes gegen die Axillargegend und falten zu- 
gleich die mittlere Parthie der Flankenflughaut in transversaler 
Richtung. 

4. Ein starker Muskel verläuft von der Fusswurzel zur Längs- 
achse des Körpers parallel senkrecht nach aufwärts gegen das Ellen- 
bogengelenk und geht nach oben zu in einen elastischen Balken 
über. Bei seiner Wirkung nähert er die Fusswurzel der Axillar- 
gegend, ausserdem dient er zahlreichen feinen Muskelbündeln, die 
wir später beschreiben werden, zum Ursprung. 

5. 12 bis 15 Muskeln, welche man ihres gleichen Verlaufes 
und ihrer gleichen Wirkung halber auch wohl als einen einzigen in 
eben so viele isolirte Bündel zerfallenen Muskel auffassen kann, ver- 
laufen vom Ober- und Unterschenkel zum Oberarm untereinander 
und zur Längsachse des Körpers parallel, durch nahezu gleiche Ab- 
stände von einander getrennt, und von elastischen Balken gleichen 
Verlaufes begleitet. 

Jeder Muskel oder beziehungsweise jedes Muskelbündel enthält 
25--30 Muskelprimitivbündel und bewirken bei ihrer Contraetion 
eine Querfaltung der betreffenden Flankenflughautparthie, in der sie 
verlaufen. 

6. Ein System feinster isolirter Muskelbündel, welches man 
wohl zusammen als einen prachtvollen fächerförmig ausgebreiteten 
Muskel auffassen kann, entspringt von der Fusswurzel aus längs 
des hier entspringenden starken, sub 4 beschriebenen, gegen das 
Ellenbogengelenk verlaufenden Muskels. Die einzelnen Muskelbündel 
verlaufen bogigfächerförmig nach aussen und oben, anfangs diver- 
girend und zahlreiche Gabeltheilungen bildend, später durch nahezu 
gleiche Abstände von einander getrennt und zueinander parallel, 
und endigen am Mittelhandknochen und den Phalangen des kleinen 


Die Flughaut der Fledermäuse. 11 


Fingers. Die Zahl der Bündel beträgt 8S0—120, und jedes einzelne 
besteht aus 2 bis 8 Muskelprimitivbündeln. 

Sie bewirken eine Fältelung der äusseren zwei Dritttheile der 
Flankenflughaut in diagonaler Richtung von innen und oben nach 
aussen und unten. 

7. Ein sehr starker Muskel, an seinen Rändern nach oben 
und unten von zwei ziemlich starken in seinem Innern von noch 
zwei schwachen elastischen Balken begleitet, verläuft längs des 
freien Flankenflughautrandes, entspringt an der Fusswurzel, über- 
geht im äusseren Dritttheil des Flughautrandes in einen mächtigen 
elastischen Balken, welcher sich an der letzten Phalanx des kleinen Fin- 
gers befestigt. Dieser Muskel verkürzt den freien Flankenflughautrand 
und nähert dadurch die Spitze des kleinen Fingers der Fusswurzel. 

In der Schenkel-Schwanzflughaut verlaufen 15 bis 18 Muskeln, 
die, wenn man will, auch einen einzigen in isolirte Bündel zer- 
fallenen Muskel darstellen können. Alle verlaufen transversal zum 
freien Rande des betreffenden Flughautabschnittes mehr oder weniger 
parallel. Die untersten oberhalb der Fusswurzel entspringenden 
Bündel bilden meist gleich nach ihrem Ursprung eine Gabeltheilung 
in zwei Bündel, laufen anfangs bogig nach abwärts, später trans- 
versal. Sämmtliche Bündel entspringen vom Unterschenkel und 
verlaufen zum Schwanze. 

Bei ihrer Gontraction legen diese Muskeln die Schwanzflughaut 
in longitudinale mit der Längsachse des Körpers parallele Falten. 

Längs des freien Randes der Schenkelschwanzflughaut verläuft 
ein sehr starker von schwachen elastischen Balken begleiteter Muskel, 
welcher vom Fersensporne beginnt, und sich am Schwanze vor der 
Spitze desselben inserirt. 

Er verkürzt den Flughautrand, und unterstützt die übrigen 
Muskeln dieses Flughautabschnittes in ihrer Wirkung. 

In der Ober-Vorarmflughaut verläuft ein einziger Muskel am 
freien Rande derselben. Er entspringt am Hinterhaupte, geht 
im oberen Dritttheile des Randes in einen breiten elastischen Balken 
über, wird dann abermals muskulös, geht im unteren Dritttheile 
des betreffenden Flughautrandes zum zweitenmale in einen ela- 
stischen Balken über und befestigt sich an der Randwurzel am 
Grunde des Daumens. Er erhält die Vorarmflughaut ausgespannt 
und spannt bei seiner Contraction die drei Fingerflughäute. 


12 Dr. Jos. Schöbl: 


In den sämmtlichen Fingerflughäuten befindet sich keine Spur 
von Muskeln. 


Blutgefässe. 
(Tafel ].) 


Von den Blutgefässen sämmtlicher Flughautabtheilungen lässt 
sich im Allgemeinen Folgendes berichten: Die starken Blutgefäss- 
stämme der Flughaut sind einfach und liegen in der mittelsten 
Schicht des Flughautstromas. Die feineren Stämmchen nähern sich 
mehr den beiden Flughautoberflächen und die Capillargefässe end- 
lich sind unmittelbar unter der Malpighi’schen Schicht gelagert, 
sowohl an der vorderen als an der hinteren Oberfläche der Flug- 
haut, es sind somit zwei Capillargefässnetze vorhanden, von denen 
je eines einer Oberfläche entspricht. 

Die Arterien werden stets von Venen begleitet und zwar jede 
Arterie von nur einer Vene. Dies gilt fast ausnahmslos bis zum 
Uebergang ins Capillarsystem. Die grösseren Gefässstämme werden 
ausnahmslos, die feineren fast ausnahmslos bis zum Capillarsystem 
von Nervenstämmen begleitet. 

Die grossen Blutgefässe verästeln sich baumförmig, die feineren 
bilden durch Anastomosen grobe Maschen oder Netze, in denen die 
noch feineren secundäre Maschen bilden, welche endlich vom Ca- 
pillargefässnetz ausgefüllt werden. 

Die stärkste Arterie der Flughaut ist 0,290 Mm. breit, die 
ihr entsprechende Vene misst 0,415 Mm., die Stärke der Capil- 
laren beträgt 0,0083 Mm. In die Flankenflughaut treten zunächst 
zwei sehr starke Arterien, die beiden stärksten der ganzen Flughaut 
aus der Achselhöhle. 

Die erste begleitet den im vorigen Abschnitt unter Nr. 1 be- 
schriebenen Muskel bis ungefähr zum Centrum der Flankenflughaut, 
spaltet sich hier gabelförmig in zwei Hauptzweige, um fortan sich 
baumförmig verästelnd und Anastomosen bildend gegen den Flug- 
hautrand zu verlaufen. Die zweite Hauptarterie der Flankenflughaut 
begleitet den sub Nr. 2 beschriebenen Muskel, theilt sich nicht weit 
unterhalb und hinter der Ellenbogengegend in zwei Hauptäste, von 
‘denen der eine Aeste abgebend und Anastomosen bildend nach ab- 
wärts gegen den Flughautrand verläuft, während der zweite unter 
ähnlichem Verhalten diagonal nach aussen und abwärts gegen die 


Die Flughaut der Fledermäuse. 13 


Spitze des kleinen Fingers verläuft. Aus der Flankengegend des 
Rumpfes kommen vier bis fünf etwas schwächere Arterien, von 
denen die unterste die stärkste zu sein pflegt; sie begleiten insge- 
sammt ebensoviele bereits früher erwähnte aus derselben Gegend 
kommende Muskeln, geben meist unter rechten Winkeln Zweige ab, 
welche die longitudinal verlaufenden elastischen Balken und Muskeln 
begleiten, mehr oder weniger rechteckige Maschen bildend, und streben 
schliesslich gegen das innere Dritttheil des freien Flughautrandes. 

Ausserdem erhält die Flankenflughaut kleine Arterienzweige, 
5—6 aus den Arterien des Unterschenkels, 10—12 aus denen des 
Unterarmes und ebensoviele aus der äusseren Fingerarterie des 
kleinen Fingers. Da jede Arterie stets von einer Vene begleitet 
wird, so ist der Verlauf der Venen natürlicherweise derselbe. Die 
erste Fingerflughaut erhält gleichfalls zwei Hauptarterien, die eine 
stammt von der inneren Flugarterie des kleinen Fingers, die andere 
von der äusseren Fingerarterie des Ringfingers, beide streben, sich 
baumförmig verästelnd nach abwärts gegen den Flughautrand. Ausser- 
dem erhält noch diese Flughautabtheilung kleine Arterienzweige von 
den beiden ihr zugewandten Fingerarterien des kleinen und Ring- 
fingers, von jeder etwa 10—15 an der Zahl. 

Die zweite Fingerfächerflughaut erhält gleichfalls zwei Haupt- 
arterienstäimmchen und zwar die eine aus der innern Fingerarterie 
des Ringfingers, die zweite aus der äusseren des Mittelfingers, und 
zwar aus dem untersten Dritttheile derselben. Ausserdem treten 
aus den beiden genannten Fingerarterien kleine Stämmchen in die 
betreffende Flughaut in derselben Weise wie bei der vorigen Flug- 
hautabtheilung angegeben wurde. 

Die dritte Fingerflughaut enthält nur lauter winzige Arterien- 
zweigchen, die einestheils aus der inneren Fingerarterie des Mittel- 
fingers, anderntheils aus der äussern des Zeigefingers entspringen. 

Das zwischen Daumen und Zeigefinger befindliche Flughaut- 
rudiment besitzt nur Gefässe von nahezu capillärer Feinheit, welche 
von der inneren Fingerarterie des Zeigefingers stammen. 

In der Schwanzflughaut verläuft eine mässig starke Arterie, 
von einer ungemein starken Vene begleitet, von der Sacralgegend 
zur Fusswurzel, gibt, ohne sich während des ganzen Verlaufs merk- 
lich zu verdünnen, meist quere Zweige ab, welche längs der ela- 
stischen Balken und Muskeln verlaufen, 


14 Dr. Jos. Schöbl: 


Ein starker Arterienzweig und mehrere schwache kommen 
ausserdem aus der Schwanzarterie. Eine Arterie verläuft von der 
Fusswurzel kommend längs des freien Flughautrandes noch auf- 
wärts Zweigchen abgebend. Ausserdem erhält diese Flughautab- 
theilung noch einige Zweige aus den Gefässen des Unterschenkels. 

In der Vorarmflughaut verläuft eine sehr starke Arterie längs 
des ganzen freien Randes der betreffenden Flughautabtheilungen. 

Alle übrigen Gefässe der Vorarmflughaut sind schwache 
Stämmchen, welche theils aus der eben genannten Arterie, theils 
aus den Gefässen des Ober- und Vorderarmes entspringen. 

Ueber die von Wharton Jones entdeckte Pulsation der 
Flughautvenen, sowie über die bestätigenden Beobachtungen Leydig’s 
babe ich nichts Neues zu berichten. 


Haare und deren Anhangsdrüsen. 
(Tafel II, IV und V.) 


Die ganze Flughaut erscheint sowohl an der Innen- als an der 
Aussenfläche von äusserst feinen sparsamen Härchen bedeckt. 
In jedem Haarbalg münden zwei oder mehrere Talgdrüsen und 
eine Schweissdrüse und bilden zusammen ein abgeschlossenes von 
einem Capillarnetz umsponnenes Ganze. Sämmtliche Härchen 
sammt ihren Drüsen sind -in der ganzen Flughaut, wie bereits 
Leydig erwähnt, längs der elastischen Balken vertheilt. 

In der Nähe des Körpers im innersten Dritttheile der Flanken- 
flughaut und in der Schwanzflughaut stehen sie am dichtesten und 
zahlreichsten, in den äusseren Parthien der Flankenflughaut und in 
den Fingerflughäuten gegen die Flughautspitze zu werden sie all- 
mählich sparsamer. Das innerste Dritttheil der Flankenflughaut, wo 
die Härchen dem Verlaufe der elastischen Balken entsprechend in 
Längsreihen angeordnet sind, enthält ebensoviele Härchen als die 
zwei übrigen Dritttheile zusammengenommen. 

In den übrigen zwei Dritttheilen entspricht gleichfalls die Ver- 
theilung der Härchen zumeist dem bereits früher geschilderten Ver- 
lauf der elastischen Balken, so dass wir blos auf jenen Abschnitt 
zu verweisen brauchen. 

Dasselbe gilt von den übrigen Flughautabtheilungen mit Aus- 
nahme des oberen Dritttheiles der Schwanzflughaut, wo keine ela- 
stischen Balken vorkommen. Hier stehen die Härchen längs der 


Die Flughaut der Fledermäuse. 15 


transversal verlaufenden Muskelbündel und im obersten inneren 
Theile dieser Flughautabtheilung ganz regellos dichtgedrängt weder 
an Muskeln noch an anderweitige Elemente gebunden. Es ist dies zu- 
gleich die am dichtesten besetzte Stelle der ganzen Flughaut. Die 
betreffenden Talg- und Schweissdrüsen der einzelnen Härchen stossen 
fast ohne Zwischenräume aneinander. 

Die (vordere ventrale) Innenfläche sämmtlicher Flughautabthei- 
lungen trägt stets unverhältnissmässig mehr Härchen als die (hintere 
dorsale) Aussenfläche. 

Die Zahl der Härchen und somit der damit zusammenhängen- 
den Drüsengruppen und später zu beschreibenden Terminalkörperchen 
beträgt in den einzelnen Flughautabtheilungen: 

1. In der Flankenflughaut 2400— 2600 


2. In der Schwanzflughaut 800—1000 

3. In der ersten Fingerflughaut 500—700 

4. In der zweiten » 200—300 ° 
5. In der dritten » 50—80 

6. In der Vorarmflughaut 50—80 


Somit in der Flughauthälfte 4000—5000 und in der ganzen 
Flughaut des Thieres in runder Summe 8000 bis 10,000. 

Die Haare der Flughaut sind etwas abweichend gebaut von 
den Haaren der übrigen Körperregionen. Es haben zwar die Ober- 
hautplättchen stets eine ähnliche Gestalt und Stellung wie bei den 
Körperhaaren des betreffenden Thieres, so z. B. bei Vesperugo 
serotinus, wo sie spitzwinklige dichtgedrängte Doppelspirale bilden, 
aber die für die Körperhaare der Chiropteren charakteristische 
Aenderung des Diekendurchmessers und der Anordnung der Plätt- 
chen in den einzelnen Regionen desselben fehlt. Es erscheinen 
vielmehr die Haare der Flughaut einfach gegen die Spitze zu konisch 
zulaufend und sind nur ausnahmsweise unmittelbar über der Haar- 
zwiebel etwas weniger halsartig verengt. 

Die Härchen der Flughaut sind im Durchschnitt 0,2500 Mm. 
lang und am Grunde 0,0039 Mm. stark. 

Der Bau der Haarbälge der Flughauthaare ist im höchsten 
Grade interessant und eigenthümlich. Die beiden Faserhäute sind 
nicht deutlich ausgebildet, vielmehr liegt der Haarbalg im welligen 
bindegewebigen Stroma der Flughaut ohne scharfe Abgrenzung. 
Dagegen ist die Glashaut stark und prachtvoll entwickelt. 

Sie beginnt unter der Malpighi’schen Schicht als wulstiger 


16 Dr. Jos. Schöbl: 


Ring mit tief und dicht eingekerbtem Rande, den untersten Theil 
des Haares umschliessend bildet in der Gegend der Haarzwiebel 
eine bauchige Anschwellung, vereinigt sich unterhalb der Haar- 
zwiebel abermals sehr bedeutend, um sich dann abermals zu er- 
weitern und das später zu beschreibende conische Terminal- 
körperchen zu umschliessen und mit stumpfer Spitze zu enden. 

In ihrer oberen Hälfte ist die Glashaut prachtvoll der Länge 
nach gestreift oder eigentlich gefaltet, die äusserst feinen Fältchen 
sind dicht gedrängt, beginnen von je einer Kerbe des gewulsteten 
Randes und verlieren sich in der Gegend unterhalb der Haarzwiebel. 
Innerhalb der Glashaut befinden sich die Wurzelscheiden, von denen 
jedoch die innere bei der Kleinheit und überaus schwierigen Be- 
handlung des Gegenstandes schwer wahrzunehmen ist. Die äussere 
kennzeichnet sich durch den Pigmentgehalt ihrer Zellen, welcher 
namentlich bei denjenigen Härchen, welche auf der äussern oder 
dorsalen Oberfläche der Flughaut münden, sehr bedeutend ist. 

Sie kleiden die erste Ausbauchung der Glashaut aus und füllen 
den Raum zwischen dieser und der Haarzwiebel, unterhalb der 
Haarzwiebel verschmelzen sie und bilden einen soliden Zell- 
strang, welcher sich in die zweite rundlich conische unter der 
Haarzwiebel befindliche Ausbuchtung der Glashaut fortsetzt. Wir 
werden auf diesen Zellenfortsatz bei Betrachtung der Terminal- 
körperchen, welchen er zur Grundlage dient, wieder zu sprechen 
kommen. 

Die Talgdrüsen münden in den Haarbalg oberhalb des wul- 
stigen Randes der Glashaut. Sie sind im Verhältnisse zu den win- 
zigen Härchen riesenmässig gross. Bei Vesperugo serotinus finden 
sich gewöhnlich zwei an jedem Haarbalg, nicht selten jedoch auch 
drei, vier bis fünf; bei Plecotus auritus sogar sechs bis sieben. 
Sie sind stets um den Haarbalg rosettförmig gruppirt. Wenn nur 
zwej vorhanden sind, misst ihre Länge im Durchschnitt 0,037, 
ihre Breite 0,074 Mm., wo mehrere vorhanden sind, werden 
die einzelnen der Anzahl entsprechend kleiner. Was ihre Struc- 
tur betrifft, weichen sie von anderen Talgdrüsen nicht ab, wess- 
halb ich hierüber nichts erwähne. Die einzige mächtige im Ver- 
gleich zum Härchen riesige Schweissdrüse mündet gleichfalls mit 
verengtem Ausführungsgange ‚oberhalb des Glashautwulstes in den 
Haarbalg. Sie besitzt einen ziemlich langen Ausführungsgang, ist 


Die Flughaut der Fledermäuse. 17 


einfach schlauchförmig, nicht zusammengerollt und variirt in Bezug 
auf ihre Länge bei ein und demselben Thiere ganz ungemein. 

Sie besitzt, wie bereits Leydig (a. a. OÖ.) erwähnt, einen Beleg 
von glatten Muskelfasern, welche durch ihren Verlauf an der Ober- 
fläche derselben eine leicht spiralige Streifung bedingen, und zwei- 
kernige Zellen. Bei Vesperugo serotinus sehe ich jedoch meist nur 
einkernige Zellen. 

Die Breite des Drüsenschlauches beträgt 0,059 Mm. Die Länge 
schwankt zwischen 0,185 und 0,725 Mm. 


Nerven und Nervenendigungen. 
(Tafel III und IV.) 


Die Chiropterenflughaut ist gegen Ley dig’s Ausspruch (a. a. O.) 
ausserordentlich reich an Nerven und Nervenendigungen. 

Sämmtliche Nerven der Flughaut lassen sich naturgemäss ihrer 
Lage nach in fünf Schichten eintheilen, wovon die eine im mittelsten 
Stratum des Flughautstromas eingebettete einfach ist, die übrigen 
doppelt zu beiden Seiten der ersteren gelagert sind und sich gradatim 
den beiden Flughautoberflächen nähern. 

1. Die erste Schicht enthält die grössten und grossen Nerven- 
stämme und Aeste der Flughaut im Durchmesser von 0,207 Mm. 
bis zu 0,020 Mm., sie ist, wie bereits erwähnt wurde, einfach und liegt 
in dem mittelsten Stratum des Flughautstromas zugleich mit den 
grossen Blutgefässstämmen, Muskeln und elastischen Balken. 

Die Verästelung der Nerven dieser Schicht ist stets eine streng 
dichotomische baumförmige, doch kommen bereits in dieser Schicht 
häufig Maschenbildungen vor, welche jedoch stets nur auf die Art 
gebildet werden, dass ein sich vom Hauptstamme abzweigender Ast 
nach kürzerem oder längerem Verlaufe wieder zum Hauptstamme 
zurückkehrt, um mit ihm wieder vereint in derselben Richtung fort- 
zulaufen. 

Da alle dieser Schicht angehörigen Nerven mit alleiniger Aus- 
nahme der eben geschilderten Maschenbildungen streng den Verlauf 
der grössten und grossen Blutgefässe verfolgen, so erscheint eine 
detaillirtere Schilderung des Verlaufes der einzelnen Nerven als 
überflüssig, und ich verweise nur auf den bereits geschilderten Ver- 
lauf der grossen Blutgefässstämme. Die stärksten und meisten 
Nerven erhält die Flankenflughaut, und von dieser selbst ist wieder 


M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 2 


18 Dr. Jos. Sehöbl: 


das innerste Dritttheil, welches dem Körper am nächsten liegt, am 
reichlichsten mit Nerven versehen. 

Alle zur ersten Schicht gehörige Nervenstämme erscheinen in 
diesem inneren Dritttheil der Flankenflughaut von grossen stern- 
förmigen Pigmentzellen umsponnen. 

2. Die zweite Nervenschicht (Tafel II. Schwarz ohne Pigment- 
zellen) ist gedoppelt, die eine liegt über, die andere unter der vorigen 
unmittelbar unter dem Capillargefässnetz. Die Nerven dieser Schicht 
entspringen aus den Zweigen der Nerven der vorigen Schicht, haben 
einen Durchmesser von 0,020 bis 0,005 Mm., die stärksten enthal- 
ten 40—50, die schwächsten nur 6, ja mitunter nur vier dunkel- 
randige Fasern. Sie begleiten gleichfalls zumeist mittelstarke und 
schwache Blutgefässstämme. 

Was den Verlauf der Nerven dieser Schicht anbelangt, so 
kommen bei den stärksten Stämmchen noch häufig einfache dicho- 
tomische Verästelungen vor, im weiteren Verlaufe werden sie bei den 
schwächeren Stämmchen stets seltener, vielmehr verlaufen dieselben 
auf weite Strecken hin gleichstark bleibend und bilden unregel- 
mässige Netze. 


Die Netzbildung entsteht dadurch, dass wo zwei, drei oder 
vier Nerven zusammenstossen, stets ein streng gesetzmässiger Faser- 
austausch stattfindet, indem fast stets entweder die Hälfte, ein 
Dritttheil oder ein Viertheil der Fasern eines jeden Stämmchens 
ausgetauscht wird. Bei den stärksten Stämmehen dieser Schicht, 
wo die Gabeltheilung vorherrscht, ist der Faseraustausch von unter- 
geordneter Bedeutung, indem meist nur einzelne Fasern von einem 
Zweige zum anderen herüberstreichen. 

Die Netzbildung ist eine eigenthümliche: directe unmittelbare 
Maschen, aus gleichstarken Stämmchen gebildet, sind verhältniss- 
mässig selten, kommen jedoch überall in der Flughaut vor. Weit 
häufiger sind weite unregelmässige Maschen, welche nach weitem 
Verlauf und complicirter Verästelung durch stärkere und schwächere 
Stämmchen derselben Schicht gebildet werden. 

Am häufigsten kommt eine indirekte Maschenbildung vor, in- 
dem je zwei Stämmchen erst durch Nervenstämmchen der nächst- 
folgenden Schicht verbunden sind und so eine Masche bilden, die 
halb dieser halb der nächtsfolgenden Schicht angehört. 

Schliesslich kommt eine indirekte Maschenbildung noch da- 


F Die Flughaut der Fledermäuse. 19 


durch zu Stande, dass einzelne Nervenstämmchen dieser Schicht 
nach sehr weitem Verlaufe complicirter Verästelung ;und häufigem 
Faseraustausch je zwei oder mehrere der schwächsten Stämmchen 
der vorigen (untersten) Schicht verbinden, und so Maschen bilden, 
die halb dieser halb der ersten unteren Schicht angehören. Die 
später zu beschreibenden Terminalkörperchen gehören gleichfalls 
zu dieser Schicht, indem einzelne ihrer schwächsten Nervenstämmchen 
sich zu einem Haarbalg begeben und hier durch Umwicklung des 
bereits beschriebenen soliden Zellfortsatzes der Wurzelscheide das 
betreffende Körperchen bilden. 

3. Die dritte Nervenschicht (Tafel III. Braun) ist gleichfalls 
doppelt, liegt über der vorangehenden gegen die beiden Flughaut- 
oberflächen zu in einer Ebene mit den feinsten Blutgefässstämm- 
chen und dem Capillargefässnetz. 

Die Nervenstämmchen dieser Schicht bestehen fast allgemein 
nur aus zwei, äusserst selten aus vier blassen Nervenfasern. Der 
Durchmesser beträgt gewöhnlich 0,005 Mm., selten etwas mehr, 
der Durchmesser jeder einzelnen blassen Faser im Durchschnitt 
0,0025 Mm. Die Nervenstämmchen dieser Schicht entspringen aus 
den feineren und feinsten Nerven der vorigen Schicht und zwar 
auf dreifache Weise. Entweder wird ein ganzes Nervenstämmchen 
der vorigen Schicht an seinem Ende allmählich blass, indem es ganz 
durch wiederholte Gabeltheilungen in zweinervige Stämmchen der 
dritten Schicht zerfällt; oder es entstehen die blassen Stämmchen 
aus den ebengenannten Nerven der vorigen Schicht lateral unter 
rechtem Winkel abzweigend, wo da stets die eine Faser von dem 
centralen, die zweite vom peripheren Theile des betreffenden Nerven 
abstammt; oder endlich es bleiben von den zu den Terminal- 
körperchen gehenden feinen Nervenstämmchen 2 oder 4 Fasern 
übrig, die dann blass werden und in die dritte Schicht eintreten. 
In Bezug auf Verbreitung und Netzbildung der Nerven dieser 
Schicht gelten genau dieselben Gesetze, wie ich sie bei,der zweiten 
Nervenschicht angegeben habe und zwar direkte enge und weite 
Maschenbildung, indirecte Maschenbildung durch Vermittlung von 
Nervenfasern der nächst oberen (vierten) Schicht, indirekte Maschen- 
bildung durch Verbindung von je zwei oder mehreren Stämmchen 
der zweiten (nächst unteren) Schicht. 

4. Die vierte Nervenschicht (Tafel III. Blau), gleichfalls 
doppelt, liegt über der vorangehenden unmittelbar über dem Oa- 


20 Dr. Jos. Schöbl: 


pillargefässnetz der beiden Flughautoberflächen. Sie besteht durch- 
weg aus einem unregelmässigen Netz einzelner blasser Nerven- 
fasern, deren Durchmesser zwischen 0,0025 Mm. und 0,0009 Mm. 
schwankt. Die Maschenbildungen in dieser Schicht entstehen je- 
doch natürlicherweise nicht durch Faseraustausch, wie es bei den 
früheren Schichten der Fall war, sondern durch direkte Anasto- 
mosen der einzelnen blassen Fasern. In den Knotenpunkten befin- 
den sich zumeist jedoch nicht immer dreieckige, viereckige, mit- 
unter auch polymorphe ziemlich mächtige Anschwellungen von fein 
granulirtem Ansehen, in denen ich jedoch keine Kerne nachweisen 
konnte. 

Aehnliche aber spindelförmige Anschwellungen finden sich ziem- 
lich häufig im Verlaufe einzelner Nervenfasern, namentlich bei den 
stärkeren derselben. 

Die Nervenfasern dieser Schicht entspringen aus den zwei- 
faserigen blassen Nervenstämmchen der vorigen Schicht auf zwei- 
fache Weise, indem entweder die beiden blassen Fasern des Stämm- 
chens am Ende desselben gablig auseinanderweichen und in die 
nächst obere Schicht eintreten, oder es entspringt eine einzelne 
blasse Faser lateral aus einer blassen Faser des Stämmchens unter 
rechtem Winkel gleichsam heraussprossend. In der vierten Schicht 
angelangt, bildet jede einzelne Faser zahlreiche wiederholte Gabel- 
theilungen und Anastomosen. 

In Bezug auf Verbreitung und Netzbildung gelten für die 
Nervenfasern der vierten Schicht genau dieselben Gesetze wie ich sie 
bei der 2. und 3. Schicht angegeben habe. 

Direkte unmittelbare Maschenbildungen gehören stets zu den 
Ausnahmen, kommen jedoch vereinzelt überall vor. Viel häufiger 
sind sehr weite Maschen, welche erst nach wiederholter Theilung 
und Anastomosenbildung der einzelnen Fasern nach weitem Ver- 
laufe gebildet werden. 

Indirekte Maschenbildungen kommen zu Stande, indem Fasern 
dieser Schicht entweder direkt oder nach wiederholter Gabeltheilung 
zwei oder mehrere zweifaserige blasse Nervenstämmchen der nächst 
unteren Schicht verbinden; oder dass einzelne Zweige in die nächst 
obere Schicht hinaufsteigen und hier durch die feinsten blassen 
Fasern dieser Schicht unmittelbar oder im weiteren Verlaufe ver- 
bunden werden. 

Dieser Nervenschicht analog sind die blassen Netze, wie sie 


Die Flughaut der Fledermäuse, 21 


z. B. Kölliker schon im Jahre 1856 in der Haut der Maus be- 
schrieben hat. (Zeitschrift für wissensch. Zoologie. Bd. VII. Hft 3. 
p. 313. Fig. 10.) Doch kommen weder so einfache Netz- oder 
Maschenbildungen vor, wie sie Kölliker abgebildet hat, noch ist 
das Netz ein terminales. 

5. Die fünfte und letzte terminale Nervenschicht (Tafel II. 
Roth) ist gleichfalls doppelt, liegt unmittelbar über der vorigen an 
der Oberfläche der Cutis, theilweise zwischen den gewöhnlich an 
der Cutis haften bleibenden tiefsten Zellen der Malpighi’schen 
Schicht. Die Nervenfasern dieser Schicht sind gleichfalls blass und 
haben einen Durchmesser von 0,0009 Mm. bis zu nahezu unmess- 
barer Feinheit. Sie entstehen aus den blassen Nervenfasern der 
vorigen Schicht durch Theilung der feinsten Fasern derselben. Sie 
bilden gleichfalls ein unregelmässiges Netz mit direkten engen und 
sehr unregelmässigen weiten Maschen, sowie mit indirekten Maschen, 
welche durch Verbindung zweier oder mehrerer Fasern der vorigen 
Schicht entstehen. An den Knotenpunkten der Anastomosen oder 
an der Theilungsstelle der Fasern kommen in dieser Schicht nur 
ausnahmsweise und dann nur winzige Anschwellungen vor, wie 
sie so häufig in der vorigen Schicht sich finden. Auch spindel- 
förmige Anschwellungen im Verlaufe der einzelnen Nervenfasern 
‚fehlen. 

Zur Untersuchung der Nerven eignet sich am meisten das 
innere Dritttheil der Flankenflughaut, einestheils wegen des grossen 
Nervenreichthums, anderentheils weil hier das Stroma der Flughaut 
die grösste Dicke besitzt. 

Man kann hier mit starken Vergrösserungen (600—800) durch 
allmähliche Verrückung der Fokaldistanz die einzelnen Nerven aus 
einer Schicht in die anderen auf weite Strecken hin verfolgen, und 
an geeigneten Punkten durch verschiedene Einstellung des Instru- 
mentes alle 5 beziehungsweise 9 Nervenschichten der Flughaut an 
einem Punkte nacheinander zur Ansicht bekommen. 

Ich wähle hierzu junge fast ausgewachsene Exemplare von 
Vesperugo serotinus, tödte das Thier mit Chloroform, öffne dann 
rasch das Herz so lange es noch schlägt behufs der Verblutung. 
Hierauf injieire ich die Gefässe der Flughäute mit einer sehr dünn- 
flüssigen und nur sehr schwach blass-rosa mit Carmin gefärbten 
Gelatinmasse. Leichtflüssig muss die Masse sein, damit man bei 
der Injection die Flughäute nicht bedeutenderen Temperaturgraden 


22 ! Dr. Jos. Schöbl: 


aussetzen muss, blass muss sie sein, weil intensiv gefärbte Capillaren 
die Untersuchung erschweren, ja an einzelnen Stellen unmöglich 
machen. 

Es ist zwar eine vorangehende Injection der Capillaren zur 
Untersuchung des ferneren Verhaltens der Nerven durchaus keine 
Nothwendigkeit, da eben keine grosse Erfahrung dazu gehört, um 
die leeren Capillaren sofort und überall zu erkennen, aber eine 
unter obigen Vorsichtsmassregeln ausgeführte gute Injection er- 
leichtert die Untersuchung wesentlich, namentlich wenn es sich 
darum handelt, den Zusammenhang der einzelnen Nervenfasern und 
Nerven auf weite Strecken hin durch verschiedene Schichten mit 
Sicherheit zu verfolgen. 


Nach geschehener Injection lege ich die Flughäute für ein 
paar Augenblicke in Eiswasser, um die Gelatine zum Erstarren zu 
bringen. Hierauf kommen sie in ein Gemisch von rektifizirtem 
Holzessig, destillirttem Wasser und Glycerin, in diesem Gemisch 
bleiben sie bei gewöhnlicher Sommertemperatur zwei bis drei Tage, 
dann werden sie auf Korkplatten befestigt, die‘ eine glatte mit 
Glycerin bestrichene Oberfläche haben und nun unter Wasser die 
Oberhaut und obere Malpighi’sche Schicht erst der einen, dann der 
anderen Seite aber mit der allergrössten Schonung und Vorsicht 
abpräparirt. 

Die der Oberhaut beraubten Flughäute im aufgespannten Zu- 
stande, weil sie sich sonst in Folge ihrer contractilen Elemente 
ungemein zusammenziehen in ein Gemisch von Alkohol und Essig- 
säure von verschiedener Concentration in dem sie je nach Bedarf 
eine kürzere oder längere Zeit verweilen. Hierauf werden sie noch 
im Zusammenhang auf einen grossen Objectträger ausgebreitet, mit 
schwach angesäuertem Glycerin betropft und mit einem sehr grossen 
feinen Deckgläschen bedeckt. Während auf das Deckglas ein 
mässiger Druck einwirkt, wird erst das betreffende bedeckte Flug- 
hautstück den Rändern des Deckglases entlang von der übrigen 
Flughaut abgeschnitten. 

Tinetionen sind meist nicht nothwendig, höchstens verwende 
ich blasses gelbes Anilin, meine besten Präparate sind ohne alle 
Tinetion. 

Bei gelungenen Präparaten sehe ich jetzt ein volles Jahr nach 
ihrer Anfertigung die feinsten blassen Nervenfasern mit der grössten 


Die Flughaut der Fledermäuse. 23 


Deutlichkeit und lassen sich auf gewaltige Strecken verfolgen. So 
sind die auf Tafel III abgebildeten Nerven durchaus nicht aus 
vielen Präparaten zusammengestoppelt oder schematisirt, sondern 
sind fast durchweg von einem einzigen Präparat entnommen, frei- 
lich mit sehr grossem Aufwand von Zeit und Mühe Nur die 
allerfeinsten Nerven der fünften (terminalen) Schicht lassen sich 
nicht auf weite Strecken im Zusammenhange verfolgen, hier sind die 
Schwierigkeiten gar zu gross, und man muss sich mit der Zusammen- 
stellung einzelner glücklich erhaltener und gelegener Pärthien be- 
gnügen. Die blassen Nervennetze der vierten Schicht schon, sowie 
alle übrigen Schichten habe ich mehrere Centimeter weit mit grosser 
Sicherheit verfolgt. 


Terminalkörperchen. 
(Tafel IV, II u. II.) 


Die Terminalkörperchen haben die Gestalt eines kurzen Tannen- 
zapfens mit etwas gerundeter Spitze. Der Längsdurchmesser be- 
trägt 0,0259, der Querdurchmesser 0,0175 Mm. 

Sie liegen, von der Glashaut des Haarbalges umschlossen, 
unter je einer Haarzwiebel, es stimmt also ihre Anzahl und Anord- 
nung in der Flughaut genau überein mit der der Haare, die ich 
bereits geschildert habe und auf die ich nun in dieser Hinsicht 
hinweise, 

Den Kern der Körperchen bilden Zellen, welche ihrer Genese 
nach den Wurzelscheiden beziehungsweise der Malpighi’schen Schicht 
angehören, die Rinde bilden dicht gewundene und verschlungene 
dunkelrandige Nervenfasern, deren Stärke im Durchschnitt 0,0012 
Mm. beträgt. 

Die Nerven der Terminalkörperchen stammen aus der zweiten 
Nervenschicht, indem je eines der feinsten Nervenstämmchen der- 
selben, bestehend fast ausnahmslos aus vier oder sechs dunkel- 
randigen Nervenfasern, sich zu je einem Haarbalge begiebt und 
hier durch Knäuelbildung und Umhüllung des obengenannten zel- 
ligen Fortsatzes der Wurzelscheide das terminale Körperchen zu 
bilden. 

Bevor die betreffenden Nervenstämmchen zum Haarbalg oder 
zum Terminalkörperchen treten, spalten sie sich gewöhnlich in zwei 
Zweischen, von denen jedes stets genau die Hälfte der Fasern 
enthält. 


, 


24 Dr. Jos. Schöbl: 


Verfolgt man die betreffenden, das Körperchen bildenden Ner- 
venfasern zurück zur ersten Bifurkationsstelle, so kann man häufig 
beobachten, dass die Hälfte der Fasern aus der einen, die andere 
Hälfte aus der andern Richtung herstammen. Die Zellen im Innern 
des Körperchens, welche besonders in der oberen Partie desselben, 
wo die nervöse Umhüllung sparsamer ins Auge fallen, enthalten 
stets etwas, manchmal auch recht dunkles Pigment. 

Die Auffindung und richtige Deutung der betreffenden Termi- 
nalkörperchen war ein hartes Stück mikroskopischer Arbeit. 

Es sind mir zwar schon im April des vorigen Jahres, also vor 
Jahresfrist, gleich bei den ersten genaueren Durchmusterungen der 
Flughaut eigenthümliche Fortsätze der Haarbälge nach abwärts auf- 
gefallen, die sich mit grosser Constanz bei jedem Haare wieder- 
holten und stets dieselbe eigenthümliche Gestalt besassen. Ebenso 
konnte es mir nicht entgehen, dass mit derselben Constanz sich 
ein aus 4—6 dunkelrandigen Fasern bestehendes Nervenstämmchen 
bis zu je einem Härchen verfolgen liess und nicht weiter, ob- 
gleich die ganze Partie der Flughaut unversehrt war und selbst 
eine schwache blasse Nervenfaser der Untersuchung nicht entgan- 
gen wäre. 

Doch über den Bau und die Bedeutung der betreffenden Haar- 
balgfortsätze sowie über das weitere Schicksal des bei jedem Haar- 
balg nicht weiter zu verfolgenden Nervenstämmchens blieb ich lange 
Zeit im Unklaren. 

Am häufigsten erschien es, als sei es aus granulöser Masse 
‘ zusammengesetzt, mitunter zeigte sich namentlich in den oberen 
Theilen bräunliches Pigment, manchmal, namentlich bei etwas zu 
energischer Einwirkung des Essigsäure-Alkoholgemisches, erschien 
das Gebilde wie mit länglich rhomboidalen Feldern oder Schuppen 
besetzt, so dass es täuschend einem winzigen Tannenzapfen glich, 
oft schien es mir wieder, dass es eine rein zellige Struktur besitze, 
oft auch namentlich bei manchen Arten wie Plecotus erschienen die ° 
ganzen Gebilde so blass, dass man nur die äusseren Conturen wahr- 
nehmen konnte. 

Da endlich gelang mir ein Präparat aus der Flankenflughaut 
von Vesperugo serotinus, welches wenigstens im unteren Dritttheil 
der meisten Körperchen deutliche Windungen zeigte, welche au 
mich sofort den Eindruck von Nervenfasern machten. 

Einzelne besonders günstige Körperchen desselben Präparates 


Die Flughaut der Fledermäuse. 25 


erschienen ganz mit Windungen bedeckt wie kunstgerecht gewickelte 
Knäuel. Wie ein Blitz tauchte in mir die Vermuthung auf, dass 
ich es mit Endorganen sensitiver Nerven zu thun habe und dass 
dieselben mit dem bereits erwähnten, stets in der Nähe des Haar- 
balges verschwindenden Nervenstämmchen in Verbindung stehen 
dürften. 

Meine Freude über die Beobachtung war sehr gross, doch die 
nervöse Natur der Windungen war noch nicht erwiesen, der Zu- 
sammenhang mit Nerven noch nicht festgestellt. Eine vorgefasste 
Meinung konnte also leicht Täuschungen begünstigen. Alle nur 
möglichen Zweifel tauchten in mir auf, namentlich glaubte ich eine 
lange Zeit, dass Faltenbildungen der Glashaut die vermeintlichen 
Windungen vortäuschen könnten. Doch die Breite der Windungen 
war stets und überall genau dieselbe wie die der dunkelrandigen 
Fasern des oftgenannten zum Haarbalg gehenden Nervenstämm- 
chens. Das optische Verhalten und das Verhalten gegen Reagentien 
war auch bei beiden stets dasselbe. 

Endlich gelang es mir, unter den Tausend und aber Tausend 
beobachteten Körperchen eines zu finden, welches für die Beobach- 
tung sehr bequem lag. Die Glashaut war durch Zufall zersprengt 
und das Körperchen lag frei neben derselben. Trotzdem zeigte es 
dieselben Windungen mit um so grösserer Klarheit und die leere 
Glashaut zeigte die Eindrücke derselben. Auch die Beobachtung 
des direkten Zusammenhanges der betreffenden Windungen mit den 
dunkelrandigen Nervenfasern des oftgenannten Nervenstämmchens 
liess nicht lange auf sich warten und zwar zu wiederholten Malen 
und mit grosser Sicherheit. 

Nun konnte ich mich auch bei verhältnissmässig schlechten 
Präparaten zurechtfinden. 

So stand meine Ansicht zu Ende des verflossenen Jahres fest, 
dass die betreffenden Gebilde terminale Nervenkörperchen sind, und 
ich hielt sie für einfache, unter dem Haarzwiebel gelegene Nerven- 
knäuel, wie ich es in meiner vorläufigen Mittheilung angege- 
ben habe. 

Auf den ebenso freundlichen als aneifernden Rath des Herrn 
Professor Max Schultze nahm ich die bereits abgeschlossene Unter- 
suchung der Körperchen, hauptsächlich unter Anwendung der 
Ueberosmiumsäure wieder auf. 


96 Dr. Jos. Schöbl: 


Nach langer, ebenso zeitraubender als mühseliger Arbeit ge- 
lang es mir, eine Anzahl der betreffenden Körperchen zu isoliren, 
worauf dann eine genauere Untersuchung sowohl der Oberfläche 
als des Innern möglich wurde. So gelangte ich schliesslich zu den 
oben angegebenen Resultaten. 

Zur Untersuchung der Terminalkörperchen eignet sich am 
besten die mittlere Partie der Flankenflughaut von Vesperugo sero- 
tinus. Am besten eignen sich hierzu nicht injieirte Flughäute, weil 
das den Haarbalg und die Drüsen umspinnende dichte Capillarnetz 
namentlich bei intensiver Färbung der Injectionsmasse zu viel deckt. 

Die Flughäute werden dann möglichst frisch nach kurzer Ein- 
wirkung des Holzessiggemisches der Oberhaut beraubt und hierauf 
der Einwirkung der verdünnten Essigsäure oder des Essigsäure- 
Alkoholgemisches ausgesetzt. Auf die Concentration dieser Reagen- 
tien sowie auf die Zeit der Einwirkung kommt sehr viel an, doch 
lassen sich hierüber präcise Vorschriften nicht geben, weil bei ver- 
schiedenen Flughäuten bald eine intensivere, bald weniger intensive 
Einwirkung dazu gehört, um das gewünschte Resultat zu erreichen. 
Ich pflege während der Einwirkung der Reagentien von Minute zu 
Minute das ganze auf einer Glasplatte ausgespannte grosse Präparat 
aus der Flüssigkeit herauszunehmen, auf eine Stelle desselben einen 
Tropfen Glycerin zu bringen und nach aufgelegten Deckgläschen bei 
mässiger, 3—400facher Vergrösserung nachzusehen, bis die ge- 
wünschte Wirkung eingetreten ist. 

Zur Aufbewahrung der Präparate dient dann schwach an- 
gesäuertes Glycerin. Ein Jahr alte Präparate, die vor mir liegen, 
zeigen die Terminalkörperchen noch ganz prachtvoll. 


Schlussbemerkungen. 


Es enden somit, wie aus Vorangehendem ersichtlich, die sen- 
sitiven Nerven der Chiropteren-Flughaut in doppelter Weise: dunkel- 
randige Nerven in eigenthümlichen Terminalkörperchen;; blasse Ner- 
venfasern in einem subepidermoidalen Terminalnetz. 

Bemerkenswerth ist bei den Terminalkörperchen, dass die in 
sie eintretenden dunkelrandigen Fasern stets paarig sind, dass, wie 
bereits erwähnt, sich das Nervenstämmchen vor dem Teröminalkr- 
perchen gewöhnlich spaltet und die Hälfte der Fasern von der einen, 
die andere Hälfte von der anderen zu dem Körperchen sich begibt; 


Die Flughaut der Fledermäuse. 27 


endlich dass sich häufig beobachten lässt, dass bei der letzten Bifur- 
kations- oder Theilungsstelle, wo das zum Körperchen sich begebende 
Nervenstämmchen beginnt, sich die eine Hälfte seiner Fasern nach 
der einen, die andere nach der anderen Seite hin verfolgen lässt. 


Bei Betrachtung dieser Thatsachen drängt sich mir unwillkühr- 
lich der Gedanke auf, ob nicht die betreffenden Fasern von der 
einen Seite kommend durch Umwicklung des Zellfortsatzes der 
Wurzelscheide und Knäuelbildung dieses Gebilde zu einem sensiti- 
ven Endorgan machen und sich auf der andern Seite wieder fort- 
begeben, oder mit andern Worten, ob die betreffenden Terminalkör- 
perchen nicht in bipolarer Weise in den Nervenfaserverlauf ein- 
geschaltet sind. Es könnte vielleicht etwas ähnliches bei anderen 
terminalen Bildungen, zu denen paarige Nervenfasern treten, wie z. B. 
zu den Tastkörperchen, stattfinden. 


Das Netz feinster blasser Nervenfasern unmittelbar an der 
Oberfläche des Corions, theilweise zwischen den untersten Zellen 
der Mapighi’schen Schicht, welches ich früher als fünfte Nerven- 
schicht beschrieben habe, halte ich für ein terminales. 

Es lässt sich dieses Netz bei der ungemeinen Schwierigkeit 
der unversehrten Präparation und Untersuchung nicht auf weite 
Strecken hin im Zusammenhange verfolgen, doch sind die Partien, 
die im Zusammenhange beobachtet werden können, immer noch 
gross genug, um daraus berechtigte Schlüsse und Folgerungen ziehen 
zu können. 

Wo das Präparat unversehrt ist, die untersten Zellen der 
Malpighi’schen Schicht ungestört an Corion sitzen blieben, zeigen 
sich nirgends freie Enden der allerfeinsten blassen Fasern. Wo sich 
freie Enden feiner und feinster Fasern finden, die an ihrem Ende 
mitunter leicht kolbig oder elliptisch angeschwollen sind, lassen sich 
fast stets gewaltsame Continuitäts-Trennungen nachweisen. 

Fasern, welche sich noch weiter gegen die Oberfläche zwischen 
die oberen Zellen der Malpighi’schen Schicht begeben würden, lassen 
sich nirgends, weder an Flächenpräparaten noch an Querschnitten 
auffinden. 

Ich glaube also berechtigt zu sein, aus der Beobachtung direk- 
ter Netzbildung feinster blasser Fasern zwischen den untersten Zel- 
len der Malpighi’schen Schicht, aus dem Mangel feinerer weiter 
gegen die Oberfläche dringender Fasern, sowie aus dem Mangel 


28 Dr. Jos. Schöbl: Ueber die Flughaut der Fledermäuse. 


natürlicher freier Endigungen in derselben Schicht das betreffende 
Netz feinster blasser Nervenfasern für ein terminales halten zu 
dürfen. 

Interessant ist die Uebereinstimmung beider Endigungsweisen. 
Die dunkelrandigen Fasern in den Terminalkörperchen umwickeln 
Zellen der Wurzelscheide, also beziehungsweise der Malpishi’schen 
Schicht, die blassen terminalen Fasern liegen gleichfalls zwischen 
den untersten Zellen ebendieser Schicht. 

Was die Bedeutung der beiden Endigungsweisen sensitiver 
Nerven in der Chiropteren-Flughaut betrifft, so liegt es sehr nahe, 
dass die terminalen Körperchen wegen ihrer Analogie mit anderen 
Tastorganen, ihrer regelmässigen Vertheilung und ihres Zusammen- 
hanges mit Haaren das überaus feine Tastvermögen der Flughaut 
vermitteln, während die blassen Terminalnetze das Gefühl für Tem- 
peratur, Schmerz u. s. w. ermöglichen. 

Zum Schlusse will ich nur noch erwähnen, dass ich ähnliche 
Endigungsweisen sensitiver Nerven auch an besonders sensitiven 
Stellen anderer Säugethiere gefunden zu haben glaube, worüber ich 
in nächster Zeit berichten werde. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel I. 


Tafel I. stellt eine injieirte Flughaut von Vesperugo serotinus nach 
vorsichtiger Entfernung der Oberhaut und Malpighi’schen Schicht bei geringer 
Vergrösserung dar. 

Das Netz elastischer Balken ist schwarz dargestellt, ebenso die feinen 
Härchen. 

Die Muskeln sind braun und quer schraffirt. 

Die Arterien roth. Die Venen blau. 

Die Capillargefässe violett, um die Härchen herum, wo sie die betref- 
fenden Talg- und Schweissdrüsen umspinnen, Rosetten bildend. 

Die Nerven sind gelb. Das Netz blasser Nervenfasern, sowie die bei 
jedem Härchen liegenden Terminalkörperchen sind orange. 


Tafel II. 


Stellt ein kleines rechteckiges Stückchen aus der Mitte der Flanken- 
flughaut von Vesperugo serotinus bei 250maliger Vergrösserung nach Ent- 
fernung der Oberhaut und Malpighi’schen Schicht dar. 

Zwei elastische Balken, von denen der eine nach oben zu gabeltheilig 
ist, verlaufen diagonal von innen und oben nach aussen und unten und geben 
längs ihres ganzen Verlaufes feine elastische Fasern in das Stroma der 
Flughaut ab. 

Die Muskeln sind braun und querschraffirt; es verlaufen fünf Muskel- 
bündel, von denen das eine gabeltheilig diagonal von aussen und oben nach 
innen und unten. Sie kreuzen die beiden elastischen Balken unter nahezu 
rechten Winkeln. 

Zu beiden Seiten der beiden elastischen Balken sind fünf Härchen, mit 
deren Anhangsdrüsen und den unter der Haarzwiebel gelegenen Terminal- 
körperchen dargestellt. 

Die Zahl der Talgdrüsen bei je einem Härchen variirt zwischen zwei 
bis fünf, die Länge der einzigen Schweissdrüse ist gleichfalls variabel. 
Beiderlei Drüsen sind von einem Capillarnetz zierlich umsponnen. 

Im oberen inneren Wiukel befindet sich ein kleines Segment eines Bün- 
dels grosser Blutgefässe in Begleitung eines starken Nerven. 

Arterie, Vene und 'Nerv geben je einen Zweig in die abgebildete 
Flughautpartie ab, deren weiterer Verlauf auf der Tafel dargestellt ist. 


30 Erklärung der Abbildungen. 


Die feinsten Blutgefässe, sowie die Capillargefässe erscheinen von den tief- 
sten pigmentlosen Zellen der Malpighi’schen Schicht umsäumt. 

Ueber die ganze Tafel erstreckt sich das Netz stärkerer und schwä- 
cherer blasser Nervenfasern. 


Im Stroma der Flughaut sind zahlreiche Bindegewebskörperchen vor- 
handen. 


Tafel II. 


Stellt die Nerven eines kleinen Stückchens aus dem innersten Dritt- 
theile der Flankenflughaut von Vesperugo serotinus dar. 

Der Verlauf sämmtlicher Nerven mit Einschluss der stärkeren, blau 
dargestellten blassen Nervenfasern ist zum allergrössten Theile mit portrait- 
mässiger Genauigkeit von einem einzigen gelungenen Präparate entnommen. 
Nur die feinsten blassen Fasern, welche carminroth dargestellt sind und deren 
Verfolgung im Zusammenhange längs des ganzen Präparates ein Ding der 
Unmöglichkeit ist, sind theils von fremden Präparaten zusammengestellt und 
ergänzt. Der Verlauf der einzelnen Nervenstämmchen ist etwas abgekürzt, weil 
sonst die Tafel gar zu colossal ausgefallen wäre; es erscheinen somit die 
Maschen etwas enger als im natürlichen Zustande. Die Vergrösserung 
ist 350. 


Vier stärkere, aus dunkelrandigen Fasern bestehenden Nervenstämm- 
chen, welche in diese Parthie eintreten, gehören der ersten oder mittleren 
unparigen Nervenschicht an; sie sind schwarz gezeichnet und von dunkel- 
braunen sternförmigen Pigmentzellen umsponnen. 

Die Nerven der zweiten (paarigen) Schicht sind gleichfalls schwarz 
dargestellt, entbehren jedoch der sternförmigen Pigmentzellen; es sind die 
drei feinen und feinsten aus dunkelrandigen Fasern bestehenden Nervenstämm- 
chen; mit ihnen im Zusammenhange stehen die gleichfalls schwarz gezeich- 
neten Terminalkörperchen. 

Die Nerven der dritten Schicht sind braun gezeichnet; es sind dies 
feinste Nervenstämmchen, bestehend aus je zwei starken blassen Nerven- 
fasern. 

Die Nerven der vierten Schicht sind blau dargestellt; sie bilden ein 
unregelmässiges Netz stärkerer und schwächerer blasser Nervenfasern mit 
polymorphen Anschwellungen an den Knotenpunkten. 

Die fünfte Nervenschicht ist carminroth dargestellt und besteht aus 
den feinen und feinsten, meiner Ansicht nach terminalen blassen Nervenfasern. 


Tafel IV. 

Stellt ein Härchen mit dessen Anhangsdrüsen, dem Terminalkörperchen 
und dessen Nerven aus der Mitte der Flankenflughaut von Vesperugo sero- 
tinus dar. Vergrösserung 1005. 

Der Haarschaft ist an seinem Grunde von dem gekerbten Rande der 
Glashaut des Haarbalges umgeben. 


Erklärung der Abbildungen. 31 


Unter der Haarzwiebel liegt von der Glashaut umhüllt das Terminal- 
körperchen. 

Zu beiden Seiten des Haarbalges liegt je eine mächtige Talgdrüse. Die 
grosse Schweissdrüse schlingt sich um das Ganze. Von den gegen den Haar- 
balg zustrebenden Nervenstämmchen begeben sich sechs dunkelrandige Fasern, 
zu je dreien je ein Stämmchen bildend, zum Terminalkörperchen. Zwei vom 
Hauptstämmcehen übrig bleibende Fasern streichen weiter, werden blass und 
gehen in das Netz blasser Nervenfasern über. 


Tafel V. 


Fig. 1. Ein Stückchen der Oberhaut der äusseren (dorsalen) Flug- 
hautoberfläche von Vesperugo serotinus im natürlichen gefalteten Zustand. 
Vergrösserung 350. 

Fig. 2. Ein Stückchen derselben Oberhaut nach leichter Einwirkung 
von Alkalien und unter mässigem Druck. Die Falten sind verschwunden, die 
einzelnen Oberhautzellen flach ausgebreitet. Vergrösserung 350. 

Fig.3. Eine Gruppe von Zellen der oberen Malpighi’schen Schicht von 
der äusseren (dorsalen) Flughautoberfläche von Vesperugo serotinus. Ver- 
grösserung 1005. 

Fig. 4. Eine Gruppe derselben Zellen von der inneren (ventralen) Flug- 
hautoberfläche. Vergrösserung dieselbe. 

Fig. 5. Eine sternförmige Pigmentzelle aus dem Stroma des inneren 
Dritttheiles der Flankenflughaut von Vesperugo serotinus. Vergrösserung 450. 

Fig. 6. Senkrechter Durchschnitt der Flughaut von Vesperugo sero- 
tinus. Vergrösserung 300. Die Begrenzung nach oben und unten bilden die 
betreffenden Zellen der Oberhäute und der Malpighi’schen Schichten. Das 
Stroma erscheint als welliges Bindegewebe mit zahlreichen Bindegewebskör- 
perchen. In der Mitte des Stromas nach oben liegt ein Haarbalg mit seinen 
Anhangsdrüsen, zu beiden Seiten eine durchschnittene Talgdrüse und um 
dieselbe drei Durchschnitte der verschiedenen Windungen der Schweissdrüse. 
Unter der Haarzwiebel liegt das Terminalkörperchen. Unter dem Haarbalg 
liegt der Querdurchschnitt eines mächtigen elastischen Balkens. Zu beiden 
Seiten gegen die Ränder zu liegen zwei schief durchschnittene braun ge- 
zeichnete Muskelbündel. 

Ausserdem finden sich im Stroma Durchschnitte von Blutgefässen, Ca- 
pillaren und Nerven. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle 
im Bindegewebe, 


und Bemerkungen über die Structur des Letzteren. 
Von 
Dr. W. Flemming. 


Hierzu Taf. VI, VII und VII. 


Es darf als allgemein angenommen gelten, dass, was man 
Fettgewebe nennt, eine Metamorphose des Bindegewebes darstellt. 
überall, wo sich normale Fettzellen entwickeln, geschieht dies im 
Bereich des fibrillären Bindegewebes, und seit man Zellen im Letz- 
teren kennt, hat man sie als Entwicklungsgrundlage der Fettzellen 
angesprochen. Es knüpfen sich aber hieran einige Fragen, deren 
Beantwortung noch nicht versucht, welche, soviel mir bekannt ist, 
überhaupt noch kaum gestellt worden sind. 

Wenn fibrilläres Bindegewebe sich zu Fettgewebe umzuformen 
vermag, warum geschieht dies immer zuerst an bestimmten Körper- 
regionen und bleibt auf bestimmte beschränkt? Warum verhal- 
ten sich Strecken des lockeren Bindegewebes, die morphotisch ein- 
ander ganz gleich sind, in dieser Beziehung so verschieden? Ferner: 
man beobachtet constant, dass das Fettgewebe immer in kleinen 
umschriebenen Heerden sich anlegt. Was ist der Grund davon? 
Wenn jede Bindegewebszelle Fettzelle werden kann, so dürfte man 
ebenso gut erwarten, dass die Aufspeicherung des Fettes ganz diffus 
im Gewebe verstreut erfolge. Und dieser Ausdruck Aufspeicherung, 
dem eine vielverbreitete Auffassung von der Bedeutung des Fettes 
im Körperhaushalt zu Grunde liegt, ist er berechtigt? Stellt 
das Fettgewebe wirklich eine blosse Anhäufung von »überschüs- 


Dr. W. Flemming: Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle u.s.w. 33 


sigem Ernährungsmaterial« dar, oder muss man ihm eine activere 
fortdauernde Rolle im Stoffwechsel des Thierleibes zumessen ? 

Diese Fragen greifen weiter, als dass eine rein histiologische 
Untersuchung sie zu lösen vermöchte. Aber um an ihre Beantwor- 
tung überhaupt zu gehen, scheint es nöthig, zuvor über das rein 
morphologische Problem ins Klare zu kommen: Welche Form- 
elemente sind es, die bei der Bildung, dem Leben und Schwinden 
des Fettgewebes ins Spiel kommen, und welcher Art sind die histio- 
logischen Veränderungen, die sie dabei eingehen? 

Der Lösung dieses Problems sollen die hier mitgetheilten Unter- 
suchungen dienen. Durch einen Blick auf dasjenige, was über den 
Gegenstand bisher bekannt war, glaube ich zeigen zu können, dass 
das Unternehmen kein müssiges ist; denn vom Standpunkt der 
neueren Bindegewebshistiologie ist die Frage nach der Genese der 
Fettzelle bisher noch nicht endgültig beantwortet worden. 

Nach Virchow!) erfolgt bei Embryonen die Entwicklung des 
Fettgewebes aus dem von ihm sogenannten Schleimgewebe: die run- 
den Zellen in demselben vermehren sich durch Wucherung zu je 
einem grösseren Häufchen, dessen Zellen dann Fett aufnehmen. 
Ganz ähnlich erfolge die Fettzellenneubildung in Lipomen, daneben 
aber hier auch von den alten Fettzellen aus. Ausserdem führt 
Virchow eine pathologische Beobachtung — bei progressiver 
Muskelatrophie — dafür an, dass spindelförmige Bindegewebszellen 
sich zu Fettzellen umgestalten?). Einen ganz ähnlichen Fall theilt 
v. Wittich mit?) und Förster*) gibt an, dass dies bei hypertro- 
phischer Fettwucherung und fettiger Entartung der gewöhnliche 
Weg sei; daneben scheine aber auch Theilung der alten Fettzellen 
vorzukommen. 

Von den verbreiteten Handbüchern der Gewebelehre enthält 
dasjenige von Frey°) die ausführlichsten Angaben über den Gegen- 
stand, welche sich wesentlich den eben citirten anschliessen. Die 
Entstehung der Fettzellen beim Embryo erfolgt nach Frey »wohl 
von jenen sphärischen Zellen aus, welche die Hohlräume des wer- 


1) Die krankhaften Geschwülste, 1865 Bd. I. 369. 

2) V. Arch. Bd. VIII. 1855 p. 538. 

3) Ebenda Bd. IX. 1859 p. 195. 

4) Handb. d. path. Anat. 1865 4. Lief. p. 234. 

5) Handb. d. Histol. u. Histochem. d. M. 1867 p. 240. 


M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 3 


34 Dr. W. Flemming: 


denden formlosen Bindegewebes erfüllen« (es wird dabei auf eine 
Abbildung der runden Zellen in den Maschenräumen der Whar- 
t!on’schen Sulze verwiesen). In späterer Zeit liegen dann nach Frey 
aneinandergedrängt, polyedrisch abgeplattet und von dem bekannten 
Gefässnetz umsponnen, ansehnliche kugelige Zellen, in der Regel 
noch ohne Fetttröpfchen; dann treten in ihnen einzelne Tröpfchen 
auf und confluiren, ein Vorgang, welcher in umgekehrter Reihen- 
folge ganz die Bilder der an Fett verarmenden Zelle des reifen 
Körpers wiederhole — auch findet man bei Frey’s Darstellung 
des Fettschwundes (p. 296 Fig. 188) dieselbe Serie von Zellen ab- 
gebildet, welche hier (Fig. 192) als progressive Reihenfolge ge- 
zeichnet sind. Während es also hier, im Embryo, nach Frey 
runde Zellen sind, welche Fett aufnehmen, spricht derselbe sich 
p. 241 dahin aus, dass im fettig durchwachsenem Muskel auch 
stern- und spindelförmige Bindegewebskörperchen sich mit Fett fül- 
len können. 

Die Morphologie des Fettschwundes ist wie gesagt nach Frey 
in umgekehrter Folge ganz dieselbe wie die der Fettbildung. Ist 
alles Fett geschwunden, so bleiben sogenannte »serumhaltige Fett- 
zellen«, in denen das Fett »durch einen flüssigen Inhalt von anderer 
Mischung« ersetzt ist; man findet sie in abgemagerten, sowie in 
wassersüchtigen Leichen. 

Kölliker in seinem Handb. der Gewebelehre spricht sich über 
“die Entwickelung des Fettgewebes nicht näher aus; nur eine Angabe 
desselben (Handb. d. Gewebelehre 1863 p. 113) habe ich später zu 
berücksichtigen. Die an Fett verarmte »serumhaltige« Fettzelle 
beschreibt er als: »neben mehr oder weniger geschwundenem Fett, 
das meist als eine einzige, dunkler gefärbte Fettkugel erscheint, 
eine helle Flüssigkeit und einen deutlichen Kern enthaltend, und 
bedeutend kleiner als regelrechte Fettzellen, 0,01—0,015°. An den 
ganz fettlos gewordenen Fettzellen beobachtete er eine zarte oder 
verdickte Hülle. 

In seinem »Handb. d. pathol. Gewebelehre« gibt Rindfleisch 
(I. Lief. p. 48 Fig. 23) eine Abbildung von Fettinfiltration des Binde- 
gewebes — es ist nicht gesagt, ob pathologischer oder normaler — 
in welcher das Fett lediglich in stern- und spindelförmigen Binde- 
gewebskörpern auftretend dargestellt ist. Nach Rindfleisch sieht 
man selten mehr als zwei, höchstens drei isolirte grössere Tropfen 
in einer Zelle auftreten, welche sich beeilen zusammenzufliessen. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s. w. 35 


Auf R.’s Angaben über atrophisches Fettgewebe werde ich unten 
zurückkommen. 

Zuletzt ist die Histiologie der Fettbildung besprochen worden 
in Strieker’s Handbuch der Lehre von den Geweben, in Rolletts 
Aufsatz: Von den Bindesubstanzen (p. 69). Diese Darstel- 
lung besagt, dass man »als erste Entwicklungsstufe der späteren 
Fettzellen kleine runde, körnige Zellen mit runden Kernen sehe, die 
das Ansehen junger Zellen haben; im Innern derselben entstehen 
zuerst kleine, stark lichtbrechende Tröpfchen, die sich aber sehr 
bald meist zu einem einzigen grösseren Fetttropfen in der Mitte der 
Zelle sammeln; viel seltener gewahre man mehrere grössere Tropfen 
nebeneinander. Beim Grösserwerden des centralen Fetttropfens 
behalte das umgebende Zellprotoplasma anfangs noch sein körniges 
Ansehen, später bleibe von ihm nur noch die dünne und glatt er- 
scheinende Hülle des Fetttropfens mit dem platter und glatter ge- 
wordenen Kern. Rollett schliesst übrigens, dass beim Wachsen der 
Zelle nicht nur das Fett, sondern auch das Protoplasma an Masse 
zunehme. 

Von Fettbildung in spindel- oder sternförmigen Zellen redet 
Rollett nicht. 

Die, soviel mir bekannt ist, einzige Monographie über den 
Gegenstand hat F. Czajewicz!) geliefert; sie ist, ausser in einer 
kurzen Notiz bei Rollett (vgl. unten), in den angeführten Hand- 
büchern nicht erwähnt. Auf ihren Inhalt werde ich bei meinen 
eigenen Mittheilungen noch vielfach zurückkommen müssen und 
citire hier nur die Hauptresultate, wie sie Czajewiczl. c. p. 318 
zusammenfasst. Hinsichtlich der Entwicklung sagt Czajewicz: 

»Man sieht deutlich, wie die kleinen, zarten, abgeflachten, fein- 
körnigen Bindegewebszellen, welche nach Cz. alle rundlich und 
membranhaltig sind, sich mit kleinen Fetttröpfehen anfüllen, die 
fortwährend an Umfang zunehmen und schliesslich zu grossen 
Tropfen zusammenfliessen. 

»Bei reichlicher Fütterung findet nicht nur eine Ablagerung 
vom überschüssigem Ernährungsmaterial in den Fettzellen statt, 


1) Mikroskop. Unters. über die Textur, Entwickelung, Rückbildung 
und Lebensfähigkeit des Fettgewebes, in Reichert und Du Bois Arch. 
Jahrg. 1866 p. 289; deutsch durch H. Hoyer. Ein besonderer Abschnitt 
einer grösseren polnisch geschriebenen Arbeit »über d. Fettgewebe u. seine 
physiol. Bedeutung«. Dieses polnische Original war mir nicht zugänglich. 


36 Dr. W. Flemming: 


sondern man bemerkt auch an den Formelementen anderer Gewebe 
eine sichtliche Zunahme und selbst strotzende Fülle, z. B. an den 
Zellen des Bindegewebes und am einschichtigen Epithel des Mesen- 
teriums, dessen Zellen sogar vollständig mit Fett erfüllt werden 
können.« 

»Bei Nahrungsentziehung wird der Fetttropfen in der Zelle re- 
sorbirt, seine Stelle »grösstentheils durch eine helle sehr feinkörnige 
Flüssigkeit ersetzt; bei längerem Hungern schwindet das Fett gänz- 
lich und es bleiben die Formelente des Bindegewebes in Form von 
grossen, schönen, runden, mit seröser Flüssigkeit gefüllten und mit 
deutlicher Membran und mit einem oder mehreren Kernen versehe- 
nen Zellen zurück ..« 

Beim Wiederansatze des Fettes »sammelt sich dasselbe in den 
ursprünglichen Fettzellen wieder an«, unter fast ganz 
denselben Erscheinungen wie bei der ersten Entwickelung. 

Endlich gibt Cz. an, beobachtet zu haben, dass bei künstlicher 
Entzündung des Fettgewebes »in den Fettzellen eine reichliche 
endogene Entwickelung Junger zelliger Elemente« vor sich gehe. 

Alle die eitirten Angaben stimmen darin überein, dass sie die 
Fettzellen aus Zellen des Bindegewebes ableiten!), Früher mochte 
man sich hiermit befriedigt halten; heute aber ist »Zelle des Binde- 
gewebes« bereits ein mehrdeutiger Begriff geworden. Seit vor etwa 
acht Jahren v. Recklinghausen’s Arbeiten die Histiologie der 
Bindesubstanzen bereicherten, wissen wir ja, dass in jedem norma- 
len Bindegewebe zwei wohlcharakterisirte Zellenarten vorkommen : 
die Virchow’schen, freien Bindegewebskörperchen und die freien, 
wandernden Zellen. Seitdem konnte die Frage nach der Fettzellen- 
bildung nur so gefasst werden: »Ist es eine bestimmte von 
diesen beiden Zellenarten, welche sich zur Fettzelle 
entwickelt, oder sind es beide, oder ist es eine dritte, 
eigenartige Zellenform? 

Legen wir diesen Maassstab an die obigen Angaben, so ergibt 
sich, dass sie offenbar sehr auseinandergehen. 

Nach Virchow und nach der von Frey gegebenen Darstel- 
lung sind es im Embryo runde Zellen, welche durch Proliferation 


1) Gegenüber der älteren Ansicht (vgl. z. B. Henle’s allg. Anatomie 
1841 p. 396), dass die Zelle selbst erst um einen Fetttropfen »wie um einen 
Cytoblasten« sich anlegen könne. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u. s. w. 37 


die Elemente der Fettzellenhaufen abgeben. Im reifen intermuscu- 
lären Bindegewebe bei der Mästung, und bei pathologischer Fett- 
neubildung, sollen nach jenen Forschern, nach v. Wittich und 
Förster, spindel- und sternförmige Zellen Fett aufnehmen. 
Rindfleisch scheint, nach seiner Abbildung wenigstens, diesen 
Modus als den einzigen der Fettinfiltration anzunehmen. Hiermit 
harmoniren wiederum nicht Rolletts Angaben: nach ihnen sind 
die ersten Entwickelungsstufen der Fettzellen »im Embryo wie im 
Erwachsenen« kleine runde körnige Zellen, »welche das Ansehen 
junger Zellen haben«. — Czajewicz’s Mittheilungen endlich sind 
von unseren modernen Anschauungen aus nur schwierig zu beurthei- 
len, da sie sich nicht auf deren Boden bewegen. Obwohl seine Ab- 
handlung 1866 erschienen ist, also mehrere Jahre nach den Arbei- 
ten v. Recklinghausens, erwähnt er die Wanderzellen mit keinem 
Wort. Aber auch spindelförmige Bindegewebskörper erkennt er 
nicht an, und lässt sie, wo er ihrer Erwähnung thut, stets unter 
der Wacht des Wortes »sogenannt« auftreten. Er kennt vielmehr 
im Bindegewebe nur eine Art von Zellen; dieselben sollen zart con- 
tourirt und feinkörnig, rundlich und dabei schuppenförmig abge- 
flacht sein und oft »epithelartig aneinandergeordnet« liegen (p. 301 
ff.): wenn man dieselben von der Kante sähe, meint Czajewicz, 
müssten sie natürlich spindelförmig erscheinen, und so seien die 
Bilder der sogenannten Spindelzellen zu erklären. — Es kann uns 
heute, auf Grund der neuesten Errungenschaften von Ranvier, 
eine Andeutung der Wahrheit erscheinen in dieser Czajewicz’- 
schen Auffassung; aber es ist noch viel mehr Unwahres daran, sein 
Versuch, alle Bindegewebszellen auf ein Schema zu bringen, ist 
entschieden unglücklich und braucht kaum bekämpft zu werden. 
Wenn man sich wirklich denken wollte, dass einer der spindel- oder 
walzenförmigen Zellenkörper, die wir im frischen Bindegewebe be- 
obachten, nur die Kantenprojection einer runden, linsenförmigen 
Zelle sei, und wenn man sich demnach das Flächenbild davon con- 
struirte: so würde eine so colossal grosse Rundzelle herauskommen, 
wie man sie wohl schwerlich je im Bindegewebe beobachtet und wie 
sie mit den, uns genugsam bekannten kleinen, rundlichen Wander- 
zellen sicher nicht zu verwechseln wäre. — Wenn also Gzajewicz 
mit diesen Ansichten über die Zellelemente des Bindegewebes zu 
dem Resultat kommt, die Fettzellen entständen »aus gewöhnlichen 


38 Dr. W. Flemming: 


Bindegewebszellen«, so wissen wir damit über die Morphologie der 
letzteren und des ganzen Vorganges soviel, wie zuvor. 

Die Frage, ob die Vorstufen der Fettzellen eine bestimmt 
characteristische Zellenform darstellen, war also eine offene. Ich 
bin vor mehr als einem Jahre an ihre Entscheidung gegangen unter 
dem vollen Eindruck der glänzenden Cohnheim’schen Entdeckun- 
sen. Mussten dieselben doch jeden Histiologen auf die nahe Mög- 
lichkeit hinweisen, dass ein grosser Theil des physiologischen Lebens 
der Gewebe nicht minder, wie des pathologischen, extravasirten Iym- 
phoiden Zellen anheimfallen möge.!) Die bisherigen Angaben wie- 
sen vielfach auf kleine, runde Zellen als Vorstufen der Fettzellen 
hin; dies und manche eigene Beobachtungen, vor Allem die unten 
zu besprechende, enge Abhängigkeit der Fettbildung von den Blut- 
gefässen, legten den Gedanken nahe, dass der Ursprung der Fett- 
zellen ständig zu suchen sei in ausgewanderten farblosen Blutzellen. 
Lange habe ich in diesem Glauben methodisch gearbeitet, oftmals 
ihn bestätigt gemeint; allmählich, unter immer wiederholter Sich- 
tung des Gewonnenen, bin ich von ihm zurückgekommen, und habe 
jetzt beim Abschluss fast das Gegentheil von dem mitzutheilen, was 
ich Anfangs zu finden hofite. Diese offene Darlegung des Arbeits- 
ganges kann wenigstens bezeugen, dass meine Resultate keiner vor- 
gefassten Meinung das Wort reden. 

Bevor ich dieselben jedoch bespreche, habe ich Einiges über 
das Terrain zu bemerken, auf welchem sich die Untersuchung be- 
wegen musste: das fibrilläre Bindegewebe, über welches uns ja 
in Jüngster Zeit merkwürdige und reformirende Aufschlüsse zugekom- 
men sind. Wenn auch die Funde Ranvier’s?) über die Bindegewebs- 
zellen gewiss überall die verdiente Aufmerksamkeit gefunden haben, 
so sind sie in ihrer Gesammtheit doch bisher noch so unbestätigt 
geblieben ?), dass es mir geboten scheint, hier kurz darauf einzu- 


1) Kaum prägnanter kann man diesen Gedanken ausgesprochen finden, 
als in einer Stelle bei Rollett (»von den Bindesubstanzen« in Strickers 
Handbuch, I. Lief. pag. 40 Z. 8 ft.) 

2) Elements cellulaires du tissu conjonctif. Arch. de physiol. 1869 
p- 471, und: Compt. rend. fevr. et juin 1869. — Ref. Centralblatt 1869 Nr. 
47, enthalten auch in der neuen französ. Uebersetzung v. Frey’s Histologie. 

3) Wenigstens für das lockere Bindegewebe. Bezüglich der Hornhaut- 
zellen ist neuerlich Schweigger-Seidel (Ueber d. Hornhaut d. Auges. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s. w. 39 


gehen. Ich musste für meinen Gegenstand die Formen der Binde- 
gewebszellen in allen Entwickelungsstadien einem genauen Studium 
unterziehen; sobald ich mit Ranvier’s Arbeiten bekannt war, habe 
ich dabei auch dessen eigene Methoden zu Rath gezogen, und kann 
mich ihm in dem, was er von den Formen der Bindegewebszellen 
aussagt, fast völlig anschliessen. Die fixe Zelle des erwachsenen 
fibrillären Bindegewebes ist kein stern- oder spindelförmiger, wurst- 
oder walzenförmiger Protoplasmakörper, sondern hat die Gestalt 
einer länglichen, unregelmässig gezackten und verschiedentlich ge- 
bogenen Platte, welche in ihrer Mitte oder excentrisch den platten 
ellintischen Kern mit mehr (besonders Kaltblüter) oder weniger 
(Warmblüter) umgebendem körnigen Protoplasma enthält. Die bei- 
den letzteren Theile sind es fast allein, die man für gewöhnlich am 
frischen Object sieht und welche die bekannten Bilder länglicher 
kernhaltiger Körperchen gewähren: die Fibrillen, die sich gleich 
beim Herausschneiden zu einem dichten Filz zusammenrollen, 
machen frische Stückchen allzu opak, um die zarten Platten deut- 
lich erkennen zu lassen. Auch sind letztere, namentlich an den 
sehr protoplasmareichen Zellen der Amphibien (Frosch) so blass und 
hyalin, dass sie auch freiliegend dem Auge fast entgehen und man 
meistens nur die Bilder protoplasmatischer Zellen gewahrt, wie sie 
in Kühne’s »Protoplasma und Contractilität« gezeichnet stehen !). 
Doch kann man die Platten schon ohne die Ranvier’schen, über- 
haupt ohne complicirte Methoden auch an solchen frischen Präpa- 
raten erkennen, wenn man diese nur recht frei und flach ausgebrei- 
tet hat; man wird dann namentlich an den Rändern immer auf 
etwas auseinandergebogene Zellen stossen, welche gar nicht stern-, 


Arb. d. Leipz. physiol. Instituts, 1870) zu Resultaten gelangt, welche mit 
den Ranvier’schen im besten Einklang stehen; und derselbe erwähnt bei- 
läufig, dass Ranvier’s Angaben über die Zellen der Sehne leicht zu bestä- 
tigen seien. Letzterem kann ich mich völlig anschliessen. 

1) In dem Bindegewebe der Amphibien kommen übrigens ausser den 
lebhafter kriechenden Wanderzellen vielfach gestreckte Zellen vor, die rein 
protoplasmatisch sind und keine Spur einer Platte zeigen: besonders fallen 
dahin die von Kühne beschriebenen grobkörnigen walzigen Formen (Fig. 8g). 
Bei Warmblütern habe ich Aequivalente davon nicht beobachtet. — Dass 
das hier reichlich entwickelte Protoplasma der fixen Zelle seine Gestalt und 
damit wohl auch die der Platte zu ändern vermag, erscheint nach den Er- 
fahrungen Kühne’s (Prot. u. Contr. p. 113) und Rolletts (l. c.) zweifellos. 


40 Dr. W. Flemming: 


spindel- oder walzenförmig, sondern durchaus wie gefaltete Platten 
aussehen, wenn man auch diesen Faltungen vielfach erst durch die 
Stellschraube folgen muss. Ich verweise hierfür auf meine Figg. 
5a, 6 und Sa, welche sämmtlich aus frischen, in Lymphe oder 
Jodserum untersuchten Präparaten stammen. 

Noch besser lässt sich dies Verhalten sehen an ganz gewöhn- 
lichen Essigsäurepräparaten, wie sie seit Jahren zu Tausenden ge- 
fertigt wurden, ohne dass freilich Jemand auf diesen Gegenstand 
aufmerksam wurde. Die Säure — weit entfernt übrigens, eine Mem- 
bran an den Zellen darzustellen, wie z. B. Czajewicz (p. 302) 
es behauptet, oder ihre Gestalt zu ändern — macht die Sub- 
stanz der Platten trüber, oft körnig, so dass man mit einem guten 
starken System über ihre Beschaffenheit gar nicht in Zweifel blei- 
ben kann (Fig. 5b); man muss nur eben den freiliegenden, nicht 
den von Fibrillen verdeckten Zellen Aufmerksamkeit schenken. 

Eine sehr schöne Hülfe gewährt es, Bindegewebe von fettan- 
setzenden Thieren zur Untersuchung zu wählen, in welchem an 
oder in den platten Zellen vielfach kleine Fettkörnchen haften (s. 
unten). Hier kann man, nach Aufhellung durch Essigsäure, auch 
mitten zwischen dicht verschlungenen Fibrillenmassen die Platten 
constatiren,; denn wenn man auch von ihnen selbst nichts sieht, so 
gibt die Anordnung der Körnchen um die elliptischen Kerne her die 
Gestalt der Platten auf das Deutlichste an (Fig. 9). 

Um aber recht demonstrative Bilder zu haben, wendet man 
am besten die Ranvier’schen Methoden (l. c.) oder ähnliche an, 
besonders die Herstellung künstlicher Oedeme. Will man nur die 
Zellenformen studiren, so finde ich es genügend, das subcutane 
Bindegewebe oder das intermusculäre des Frosches mit Jodserum 
oder schwacher Kalibichromieumlösung aufzuspritzen, und aus dem 
so entstandenen gallertigen Oedem einen feinen Scheerenschnitt rasch, 
ehe er sich wieder zusammenkrollt, einzudecken und frisch zu unter- 
suchen (Fig. 6), oder unter dem Deckglas durch Carmin- oder Pikro- 
Carminlösung, welche man mit Löschpapier hineinzieht, längere Zeit 
zu färben. Schwache Silberlösung (0,1 pCt.) ist zur Einspritzung 
noch vortheilhafter, indem die platten Zellen danach durch die 
aufgelagerten körnigen Metallniederschläge sich besonders scharf 
markiren. Die schönsten Präparate habe ich jedoch erhalten, indem 
ich nach Ranvier’s Angabe Leimmassen zur Injection benutzte, 
welche nach dem Erstarren jedes Zusammenschnurren des Gewebes 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 41 


verhindern. Gewöhnlich verwandte ich Klebs’schen Glycerinleim, 
dem !/s seines Volums Silberlösung von 0,1 pCt. zugesetzt war; 
den ausgeschnittenen Leimtumor liess ich gefrieren, um gleichmässig 
dünne Schnitte anzufertigen, welche dann gewaschen, mit Pikro- 
carmin!) 6—12 Stunden lang gefärbt und nach abermaliger sorg- 
fältiger Waschung mit Aqu. destillata, indem Ranvier’schen Amei- 
sensäure-Glycerin (1 :100) oder in reinem Glycerin eingeschlossen 
wurden. Alle diese Proceduren nimmt man wegen der Zartheit 
der Schnitte am besten gleich auf dem Öbjectglas vor, welches man 
dazu passend mit einem Wall von Wachsmasse umzieht. Die Fär- 
bung mit gewöhnlichem ammoniakalischem Carmin und andern Mas- 
sen hat den Nachtheil, dass der Leim sich stark mitfärbt und die 
Röthe aus ihm weder durch Waschen noch durch Säurewirkung 
herauszubringen ist; was an Pikrocarmin- Präparaten hinreichend 
gelingt. 

Die fixen Zellen zeigen sich an so behandelten Präparaten 
theilweise, wiees Ranvier angibt, den Fibrillenbündeln und elasti- 
schen Fasern anliegend, oder herumgewickelt; grossentheils aber 
liegen sie frei, und es scheint mir das der natürliche Situs, keine 
Folge von Losreissung durch die Präparation zu sein. Wenn man 
die wirklich an den Fasern sitzenden Zellen beobachtet, während 
man das Deckglas fortdauernd stark drückt, beklopft und verrückt, 
so findet man, dass ihr Zusammenhang mit den Fasern dadurch 
fast gar nicht gelockert wird; es ist also schwer zu glauben, dass 
dies durch eine sehr vorsichtige und langsame Injeetion von Flüs- 
sigkeit ausgeübt werden könnte, wie ich sie stets ausgeführt habe. 
Eine weitere Stütze für diese Ansicht geben mir die Befunde am 
embryonalen Gewebe (s. unten). 

Anastomosen der platten Zellen untereinander konnte ich im 
Einklange mit Ranvier!) beim erwachsenen Thier nicht häufig 


1) Da die Bereitung des Reagens leicht misslingt, gebe ich hier die 
Herstellungsmethode an, wie ich sie Ranvier (durch freundliche Vermitt- 
lung des Herrn Dr. Sanders-Ezn) und Prof. Kühne verdanke: Völlig reine, 
eoncentrirte und filtrirte Pikrinsäurelösung wird (kalt oder warm) allmählich 
zu einer starken, ammoniakalischen Auflösung reinen Carmins gefügt, und 
zwar bis zur Neutralisation (bei Uebersäuerung kommt ein Niederschlag; und 
man versucht am bequemsten an kleinen entnommenen Proben, ob sie noch 
Säure vertragen). Geringe Niederschläge können wegfiltrirt werden. 


42 Dr. W. Flemming: 


feststellen. Sie werden stets vermittelt durch äusserst zarte, blasse 
Ausläufer der Platten, welche sehr leicht zerreissen. Auch hier be- 
stimmen mich die Befunde beim Embryo anzunehmen, dass die Ana- 
stomose gleichwohl nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. 
Nach Ranvier besteht das fibrilläre Bindegewebe lediglich 
aus Faserbündeln, elastischen Fasern und Zellen, ohne weitere Zwi- 
schensubstanz, — »on n’y observe ni lames, ni trous; les mots de 
tissu lamineux et de tissu cribleux sont done mauvais« (l. c. p. 484). 
Ich muss jedoch bekennen, dass ich in jedem fibrillären Bindegewebe 
noch ausser jenen Elementen Etwas finde, das auf den Namen 
Zwischensubstanz gegründeten Anspruch hat. An Silber-Oedemen 
obiger Art, oder an Silberleimpräparaten, wenn man den Leim durch 
Hinlegen an die Sonne zerfliessen liess, sieht man massenhaft zwi- 
schen den Fibrillen zarte, mit körnigen Niederschlägen bedeckte 
Membranen sich ausspannen (Fig. 7z), welche beim Verrücken des 
Deckglases flottiren und sich deutlich an den Fasern befestigt zeigen. 
Verunreinigungen sind das nicht; der Leim war vor der Injection 
durch Vliesspapier filtrirt und ganz klar. Man könnte jedoch sagen, 
es seien nur Producte der Silberwirkung, Gerinnungen aus der Ge- 
websfiüssigkeit. Aber man kann dieselben, nur viel blasser, eben- 
falls an ganz frischen, nicht different behandelten Präparaten wahr- 
nehmen. Man untersuche ein Schnittchen vom intermusculären 
Gewebe des Frosches, in Froschlymphe oder frischem Jodserum. 
Letzteres ist diesem Object gegenüber völlig indifferent, es zeigt 
ganz dasselbe Bild wie die Lymphe. Man wird bei günstigem Licht 
zwischen den Fibrillen wiederum eine blasse Substanz bemerken, 
welche sich vom leeren Sehfeld durch einen sehr zarten Saum ab- 
setzt (Fig. 8a, z). Man erkennt sie oft nur durch das Flottiren- 
lassen und könnte manchmal an eine Täuschung glauben; aber es 
gibt ein Hülfsmittel. In dieser Substanz liegen stellenweise kleine 
Körnchen (Fig. 6, Sab, k). Lässt man flottiren, so bewegen sich 
diese Körnchen ganz correspondirend mit der Bewegung der Fibril- 
len, sie behalten stets den entsprechenden Abstand von Letzteren 
bei — sie müssen eben in einem festen Etwas eingebettet sein oder 
doch ihm aufliegen, welches mit den Fasern in Verbindung ist. 
Vollkommen dasselbe zeigt sich beim Warmblüter (Fig. 7, Silber- 
präparat). Wollte man auch diese Bilder für Kunstproducte er- 


1) »Mais cette disposition est tres-rare.«e L. c. p. 482. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 43 


klären, so könnte dies nur durch die Annahme geschehen, dass 
schon das blosse Herausschneiden des Gewebes die bezüglichen Ge- 
rinnungen veranlasse. 

Die Frage nach einer interfibrillären Zwischensubstanz hat 
nach einer Seite eine besondere Wichtigkeit. Die fixen Binde- 
gewebszellen haben in ihrer Form so viel Aehnlichkeit mit denen, 
welche wir als Endothelien bezeichnen, dass der Gedanke nahe 
liegt, sie könnten als ein durchbrochenes Endothel zu betrach- 
ten sein und als solches eine Fortsetzung der Zellendecke darstel- 
len, welche die Lymphgefässe austapezirt. In der Sehne, in der 
Hornhaut nach den neuesten Erfahrungen Schweigger-Sei- 
del’s ist die Analogie noch auffallender, die fixen Zellen kleiden 
dort in noch dichterer Aneinanderlagerung die Gewebsspalten aus. 
Auch mit v. Recklinghausens Ansichten wäre diese Auffassung 
sehr wohl in Einklang zu bringen, da dieser Forscher selbst an- 
nimmt, dass die fixen Zellen innerhalb der Saftkanälchen liegen 
können. Das Bindegewebe wäre danach ein Lymphsack !); die 
Bindesubstanzen, wie das Lymph- und Blutgefässsystem, also alle nach 
His parablastischen Gewebe, würden als gemeinsame Eigenthüm- 
lichkeit die Ausstattung mit platten Zellen darbieten. Es bleibt 
nur noch nachzuweisen, wie die Lymphgefässe im lockeren Binde- 
gcwebe endigen; mit Ranvier wird man zu der Annahme kommen, 
dass sie frei in den Sack münden, welchen dasselbe darstellt. Es 
ist nun nicht zu läugnen, dass das Vorhandensein einer besondern 
Zwischensubstanz diese Frage complieiren kann; die feinsten Lymph- 
bahnen könnten ja vielleicht innerhalb dieser gelegen sein, also 
doch ein geschlossenes Canalsystem bilden. Ich bemerke jedoch, 
dass ich diese Ansicht durchaus nicht vertreten will, vielmehr die 
so eben skizzirte Theorie viel annehmbarer finde. Man sieht in jenen 
zarten Membranen auch an versilberten und gefärbten Präparaten 
keinerlei Structur, geschweige denn etwa Zellengrenzen, und sie 
scheinen weit mehr unter die Rubrik der »interfibrillären Kittmas- 
sen« zu fallen, welche in geformten Bindesubstanzen beschrieben 
werden. | 

Wenn, wie ich oben sagte, ein Anhaften der Zellen an den 
Fibrillen nur ausnahmsweise vorkommt, wenn, mit andern Wor- 


1) Zu diesem Vergleich kommt bereits Ranvier selbst (l. c. p. 485), 
obwohl er sich auf den Ausdruck Endothel nicht einlässt, 


44 Dr. W. Flemming: 


ten, jene zu diesen in keiner constanten Lagerungsbeziehung zu 
stehen scheinen, so möchte ich nicht dasselbe behaupten bezüg- 
lich der Zellen und der Zwischensubstanz. Es sieht in der 
That "aus, als ob die platten Zellen sich bald mit ihrer ganzen 
Fläche, bald wenigstens mit den Ausläufern ihrer Zacken an 
jene zarten Massen anlegen, und oft sind die Grenzen der Er- 
steren von den Letzteren kaum optisch zu trennen (Fig. 7, 8). Zu 
der Auffassung der Zellen als Endothelien scheint mir dieser Um- 
stand sehr wohl zu passen: man würde sich eben das lockere Binde- 
gewebe als ein Iymphatisches, spongiöses Höhlensystem vorstellen 
können, dessen Wandungen dargestellt werden durch die Fibrillen 
und die an diesen unregelmässig vertheilten Zwischensubstanzmassen. 
Den letzteren wären die Zellen als durchbrochenes Endothel auf- 
gelagert, und wo die Zwischensubstanz stellenweise die Fibrillen frei 
lässt, lägen sie an diesen selbst an. Die freien Hohlräume des Ge- 
webes sind in situ natürlich bei Weitem nicht so mächtig, wie sie 
sich an absichtlich auseinandergezerrten Oedempräparaten darstel- 
len, und es würde sich also diese Auffassung recht gut mit den 
Silberbildern der Lückensysteme vertragen köenen, welche man am 
nicht künstlich dilatirten Gewebe zu Gesicht bekommt. 

Manchem Leser der Ranvier’schen Arbeiten und des 
Obigen mag sich ein Bedenken aufdrängen. Lange bekannt und 
viel beglaubigt sind ja die Formen spindel- und sternförmi- 
ger Bindegewebskörperchen. Wenn wir auch schon länger 
wissen, dass die erwachsenen Bindegewebszellen durchaus nicht 
regelrecht sich in dieses Schema fügen, und jedenfalls nicht überall 
ein plasmatisches Netz anastomosirender Sternkörper bilden: wenn 
auch Ranvier jetzt den_Nachweis führt, dass die Sternzellenbilder, 
welche man an gehärteten und gefärbten Präparaten der Sehne 
und des fibrillären Bindegewebes erhält, trügerische sind: so bleiben 
doch gewisse Spindel- und Sternformen, an denen noch Niemand 
gezweifelt hat, und welche Ranvier selbst noch mit Stillschweigen 
übergeht: und ein Specimen davon bilden gerade die früheren Ent- 
wickelungsstufen unserer platten Zellen, die embryonalen Binde- 
gewebskörperchen. 

Es ist kein Zweifel, dass diese in gewissen Stadien durchaus 
keine Aehnlichkeit mit jenen später vorhandenen Platten haben, 
sondern solide drehrunde, spindelige oder ästige Körper darstel- 
len. Es bleibt nach den Zwischengliedern beider zu fragen. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 45 


Bei ganz jungen Embryonen — z. B. Rattenembryonen von 
1/, Zoll — ist die Untersuchung schwierig, da die Bindegewebszellen 
hier äusserst dicht gedrängt liegen und kaum schonend zu dissocii- 
ren sind. Ich muss jedoch annehmen, dass schon in diesen Stadien 
an einem Theil der kleinen noch rundlichen Zellen und zwar dem 
grösseren, zwei oder mehr Fortsätze auszuwachsen anfangen. Dies 
leitet schon auf die Bilder, welchen man bei Embryonen mittleren 
Alters — Rattenembryonen von ca. i Zoll oder 5—8zölligen Wieder- 
käuerfrüchten — im subeutanen Bindegewebe begegnet und von denen 
ich jetzt ausgehen will. 

Ich bemerke, dass diese sich nicht recht dem Schema »galler- 
tigen Bindegewebes« anschliessen, weiches man gewöhnlich in der 
Wharton’schen Sulze der Nabelschnur aufzustellen pflest. Man 
sieht kein übersichtliches, regelmässiges Sternzellennetz, mit runden 
Zellen in den Maschen; die Elemente liegen vielmehr ziemlich regel- 
los durcheinander. Es sind vorzugsweise lange, dem Querschnitt 
nach rundliche, kernhaltige Protoplasmakörper, wie sie schon Rol- 
lett (a. a. O. p. 63) abbildet; die meisten sind nicht reine Spin- 
deln, sondern mehrfach verästigt, doch auch die Seitenausläufer 
halten sich oft in ihrer Richtung den Endausläufern parallel. Viele 
Anastomosen dieser Ausläufer lassen sich nun sicher constatiren 
(Fig. 1, 2, 3). Doch je weiter in der Entwicklung der Zellen, desto 
feiner werden die Ausläufer und desto schwieriger, namentlich am 
nicht künstlich ausgebreiteten Object, ihre Verfolgung. Ich habe 
mich deshalb auch hier der Injection von Leimmassen mit nachträg- 
licher Färbung mit Vortheil bedient; doch schon bei geringer Stärke 
der Einspritzung reissen auch die feinen Ausläufer durch, und zei- 
gen sich dann an den meisten Zellen eingerollt oder geschlängelt 
(Fig. 3). Am Mesenterium, welches Rollett benutzte und wo man 
in der That das Gewebe ganz in natürlicher Ausbreitung vor sich 
hat, ist die Opacität der Zwischensubstanz und der um diese Zeit 
auftretenden Fibrillen etwas störend für die Beobachtung der fein- 
sten Zellfortsätzee.. Am günstigsten für dieselbe fand ich solche 
Stellen an Leimoedem-Präparaten, welche schon gebildete Gefäss- 
bäumchen einschliessen. Die letzteren setzen der eindringenden In- 
jeetionsmasse hinreichend Widerstand entgegen, um die Zellen in 
ihren Maschen vor stärkerer Zerrung zu schützen; und in diesen 
Maschen findet man nun die Zellen (vgl. Fig. 17 aus einem noch 
etwas späteren Stadium) vielfach anastomosirend und bekommt durch- 


46 Dr. W. Flemming: 


aus den Eindruck, dass ihr Zusammenhangen wenn nicht die Regel, 
doch ein sehr häufiges Vorkommniss ist. 

Neben den besprochenen Formen findet man in diesem Ge- 
webe, doch in weit geringerer Anzahl und unregelmässig vertheilt, 
rundliche kleinere Zellen, welche von farblosen Blutzellen nicht dif- 
feriren. Irgend welche sichere Uebergangsformen zwischen‘ diesen 
und jenen wage ich nicht zu constatiren und kann kaum annehmen, 
dass in diesen Stadien noch runde Embryonalzellen zu jenen ge- 
streckten auswachsen. 

Ich will nebenbei bemerken, dass es mir so wenig wie Rol- 
lett gelungen ist, jemals einen Zellenausläufer in eine der jetzt in 
Bildung begriffenen Fibrillen übergehen zu sehen (wie das Kusne- 
tzoff, Obersteiner und neuerdings Breslauer angaben). Da- 
gegen findet man Zellen der Länge nach an eines der zarten Fibril- 
lenbündel angelagert. Es ist das aber keineswegs die Regel, auch 
nicht an Präparaten ohne künstliche Dissociation; ich kann aus 
dem Gesehenen also nicht schliessen, dass das Auftreten der Fibril- 
len genetisch d.h. durch Auswachsen von den Zellen abhängig wäre. 

Je weiter man in den Entwicklungsstadien kommt, desto länger 
und dabei feiner werden die Ausläufer der Zellen und bei 12zölli- 
gen Schafembryonen ist es keine Seltenheit, dass Letztere 150 bis 
selbst 200 u. lang gefunden werden. Zugleich aber beginnt jetzt _ 
eine Veränderung, welche den Uebergang zu den postfötalen For- 
men anbahnt und welche man in den verschiedensten Stadien neben- 
einander beobachten kann. Die Fortsätze nämlich und auch der 
dickere, dem Kern nahe liegende Theil der Zelle fangen an sich 
abzuplatten, was sich an Knickungsstellen leicht constatiren lässt. 
Sehr häufig beschränkt sich diese Abflachung auf die eine Seite des 
Kernes, während an der andern der Zellenkörper noch drehrund 
bleibt (Fig. 3). Man hat dann weiter die Formen platter Bänder, 
die in der Mitte oder gegen das eine Ende zu eine Verdickung mit 
dem Kern tragen, an den Enden und meist auch seitlich sich in 
feine Ausläufer ausziehen (Fig. 2, 3). Von diesen Gestalten existi- 
ren alle Uebergänge bis zu jenen, welche sich (Fig. 4) im Binde- 
gewebe der ausgewachsenen Frucht und des Neugeborenen finden, 
und welche von denen des älteren Thieres kaum mehr differiren. 

Bemerkt zu werden verdient noch, dass in grösseren Bezirken 
die Abplattungsebenen benachbarter Zellen einander ganz oder an- 
nähernd parallel zu liegen scheinen. 


y 


Ueber Bildung und Rückbilduug der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 47 


Dass ausserdem in jedem früheren Embryonalstadium die Zel- 
len diehter liegen als im späteren, dass also die Zwischensubstanz 
— flüssige wie fibrilläre — immer zunimmt, ist eine zu bekannte 
Thatsache, als dass ich sie zu betonen brauchte. 


Wenn ich glaube gezeigt zu haben, dass Anastomosen der fixen 
Zellen ein häufiges und wahrscheinlich das regelmässige Verhalten 
darstellen, so scheint mir dies Factum doch heute nicht mehr von 
dem Gewicht, welches es früher beansprucht haben würde. In der 
Zeit, wo Virchow und seine Schule zuerst den Kampf für die Exi- 
stenz der Bindegewebszellen durchfocht, und lange nachher, galten 
dieselben als membranhaltige, als röhrige Gebilde, welche mit ihren 
Ausläufern zusammenhängend ein plasmatisches Canalsystem form- 
ten (vgl. Virchow, Würzb. Verhandl. Bd. 2. 1852 p. 155, 316). 
Das dürfen sie heute schwerlich mehr. Es könnte zwar vielleicht 
die Ansicht Vertretung finden, dass die platten Zellen in situ doch 
in der That Hohlschläuche darstellten, dass ihre aneinanderstossen- 
den Ausläufer röhrig seien: dass also das Ganze ein verästeltes 
Endothelröhrensystem darstellte (wie solche Endothelröhren 
in gestreckter Form ja zweifellos in der Sehne [Ranvier] vor- 
kommen), welches einem plasmatischen Canalsystem entspräche. 
Aber die zur Beobachtung kommenden Bilder können wenig für eine 
solche Auffassung sprechen. Niemals wollen die platten Zellen, 
auch wo man sie ganz isolirt vor Augen hat, das Bild etwa zusam- 
mengefallener Hohlschläuche gewähren, sondern stellen sich als 
wirklich einfache, zu grosser Zartheit abgeflachte, geknitterte Plat- 
ten dar, deren Faltungen sich mit der Schraube deutlich controliren 
lassen, deren Ränder nach Silberbehandlung scharf und begrenzbar 
gezeichnet sind; die Ausläufer, in welche sie sich ausziehen, zeigen 
sich als äusserst zarte, platte Bändchen verfeinern sich zu Fä- 
den, welche über die Grenze des Messbaren hinausgehen; und wenn 
es auch zunächst nicht zu beweisen ist, dass diese Fädchen keine 
hohlen Röhren sind, so sieht es doch sehr unwahrscheinlich aus, 
dass die Safteirculation sich gerade solche Bahnen von minutiösester 
Feinheit aussuchen sollte. 

Diese Safteirculation des Gewebes hat ja ohnehin schon seit 
v. Recklinghausens Arbeiten begonnen, aus den Bindegewebs- 


48 Dr. W. Flemming: 


körperchen heraus und in andere Bahnen hinein gelenkt zu werden; 
und die Erörterung hat sich in der letzten Zeit wesentlich nur 
darum bewegt, ob die Strömung frei in den Lücken des Gewebes, 
oder ob sie innerhalb besonders umwandeter Bahnen vor sich gehe. 
Nach Allem, was oben angeführt wurde, wird es zum wenigsten nicht 
unüberlegt scheinen, wenn man der ersteren Ansicht zuneigt; oder 
wenn man, um vermittelnd zu sprechen, die Gewebstücke und die 
mit durchbrochenem Endothel bekleidete Bahn für identisch hält. 

Die fixen Bindegewebszellen würden dann im Wesentlichen 
eine ähnliche histiologische Geltung zu beanspruchen haben wie die 
Deckzellen (Endothelien) der serösen Häute, der Lymph- und Blut- 
gefässe. Dass sie übrigens in physiologischer Weise noch eigen- 
thümlicher und belangreicher Metamorphosen fähig sind, dafür 
kann das Folgende als Beleg dienen. 


Entwickelung der normalen Fettzelle. 


Eine Thatsache, die ich besonders zu betonen habe, weil sie 
bisher von keinem Beobachter erwähnt wurde, ist die stete locale 
Abhängigkeit der Fettentwicklung von den Blutgefässen. Das Durch- 
sponnensein des fertigen Fettläppchens von einem Gefässnetz ist 
wohl längst bekannt; aber da in allen früheren Beschreibungen 
seiner Entstehung nicht die Rede von den Gefässen ist, könnte man 
danach annehmen, dass die Fettzelle sich im gefässlosen Binde- 
gewebe bildet, und dann erst vascularisirt wird. Das ist nicht der 
Fall. Die erste Anlage des Fettes geschieht stetsin der Adven- 
titia der Blutgefässe, und weiter von dieser aus; man kann 
das ganze Fettgewebe eine aufgelockerte Adventitia nennen. Und 
die Fettzellenproduction geschieht auch nicht etwa immer zuerst an 
den jungen, peripherischen Sprossen der wachsenden Gefässe, son- 
dern gewöhnlich an der Wand der schon fertigen, dickeren Stämme. 
Von dieser aus erfolgt dann allerdings, erst Hand in Hand mit der 
Fettbildung, ein weiterer Gefässsprossungsprocess, den wir noch 
näher zu betrachten haben werden. 

Ein übersichtliches Bild dieses Verhaltens gewinnt man am 
ausgebreiteten Omentum oder Darımmesenterium älterer Embryonen 
oder junger Thiere bei schwacher Vergrösserung (Fig. 10). Es springt 
sofort in die Augen, dass sich das Fettgewebe immer längs den 
Gefässen in die Netzplatte vorschiebt und immer nur in der durch 
ihren Zellenreichthum opaken, verdickten, die Gefässe umgebenden 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 49 


Schicht, nicht im nebenliegenden gefässlosen Gewebe auftritt; und 
ebenso, dass die Blutbahnen selbst ihm dabei in ihrer Ausbildung 
voraneilen. Wo dieselben noch jünger, ihre Adventitia noch zellen- 
arm ist und vollends wo erst die Pioniere der Vascularisation als 
zarte Schlingen in die Netzplatte hinauswachsen (Fig. 10 s), findet 
sich noch keine Spur von Fettanlage. 

Wenn ich sagte, die Fettzellen treten auf in der Adventitia, 
so verstehe ich unter der Letzteren den ganzen Mantel dichteren 
Bindegewebes, welcher die Blutbahn umgibt '). Denn es zeigen sich 
ganz constant auch an den kleinsten venösen und arteriellen Ge- 
fässen, schon an jungen Arterienzweigen z. B., welche noch nicht 
einmal quergestellte Muskelkerne aufweisen, die Fibrillenbündel und 
elastischen Fasern, und ebenso die Zellen, nahe der Gefässwand weit 
dichter ‚geordnet, als die des umgebenden gefässlosen Gewebes, von 
denen sie sonst in keiner Weise differiren. 

Ich will zu diesem Gegenstand später zurückkehren und wende 
mich zunächst zu der Fettzellenbildung selbst. 

Das Mesenterium, das Rollett (l. e.) zu ihrem Studium em- 
pfiehlt und das auch Czajewicz mehrfach benutzt hat, musste 
ich bald verlassen. Präparate, welche sichere Schlüsse gestatten, 
sind hier mindestens sehr selten; die Mesenterialgefässe treiben in 
ihrer Adventitia eine so mächtige Zellenwucherung, dass gerade 
dieser Ort der Fettbildung dadurch zu opak wird, als dass man 
feinere Zellenformen mit Klarheit darin beobachten könnte. Der 
Fettbildung im Mesenterium weiter unten Rechnung tragend, be- 
spreche ich zunächst die Feitentwicklung im subcutanen Gewebe 
der Säugethiere. 

Letztere mussten schon deshalb vorzüglich benutzt werden, 
weil man es nur bei ihnen in der Hand hat, durch Mästung sichere 
Fettneubildung zu erzielen. Doch stösst man auch hier auf Hinder- 
nisse. Die Kaninchen, die Czajewicz zu Mästungsexperimenten 
allein benutzt zu haben scheint, leiden so oft an parasitischen Krank- 
heiten, besonders an Distomen, dass unter den in Laboratorien ge- 
haltenen ein gesundes oft geradezu eine Ausnahme bildet. Ein so 
erkranktes Thier kann keine Zeichen seines Zustandes bieten, leb- 


1) Mit His könnte man selbst das ganze Bindegewebe als Weiter- 
wucherung der Adventitia auffassen, da die Gefässe eher als jenes auftreten. 
Vgl. dessen Unters. üb. d. erste Entw. d. Wirbelthierleibes. 


M. Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 7, 4 


50 Dr. W. Flemming: 


haft fressen, und doch trifft man nach der Tödtung die Leber voll 
Eiterheerde, die Parasiten in der Bauchhöhle, und in seinem Fett- 
gewebe Schwund und nicht Neubildung. Nur ganz junge, eben 
entwöhnte Thiere sind gewöhnlich noch unerkrankt und bieten ziem- 
liche Garantie. Besser noch eignen sich Meerschweinchen, die sel- 
ten krank sind, vor Allem aber junge Hunde, die sich zugleich leicht 
bis zum Aeussersten mästen lassen. Das hier und weiter unten 
Mitgetheilte stützt sich auf die übereinstimmenden Mästungsresul- 
tate bei circa 10 jungen Kaninchen, 3 Meerschweinchen und 2 jun- 
gen Hunden (nur die sicher in Fettproduction begriffenen Thiere, 
bei denen Verhalten und Section nichts Krankhaftes erkennen lies- 
sen, sind hierbei gerechnet). Erst durch den Vergleich mit diesen 
sicheren Fällen habe ich mich überzeugt, dass man bei säugen- 
den Thieren sowie bei Embryonen kurz ante partum, im Wesent- 
lichen ganz denselben Bildungsmodus wie bei gemästeten vor sich 
hat, und habe nun auch solche vielfach in Untersuchung gezogen 
und zwar säugende Kätzchen, Kaninchen und Embryonen von letz- 
terem Thier, Schaf, Kalb und Ratte. 

Ich habe von der Schilderung Czajewicz’s, der einzigen, 
welche sich auf experimentelle Mästungen gründet, auszugehen. Cz. 
beschreibt die Bilder des Fettansatzes so (p. 303 l. c.): »Entnahm 
man den Thieren zarte Streifen von Fettgewebe aus der Leisten- 
gegend o. a., so fand man...inmitten der streifigen Substanz des 
Bindegewebes zerstreut die oben beschriebenen rundlichen, unregel- 
mässig polygonalen oder länglichen, mit zarten Contouren, sehr 
deutlichen Kernen und einem sehr feinkörnigen Inhalt (Protoplasma) 
versehenen Zellen (Cz.’s »gewöhnliche Bindegewebszellen«). Näherte 
man sich der bereits vollständig entwickelten Schicht von Fettge- 
webe, so sah man, wie jene Zellen eine mehr regelmässige rund- 
liche Form und schärfere Contouren annahmen; weiterhin fand 
man dieselben Zellen bereits ganz erfüllt mit feinen Fetttröpfchen, 

. und an der Peripherie liess sich die Membran bereits deutlich 
nachweisen. Weiterhin nahm der Umfang der Fetttröpfchen zu, 
in Folge dessen auch die damit ganz ausgefüllten Zellen selbst 
sich vergrösserten und ausdehnten. Indem dann die Fetttröpfchen 
gewöhnlich zu einem einzelnen grösseren Tropfen confluiren, ent- 
stand die gewöhnliche Form der Fettzellen.« 

Cz. betont besonders, dass man diese Untersuchungen nur am 
ganz frischen Gewebe ausführen solle. Trotzdem ich seine Unter- 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u. s.w. 51 


suchungsmethode (Herausschneiden des ganz frischen Gewebes, Unter- 
suchung frisch ohne Zusatz, mit Serum und mit Essigsäure), so viel 
Unzweckmässiges sie hier hat, anfangs ausschliesslich und später 
vielfach zur Controle angewandt, auch das lebend ausgeschnittene 
Gewebe oftmals bei 37—40° C. untersucht habe, muss ich bedauern, 
mit seiner Darstellung durchaus nicht in Einklang treten zu kön- 
nen. — Vorweg willich bemerken, dass man auch bei exquisit fett- 
ansetzenden Thieren bei Weitem nicht an jedem Fettläppchen Neu- 
bildung trifft. Sie zu finden, ist Sache längeren Suchens und Pro- 
birens; denn es geschieht der Fettansatz zur Zeit immer 
nuran vereinzelten Heerden, d.h. von einzelnen Ge- 
fässen aus. An neun von zehn Präparaten kann man enttäuscht 
sein, nur fertige, grosse Fettzellen und kleine, fettlose Binde- 
gewebszellen daneben zu sehen. Ich will die zur Zeit fettproduci- 
renden Stellen im Folgenden als Heerde der Fettanlage be- 
zeichnen!). 

Nehmen wir jetzt einen dieser productiven Heerde. — Zunächst 
ist es nicht richtig, dass die jungen Fettzellenformen um die Peri- 
pherie der Läppchen, und progressiv gegen das Centrum derselben 
zu geordnet liegen. Nur dort wo gerade Gefässe aus dem Lappen 
austreten, kann dies der Fall sein; sonst ist die Grenze des Letz- 
teren gebildet von fertigen Zellen, und die jungen Formen finden 
sich stets an den Gefässen, welche durch den Lappen laufen — ich 
bitte dafür meine Fig. 14 zu vergleichen. — Eine grosse Masse der 
kleinen Fetttröpfchen, welche man beobachtet, liegt nun aber 
meistens — was weder von Czajewicz noch sonst irgend er- 
wähnt ist — gar nicht in einzelnen kleineren Zellen, 
sondern befindetsich halbkugelförmig (im optischen Schnitt 
halbringförmig) angehäuft in der Wand der grossen, voll- 
endeten Fettzellen (Fig. 12, 13 u. a. m.). Wir werden nach- 
her den Schlüssel zum Verständniss dieser Erscheinung finden. 


1) Das heerdweise Auftreten der Fettzellen ist bei Embryonen bereits 
von Üzajewicz vermerkt worden (l. c. p. 305); er verwerthet es jedoch 
nur, um einen besonderen Entstehungsmodus des Fettgewebes beim Embryo, 
»aus eigenen besonders dazu bestimmten und sich vermehrenden Zellen« 
(vgl. oben Virchow, Entstehung aus Schleimgewebe), als wahrscheinlich 
hinzustellen; eine Auffassung, der ich mich durchaus nicht anschliessen kann 
und die ich unten zu widerlegen denke. 


52 Dr. W. Flemming: 


Vorher zu den isolirten, jungen Fettzellen selbst. — Ich muss 
bestreiten, dass irgendwelche Bindegewebszellen !) »in der Nähe des 
schon entwickelten Fettgewebes eine mehr regelmässig rundliche 
Form und schärfere Contouren annehmen«, und dass sie »weiter- 
hin, bereits ganz erfüllt mit feinen Fetttröpfchen, eine deutliche 
Membran besitzen«, wie Cz. will. Es gibt hier, um das Fettläpp- 
chen wie in demselben, dieselben fixen und freien Zellen wie überall 
im Bindegewebe zu beobachten; die ersteren zeigen in der Nähe 
der Fettanlagen keineswegs rundlichere Formen wie irgendwo an- 
ders, die letzteren erscheinen überall rundlich. Von Membranen — 
welche Cz. allen Bindegewebszellen zuschreibt — ist an beiden 
nichts wahrzunehmen, so wenig wie — um vorzugreifen — an den 
mit Fetttropfen gefüllten. Auch bei A-zusatz (Fig. 11) erhalten die 
Wanderzellen keine prononeirte Kapselschicht, die man so deuten 
könnte: die Körnchen, die sie enthalten, ballen sich nur grössten- 
theils im Centrum zusammen, ein kleinerer Theil derselben legt 
sich in die Peripherie (Fig. 15f), so dass dadurch im optischen Quer- 
schnitt der oberflächliche Eindruck einer Membran entstehen kann; 
die Körnchen prominiren aber z. Th. über den Umfang 
(vgl. Fig.) und wo keine liegen, erscheint der Contour nicht einmal 
scharf. — Die fixen Zellen zeigen auf A noch weniger eine Spur 
vou Membran. Ihr Körper und ihre Platte, vorher blass, werden 
auch nach der Säurewirkung nicht viel deutlicher, nur der Kern be- 
kommt sehr dunkeln Contour, scheint dabei zu quellen und zeigt 
mehrere Körnchen. 

Die Wanderzellen scheinen im Bindegewebe des jungen und 
des fettbildenden Thieres immer besonders zahlreich vorhanden zu 
sein, und grade vorwiegend zahlreich an den Fettanlagen. Sie fin- 
den sich reichlicher in der Umgebung der Blutgefässe, als abseits 
davon im gefässlosen Zwischengewebe. Oft liegen mehrere in klei- 
nen Häufchen beisammen — was vielleicht Anlass zu der Angabe 
Czajewicz’s geworden sein mag, dass »die Bindegewebszellen oft 
epithelartig aneinandergeordnet lägen«. Sie sehen ganz aus wie die 
grösseren unter den farblosen Blutzellen, sind wie diese theils fein, 
theils grob granulirt, mit unscharf begrenztem Kern, und zeigen 
auf dem .geheizten Tisch zum Theil Kriechbewegungen; im erkal- 

1) Ich bezeichne im Folgenden stets die beiden verschiedenen Zellen- 
arten als fixe und als freie oder Wanderzellen. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 53 


teten Object erscheinen alle rundlich. In der Grösse differiren sie 
nicht sehr und gehen kaum über den Durchmesser der grössten 
farblosen Blutzellen hinaus. 

Hie und da im Gewebe sieht man nun kleine freie Fett- 
körnchen, von denen sich bei dieser Präparationsweise natürlich 
nicht sagen lässt, ob sie beim Herausschneiden des fetthaltigen Ge- 
webes über das Präparat gesprengt, oder ob sie vorher darin waren. 
Man findet aber ferner — und ich bestätige darin eine sehr richtige 
Beobachtung von CGzajewicz (s. o.), dass sowohl an den Fettan- 
lagen als überall abseits davon die Zellen, fixe und freie, ein- 
zelne kleine glänzende Körnchen enthalten oder mit solchen be- 
schlagen sind; jch sprach davon schon oben und halte diese 
Körner selbst für Fett. So sehen aber, wie gesagt, alle Zellen hier 
aus; von diesen kleinen Körnern existiren keine Uebergänge zu 
stärkerer Fettfüllung. 

Während also in der Umgebung der Fettanlagen die beiden 
Zellenarten, fixe und freie, sich ganz verhalten wie ihre Genossen 
im umliegenden fettlosen Gewebe, weder grösseren Reichthum an 
Körnchen, noch grössere Dimensionen wie jene, noch sonst Ueber- 
gangsformen bieten; während also jener centripetale Fortschritt 
von Uebergangsformen, der in Czajewicz’s Schilderung so an- 
schaulich erscheint, durchaus nicht zu beobachten ist — trifft 
man hie und da, dort wo ein Gefäss in den Fettlappen ein- oder 
heraustritt, besonders aber innerhalb des Lappens neben den Wän- 
den der Gefässe, wirkliche junge Fettzellen. Sie sind nicht rund, 
sie haben keine Membran; sie präsentiren sich auf den ersten Blick 
nur als Ansammlungen von Tröpfchen zweifellosen Fettes, welche 
sehr wechselnde Zahl und Grösse haben; diese Häufchen (Fig. 12, 
13, 18) sind von eckiger, polygonaler, walziger oder spindeliger Ge- 
stalt — natürlich wurde das constatirt an Präparaten, wo Anord- 
nung und Gestalt der nebenliegenden grossen Fettzellen und der 
Fibrillen die Garantie bot, dass keine etwa geübte Zerrung jene 
Zellen in die genannten Formen gebracht hatte. Das Protoplasma 
des Zellenkörpers, welches diese Fetttröpfchen einschliesst, lässt sich 
nun als blasse, mattglänzende Masse wohl erkennen (Fig. 12, 13); 
der Kern ist undeutlich umrandet und oft erst auf A kenntlich; 
einen schärferen Grenzcontour zeigt die Zelle nicht, geschweige denn 
eine Membran, und bekommt solche auch nicht nach Essigsäure- 
zusatz. Die Zelle nimmt nach der Säurewirkung auch nicht eine 


54 Dr. W. Flemming: 


rundlichere Form an, sondern erscheint so eckig oder gestreckt 
wie zuvor. 

Sehr vereinzelt trifft man dann auch, anscheinend wenigstens, 
runde oder rundliche Zellen mit Fetttröpfchen ; meistens sind sie 
schon von bedeutender Grösse und ganz mit letzteren vollgestopft. 
Sie liegen immer nahe an Gefässwänden. — Die kleinsten unter den 
fetthaltigen, länglichen oder eckigen Zellen gehen in ihren Dimen- 
sionen wenig über die nebenliegenden fixen Bindegewebszellen hinaus. 
Die Zahl der Fetttropfen ist, wie gesagt, verschieden; in den klei- 
neren Zellen findet sich oft nur einer oder wenige. Unter den 
grösseren, stärker gefüllten trifft man dann manche mit einem oder 
mehreren grossen, und mehreren kleineren Tropfen. Wo nur Tropfen 
über Mittelgrösse — wie beispielsweise in Fig. 17a, l4abceh — 
vorhanden sind, da ist dann auch die ganze Zelle schon meistens 
zu einer rundlichen Form ausgedehnt. Und oft sieht man endlich 
mehrere, schon mittelgrosse Tropfen zu einer rundlichen Masse zu- 
sammengedrängt. 

Ich vermag nicht, auch in den Abbildungen, welche Czaje- 
wicz (l. ec. T. IX Fig. 3, 4) geliefert hat, einen Ausdruck dessen 
zu finden, was ich beobachtet und eben geschildert habe. Cz. zeich- 
net alle jungen Fettzellen, treu dem Schema seiner Beschreibung, 
rund oder elliptisch mit deutlichem Kern, scharfem Membrancontour 
und gleichmässig erfüllt mit kleinen Fetttröpfchen ; nur einige der- 
selben (in Fig. 4) machen der Wirklichkeit die leichte Concession, 
dass ihre Contoure etwas buchtig gehalten sind. Uebergänge von 
seinen mit feinen Tropfen gefüllten Zellen zu den fertigen Fettzel- 
len stellt Cz. nicht dar und scheint demnach anzunehmen, dass die 
kleinen Tröpfchen sehr rasch confluiren. 

Wer mit Hinblick auf die Angaben der Autoren, dass kleine, 
runde Zellen die Vorstufen der Fettzellen bilden sollen, und auf die 
Menge der Wanderzellen an den fettbildenden Heerden, zu dem 
Glauben kam, dass diese Wanderzellen die wesentliche Rolle bei 
der Fettanlage spielen: dem konnten die eben beschriebenen Bilder 
des frischen Gewebes lange Zeit Noth machen, so wie es mir ge- 
schah. Ich hoffte von den Wanderzellen aus Uebergangsformen zu 
finden: und nun waren die ersteren alle rundlich, die jungen, schon 
fetthaltiger Zellen nicht; erstere waren ohne Abstufung viel kleiner wie 
letztere; etwaige Uebergänge von den feinen Körnungen der ersten 
zu den unzweifelhaften Fetttröpfchen der letzten, wollten sich durch- 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u. s. w. 55 


aus nicht finden; die wenigen Formen, die man als solche deuten 
konnte, standen in allzu verschwindender Minorität. Konnten die 
unregelmässig gestalteten jungen Fettzellen nicht dennoch immer 
Abänderungen der Wanderzellen sein? Ich suchte nach Charak- 
teren. Ich probirte die Farbstofffütterung, indem ich bei gemäste- 
ten Thieren vielfache Injectionen von gefälltem Anilinblau in die 
Jugularvene machte. Oefter fand ich Farbstoff in den Wanderzel- 
len, niemals mit Sicherheit in den fettkörnchenhaltigen, oder gar in 
fertigen Fettzellen. — Ich versuchte die fetthaltigen Elemente auf 
dem geheizten Tisch zum Kriechen zu bringen; niemals konnte ich 
an ihnen Formänderungen beobachten. Um bessere Chancen zu 
haben, wandte ich mich zu den Kaltblütern. 

Amphibien sind für diesen Zweck weniger geeignet. Die Frösche, 
und noch mehr die Kröten, besitzen zwar entgegen einer gewöhn- 
lichen Annahme subcutanes Fett, am Rücken, namentlich in der 
Umgebung der Lymphherzen, und auch der Fettkörper des Abdo- 
mens könnte zur Untersuchung einladen; sie sind aber absolut nicht 
willkürlich zu mästen, alle Versuche natürlicher wie künstlicher 
Fütterung schlugen fehl, und die Jahreszeit im Sommer, wo sie 
spontan Fett bilden, scheint sehr zu variiren. Desto mehr Glück 
hatte ich mit den Fischen. 

Zwar ist es mir auch nie gelungen, einen Fisch in der Ge- 
fangenschaft zu irgend reichlichem Fressen zu bringen; aber wenn 
man junge Thiere im Frühling fängt, zu einer Zeit, wo sie immer 
in reichlicher Nahrungsaufnahme sind, so darf man sicher sein, stets 
Fettproduction zu finden. Sie müssen aber frisch untersucht werden 
und man thut am Besten, junge etwa fingerlange Plötzen, Barsche 
oder Stichlinge, frisch mit dem Senknetz gefangen, zu verarbeiten; 
eine nur halbtägige Gefangenschaft kann schon den Fettschwund 
einleiten und um ein Specimen von solchem zu haben, braucht man 
nur eine Plötze etwa drei Tage im Glas zu halten. Die vorzüg- 
lichste Stelle, um das Fett bei Fischen bequem mikroskopisch zu 
beobachten, ist jedenfalls das Bauchfell, die parietale Platte sowie 
der Ueberzug der Schwimmblase. Man sperrt die geöffnete Bauch- 
höhle mit Haken auseinander, umschneidet ein Stück Bauchfell mit 
der Scheere, zieht es schonend ab und breitet es flach aus, was frei- 
lich einige Mühe und Vorsicht verlangt. Für die Erhaltung der 
Ausbreitung ist das Auflegen eines Deckglases vortheilhaft, das 
wegen der Zartheit des Gewebes leicht gestützt werden muss; fri- 


56 Dr. W. Flemming: 


sches Jodserum scheint mir als Zusatzflüssigkeit am empfehlens- 
werthesten; in demselben und durch einen Oelwall vor dem Ver- 
dunsten geschützt, bleibt das Object halbe Tage lang ungeändert 
und seine Zellen bewegungsfähig. 

Die Bauchfellplatte (Fig. 13a) ist dein: hat sehr zarte Fibril- 
len, ein wasserklares Endothel, von dem frisch nur blasse Kerne zu 
sehen sind, und besitzt deshalb eine ziemliche Durchsichtigkeit. 
Ausser den prachtvollen, mächtigen Pigmentzellen, die mit ihren 
Ausläufern vielfach zusammenhangen, und den Fettzellenhaufen sieht 
man darin mit grosser Klarheit Verästelungen der Blutgefässe; vor 
Allem aber wird der Blick gefesselt durch die Wanderzellen, an 
welchen überhaupt das Bindegewebe der Fische besonders reich ist 
und für deren Beobachtung eben das Bauchfell derselben eins der 
schönsten, mir bekannten Objecte abgibt. Ihre Substanz ist, sowohl 
bei den körnchenlosen als den granulirten Formen, bei Fischen sehr 
stark lichtbrechend, und so treten sie hier in der blassen Gewebs- 
platte scharf hervor. Um so weniger ist das leider bei den fixen 
Zellen der Fall, welche frisch schwer sichtbar, nur als ganz matt- 
glänzende, längliche oder unregelmässig geformte, schlechtbegrenzte 
Körper sich darbieten, und erst mit Hülfe der Färbung genauer 
studirt werden Kanlen. 

Die Wanderzellen kriechen grossentheils, unter den abenteuer- 
lichsten Formveränderungen, mit solcher Lebhaftigkeit, dass man 
gar kein Zeichnen nöthig hat, um dem Vorgang zu folgen. Sie 
zeigen sich in jedem Sehfeld, namentlich in der Nähe der Gefässe, 
und stets in Menge auch da, wo solche von Läppchen jungen Fettes 
umgeben sind. Das Object ist also für unsern Zweck sehr günstig. 

Aber wieder stösst man auf dasselbe beirrende Bild, dem wir 
schon beim Warmblüter begegneten. Wo kleinere Fetttröpfchen 
einzeln oder in Anhäufungen zu sehen sind, liegen sie nicht in 
Wanderzellen oder nur solchen, welche diesen ähnlich wären. Die 
Zellen, welche dieses Fett beherbergen (Fig. 13), sind noch schlech- 
ter wahrzunehmen als beim Säugethier: von scharfen Contouren 
keine Spur, vom Kern meist nur die Andeutung. Wieder haben 
hier diese fetthaltigen Zellen jene unregelmässigen, länglichen, ver- 
zogenen Formen (Fig. 13 am Gefäss), die ich schon oben beschrie- 
ben; erst wo ihre Anhäufungen grösser sind, erscheinen sie rund- 
lich. Ausserdem liegt wieder viel feinkörniges Fett in Häufchen 
oder Halbmonden dicht neben den Tropfen der grossen, vollen Fett- 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u. s. w. 57 


zellen, und oft auch hier, wie beim Warmblüter, bilden mehrere 
mittelgrosse Tropfen einen rundlichen Ballen, der an Mächtigkeit 
einer vollen Fettzelle fast gleichkommt. 

Nur zwei Mal unter mehr als 30 Fischen, deren junges Fett 
ich untersuchte, habe ich je eine Wanderzelle entdeckt, die ein 
zweifelloses Fetttröpfchen enthielt. Die eine (Fig. 13 c), lebhaft 
kriechend, liess es nach kurzer Zeit wieder von sich. Beide Mal 
hatte das Präparat schon längere Zeit unter dem Mikroskop ge- 
legen — bei der Präparation wird nothwendig eine Menge kleiner 
Fetttröpfchen über das Object verstreut, und es ist das Wahrschein- 
lichste, dass das Fett so erst nach der Präparation von den Zellen 
gefressen worden war. — Diese Wanderzellen der Fische sind meist 
sehr hellglänzend und grobkörnig. Ich habe mich lange gefragt, ob 
diese Körnchen nicht Fett sein könnten, ob vielleicht dann durch 
ganz plötzliches Confluiren solcher feinsten Tropfen die grösseren 
unzweifelhaften entstehen. Das ist jedoch zu verneinen. Im Anfang 
habe ich vielfach Osmiumsäure angewandt, um feinvertheiltes Fett 
zu kennzeichnen: die kleinsten Tröpfchen färben sich darin zwar, 
wie bekannt, kaum merklich, aber wo sie in grösseren Häufchen 
zusammenliegen, bekommt das Ganze nachher einen sehr charac- 
teristisch bräunlichen Ton. Das ist nun bei diesen grobkörnigen 
Zellen nie der Fall: sie bleiben nach der Osmiumwirkung grau wie 
zuvor. Ausserdem kann man das Object mit absolutem Alkohol 
behandeln, so lange bis sich die Tropfen der grossen Fettzellen ganz 
gelöst haben: und dech findet man die Wanderzellen, wenn auch 
in geschrumpfter Form, so körnchenhaltig wie vorher (Fig. 18f. 
Ich nehme auf diese Darstellung mit Alkohol behandelter Warm- 
blüterzellen Bezug, da ihr Verhalten in dieser Hinsicht ganz das 
gleiche ist). Die Körner ballen sich hierbei nur um den Kern und 
anderntheils am Umfang der Zelle zusammen, ähnlich wie nach Essig- 
säurezusatz. 

Färbt man nun solche Objecte, nach längerem Durchziehen 
eines Stromes von Chromkalilösung, mit Carmin oder weit besser 
mit Pierocarmin, welches die Tinction des frischen Gewebes gestat- 
tet: so treten die Zellenkörper, welche das zweifellose feinkörnige 
Fett enthalten, besser hervor (Fig. 13b) und man erkennt an ihnen 
eine solche Uebereinstimmung mit den übrigen, spindel- oder stern- 
förmig erscheinenden fixen Zellen, dass man schon dadurch fast zu 


58 Dr. W. Flemming: 


der Annahme gedrängt wird: es sind diese vorwiegend oder allein, 
von denen die Fettzelle ihren Ausgang nimmt. 

Kehren wir nun ebenfalls mit anderen Methoden zu der Fett- 
entwickelung beim Säugethier zurück. Um hier die Zellen in situ 
zu isoliren und kenntlich zu machen, ist das schönste Mittel wieder 
das künstliche Oedem des subcutanen Gewebes durch Leiminjection 
mit nachfolgender Färbung. In dem erstarrten Leimtumor sieht 
schon das blosse Auge die feinsten Fettläppchen suspendirt und 
man kann mit Auswahl die Schnitte durch die jüngsten — am 
Weitesten in das gefässlose Bindegewebe vorgerückten — derselben 
legen. Den einen Nachtheil hat die Methode, dass einmal durch 
die Untersuchung in Glycerin, dann wie es scheint auch durch die 
Pikrinsäurewirkung das Fett weit mattglänzender, und seine feine- 
ren Körnchen darum weniger hervorstechend werden. Doch ist durch 
etwas höhere Einstellung auch an solchen noch hinreichend charac- 
teristischer Glanz zu erzielen. — Je frischer angefertigt das Prä- 
parat, desto geringer ist dieser Uebelstand. An vielen solchen 
Schnitten wird man nun allerdings doch die Enttäuschung erleben, 
nur fertige vollgefüllte Fettzellen zu erblicken; doch bei sicher ge- 
mästeten Thieren, bei Säuglingen und bei Embryonen wird man 
immer bald auf ein Läppchen stossen, welches bei der Tödtung des 
Thieres gerade in der Fettanlage begriffen war. Solche Bilder sind 
in Fig. 14, 16 und 19 (gemästetes Thier), Fig. 15 (Säugling) und 
Fig. 17 (Embryo aus späterem Stadium) dargestellt. 

Sie können lehren, wie viel die schonende Isolirung durch Oedem 
und die Färbung der Zeilen werth ist. Auf den ersten Blick springt 
es in die Augen, dass die neuen jungen Fettzellenformen fast allein 
ausgehen von den fixen Zellen, und immer von solchen, welche der 
Gefässwand nahe oder unmittelbar anliegen. Die hier befindlichen 
Zellen erscheinen zunächst grossentheils körniger, und durch das 
Carmin stärker gefärbt als die seitabliegenden. In vielen derselben 
bemerkt man neben dem Kern, in ihrem dickeren, protoplasmati- 
schen Theil, eins, zwei oder mehrere kleine Fetttröpfchen, in andern 
ein bis mehrere grössere, oft noch mit kleinen daneben; während 
die Platte der Zelle und deren dünne Ausläufer noch ganz so er- 
halten sind, wie an den fettlosen oder nur mit kleinsten Körnchen 
behafteten Zellen abseits vom Gefässe (Fig. 15, 16, 22). Das Fett 
tritt immer in jenem dickeren Theil auf, nicht in der Platte. Wo 
die Fetttropfen schon grösser sind (einige Zellen in 15, 16) zeigen 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s. w. 59 


sich die Ausläufer und überhaupt die Platte wie im Verschwinden 
und ein grosser Theil davon scheint bei dem Vorgang immer ganz 
unterzugehen; doch hängen viele der schon runden Fettzellen noch 
durch Ausläufer an anderen oder an der Gefässwand an. 

Die unregelmässig gestalteten, blassen und schlecht begrenz- 
ten Zellenkörper, welche wir am frischen Gewebe als fetthaltige an- 
trafen, erklären sich nun sehr einfach: es sind alles fixe Zellen, und 
dass man das Detail ihrer Form am frischen Object nicht erkennen 
konnte, wird nach dem, was oben über die Bindegewebszellen gesagt 
ist, nicht Wunder nehmen. 

Hie und da stösst man hier auf fixe Zellen, — fettlose sowohl 
wie fetthaltige — mit zwei oder selbst drei Kernen (Fig. 15, 17), 
in denen man wohl kaum umhin kann, Theilungsformen zu sehen. 

Weit mehr als an alles dies wird aber zunächst das Interesse 
gebannt an die Formen vieler der grösseren, schon gefüllten Fett- 
zellen, welche neben den Gefässen frei und schön isolirt in der Leim- 
masse schweben. — Leydig gibt in seinem Lehrb. d. Histol. 
p. 26 an, dass er bei Fischen (Stör) und Vögeln eine eigenthüm- 
liche Form von maulbeerförmigen Fettzellen fand, nicht mit 
einem grossen, sondern mit mehreren dichtgedrängten, mittelgrossen 
Tropfen gefüllt. Solche Formen finde ich nun überall, wo Fettneu- 
bildung im Gange war: bei Fischen und Vögeln, wie beim Kanin- 
chen, Hund, Meerschwein und Kätzchen. Es sind dies Vergrös- 
serungs- und Vermehrungsformen der schon gebildeten 
Fettzellen. Einmal können sie entstehen, indem in den fettauf- 
nehmenden fixen Zellen nicht einer, sondern mehrere Tropfen durch 
Confluxion sich bilden und im Weiterwachsen getrennt bleiben. 
Sodann aber bilden sich solche Formen auch, und sehr vielfach, von 
den schon gefüllten runden Fettzellen aus. Viele derselben (vgl. 
die Bilder) weisen neben dem alten Tropfen, in ihrer Wand oder 
besser in der Hohlkugel von Protoplasma, welche jenen umspannt, 
eine Menge kleinerer auf -— es sind das die Halbmonde feinkörni- 
gen Fettes, die ich oben beim frischen Gewebe an den grossen Fett- 
zellen notirte —; indem diese feineren Tropfen zu einem, resp. 
mehreren grösseren confluiren, können ebenfalls jene Maulbeerformen 
zu Stande kommen. 

Diese Erklärung der betreffenden Bilder ist insofern gerecht- 
fertigt, als man alle von ihr postulirten Uebergangsformen in Menge 
antrifft. Sie dünkt mir auch viel wahrscheinlicher als die Annahme, 


60 Dr. W. Flemming: 


dass diese Formen durch einen activen Abschnürungsprocess zu 
Stande kommen sollten. Das Vermögen zu einer derartigen Ab- 
schnürung kann man den dünnen Protoplasmahohlkugeln, welche die 
vollen Fettzellen umgeben, kaum mehr zutrauen. Wenn darum die 
Angabe Förster’s über das Vorkommen eingeschnürter Fettzellen 
bei pathologischer Fettneubildung durch das Obige bestätigt wird, 
so kann ich doch nicht wie dieser Autor annehmen, dass alle diesel- 
ben einen »Zellenvermehrungsprocess« darstellen. Das gewöhnliche 
Schicksal dieser Formen scheint mir durchaus dies zu sein, dass 
die trennenden Protoplasmawände immer mehr verdünnt werden, 
das Fett confluirt und die anfangs noch knollig gestaltete Zelle all- 
mählig zur runden ausgedehnt wird. Die hierbei zu durchlaufenden 
Uebergangsformen, die man eben in ausserordentlicher Zahl beob- 
achtet, sind in Fig. l4abfghi dargestellt. Doch ich muss glau- 
ben, dass dieser Vorgang in der That ab und an zu einer wirklichen 
Zellenvermehrung abarten kann. Man sieht nämlich zuweilen knol- 
lige und maulbeerförmige Zellen mit zwei oder drei Kernen (Fig. 
14 «a, 8, y), welche öfter (Fig. 14«) noch zusammenliegen, als ob 
sie sich eben getrennt hätten!); und weiter andere Bilder (Fig. 140), 
wo zwei kernhaltige runde Fettzellen noch mit einer Stelle ihrer 
Wand dicht zusammenhangen. — Ich glaube also, dass die Ab- 
schnürung durchaus eine passive ist, bedingt durch neu in der 
Zellenwand auftretende Fetttropfen; dass aber, wenn um diese Zeit 
— aus hier nicht zu erörternden Gründen — eine Kerntheilung?) 
in der Zelle eintritt, der Process auch zu einer Zellentheilung aus- 
schlagen kann. 

Alle diese Formen, ebenso wie die kleineren unter den vollen 
runden Fettzellen und die fetthaltigen fixen Zellen, finden sich 


1) Fettzellen mit zwei und mehr Kernen sind überhaupt keine Selten- 
heit, übrigens nicht bloss bei Fettneubildung zu beobachten: ich zeichne in 
Fig. 34 und 35 ein paar Beispiele davon aus atrophischem Fett der Kalt- 
blüter. 

2) Dass hier immer der alte Kern sich theilt, nicht etwa frei ein neuer 
auftritt, scheint mir zweifellos. Man beobachtet (hier bei der Fettneubildung) 
sehr selten Bilder, welche zwei Kerne je an entgegengesetzten Enden einer 
noch ungetheilten Zelle zeigen. Was man so deuten könnte, ergibt sich bei 
stärkerer Vergrösserung meist als Trugbild — man sollte solche Verhältnisse 
stets mit Immersionslinsen controliren. — Natürlich müssen die Kerne beim 
Weiterwachsen der Feittropfen allmählich auseinandergerückt werden. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 61 


immer mehr mitten im Läppchen an der Wand durchtretender Ge- 
fässe, während die älteren fertigen Formen in der Peripherie des- 
selben liegen. 

Die zahlreichen, bei dieser Behandlung alle runden oder rund- 
lichen Wanderzellen sind nun fast alle fettlos. Nur sehr aus- 
nahmsweise trifft man nahe den Gefässen solche, die unzweifelhafte 
kleinere Fetttröpfchen enthalten, oder hie und da eine ganz runde, 
ausläuferlose schon stärker fetthaltige junge Form (Fig. 19f), von 
der sich wenigstens nicht sicher sagen lässt, ob sie nicht aus einer 
runden Zelle entstanden ist. — Uebergangsformen von Wanderzellen 
zu fixen Zellen wage ich nicht zu constatiren. Dagegen führe ich 
an, dass man zahlreiche, wirklich freie Kerne (17k) trifft, an denen 
keine Spur von Protoplasma zu bemerken ist, und von diesen ver- 
schiedene Uebergänge zu den grösseren Wanderzellen. Endlich fin- 
den sich runde Zellen mit abgeschnürten und mit zwei Kernen, 
und hie und da zwei Zellen aneinanderhängend (Fig. 17). 

Zweifellos wird es nun an solchem Präparat, dass feinkörniges 
freies Fett hier im Gewebe vorkommt. An eine Verunreinigung ist 
dabei nicht zu denken: Wenn man einen nicht ganz dünnen Schnitt 
aus dem Leimtumor nimmt und auf dessen Mitte einstellt, wo die 
Theile also ganz in situ in der Leimmasse eingebettet sind: so sieht 
man in ziemlicher Anzahl die Körnchen theils frei, theils Fibrillen 
oder Zellen anliegen '). Abseits von den Fettheerden trifft man 
ebenfalls Körnchen, aber sehr viel seltener. In etwa kommt hiebei 
in Betracht, dass das gefässlose Zwischengewebe durch die Injec- 
tion auch stärker auseinanderpräparirt ist, als diejenigen Stellen, 
wo die Blutgefässe den Fibrillen mehr Halt gaben. 

Die Blutgefässe sind durch die Pikrocarminfärbung so schön 
wie durch Injection markirt. Man sieht, dass überall an den Fett- 


1) Es gibt dies zugleich ein gutes Kriterium, wie schön der Situs aller 
Theile bei diesen Injeetionen, natürlich wenn sie vorsichtig und langsam aus- 
geführt wurden, gewahrt bleibt. Wenn man annehmen wollte, dass beweg- 
liche Elemente, wie Wanderzellen und gar kleine Fettkörner, durch die 
Injection vom Platz verdrängt werden könnten, so müsste man sie demnach 
immer an der Peripherie des Leimtumors angehäuft erwarten. Statt dessen 
scheint Alles liegen zu bleiben wie es vorher lag. Wenn man z. B. ein Ge- 
webe injieirt, das man vorher durch künstliche Entzündung mit Eiterzellen 
vollgestopft hat, so findet man diese nachher völlig gleichmässig vertheilt 
durch den Leimtumor. 


62 Dr. W. Flemming: 


anlagen, und zwar sowohl vor ihnen aus, als zwischen die schon 
gebildeten Fetthaufen hinein, eine starke Capillarenwucherung vor 
sich geht. An den Wänden dieser Capillaren kommt es ebenfalls 
hie und da, wie an den grösseren Stämmen, zur Bildung neuer 
Fettzellen aus fixen Zellen und zu neuer Fetteinlagerung in die 
alten. 

Ich nannte oben die Wand der vollendeten jungen Fettzelle 
eine Protoplasmahohlkugel, nicht eine Membran. Um dies zu 
bestätigen, gibt es ein schönes Mittel: die künstliche Entzün- 
dung des jungen Fettgewebes, am Bequemsten durch subcutane In- 
jection von Jodkaliumlösung, Tödtung nach etwa 24 Stunden und 
Leim-Pikrocarminbehandlung w. 0. — Es tritt bei solcher Entzün- 
dung fast regelmässig (bei säugenden Kaninchen wenigstens) ein 
rascher Schwund der Fetttropfen ein; dieselben erscheinen kleiner 
als auf der nicht entzündeten Seite desselben Thieres, und man 
sieht nun, dass um den verkleinerten Fetttropfen her keineswegs 
eine dünne Membran, sondern ein breiter, gleichmässig roth gefärb- 
ter Protoplasmaring sich ausspannt. Dieser Ring erscheint gleich- 
mässig gefärbt und körnig, er selbst hat keineswegs eine besonders 
erkennbare, abgesetzte Rindenschicht. — Noch bemerkenswerther 
fast scheint mir ein anderes Bild, welches diese Methode zeigt: es 
ergibt sich, als ob die eben gebildete Fettzelle, wenn der ausdeh- 
nende Tropfen darin schwindet, Neigung hat ihre alte Gestalt wie- 
der anzunehmen: die längliche, unregelmässige Form der fixen Zelle, 
wenn auch deren Platte und Ausläufer dann gewöhnlich nicht mehr 
existiren. Man findet nämlich bei solchem entzündlichen Fettschwund 
zahlreiche walzen- und spindelförmige (z. B. Fig. 36 r — ich zeichne 
nicht mehr, weil sie fast ganz aussehen wie viele progressive 
Fettzellen, z. B. Fig. 19r u. a.), eckige Zellen, etwas grösser als 
die protoplasmatischen Mitteltheile der fixen Bindegewebszellen, 
manchmal noch mit Ausläufern, mit einem mittelgrossen oder klei- 
nen Fetttropfen. Wenn die Autorschaft der fixen Zelle bei der 
Fettgewebsbildung noch eine Fürsprache brauchte, würde solche 
hierin zu finden sein. 

Die Fig. 17, welche einen Fettanlageheerd von einem ca. 12- 
zölligen Schafembryo darstellt, konnte ich bei dieser Beschreibung 
ruhig mit unterlaufen lassen. Sie differirt von den Bildern des er- 
wachsenen Gewebes, wie man sieht, nur dadurch, dass die fixen 
Zellen noch stark sternförmig verästelt und sehr anastomosenreich 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 63 


und dass die Capillarensprossungen in besonders mächtiger Ent- 
wickelung sind. 

Ich habe nun noch einen Ort des Körpers zu besprechen, an 
welchem die Fettbildung Eigenthümlichkeiten hat: das Mesenterium. 
Dass auch hier die Gefässadventitien der Ort der Fettanlage sind, 
wurde schon besprochen. Auffallend ist nur der colossale Zellen- 
reichthum dieser Adventitien, sowohl an fixen Zellen als an massen- 
haft dazwischengestreuten rundlichen Elementen. Dies findet man 
nicht bloss an den Stellen, wo schon Fett auftritt, überhaupt nicht 
bloss bei gutgenährten fettbildenden Thieren, sondern bei allen, jun- 
gen wie älteren. ‘ Diese Zellenanhäufung zeigt bei Embryonen und 
jungen Thieren an einigen Stellen eine ganz eigenthümliche Form. 
Beim Kaninchen und Meerschwein nämlich gewahrt man in diesen 
Stadien am Omentum ganz unregelmässig verstreute, rundliche oder 
ovale dichte Haufen von Zellen, die schon makroskopisch den Ein- 
druck dunklerer Fleckchen machen (Fig. 10). Sie erinnern auf den 
ersten Blick fast an die Entwicklungsformen Paeini’scher Körper 
bei der Katze, welche P. Michelson in diesem Archiv (Bd. V. 
H. 1) beschrieben hat. Doch kann man sie in solche Beziehung 
nicht bringen; denn erstens kommen bei erwachsenen Thieren dieser 
Arten keine Pacini’schen Körper vor, — ich fand auch beim 1!/e- 
jährigen Meerschwein jene Dinge noch ganz wie bei Embryonen — 
sodann ist nichts Nervenartiges daran zu bemerken, das ganze 
Häufchen besteht aus einer Masse von gewöhnlichen fixen und von 
runden Zellen; und endlich, in der Mitte solcher Haufen treten 
nun Fettzellen auf. Das Ganze ist übrigens nichts Anderes, als 
ebenfalls eine Auftreibung der Adventitia eines kleineren Gefässes, 
ein solches oder mehrere sieht man immer zu dem Haufen und 
durch denselben treten, und neben ihm, d.h. in der Mitte des 
Haufens, zeigen sich auch immer die ersten Fettzellen. Uebrigens 
pflegt die Fettbildung in den Adventitien der grösseren Gefässe 
schon längst vorgeschritten zu sein, ehe sie in diesen Zellenhaufen 
beginnt. 

Die Zellen hier wie überhaupt in den Adventitien sind, wie 
gesagt, theils spindel- und sternförmige oder schon abgeplattete 
fixe, theils runde oder rundliche Zellen. Dass die grosse Zahl dieser 
Elemente wenigstens grossentheils in einer Zellenproliferation ihren 
Ursprung hat, kann kaum bezweifelt werden; denn man trifft, nament- 
lich in jenen umschriebenen Haufen, zahlreiche Zellen mit abge- 


64 Dr. W. Flemmingt 


schnürtem Kern, solche mit zwei Kernen, endlich Convolute meh- 
rerer zum Theil sehr kleiner, dicht aneinandergedrängter Zellen, 
gleich als ob sie sich eben aus einer alten auseinandergefurcht hät- 
ten (Fig. 20). Da ich oben auch im subeutanen Bindegewebe Thei- 
lungsformen sowohl der fixen, als der freien Zellen notirt habe, so 
verliert damit der Zellenreichthum des Mesenterium viel von seiner 
Eigenthümlichkeit: wir haben es hier nur mit einer quantitativ stär- 
keren Zellenvermehrung zu thun. 

In vielen dieser runden Zellen findet sich nun, wie die Fig. 20« 
zeigt, Fetteinlagerung; und dadurch erklärt sich wohl, dass Rol- 
lett grade durch Befunde am Mesenterium zu dem Ausspruch kam: 
man sehe als erste Vorstufe der Fettzellen kleine, runde, kör- 
nige Zellen. So wenig allgemeine Geltung ich aber nach allem 
Gesagten diesem Ausspruch einräumen kann, so wenig kann er 
auch nur hier am Mesenterium das alleinige oder regelmässige Vor- 
kommniss genannt werden. Es ist wie gesagt nicht leicht, in die- 
sem Gewirr dicht zusammenliegender Zellen die feineren Formen 
der einzelnen zu erkennen; aber an ganz frischen, an Osmium- und 
besonders an Pikrocarminpräparaten constatirt man völlig sicher, 
dass ebensowohl in spindelförmigen und verästelten (Embryo) oder 
platten Zellen (geborenes Thier), also dass auch hier in fixen Zellen 
massenhaft Fetteinlagerung vorkommt; ich verweise dafür auf 
Fig. 20 ß und d. 

Auch hier finden sich bei säugenden und gemästeten 'Thieren 
überall, auch entfernt von den Gefässen, einzelne kleinste Fettkörn- 
chen in und an sämmtlichen Zellen, wie auch frei im Gewebe; 
ebensowenig aber auch wie im subcutanen Stratum gibt es hier eine 
einzige stärker fetthaltige Zelle, eine wirkliche Uebergangsform zur 
Fettzelle, die nicht an einem Gefäss läge. 

Die fernere Angabe von Czajewicz, dass bei gemästeten 
Thieren auch in den deckenden Endothelzellen (bei Cz. Epithelien) 
des Bauchfells feine Fettkörnchen vorkommen, habe ich bis jetzt nicht 
bestätigen können. Weder am frischen Endothel noch am versil- 
berten, das noch schärfere Controle erlaubt, gelang es mir, am 
Kern oder in der Mitte dieser Zellen solche Körnchen zu entdecken 
(Fig. 20 y). 

Noch ein anderer Ort der Fettbildung muss uns jetzt beschäf- 
tigen: das Knochenmark. Das Bindegewebe desselben ist be- 
kanntlich nur ein spärliches, seine Gefässe sehr zartwandig, sein 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 65 


Reichthum an rundlichen Iymphoiden Zellen äusserst gross; und 
grade für diesen Ort findet sich angegeben (vgl. Frey a. a. O. 
p. 294), dass die Bildung der Fettzellen von runden Zellen aus er- 
folge. Wiederum muss ich das Gegentheil als die überwiegend 
häufige, wenn nicht alleinige Norm hinstellen, nach allen Erfahrun- 
gen, die ich am Knochenmark junger Kaninchen gemacht habe. — 
Ich kann dafür auf das Bild der Fig. 18 hinweisen, welches mir 
regelmässig bei jungen fetten Thieren aufstiess. Wieder sieht man, 
am frischen Object oder an Osmiumschnitten, unmittelbar oder nahe 
an der Wand der zarten Gefässe dieselben Formen fixer fetthalti- 
ger Zellen, denen wir schon im subceutanen Gewebe begegneten; nur 
sind Contouren, Protoplasma und Kerne derselben noch schwerer 
wie dort sichtbar zwischen der Masse der überall lagernden rothen, 
Blutkörper. Die Anordnungsform der Fetttröpfchen wird aber wohl 
keinen Zweifel lassen können. Die massenhaft eingestreuten Iym- 
phoiden Zellen sind zum grossen Theil sehr grobkörnig, aber wieder 
zeigt sich dasselbe wie bei den ähnlichen Kriechzellen der Fische: 
keine Lösung ihrer Körnchen in Alkohol und Aether (Fig. 18 f), 
keine Färbung derselben durch Osmiumsäure; während die Körn- 
chen in jenen anderen, unregelmässig gestalteten Zellen durch die- 
ses Reagens zu dunkelgelbbraunen Haufen zusammengeballt werden. 
— Ich muss also den Bildungsmodus der Fettzellen hier für ganz 
denselben halten wie im Subeutanstratum, obwohl ich natürlich nicht 
behaupten darf, dass eine Entstehung aus runden Zellen, wie sie 
Frey darstellt, im fötalen Knochenmark nicht vorkomme. 

Es bleibt mir endlich noch die Fettentwicklung bei jüngern 
Embryonen zu besprechen. Wo man hier Fettzellen findet, ist 
das Gewebe immer bereits vascularisirt; und auch hier schliesst 
sich der Process, wie überall in läppchenförmigen Heerden auftre- 
tend, an die nächste Nähe der Gefässe. Bei Kalbsembryonen von 
ca. 31/;“ habe ich überhaupt noch kein Fett gefunden. — Es ist 
nun constante Regel, dass je kleiner der Embryo, desto kleiner die 
Fettzelle ist (vgl. auch Harting, Raspail, Frey p. 240): bei 
Rattenembryonen von 5/4“, wo sich schon reichliche Fettanlage am 
Rücken und in der Inguinalfalte fand, zeigten die grössten run- 
den, ganz mit Fett gefüllten Zellen wenig mehr Ausmaass wie etwa 
eine grössere Lymphzelle des erwachsenen Thieres. Die Zellen liegen 
hier so dicht, dass man für das Studium der Formen zur Isolation 
mit Jodserum, aus Chromkali- oder Osmiumpräparaten angewiesen 

M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 5 


66 Dr. W. Flemming: 


ist: Sie zeigt (Fig. 21 von einem 5zölligen Kalbsembryo), dass Zel- 
len der verschiedensten Formen, spindelförmige wie auch rundliche 
und polygonale, die Anfangsstadien der Fettzellen bilden können. 
Man wird natürlich in diesen und vollends in den noch früheren 
Stadien, wo gewiss eine Menge runder Zellen noch zu gestreckten 
auswachsen, nicht sagen können, ob eine rundliche junge Fettzelle 
vorher die Geltung einer solchen runden embryonalen Bildungsform, 
oder die einer Wanderzelle gehabt hat. 

Sichere Abschnürungs- und Vermehrungsformen fertiger, run- 
der Fettzellen habe ich in diesen Stadien nicht angetroffen. 

Es sei noch angefügt, dass ich bei Untersuchung des Grenz- 
gewebes mehrerer Lipome ganz ähnliche Bilder bekommen habe, | wie 
die, welche oben von der normalen subeutanen Fettentwicklung 
beschrieben wurden. 

Auf denjenigen Process, welchen die Pathologie als »fettige 
Entartung« von der »Fettinfiltration« mit Recht unterscheidet, will 
ich in diesem Aufsatze nicht eingehen. Es handelt sich dort um 
eine chemische Metamorphose des Zellenleibes zu Fett, hier jeden- 
falls um eine Anhäufung oder Verarbeitung neuzugeführter Substanz. 
Als beste Illustration dieses Unterschiedes lässt sich das verfettende 
Knorpelgewebe marastischer Thiere anführen, ein Ort also, der von 
der Blutzufuhr nicht direct beeinflusst wird: Je grösser hier die 
Fetttropfen in der Zelle, desto verkommener erscheint die Zelle 
selbst, und es finden sich Bilder (wie man sie im Öhrknorpel 
marantischer Kaninchen z. B. öfter sieht), wo in der Knorpelzellen- 
höhle nur ein ansehnlicher Fetttropfen nebst einigen verstreuten 
Körnchen vorhanden, die Zelle völlig untergegangen erscheint. 


Rückbildung der Fettzelle. 


Diese untersuchte ich in ihren verschiedenen Stadien bei hun- 
gernden, besonders jungen Thieren: Kaninchen, Kätzchen, Hunden, 
Fröschen und Fischen, bei verschiedentlich erkrankten marantischen 
Thieren und Menschen, und endlich auf Grund künstlicher Entzün- 
dung des fetthaltigen Bindegewebes. 

Als Hauptergebniss finde ich zu vermerken, dass die »serum- 
haltige Fettzelle« der Autoren nicht die endgültige Rückgangs- 
form ist — wie das bisher fast allgemein angenommen zu sein 
scheint (vgl. die Citate zu Anfang dieser Arbeit) —: sondern dass 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 67 


sie nur eine Zwischenform der regressiven Metamorphose darstellt, 
welche die Fettzelle bei der Abmagerung durchschreitet; und ich 
muss es, so auffallend es nach den bisherigen Ansichten klingen mag, 
vertreten, dass sie sich zurückbilden kann zu dem, was sie war: zu 
einer abgeplatteten fixen Bindegewebszelle. 

Die Bedingungen des Schwundes herzustellen, ist nicht schwer. 
Das Fett in den vollen Zellen pflegt bei jungen Thieren (namentlich 
bei Fischen) bei gänzlicher oder theilweiser Nahrungsentziehung 
sehr rasch zu schwinden: und es ist gerade dieser Umstand, der 
für das Erforschen der Fettbildung die peinlichste Vorsicht auf- 
erlegt; denn ein säugendes Thier, das man nur einen Tag lang von 
der Mutter getrennt, selbst bei künstlicher Fütterung, ein Fisch, 
den man nur einen halben Tag gefangen gehalten, oder selbst der 
Embryo aus einem Schlachtthier, welches vielleicht vor dem Tode 
etwas gehungert hat, kann schon ausgesuchte Formen des Fett- 
schwundes bieten. Und ich bekenne offen, dass ich in manchen 
Abbildungen der Autoren, welche Fettentwicklung darstellen, ein 
viel treueres Bild des Schwundes erkenne!), und dass ich des- 
halb, an der Beobachtungstreue derselben nicht zweifelnd, gern an- 
nehmen würde, dass sie Atrophie anstatt der Neubildung zum Ob- 
ject gehabt haben. 

Die ersten Stadien des Schwundes stellen sich nun verschieden 
dar, je nach dem Alter der Fettzelle. Bei Zellen, welche schon 
länger in gefüllter Form bestanden haben, entsprechen sie den bisher 
von den Autoren beschriebenen Bildern: man kann sich solche leicht 
darstellen, wenn man nach Czajewicz’ Vorgang mittelgrosse Kanin- 
chen nur einen bis zwei Tage hungern lässt. Man sieht dann in vielen 
der Zellen den grossen Fetttropfen mehr oder weniger geschwunden, 
bei längerer Abmagerung bis zum völligen Verschwinden herab, und 
hat dann die runden, noch deutlich membranhaltigen, vielfach be- 
schriebenen Serumzellen. Ob sie wirklich Flüssigkeit — »eine sehr 
feinkörnige Flüssigkeit«, wie Czajewicz will — enthalten, mag ich 
nicht entscheiden; doch färbt sich diese Substanz allerdings nicht 
durch Carmin und die Hülle fällt leicht zusammen. 


1) So z. B. in den runden, membranhaltigen Fettzellen von Czaje- 
wiez (Fig. 3 und 4 l. e.); und in den Figg. 192 und 188 bei Frey, welche 
ganz identisch sind, während die eine die Entwicklung, die andere die Atro- 
phie darstellt; meiner Ansicht nach entsprechen sie beide der Letzteren. 


68 Dr. W. Flemming: 


Es zeigt sich aber an ihnen noch einiges Eigenthümliche. Zu- 
nächst finden sich, wie es u. A. schon in Frey’s mehrfach eitirter 
Abbildung dargestellt ist, neben dem verkleinerten Fetttropfen — 
einer als grössester bleibt lange Zeit zurück — mehrere bis viele 
kleine in der Zelle (Fig. 23, 24, 25, 26). Sehr prägnant tritt dies 
Bild bei Fischen auf (Fig. 23); hier, wo die Zelle äusserst blass, 
ihr Contour meist unsichtbar ist, zeigen die Fettkörnchen den Um- 
fang derselben genau an. Frey (auch Czajewicz) ist der Ansicht, 
dass diesem Verhalten »ein Zerfallen« der Fettkugel in mehrere 
Tröpfchen (l. e.) zu Grunde liege. 

Ferner aber lässt sich bei fast allen diesen Zellen bemerken, 
dass ausser der blassen, vielleicht flüssigen Masse, welche die ganze 
Kugel füllt, noch ein Theil körniger, dunklerer Substanz meist neben 
dem Kern, und an die Hülle geballt vorhanden ist (Fig. 31 u.a.). 

Ein anderes Bild gewährt der Schwund bei den jungen For- 
men, welche eben erst Fettzellen geworden waren, und bei den 
meisten solchen vom Embryo und Säugling überhaupt. Hier ist 
von einer Membran meistens nicht zu reden. Die Zellen entsprechen 
sonst ganz der Frey schen Fig. 188 2, d, e, f, nur dass ich den 
Randeontour nicht so scharf zeichnen kann. Die ganze Zelle färbt 
sich intensiv mit Carmin. Von diesen zu etwas grösseren Zellen 
schreitend, sieht man alle Uebergänge zu Formen, wo in der Mitte, 
um den Fetttropfen her, sich eine grössere oder kleinere Höhle be- 
findet, welche von dem dicken Ring der färbbaren Zellsubstanz um- 
geben ist (Fig. 33a). — Die Entstehung der Membran durch all- 
mähliche, passive Ausdehnung und Verhärtung des Protoplasma 
lässt sich kaum schöner illustriren, wie durch diese regressiven 
Formen. — Endlich finden sich nun bei solchem jungen, regressiv 
gemachten Fett viele Zellen mit Fetttropfen, welche nicht rund- 
lich, sondern länglich, spindelförmig oder sonst vielgestaltig sind: 
es sind fixe Zellen, welche durch die Fetteinlagerung noch nicht, 
oder eben erst, ausgerundet waren und jetzt, bei der Atrophie, ihre 
alte Form noch theilweise wieder annehmen. Vielfach haben sie 
Ausläufer und hangen durch solche mit fixen Zellen (Fig. 33b) oder 
untereinander zusammen. Man erzielt sie sehr schön mittelst Ent- 
zündung durch Injection Lugolscher Lösung: ich sprach davon 
schon oben. 

Folgen wir dem Rückgangsprocess nun aber weiter, indem wir 
Thiere lange Zeit hindurch schlecht ernähren, oder indem wir er- 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindgewebe u. s. w. 69 


krankte untersuchen. Wir finden, dass die Fettzelle ihre erworbene 
und bisher bewahrte Membran wieder verliert. 

Czajewicz, welcher das Fett ganz verhungerter Kaninchen 
(wie immer ohne Reagentien) untersuchte, gibt (p. 309) an, dass 
die serösen Zellen dann so blass werden, dass sie kaum sichtbar 
sind, und lässt es unentschieden, ob vielleicht die Zellen selbst re- 
sorbirt werden. — Die Bilder, welche ich bei stärkerem Marasmus 
gewöhnlich bekommen habe, sind andere und ich finde sie am fri- 
schen Gewebe (Fig. 26) fast eben so prägnant wie nach Pikrocar- 
minfärbung (Fig. 27, 28). 

Man stösst hier auf viele Uebergänge von grösseren, noch 
membranhaltigen Zellen mit Fetttropfen (Fig. 26a), zu kleineren, 
nur feine Tröpfchen enthaltenden (26 b) — das Fett ist, wie lange 
bekannt, häufig stark gelb gefärbt und zwar um so gelber, je klei- 
ner die Tropfen sind —; ferner zn solchen, die noch eine deutliche 
Hülle haben, wo der Inhalt aber lediglich körnig'), kein Fett mehr 
darin ist. Zwischen diesem Inhalt und der Membran gibt es häufig 
einen Hohlraum: ersterer hat sich, um es so auszudrücken, von 
letzterer zurückgezogen (Fig. 33 c). Endlich sieht man nun zahl- 
reiche Zellen (Fig. 27 a), um welche statt der Membran — ganz in 
demselben Umfang, welchen sie bei jenen anderen einnimmt — ein 
Kreis (d. h. im optischen Schnitt, in der That eine Hohlkugel) von 
Körnchen sich ausspannt, und zum Schluss andere, welche völlig mem- 
branlose, kernhaltige Körnchenhaufen darstellen (Fig. 26, 27, 28 u. 33) 
und nur zum Theil durch ihre Grösse, ihre häufige Abflachung 
und Streckung, sowie durch ihre characteristische Anordnung in 
den Capillarenmaschen von grobkörnigen Wanderzellen unterschie- 
den sind. 

Nicht immer, wie gesagt, erfolgt der Process so, dass sich das 
Protoplasma von der Hülle zurückzieht; oft (Fig. 32) hat man Bil- 
der rundlicher oder eckiger Zellen, die einen noch mit scharfem, 
bei starker Vergrösserung doppeltem Randeontour, die nebenliegen- 
den ohne solchen. Der Untergang der Hülle kann schon stattfin- 
den, während noch Fettkörnchen in der Zelle sind; ich verweise 
dafür auf die Fig. 33b und 32, 26. Bei letzterem Object war durch 


1) Ich sage nicht: feinkörnig, denn diese Körnchen sind nach den 
gewöhnlichen histiologischen Begriffen immer noch recht grob — messbar, 
wie die Körnchen der oben besprochenen Wanderzellen, z. B. Fig. 18, 13. 


70 Dr. W. Flemming: 


Druck auf das Deckglas eine Zelle zum Auseinanderbersten gebracht 
worden, und die Rissstelle bei r zeigt wohl deutlich, dass hier keine 
Membran vorhanden, dass sogar der ganze ziemlich grosse Zellen- 
körper (die Vergrösserung betrug über 650) aus einer festweichen 
Masse bestand. 

Ob die Membran durch Resorption oder durch körnigen Zer- 
fall schwindet, will ich nicht entscheiden; die Körnchen, die man 
oft an ihrer Stelle (Fig. 27) sieht, können nichts beweisen, denn 
solche liegen sehr oft auch der noch erhaltenen Hülle an. 

In Rindfleisch’s Handb. der path. Gewebelehre (Fig. 24 p. 49) 
— es ist das die einzige bisherige Schilderung, in welcher ich diese 
Verhältnisse gewürdigt finde — ist atrophisches Fettgewebe dar- 
gestellt mit noch fetthaltigen, körnigen, membranlosen Zellen, deren 
einige längliche und spindelförmige Formen zeigen. Wenn auch R.s 
Ansicht über die Rückbildung aus den kurzen Worten seines Tex- 
tes nicht ersichtlich ist, so darf ich sie nach der Figur wohl als mit 
der meinigen übereinstimmend annehmen und freue mich, jene als 
Stütze für meine Darstellungen eitiren zu können. 

Ich muss aber noch weiter gehen und behaupten, dass es an 
manchen Orten, z. B. bei Amphibien, zur Bildung einer wirklichen 
Membran der Fettzelle gar nicht kommt. Untersucht man bei Frö- 
schen, die sich im Anfange der Abmagerung befinden, das frische 
subcutane Fett der Rückengegend (vgl. 0.) oder das der Winter- 
schlafdrüse (Fettkörper, welcher morphotisch ja dem fetthaltigen 
Mesenterium der Säuger parallel steht): so wird man um die grös- 
seren Fetttropfen nur einen Ring von homogenem Protoplasma fin- 
den (Fig. 29, 35), öfter mit zwei Kernen, ohne irgend eine beson- 
dere Hülle, und man wird constatiren, dass viele derjenigen Zellen, 
welche kleinere Fettkugeln beherbergen, dieselben unregelmässigen, 
verzogenen Formen zeigen wie die fixen Bindegewebszellen des Fro- 
sches, dass sie oft sich zu ausgesprochenen Platten ausdehnen 
(Fig. 29). Die Zellen des Fettkörpers lassen sich auch durch Ma- 
ceration in frischem Jodserum sehr schön isoliren und man wird an 
solchen Präparaten über ihre spindelförmigen und zackigen Formen, 
sowie über ihre Membranlosigkeit schwerlich in Zweifel bleiben. —Viele 
der regressiven Zellen findet man übrigens hier, wie an andern Orten 
rundlich (Fig. 30 r), auch noch in Stadien, wo das Fett grösstentheils 
oder ganz geschwunden ist: es kann ja auch nicht behauptet werden, 
dass jede Fettzelle in die Lage kommt, wieder zur fixen Binde- 


« 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u. s. w. 71 


gewebszelle zu werden, um so mehr, da man für einzelne derselben 
eine Entstehung aus Wanderzellen — nach dem oben Erörterten — 
für glaublich halten muss. 

Bei pathologischem Fettschwund — bis jetzt nur bei diesem — 
habe ich manche eigenthümliche Bilder beobachtet. Zwischen Fett- 
zellen, welche in den gewöhnlichen Anfangsstadien der Atrophie 
begriffen waren, zeigten sich ganz einzeln eingestreute Zellen, welche 
durchaus von einer dunkelgelben, feinkörnigen Masse zusammen- 
gesetzt wurden. Nach ihrer Grösse, ihrer Gestalt und Lagerung 
zwischen den Capillarenmaschen entsprachen diese Zellen (Fig. 25 z) 
sonst ganz den übrigen Fettzellen; und es fanden sich — was diese 
Deutung wohl sicher macht — in vielen derselben, wie in der ge- 
zeichneten, noch median gelegene Fetttropfen. Der Kern war nach 
Carminfärbung deutlich. Bis jetzt fand ich dieselben bei Kaninchen, 
die an Distomen gelitten hatten, im Mesenterium und bei Ratten, 
an welchen für andere Zwecke eine Gallengangs-Unterbindung aus- 
geführt war, im subcutanen Bindegewebe. Bei denselben Thieren 
zeigten sich ferner in den stärker atrophischen Fettzellen (Fig. 25a) 
die kleineren, unregelmässig vertheilten Fettkörner von eckiger Gestalt, 
von eigenthümlich mattem Glanz, und wollten sich in Osmiumsäure 
nicht färben, während die grösseren Tropfen sich hierin ganz wie 
anderes Fett verhielten. Es ist mir darum zweifelhaft geworden, 
ob man jene Körner hier als wahres Fett betrachten kann; und es 
kann diese Beobachtung vielleicht einen Fingerzeig dafür geben, 
dass die feinen Fettkörner in den atrophischen Zellen nicht einem 

einfachen »Zerfall« des alten Tropfens ihre Entstehung verdanken. 


Besondere Aufmerksamkeit verdient bei dem heutigen Stand 
der Entzündungsfrage die Angabe von Czajewicz, dass entzünd- 
lich gereizte Fettzellen in sich eine Zellenbrut erzeugen können, 
welche »wie ein Epithel«e um den Fetttropfen her liegt. — Bei der 
vielfachen Opposition, die ich diesem Beobachter zu machen gezwun- 
gen war, freut es mich doppelt, diese seine Angabe, wenigstens 
ihrem Hauptwerthe nach, bestätigen zu können. Nach Entzündung 
des subcutanen Fettes bei jungen Kaninchen, durch eingebrachte 
Hollundermarkstückchen oder (auf Cz.s Weise) durch Jodinjection, 
bekam ich — auch, wie Cz., besonders etwa zwei Tage nach der 


72 Dr. W. Flemming: 


Operation — vielfach Fettzellen mit mehreren Kernen oder mit ein- 
geschnürtem Kern zu Gesicht (Fig. 36). Gewöhnlich waren es die 
Formen, in denen sich der Fetttropfen schon verkleinert hatte — 
derselbe schwindet, wie oben gesagt wurde, schon in Folge der Ent- 
zündung, und es ist deshalb nicht nöthig, ihn, wie Cz. es that, erst 
durch vorhergehendes Hungernlassen zu verkleinern. Ich fand 
jedoch auch viele volle Fettzellen mit zwei Kernen (vgl. die Fig. 36 v). 
Wirkliche Zellen oder gar epithelartig geordnete in den Fettzellen 
zu constatiren, wie Czajewicz, ist mir noch nicht gelungen; die Zellen 
mit drei und mehr Kernen waren immerhin selten, auch vollständige 
Abschnürungsformen habe ich noch nicht beobachtet; doch gehen meine 
Prüfungen nicht über den zweiten Tag nach der Operation hinaus. 
Die entschiedenen Kerntheilungsformen, die man beobachtet, und 
der Umstand, dass um die Kerne keine besondere, durch Carmin 
stärker sich färbende Substanz zu sehen ist, machen es zum Min- 
desten nicht sehr wahrscheinlich, dass wir es hier nur mit in die 
Fettzellen eingewanderten Eiterzellen zu thun haben. 

Zugleich erwähne ich, dass man an solchen Objeceten auch 
sichere Formen von fettlosen fixen Zellen mit Kerntheilung an- 
trifft (Fig. 36). 


Ich will versuchen, die gewonnenen Resultate zu deuten. Es 
konnte festgestellt werden, dass die Bildung normaler Fettzellen aus 
Zellen des Biudegewebes erfolgt, die von den Zellen anderer, nicht 
fettbildender Orte desselben Gewebes in keiner Weise verschieden 
sind. Ich darf ebenso behaupten, dass die Fettzelle nach dem 
Schwinden ihres Inhalts im Stande ist, sich zu einer fixen Binde- 
gewebszelle mit all ihren Characteren, wie sie es früher war, zurück- 
zubilden. Ich konnte weiter nachweisen, dass das Auftreten von 
Fettzellen stets abhängig ist von der unmittelbaren Nähe einer 
Blutbahn. Daraus ergibt sich durchaus die Indentität von fixen 
Bindegewebs- und Fettzellen: jede der Ersteren, welche durch die 
Blutzufuhr die Bedingungen dazu erhält, kann Fettzelle werden: 
dies ist überhaupt der einzige Modus normaler Fettbildung. Ich 
muss darauf besonderes Gewicht legen, wenn auch die nahe Ver- 
wandtschaft beider Zellenarten, wie es die obigen Citate bezeugen, 
schon lange bekannt gewesen ist: denn Vieles in der bisherigen 
Literatur zeigt offenbar die Tendenz, die Fettzellen aus besonders 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u. s.w. 73 


prädestinirten Elementen abzuleiten und demgemäss ein wirkliches 
»Fettgewebe« zu constatiren!). Nach einer älteren Angabe von Va- 
lentin?) gibt es bereits in frühen Embryonalstadien Haufen von 
»noch leeren Fettzellen« an der Planta. Frey (p. 240) nennt die 
jungen Fettzellen ansehnliche, kugelige Zellen. Nach Kölli- 
ker) sind im Mesenterium junger Kätzchen die Fettläppchen in 
voller Grösse vorgebildet mit 0,01—0,02° grossen schönen feinkör- 
nigen Zellen, die in Zeit von 3—9 Tagen in wirkliche Fettzellen 
übergehen. Nach dem oben Erörterten kann ich mich dem nicht 
anschliessen. Wo ich bei jungen Thieren so angeordnete Zellen- 
haufen traf, waren es überall rückgängige Fettzellen. Die Grösse 
der von Kölliker beschriebenen Zellen entspricht ganz gut der- 
jenigen der regressiven Zellen, welche ich — gerade auch vom Kätz- 
chen — in Fig. 33 abbilde, und weiche, wie das natürlich alles 
schon fertige und schwindende Fettgewebe thut, in deutlichen Läpp- 
chen angehäuft lagen. Sie entspricht aber nicht der weit geringern 
Grösse der progressiven Formen. Ich verweise auf das Seite 67 
Ausgeführte und vermuthe wiederum, dass die Autoren völlig richtig 
gesehen haben, dass ihnen aber Fettatrophie und nicht Fettent- 
wickelung vorgelegen hat. 

Ebensowenig kann ich einer specifischen fötalen Fettgewebs- 
entwickelung aus »Schleimgewebe« das Wort reden. Wenn man 
das gallertige — d. h. mucinhaltige, sehr flüssigkeits- und zellen- 
reiche — Bindegewebe des Embryo Schleimgewebe nennen will, so 
lässt sich dagegen nichts einwenden; aber so verhält sich alles em- 
bryonale Bindegewebe und besonders charakterisirte Zellen für die 
Fettbildung gibt es darin nicht. Die Fettzellen entstehen in ihm, 
wie im erwachsenen Gewebe, an den Blutgefässen aus fixen, dort 
noch spindel- und sternförmigen Zellen; und wenn in den frühesten 
Stadien manche oder viele dieser Bildungszellen noch rund sind, 
so theilen sie diese Eigenschaft um die Zeit mit den meisten Em- 
bryonalzellen, welche diese Gestalt unzweifelhaft später noch ändern. 

Bei jeder normalen Fettanlage sind es also, wie ich behaupten 


muss, fast ausschliesslich die fixen Zellen der Gefässadventitien -- oder 
& 


1) Ich habe den Ausdruck Fettgewebe deshalb absichtlich ganz 
vermieden. 

2) Handk. d. Entwickl. 1835, p. 271. 

3) Handb. d. Gewebel. 1863, p. 125. 


74 Dr. W. Flemming: 


beim Embryo »solche die es werden wollen« — und die alten Fett- 
zellen, in welchen sich Fett ansammelt; wenn ich auch keinen Grund 
gegen die Annahme finde, dass jene ausnahmsweiseren, runden For- 
men jüngster Fettzellen, die ich oben erwähnte, aus lymphoiden 
Elementen (Wanderzellen) hervorgegangen sind. 

Es ergibt sich damit, dass die Beobachtungen der pathologi- 
schen Anatomie (Virchow, Rindfleisch, v. Wittich, Förster, 
die Angabe von Frey über Fettzellenbildung im übermästeten 
Muskelbindegewebe [l. c.]) in der That nicht bloss pathologische, 
nicht Ausnahmezustände, sondern die allgemeine, physiolo- 
gische Norm darstellen. 

Wie kommt nun das Fett in die Zellen hinein? — Dass es 
denselben durch das Blut zugeführt wird, ist wohl zweifellos durch 
die locale Bedeutung, die die Blutgefässe für den Vorgang haben. 
Trotzdem nun, dass ich das reichliche Vorkommen feiner Fetttröpf- 
chen an den Orten dieser Anlage und überhaupt bei fetten Thieren 
nachweisen konnte, dünkt mir die Annahme sehr unwahrscheinlich, 
dass hier das Fett in dieser Form bereits aus den Gefässen aus- 
geschieden und mechanisch von den Zellen aufgenommen wird. Denn 
erstens findet man die feinen Tröpfchen auch anderswo im Binde- 
gewebe, findet dass die Zellen desselben überall einige solche Körn- 
chen enthalten, an Orten, wo sie doch nie zu Fettzellen werden. 
Ferner müssten, im Fall einer solchen mechanischen Fettaufnahme, 
die Wanderzellen bei ihrem grossen Annexionsvermögen weit im Vor- 
theil sein gegenüber dem trägen Protoplasma der fixen Zellen; statt 
dessen ist die Bildung von Fettzellen aus letzteren die Regel, aus 
ersteren die Ausnahme. 

Die auffallende Menge fettloser‘) Wanderzellen an den fett- 
bildenden Heerden könnte auf die Vermuthung bringen, dass sie 
beim Transport des Fettes eine Rolle spielen. Ich glaube aber, ihre 
Anwesenheit weiter unten besser erklären zu können. 

Wenn man ein plasmatisches Canalsystem von fixen Zellen, 
wenn man den Zusammenhang eines solchen mit der Gefässwand 
annehmen könnte, würde sich ein einfaches Verständniss dafür er- 
geben, dass eben fast nur in den fixen Zeller? das Fett auftritt, und 


1) Von jenen kleinen, allgemein verbreiteten Körnchen, welche nirgend, 
einen Uebergang zu wahrer Fettfüllung einleiten, sehe ich bei dieser Be- 
zeichnung ab. 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u. s.w. 75 


Bilder, namentlich wie die des embryonalen Gewebes (Fig. 17), wür- 
den sehr schlagend erscheinen, — es würde sich dann handeln um 
eine Fortbewegung und Umsetzung des Ernährungsstoffs innerhalb 
bestimmter Bahnen. Ich habe aber oben (p. 47, p.38 ff.) schon aus- 
geführt, weswegen ich die Annahme eines plasmatischen Zellen- oder 
Röhrensystems hier nicht machen kann!), und dann: woher kom- 
men dann die freien Fettkörnchen im Gewebsraum? Wie geräth 
das neue Fett in die Wände der alten Fettzellen? Denn man kann 
doch wohl unter keinen Umständen annehmen, dass diese Wände 
noch Theile eines plasmatischen Gangsystems sind. 

Die einzige Erklärung, die ich für die vorliegenden Thatsachen 
finde und welche mir als Hypothese deshalb berechtigt erscheint, 
ist diese: 

Das Fett — oder das fettliefernde Material — ceirculirt im 
Blut in Form einer gelösten Verbindung und transsudirt auch in 
dieser Form. Hat die Lösung das Gefäss verlassen, so wird sie 
zersetzt und Fett daraus niedergeschlagen. Daher die freien Fett- 
körnchen, daher auch der Umstand, dass dieselben auch weiter- 
hin im Gewebe vorkommen, wo eine Fettzellenbildung nicht statt- 
findet. Wo ein Zellenleib von der frisch austretenden Lösung 
durchtränkt wird, schlägt sich auch in ihm, vielleicht gerade be- 
sonders energisch, Fett daraus nieder und wo dieser Process fort- 
dauernd anhält, da kommt es so zur Bildung der Fettzelle. In 
der Lage nun, in diesem Strom fortwährend gebadet zu werden 
und Fett aus ihm anzusammeln, sind zunächst die fixen Zellen der 
Gefässadventitia und die dort schon befindlichen Fettzellen; wenn 
aber eine Wanderzelle hier in der Adventitia gerade länger verweilt, 
so kann auch sie dem Process anheimfallen. Es erklärt sich durch 
diese Annahme ferner, warum es abwärts vom Gefäss nicht zu 


1) Nach den Angaben Eimer’s (Virch. Arch. Bd. 48: Die Wege des 
Fettes in der Darmschleimhaut bei seiner Resorption) geht die Fettresorption 
in der Darmzotte durch ein feinstes, von den Bindegewebszellen und ihren 
Ausläufern dargestelltes Canalsystem vor sich. Dies würde freilich zu den 
hier und oben entwickelten Ansichten keine Analogie geben. Uebrigens ist 
es ja bis jetzt noch ganz unermittelt, in welche Beziehung sich die so- 
genannte cytogene Bindesubstanz — welcher man ja das Gewebe der Darm- 
zotte zurechnet — zu dem Ranvier’schen Schema des fibrillären Bindegewe- 
bes wird bringen lassen. — In der Submucosa des Darmes hat Eimer selbst 
beobachtet, dass dort die fettführenden Gänge oft Spalten von ansehn- 
licher Tiefe darzustellen scheinen (l. c. p. 38). 


76 Dr. W. Flemming: 


Fettzellenbildung kommt: die dorthin gelangte Lösung ist ja be- 
reits ganz oder grösstentheils zersetzt, sie kann den Zellen dort 
wohl noch einzelne Körnchen liefern, wie wir sie ja auch in ihnen 
finden; aber sie kann nicht mehr Massendepots veranlassen, wie sie 
zur Bildung der Fettzelle erfordert werden. 

Wenn das nun aber so ist, so bleibt ein weiteres Räthsel 
zu lösen. Aus meiner Darstellung ergibt sich, dass die Fettanlage 
immer und überallin kleinen localisirten Heerden er- 
folgt; dass es mit andern Worten immer nur einzelne 
kleine Strecken oder Verästelungsbezirke der Gefässe 
sind, welche zur Zeit Fett anlegen. Wo liest da der 
Grund? Es wird doch wohl in den unmittelbar benachbarten, im 
selben Sehfeld noch von einander abzweigenden Gefässästen ein Blut 
von gleicher Mischung geflossen haben! Und doch sehen wir am 
einen Gefässast Fettanlage, am anderen nicht. Hat die Wand der 
einen Blutbahn etwas Anderes transsudiren lassen als die der andern? 
Weit annehmbarer erscheint es, dass der Unterschied nur ein quan- 
titativer war. Und dann scheint mir ein ziemlich einfaches Ver- 
ständniss des Vorganges ermöglicht, indem man als Ursache der 
vermehrten Transsudation eine locale Gefässerweiterung au- 
nimmt. Dass solche physiologischer Weise, auf Grund vasomotori- 
scher Einflüsse, bald hier bald dort vorkommen, und auf kleinste 
Gefässbezirke beschränkt vorkommen kann, das zu bezweifeln haben 
wir keinen Grund nach den Arbeiten Ludwigs und seiner Schule 
(Loven, Asp, Dogiel u.A.). Aus einem erweiterten Gefäss muss 
der Stromverlangsamung wegen mehr transsudiren als aus dem 
engeren. Wir könnten dann selbst annehmen, dass überall in den 
Adern des wohlgenährten Körpers ein Blut von annähernd gleichem 
Fettgehalt fliesst; aber nur an gewissen Gefässbezirken — vor Allem 
denen des fibrillären Bindegewebes vieler Orte — wären die günsti- 
gen Bedingungen für ausgiebige circumscripte Gefässerweiterung 
gegeben; und wiederum hier nur dort, wo die locale Erweiterung 
hinreichend lange besteht, käme es zur Fettanlage. 

So sehr diese Hypothese noch der experimentellen Prüfung 
entbehrt, so erscheint sie mir doch als diejenige, welche die histio- 
logischen Befunde am ungezwungensten deutet. Besonders kann für 
sie sprechen, dass sie noch ein anderes, sonst ziemlich räthsel- 
haftes Factum erklärt: die relativ grosse Menge von Wander- 
zellen nämlich in der Nähe der fettbildenden Heerde, welche 


Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe u.s.w. 77 


ich als fast constantes Vorkommniss beschrieben habe. Deren Erschei- 
nen würde dann bedingt sein lediglich durch die Gefässdilatation, 
eben wie es das bei der Entzündung ist: sie würden keine andere 
als eine beiläufige Bedeutung haben bei der Fettzellenbildung selbst, 
für welche es ja histiologisch nicht gelingen wollte, ihnen einen spe- 
eifischen Einfluss zu sichern. 


Ueber die Physiologie des Fettschwundes wage ich noch keine 
tiefer greifenden Schlüsse. Als Resultate des darüber Ermittelten 
will ich zusammenfassen, dass in der atrophischen Fettzelle immer 
ausser Kern, Hülle und Fett ein Rest Protoplasma vorhanden ist, 
welcher also entweder auch in der vollen Zelle, in ausgespann- 
tem Zustand anwesend war, oder sich aus der »Membran« selbst 
zurückentwickelt; ferner dass die atrophische Fettzelle ihre Hülle 
verliert oder verlieren kann, dass sie unter Schwinden oder Zurück- 
bildung dieser Hülle sich wieder zu einer fixen Gewebszelle zu ge- 
stalten vermag, und dass sie unter entzündlichen Einflüssen einer 
Kernwucherung — nach ÜUzajewicz selbst einer Tochterzellen- 
bildung — fähig zu sein scheint. Endlich scheint Manches dafür 
zu sprechen, dass die Tröpfehen, welche sich neben dem alten Fett_ 
tropfen in der atrophischen Fettzelle finden, nicht einem »Zerfall« 
des alten Fetttropfens entspringen, sondern dass sie erst wieder aus 
einer löslichen, unter Auflösung des alten Tropfens gebildeten Fett- 
verbindung innerhalb der Zellensubstanz niedergeschlagen sind. 


Amsterdam, den 18. Juni 1870. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI, VIL, VI. 


(Die Hartnack’schen Systeme und Oculare, mit denen gezeichnet wurde, 
sind bei den Figuren notirt.) 


Tafel VL 
(Fixe Bindegewebszellen.) 


1. Rattenembryo von ca. 5/,“, runde und fixe Zellen aus dem subeu- 
tanen Bindegewebe des Rückens; eine im Beginn der Abplattung. (p.) 

Subeutane Injection von Silberleim, Schnitt, Pikrocarmintinction !). 

a. eine Zelle ebendaher aus etwas früherem Stadium, Jodserum. 

2. 12zöll. Schafembryo, Zellen des Inguinalbindegewehes; anastomosi- 

rend und im Beginn der Abplattung. S. L. P. C. 
3. 15zöll. Schafembryo, Zellen ebendaher, Fortschritte der Abplattung 
und Anastomosen. S. L. P. C. 

4. Neugeborenes Kaninchen, Zellen ebendaher. S. L. P. C. 

5. a. Junges Kaninchen, Zellen des subeutanen Bindegewebes frisch 
in Jodserum, an Fibrillen hängend, w. Wanderzelle. 

b. Drei fixe Zellen vom Rande desselben Präparats, verdünnte 
Essigsänre. 

6. Aelteres Kaninchen, subcutanes Bindegewebe, fixe Zelle zwischen 

den Fasern hängend. 

Künstliches Oedem mit Jodseruminjection. 

7. Altes Meerschwein, Inguinalbindegewebe, fixe Zellen und Zwischen- 

substanz (z). 

Zerflossenes Silberleim-Pikrocarminpräparat. 

8. a. Intermusculäres Bindegewebe des Froschschenkels in frischem 
Jodserum. z. Zwischensubstanz mit Körnchen, g grobkörnige 
walzige Zelle, die übrigen platte fixe Zellen. 

b. Fixe Zellen an Fasern und Zwischensubstanz vom selben Ort, 
8. 1.2P 20! 
9. Junger fetter Hund, Inguinalbindegewebe frisch ausgeschnitten in 
Jodserum. Zwei fixe Zellen, nur durch Kerne und die Körnchen markirt. 


Tafel VII 
(Fettzellen-Entwicklung.) 


(In den Figuren 12, 13 und 16 sind manche der vollen Fettzellen, 
um die Bilder nicht zu gross zu machen, etwas verkleinert; alles Uebrige 
entspricht der angegebenen Vergrösserung.) 

10. Etwa 1'/,jähriges Meerschwein, stark gemästet, Omentum. Ar- 


1) Die Methode ist im Folgenden mit S. L. P. C. bezeichnet. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI, VII, VIII. 79 


terie und Vene mit Fettanlagen; drei der Zellenhaufen (vgl. Text) an den 
Adventitien, in zweien Fettzellen. Schlingenförmige Gefässsprossung. S.L.P.C. 

(Die Kerne und Silberlinien des Endothels der Netzplatte sind nicht 
mit gezeichnet.) 

11. Junger, stark gemästeter Hund, Inguinalbindegewebe nach A- 
Zusatz. 

12. Ebendaher, frisch, geh. Objeettisch ca. 38° C., Serum. Die Fibril- 
len sind weggelassen. Fettzellenentwicklung. w. Wanderzellen, welche noch 
krochen; die übrigen änderten die Form nicht. h. Halbmonde von Fett- 
tröpfchen an den alten Fettzellen. 

13. a. Junge Plötze, um Ende April frisch gefangen, Bauchfellüber- 
zug der Schwimmblase. Fettzellenentwicklung. w. stark krie- 
chende Wanderzellen. c. Wanderzelle, welche zwei Fettkörn- 
chen enthielt und im Kriechen wieder abgab (vgl. Text p. 57). 

Jodserum. 
b. Dasselbe Object mit Pikrocarmin gefärbt, junge Fettzellen und 
eine Wanderzelle. 

14. Gemästetes grosses Meerschein, Inguinalbindegewebe. Fettanlage. 
Ein kleines, junges Fettläppchen ist durch die Injeetion ganz dissociirt, man 
sieht in der Mitte viele junge Formen. w. Wanderzellen, f. fixe Zeilen. 
«—h knollige, maulbeerförmige und Theilungsformen aus demselben Object. 
BIRD D.C. 

15. Neugeborenes Kaninchen. Fettanlage. Schwinden der Platten an 
den jungen Fettzellen. Anastomosen. Kernvermehrung. 8. L. P. C. 

16. Gemästeter junger Hund. Fettanlage. Ebenso. S. L.P. C. 

17. 12zöll. Schafembryo, Fettanlage. Starke Üapillarensprossung. 
k. freier Kern. 8. L.P.C. 

18. Knochenmark, junges fettes Kaninchen. Jodserum. f. zwei der 
runden, körnigen Zellen nach Behandlung mit Alcoh. absol., nachdem das 
Fett in den grossen Fettzellen schon gelöst war.’ 

19. Einzelne Formen junger Fettzellen, gemästetes Meerschwein. 
w. anscheinend ganz freie, runde Form. f. fixe Zellen ferner vom Gefäss, 
mit kleinen Körnchen. 

20. «. Schafembryo 14”, Mesenterium, junge Fettzellen (vgl. Text 

p- 64). Osmium. 

$. Neugeborenes Kaninchen, Mesenterium, Fettbildung in fixen 
Zellen. 8. P. C. 

y. Endothelien desselben, fettlos. 

d. Zellen ebendaher, Kalı bichrom., isolirt. 

21. Isolirte Zellen, subcutanes Bindegewebe eines 5zöll. Kalbsembryo 
Osmium. Vgl. pag. 66 oben. 

22. Ganz isolirte junge Fettzelle, schwimmend, gemöstetes Meerschwein 
(Fig. 14). S.L. P. C. zerflossen. 


80 Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI, VII, VII. 


TafelnVIER 
(Fettzellen, Schwund.) 


23. Plötze, vier Tage im Glas hungernd gehalten, Bauchfell von der 
Schwimmblase. Jodserum. w. w. Wanderzellen. Vgl. p. 68 oben. 

24. 14tägiges Kaninchen; nach nur zweitägigem Hungern mem- 
branlose Fettzellen (in Rückbildung zu fixen Zellen). 

25. Altes Kaninchen, an Distomen leidend, atrophische Fettzellen (vgl. 
Text p. 71). 

26. Säugendes Kätzchen, 24 Stunden von der Mutter getrennt mehr- 
mals reichlich mit Milch gefüttert. Trotzdem (wie die grossen Fettzellen 
zweifellos liessen) exquisiter Schwund. Omentum. Jodserum. 

27. Alte Ratte, nach Gallengang - Unterbindung gestorben. Venöses 
Gefäss mit atrophischem Fett. Inguinalgegend. Untergang der Membranen. 
Sl B.: 

28. Ebendaher, Arterie mit atrophischen Fettzellen. 

29. Winterfrosch, Rückenfett. Jodserum. 

30. Winterfrosch, Fettkörper. Jodserum. Isolirt. 

31. Marantischer kranker Hund, atrophische Fettzellen, a. frisch. 
623.8. BIO: 

32. Fast verhungertes Kaninchen, atrophische Fettzellen. Bei r der 
membranlose Zellenleib eingerissen. 

33. Säugendes Kätzchen (s. Fig. 26), Inguinalfettzellen. 

34. Plötze, zweikernige Fettzelle, Bauchfell. 

35. Winterfrosch, ebenso, Fettkörper. 

36. Künstlich entzündetes Fett (säugendes Kaninchen), Kernver- 
mehrung. (Vgl.p. 71 unten ff.) Entzündung durck eingebrachte Hollunder- 
markstückchen, Untersuchung nach 2 Tagen. 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch, 
Salamander und Triton. 
Von 
Dr. Edmund Landolt. 


Hierzu Tafel IX. 


Indem ich mich auf Grundlage von Ueberosmiumsäurepräpa- 
raten der Beschreibung des Stützgewebes der Amphibienretina zu- 
wende, habe ich zunächst zu erwähnen, dass ich in Rücksicht auf 
ihr Verhalten zur Limitans interna, der Ganglienzellen und innern 
granulösen Schichte, besonders aber zu den innern Körnern die Aus- 
sagen M. Schultze’s (Archiv f. mikr. Anat. B. I. S. 267—-68) 
- bestätigen muss. Ich fand nämlich, dass jede Müller’sche Faser 
nachdem sie die Granulosa interna unter Abgabe von nur spärlichen, 
dünnen Seitenästchen in radiärer Richtung durchsetzt hat, beim 
Eintritt in die innere Körnerschicht auf ein birnförmiges, durch 
seine Länge von den übrigen ausgezeichnetes Korn auftrifft, das sein 
dünneres Ende ihr zuwendet. Daran weicht die Faser in 4 bis 6 
feinere Aeste auseinander, welche das Korn erst eng, wie von Fin- 
gern gefasst, umgreifen, sich zum Theil am entgegengesetzten Ende 
wieder vereinen, zum Theil nach den Seiten abtreten, um dann in 
ganz derselben Weise, wie dies lange Korn, die andern Elemente 
der Körnerschicht in ihr vielverzweigtes, enganschliessendes Maschen- 
netz aufzunehmen (fig. i. k.). Von diesem Verhalten der Fasern 
überzeugt man sich am leichtesten an feingezupften Ueberosmium- 
säurepräparaten und es erklären sich so die Bilder, welche H. Mül- 
ler (Zeitschr. f. wiss. Zool. B. VIIL. S. 23 vom Barsch, $. 32, 34, 43 
v. d. Taube) von dem Verhalten der Radialfasern in dieser Schichte, 


M, Schultze, Archiv f, mikrosk,. Anatomie. Bd. 7. 6 


82 Dr. Edm. Landolt: 


gibt, wenn er sagt, dass dieselben da bald spindelförmig enden, bald 
Knochenkörperchen ähnliche Gebilde oder Anschwellungen darstel- 
len. Auch ich erhielt diese Formen bei schwächerer Vergrösserung 
sehr häufig, überzeugte mich dann aber durch genauere Betrach- 
tung, namentlich aber mit Hilfe der Ueberosmiumsäure, welche die 
Körner dunkler färbt, während die Stützfasern als helle Streifen 
drüber hinziehen, dass die Kolben, welche man als scheinbare En- 
den der Radialfasern sieht, nichts Anderes sind, als die oben be- 
schriebenen langen Körner, welche von der Faser fest umschlossen 
werden, während die andern Aeste hart an der Oberfläche des 
Kornes abgebrochen sind. Wenn von den Aestchen noch einige 
Reste sitzen bleiben, dann erhält man die Knochenkörperchenform. 
Ist man einmal auf dies Verhalten aufmerksam geworden, so findet 
man die zierlichsten Bruchstücke der innern Körnerschicht massen- 
haft in jedem Zupfpräparat. Bald ist es ein birnförmiges Korn, in 
seinem längsgespaltenen Stiele sitzend und von da ausgehend in 
engumschliessendem Astwerke mehr runde Körner, oder man findet 
nur Bruchstücke des Gitterwerkes, aus welchem die letztern heraus- 
sefallen sind. Kommt einem aber ein Korn mit dem ihm zugehö- 
rigen Gerüste allein zu Gesichte, ohne dass man das eben beschrie- 
bene Verhalten kennt, so macht es durchaus den Eindruck einer 
ästigen Zelle. Aus solchen Bildern scheint auch H. Müller’s Be- 
schreibung der Zellen dieser Schicht (Z. f. w. Z. VIIL. 8. 20) ge- 
schöpft zu sein, wenn er sagt, dass die einen mit mehreren Fort- 
sätzen versehen scheinen. 

Nachdem das Stützgerüste in dieser Weise jedes einzelne Korn 
der betrachteten Schicht in sein Maschenwerk gefasst hat, treten 
von den zu äusserst gelegenen die Fasern, die hier nicht selten vari- 
köse Anschwellungen zeigen (fig. 4 v), in die an Breite der granu- 
losa interna ganz bedeutend nachstehende granulosa externa ein. 
Gleich an der Grenze dieser Schicht breiten sich die Fasern, die 
jetzt natürlich dünner sind, als sie in der granulosa interna waren, 
nach den Seiten hin aus und bilden auch hier ein Netzwerk. Am 
feinsten erschien mir dasselbe in der Froschretina, wo man nicht 
ganz leicht Präparate erhält, die so dünn und durchsichtig sind, 
dass man das Maschenwerk deutlich als solches erkennt. Meist sieht 
man nur die Fasern an die Schicht herantreten, oder man erkennt 
auch noch an dieser Stelle das seitliche Ausbiegen derselben, viel- 
leicht selbst die erste Masche, ılann aber verhüllt die Dicke der 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 83 


Schicht, oder die Intensität der Färbung durch das Reagens ihr 
weiteres Verhalten. Erst durch fleissiges Zupfen ist es mir gelun- 
gen, zu erkennen, dass die Fasern vielfach verzweigt und unter sich 
verbunden, die ganze Schicht durchsetzen. (Vgl. M. Schultze’s 
Archiv B. II. S. 216). Zellen dagegen, wie sie Manz (Z.f. r. Med. 
3. Reihe XXVIIL) angedeutet sah und W. Krause als seine Mem- 
brana fesestrata bildend beschreibt, konnte ich nicht finden. Wohl 
ragen die äustersten der innern und die innersten der äussern Kör- 
ner in das Maschenwerk dieser Schicht zum Theil hinein, doch als 
Membran stellte sie sich mir weder auf flachen noch auf senkrech- 
ten Schnitten, noch in Zupfpräparaten dar (auch H. Müller Z. f. 
w. Z. VIII. S. 31 sah keine Zellen), dagegen stimme ich insofern 
mit W. Krause überein, dass ich diese Schicht als hauptsächlich 
durch das Stützgewebe gebildet betrachte. 

Engere Maschen, aber breiteres Gerüste zeigt die Retina des 
Salamander. Am einfachsten ist das Verhältniss der Stützfasern 
in der granulosa externa des Triton, doch muss ich von dieser und 
der nachfolgenden Schichte dieses Thieres später noch eingehender 
handeln. Höchst auffallend war mir Folgendes: Während man näm- 
lich gewöhnlich die Stützfasern scharf contourirt in die Granulosa 
eintreten und diese in eben geschilderter Weise durchsetzen sieht, 
findet man nicht selten, dass eine Faser, die hell und scharf be- 
grenzt, aus der Körnerschichte herkommt, sich allmählig in ähn- 
licher Weise, wie in der Limitans interna und wie die andern Fa- 
sern an der Granulosa externa, seitlich glockenförmig ausbreitet, 
sich dann aber nicht mehr von der Substanz der Letzteren trennen 
lässt, sondern allmählig selbst granulös wird (Fig. 1 und 4). Ich 
bin überzeugt, dass dies Bild nicht auf der Täuschung beruht, dass 
an der Stelle etwa, wie so häufig, die Granulosa so dicht wäre, 
dass sie den Verlauf der Faser nicht weiter erkennen liesse, sondern 
ich fand dies vielfach an ganz isolirten Fasern, namentlich beim 
Triton, so dass es den Eindruck macht, als hätte hier durch die 
Einwirkung des Reagens vielleicht eine Gerinnung stattgefunden. 

Hat nun das Stützgewebe als Maschenwerk die Granulosa ex- 
terna durchsetzt, oder, wie im letzteren Falle, quasi selbst gebildet, 
so handelt es sich nun darum, sein Verhalten in der äusseren Kör- 
nerschicht zu untersuchen. Die äussere Körnerschicht des Triton 
zeigt solche Eigenthümlichkeiten, dass ich sie ganz für sich allein 
betrachten werde. Ihr in vielen Stücken ähnlich ist die von Sala- 


84 Dr. Edm. Landolt: 


mandra maculata, so dass das Nächstfolgende von letzterer nur zum 
Theil, genau aber für Rana esculenta gilt. 

An der äusseren Grenze der Granulosa externa treffen wir 
jene Gebilde, welche M. Schultze in seinen ausgezeichneten Ar- 
beiten über die Retina als die Endigung der Stäbchen und Zapfen- 
körnerfasern beschreibt, nämlich von ersteren ein kleines Kölbchen, 
von letzteren eine fächerförmige Ausstrahlung. Die Bilder, die 
M. Schultze beschrieben und gezeichnet hat, sind so klar in natura 
wiederzuerkennen, dass sie durchaus keinen Zweifel zulassen. Auch 
ich fand sie in jedem günstigen Präparate; allein es zeigte sich mir 
ausserdem noch Folgendes. Die kolbenförmige Anschwellung der 
Stäbchenfaser liegt in einem Kelche des die Granulosa externa ver- 
lassenden Stützgewebes, und zwar umschliesst sie letzteres bald wie 
die Körner der inneren Körnerschichte fingerförmig, bald mehr als 
Membran, in beiden Fällen aber vereinigt sich die Hülle wieder über 
dem nach Aussen gewendeten spitzeren Ende des, Kölbchens und 
geht als glatter Faden weiter auf das Stäbchenkorn. Dass das Kölb- 
chen nicht direct von der Faser selbst gebildet wird, erkennt man 
daran, dass die letztere in Ueberosmiumsäure - Präparaten heller 
bleibt, während die kolbige Anschwellung so stark gefärbt wird, wie 
die Körner der Körnerschichten, und sich so von den Fasern, die es 
umgreifen und mit dem Stäbchenkorn verbinden, oft sehr deutlich 
abhebt (Fig. 2 und 5a). Die fächerförmige Ausstrahlung der 
Zapfenfasern an der äusseren Grenze der Granulosa externa stellt 
dann, wie ich glaube, gerade dasselbe dar, wie die Ausstrahlung 
der Stützfasern, die aus der innern Körnerschicht kommen, an der 
inneren Grenze, d. h. ein Uebergehen der Faser in das enge Ma- 
schenwerk der äussern granulirten Schicht, oder mit andern Wor- 
ten, die Fortsetzung des Stützgewebes in die äussere Körnerschicht, 
nach unserem Gang der Beschreibung, die Sammlung desselben aus 
der Granulosa zur Zapfenfaser. M. Schultze fand, dass bei Säuge- 
thieren das Ende der Zapfenfaser in der Granulosa ext. in feine 
flächenhaft ausgebreitete Faden auslaufen. Er hält diese für ner- 
vös, wie die Zapfen- und Stäbchenfasern auch (Archiv B. U. 1866 
179, 185, 187, 200), was ich, wenn anders die bisherige Ansicht 
von der Natur des Stützgewebes richtig ist, bei den Amphibien für 
die ganze Zapfenfaser nicht wohl zugeben kann. Dagegen würde 
ich in der Hinsicht mit Krause übereinstimmen, der auch den Zu- 
sammenhang der Stäbchen- und Zapfenfasern mit den Radialfasern 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 85 


nachgewiesen und auch die Stäbchen- und Zapfenfasern für nicht nervös 
erklärt hat. Verfolgen wir nämlich die Stäbchen- und Zapfenfasern 
bis sie auf ihr zugehöriges Stäbchen- oder Zapfenkorn treffen, so 
finden wir auch hier wieder ein gleiches oder ähnliches Verhalten 
wie in der innern Körnerschicht. Die Faser nämlich weicht ausein- 
ander und umgreift das Korn. Fig. 2. (Vgl. M. Schultze Archiv 
B. I. S. 267—268: »ähnlich aber zarter als das der innern ist das 
Bindegewebsgerüste der äussern Körnerschicht«.) In den seltenern 
Fällen aber findet man die Stäbchen- und Zapfenkörner in einem 
solchen Gitterwerk liegend, wie die innern. Ich sah dies nur beim 
Frosch, und zwar ehe ich das andere Verhalten erkannte, so dass 
ich oft glauben musste, ich hätte mich am Ende doch getäuscht 
und die Faser gehe in manchen Fällen doch direct in das Korn 
über, und es finde sich nur an beiden Polen eine leichte Grenze 
zwischen beiden. Bei genauer Betrachtung aber und besonders mit 
Hülfe der Methode, dass ich die Objeete unter dem Mikroskope 
rollen liess, d. h. sie von allen Seiten betrachtete, wurde es mir 
. klar, dass sehr häufig das Stützgewebe das Korn nicht mit Längs- 
fasern, sondern als dünne Membran umschliesst (Fig. 5). Ganz 
sicher erkannte ich dies Verhalten dadurch, dass die Membran häufig 
unregelmässige, grössere und kleinere rundliche Oeffnungen hat, 
durch welche das durch Ueberosmiumsäure braun gefärbte Korn, 
weil unbedeckt, dunkler erscheint als an den übrigen Stellen (Fig. 5b). 
Die Contouren der Oeffinungen sind sehr scharf. An eine Verwechs- 
lung mit einem grösseren Kerne des Kornes war nicht zu denken, 
da die Einstellung, die Lageveränderung des Präparates und die 
Betrachtung des kleinen wirklichen Kernes über die Lage des be- 
schriebenen Loches durchaus sicheren Aufschluss gibt. Ausserdem 
sieht man das Korn eben doppelt contourirt, was für seine mem- 
branöse Hülle deutlich spricht. (Vgl. Köllikers Gewbel. d. M. 
1867 S. 673: »die Faden gehen von einem blassen Umriss des Kor- 
nes aus«.) Sehr häufig erkennt man in letzterer bei feiner Ein- 
stellung Längsstreifen, ganz ähnlich wie jene Fasern, welche die 
birnförmigen innern Körner umgreifen, allein ihre Ränder sind nicht 
scharf, sondern gehen allmälig in die Membran über, so dass sie für 
Verdickungen derselben angesehen werden können (Fig. 5). Halten 
wir zusammen jene Fälle, wo die Stäbchenkörner von einer geschlos- 
senen Membran umhüllt sind, ferner die, wo die Membran Lücken 
zeigt, und diejenigen, wo grosse Lücken und daneben Verdickungen 


86 Dr. Edm. Landolt: 


in der Längsrichtung vorhanden sind, und vergleichen wir damit 
das Verhalten der Stützfasern zu den innern Körnern, so finden wir 
im Grunde überall analoge Beziehungen. Denn lassen wir die 
Lücken 'der Körnerhülle recht gross werden und nur die Rippen be- 
stehen, so haben wir jenes fingerförmige Umgreifen, wie es die 
innern Körner zeigen. Ich muss gestehen, dass mir, als ich die 
Augen von Actacus fluviatilis untersuchte, die Aehnlichkeit zwischen 
dem Verhalten der Stäbchenfaser zum Stäbchenkorn und Stäbchen 
der Amphibien und demjenigen der vom Üentralorgan des Fluss- 
krebses herkommenden zum Krystallkegel sehr auffiel. (Vgl. die 
ausgezeichnete Monographie M. Schultze’s über die facettirten 
Augen der Krebse.) Es kommt auch vor, dass die von der Granu- 
losa externa ausgehende Faser, noch ehe sie an das eigentliche 
Stäbehenkorn gelangt, schon ein ähnliches längliches Korn in sich 
fasst, wie Fig. 2 zeigt, häufiger aber ist das früher beschriebene 
Verhalten. Neben diesen und den eigentlichen Stäbchen- und Zapfen- 
körnern liegen auch nocn andere, ihnen an Gestalt und Grösse voll- 
kommen gleiche Körner in dieser Schichte. Alle unterscheiden sich 
dadurch von den innern Körnern, dass sie nicht, wie jene, mehr 
Kugelgestalt, sondern Spindelform haben, deren längere Axe radiär 
zum Bulbus gestellt ist. Alle haben einen kleinen Kern wie die 
innern Körner, und werden von dem Stützgewebe in gleicher Weise 
umschlossen wie jene. 

Es gelang mir auch beim Kaninchen, dessen äussere Körner- 
schicht eine verhältnissmässig bedeutende Mächtigkeit besitzt, d. h. 
mehrere Zellenlagen umfasst, durch dasselbe Verfahren (Ueber- 
osmiumsäure und Zupfen) ganz das nämliche Verhalten des Stütz- 
gewebes, namentlich auch ihr Uebergehen in die Limitans externa, 
zu constatiren (Köllikers Geweb. S. 681). Hier sind die Körner 
übrigens rund und es lässt sich an ihnen nach Einwirkung des ge- 
nannten Reagens die von Henle, Ritter, M. Schultze, Hasse, 
Kölliker beschriebene Querstreifung, die ich auch gesehen habe; 
nicht mehr erkennen. 

Ich fand diese Analogie im Baue der äusseren Körnerschicht 
beider Thiere eigentlich mehr zufällig, da ich die Kaninchenretina 
zu einem andern Zwecke untersuchte, habe aber Grund zu ver- 
muthen, dass sich das sehr starke Stützgerüste derselben auch den 
innern Körnern gegenüber in ähnlicher Weise verhalte; doch hatte 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 87 


ich bis jetzt noch nicht Gelegenheit, mich wirklich davon zu über- 
zeugen. 

Die Beschreibung und Abbildung, welche ich oben von der 
äussern Körnerschicht der Froschretina gegeben, passt aber nicht 
aufalle Gegenden derselben, sondern nur auf die mehr centralen Par- 
tieen. Gegen die Peripherie hin nimmt die Retina, wie bei allen 
Thieren, an Dicke ab, erscheint wie in sich zusammengestossen und 
es macht sich dies in der äussern Körnerschicht in folgender Weise 
geltend. Während diese nämlich in andern Partieen eine Mächtig- 
keit von wenigstens 3—4 Zellenlängen besessen hat, hat nun der 
Raum zwischen Granulosa externa, die auch sehr schmal geworden 
ist, und Limitans externa nur mehr 1 oder 1!/s Korn Höhe. Ausser- 
dem sind diese Körner nicht mehr so spindelförmig lang gezogen, 
wie im Centrum, sondern kurz, an beiden Polen abgerundet (Fig. 3a). 
Diese Körner sitzen nun eingebettet in dem Stützgewebe, das sich 
aus der Granulosa erhebt und sie von 4, 5, 6 Seiten mit seinen 
Faden umschliesst, gewöhnlich ohne sich vorher zu einer Faser ver- 
einigt zu haben. Ueber dem Korne fliessen die Fäden wieder zu- 
sammen, indem sie in die Zipfel der später zu beschreibenden Stäb- 
chen- und Zapfenhüllen übergehen. Auch diese Körner haben natür- 
lich ihren kleinen Kern wie die der übrigen Retina. 

Ganz in ähnlicher Weise wie die äussere Körnerschicht des 
Frosehes in der Peripherie verhält sich die des Salamanders in des- 
sen ganzer Netzhaut. Hier nämlich fand ich das Stäbchenkorn in 
einer sehr deutlichen, oft löcherigen, oft gerippten Hülle steckend 
(Fig. 5), welche sich in einen Faden auszieht, in dessen innerem 
Theile das oft erwähnte Körnchen sitzt, während die Hülle des letz- 
teren in das Netz der Granulosa übergeht. Der Faden aber ist 
kurz und neben ihm stehen dicht gedrängt die Zapfenkörner, welche 
alle von der Granulosa bis zur Limitans externa reichen. Sie sind 
also verhältnissmässig lang und haben ausserdem eine eigenthüm- 
liche Flaschenform. Ihr inneres Ende nämlich ist rund, angesclwol- 
len, weiter nach aussen hin sinken sie etwas ein, wie ein Flaschen- 
hals, der sich an der Limitans wieder sehr wenig verbreitert und 
da den Zapfen trägt. Das dickere Ende steckt auch wie beim Frosche 
in den äussersten Maschen der Granulosa externa, während das 
äussere hier und dort von nach innen ragenden Zipfeln der Limi- 
tans externa umhüllt wird; doch gelang es mir nie so deutlich wie 
beim Frosch, den Zusammenhang dieser Spitzen mit jenen der Gra- 


88 ’ Dr. Edm. Landolt: 


nulosa zu constatiren. Noch exquisiter als der Salamander zeigt 
die eigentbümliche Form der äusseren Körner der Triton Fig. 1 
und 4. Hier finden sich gar keine Stäbchenfäden mehr, sondern 
Stäbchen sowohl als Zapfen sitzen auf den Körnern fest auf, die 
mit dem andern Ende wieder an die Granulosa grenzen. Die Zapfen- 
körner zeigen alle jene eben beschriebene Flaschenform, nur sind 
sie etwas schlanker als die des Salamanders, die Stäbchenkörner 
hingegen zeigen häufig insofern eine Abweichung von dieser Gestalt, 
als sie den Zwischenraum zwischen den flaschenförmigen Körnern 
ausfüllen. Sie sind also an dem äussern Ende, welches das Stäb- 
chen trägt, breiter, zeigen, der CGoncavität der benachbarten Körner 
entsprechend eine leichte Anschwellung und neben ihrem kolbigen 
inneren Ende eine etwas geschweifte Spitze, die wieder von dem 
Stützgewebe eingefasst wird (Fig. 4). Auch in diesen Körnern fin- 
den sich Kerne. 

Ausser den Körnern enthält aber diese Schichte bei Salaman- 
der und Triton noch andere Gebilde, die, so viel mir bekannt, noch 
nie beschrieben worden sind. Aus der Granulosa externa erheben 
sich nämlich im engen Zusammenhang mit ihrem Stützgewebe feine 
Faden, die zwischen den Körnern emporragen, und der Einbuchtung 
derselben entsprechend, ein längliches, kolbenförmiges Ende tragen 
(Fig. 1 und 4). Diese Gebilde, die sich ihrer Form nach etwa mit 
den Kolben von Schafthalmen vergleichen lassen, finden sich in so 
srosser Zahl, dass beinahe auf jedes flaschenförmige Korn eines der- 
selben kommt, doch trifft man nicht in jedem Präparate gleich so 
viele, weil einerseits die zarten Stiele leicht brechen und das Kölb- 
chen dann von der Untersuchungsflüssigkeit weggeschwemmt wird, 
andererseits in etwas dichteren Stücken die Kölbchen noch so eng 
ihren Körnern anliegen, dass sie nicht deutlich unterschieden wer- 
den. Allein häufig genug bieten Zupfpräparate Gelegenheit, das 
Verhältniss dieser Gebilde zu der Granulosa, sowie zu den Kör- 
nern sicher zu constatiren, indem man an den beiden Enden eines 
Retinastückes, oder an dünneren Stellen die Kölbchen stets etwas 
vom Korne abstehend findet, oder geradezu ein isolirter Zapfen im 
engen Zusammenhang mit Korn, Stützgerüste und Kolben zur Be- 
obachtung kommt. So habe ich mich denn an Ueberosmiumsäure- 
präparaten beider Thiere überzeugt, dass der Faden direct mit dem 
Stützgerüste der Granulosa im Zusammenhange steht. Beim Sala- 
mander, der, wie oben erwähnt, in dieser Schichte ein engeres 


“ 
Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 89 


Netzwerk zeigt, sieht man deutlich von den äussersten Maschen den 
Faden abgehen. Etwas anders verhält es sich beim Triton. Hier 
fand ich nie die aus der innern Körnerschichte herkommenden Stütz- 
fasern in den äussern granulirten sich verzweigen, sondern bekam 
immer jenes oben erwähnte eigenthümliche Bild, dass die Fa- 
sern sich ausbreiten, körnig werden und so geradezu selbst die Gra- 
nulosa bilden. Dass diese kein Maschenwerk zeigt, ist bei ihrer sehr 
geringen Dicke nicht sehr auffallend, und auch das Körnigwerden 
des Stützgewebes hat seine Analoga. An Präparaten der inneren 
Körnerschichte nämlich, die so dünn sind, dass man ihr Netzwerk 
recht deutlich sieht, findet man immer, dass an den Stellen, wo 
mehrere Körner zusammentreffen, also auch die Faden ihres Ge- 
rüstes zu einem grösseren Stück sich vereinen, dies sonst helle und 
homogene Gewebe gekörnt und etwas mehr von der Ueberosmium- 
säure gefärbt erscheint (Fig. 1). Ganz ebenso geschieht es in der 
Granulosa externa des Triton, denn wo sie von ihrem äussern Theile 
die Faden der Kölbchen abgibt, da ist sie wieder heller, und ihre 
das Korn einfassenden Fortsätze, sowie die Kolbenfaden sind in 
den meisten Fällen homogen; doch kommt es auch vor, dass letz- 
tere eine Strecke weit wie in Körnchen zerfallen aussehen, und man 
so den Eindruck bekommt, als wäre die ganze Körnung die Folge 
einer Gerinnung. Vielleicht beruht auf demselben Verhalten die 
Beschreibung H. Müllers Z. f. w. Z. B. VIIL S. 24: »Statt in die 
scharfbegrenzten innern Enden gingen aber manche Radialfasern in 
unebenere, körnige Körperchen über.« (Beim Barsch, dasselbe 8. 33 
vom Frosch.) Der Kolben selbst ist immer granulirt. Oft findet 
man ihn doppelt, d. h. der Faden hat zwei Anschwellungen, von 
denen aber die äussere immer die grössere ist (Fig. 4K‘). Die 
innere kann näher oder ferner von der Granulosa liegen; meist liegt 
sie der äussern so nahe, dass es ganz den Eindruck macht, als ob man 
es nur mit einem etwas grösseren Kolben zu thun hätte, der in der 
Mitte eine Einschnürung besitzt. Häufig findet man in dem Kolben 
einen kleinen Kern. Auffallend ist, dass wie die Granulosa externa 
auch der Kolben sich durch Ueberosmiumsäure sehr intensiv färbt. 
Ein sehr hübsches und beweisendes Bild von ihrem Zusammenhange 
mit dem Stützgerüste der innern Körnerschichte gab mir ein isolir- 
tes Korn aus letzterer, das noch in seinen Fasern steckte, die sich 
am äussern Ende wieder vereinten, der Granulosa externa entspre- 
chend eine körnige Anschwellung zeigten und dann in den homo- 


90 Dr. Edm. Landolt: 


genen Kölbchenfaden mit seinem angeschwollenen Ende übergingen 
— ähnlich wie Fig. 4k‘. 

Wir kommen nun dem Verlaufe unserer Beschreibung gemäss 
zur Limitans externa. Wenn sie auch bei den drei früher ge- 
nannten Thierspecies ein etwas verschiedenes Verhalten zeigt, so 
wird sie doch bei allen sicher vom Stützgewebe gebildet. In kei- 
nem Falle aber stellt sie hier eine homogene Membran dar, welche 
einfach die äussern Körner von den Stäbchen und Zapfen trennte, 
sondern wenn man sie überhaupt bei den Amphibien als Membran 
auffassen will, so ist sie eine gefensterte Membran, in deren grosse 
Lücken die äussersten Körner mehr oder weniger tief hinein- 
ragen. Sehr deutlich zeigt dies Verhalten die Fig. 2. Die Faden 
nämlich, welche das Stäbchen- oder Zapfenkorn umgriffen haben, 
fliessen, noch ehe sie sein anderes Ende erreicht haben, in gleicher 
Höhe von den Seiten zusammen und bilden so die Limitans externa. 
(Vgl. M. Schultze’s Archiv B. II. S. 265.) Sehr zahlreich findet 
man in Zupfpräparaten isolirte, vom Stäbehen loszelöste Körner, 
die noch in ihrem Stützgewebe und dem zugehörigen Theile der 
Limitans stecken, oft auch sind ihre Fasern zum Theil grösser und 
stehen dann seitlich ab (Fig. 2), oder man findet Rudera der Limi- 
tans mit nach innen ragenden Zipfeln, welche einst das Korn um- 
fasst hatten. Von der äussern Grenze der schmalen Limitans fand 
ich in diesen Theilen der Froschretina wiederum Fasern ausgehen 
auf das Innenglied der Stäbchen, manchmal zwei, manchmal drei 
auf derselben Seite. Oft verlaufen sie demselben fest anliegend in 
serader Richtung darüber, oft mehr spiralig, oft stehen sie bogig 
davon ab, oder sie sind gerissen und ragen vom Grunde des Stäb- 
chens an der Limitans nach Aussen. Vielleicht entsprechen diese 
den von verschiedenen Autoren als mit der Limitans externa im 
Zusammenhange stehenden, zwischen die Stäbchen hineinreichenden 
Nadeln. In mehr peripheren 'Theilen dagegen fand ich keine Fa’ 
sern mehr auf dem Stäbcheninnengliede. Hier erhebt sich vielmehr 
das Gewebe, welches die Zapfen- und Stäbchenkörner in sich gefasst 
hat, deutlich zu einer Hülle, welche das Stäbcheninnenglied, den 
linsenförmigen Körper, besonders deutlich aber das Innenglied des 
Zapfens mit ‘seinem linsenförmigen Körper einschliesst. In diesem 
Falle ist von einer Limitans als Membran eigentlich kaum mehr zu 
sprechen, denn wenn auch die eng aneinander liegenden Stäbchen 
und Zapfen beim Uebergang auf ihr Korn mit ihren Hüllen seitlich 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 91 


verklebt erscheinen, so ist dieser Zusammenhang ein so loser, dass 
man leicht isolirte Innenglieder auf ihrem Korne sitzend, oder iso- 
lirte Hüllen ohne seitliche Aeste findet, während in den mehr cen- 
tralen. Partieen die Limitans die Stäbchen mehr zusammenhielt. 

Von diesen Hüllen der Stäbcheninnenglieder der Froschretina 
habeich ausserordentlich gute Präparate erhalten. Manchmal steckt 
nur der äussere Theil derselben darin, und die Hülle, die in lang- 
gezogene, zum Theil abstehende Zipfel ausgeht, hängt so mit der 
Limitans zusammen, oder die Hülle ist vollständig, doch in der 
Gegend der Limitans von ihrem Uebergang auf das Korn losgeris- 
sen und drin liegt das etwäs geschrumpfte Innenglied; so sieht man 
bei verschiedener Einstellung bald die vordere, bald die hintere Con- 
tour des nach innen offenen Sackes, aus welchem das Stäbchen im 
Zusammenhang mit seinem Korne hervorragt. 

Am interessantesten war mir ein Präparat, das mehrere Stäb- 
chen nebeneinander noch im Zusammenhange mit den äussern Kör- 
nern und der Granulosa externa zeigte. In diesem ging die Stäb- 
chenhülle gerade bis zur Hälfte auf das zugehörige Korn über, von 
dort aus sandte sie aber nur noch einige Zipfel, welche dasselbe 
umfassten und dann zur Faser verschmolzen, nach Innen in das 
Geflecht der Granulosa. Nicht selten aber bedeckt die Hülle auch 
das Korn vollkommen, wie ich es oben beschrieben habe; und wie 
an dieser Stelle, so zeigt sie auch in der Stäbchenschichte hier und 
da unregelmässige, rundliche Lücken (Fig. 3b). 

Ausserordentlich deutlich lässt sich die Hülle auch an den 
Zapfen erkennen, Diese unterscheiden sich von den Stäbchen be- 
sonders durch ihre auffallende Kleinheit, und wie M.Schultze auch 
anführt, durch ihre sehr unregelmässige Lage. Selten nämlich fin- 
det man, dass ein Zapfen in derselben Ebene, wie das Stäbchen auf 
seinem Korn sitzt; gewöhnlich liegen sie weiter nach Aussen und 
stehen dann mit letzterem nur durch ihre weitere oder engere, oft 
fadenförmige Hülle in Verbindung. (Vgl. H. Müller Zeitschr. f. 
wissensch. Zoologie 1857 S. 10 vom Barsch Aehnliches und S. 30 vom 
Frosch.) Nicht selten findet man sogar zwei Zapfen nebeneinander 
(Fig. 3), nach M. Schultze Doppelzapfen, von denen der eine mehr, 
der andere weniger von der Körnerschicht absteht, so dass des einen 
etwas concaves Aussenglied gerade an das bauchige Innenglied des 
andern sich anschliesst (M. Schultze’s Arch. B. III. S.235 u. Fig. 13). 
Was mir hierbei auffiel, ist, dass man den Verbindungsfaden, wie 


92 Dr. Edm. Landolt: 


er bei den weiter entfernten Zapfen vorkommt, oft auch so gra- 
nulirt findet, wie jenen der oben beschriebenen kolbenförmigen Kör- 
per bei Salamander und Triton, und auch der Mantel des kugeligeu 
Zapfeninnengliedes kann hier und da diese Erscheinung zeigen. 
Meistentheils aber ist er klar, viel weniger gefärbt als das Innen- 
glied, das er gewöhnlich nicht ganz eng umschliesst, während er 
sich so fast an den linsenförmigen Körper anlegt, dass man ihn (den 
Mantel) an dieser Stelle oft nicht deutlich erkennt. (Vel. H. Mül- 
ler Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 1857 Fol. 9: »Nach dem Tode, 
durch Wasser u. dgl., quillt der Zapfenkörper, bläht sich in die 
Quere, indem er seine nahezu cylindrische Form verliert, und wäh- 
rend der Inhalt exquisit körnig wird, hebt sich ein heller Hof ab, 
welcher nach einiger Zeit sich wie eine ringsum weit abstehende 
membranöse Hülle ausnimmt.« Dies gilt von frischen Präparaten 
des Barsches.) Auch Triton und Salamander zeigen diese Hülle, 
wenn auch nicht immer so deutlich wie der Frosch. Am klar- 
sten tritt sie zu Tage an vom Korne gerissenen Stäbchen oder 
Zapfen, deren inneres Ende sie dann mit einigen Zipfeln überragt. 
Beim Salamander sah ich auch längsrippenartige Verdickungen 
der Hülle. 

Nun aber kommt die wichtige Frage: Wie verhält sich diese 
Hülle, resp. das Stützgewebe am Aussengliede? — Es ist schon 
öfter (H. Müller Z. f. w. Z. B. VII. S. 8, M. Schultze Archiv 
B. II. S. 248, 1856, Hensen Virch. Arch. B. XXXIX. S. 488 u. a.) eine 
Hülle des Aussengliedes der Stäbchen und Zapfen beschrieben und 
wieder geleugnet worden. Vor Allem hat bekanntlich M. Schultze 
in neuerer Zeit wieder eine genaue Beschreibung und Abbildung von 
Stäbchenhüllen gegeben, die durch seitliche Aneinanderlagerung von 
feinen Fasern (Nervenfasern ?) gebildet werden. Es versteht sich, dass 
ich, erst Anfänger in diesen feinsten Untersuchungen, auf diese so diffi- 
cile Frage lange keine Antwort zu geben wagte, zumal da die Bil- 
der der Stäbchen- und Zapfenaussenglieder ausserordentlich schwie- 
rig zu beurtheilen sind. Oft findet man sie eingehüllt in Retinal- 
pigment, dann ist gar nichts mit anzufangen; oft sind sie so dunkel 
gefärbt, dass man wieder nichts Deutliches erkennt oder sich doch 
kein Urtheil erlaubt, weil man fürchtet, man habe es, bei der so 
starken Einwirkung des Reagens, mit Kunstproducten zu thun. Auf- 
fallend war mir, dass ich die Stäbchen- und Zapfenaussenglieder bei 
den besprochenen Amphibien nach Behandlung mit Ueberosmium- 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 93 


säure in weitaus den meisten Fällen von einem hellen Saum um- 
rahmt fand. Dies würde nun freilich für eine Hülle sprechen; allein 
dann war es mir wieder höchst merkwürdig, dass auch quer abge- 
brochene Stücke an ihrer Bruchstelle häufig — wenn auch nicht 
immer — diesen hellen Rand zeigten. — Aehnliches beschreibt auch 
H. Müller (Z.f. w. Z. v. Siebold u. Kölliker 1857 S. 8) vom 
Barsch: »Bisweilen sieht man über mehrere, anscheinend quere 
Trennungen der Stäbchen oder über Einbiegungen des lichten Inhal- 
tes eine feine, blasse, aber scharfe Contour hingehen, welche sich 
gerade so ausnimmt, wie diejenige, welche man fast immer zur Seite 
der Trennungslinie zwischen dem Stäbchen und der Spitze mit dem 
Faden sieht.« (Dh. der Limit. ext.) »Hieraus kann man schliessen, 
dass die Stäbchen nicht durchweg aus homogener Substanz be- 
stehen, und sich mindestens sehr leicht eine peripherische, scheiden- 
artige Schicht bildet, wenn man auch nicht mit absoluter Sicherheit 
die Präexistenz einer eigentlichen Membran damit begründen kann.« 
— Eine solche Hülle wäre dann wohl kaum identisch mit der von 
M. Schultze beschriebenen. Im Verlaufe der Untersuchung fand 
ich nun nicht selten die doppelte Contour des Aussengliedes eine 
Strecke weit fehlend, und an dieser Stelle einzelne feine helle Fa- 
sern vom Stäbchen abstehen, die nach Innen oder nach Aussen wie- 
der in die noch sitzen gebliebene doppelte Contour übergingen 
(Fig. 3A); oder es ragten einzelne solcher Fasern über das äussere 
Ende des Stäbchens hinaus. Solche Bilder erinnern sehr an die 
Beschreibung M. Schultze’s und machen es wenigstens sicher, dass 
die doppelte Contour nicht nur ein blosses Gerinnungsprodukt ist. 
Sehr selten aber liess sich an Ueberosmiumsäurepräparaten eine Längs- 
streifung des Aussengliedes erkennen, nur hier und da gewahrt man 
einen Strich. Was aber die Existenz einer Hülle als ausserordent- 
lich wahrscheinlich macht, sind einzelne Bilder von Zapfenaussen- 
gliedern, wie sie schon M. Schultze abgebildet hat (Fig. 4). Hier 
findet man nämlich den Zerfall in kleine Scheibehen im Innern 
des Aussengliedes, nicht so, dass das Ganze lamellös zerbröckelte. 
— Vgl. damit auch H. Müller Z. f. w. 2. 1857 8. 9: ». 2. 
scheint dann die Spitze auf den ersten Blick ganz abgelöst, und erst 
durch die Bewegung der Präparate überzeugt man sich von der 
Verbindung der beiden Stücke (Aussen- und Innenglied), wobei man 
häufig eine feine Linie zu beiden Seiten jener anscheinenden Spalte 
vom Zapfenkörper auf die Spitze sich hinziehen sieht, welche sich 


94 Dr. Edm. Landolt: 


wie eine zweite Membran ausnimmt.« — Es versteht sich von selbst, 
dass ich zur Beantwortung dieser Frage auch Querschnitte genau 
betrachtete. Doch auch sie bieten merkwürdige Verschiedenheiten 
im Ansehen. Viele sind crenelirt, die meisten haben deutlich dop- 
pelte Contour, manche zeigen aber auch einen glatten Rand. Wo 
man doppelte Contour findet, da ist das Stäbchen von einem so 
hellen Saume umfasst, wie man ihn am Längsschnitt findet, und 
auch diese Präparate sprechen für eine Hülle. Nicht selten findet 
man diese mit regelmässigen kleinen Einbuchtungen im Rande, und 
diesen entsprechend eine leichte Schattirung, ganz ähnlich wie das 
Bild eines Stäbchen- Querschnittes nach Hensen in Virch. Arch. 
B. XXXIX.; doch nie sah ich eine wirkliche Trennung, welche auf 
aneinandergereihte Fasern hindeuten würde. An den Präparaten 
aus den centralen Partien der Froschretina, die ich oben beschrie- 
ben und gezeichnet habe, wo das Stützgewebe eine wirkliche Limi- 
tans bildet, d. h. keine vollständige Hülle des Innengliedes besteht, 
sondern nur einzelne von der Limitans kommende Fasern dasselbe 
umragen, da bekommt man nicht selten den Eindruck, als ob diese 
Fasern sich in der Gegend des linsenförmigen Körpers seitlich ver- 
breiterten nnd in ähnlicher Weise zu einer Hülle des Aussengliedes 
verschmölzen, wie sie an andern Stellen eine um Korn und Innen- 
glied bilden. Doch sind diese Bilder wegen der dunkeln Färbung, 
die das Aussenglied gewöhnlich annimmt, schwierig zu beurtheilen 
und die Fasern so brüchig, dass man sie mehrentheils vom Stäbchen 
abstehend trifft. Wo aber eine deutliche Hülle des Innengliedes 
besteht, da habe ich sie stets in die äussere Contour des Aussen- 
gliedes übergehend gefunden. 

Es lässt sich demnach das Ergebniss meiner Untersuchungen 
betreffs des Stützgewebes kurz so zusammenfassen: Das Stützgewebe 
durchsetzt bei Frosch, Salamander und Triton die ganze Retina von 
der Limitans interna an bis zur Uhorioidea (Fig. 1), und zwar in 
der Art, dass es erst bei seinem glockenförmigen inneren Anfange 
die Ganglienzellen in seine Arcaden aufnimmt, dann in glänzenden, 
wenige dünne Seitenzweige abgebenden Fasern die breite Granulosa 
interna durchsetzt, in der innern Körnerschichte sich zu einem 
Maschenwerk auflöst, das jedes einzelne Korn umschliesst, hernach bei 
Frosch und Salamander ein engeres Netz in der Granulosa externa 
bildet, während es beim Triton, unaufgelöst, selbst zur Granulosa 
wird. In der äussern Körnerschicht umgreift es bei den erstgenann- 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch, 95 


ten beiden Thieren die als kolbenförmiges Ende der Stäbchenfasern 
beschriebenen Körnchen, sammelt sich wieder zu Fasern, um dann 
am Stäbchen- und Zapfenkorn wieder zu Rippen, oder aber, was 
häufiger der Fall ist, zu einer membranartigen Hülle auseiander- 
zuweichen, welche Korn, Innenglied, linsenförmigen Körper und 
Aussenglied gleichmässig umschliesst, vielleicht selbst zwischen die 
Lamellen der Stäbchen- und Zapfenaussenglieder hinein sich erstreckt 
und durch seitliches Zusammenfliessen der Limitans bildet. (H. Mül- 
ler deutet schon auf den innigen Zusammenhang zwischen Stäb- 
chen, Zapfen und den Radialfasern. Z.f. w. Z. B. VII. S. 23 u.24, 
S. 34 und S. 45 scheint es ihm sogar, als ob bei der Taube die Ele- 
mente der Stäbchenschichte vermittelst der länglichen Elemente der 
äussern Körnerschicht geradezu in die Radialfasern übergingen.) 
Bei Salamander und Triton hängen noch mit ihm zuzammen die als 
kolbenförmige Körper beschriebenen Gebilde der äussern Körner- 
schicht, und beim letzteren umschliesst es Zapfen und Stäbchen mit 
ihrem zugehörigen Korne gerade so wie bei den andern zwei Thier- 
arten, nur ohne erst eine Faser zu bilden. (Ueber den engen Zu- 
sammenhang zwischen Stützgewebe, Körnern und Stäbchen vergl. 
auch Kollikers Gewebel. d. Menschen S. 681.) 

Wenn nun dem also ist, und ich habe gewissenhaft untersucht 
und um ja nicht von vorgefassten Meinungen irregeleitet zu wer- 
den, alle meine wichtigeren Präparate Herrn Prof. Stricker und 
einigen meiner ebenfalls mit Histiologie beschäftigten Gollegen zur 
Beurtheilung vorgelegt, — wenn dem nun wirklich so ist, so musste 
ich mir natürlich die Frage vorlegen: Wo finden sich denn die Ner- 
ven? Oder wäre am Ende das Stützgewebe doch nervös? Ich 
glaube, das seine bindegewebige Natur schon sichergestellt ist, allein 
wäre es nicht möglich, dass die nervösen Elemente in und mit dem 
Stützgewebe verliefen? Es ist schon von verschiedenen Seiten die 
Ansicht aufgestellt worden, die Stäbchenfasern wären fibrillär, und 
ich habe nach pathologischen Präparaten von Triton Grund zu ver- 
muthen, dass es auch die Stützfasern im innern Theil der Retina 
sind. So wäre es ja möglich, dass unter diesen auch die Nerven- 
verbindungsfaden verliefen. Sodann möchte ich noch auf jene Be- 
obachtung Babuchins (Würzb. naturw. Zeitschr. IV. 1863) auf- 
merksam machen, die auch Manz bestätigt hat, dass nämlich, wäh- 
rend ein Fortsatz einer Ganglienzelle in ein Bündel von Opticus- 
fasern eintritt, ein anderer radiär längs einer Radialfaser durch die 


96 Dr. Edm. Landolt: 


Granulosa interna verläuft und in die innere Körnerschicht eindringt, 
so dass also die Stützfasern, wenn auch nicht selbstleitend, doch 
Träger der Nervenleitung wären. Aehnliches beschreibt Steinlin, 
nach welchem (bei Eidechse und Taube) Fasern, die von dem kegel- 
förmigen Körperchen der Zapfenfasern ausgingen, ja sogar Zapfen- 
fasern direct in Radialfasern übergehen oder, wie beim Rochen, 
Ausläufer der Ganglienzellen in der Granulosa interna sich ver- 
ästeln, mit Ausläufern der Radialfasern und der innersten Lage 
grösserer Zellen der inneren Körnerschicht zu einem Netzwerk sich 
vereinen sollen, während andere, horizontale Ausläufer sich mit den 
Opticusfasern in Verbindung setzen. Endlich hat Merkel bekannt- 
lich in einer kürzlich erschienenen Schrift über die Macula lutea 
des Menschen und die ora serrata bindegewebige Scheiden beschrie- 
ben, welche die Zapfenfasern und Körner umschliessen und ihren 
Endpunkt an der Limitans externa haben, nach Innen aber eng mit 
dem Stützgewebe zusammenhängen. Es hat mich seine Schrift sehr 
an meine Stäbchen- und Zapfenkörnerhüllen erinnert, wenn es mir 
auch noch nicht gelungen ist, in der damit zusammenhängenden 
Zapfen- und Stäbchenfaser einen Nervenfaden nachzuweisen. Ich 
suchte danach mit Goldchlorid — aber ohne Erfolg; ich hoffte von 
der Opticusdurchscheidung Aufschluss, aber die operirten Frösche 
gingen alle nach einigen Tagen zu Grunde, was in dieser Jahres- 
zeit — ich habe diese Arbeit im Winter ausgeführt — bekanntlich 
das Gewöhnliche ist, und die Tritonen haben mir noch keine sichern 
Resultate ergeben. Ich werde aber diesen Weg, von dem ich auch 
Erklärung jener in der äussern Körnerschicht beschriebenen kolben- 
förmigen Körper hoffe, später wieder betreten; er muss wohl endlich 
zu den nervösen Elementen und ihrem Zusammenhange führen. 
Ich will mir zum Schlusse noch die Bemerkung erlauben, dass es 
vorzüglich die von M. Schultze beschriebenen, das Stäbchen mem- 
branartig umhüllenden Nervenfasern waren, die mich sehr lange be- 
schäftigten, nach denen ich aber, wie oben bemerkt, in Ueberosmium- 
säurepräparaten umsonst gesucht habe. In ganz frischen Präparaten 
dagegen, die ohne jedes Reagens nur in Humor aqueus untersucht 
wurden, fand ich an den Stäbchenaussengliedern jene Längsstrei- 
fung, dieM. Schultze und Hensen beschreiben. Ich betrachtete die 
Objecte mit der grössten Aufmerksamkeit, mit den stärksten Ocularen : 
15 und 18 von Hartnack, doch immer schien mir diese Längsstrei- 
fung nicht allein auf die Oberfläche beschränkt, sondern durchgehend 


Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 97 


durch das ganze Stäbchen, als ob dasselbe aus einem ganzen Faser- 
bündel bestüände. (M. Schultze B.IlI. Archiv S. 223. Die Längs- 
streifung am Stäbchen von Frosch, Salamander und Triton sieht 
man auch bei verschiedener Einstellung.) Sehr häufig trennt sich 
auch das Stäbchen solchen Streifen entsprechend bis hinein in 
die Mitte oder auch ganz durch. Diese Bilder sind nicht neu, 
M. Schultze beschreibt und zeichnet sie auch; häufig findet man 
sie nach Ueberosmiumsäurereaction, und ich möchte sie im An- 
schluss an das Ergebniss der Untersuchung bei verschiedener Ein- 
stellung, als für die durchgehende, nicht nur oberflächliche Längs- 
theilung der Stäbchenaussenglieder sehr sprechend ansehen. Auch 
Prof. Strieker, der meinen Beobachtungen mit dankenswerthem 
Interesse gefolgt, ist, ganz derselben Ansicht. 

Neben dem Längszerfall besteht aber eben so deutlich und 
noch häufiger der quere Zerfall der Aussenglieder, und zwar stellt 
er sich bekanntlich auch an Objecten, die ohne weitere Reagentien 
betrachtet werden, in kurzer Zeit ganz deutlich ein. Sehr klar für 
die beiden auf einander senkrechten Bruchrichtungen sprechen auch 
jene Querschnitte, die aus mehreren Lamellen bestehen, aus deren 
oberster aber ein Sektor herausgebröckelt ist, oder die geradezu 
durch die ganze Mitte gespalten sind (M. Schultze Archiv 
Bd. V, Taf. XXII, Fig. 1A, 1b). Hält man nun die beiden Bruch- 
richtungen zusammen und nimmt man an, dass dieselben auf 
dem Baue der Stäbchenaussenglieder beruhen, so folgt nothwendig 
daraus, dass dieselben weder blos aus queren Scheibchen noch blos 
aus Längsfasern, sondern aus etwa cubischen Stücken müssen auf- 
gebaut sein, wodurch sich dann auch der staffelförmige Bruch er- 
klärt, den man so häufig beobachtet. Sodann was den Ritter’schen 
Centralfaden des Stäbchens betrifft, so habe ich einen solchen nie, 
am wenigsten an Querschnitten gesehen; bei der Längsansicht kann 
im Aussengliede oft ein in der dem Beobachter abgewendeten Seite 
befindlicher Riss, und im innern Theile des Stäbchens ein in seiner 
weiten Hülle stark geschrumpftes Innenglied einen solchen vortäu- 
schen. Die Querschnitte der Stäbchen- und Zapfenaussenglieder sind 
meist homogen, dann und wann etwas körnig, zeigen leicht radiäre 
Risse oder Lücken ausgebrochener Stücke. 

Den linsenförmigen Körper fand ich in allen Stäbchen und 
Zapfen der drei Thierarten (auch bei Triton) ganz in der Art, wie 
ihn M. Schultze beschrieben und Andere bestätigt RaDER, Er- 


M, Schultze Achiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 7. 


98 Dr. Edm. Landolt: Beitrag zur Anatomie der Retina vom Frosch. 


bräunt sich auch bekanntlich stark in Ueberosmiumsäure. Was mir 
aber besonders auffiel, war die Intensität, mit der er sich in den 
Zapfen des Frosches färbt (Fig. 3). Dabei hat er ein ganz eigen- 
thümliches, undurchsichtiges Rothbraun, während daneben die der 
Stäbchen ganz zart wie mit Sepia gefärbt erscheinen. 

Die Methode, die mich zu meinen wenigen Resultaten geführt 
hat, ist hauptsächlich die Behandlung mit '/sprocentiger Ueber- 
osmiumsäure, deren Einwirkung ich die Präparate verschieden lange 
Zeit überliess.. Ich muss M. Schultze vollkommen beistimmen, 
wenn er räth, die Objecte nicht allzulange in dem Reagenz liegen 
zu lassen. Geöffnete Bulbi übertrug ich schon nach 10—20 Minu- 
ten in verdünnten Alkohol, woraus ich sie frühestens nach 2, 3 Ta- 
gen, meist erst später, zur Untersuchung an Schnitten, voraus aber 
an Zupfpräparaten in Aqua destillata wieder hervorholte. Die Schnitt- 
methode scheint mir zur Erforschung des Zusammenhangs der Re- 
tinaschichten und der feinern Structur ihrer Theile wenig geeignet. 
Zu letzterem Zwecke half mir dagegen vorzüglich die Betrachtung 
der Präparate von verschiedenen Seiten dadurch, dass ich sie 
bewegte. 

Die Instrumente, die ich benutzte, waren solche von Hartnack 
mit all seinen Linsen, auch ein 15 und 18, und ich ergreife mit 
Freuden die Gelegenheit, Herrn Professor Stricker für die Güte, 
mit der er mir dieselben überliess, sowohl, als auch für die Freund- 
lichkeit, mit der sein kritischer Blick meinen Arbeiten folgte, von 
Herzen zu danken. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. IX. 


Die Figuren sind alle nach mit Ueberosmiumsäure behandelten Zupf- 
präparaten gemacht. Ich habe mich bemüht, dieselben nicht nur was die 
Form, sondern auch was die Färbung anbelangt, so naturgetreu als möglich 
wiederzugeben. Sie sind auch alle nicht schematisch, sondern nach wirk- 
lichen Präparaten angefertigt, nach Präparaten, dia ich zur Bestätigung mei- 
ner Auffassung stets Herrn Prof. Stricker und einzelnen meiner Collegen 
gezeigt habe, damit ich mich nicht durch vorgefasste Meinungen verleiten 
lasse, Dinge zu sehen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen oder anders 
gedeutet werden könnten. 

Nur das Stützgewebe ist etwas heller dargestellt als in Wirklichkeit, 
indem es sich auch etwas in Ueberosmiumsäure färbt. Ich habe mir diese 
Freiheit in der Zeichnung erlaubt, um das Verhältniss zwischen Stützgewebe 
und Körnern deutlicher hervortreten zu lassen. 

Fig. 1. Eine isolirte Faser aus der Retina von Triton. Ihr glocken- 
förmiger Ansatz an der Limitans interna (i), ihr Verlauf durch die Nerven- 
faser und Ganglienschicht g, durch die Granulosa interna (gr. i.), von der 
noch einzelne Rudimente hängen geblieben sind; sodann ihr Verhalten in der 
innern Körnerschichte, dem birnförmigen Korne (p) und den andern (i. k.) 
gegenüber. a. Leeres Gerüste, aus dem die Körner herausgefallen sind. 

gr. e. Bildung der Granulosa externa. 

k. Kolbenförmiger Körper. a. k. Korn der äussern Körnerschicht. 
l.e. Limitans externa mit abgerissenen Zipfeln gegen Aussen und Innen. 
z. Zapfen mit linsenförmigem Körper. — Ausserdem erkennt man an dem 
Präparate das Körnigwerden des Stützgewebes und seiner Adnexa an dich- 
teren Stellen der innern Körnerschichte,, in der Granulosa externa, Limitans 
externa und dem Kopf des kolbenförmigen Körpers. 


Fig. 2. Aus der neutralen Partie einer Froschretina. i. k. Einige 
innere Körner. gr. e. Granulosa externa ; mit dem Netz des Stützgerüstes. 
aa. Die als Anschwellung der Stäbchenfaser beschriebenen Körperchen im 
Stützgewebe steckend, das sich über ihnen zur Stäbchenfaser F vereint, die 
Stäbehenkörner Stk. in sich fasst, die Limitans externa L. e. bildet, in Faden 
über das Innenglied I wegzieht und zur Hülle H. wird. Doppelte Contour 
des Aussengliedes. ‘L. Linsenförmiger Körper. 

Fig. 3. Aus der periodischen Partie einer Froschretina. gr. e., a. k., 
L, A. L. wie oben; H. Hülle der Innenglieder; H‘’ losgerissene Hülle eines 


100 Erklärung der Abbildungen auf Taf. IX. 


Zapfens, in der man deutlich das Innnenglied stecken sieht. am Stäb- 
chenaussenglied die Querstreifung, doppelte Contour und losgelöste Fasern- 
Der linsenförmige Körper der Zapfen zeigt die auffallend starke roth- 
braune Färbung, während der des Stäbchens heller und durchsichtiger ge- 
färbt ist. 

Fig. 3b. Doppelzapfen aus der Froschretina. Hüllen des Innenglie- 
des mit Lücken. 

Fig. 4. Aus einer Tritonretina. i. k. Innere Körner im Gerüste, von 
da aus ein Faden mit varicöser Anschwellung v, der in die Granulosa ex- 
terna (gr. e.) übergeht, selbst granulös werdend. (Getreu nach der Natur.) 
a. k. Aeussere Körner. k. Kolbenförmige Körper. k‘ mit zwei Anschwel- 
lungen. 1. e. Limitans externa. Auch hier sind wie in Fig. 1 die Faden, 
die man oft mit den Zipfeln der Granulosa im Zusammenhange sieht, los- 
gerissen. H. Hülle des Stäbcheninnengliedes, dessen Aussenglied einen hel- 
len Saum und die Bedeutung eines lamellösen Zerfalls zeigt. 

Fig. 5. Stäbchen von Salamandra maculata. Das Aussenglied lässt 
weder Zerfall noch doppelte Contour erkennen; deutlich aber ist die mem- 
branöse Hülle des Innengliedes, des Stäbchenkorns und des kleineren, an 
der Granulosa externa sitzenden Kornes, wo sich dieselbe in Zipfel spaltet, 
die ohne Zweifel mit dem Netze der Granulosa externa in Zusammenhang 
stehen. Ueber dem Kern zeigt die Hülle eine Lücke a, durch welche das 
stärker gefärbte Korn hervorblickt, und einzelne längsrippenartige Ver- 
dickungen. 


Verbesserungen. 


Pag. 36 Zeile 10 v. u. lies fixen statt freien. 
Rn Sr 1 v. o. lies intramuskulären statt intermuskulären. 
» 48 » 7 v. o. lies Gewebslücke statt Gewebsstücke. 


Weitere Studien über die Entwicklung der 
einfachen Ascidien. 
Von 
Prof. A, Kowalevsky. 


Hierzu Taf. X, XI, XII und XII. 

Nachdem ich im Jahre 1866 meine Abhandlung »Ueber die 
Entwicklung der einfachen Ascidien« der Petersburger Academie vor- 
gelegt hatte, ward mir wieder Gelegenheit, im Jahre 1867 uud 1868 
das Mittelmeer zu besuchen und meine früheren Untersuchungen 
über diesen Gegenstand zu prüfen; in der Hauptsache erwiesen sich 
dieselben als richtig, nur in gewissen Puncten unvollständig und 
schon in Triest, im Jahre 1867, habe ich die Mangelhaftigkeit mei- 
ner Angaben in Beziehung auf das Nervensystem und die Kloaken- 
Bildung erkannt. Ich habe schon zu jener Zeit das Ganglion hinter 
der Sinnesblase oder dem Gehirne aufgefunden und dessen Abstam- 
mung aus den Zellen der sich schliessenden Rückenrinne ableiten 
können. 

Ich wollte meine neueren Ergebnisse über die Entwicklung der 
Ascidien in einem allgemeinen Aufsatze, welcher die Entwicklung 
der Tunicaten überhaupt behandeln sollte, erscheinen lassen; unter- 
dessen aber traten zwei Arbeiten über denselben Gegenstand an das 
Licht '), und da besonders die zweite?), durch die Bestätigung der 
Wirbelthiernatur der Ascidieniarven ein so bedeutendes Interesse in 


1) Memoires de l’Acad. de St. Petersbourg VII Serie Tme. X. 
2) C. Kupffer Die Stammverwandtschaft zwischen Ascidien und Wir- 
belthieren. Archiv f. mikroskopische Anatomie Bd. 6 Heft I. 
M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 8 


102 A. Kowalevsky: 


der wissenschaftlichen Welt erregte, so habe ich mich entschlossen, 
auch meine neueren Studien über die Ascidien nicht weiter zurück- 
zuhalten, da sie doch, wie ich hoffen darf, noch mehrere ungelöste 
Fragen der embryonalen Entwicklung aufklären werden. 

Nach der Publication meiner Untersuchungen unternahm E. Met- 
schnikoff!) im Jahre 1868 die Prüfung meiner Angaben der 
Entwicklung, und zu meinem Erstaunen kam er zu ganz anderen 
Schlüssen, er behauptete, dass zwischen der Entwicklung der Asei- 
dien und Wirbelthiere keine Analogie existire, dass meine Angaben 
über die Entwicklung des Nervensystems unrichtig seien. Er schloss 
aus seinen Studien, dass die Ascidien eine grössere Aehnlichkeit in 
ihrer Entwicklung mit den Arthropoden und Hirudineen als den 
Wirbelthieren besässen. Seine Resultate publieirte er nur in Form 
einer vorläufigen Mittheilung, ohne irgend welche Beweise über die 
Unrichtigkeit meiner Studien anzuführen. Bei der weiter folgenden 
Beschreibung der einzelnen Stadien werde ich nun noch Gelegenheit 
haben, die Angaben Metschnikoff’s genauer zu besprechen. 

Prof. Kupffer, in einem schon oben eitirten Aufsatze, be- 
schreibt die Entwicklung der Ascidia canina und stimmt in vielen 
einzelnen Beobachtungen mir bei, erkennt vollständig und erwei- 
tert bedeutend meine schon früher ausgesprochene Deutung über die 
Verwandtschaft zwischen Ascidienlarven und Wirbelthieren. Es ist 
nur zu bedauern, dass das ungünstige Material, welches Kupffer 
zu Gebote stand, ihm nicht erlaubt hat, tiefer in die einzelnen Vor- 
gänge einzudringen, ja sogar ihn einige Male zu falschen Deutungen 
geführt hat. 

Indem ich mich nun jetzt zu meinen neueren Beobachtungen 
wende, möchte ich nur bemerken, dass meine Untersuchungen an 
mehreren Ascidienarten (Asc. intestinalis, mammillata, mentula, ela- 
vellina) angestellt wurden und in ihren Resultaten sehr überein- 
stimmend sind; in der folgenden Beschreibung werde ich mich an 
die Entwicklung der Phallusia s. Ascidia mammillata halten, sobald 
ich nicht besonders andere Arten angebe. 

Ich werde meine Beschreibung in zwei Theile scheiden : in dem 
ersten werden wir die Bildung der Larve, in dem zweiten die der Asci- 
die studiren. Bei den einzelnen Beschreibungen werde ich mich an die 


1) Bulletin de l’Acad. imper. de St. Petersbourg. T. XII. 1869, 
p. 293. 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Asecidien. 103 


von Kupffer beliebte Eintheilung halten, um die Vergleichung zu 
erleichtern. 


I. Die Entwicklung der freibeweglichen Larve. 


Kupffer beginnt seine Beschreibung mit der Schilderung der 
Eibildung, womit ich, was die einzelnen eigentlichen Eitheile an- 
langt, vollständig übereinstimme und nur insofern davon abweiche, 
als ich meine frühere Meinung über die Abstammung der gelben 
Zellen — Testazellen Kupffer’s — von den Zellen des Follikels 
aufrecht halte. 

A. Babuchin stellte im Jahre 1367 in Triest, als ich meine 
Studien über die Ascidien wiederholte, Beobachtungen über die Ent- 
stehung der Testazellen an und bestätigte und erweiterte meine An- 
gaben, dass diese Zellen aus dem Epitheil des Follikels abstammen. 
Ich habe jetzt wieder diese Beobachtungen geprüft und gebe hier 
Zeichnungen von der Entwicklung derselben. Die Zeichnungen habe 
ich von den sich entwickelnden Eiern der Ascidia intestinalis ent- 
worfen, da diese Spezies auch Kupffer zugänglich ist und von ihm 
geprüft werden kann. 

Was die Zubereitung des Präparats betrifft, so erhielt ich 
die schönste Ansicht, wenn ich durch einen in Chromsäure-Lösung 
(1/a—1°) erhärteten Eierstock feine Schnitte anfertigte. 

Der jüngste von mir dargestellte Follikel (Fig. 1) stimmt mit 
dem, welchen Kupffer auf seiner ersten Figur darstellt; ich finde 
nur mehr Zellen, welche dessen Epithel bilden. Auf dem folgenden 
Follikel (Fig. 2) sehen wir nun, dass die Epithelzellen sich schon 
bedeutend vermehrten und dass einige von denselben etwas in den 
Dotter hineinragen, so dass sie sich von der Follikelwand fast ganz 
abtrennen und in den Dotter treten. An dem Follikel, welcher auf 
der Fig. 3 dargestellt, ist der Hereintritt der Zellen des Follikel- 
Epithels in die oberflächliche Schicht des Dotters schon vollzogen, 
dazu sind die Zellen bedeutend vermehrt und bilden ein fast voll- 
ständiges, wenn auch noch plattes Epithei um den Dotter. Ein 
Querschnitt eines schon der Reife viel näheren Eies (Fig. 4), dem 
Stadium entsprechend, welches Kupffer auf seiner Fig. 3 darstellt 
zeigt uns weiter, dass die in den Dotter eingetretenen Zellen ein 
vollständiges Cylinder-Epithelium bilden und schon gelblich gefärbt 
sind. Nach aussen werden sie von den äusseren Epithelialzellen des 
Follikels umgeben, welche unterdessen ihr netzartiges Aussehen 


104 A. Kowalevsky: 


angenommen haben. Der Kern und der Kernkörper des Eies be- 
halten auf allen diesen Stadien, wie es auch die Figuren angeben, eine 
und dieselbe Grösse. Je weiter die Eier in den Eileiter gelangen, 
um so mehr wachsen die Zellen a. Fig. 1 und 2 zu Strahlen aus. 
Die Strahlen bestehen aus’ einem hellen centralen Bläschen und netz- 
förmiger Substanz. Die centralen Bläschen (b. Fig. 4) stammen von 
dem Kerne der Epithelialzelle und sind immer wasserhell, etwas fett- 
artig, das Licht stark brechend. Kupffer zeichnet diese Bläschen 
(Fig. 5) gelb, was ich bei keiner Ascidie gesehen habe. 

Die gelben Testazellen bilden bei der Ascidia intestinalis eine 
zusammenhängende Reihe, aber nur in einer Schicht, nicht aber in 
mehreren Lagen, wie es Kupffer auf den Fig. 4,5 und 6 darstellt, 
falls ich die Zeichnungen nicht missverstehe. Bei der A. mammil- 
lata und mentula sind die gelben Testazellen viel sparsamer, wie 
ich es auf meiner Fig. 1 der früheren Abhandlung dargestellt habe. 
Was die Abstammung der Gallertschicht anlangt, welche das Ei 
umgibt, so wird es von den Testazellen, zu der Zeit diese noch ein 
dichtes Epithel um das Ei bilden, abgesondert, und an den Eiern 
der A. mammillata, wo die Testazellen viel sparsamer sind, tritt 
auch die Gallertschicht viel früher auf als bei den von A. intestinalis. 

Mit dieser Beschreibung ist nun die Möglichkeit einer freien 
Zellenbildung wenigstens für die Testazellen der A. intestinalis, mam- 
millata, mentula und Clavelina abgewiesen; ich erlaube mir aber 
noch ein Wort über das Beispiel der freien Zellenbildung, welches 
Kupffer anführt, hier zu bemerken. Es ist noch bei weitem nicht 
ausgemachte Sache, ob bei den Diptereneiern die Kerne der Blasto- 
dermzellen sich frei bilden, oder aus dem getheilten, aber in der 
Fettmasse nicht sichtbaren Kerne abstammen. Es ist überhaupt 
sehr leicht, den Kern, welchen man nicht sieht, als verschwunden 
anzusehen; in diesen Fehler fallen so viele Beobachter. So steht es 
auch mit der freien Bildung der Kerne; hat man ihre Entstehung 
nicht gesehen, so sagt man, sie sind freigebildet. Was die Neubil- 
dung der Kerne in dem Blastoderm des Fliegeneies anlangt, so 
wie die Bildung der Kerne vor der Furchung des Eies, so sind das 
alles Fragen, deren Entscheidung noch durchaus zweifelhaft ist. Um 
die freie Bildung der Kerne im Ei zu behaupten, muss man sowohl 
das Verschwinden der Kerne im Ei Schritt für Schritt verfolgen, 
als auch ihre Neubildung direkt beobachten. 

Nach der Furchung des Ascidieneies entsteht eine kleine Fur- 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Aseidien. 105 


chungshöhle, welche bei allen von mir untersuchten Ascidien, also 
auch bei der A. intestinalis, von einer Schicht von Zellen umgeben 
ist. Die Richtigkeit dieser Beobachtung wurde mir auch von Met- 
schnikoff zugestanden. Kupffer zweifelt, dass die Sache so vor- 
ginge, und sagt, dass vor der Einstülpung des Darmsackes die Fur- 
chungshöhle »jedenfalls nicht von einfacher Zellenlage umgeben ist« 
(p. 15), und verweist auf seine Fig. 7, auf welcher aber gar keine 
Höhle gezeichnet ist; deshalb glaube ich, dass ungeachtet der An- 
gaben von Kupffer, entweder die Einstellung des Mikroskops nicht 
central war, oder die Zeichnung von einem Ei entworfen ist, an 
welchem die Einstülpung oder wenigstens eine bedeutende Ab- 
flachung auf der entgegengesetzten Seite schon begonnen hat; zu 
der letzteren Meinung führt mich besonders die Bemerkung von 
Kupffer (p. 15), »dass die die Höhle zunächst umgebenden Zellen 
anders gefärbt sind« und die andere Färbung, wie die Fig. 8 von 
Kupffer zeigt, nur der eingestülpten Schicht angehört. Die Eier 
der Aseidia intestinalis sind zu undurchsichtig, um den ganzen Vor- 
gang so deutlich zu sehen, wie bei den andern Ascidieneiern, aber 
bei der Aufhellung derselben mit starker Essigsäure sehe ich die 
Umgrenzung der Furchungshöhle von einer Schicht von Zellen 
ganz deutlich. Ich hoffe, dass Kupffer bei einer neuen Prüfung 
dieser Frage zu derselben Ansicht kommen wird. 

Die Einstülpung beginnt durch eine einseitige‘ Abflachung des 
Eies; im optischen Querschnitte sieht man bei der Ascidia mammil- 
lata, wie die vier länger gewordenen Zellen der einen Seite des Eies 
sich einstülpen, bald aber kürzer und breiter werden, und die seit- 
lichen sich theilen (Fig. 5 und 6); eine Stunde später beobachtet 
man, dass der eingestülpte Raum sich etwas nach einer Seite, und 
wie es sich weiter erweist, nach vorn erweitert (Fig. 7)'). Beob- 
achtet man dies Stadium von oben (Fig. 8), so sieht man die Ein- 
‚ stülpungsöffnung schon etwas seitlich liegen, etwas nach hinten ge- 
rückt. Der Buchstabe ce gibt das vordere, b das hintere Ende der 
Oefinung an. Von diesem Stadium an können wir schon zwei Keim- 
blätter unterscheiden, von welchen jedes aus’einer Reihe von 
Zellen besteht: das untere bac (Fig. 7), das’obere bde. Aus 


1) Alle Figuren wurden vermittelst der Camera lucida entworfen und 
oben, unten, rechts und links wird immer so angegeben, wie es auf den Fig. 
gezeichnet ist und man unter dem Mikroskope sieht. 


106 A. Kowalevsky: 


dem unteren entwickeln sich, wie ich schon in meinem früheren 
Aufsatze angegeben habe, der Darmcanal, die Muskeln und die Chorda, 
aus dem oberen die Haut und das Nervensystem. Was die Lage 
des Eies anbelangt, so ist es so gezeichnet, dass das obere Ende 
das Vorderende andeutet und die Einstülpungsöffnung die Rücken- 
seite einnimmt. Die aus zwei Zellenschichten zusammengesetzte 
hohle Hemispähre wächst so zu sagen in zwei Richtungen, das 
vordere Ende des Embryo wächst nach vorn; der vordere Rand der 
Einstülpungsöffnung (c. Fig. 7, 8 und 9) wächst dagegen nach hin” 
ten, infolge dessen die Einstülpungsöffnung sich immer mehr und 
mehr verenst und an das hintere Ende des Embryo rückt; wir kom- 
men somit von der Fig. 8, durch das Stadium Fig. 9, welches vom 
Rücken und in optischem Längsschnitte (Fig. 10) dargestellt ist, zu 
den Stadien Figg. 12 und 13, wo die Einstülpungsöffnung noch als 
ein kleines, auf der Rückenseite des Hinterendes des Eies befind- 
liches Loch vorhanden ist. Auf den Stadien Fig. 13 sehen wir eine 
bedeutende Vertiefung auf dem Rücken des Embryo, welche von 
der Einstülpungsöffuung bis fast zum vorderen Ende reicht — das 
ist das erste Erscheinen der Rückenfurche. 
Auf den Stadien Figg. 9, 12 und 13 treten schon Zellen auf, 
aus welchen meiner Meinung nach nur die Chorda, nach der Mei- 
nung von Metschnikoff Chorda und Nervensystem entstehen 
Wir werden deshalb ihre Lage und Beziehung zu den anderen Zel- 
len hier etwas genauer schildern. Betrachtet man das Stadium 
Fig. 9 vom Rücken, so sieht man auf der Oberfläche eine Reihe 
von ganz einförmigen Zellen, welche das obere Blatt zusammensetz- 
ten (Fig. 10 0), und von der Einstülpungsöffnung (eo) bis zum vor- 
deren Ende des Embryo reichen (Figg. 9 und 10); stellt man aber 
das Mikroskop etwas tiefer ein, so bemerkt man, dass die Zellen 
des unteren Blattes, welche die Einstülpungsöffnung unmittelbar um- 
geben (ch), von den anderen Zellen desselben Blattes etwas ab- 
stechen; im Längsschnitte (Fig. 10) fallen von diesen Zellen die 
zwei vor der Oeffnung liegenden auch etwas auf und sind von den 
anderen gewissermassen abgesetzt. Metschnikoff nennt die ganze 
Anlage hufeisenförmig und meint, dass aus zwei inneren Zellen 
(Fig 10 ch, Fig. 14 ch) sich die Chorda entwickelt und die zu den 
Seiten dieser zweien liegenden Zellen bilden die Nervenwülste. Die 
Zahl dieser Zellen erreicht auf dem Stadium Fig. 9 auf 12, zu 6 
jederseits der Mittellinie. Auf dem optischen Querschnitte dessel- 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. 107 


ben Stadiums (Fig. 11), aus der Gegend der Einstülpungsöffnung 
zählt man im unteren Blatte acht Zellen, von denen die zwei oberen 
(ch, ch) auch durch ihr Ansehen von den anderen Zellen des unte- 
ren Blattes sich unterscheiden. Auf der Fig. 12 habe ich die Zel- 
len des unteren Blattes dargestellt und die 12 Zellen der Chorda- 
anlage. Auf dem folgenden Stadium (Fig. 13), wo sich die Rückenfurche 
gebildet hat, schimmern noch diese Zellen durch die Oberhaut — 
den Boden der Rinne — ganz deutlich durch. Im optischen Längs- 
schnitte (Fig. 14 ch) sieht man sie sehr deutlich unter dem Boden 
der Rinne liegen. Die Entdeckung dieser hufeisenförmigen Chorda- 
anlage gehört Metschnikoff, nur fiel er in den sonderbaren Feh- 
ler, dass aus dieser Anlage auch das Nervensystem abstamme. 

Auf diesem Stadium sieht man die Ränder der Rückenfurche 
ganz deutlich auftreten (Fig. 13 r) und deren hinterer Rand hebt 
sich sclion so hoch auf, dass er die hintere Hälfte der schon ganz 
engen Einstülpungsöfinung (eo) bedeckt. Die zwei etwas aufgeho- 
benen Ränder (r), welche die Rückenfurche umgrenzen, habe ich in 
meiner früheren Abhandlung (Fig. 16) abgebildet und Rücken- 
wülste genannt, ihre Beziehung zur Einstülpungsöffnung wurde aber 
damals von mir nicht erkannt. Diese Ränder der Rinne oder 
Rückenwülste beginnen nun sich aufzuheben, und dies geht beson- 
ders schnell am hinteren Ende vor sich, wo der hintere Rand der 
Rinne in Form einer Falte (Figg. 15, 16, 18 u. 20) die Einstülpungs- 
öffnung überdeckt und sich nach vorn ausbreitend, hinten eine Art 
Blindsack bildet, welcher nur vermittelst der sehr klein gewordenen 
Einstülpungsöffnung mit der primitiven Darmhöhle — eingestülpten 
Höhle — communieirt. Was aber die Schliessung der Rinne an- 
belangt, so muss man nicht denken, dass die Ränder derselben ein- 
ander entgegenwachsen, sich begegnen und verschmelzen, wie man 
es bei den höheren Wirbelthieren beobachtet, sondern geht die 
Schliessung in der Art vor sich, wie z. B. das Hervorwachsen der 
Embryonalhautfalten auf dem Embryo des Hühnchens, es wächst 
nämlich eigentlich nur der hintere Rand der Rinne oder die hintere 
Falte immer mehr und mehr nach vorne, selbstverständlich auf 
Kosten der sich aufhebenden Seitenränder der Rinne, welche durch 
ihre hinteren Enden in die Falte übergehen. Die Figg. 13, 15 
und 18 stellen uns diesen Schliessungsact der Rückenrinde ganz 
deutlich dar. 

Während der Schliessung der Rückenrinne ist die Einstülpungs- 


108 A. Kowalevsky: 


öffnung von oben gar nicht mehr zu beobachten und man kann nur 
deren Rest an optischen Längsschnitten als eine feine Spalte sehen, 
vermittelst deren das sich schliessende Nervenrohr mit der Darm- 
höhle communieirt (Figg. 14, 16 und 20 eo). Gleichen Schritt mit 
der Schliessung der Rückenrinne haltend und auf einigen Eiern 
auch etwas vorauseilend, geht auch das Zusammentreten der chorda- 
bildenden Zellen zu einer scheibenartigen Anlage der Chorda. Wir 
haben die chordabildenden Zellen auf der Fig. 13 verlassen, wo 
dieselben in der Zahl von 12 zu beiden Seiten und vor der Ein- 
stülpungsöffnung lagen; mit der allmähligen Schliessung der Ein- 
stülpungsöffnung treten die zu beiden Seiten derselben liegenden 
Zellen zusammen, wobei sie sich vermehren und zu einer regelmäs- 
sig ovalen Scheibe zusammentreten. Die Figuren 12, 13, 14, 16 
und 19 ch stellen uns alle Uebergangsstadien dar. Wir haben schon 
oben gesehen, dass diese Zellen dem unteren Blatte angehören, und 
die optischen Längsschnitte der Figg. 14, 16 und 20 zeigen uns, 
dass dieselben auch immer unter den Zellen des oberen Blattes — 
welche den Boden der Rückenfurche bilden — liegen. Diese Zellen- 
scheibe wurde! von Metschnikoff als die Anlage des Nerven- 
systems und der Chorda angesehen, und da dieselbe in dem Bereiche 
des unteren Blattes liegt, so meinte er hier etwas dem Aehnliches 
zu sehen, was Rathke von den Hirudineen angibt, nämlich in 
Bezug der Spaltung des Keimstreifs der Hirudineen-Embryonen in 
Muskel- und Nervenanlage. Dass nun diese Angaben nicht richtig 
sind, dass seine hufeisenförmige — wie sie Metschnikoff nennt 
— Anlage der Chorda und des Nervensystems nur die Chorda bildet 
und mit dem Nervensystem gar nichts zu thun hat, beweisen, hoffe 
ich, meine Zeichnungen, wo der Uebergang dieser Zellen zur Chorda 
Schritt für Schritt verfolgt wurde. 

Jetzt kommen wir zum Stadium, welches ein Ausgangspunct 
für die weiterfolgende Entwicklung der Larve bildet, und da in der- 
selben schon alle Organanlagen gebildet sind, so halte ich für pas- 
send, dieselben ganz genau zu beschreiben. Der Embryo dieses 
Stadiums ist auf den Figg. 18, 19, 20, 21 und 22 dargestellt. Von 
oben betrachtet (Fig. 18) sehen wir das hinten geschlossene Nerven- 
rohr, an welchem man zwei Abtheilungen unterscheiden kann, die 
vordere a etwas breiter, deren vordere Hälfte noch gar nicht ge- 
schlossen ist, und die hintere, engere b. Die Wandungen des Roh- 
res bestehen aus einer Zellenschicht (Fig. 20), die Hautschicht (ec) 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. 109 


nicht gerechnet. Betrachten wir denselben Embryo von der Seite, 
im optischen Längsschnitte (Fig. 20), so sehen wir die Chorda (ch), 
dann nach vorn von derselben die Zellen des unteren Blattes (dd), 
welche etwas von der Chorda abgesetzt sind, und in einer Reihe 
den vorderen (dd) und unteren (dd‘) Theil des Embryo bedecken 
und hinten in die untere Zellenschicht der Rückenfalte (n) un- 
mittelbar übergehen. Das Lumen zwischen der Chorda (ch) und 
den darunter liegenden Zellen des unteren Blattes (dd‘) ist zu einer 
einfachen Spaite verengert. Betrachtet man diesen Embryo von oben, 
nur mit etwas tieferer Einstellung des Mikroskops (Fig. 19), so sieht 
man in dem hinteren Theile die ovale Chordaanlage aus zwei Rei- 
hen von Zellen bestehen, dann an dessen Seiten die cylindrischen 
Zellen des unteren Blattes (m) und nach vorn den von einer Schicht 
von Zellen (dd) gebildeten Vorderarm. Die zu beiden Seiten der 
Chorda liegenden Zellen wurden zuerst von Metschnikoff be- 
obachtet und richtig als Muskelzellen oder Zellen des Muskelblattes 
gedeutet. Kehren wir den Embryo um und betrachten die Zu- 
sammensetzung seines unteren Blattes von unten (Fig. 21), so fin- 
den wir, dass man auch von dieser Seite schon zwei Zellenschichten 
in dem hinteren Theile des Embryo unterscheiden kann; die Zellen 
dd, welche den vorderen Theil der Darmhöhle des Embryo aufbauen, 
setzen sich nach hinten in zwei Reihen (dd‘) fort und endigen mit 
einer Zelle. Zu beiden Seiten dieser doppelten Zellenreihe liegen 
jederseits die Zellen m des mittleren Blattes. 

Um eine vollständige Idee von dem Verhältnisse der verschie- 
denen Zellenschichten zu erhalten, müssen wir noch einen Quer- 
schnitt des Embryo betrachten. Die Fig. 22 stellt uns einen Quer- 
schnitt durch den hinteren Theil des Embryo dar, in der Gegend 
der schon geschlossenen Rückenfurche. Die Haut besteht aus einer 
Schicht von Zellen; oben sieht man den Querschnitt des Nerven- 
rohrs (n), darunter liegt die aus drei Zellen auf dem Querschnitte 
zusammengesetzte Chorda (ch), unter der Chorda liegen die zwei 
etwas körnig aussehenden Zellen (dd‘), welche die Fortsetzung der 
Darmwandung in diesen Theil des Embryo darstellen, das sind die 
Zellen des Darmdrüsenblattes. Jederseits der Chorda liegen drei 
Zellen (m), oder wenn das Mikroskop näher dem Hinterende ein- 
gestellt ist, nur zwei, welche denen entsprechen, die wir auf den 
Längsschnitten Fig. 19 und 21 als dem mittleren Blatte angehörend 
bezeichnet haben, es sind also die Zellen des Muskel- oder mittleren 


110 - A. Kowalevsky: 


Blattes. Wird das Mikroskop dem vorderen Ende näher eingestellt, 
so finden in den Querschnitten folgende Veränderungen statt: An- 
fangs schwindet Chorda, dann die Nervenröhre, die Muskelzellen, 
und wir begegnen endlich auf dem Querschnitte nur der Rücken- 
furche und dem Darmrohr. 

Werfen wir jetzt noch einen Blick im Allgemeinen auf das 
im Detail beschriebene Stadium und legen den einzelnen Zellenreihen 
oder Zellenschichten, welche zur Bildung nur gewisser Organsysteme 
bestimmt sind, die Benennungen der Keimblätter bei, so erweist 
sich, dass an der Zusammensetzung des Embryo drei Keimblätter 
Theil haben. Das obere Blatt bildet die Epithelialschicht, welche 
den Embryo allseitig bedeckt und sich unmittelbar in die Rücken- 
furche fortsetzt. Dieses Blatt stammt unmittelbar aus dem von 
uns schon früher benannten primitiven oberen Blatte, welches man 
bis zu den Fig. 5, 6 und 7 (bed) verfolgen kann und welches die 
Schicht des einzelligen Blastoderm darstellt, in welche dessen ent- 
gegengesetzte Seite sich hineingestülpt hat. Was die inneren Theile 
des Embryo anbelangt, so bestehen dieselben aus dem Darmdrüsen- 
blatte (dd, dd‘), welches im vorderen Theile den Vorderdarm bil- 
det und nach hinten in einer aus zwei Zellen zusammengesetzten 
Reihe bis zum hinteren Ende des Embryo sich fortsetzt. Ueber der 
Zellenreihe des Darmdrüsenblattes liegt in der hinteren Hälfte des 
Embryo die Chorda und an den Seiten derselben und des Darm- 
drüsenblattes liegen jederseits die Zellen des mittleren oder Muskel- 
blattes (Fig. 19, 21 und 22m), Was die Abstammung des Muskel- 
blattes anlangt, so lehrt ein Blick auf die Fig. 11, 12, 19 und 22 
und deren Erklärung und Beschreibung, dass dasselbe zusammen- 
setzende Zellen aus den Zellen m Fig. 11 kommen und dass sie 
deshalb eigentlich nur die im hinteren Theile des Embryo seitlich 
liegenden Zellen des unteren Blattes sind; dass also das mittlere 
Blatt unmittelbar aus den Zellen des primitiven unteren Blattes 
(Fig. 6 und 7 bac) abstammt. Wir finden somit bei dem von uns 
gleich besprochenen Embryo (Fig. 18) alle die Keimblätter, welche 
man bei den Wirbelthieren annimmt, und ganz in der entsprechen- 
den Lagerung. 

Nach dieser Auseinandersetzung der allgemeinen Anlage des 
Embryo wende ich mich nun jetzt zur Schilderung der einzelnen 
Organsysteme bis zur Ausbildung der schwimmenden Larve. Als 
Ausgangspunct wird uns das eben beschriebene Stadium dienen. 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Asceidien. 111 


Wir werden anfangs die allgemeinen Formveränderungen erwähnen, 
weiter die Bildung der Haut und ihrer Anhänge, des Nervensystems, 
der Chorda, des Muskelsystems und des Darmcanals sammt der An- 
lage der Respirationsorgane behandeln. Bevor wir aber zur Schil- 
. derung der einzelnen Systeme übergehen, will ich noch von den 
früheren Angaben über die schon beschriebenen Stadien einige Worte 
sagen. 

Was meine eigenen früheren Angaben anlangt, so war deren 
Hauptfehler, dass ich den Rest der Einstülpungsöffnung am hinte- 
ren Ende der Rückenrinne übersah; im Uebrigen schilderte ich die 
Bildung der Rinne fast in derselben Weise, wie ich es jetzt be- 
schreibe; Kupffer (p. 19) drückt sich über meine Beschreibung 
der Rinne folgenderweise aus: »Wenn ich seine Figg. 13, 14 und 
18 zu Rathe ziehe, so würde dasjenige Ende der Furche, das nach 
der Stelle der früheren Mündung des Darmsackes sähe, das hintere 
werden, d.h. der Richtung des späteren Schwanzes zugekehrt sein.« 
Das ist auch in der That so, wie es meine neueren Beobachtungen 
zeigen. Kupffer stimmt mit diesen Angaben nicht überein, weil 
er die Meinung vertritt, die Einstülpungsöffnung liege auf dem vor- 
deren Ende des Embryo, da wo später die Haftpapillen entstehen 
(p. 55), was ich nicht zulassen kann; übrigens sind die eigenen An- 
gaben Kupffer’s (p. 19), wie über die Bildung der Rückenfurche 
so auch über die letzte Schicksale der Einstülpungsöffnung sehr un- 
bestimmt. Er meint, dass das Nervensystem als ein fester Strang 
auftrete (Fig. 12) unter der Furche, und weicht also nur insoweit 
von Metschnikoff ab, dass er die Zellen der Nervenanlage vom 
oberen Blatte abstammen lässt. Metschnikoff beschreibt diesel- 
ben auch als unter der Furche liegend, leitet sie aber vom unteren 
Blatte ab. Die Rückenfurche ist von den beiden Forschern nicht 
als die eigentliche Anlage des Nervensystems angesehen, womit ich 
in keiner Weise übereinstimmen kann, indem ich das ganze cen- 
trale Nervensystem unmittelbar aus dem Epithel der 
sich zum Rohre schliessenden Rückenfurche ableite. 
Die Figg. 13, 15 und 18 und deren Längs- und Querschnitte Figg. 
14, 17, 20 und 22 sind genau mit der Camera lucida, Zelle nach 
Zelle gezeichnet. Ueber die vollständige Naturtreue dieser Figuren 
habe ich nicht den geringsten Zweifel. Die so abweichenden An- 
gaben von Metschnikoff über die Bildung des Nervensystems 
habe ich schon zum Theil oben besprochen. Er leitet das Nerven- 


112 A. Kowalevsky: 


system von den unter der Rückenfurche liegenden Zellen des unte- 
ren Blattes, aus welchen meinen Beobachtungen nach die Chorda 
entstehe. Die Rückenfurche scheint er gar nicht beachtet zu haben, 
da er dieselbe mit der Bauchrinne der Arthropoden und Hirudineen- 
embryonen!) vergleicht, wo sie bekanntlich sich nie schliesst und 
keine wichtige Rolle in der Bildung irgend welcher Organe spielt. 
Auch kann ich mit diesem Forscher gar nicht übereinstimmen, wenn 
er sagt: »Indem ich die Einstülpungsöffnung niemals verschwinden 
sah und da genau auf derselben Stelle später die Mundöffnung 
auftritt, so ist es mir sehr wahrscheinlich, dass die letztgenannte 
Oefinung aus der ursprünglich durch Einstülpung entstandenen Oeff- 
nung direkt hervorgegangen ist.« Ich habe schon oben, bei der Be- 
schreibung der Bildung und Schliessung der Rückenfurche, darauf 
hingewiesen, dass die Einstülpungsöffnung von den Medullarwäülsten 
(hintere Ränder der Rückenfurche) umgeben ist, dass sie am hin- 
teren Ende der Rückenfurche liegt, also ganz am hinteren Ende 
des Körpers (Fig. 14, 17, 20 e), und dass sie vollständig schwindet. 
Diese Oeffnung kann also in keiner Weise genau auf derselben 
Stelle liegen, wo später die Mundöffnung entsteht. 

Aeussere Form. Der Embryo, welcher uns als Ausgangs- 
punct dient (Fig. 18), hat eine ovale Gestalt und ist nach hinten 
etwas verengert. Bei der weiteren Entwickelung geht sein Wachs- 
thum und seine Krümmung nach unten, wie es die Figg. 23, 25, 29 
und 34 zeigen. Dieser nun immer mehr auswachsende und sich 
dabei gleichartig verjüngende Theil ist der Schwanz der sich ent- 
wickelnden Larve. Er wächst als eine einfache Verlängerung des 
Hinterendes, immer in der Längsrichtung zum Embryo, also ganz 
in derselben Weise und Richtung wie der auswachsende Schwanz 
der Wirbelthiere, dabei selbstverständlich krümmt er Sich nach unten 
und bei A. mammillata umschlingt er fast ringförmig den ganzen 
Körper der Längslinie nach. Anfangs ist der Schwanz vom eigent- 
lichen Körper sehr wenig abgesetzt (Fig. 23, 25); aber da er nun 
bedeutend länger wird und gegen den Körper der Larve in einem 
sehr spitzen Winkel sich neigt (Fig. 29, 34), so erleidet dieser Theil 


1) p. 23 Kupffer’s Aufsatz. Da ich die Mittheilung von Metschni- 
koff jetzt nicht zur Hand habe, so berufe ich mich auf die Citate, welche 
Kupffer aus demselben macht, und das was ich mir aus demselben erinnere 
oder notirt habe. 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. 113 


der Larve oder dessen Haut eine Biegung oder Art Faltung der 
Oberhaut, welche bis zur Höhe der Chorda sich fortsetzt. Was das 
Auswachsen des Schwanzes der Larve anlangt, so sagten alle frü- 
heren Beobachter und auch der letzte, Kupffer, dass er unter 
einem Winkel zum Körper der Larve auswächst und noch dazu 
seitlich liegt. Der Grund dieser fehlerhaften Ansicht liegt einfach 
darin, dass die Stellung des Embryo auf den früheren Stadien nicht 
genau bestimmt war und zu verschiedenen Ansichten von der Be- 
ziehung zwischen Schwanz und Körper der Larve führte, Ansichten, 
welche nach der Aufklärung des ganzen Vorganges man jetzt kaum 
zu diseutiren braucht. Der Larvenkörper selbst ist nach dem Aus- 
wachsen des Schwanzes fast rund (Fig. 25), und weiter, während 
der Ausbildung der Sinnesorgane erhält er eine etwas längliche, von 
oben selbst viereckige, nach hinten verengerte Form (Fig. 27, 28), 
und bei weiterer Entwicklung wird er immer länger und länger, 
bis er die länglich ovale Form der ausgewachsenen Larve erhält. 
Beim Ausschlüpfen aus dem Eie ist der Körper noch etwas zusam- 
mengekrümmt und nur allmälig wird er grade. Schon an den frü- 
heren Stadien verdickt sich die Haut am vorderen Ende der Larve 
und die Verdickungen wachsen nach dem Ausschlüpfen zu den be- 
kannten Haftpapillen aus, 

Haut. Die Oberhaut besteht während der ganzen Entwick- 
lung aus einer einfachen Zellenschicht; die anfangs cylindrischen 
Zellen werden allmälig flacher und dünner; dabei erscheinen in 
ihrem Inhalte stark lichtbrechende Körperchen, welche die ganze 
Zelle ausfüllen (Fig. 36 f.f.). Besondere Organe, ausser den Haut- 
papillen, habe ich nicht beobachtet. Die Haftpapillen sehe ich als 
Drüsen an, welche eine klebrige Substanz abscheiden, die zur An- 
heftung der Larve dient. Das am vorderen Ende der Haftpapille 
ausgetretene Secret gibt den Anschein, als wären die Papillen Saug- 
näpfe, wie es von Krohn angegeben ist. 

Nervensystem. Ueber das erste Erscheinen der Rücken- 
furche und deren Schliessung haben wir schon oben gesprochen. 
Das sich schliessende Nervenrohr besteht aus zwei ziemlich deutlich 
abgesetzten Theilen (Fig. 18): dem vorderen (a) breiteren, wel- 
ches auch auf dem breiteren Vordertheil des Körpers liegt, und dem 
hinteren (b) etwas engeren. Wie das vordere, so erreicht auch 
das Hinterende des Rohrs auf diesem Stadium das Ende des Kör- 
pers nicht; das hintere Ende des Nervenrohrs setzt sich bis zum 


114 A. Kowalevsky: 


hinteren Ende der darunter liegenden Chorda fort, die Grenze des 
vorderen Endes ist nicht genau ausgesprochen, doch erreicht die- 
selbe den Rand des Körpers nicht. In dieser verhältnissmässig un- 
bedeutenden Ausbreitung der Nervenrinne weichen die Ascidien be- 
deutend von den höheren Wirbelthieren ab, stimmen aber fast voll- 
ständig mit der sehr ähnlichen Bildung und Ausdehnung der 
Rückenfurche beim Amphioxus überein. Der Zusammenhang der 
Höhle des hinten schon geschlossenen Nervenrohrs mit der darunter 
liegenden Höhle des Darmes kann jetzt gar nichts Befremdendes 
mehr haben, da ich diesen Zusammenhang schon an vielen Wirbel- 
thieren beschrieben habe. Nämlich beim Amphioxus!), bei den Pla- 
giostomen 2), bei den Acipenseriden®) und Axoloten*) und nach mei- 
nen noch nicht gedruckten Beobachtungen über die Knochenfische?°) 


1) Nach meinen neuen, in den Zapiski der Kiew’schen Gesellschaft 
der Naturforscher (Bd. 1 Heft III. p. 305 Taf. XIV.) gedruckten Untersuchun- 
gen ergibt sich, dass die Einstülpungsöffnung beim Amphioxus Embryonen 
nicht in den Anus übergeht, wie ich es früher angab, sondern auf den 
Rücken hinaufrückt und von der Rückenfurche umwachsen wird; oder mit 
andern Worten: die Ränder der Einstülpungsöffnung oder des Rusconischen 
Afters sind die hinteren Enden der Rückenfurche,. — In derselben Schrift habe 
ich auch weiter gezeigt, dass das mittlere Blatt beim Amphioxus sich aus 
dem unteren bildet, also geht die Furchungshöhle des Amphioxus nicht in 
die Leibeshöhle über. 

2) Beiträge zur Entwicklung der Rochen und Haie nach Untersuchun- 
gen an Mustellus laevis und Acanthias vulgaris. Zapiski der Kiew’schen 
Gesellschaft der Naturforscher Bd. 1 p. 163 Taf. VII. Figg. 17, 18. 

3) Die Entwicklung der Störe, bearbeitet von A. Kowalevsky, Ows- 
jannikow und N. Wagner. Bulletin de l’Academie imper. des Sciences 
de St. Petersbourg. T. VII. 1869 p. 176. 

4) Nach Beobachtungen von Herrn N. Bobretsky, die mir freund- 
lich mitgetheilt wurden. 

5) Nach meinen Beobachtungen über die Knochenfische besteht der 
Keimwall aus zwei Blättern — oberen und unteren, — welche an den Rän- 
dern ineinander übergehen. Aus dem oberen entwickelt sich Haut und Nerven- 
system, aus dem unteren Darmdrüsenblatt und mittleres Blatt. Das Lumen 
des sich sehr spät schliessenden Darmcanals geht in das Lumen des Nerven- 
rohrs über. Nach der Bildung des Anus geht das Stück des Darmcanals, 
welches zwischen dem Anus und hinteren Ende des Schwanzes liegt, zu Grunde 
durch Verfettung. Diese Beobachtungen wurden an den Eiern von Plattessa 
passer, Lota vulgaris und mehreren Fischeiern, welche ich auf der Oberfläche 
des Meeres mit dem Müller’schen Netze fischte, angestellt. 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Asecidien. 115 


gehen bei denselben die verdickten Ränder der Keimhaut — Keim- 
wall (Kupffer), — welche das Dotterloch oder den Rusconischen 
After umgeben, auch in die Medullarwülste über. 

Während der nun erst auftretenden Formveränderungen des 
Nervenrohrs bei dem Auswachsen des Schwanzes beginnt die Ver- 
kleinerung des Spalts c, welcher dabei ganz das vordere Ende 
‚des Embryo erreicht und sehr klein wird (Figg. 23, 24r). Diese 
Oeffnung wurde von mir schon in der früheren Schrift über den- 
selben Gegenstand erwähnt und besonders betont, da ich dieselbe 
einer ähnlichen Oefinung beim Embryo des Amphioxus verglich, wo 
sie auch sehr lange persistirt. Bei den weiteren Stadien (Fig. 25) 
schliesst sich aber auch diese Oeffnung vollständig, es bleibt von 
derselben auf-der Oberfläche keine Spur mehr, und zu gleicher Zeit 
schnürt sich damit das Nervenrohr seiner ganzen Länge nach von 
der Oberhaut ab. 

Das hintere Ende des Nervenrohrs schreitet bei seinem Wachs- 
thum ganz dem auswachsenden Schwanze nach; das Ende des Roh- 
res und des Schwanzes bleiben bis zur vollständigen Ausbildung des 
letztern in derselben Entfernung voneinander. Entsprechend der 
Verdünnung des Schwanzes verdünnt sich auch das Nervenrohr 
immer, die Rückenseite des Schwanzes einnehmend. Bei diesem Aus- 
wachsen des Nervenrohrs nimmt besonders Antheil dessen hinterer 
Theil (b Fig. 18), nämlich der Theil, welcher die zweite Nerven- 
systemblase zusammensetzt, und dazu noch sein hinterer (b‘) Theil 
(Fig. 24). In Folge dieses nicht gleichmässigen Wachsthums der 
hinteren Hälfte (b Fig. 24) des Nervenrohrs zerfällt dieselbe 
ihrerseits in zwei Theile, ein dickeres (b) vorderes und ein engeres 
hinteres (b‘) Stück, und nun erscheint das ganze Nervenrohr aus 
drei Theilen — Blasen — bestehend, welche bereits definitive Bil- 
dungen sind. Das vordere Ende oder die Gehirnblase, Sinnes- 
blase oder erste Blase; dann die zweite Blase oder Rumpf- 
blase, welche viel kleiner ist und immer über der Chorda liegt 
und bei ausgewachsener Larve am hinteren Ende des Rumpfes, und 
schliesslich der dritte Theil, Schwanztheil des Nervensystems 
oder Rückenmark der Larve. Zwischen den zwei vorderen Nerven- 
blasen findet sich noch ein verengerter Theil!) (Fig. 33). 

1) Eine Zusammensetzung des embryonalen Nervensystems aus drei 


Blasen ist besonders bei den Salpen ausgesprochen. Nachrichten der Kön. 
Gesellsch. der Wissensch. in Göttingen. 1868 N. 18 p. 410. 


116 A. Kowalevsky: 


Von dem histologischen Bau des Nervensystems kann man in 
den jüngeren Stadien eine sehr schöne Ansicht haben, da es ein 
überall aus ganz regelmässigen, ziemlich grossen Zellen bestehendes 
Rohr ist. Die Zellen in dem vorderen Theil sind besonders gross 
und haben die regelmässige Cylinderform, aber nach hinten und 
namentlich in dem Schwanztheile werden sie bald zu ganz flachen 
Zeilen, welche aber selbst noch bei den Larven mit schon bedeu- 
tend ausgewachsenem Schwanze ein Rohr bilden. und ein Lumen 
umgrenzen, wovon man auf dem optischen Querschnitte des Schwan- 
zes sich überzeugen kann. In der ausgewachsenen Larve lagern 
sich die Zellen in den zwei vorderen Blasen des centralen Nerven- 
systems zu zwei und mehr Schichten, werden rundlich und verlieren 
ihre frühere scharfe Begrenzung; Nervenfäden habe ich nicht finden 
können. 

Es bleibt uns noch jetzt die Entwicklung des Gehirns oder der 
Sinnesblase genauer zu beschreiben, von dem Stadium Fig. 25 an. 
Wir haben schon gesagt, dass die vordere Oeffnung — der Rest der 
Rückenfurche — sich vollständig schliesst und also das Nervenrohr 
sich vom oberen Blatte abtheilt. Gleich nach der Schliessung nimmt 
die ganze Gehirnblase eine ovale Form (Fig. 27) an, vorn und hin- 
ten etwas ausgezogen, dabei bestehen ihre Wandungen aus einer 
Reihe gleichmässiger cylindrischer Zellen (Fig. 27). 

Bald nach der Schliessung des letzten Restes der Rückenfurche 
beginnt die Bildung der Sinnesorgane. Beobachtet man nämlich 
den Embryo von der Rückenseite, so sieht man (Fig. 25) die rechte 
Wand der Sinnesblase in der Mitte etwas eingeschnürt, und zu glei- 
cher Zeit werden die Zellen des hinteren Theils nach hinten etwas 
abgesetzt (Fig. 28). Etwas später sieht man im vorderen Theile 
der rechten Hälfte, in dessen oberer Wand, das Auftreten von 
schwarzem, körnigem Pigment in einer etwas vergrösserten und 
schärfer begrenzten Zelle (Fig. 30 ot). Untersucht man diesen Embryo 
von der Seite (Fig. 29), so findet man, dass das Pigment sich wirk- 
lich in einer Zelle (ot) der oberen Wand ansammelt und zwar in 
dem Ende der Zelle, welches nach der Höhle der Sinnesblase ge- 
richtet ist; weiter sieht man auf derselben Figur, dass der hintere 
obere Theil der Gehirnblase viel dünner geworden ist, dass densel- 
ben zusammensetzende Zellen sich von der Rücken- auf die rechte 
Seite bedeutend verschoben haben, und in der That, besieht man 
diesen Embryo von der kückenseite etwa eine Viertelstunde später, 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfacheu Ascidien. 117 


so erkennt man, dass die hintere rechte Hälfte der Sinnesblase so- 
zusagen in eine Art Buckel (Fig. 31) auswächst, dessen Zellen jetzt 
sehr deutlich sind, immer cylindrisch, aber viel enger geworden. 
Die pigmentirte vordere Zelle hat sich unterdessen von der Rücken- 
seite verschoben und liegt jetzt auf der rechten Wand der Blase. 
Auf dem Stadium Fig. 29, 30, o.nl. beginnt die Bildung der Mund- 
öffnung und der Kloaken, welcher wir hier nur Erwähnung thun, 
um die Figur verständlich zu machen. Weiter schiebt sich die vor- 
dere pigmentirte Zelle auf die rechte Seite der Blase und am 
Grunde der Zellen des hinteren abgesetzten Theils der Blase er- 
scheinen sehr feine Pigmentkörner (Fig. 31). Gleichen Schritt mit 
diesen Veränderungen in der Zusammensetzung der rechten Wand 
der Sinnesblase haltend sieht man auch in dessen linker Seite die 
Verdickung des hinteren Theils (Fig. 31), welche bald sehr bedeu- 
tend wird. 

Die vordere pigmentirte Zelle, welche wir vermuthlich als 
einen Gehörapparat gedeutet haben, schiebt sich von der rechten 
. Wand der Blase nach unten, so dass sie auf den Boden der Blase 
kommt, wie es die Fig. 32 uns zeigt. Auf der Fig. 34 sehen wir 
dies Organ schon vollständig gebildet, sein Pigment, das Anfangs 
in sehr feinen Pünctchen auftrat (Fig. 30), um später zu schwar- 
zen, scharf umschriebenen Kugeln sich zu gestalten (Fig. 33), ist 
jetzt zusammengeschmolzen und bildet eine hutartige Bedeckung 
auf dem hellen Stiele. Das ganze Organ bildet sich blos aus einer 
Zelle, und während des Auftretens des Pigments und selbst der Ver- 
schiebung der Zelle auf die Seitenwand der Blase kann man noch 
den Kern der Zelle beobachten, später aber schwindet er vollstän- 
dig und der ganze Zellenkörper wird stark lichtbrechend. Kupffer 
sagt, der Körper sei oval, ich möchte es lieber conisch nennen mit 
den abgerundeten Rändern der Basis und der Anheftung mit dem 
spitzen Ende. Das zweite Organ, oder das Auge, welches wir auf 
der Figur 30 verlassen haben, setzt sich immer mehr von der Blase 
ab und sieht jetzt wie eine Art Wulst aus (Fig. 31), dessen untere, 
etwas vertiefte und in die Höhle der Gehirnblase mündende Basis 
schon stark pigmentirt ist; von den Seiten beobachtet sieht man 
die scharfe hintere Contour dieses Organs, welches das Nerven- 
system von dieser Seite nun ganz bedeckt. Auf einem etwas wei- 
teren Stadium zieht sich die Augenanlage in die Länge und wir er- 
halten die Fig. 34, welche von mir in meiner früheren Abhandlung 


M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 9 


118 A. Kowalevsky: 


angeführt wurde. Ich bin nun damals zu dem Irrthum gekommen, 
dass ich die scharfe hintere. Grenze des Auges für das hintere Ende 
des ganzen Nervensystems annahm; stellt man aber das Mikroskop 
etwas tiefer ein, so sieht man darunter die Fortsetzung des Nerven- 
rohrs zum Rumpfganglion. Die Zusammensetzung des Auges be- 
steht noch immer aus sehr deutlichen Cylinderzellen, deren innere 
Ränder stark pigmentirt sind. Es ist bis jetzt noch keine Spur von 
der Linse zu beobachten. 

Um unsere Beschreibung der Sinnesblase zu beendigen, müssen 
wir noch über die Mündung der Sinnesblase in den Darm oder 
Kiemenhöhle der Larve sprechen. Wir haben schon auf der Fig. 29 
gesehen, dass das vordere Ende der Gehirnblase sich nach vorne 
fortsetzt und dass die über dessen Fortsetzung liegenden Zellen der 
Haut hier sich einstülpen. Vor der Einstülpung der Haut wird eine 
Anzahl von scheibenförmig gelagerten Zellen der Haut von den 
anderen dadurch unterschieden, dass in denselben gewisse feine Bläs- 
chen auftreten, dann stülpt sich der centrale Theil der Scheibe 
etwas ein und trifft mit der vorderen Fortsetzung der Sinnesblase 
zusammen, die Zellenschichten der Scheibe und Gehirnblase ver- 
schmelzen und es entsteht eine unmittelbare Mündung der Sinnes- 
blase nach aussen. Gleich darauf aber trifft auch der bedeutend 
nach oben ausgezogene Vorderdarm fast in derselben Stelle die Ein- 
stülpung der Haut und verschmilzt auch mit derselben. Da nun 
die Oeffnung des eingestülpten Theiles zum Mund wird, so bleibt 
die Mündung der Gehirnblase etwas tiefer und wird zu der bekann- 
ten Flimmerscheibe, von welcher aus die fliimmernde Bauchrinne be- 
ginnt. Kupffer hat schon diese Mündung gesehen und erwähnt 
derselben auf p. 40 seiner Schrift, hat aber ihre Entstehung nicht 
verfolgt. 

Die Larve, welche wir auf der Fig. 34 dargestellt haben, be- 
wegt sich schon in den Eihäuten und durchbricht dieselben bald und 
liegt dann noch eine Zeit lang auf dem Boden des Gefässes, nur 
zitternde Bewegungen ausführend. Zu der Zeit bildet sich die Chorda 
vollständig aus und es entsteht die Linse. Die Ausbildung der- 
selben zu verfolgen ist mir nicht gelungen, und ich kann nur die 
Vermuthung aussprechen, dass dieselbe aus drei Zellen entstehe, welche 
sich an den am meisten nach Innen hervorragenden Rändern der Augen- 
anlage bilden und aufdie Pigmentanhäufung schieben oder wachsen. 
Mehrfach schien es mir, diese Bildung unmittelbar beobachtet zu 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. 119 


haben, aber eine klare Idee über den ganzen Vorgang habe ich nicht 
gewinnen können. Dass es aber eigentliche Epithelialzellen der Ge- 
hirnblase sind, welche sich zu den verschiedenen Schichten der Linse 
verwandeln, schliesse ich auch aus den Missbildungen der Linse, bei 
denen die Linsenzellen weit von dem Pigment entfernt waren und 
in der Reihe der andern Epithelzellen steckten. 

Resumiren wir jetzt die von uns gegebene Beschreibung des 
Nervensystems der ausgewachsenen Larve, so besteht dieselbe aus 
der vorderen, sehr entwickelten Sinnesblase (Fig. 38), die grade auf 
dem Rücken liegt und nur etwas nach rechts verschoben ist; diese 
Blase communieirt nach vorne mit der Mundhöhle und setzt sich 
nach hinten in das Rückenmark fort. Gleich hinter der Gehirnblase 
beobachtet man einen verengerten Theil, hinter welchem sich das 
Nervenrohr zu einem Rumpftheile oder Ganglion ausbreitet. Dieser 
Theil liegt schon seiner ganzen Länge nach auf der Chorda, unter 
welcher man den Oesophagus findet, und etwas weiter nach hinten 
die Darmschlinge. Im Innern beobachtet man einen sehr feinen 
Centralcanal; die denselben umgebenden Wandungen bestehen aus 
rundlichen Zellen, in zwei oder drei Schichten gelagert; es schienen 
mir aus diesem Ganglion einige Fäden zu den Seiten auszutreten. 
Das Ganglion liegt etwas schief, von der rechten nach der linken Seite 
sich richtend, und setzt sich nach hinten in das Nervenrohr des 
Schwanzes fort, dessen Wandungen aus einer Reihe von platten 
Zellen zusammengesetzt sind. Das Nervenrohr zieht sich auf die 
Rückenseite der Chorda, fast bis zu deren Unterende. Es liegt in 
einer Art Canal oder Rinne, deren Boden an der Chordascheide 
und Rändern von den die Ehbrdn überragenden Muskelzellen gebil- 
det ist (Figg. 38, 36). 

Muskelsystem. Das erste Auftreten von Muskelzellen 
haben wir in den Zellen mm Figg. 19 und 22 gesehen, welche vom 
unteren Blatte stammend jederseits längs der Chorda gelagert sind 
und nach unten an das Darmdrüsenblatt, nach oben an das Nerven- 
rohr anstossen (Fig. 22). Die Zellen des Muskelblattes setzten sich 
nach vorne, weiter als die Chorda reicht (Fig. 24, 25) und hier an 
den Seiten des Vorderdarmes liegen (Figg. 25, 27, 28 und 30). Diese 
Zellen sind anfangs fünf- bis sechseckig und liegen am hinteren 
Ende des auswachsenden Schwanzes zu zwei (Figg. 23 und 25), je 
mehr nach vorn zu drei jederseits des Schwanzes, am Rumpfe zu 
4 und 5; wenn nun der Schwanz bedeutend auszuwachsen beginnt, 


120 A. Kowalevsky: 


werden diese Zellen immer mehr und mehr länglich, scheinen sich 
aber nicht mehr zu vermehren; sie liegen zu drei jederseits des 
Schwanzes, wo sie auch die Seiten der Darmdrüsenblattzellen und 
des Nervenrohrs bedecken. Zur Zeit wenn zwischen den Chorda- 
zellen die Chordasubstanz sich abzuscheiden beginnt, fangen die 
Muskelzellen an, Contractionen auszuführen, und man bemerkt auf 
denselben eine schwache Längsstreifung, welche immer deutlicher 
wird; nach der Befreiung der Larve sieht man auch die Querstrei- 
fen auftreten (Fig. 36), welche durch alle drei Zellen sich ununter- 
brochen fortsetzen. Die vordersten Muskelzellen des Schwanzes be- 
festigen sich an die Chorda etwas vor ihrem Vorderende (Fig. 38). 
Da die Muskeln des Schwanzes nur jederseits der Chorda liegen, 
so sind dieselben auch nur im Stande, den Schwanz nur nach der 
einen und anderen Seite zu bewegen, es können keine Bewegungen 
in vertikaler Richtung ausgeführt werden. Das sind die Verände- 
rungen, welche diejenigen Zellen des mittleren Blattes durchlaufen, 
welche zur Seite der Chorda liegen, resp. am Schwanze; was aber 
die Zellen des mitleren Blattes anlangt, welche im Rumpfe die hin- 
teren Seitentheile des Vorderdarms bedecken, so bilden sie sich nicht 
zu Muskeln um, weil es keine Muskeln im Rumpfe bei den Asei- 
dienlarven gibt. Diese Zellen, welche anfangs (Fig. 29) dicht an- 
einander gedrängt liegen und die Form der sechseckigen Pflaster- 
epithelzellen haben, beginnen auf dem Stadium Fig. 32 sich allmäh- 
lig abzurunden, sondern sich und es treten in denselben grosse helle 
Blasen auf. Diese Zellen erfüllen anfangs das hintere Ende des 
Rumpfes, später aber rücken sie an die Seiten des Darmes bis an 
das Vorderende der Larve und wie wir später sehen werden, bilden 
diese Zellen die Blutkörperchen. Ich möchte hier nur bemerken, 
dass bei der Larve von Doliolum auch solche Seitenstränge des 
Muskelblattes zu beobachten sind, aber doch entwickeln sich aus 
denselben die Ringmuskeln; bei den Ascidien treten diese Zellen 
nur als embryonale Anlage der Muskeln auf, bilden sich aber nie 
zu Muskelzellen um. 

Da wir jetzt über die künftigen Blutkörperchen zu sprechen 
begonnen haben, so wird es auch vielleicht am Orte sein, auch der 
Darmdrüsenblattzellen, welche im Schwanze liegen, hier Erwähnung 
zu thun, weil sie auch demselben Schicksal unterliegen; namentlich 
sobald die Larve zuckende Bewegungen zu machen beginnt (Fig. 34) 
bemerkt man, dass mit den im Schwanze liegenden Zellen des Darm- 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. 121 


drüsenblattes dasselbe vorgeht, was wir schon für die Zellen des 
mittleren Blattes, die im Rumpfe lagen, angegeben haben, nämlich 
sie sondern sich, werden rundlich, es treten in denselben helle Blasen 
auf und während der vollständigen Ausbildung der Chorda, sobald 
die Larve frei zu schwimmen beginnt, werden sie eine nach der 
anderen aus dem Schwanze verdrängt und gelangen in den hinteren 
Theil des Rumpfes, wo sie sich nun anhäufen (Fig. 35 m‘). Bei ge- 
lindem Drucke der Larve kann man diese Zellen wieder in den 
Schwanz zurückdrängen, von wo aus beim Aufhören des Druckes 
sie in den Rumpf hineintreten. So gehen nun also die Zellen des 
Darmdrüsen- und mittleren Blattes, welche bei den Ascidien sich in 
kein Organ entwickeln, in die Blutkörperchen über; sie spielen bei 
den einfachen Ascidien keine wichtige Rolle, sind aber Embryonal- 
anlagen, welche vielleicht eine Bedeutung haben werden bei der 
Erklärung der Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Organen 
verschiedener Repräsentanten der Tunicaten. 

Chorda. Es erübrigt aus dem Bereiche des mittleren Blat- 
tes noch über die Chordabildung einige Worte zu sagen. Die erste 
Anlage der Chorda wurde schon von uns besprochen; auf dem letz- 
ten von uns beschriebenen Stadium (Fig. 19) bestand die Chorda-An- 
lage aus zwei Reihen von Zellen in Form einer ovalen Scheibe; bei 
dem Auswachsen des Schwanzes fangen die Zellen an sich zwischen 
einander einzuschieben (Fig. 23 und selbst 20 von der Seite), bis 
aus zwei Reihen von Zellen nur eine einfache Reihe entstand; jetzt 
werden aber die Zellen sehr kurz und breit (Fig. 25). Weiter bei der 
Verlängerung des Schwanzes ziehen sich die Zellen in die Länge, 
indem sie dem entsprechend an Breite verlieren (Fig. 29). Es ent- 
steht soweit eine Reihe von fast kubischen Zellen, zwischen denen 
in schon bekannter Weise die Chordasubstanz gebildet wird. Was 
die Zellen selbst anlangt, so liegen sie in der Chorda nur in einer 
Reihe. Es wurde, wenn ich mich nicht irre, von Metschnikoff 
angegeben, dass die Kerne in den Chordazellen während der Bildung 
der Chordasubstanz schwinden; das kann ich nicht bestätigen, ich 
sehe dieselben vielmehr persistiren und zuletzt die Chordascheide 
zusammensetzen. So habe ich auch in meiner früheren Schrift die 
Entstehung der Chordascheide beschrieben, was auch von Kupffer 
bestätigt wird; dagegen finde ich, dass Gegenbaur!') mir eine 


1) Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 2. Auflage p. 175. 


122 A. Kowalevsky: 


sanz andere Ansicht über die Bildung der Chordascheide zuschreibt; 
er sagt nämlich: »Die Anlage der Chorda geschieht durch eine ein- 
fache Zellenreihe, die von einer bindegewebigen Scheide umgeben 
sein soll«; nach dem Worte bindegewebigen wird ein Fragezeichen 
gestellt, da ich aber nie eine ähnliche Entwicklung der Chorda- 
scheide angegeben habe, so halte ich für passend, diesen Irrthum 
hier zu corrigiren. Dass die Chordasubstanz keine Flüssigkeit, son- 
dern eine festweiche Substanz ist, dafür hat Kupffer die besten 
Beweise beigebracht. Ich habe auch dasselbe angegeben und auf 
Taf. II die in Stücke zerbrochene Chorda abgebildet. Metschni- 
koff zieht als einen Beweis an, dass die Chorda eine Flüssigkeit, 
aber nicht eine besondere Substanz sei, dass bei der Einwirkung 
von Essigsäure dieselbe sich so verhalte, wie auch die Flüssigkeit 
in der Gehirnblase oder Sinnesblase, dass sie sich nicht verändere. 
Das ist aber wirklich ein nichts beweisender Grund, Metschnikoff 
möchte doch wohl auf demselben Präparate sehen können, dass die 
Mantelsubstanz von der Einwirkung der Essigsäure sich auch gar 
nicht verändert, und doch wird er dieselbe deshalb nicht für Flüs- 
sigkeit erklären wollen. 

Da es kaum jetzt Jemand bezweifeln wird, dass die Chorda 
der Ascidien der Chorda der Wirbelthiere wie analog so auch ho- 
molog sei, so halte ich für passend, hier noch auf ähnliche Gebilde 
bei den andern Wirbellosen hinzuweisen. In meiner Schrift »Bei- 
träge zur Entwicklung der Würmer und Arthropoden« !), bei der 
Beschreibung der- embryonalen Entwicklung des Euaxes und Regen- 
wurmes, habe ich gezeigt, dass das ganze Nervensystem dieser Wür- 
mer aus dem oberen Blatte, aus besonderen Medularwülsten ent- 
stehe, weiter dass das Neurilem aus dem mittleren Blatte abstamme 
und dass auch die grossen riesigen Röhrenfasern (Claparede) ?), 
die nach aussen von dem inneren Neurilem liegen, auch aus dem 
mittleren Blatte stammen. Ihrer Abstammung, ihrer Lage (zwischen 
dem Nervenstrange und dem Darme) und selbst ihrem Aussehen und 
Structur nach sind dieselben vielleicht am meisten einer Chorda zu 
vergleichen, was ich auch schon ausgesprochen habe. Es wäre aller- 
dings von grösster Wichtigkeit, ihre Entwicklung Schritt für Schritt 


1) Memoires de l’Acad. d. St. Petersbourg. 1870. 
2) ıE. Claparede. Histologische Untersuch. üb. d. Regenwurm, Zeitschr. 
f. wiss. Zool. B. XIX. p. 588—591. 


IX 
o 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. 1: 


zu verfolgen, was mir nicht gelungen ist. Jedenfalls ist dasjenige, 
was wir über diese Fasern wissen, besonders die Beschreibung von 
Clapare&de und ihre Abstammung aus dem mittleren Blatte, einer 
Vergleichung mit der Chorda sehr günstig. Claparede unter- 
scheidet eine centrale helle Substanz oder Flüssigkeit und eine 
Scheide. Wenn Claparede noch zweifeit, ob diese Fasern doch noch 
vielleicht als Nervenfasern anzusehen sind, so ist ihre Entwicklung 
aus dem mittleren Blatte ein so wichtiger Grund gegen ihre Nerven- 
natur, dass ich dieselben keineswegs für Nervenfasern ansehen kann. 

Darmkanal, Kloaken und Kiemensack. Das Darm- 
drüsenblatt bildete auf der Fig. 21 einen am vorderen Ende geschlos- 
senen Sack, dessen hinteres Ende nach hinten in eine Reihe von 
zwei, unter der Chorda liegenden Zellen sich fortsetzte. Auf den 
nächstfolgenden Stadien verändert sich die Darmanlage sehr unbe- 
deutend, nur das vordere und hintere obere Ende des Vorderdarms 
richten sich etwas nach oben (Fig. 25); weiter auf der Stadie 
Fig. 29 rückt das Vorderende etwas mehr nach oben, wobei es um 
den vorderen Theil der Gehirnblase herumwächst; hier begegnet es 
sich mit der schon beschriebenen Mundeinstülpung und verschmilzt mit 
derselben (Fig. 32). Es entsteht auf diese Weise eine ganz neue 
Oeffnung, welche gar nichts mit der Einstülpungsöfifnung zu schaf- 
fen hat; es bilden sich dabei, wie in der Oberhaut so auch in den 
Darmwandungen neue Oeffnungen, welche früher nicht existirten und 
in keiner Beziehung zur Einstülpungsöffnung sind. Wie auf dieser, 
so auch auf allen von mir weiter zu beschreibenden Stadien besteht 
die Darmanlage blos aus einer Schicht von Zellen, wie es die Zeich- 
nungen deutlich zeigen. Schon auf früheren Stadien, während des 
etwas nach oben gerichteten Wachsthums des hinteren Endes des 
Vorderdarmes bleiben nur seine unteren Zellen mit den Zellen des 
Darmdrüsenblattes, welche im Schwanze liegen, in Verbindung. Auf 
der Fig. 29 sehen wir das hintere Ende des Vorderdarmes schon 
bedeutend nach oben gewachsen, wo er auch zwischen den Anfang 
der Chorda und der Sinnesblase eindringt. Der Zusammenhang der 
Zellen des Darmdrüsenblattes (dd‘), welche im Schwanze liegen, mit 
dem Vorderdarm ist noch immer zu sehen, die beiden Zellenreihen 
treten bis an den Darm in der Gegend Fig. 29a. Auf den folgen- 
den verschwindet dieser Zusammenhang vollständig und die Zellen 
des Darmdrüsenblattes, welche im Schwanze liegen, erleiden die Ver- 
wandlung, welche wir schon oben beschrieben haben und welche in 


124 A. Kowalevsky: 


ihrer Sonderung, dem sich Abrunden und der Umwandlung in die 
künftigen Blutkörperchen besteht. Obgleich also der im Schwanze 
liegende Theil des Darmdrüsenblattes keine Rolle in dem Aufbau 
des Embryo der einfachen Aseidien spielt, so will ich hier erwäh- 
nen, dass er mit dem Theile des Vorderdarms im Zusammenhange 
steht, wo das Hinterende des Endostyl liegt, also ganz an derselben 
Stelle, wo bei den Salpen und Pyrosomen der Darm sich ausstülpt 
zur Bildung des Darmes der auswachsenden Knospen. Beobachtet 
man diese Larve von oben, so sieht man, dass der hintere nach 
oben gerichtete Theil des Darmes ziemlich gleichmässig an beiden 
Seiten des Larvenkörpers liegt (Fig. 32 und 33). Aus dem vorde- 
ren Theile der primitiven Darmanlage entwickelt sich nun der Kie- 
mensack aus dem nach oben und hinten gerichteten Vorsprung 
(Fig. 32, 34 d), der eigentliche Darm d.h. Oesophagus, Magen und 
Darm. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf den Vorsprung 
d, so bemerken wir, dass bei weiterer Entwicklung er sich nach 
unten und rechts krümmt (Fig. 34 und 35), der Theil ae zum 
Oesophagus, der Theilm zum Magen wird; aus dem Magen wächst 
nun noch links, dicht der unteren Wandung des Körpers anliegend, 
ein neuer Vorsprung, welcher sich auf die linke Seite der Chorda 
begibt und hier sich nach oben krümmend in der Nähe der linken 
Kloaken-Einstülpung zu liegen kommt (Fig. 38 end). Während die- 
ser Zeit bildet sich auch das Endostyl, welches ın Form einer dop- 
pelten Verdickung der unteren Darmwand sich in Gestalt zweier 
verdickten und an Vorder- und Hinterende ineinander übergehen- 
den Lamellen der ganzen Ausdehnung des Kiemensackes entlang 
zieht. Stellen wir das von uns Gesagte etwas zusammen, so be- 
steht also das Darmsystem der ausgewachsenen Larve aus den fol- 
genden Theilen: der Mund (o), welcher am Rücken liegt und von 
welchem ein enger Gang in den Kiemensack — Mundhöhle — führt; 
am Kiemensacke unterscheidet man das Endostyl; aus dem oberen 
mittleren Theile des Kiemensackes, in der Gegend unmittelbar unter 
dem hinteren Ende der Sinnesblase, tritt der Oesophagus (oe) auf, 
welcher sich nach rechts begibt und in den Magen einmündet 
(Fig. 38 m); aus dem letzteren setzt sich nach rechts ein kurzer 
und dicker Darm fort (d), welcher in der Nähe der Kloakenanlage 
blind endigt. Die Wandungen des ganzen Darmcanals, sowie auch 
des Endostyls bestehen aus einer Reihe cylindrischer Zellen. 

Es bleibt uns noch die Bildung der Kloaken und der Kiemen- 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Asecidien. 125 


spalten zu verfolgen, welche schon während des Larvenlebens auf- 
treten. Wir haben schon oben bei der Beschreibung der Gehirn- 
blase darauf aufmerksam gemacht, dass hinter derselben, zu beiden 
Seiten des engeren Theils des Nervensystems, welches die Gehirn- 
blase mit dem Rumpfganglion verbindet, sich zwei scheibenförmige 
Einstülpungen der Haut bilden. Die Bildung dieser zwei Hautein- 
stülpungen geht ganz in derselben Weise wie die Bildung der Mund- 
öffnung vor sich, namentlich bemerkt man erstens, dass die scheiben- 
förmig gelegenen Zellen ein etwas körniges Aussehen bekommen 
(Fig. 30 kl), und dann weiter das Centrum der Scheibe sich einzu- 
stülpen beginnt; die Figg. 31, 32 kl zeigen verschiedene Stadien 
dieser Einstülpungen. Bei der aus dem Eie ausschlüpfenden Larve 
haben dieselben die Form, wie es die Fig. 34 darstellt, und ihr Bo- 
den stösst an einen hervorgehobenen oder genauer ausgestülpten 
Theil des Vorderdarms. Diese beiden Hauteinstülpungen wurden 
von Metschnikoff Kloakenbläschen genannt. Metschni- 
koff hat aber ihre Entstehung nicht verfolgt. Kupffer sind die 
beiden Kloakeneinstülpungen unbekannt geblieben; er spricht nur 
von Anus, welchen er an derselben Stelle zeichnet, wie ich es in 
meiner früheren Schrift gezeichnet habe, beschreibt aber diese Bil- 
dung als eine Einstülpung der Haut ganz genau d. h. in derselben 
Weise wie die Entstehung der Mundöffnung; er gibt aber an, dass 
sich nur eine solche Scheibe — wie er sie nennt — bildet, es ent- 
stehen aber zwei, die Mundöffnung nicht gerechnet. Bei der Asc. 
mammillata verschmilzt die Kloakeneinstülpung nicht sogleich mit 
dem Enddarme, wie es Kupffer für die A. canina angibt, sondern 
ich habe noch lange nach der Entstehung der Kiemenspalten den 
Enddarm blind endigen sehen (Fig. 38), obgleich sein Ende ganz 
dicht an die Kloakenwand gedrängt war. — Es bleibt uns noch 
jetzt zu erklären, welchen Antheil die Einstülpungen an der Bildung 
der Kiemenspalten nehmen; dazu müssen wir aber zu dem Sta- 
dium, welches auf der Fig. 34 dargestellt ist, zurückkehren. Man 
beobachtet an diesem Stadium, dass der obere Theil des Vorder- 
darms sich an beiden Seiten als zwei Falten erhebt, welche bald so 
gross werden, dass sie einen Theil der Gehirnblase von den Seiten 
bedecken und ihr hinteres Ende (Fig. 34) jederseits dicht an die 
durch Einstülpung entstandene Kloake stösst. Nach dem Ausschlüp- 
fen der Larve verschmilzt das Hinterende dieser Falte (Fig. 38) 
mit dem eingestülpten Theile der Kloake, und eine Zeitlang später 


126 A. Kowalevsky: 


wächst aus der Falte ein zweiter blinder Fortsatz hervor, der auch 
mit dem Boden der Einstülpung verschmilzt. Die länglichen Spal- 
ten ks Figg. 37 n, 38 stellen also jetzt diejenigen zwei Kiemenspalten 
dar, welche nur nach der Metamorphose ihre volle Entwicklung er- 
langen. Sie sind die zwei ersten Kiemenspalten, welche von allen 
Forschern an der jungen Ascidie angetroffen werden. Der Raum 
(Figg. 37, 38 bb) zwischen den beiden Kiemenspalten stellt den Canal 
dar, durch welchen nach dem begonnenen Kreislaufe die Blutkör- 
perchen zwischen den Kiemenspalten durchtreten. 

Was die Lagerung der Analöffnung anlangt, so ist sie bei den 
Aseidienlarven auf die Seite geschoben, dagegen bei den einfachsten 
Tunicaten, bei den Appendicularien, liegt sie ganz nach unten, unter 
der Anheftung der Chorda, und zu deren Seiten münden die beiden 
Kiemenspalten oder Kloakenöffnungen. 

Es wird allgemein angegeben, dass die Entwicklung des Her- 
zens erst in der Ascidie beginnt, es ist aber nicht so; schon an 
den aus dem Eie ausgeschlüpften Larven kann man ganz deutlich 
die Anlage des Herzens in Form eines länglichen und geschlosse- 
nen Bläschens an der rechten Seite des Endostyl beobachten (Fig. 
35 h). Die weitere Entwickelung geht nach der Anheftung der 
Larve vor sich. 

Bevor ich die Beschreibung der Larve verlasse und zur Bildung 
der Ascidie mich wende, will ich noch über die Abstammung der 
Leibeshöhle der Larve einige Worte sagen. Vergleichen wir die Fi- 
guren von der beginnenden Einstülpung des unteren Blattes (Figg. 
5 und 6) bis zur reifen Larve (Fig. 35), so finden wir überall die 
scharfe Grenze, durch welche die Haut von dem darunter liegenden 
Organe getrennt ist. Auf der Fig. 5 stellt es noch den Rest der 
Furchungshöhle dar, welche allmälig zu einem einfachen Spalt zwi- 
schen dem oberen und unteren Blatt zusammengedrückt wird; in 
dieser Spalte lagern sich die aus den Zellen des mittleren Blattes 
abstammenden Biutkörperchen und schon bei der entwickelten Larve 
drängen sich dieselben zwischen Darmwandungen und Haut bis an 
das Vorderende. Da später der Spalt oder Raum, wo diese Zellen 
— Blutkörperchen — liegen, zur bleibenden Leibeshöhle der Asci- 
die wird, und da rückwärts dessen Abstammung aus der Fur- 
chungshöhle auf den Figuren sehr leicht zu verfolgen ist, so kann 
man als bewiesen ansehen, dass bei den Ascidien die Leibeshöhle 
doch aus der Furchungshöhle abstamme. Bei den höheren Wirbel- 


Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. 127 


thieren entsteht durch Spaltung des mittleren oder Muskelblattes 
eine ganz neue Höhle, welche zur bleibenden Leibeshöhle wird und 
den Rest der Furchungshöhle verdrängt. 

PS. Als ich diesen Aufsatz absenden wollte, erhielt ich einen 
Brief von Metschnikoff aus S. Wast vom 24. Juni, in welchem 
er mir mittleilt, dass nach neuen Untersuchungen der Ascidien- 
entwicklung er in zwei Hauptpuncten sich meiner Ansicht anschliesst, 
nämlich: dass aus der hufeisenförmigen Anlage die aus zwei Zellen- 
reihen anfangs gebildete Chorda entsteht, und dass das Nerven- 
system aus dem oberen Blatte abstamme. Damit werden meine und 
Metschnikoff’s Untersuchungen in den Hauptpuneten überein- 
stimmen. 


Neapel, 2. Juli 1870. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. X, Xi, XI, XIM. 


Warte] X. 


Fig. 1, 2, 3, 4 bei Vergrösserung von 505 gezeichnet. 

Fig. 1. Junger Eierstocksfollikel. a Follikelepithelzellen. b der noch 
ganz durchsichtige Inhalt des Eies. ce Kern oder Keimbläschen. d Nucleo- 
lus oder Keimfleck. 

Fig. 2. e die in den Dotter eintretenden Epithelzellen des Follikels. 
b in dem Dotter treten schon Fettkörnchen auf. 

Fig. 3. e die in den Dotter eingetretenen Follikelepithelzellen haben 
sich bedeutend vermehrt und bilden eine fest zusammenhängende Schicht um 
den Dotter. 

Fig. 4+ e die Testazellen, welche jetzt in Form eines grünlich 
oder gelb gefärbten Cylinder-Epitheliums den Dotter umgeben. a äussere 
Follikelepithelzellen; b deren Kerne. 

Die folgenden Figuren dieser Tafel sind bei Vergrösserung 290 ge- 
zeichnet. 

Fig. 5. Eine Seite des gefurchten Eies oder des eischichtigen Blasto- 
derms stülpt sich in die andere ein. fh Furchungshöhle. 

Fig. 6. Eine Seite des Blastoderms hat sich in die andere eingestülpt. 
b ac unteres Keimblatt. bdc äusseres Keimblatt. 

Fig. 7. Ein optischer Längsschnitt desselben Eies. fh Rest der Fur- 
chungshöhle. 


128 Erklärung der Abbildungen auf Taf. X, XI, XIL, XI 


Fig.8. Ein etwas mehr entwickeltes Ei von der Rückenseite betrach- 
tet. eo die Einstülpungsöffnung, welche schon etwas nach hinten gerückt 
ist; e dessen vorderer, b dessen hinterer Rand. 

Fig. 9. Ein noch mehr entwickeltes Ei. eo die Einstülpungsöffnung. 
ch Zellen der Chorda-Anlage, welche dem unteren Blatte angehören. u obe- 
res Blatt. 

Fig. 10. Optischer Längsschnitt desselben Eies. ch die zwei Zellen 
der Chorda-Anlage, welche vor der Einstülpungsöffnung liegen. 

Fig. 11. Optischer Querschnitt durch das hintere Ende desselben 
Embryos. oe Einstülpungsöffnung; ch zu dessen Seiten liegende Zellen der 
Chorda-Anlage. m unteres Blatt, u oberes Blatt. 

Fig. 12. Ein schon bedeutend verlängerter Embryo. ae Einstülpungs- 
öffnung. dd Zellen des Darmdrüsenblattes. ch Zellen der Chorda-Anlage. 


rare le Rate 


Die Figuren 13 bis 26 sind bei Vergrösserung von 290 gezeichnet, die 
Figuren 27 und 28 bei Vergrösserung 375. 

Fig. 13. eo Einstülpungsöffnung. r Ränder der Rückenfurche; der 
hintere Rand der Rückenfurche bedeckt einen Theil der schon sehr klein ge- 
wordenen Einstülpungsöffnung. ch die durchschimmernden Chordazellen. 

Fig. 14. Derselbe Embryo im optischen Längsschnitte. eo Einstül- 
pungsöffnung. ch die zwei inneren Zellen der Chorda-Anlage. dd Darm- 
drüsenblatt. 


Fig. 15. Ein etwas mehr entwickelter Embryo, die Rückenfurche in 
seinem hinteren Theile geschlossen. r Ränder der Rückenfurche. Der Boden 
der Furche ist dunkel gezeichnet. 

Fig. 16. Optischer Längsschnitt desselben Embryo. eo spaltförmiger 
Rest der Einstülpungsöffnung. f der faltenartig erhobene hintere Rand der 
Rückenfurche, aus zwei Epithelialschichten bestehend; dessen innere obere 
Wand das Nervenrohr bildet und unmittelbar in das Dartdrüsenblatt über- 
geht; die obere bildet die Haut. 

Fig. 17. Querschnitt desselben Embryo aus dem vorderen Ende des 
Embryo. dd Darmdrüsenblatt. rf Rückenfurche. h Haut. 

Fig. 18. Ein noch mehr entwickelter Embryo, die Rückenfurche in 
ihrem ganzen hinteren Theile geschlossen und nur vorn bleibt noch eine 
grosse Oeffnung; man unterscheidet am Nervenrohre zwei Theile 'oder Bla- 
sen, den vorderen a, den hinteren b. 

Fig. 19. Derselbe Embryo bei etwas tieferer Einstellung des Mikros- 
kops.. ch Chordascheibe. m Muskel- oder mittleres Blatt. dd Darm- 
drüsenblatt. 

Fig. 20. Derselbe Embryo im optischen Längsschnitt. ch Chorda, 
deren Zellen zwischen einander wachsen. dd Darmdrüsenblatt. welches den 
Vorderdarm bildet. dd‘ die Darmdrüsenblattzellen, welche unter der Chorda 
liegen. en die obere Wand des sich schliessenden Nervenrohrs; die Zellen- 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. X, XI, XII, XIII. 129 


schicht n setzt sich nach hinten in dem Darmdrüsenblatt fort; die Zellen- 
schicht e ist die Haut. 

Fig. 21. Derselbe Embryo von unten gesehen, bei der etwas tieferen 
Einstellung des Mikroskops. Bezeichnung wie Fig. 20. m mittleres oder 
Muskelblatt. 

Fig. 22. Optischer Querschnitt durch den hinteren Theil desselben 
Embryo. n Nervenrohr. ch Chorda. mm Muskelblatt oder Muskelzellen. 
dd‘ Darmdrüsenblattzellen. 

Fig. 23. Ein noch entwickelter Embryo, von der Seite gesehen. 
n nach vorne offenes Nervenrohr, welches nach hinten bis zum hinteren Ende 
der Chorda reicht. dd Vorderdarm. dd‘ Darmdrüsenblattzellen. ch Chorda. 
m Muskelzellen. r Rest der Rückenfurche. 

Fig. 24. Derselbe Embryo, von oben gezeichnet. a vordere oder 
Gehirnblase; b zweite Gehirnblase oder Rumpfganglion: b‘ dritte Nerven- 
blase oder Rückenmark. 

Fig. 25. Ein bedeutend mehr entwickelter Embryo mit schon aus- 
gewachsenem Schwanze. Die Chordazellen liegen jetzt in einer Reihe und 
haben die Form von sehr flachen Scheiben. Die Nervenröhre ist schon voll- 
ständig geschlossen. 

Fig. 26. Optischer Querschnitt durch das hintere Ende des Schwan- 
zes, wo nur zwei Muskelzellen jederseits liegen. 

Fig. 27. Ein etwas mehr entwickelter Embryo von dem Rücken aus 
gesehen, bei stärkerer Vergrösserung. h Haut oder äusseres Epithelium. 
m Muskelblatt. dd Vorderdarm, dessen vorderes Ende o nach oben gerich- 
tet erscheint. gb Gehirnblase; gb‘ zweite Gehirnblase oder Rumpfganglion. 

Fig. 28. Ein etwas mehr entwickelter Embryo; die rechte Seite der 
Gehirnblase schnürt sich in zwei Theile, der hintere, etwas hervorragende 
Theil ist die Anlage des Auges. 


Marke) xuI: 


Die Figuren 29, 30, 31, 32, 33 und 34 sind bei Vergrösserung 375 ge- 
zeichnet, die Figur 35 bei Vergrösserung 505, die Figur 36 bei Vergrösse- 
rung 730. 

Fig. 29. Eine bedeutend entwickelte Larve.e h Haut. o die begin- 
nende Einstülpung der Mundöffnung. dd Vorderdarm. dd‘ Darmdrüsen- 
blattzellen im Schwanze. m‘ Zellen des mittleren Blattes im Rumpfe. m Zel- 
len des mittleren Blattes oder Muskelzellen "des Schwanzes bedeutend ver- 
länger. Rm Rückenmark. Rg Rumpfganglion. Gb Gehirnblase. ot Oto- 
lithanlage. ch Chorda. 

Fig. 30. A Anlage des Auges in der Gehirnblase. Kl Anlage der 
Kloakeneinstülpungen. Die übrige Bezeichnung wie Fig. 29. 

Fig. 31. hp Haftpapillen. p Pigment. Die übrigen Bezeichnungen 
wie Fig. 29. 

Fig. 32. Die Zellen des mittleren Blattes im Rumpfe beginnen sich 


130 Erklärung der Abbildungen auf Taf. X, XI, XII, XII. 


abzurunden. Chs das Auftreten der Chordasubstanz. f Zusammenhang der 
Höhle der Gehirnblase mit der Kiemenhöhle. Kl Kloakeneinstülpungen. 

Fig. 33. Derselbe Embryo von oben. 

Fig. 34. Eine aus dem Eie ausschlüpfende Larve. kh Kiemenhöhle. 
d der auswachsende Darm. 

Fig.35. Eine schon ein paar Tage freischwimmende Larve, von unten 
gesehen. ch Chorda. m Blutkörperchen. en Endostyl. kr Kiemensack. 
Ks, ks den beiden Kiemenspalten entsprechende Auftreibung des Kiemen- 
sackes. d Darm, die Anlage des Oesophagus und Magen. d‘ Enddarm. 
h Herzanlage. 

Fig. 36. Ein Theil des Schwanzes, von der Seite gesehen, bei sehr 
starker Vergrösserung. e Epithelzellen. ff in denselben auftretende stark 
lichtbrechende Körperchen. Rm Rückenmark. m die in drei Reihen liegen- 
den Muskelzellen. 

Tafel XIII 


Die Figuren sind bei Vergrösserung 375 gezeichnet. 

Fig. 37. Eine schon zwei Tage frei schwimmende Larve. hp Haft- 
papillen. o Mundöffnung. f der Zusammenhang der Gehirnblase mit der 
Kiemenhöhle en Endostyl. d Darm. ks Kiemensack. 1ks erste Kiemen- 
spalte. 2ks zweite Kiemenspalte. bb Eintritt in die Blutbahn zwischen den 
beiden Kiemenspalten. klm Kloakenmündung. b Blutkörperchen. Gb Ge- 
hirnblase. Rg Rumpfganglion. Rm Rückenmark. Ch Chorda. Chs Chorda- 
scheide. 

Fig. 38. Derselbe Embryo von oben. end Enddarm. m Muskeln im 
Schwanze. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 37. 


Ueber Schwärmerbildung bei Noctiluca miliaris. 


Von 
Prof. L. Cienkowski. 


Hierzu Taf. XIV und XV. 


Die Entwicklungsgeschichte der Noctiluca ist zur Zeit noch 
sehr mangelhaft bekannt: die Vermehrung durch Theilung und 
innere Knospenbildung ist fast Alles, was wir über diesen Gegen- 
stand besitzen. Die Theilung war vollständig von Baddeley!) be- 
obachtet und abgebildet, dagegen ist die von Busch?) ausgespro- 
chene Vermuthung, dass die jüngsten Stadien der Noctiluca von 
inneren Keimkörpern herstammen, thatsächlich nicht bewiesen. 
Gosse’s®) Arbeit, die die Vermehrung durch innere Knospen be- 
stätigen soll, habe ich leider mir nicht verschaffen können. 

Am Schlusse des Aufsatzes über Noctiluca erwähnt Busch‘), 
dass er unter genannten Thierchen oft runde, durchsichtige Schei- 
ben, die an Grösse, Consistenz und Leuchtvermögen den Noctiluken 
glichen, zahlreich auffand. Ihr Inhalt war fast ganz homogen, 
nur an einem sehr kleinen Segmente oben bemerkte man viele gelb- 
liche Fortsätze. In welchem Zusammenhang erwähnte Körper mit 
den Noctiluken stehen, blieb von Busch unermittelt. 

Diese Körper sind Gegenstand vorliegender Untersuchung, die 


1) Quarterly Journ. of mieroscop. Sc. 1857 p. 189. 
2) Untersuch. wirbelloser Thiere p. 104. 

3) Rambles on the Devonshire coast 1853. 

4) l. c. p. 105, T. XV Fig. 22, 23. 


132 L. Cienkowski: 


ich im verflossenen Frühling während der Monate April und Mai 
auf der Insel Prinkipo bei Constantinopel anstellte. 

Ohne die oben eitirte Stelle aus Busch’s Aufsatz damals zu 
kennen, wurde meine Aufmerksamkeit bald auf Blasen gerichtet, 
die obwohl wie Noctiluken aussahen, jedoch der Geissel, der Mund- 
vertiefung und des Nucleus entbehrten. Sie waren inhaltarm, statt 
dessen trugen sie an ihrem Scheitel eine Scheibe, die aus lauter 
kleinen, ovalen oder halbmondförmigen Körperchen bestand. Die 
Scheibe nahm gewöhnlich den dritten Theil der Kugeloberfläche ein, 
es kamen aber auch bedeutend kleinere vor; ihr Umriss war rund, 
unregelmässig ausgezackt, viel seltener begegnete man schmalen, 
gürtelartig die ganze Kugelhälfte umfassenden Scheiben (Fig. 1, 2, 3). 
Die Körperchen, die sie zusammensetzen, liegen dicht aneinander- 
gedrängt, blos an einigen Stellen leere Lücken hinterlassend. In 
kleineren Scheiben sind sie in wurmartigen Linien oder offenen Krei- 
sen gestellt (Fig. 18). Diese Körperchen ragen über die Blase mit 
ihren zugespitzten Enden empor, mit der abgerundeten Basis sind 
sie in das unterliegende dichte Protoplasma eingebettet, welche sich 
nach unten längs den Wänden in zahlreiche, sehr feine Strahlen 
und Netze vertheilt. Die scheibentragenden Blasen sind in Grösse, 
Consistenz, dem Leuchtvermögen, zum Theil in der Anordnung des 
Inhalts, besonders in den ersten Stadien der Scheibenentwickelung, 
ferner in der Leichtigkeit, mit ‚welcher sie bei leisester Berührung 
zahlreiche Falten bilden und einschrumpfen, vollständig den Nocti- 
luken ähnlich, und ich stehe nicht an, sie als identisch mit densel- 
ben zu erklären. Der Umstand, dass sie keine Geissel, keinen 
Nucleus besitzen und der Mundvertiefung entbehren, hat wenig Be- 
deutung, da man oft Noctiluken ohne Geissel mit gewölbter Mund- 
stellung zur Ansicht bekommt; auch werden Exemplare, die statt 
des sogenannten Nucleus einen starken Plasmastrang aufweisen, nicht 
selten gefunden. 

Betrachten wir jetzt näher die Structur der aus der Scheibe 
hervorragenden Körperchen. 

Bei starker Vergrösserung unter Deckglas betrachtet, erblickt 
man am Rande der untersuchten Scheibe einen Dickicht langer, 
schwingender Cilien, die von der Basis der hervorragenden Körper- 
chen ihren Ursprung nehmen (Fig. 4). Hat man reife Stadien zur 
Beobachtung gewählt, so gelingt es, die Körperchen nach und nach 
die Scheibe verlassen und frei im Wasser nach der Art der Algen- 


Ueber Schwärmerbildung bei Noctiluca miliaris. 133 


zoosporen herumschwimmen sehen (Fig. 5—10). Diese Schwärmer 
sind 0,016—0,022 Mill. lang und 0,012 Mill. breit; ihre Form er- 
innert an junge Hutpilze. Sie bestehen aus einem schief auf dem 
Stiel aufgesetzten Kopfe (Fig. 5, 6 k); der Stiel bildet eine flache, 
etwas gewölbte Blase, die an einer der schmalen Seiten einen stark 
verdickten Stachel trägt. Der breite Theil desselben geht ununter- 
brochen in den Kopf über, der zugespitzte”ragt mehr oder weniger 
über die Blase nach unten hervor (Fig. 5—10, s, t). Der Kopf, 
wie schon erwähnt, hat eine schiefe, sehr verschieden geneigte Stel- 
lung, sein Rand bildet eine schräg umlaufende Leiste, die bei der 
Seitenansicht zahnartig über den Stiel hervorragt (Fig. 8, 9). Wo 
die innere Seite des Stachels mit der Kopfleiste zusammentrifft, oder 
auch etwas höher, ist die verhältnissmässig dicke, sehr lange Cilie 
angeheftet (Fig. 5—10 w). Wasden Inhalt des‘ Schwärmers betrifft, 
so findet man beständig in der Stielblase einen grossen, nucleus- 
artigen Körper; ausserdem enthielt sie, wie auch der Kopf einige 
zerstreute Schleim- und Fetttröpfchen (Fig. 8, 9 n); fremde Gegen- 
stände im Innern wurden nie angetroffen. Die oben beschriebene 
Structur hat der Schwärmer, wenn er noch in der Scheibe befestigt 
ist, oder kurz nach dem Austritt aus derselben; bei längerem Herum- 
schwimmen wird seine Spitze abgerundet, der Stachel unmerklich 
und er bekommt eine an die Colpoda erinnernde Form (Fig. 8, 9). 
Während der Bewegung richtet der Schwärmer den Kopftheil voran, 
die Cilie nachschleppend; beim Absterben verkürzt sich letztere, 
stellenweise knotenartig anschwellend. 

Bevor wir den Versuch machen, über die Bedeutung dieser 
für die Noctiluca räthselhaften Bildungen eine Ansicht auszuspre- 
chen, müssen wir zuerst ihre Entwickelung wo möglich lückenlos 
verfolgen. 

Zu diesem Zwecke benutzte ich frische Noctiluken, die ich auf 
dem Objectträger durch mehrere Stunden hindurch im Wassertrop- 
fen untersuchte; die Beobachtung an einem und demselben Exem- 
plare von Anfang an bis zum Austritt der Schwärmer zu verfolgen, 
ist unmöglich, da die Noctiluken im günstigen Falle über 12 Stun- 
den in Wassertropfen nicht leben können, gewöhnlich aber schon 
nach einer viel kürzeren Zeit zusammenschrumpfen; es gelingt 
jedoch, auf dem Objectträger den Uebergang einiger wichtigeren 
Entwickelungsstadien in die nächsten direkt zu beobachten. Der 
Erfolg scheint hier, sowie auch bei der unten beschriebenen Copu- 


M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Auatomie. Bd. 7. 10 


134 L. Cienkowski: 


lation hauptsächlich dadurch bedingt zu sein, dass man die Nocti- 
luken in Wassertropfen in sehr feuchtem Raume kultivirt und die 
Berührung mit trockener Luft wo möglich beseitigt. 

Als jüngste Zustände der Scheibenbildung betrachte ich die 
sehr selten vorkommenden, auf Fig. 13 abgebildeten Exemplare. 
Es sind bisquitartige Blasen ohne Geissel, ohne Mundvertiefung, mit 
zwei stark hervorragenden Lappen, deren jeder ein paar zum Theil 
noch vereinigter Protoplasma-Ballen, die nach allen Seiten in weit 
verzweigte Strahlen auslaufen, enthält. 

Darauf wahrscheinlich folgendes Stadium zeigte 4 stark her- 
vorgewölbte Lappen (Fig. 14) mit am Scheitel verdichtetem Proto- 
plasma, das sich sonst wie bei normalen Noctiluken längs den Wän- 
den in feinste Strahlen und Netze vertheilte. Bei der Seitenansicht 
wurde es deutlich, dass die Umrisse der Lappen mehr oder weniger 
tief sich fortsetzten, ja selbst den entgegenliegendeu Rand erreich- 
ten, so dass es schien, die untersuchte Noctiluca bestände aus eini- 
gen zusammengewachsenen Exemplaren. 

Die weiter in der Scheibenbildung vorangegangenen Individuen 
besassen 8, 16, 32 meist mit breiter Basis aufsitzende Hügel oder 
Kämme, die ausdrücklich als Hervorstülpungen der sie tragenden 
Blase zu erkennen waren (Fig. 15, 16). Die Wand der Noctiluca 
setzt sich ununterbrochen in die der Hügel fort, ebenso das Proto- 
plasma. Zahlreiche Falten, die man an den Hügeln in verschiede- 
nen auch späteren Stadien so oft findet, beweisen, dass ihre Ober- 
fläche von einer dichteren Substanz als das in ihnen eingeschlossene 
Protoplasma besteht, obwohl beide ohne scharfe Grenze in eimander 
übergehen. Ueberhaupt ist eme reiche Faltenbildung um die ent- 
stehende Scheibe eine gewöhnliche Erscheinung (Fig. 16, 17). 

Die uns hier beschäftigenden Ausstülpungen oder Hügel sind 
nicht ohne Ordnung auf der Noctiluca zerstreut, vielmehr nehmen 
sie eine regelmässige Stellung ein; die Hügel bilden einen Gürtel, 
wo sie gruppenweise zu vier vereinigt um den Scheitel der Blase 
sich hinziehen (Fig. 15). Solche Anordnung schien anzudeuten, dass 
jede Hügelgruppe durch Theilung einer vorangegangenen grösseren 
Wölbung entstand. Diese Vermuthung liesse sich denn wirklich 
durch direkte Beobachtung constatiren. An einer jungen Scheibe, 
die aus 32 in 8 Gruppen gestellten Hügeln bestand, habe ich wäh- 
rend einiger Stunden in kleinen Zwischenpausen die Theilung der 
Hügel genau verfolgen können. Sämmtliche Hügel waren‘ hier 


Ueber Schwärmerbildung bei Noctiluca miliaris, 135 


wie auch bei früheren Stadien vom Protoplasma erfüllt, einige ein- 
gen noch continuirlich in den Inhalt der Noctiluca über, andere 
schieden sich schon deutlich ven denselben ab. Die Umrisse der 
Hügel von oben gesehen waren sehr mannigfaltig: rund, oval, un- 
regelmässig, wurmförmig, gelappt (Fig. 20, 21). In den letzten For- 
men vollzog sich grade die Theilung, welche auf die übliche Art 
durch Abschnürung ausgeführt wurde (Fig. 20 f,0,r,s; 21). Das- 
selbe Verfahren wurde angewandt, um die neu entstandenen Hügel 
von dem gemeinschaftlichen Protoplasma abzutrennen (Fig. 22, 23 v). 
Gewöhnlich wird ein kegelförmiger Hügel in 2 neue zerlest (Fig. 
20t,1,k); stellt er dagegen einen emporragenden Kamm dar, so 
zerfällt er gleichzeitig in mehrere Theile (Fig. 21). Auf diese 
Weise wird eine Gruppe, die aus vier Hügeln besteht (Fig. 20 A), 
nach einigen Stunden in 8, 16, 32 hervorragende, von dem 
unterliegenden Protoplasma abgegrenzte Fortsätze, die sich noch 
mehrere Male weiter theilen können, umgebildet (Fig. 20 A‘, A“). 
Dieses wiederholt sich in jeder Gruppe (Fig. 20 B, B‘, B“). Je 
weiter die Theilung vorschreitet, desto kleiner werden die Fortsätze 
(Fig. 17, 18), desto mehr bekommen sie eine gebogene, an einem 
Ende zugespitzte Form. Gleichzeitig werden auch die von einander 
abstehenden Gruppen, wahrscheinlich durch Contraction des sie ver- 
bindenden Protoplasma susammengerückt, die Scheibe mit den Schwär- 
mern, von welchen unsere Untersuchung ausging, bildend. Dabei 
schreitet die Reifung der Schwärmer vom Centrum gegen die Peri- 
pherie fort. Während die an dem Umkreise der Scheibe gelegenen 
Hügel noch in reger Theilung begriffen sind, schwingen schon in 
ihrer Mitte die Cilien der fertigen Schwärmer. Bei schädlichen 
Einflüssen fällt die reifende Scheibe zusammen und löst sich von 
der Blase vollständig ab (Fig. 19). 

In den meisten Fällen wiederholt sich der geschilderte Vor- 
gang, die Abweichung von der Norm scheint in einer beschleunigten 
Entwickelung zu bestehen, die sich durch starke, wurmförmige Wu- 
cherungen mit regelmässig aufsitzenden oder ohne Ordnung auf 
ihnen zerstreuten Ausbuchtungen kund gibt (Fig. 24). 

Ueberblicken wir jetzt noch einmal die ganze Entwickelungs- 
reihe. Die Schwärmer sind weiter ausgebildete Fortsätze; diese ent- 
stehen durch Theilung der Hügel; die letztern stellen wiederum 
Theile grösserer Ausstülpungen der Noctiluca vor; das Protoplasma 
wird stets in die Bildungsreihe aufgenommen. Sicher können wir 


136 L. Cienkowski: 


die junge Scheibe hinauf bis zu 8 und 16 gruppenweise angeord- 
neter Hügel verfolgen (Fig. 15). Mit grosser Wahrscheinlichkeit 
darf man wohl schliessen, dass diese 8 und 16 Hügel aus den ur- 
sprünglichen 2 und 4 Wölbungen (Fig. 13, 14) entstehen, direct 
wurde dieses noch nicht bestätigt. — Wie dem auch in Bezug auf 
die allerfrühesten Zustände der Scheibe sein mag, so sind wir 
nach dem oben Mitgetheilten berechtigt, die Schwär- 
mer als Abschnürungen kleinster, mit Protoplasma er- 
füllter Theile der Noctiluca-Blase aufzufassen. 

Gestützt auf die oben vorgeführten Thatsachen, die uns mit 
der Structur und Entwickelung der in Noctiluca entstehenden Schwär- 
mer bekannt machen, können wir zuletzt die Frage berühren: 
Welche Bedeutung haben diese Schwärmer? Sind es Zoosporen 
der Noctiluca, oder möglicherweise Keime eines in ihr nistenden 
Fremälings ? 

Der Beweis des genetischen Zusammenhanges unserer Schwär- 
mer mit der Noctiluca würde geführt sein können, wenn wir wenig- 
stens über einen der folgenden Punkte vollständig im Klaren wären. 
1) Besitzt der Schwärmer Structurverhältnisse oder Organe, die man 
auch bei den schon bekannten jungen Noctiluken findet? 2) Was 
wird aus dem Schwärmer? 3) Steht es unzweifelhaft fest, dass 
er aus dem Inhalte der Noctiluca sich bildet? 

Die erste Frage führt uns zu der Betrachtung der frühesten, 
von anderen Forschern untersuchten Entwickelungsstadien. Wie 
bekannt, hat Busch junge Noctiluken aufgefunden, die eine Geissel 
und ein stabförmiges, hervorragendes Organ trugen !). Diese Gebilde 
sucht der genannte Forscher von anderen, die des Stabes ermangel- 
ten und blos mit der für die Noctiluca characteristischen Geissel ver- 
sehen waren, abzuleiten); letztere Entwickelungsstufe solle schliesslich 
von einem besonderen Keimkörper abstammen. Wir sind genöthigt, 
uns blos an die stabtragenden Gebilde zu halten, da die geissel- 
besitzenden ungenügend bekannt und ausser dem zugespitzten Ende 
keinen Vergleich mit unserem Schwärmer erlauben. Dagegen scheint 
er mit dem stabtragenden Stadium in nächster Beziehung zu stehen. 
Es ist wahrscheinlich, dass sein hervorragender Stachel bei weiterer 


1) 1. cc. p. 104 T. XV Fig. 18, 19. 
2) Lie T& XV. Figs 17; 


Ueber Schwärmerbildung bei Noctiluca miliaris. 137 


Entwickelung in den Stab der jungen Noctiluca sich umwandelt. 
Zu Gunsten dieser Vermuthung kann ich zwei Fälle anführen, wo 
am Schwärmer der Stachel eine bedeutende Länge erreichte (Fig. 
11, 12). Entschieden wird freilich die Frage erst dann, wenn wir 
über das fernere Schicksal des Schwärmers Aufschluss erhalten wer- 
den. Allein alle möglichen Versuche, dieses zu erzielen, sind immer 
erfolglos gewesen. Auf dem Objectträger und in Uhrschälchen gin- 
gen die Schwärmer stets zu Grunde. Bevor künftige Forschungen 
die auf den Schwärmer folgenden Stadien ausfindig machen, müssen 
wir uns daher mit den Gründen, die die Entwickelung der Scheiben 
an die Hand gibt, begnügen. 

Die Schwärmer, wie ich berichtet habe, entstehen aus Abschnü- 
rungen der Noctilucablase und des unterliegenden Protoplasma. 
Die Regelmässigkeit der hier ablaufenden Vorgänge, das ähnliche 
Aussehen des Protoplasma in den schwärmerbildenden Blasen und 
gewöhnlichen Noctiluken lassen den Verdacht, wir hätten hier mit 
der Entwickelung eines Parasiten zu thun, kaum einen Platz. Wir 
müssten sonst annehmen, dass ein Schmarotzerkeim in Form einer 
winzig kleinen, leicht zu übersehenden Amoebe, oder eines Bacte- 
riums u. dgl. in die Noctiluca eindringt, ihr Protoplasma in sich 
aufnimmt und Schwärmer bildet, die zuletzt auf unbekannte Weise 
in kleinere Keime zerfallen, um sich von Neuem in die Noctiluca 
einzunisten — eine zwar denkbare, aber im gegebenen Falle höchst 
unwahrscheinliche Voraussetzung. 

Die Ansicht, dass die oben beschriebenen Schwärmer in den 
Entwickelungskreis der Noctiluca gehören, scheint mir daher am 
meisten den vorhandenen Thatsachen zu entsprechen. 

‘ Für die Erforschung der frühesten Stufen der Scheibenbildung 
mögen am Schlusse noch folgende Thatsachen nicht unerwähnt 
bleiben. 

Es ist gewiss auffällig, dass die meisten scheibentragenden Noc- 
tiluken durch ihre Grösse und eine Einkerbung sieh auszeichnen. 
Sollte dieser Umstand nicht darauf hindeuten, dass der Schwärmer- 
entwickelung eine Copulation vorangehe? Dieses veranlasste mich, 
auch die bekannten, bei meinen Untersuchungen sehr selten vorkom- 
menden, bisquitförmigen Individuen genau auf ihr weiteres Verhal- 
ten zu prüfen. Nach sehr vielen resultatlosen Versuchen gelang es 
mir, auf dem Objectträger in Wassertropfen die Verschmelzung zweier 
Individuen Schritt für Schritt zu beobachten. 


138 L. Cienkowskiı: 


Der Vorgang ist folgender. Die copulirenden Noctiluken legen 
sich stets mit der Mundvertiefung fest aneinander. Darauf wird man 
eine Protoplasmabrücke, die eontinuirlich die Nuclei beider Exem- 
plare vereinigt, gewahr. Etwas später verschwinden in der Berüh- 
rungsgegend die Umrisse der Blasen, wodurch die bekannte tief ein- 
geschnürte Bisquitform entsteht. Bei noch weiter ausgeführter Ver- 
schmelzung wird die Einschnürung immer unmerklicher, bis sie zu- 
letzt an einer Seite gänzlich verschwindet, an der anderen eine Ein- 
kerbung oder Vertiefung zurücklässt. Während die Blasen in eine 
verschmelzen, erfährt auch der Inhalt eine Veränderung. Die ur- 
sprüngliche Verbindungsbrücke verkürzt sich immer mehr, bis die 
Nuclei zusammenstossen und wie die Blasen in einen Körper ver- 
schmelzen; dabei bleibt die Anordnung des übrigen Protoplasma in 
Stränge und Netze wie bei normalen Einzel-Individuen. Was das 
Verhalten anderer Theile, der quergestreiften Geissel, des Stabes bei 
der Copulation betrifft, so konnte ich an einem copulirten Paare 
am Anfang 2 Geisseln unterscheiden, später aber, als eine offene 
Communication hergestellt war, verschwanden sie, ohne dass ich 
anzugeben vermag, ob sie eingesogen oder abgestreift wurden. Das 
Erste scheint mir wahrscheinlicher, weil ich zu wiederhoiten Malen 
Noctiluken fand, an welchen die Geissel blos als kleiner Fortsatz 
über die Oberfläche hervorragte. Von den stabförmigen Theilen 
kann ich nur angeben, dass sie in einem der beobachteten Fälle, 
bei copulirenden Individuen zuerst in einer Linie lagen, nachher bei 
vollzogener Verschmelzung verschoben und in einen Winkel gegen- 
einander gestellt wurden. Der ganze Vorgang der Copulation 
dauerte 5—6 Stunden; die durch Verschmelzung zweier Individuen 
entstandenen Blasen waren stets grösser als die normalen. Geringe 
Unterschiede des geschilderten Vorgangs betreffen die Länge der 
vereinigenden Brücke, die Stelle wo die Nuclei zusammenfliessen, 
die Einkerbung, die auch gänzlich verschwinden kann. 

Es war mir leider nicht vergönnt, die Produkte der Copula- 
tion in ihrer Entwickelung weiter zu verfolgen, um ihrem, wie ich 
glaube, wahrscheinlichen Zusammenhang mit den scheibenbildenden 
Blasen mehr factischen Halt zu gewähren. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XIV. und XV. 


Alle Figuren sind mit dem Oberhäuserschen Prisma abgebildet. Die 
Vergrösserung ist in Klammern angegeben. 

1. Ein ausnahmsweise kleines Exemplar mit einer Scheibe, von oben 
gesehen (140). 

2. Seitenansicht der Scheibe (140). 

3. Eine Gürtelscheibe (140). 

4. Die Scheibe besteht aus zahlreichen, mit langen Cilien versehenen 
Schwärmern (480.. 

5—10. Die Schwärmer in verschiedener Stellung. k der Kopf; s der 
Stachel; b die Blase; n Nucleus; w die Wimper (760). 

11—12. Schwärmer mit sehr grossem Stachel (760). 

13. Vermuthlicher Anfang der Schildbildung. p Protoplasmaballen ; 
f Falten; e Einkerbung (140). 

14, Wahrscheinlich darauf folgendes Stadium mit 4 Wölbungen (140). 

15. Sicher zur Scheibenbildung führende Entwickelungsstufe, aus 16 
Hügeln bestehend. bei einer etwas schiefen Lage gezeichnet (180). 

16. Die Hügeln sind Ausstülpungen der Noctiluca; f Falten (140). 

17. Aus 32 Hügeln bestehende junge Scheibe, von zahlreichen Falten 
umgeben, von oben gesehen (140). 

18. Die schon fast ausgebildete Scheibe mit zahlreichen, in wurmför- 
miger Linie angeordneten Fortsätzen; das Protoplasma ist weggelassen (140) 

19. Die sich von der Noctiluca lösende Scheibe (140). 

20. Die zwei Hügelgruppen A und B sind in verschiedenen aufein- 
anderfolgenden Theilungsstadien, wie sie direct auf dem Objectglase beobach- 
tet wurden, in A’B’ und A“B‘ (von oben gesehen) abgebildet. So z. B. durch 
Theilung des Hügels b (Gruppe A) enstanden in A‘ und A“ zwei neue Hügel: 
l;.k. Der Hügel f (Gruppe B) führte durch Einschnürung o (in B‘) zu zwei 
neuen Hügeln: r und s (in B’) (140). 

21. Grössere wurmförmige Ausstülpungen zerfallen gleichzeitig in meh- 
rere Hügel (480). 

22. Im Abschnüren von dem Protoplasma begriffene Fortsätze (760). 

23. Die entstehenden Fortsätze sind vom Protoplasma umflossen, theils 
noch wie in v mit demselben continuirlich vereinigt; an einigen (f) treten 
die Falten deutlich hervor (760). 

24. Abnorme, beschleunigte Hügelbildung (140). 


Beiträge zur Mikroskopie. 
Von 


&. Valentin. 


I. Die doppelt brechenden Eigenschaften der 
Embryonalgewebe. 


Die Schrift: Die Untersuchung der Pflanzen- und der Thier- 
gewebe in polarisirtem Lichte. Leipzig, 1861. 8., enthält schon 
S. 306—312 einige hierher gehörende Angaben. Ich suchte sie zu 
vervollständigen, indem ich Hühnerembryonen von verschiedenen 
Entwickelungsstufen der Prüfung in polarisirtem Lichte unterwarf. 
Die Eier wurden nicht in die Brutmaschine gebracht, sondern von 
einer Henne ausgebrütet, damit die Zeitbestimmungen auf eine grös- 
sere Beständigkeit Anspruch machen könnten, als dieses bei der 
künstlichen Entwickelung wegen der nicht immer gleichen Wärme 
aller in einer und derselben Vorrichtung aufbewahrten Eier selbst 
dann der Fall ist, wenn die Heizungswärme nicht wechselt. 

Ich prüfte zuerst einen dreitägigen Embryo, an dem man noch 
die Linseneinstülpung des Auges, die gekrümmte Schlauchform des 
Herzens und die einzelnen Hirnblasen hinter einander liegend er- 
kannte. Die Grenzvene des Gefässhofes war vollständig angelegt. 
Nahm man aus ihr einen Tropfen Blut in einem Haarröhrchen auf 
und verdünnte es mit Wasser, so liessen sich die beiden Blutbänder. 
am Spectroskope erkennen. 

Brachte ich die Keimhaut mit dem Embryo unter das Pola- 
risationsmikroskop, nachdem die Polarisationsebenen der beiden 
Nicols rechtwinkelig eingestellt und ein Gypsblättchen von Roth 
erster Ordnung unter dem Azimuth der Achsenebene von 45° ein- 


G. Valentin: Beiträge zur Mikroskopie. 141 


geschältet worden, so erschienen der durchsichtige Fruchthof, der 
Gefässhof, die Hirnblasen und der Wirbelcanal eben so roth, als der 
von Embryonaltheilen freie Abschnitt des Gesichtsfeldes.. Die dem 
künftigen Gesichte entsprechenden Massen, ein Theil des Herzschlau- 
ches, die Rückenplatten und deren Nachbargebilde gaben einen bläu- 
lichen Schimmer. Man überzeugte sich aber bald, dass diese Er- 
scheinung von keinem irgend merklichen Grade von Doppelbrechung 
herrührte. Sie blieb nämlich unverändert, wenn man auch die 
Längsachse des Embryo der Achsenebene des Gypsblättchens parallel 
oder auf ihr senkrecht stellte, schwand dagegen, so wie man den in 
der erwähnten Schrift S. 168 Fig. 62 c abgebildeten Cylinder her- 
unterliess, um alles unpolarisirte Seitenlicht abzublenden. Ich machte 
ähnliche Beobachtungen an den Mitteltheilen, also den verhältniss- 
mässig dichtesten Abschnitten der Linsenanlage und der Wirbel- 
quadrate. Die Rückensaite gab den rothen Gypsgrund unverändert 
wieder. Ich prüfte alle diese Gebilde zuerst ohne alle fremdartige 
Befeuchtung und später unter Eiweisslösung. Das eben Dargestellte 
lehrt also, dass sich noch keine Doppelbrechung in dem frischen 
feuchten Zustande verrieth. 

Man macht ähnliche Erfahrungen an Embryonen von zwei bis 
vier oder fünf Tagen, die schon seit längerer Zeit in Glycerin auf- 
bewahrt worden. Die nicht dem regulären Systeme angehörenden 
Krystalldrusen dagegen, die sich häufig in solchen Präparaten aus- 
scheiden, verrathen sich sogleich durch ihre Färbung, die von der 
des Gypsgrundes lebhaft abzustechen pflegt. Dasselbe wiederholt 
sich für jedes noch so kleine Bruchstück einer Leinwand- oder einer 
Baumwollenfaser, die dem Präparate zufällig anhaftet. 

Ein Embryo vom siebenten Tage verrieth schon die ersten 
Spuren der Doppelbrechung in einzelnen Theilen. Die blosse Be- 
obachtung in dem dunkeln Gesichtsfelde des Polarisationsmikrosko- 
pes reichte jedoch zur Wahrnehmung derselben nicht hin. Man 
kann die Farbenänderung, welche der rothe Gypsgrund erleidet, als 
Erkenntnissmittel benutzen. Es kommt übrigens hier viel darauf 
an, dass man ein Blättchen anwendet, das ungefähr den Werth von 
565 Milliontheilen eines Millimeters besitzt und daher ein reines Pur- 
purroth gibt. Ein solches mit dem in der dritten dieser Abhand- 
lungen erwähnten Sphärometer ausgemessenes Blättchen der Art, 
dessen ich mich zu diesen Untersuchungen bediente, hatte eine 
Dicke von 0,656 Millimeter. Nimmt man ein solches, dessen Werth 


142 G. Valentin: 


575 beträgt und das daher mehr oder minder Violett liefert, so 
wird man oft die ersten Spuren der Doppelbreehung, welche ein 
Blättehen von 565 deutlich nachweist, nicht erkennen. 

Die Haut des Dottersackes liess noch keine unzweifelhafte 
Doppelbrechung wahrnehmen. Sie zeigte sich dagegen spurweise an 
der Haut des Dotterganges, besonders da wo sie Falten warf. Die 
faltigen Stellen des Amnion erschienen blau, wenn die Längsachse 
derselben der Achsenebene des Gypsblättchens parallel stand, und 
gelb, wenn sie dieselbe senkrecht kreuzte. Sie verhielten sich also 
positiv im Verhältniss zu ihrer Längsrichtung. 

Der Embryo im Ganzen schien den rothen Gypsgrund nieht 
zu ändern. Anders verhielt es sich dagegen mit einzelnen Theilen 
desselben. 

Die Krystalllinse des Auges zeigte schon strahlige Fasern unter 
den Kugeln der Morgagnischen Feuchtigkeit. Eine mit der verhält- 
nissmässigen Stellung zur Achsenebene des Gypsblättchens wech- 
selnde Farbenänderung liess sich nicht bemerken, wenn man die 
Faserbruchstücke unter Wasser prüfte. Man darf sich aber hier 
nicht durch einen gelblichen Rand, der in allen Lagen des Präpa- 
rates wiederkehrt, täuschen lassen. Hatte ich die Linse des zweiten 
Auges in Glycerin gebracht, so gewann es den Anschein, als ob die 
erste zweifelhafte Spur positiver Doppelbrechung vorhanden wäre. 
Ich glaubte einen bläulichen Schimmer, entsprechend der Richtung 
der Achsenebene des Gypsblättchens, und einen gelblichen senkrecht 
darauf wahrzunehmen. Dieses würde mit dem positiven Verhalten 
der ausgebildeten, vollkommen frischen Linse übereinstimmen. 

Die mit wenigen Pigmentmolecülen gefüllten Zellen der Ader- 
haut und die Zellenfasern der harten Haut des Auges gaben den 
rothen Gypsgrund ohne merkliche Nuancenänderung wieder. 

Der Herzschlauch schien im Ganzen keinen Farbenwechsel zu 
erzeugen. Zerleste man ihn aber in kleine Bruchstücke, so dass 
man die noch mit keinen Querstreifen versehenen Anlagen der 
Muskelfasern erkannte, so zeigten sich diese schwach, aber deutlich 
doppelt brechend. Sie waren, wie die ausgebildeten Muskelfasern 
positiv in Bezug auf die Längsachse und erschienen daher bläulich, 
wenn diese der Achsenebene des Gypses parallel, und gelblich, wenn 
sie zu ihr senkrecht stand. 

Die Rückenseite, deren Scheide und die ihrer Masse angehö- 
renden Zellen, die Anlage der beiden Leberlappen, der Magen, die 


Beiträge zur Mikroskopie. 143 


Andeutung der Bauchspeicheldrüse, die Blindsäcke und die gelb- 
lichen Inhaltskörnchen der Wolffschen Körper lieferten kein deutliches 
Merkmal von Doppelbrechung. Man sah dagegen neben den Wirbel- 
körpern jederseits einen Streifen, der lebhaft positiv in Bezug auf 
seine Längsrichtung antwortete. Legte ich die ersten Anlagen der 
tieferen Rückenmuskeln bloss, so zeigte sich in gewöhnlichem Lichte, 
dass sie aus nahezu parallelen Fasern ohne Querstreifung bestan- 
den. Diese lieferten im Polarisationsmikroskope eine im Verhält- 
niss zur Längsachse positive Doppelbrechung, die stärker als die der 
Herzmuskulatur ausfiel. Die Frage, ob der Unterschied nur von 
der etwas dickeren Schicht oder zugleich von der etwas fortgeschrit- 
teneren Entwickelung herrührte, liess sich nicht entscheiden. Diese 
Erfahrungen lehren aber jedenfalls, dass die Doppelbrechung der 
später quergestreiften Muskelfasern vor der Entstehung der Quer- 
streifen auftritt. Sie ist jedoch dann noch in den frischen Massen 
bedeutend schwächer, als in den vollkommen ausgebildeten Muskel- 
fasern. 

Ich liess die Linse, eine obere Extremität und die Mitte des 
Rückens eintrocknen und schloss den festen Rückstand in Canada- 
balsam ein. Die doppelt brechende Wirkung, besonders der Linse, 
gewann hierdurch fast gar nicht, zum Beweise, dass die schwachen 
Erfolge nicht ausschliesslich von dem geringen Wassergehalte her- 
rührten. 

Die Haut des Dottersackes und das Amnion eines Embryo vom 
neunten Bebrütungstage verhielten sich im Wesentlichen ähnlich, 
wie die gleichen Gebilde eines siebentägigen Embryo. Viele Organe 
dagegen verriethen einen merklichen Fortschritt in den doppelt 
brechenden Eigenschaften. 

Betrachtete man die in Wasser versenkte Krystalllinse auf 
rothem Gypsgrunde, so zeigte ihre Fläche zwei regelmässig drei- 
eckige blaue Felder, deren Achse parallel der Achsenebene des Gyps- 
blättchens stand und zwei dreieckige gelbe, deren Achse auf jener 
senkrecht verlief. Man hatte also eine entschiedene positive Wir- 
kung. Entfernte man das Gypsblättchen, so gab die Linse kein 
schwarzes Kreuz auf dem dunkelen Grunde des Polarisations- 
mikroskopes. 

Die Zellenfasern der Sklerotica lieferten deutliche, aber schwache 
doppelt brechende Wirkungen und zwar positive im Verhältniss zur 
Längsachse. Die Nervenmasse der Netzhautanlage führte noch nicht 


144 G. Valentin: 


zu irgend befriedigenden Bildern. Setzte man dem Wasser, welches 
die harte Haut, die Krystalllinse oder die Netzhaut befeuchtete, 
Glycerin zu, so wurden alle diese Theile so weiss und undurchsich- 
tig, dass man keine genügenden Beobachtungen mehr unter dem 
Polarisationsmikroskope anstellen konnte. 

Der Meckel’sche Fortsatz und die Anlage des Horntheiles des 
Oberkiefers antworteten negativ in Bezug auf ihre längere Achse. 
Die durchsichtigeren Stellen der schon angelegten, zum Oeffnen des 
Eies bestimmten Kalkmasse des Oberschnabels wechselten ihre Far- 
ben mit der Drehung des Gypsblättchens. 

Die noch nicht quergestreiften Muskelfasern der Vorhöfe und 
die der Kammern des Herzens zeigten sich stark positiv in Ver- 
hältniss zu ihrer Längsachse. Eine sehr schwache Wirkung der 
Art verrieth sich an einzelnen Faserzellen der Lebermasse. Die 
Muskelhaut des Darmes erschien schwach positiv gegenüber der 
Längsachse und ein ihr entgegengesetzter Farbenwechsel ergab sich 
für die mit feinen Körnern gefüllte benachbarte Zwischenmasse. 
Die Röhren und der Hauptausführungsgang der Wolffschen Körper 
ergaben keine sicheren Merkmale von Doppelbrechung. 

Diese trat in den Wirbeln mit Nachdruck hervor. Das Rücken- 
mark schien eine negative Wirkung in Bezug auf die Längsachse 
darzubieten. Die Muskelfasern des Rückens und die des Ober- 
schenkels, die schon Verkürzungsvermögen unmittelbar nach dem 
Oeffnen des Eies verrathen hatten, aber noch keine Querstreifen 
zeieten, antworteten stark positiv im Verhältniss zur Längsachse. 
Die Zehenanlagen, die sich schon in gewöhnlichem Lichte durch ihre 
schönen Formen auszeichneten, führten zu einem sehr zierlichen 
Bilde !), indem sie negativ in Verhältniss zu ihrer Längsachse in 
den lebhaftesten Farben erschienen und daher prachtvoll gelb 
parallel der Achsenebene wurden. 

Eine der beiden Krystalllinsen dieses Embryo zeigte nach dem 
Eintrockenen den Fall, den man auch an den Linsen erwachsener 
Thiere unter den gleichen Verhältnissen antrifft, dass der periphe- 
rische heil positiv, der centrale Theil dagegen negativ erschien. 

Die warzenartigen Anlagen der Federn eines eilftägigen Em- 
bryo liessen keine sicheren Merkmale von Doppelbrechung unter 


1) S. Die Untersuchung der Pflanzen- und der Thiergewebe in polari- 
sirtem Lichte. S. 273—275. 


Beiträge zur Mikroskopie. 145 


Wasser erkennen. Hatte man aber das Präparat mit Glycerin be- 
handelt, so änderten sie den rothen Gypsgrund und verhielten sich 
dabei wie negative Körper in Bezug auf ihre Längsachse. 

Die Adergeflechte der Seitenventrikel des grossen Gehirns zeig- 
ten die lebhafteste Flimmerbewegung. Betrachtete man die Erschei- 
nung unter dem Polarisationsmikroskope nach der Einschaltung des 
rothen Gypsblättchens, so änderte der Flimmerrand den rothen 
Gypsgrund, indem die Flimmerhaare in Bezug auf ihre Längsachse 
negativ wirkten. 

Die Hirnmasse der Grosshirn-Hemisphären führte zu keinen 
sicheren Ergebnissen. Die körnigen Bestandtheile änderten die rothe 
Farbe des Grundes in keiner characteristischen Weise. Man sah an 
einzelnen Stellen gesonderte, wie es schien, doppelt brechende Strei- 
fen, die jedoch in keinem Präparate bündelweise auftraten. 

Die Hornhaut und die Krystalllinse zeigten noch keine Polari- 
sationskreuze auf dem dunkeln Grunde des Polarisationsmikrosko- 
pes. Die erstere verrieth aber ihren negativen Character längs ihrer 
ganzen Fläche, wenn man den rothen Gypsgrund zu Hilfe zog. Man 
hatte dann zwei gelbe Quadranten parallel und zwei blaue senkrecht 
auf die Achsenebene des Gypses. Die Linse verrieth die gewöhn- 
liche positive Wirkung. 

Die Körner der Netzhaut gaben keine entschiedenen Merk- 
male von Doppelbrechung. Zerfaserte man aber ein Stück dersel- 
ben und befeuchtete es mit Glycerin, so sah man eine deutliche nega- 
tive Wirkung in Bezug auf die Längsachse einzelner Fäden. 

Der Meckel’sche Fortsatz zeigte sich noch entschiedener nega- 
tiv in Rücksicht auf seine Längsachse, als in dem neuntägigen 
Embryo. Die Doppelbrechung der ihn umgebenden Platten des 
Unterkiefers und der des Oberkiefers liess sich leicht erkennen. Be- 
trachtete man die Zehen unter schwachen Vergrösserungen bei durch- 
fallendem Lichte, so sah man die einzelnen Theilungen in deren 
Innern. Sie erwiesen sich als nachdrücklich negativ in Bezug auf 
ihre Längsachse, während die sie umgebenden Weichgebilde in der- 
selben Richtung positiv wirkten. 

Die Fasern des grossen Brustmuskels, die noch keine Quer- 
streifen besassen, erschienen positiv zu ihrer Längsachse. Sie ver- 
riethen dabei keinen verhältnissmässig starken Grad von Doppel- 
brechung. 

Ich bemerkte schon bei einer früheren Gelegenheit, dass die 


146 G. Valentin: 


Muskelfasern des frisch ausgeschnittenen Vorhofes des klopfenden 
Herzens des Frosches eine Aenderung ihrer Polarisationsfarben wäh- 
rend ihrer Verkürzung zeigen können. Sie ziehen sich noch häufig 
die längste Zeit unter dem Mikroskope periodisch zusammen. Der 
Farbenwechsel, den man dabei in dem polarisirten Lichte bemerkt, 
erklärt sich zum Theile schon daraus, dass die verkürzte Muskel- 
faser dicker als die erschlaffte ist. Ich hatte ein Stück des Vor- 
hofes des Herzens des eilftägigen Embryo ausgebreitet. Die mit 
keinen Querstreifen versehenen Muskelfasern, welche mässig stark 
positiv in Bezug auf ihre Längsachse antworteten, zogen sich wie- 
derholt zusammen. Die Farbenänderung erschien jedoch in den 
günstigsten Fällen unbedeutend. Sie konnte sogar häufig nicht mit 
Sicherheit bemerkt werden. Die weiter entwickelten, jedoch noch 
mit keinem Querstreifen versehenen und im Innern hohlen Muskel- 
fasern der Kammern verriethen eine stärkere positive Doppel- 
brechung in Verhältniss zur Längsachse. 

Ungefähr fünf bis zehn Minuten, nachdem ich das Ei geöffnet 
hatte, pulsirten noch die zu dem Endochorion verlaufenden grös- 
seren Schlagadern. Der Embryo beantwortete aber nicht mehr die 
Ströme einer aus acht Elementen bestehenden Zinkkohlenbatterie 
oder die des Magnetelektromotors, wenn man die Leitungsdrähte zu 
beiden Seiten des Amnion anlegte. Als der Maenetelektromotor 
das erste Mal wirkte, hörten die Pulsschläge der Arterien des En- 
dochorion auf. Die fernere Wiederholung des Versuches führte aber 
nicht mehr zu diesem Ergebnisse, Ich öffnete drei Viertelstunden 
später die Brusthöhle und schnitt das Herz aus. Die Vorhöfe und 
die Kammern klopften auf das Lebhafteste und abwechselnd im 
Freien. Trennte man den Vorhof dicht an der Querfurche los, so 
erhielt man noch eine oder mehrere Kammerzusammenziehungen, 
wenn man eine Stelle des Ventrikels mechanisch reizte. Diese Er- 
scheinung fehlte dagegen, wenn man einen der Querfurche benach- 
barten Ring der Kammerbasis losgeschnitten hatte. Es zeigten sich 
also hier die gleichen Erscheinungen, die man an dem Herzen der 
Frösche und dem der Säugethiere, vorzugsweise der jüngeren, be- 
obachtet. 

Bruchstücke des Muskelmagens lieferten eine eigenthümliche 
Wirkungsweise. Man sah Streifen, die sich stark positiv zur Längs- 
achse verhielten und Muskelfasermassen entsprachen. Sie waren 
durch schmale Bänder, die negativ in derselben Richtung erschienen, 


Beiträge zur Mikroskopie. 147 


wechselseitig getrennt. Es ist mir nicht klar geworden, welchen 
Theilen diese Gebilde entsprachen. 

Legte man ein Stück des Dünndarmes im Ganzen unter das 
Polarisationsmikroskop, so antwortete es auf das Lebhafteste nega- 
tiv in Bezug auf seine Längsachse. Die Betrachtung unter stär- 
keren Vergrösserungen klärte diesen Umstand auf. Man erkannte 
vor Allem die Kreisfasern, deren Längsachsen auf der des Darmes 
senkrecht standen. Da sie selbst positiv in Bezug auf ihre Länge 
wirkten, so musste natürlich eine scheinbar negative Doppelbrechung 
in der Richtung der Längsachse des Darmrohrs erzeugt werden. 

Die Massen der Leber und der Nieren führten zu keinen be- 
merkenswerthen Ergebnissen. 

Nicht nur die eingetrocknete Hornhaut, sondern auch die 
trockene Linse verhielten sich negativ zu dem rothen Gypsgrunde. 
Beide boten dann keine Polarisationskreuze in dem schwarzen Ge- 
sichtsfelde des Polarisationsmikroskopes dar. 

Ein 16tägiger Hühnerembryo wurde zu einigen Reizbarkeits- 
versuchen benutzt, ehe ich die Prüfung der Gewebe unter dem Po- 
larisationsmikroskope begann. Er öffnete mehrere Male, wie in Er- 
stickungsnoth, den Mund, als er noch in den unversehrten Eitheilen. 
enthalten war und sich daher in der Amniosfiüssigkeit befand. Ich 
legte hierauf sogleich das Herz bloss. Es schlug 15 Mal in einer 
Viertelsminute.. Die Zusammenziehung der Vorhöfe wechselte mit 
der der Kammern, wie gewöhnlich, ab. Legte ich die Elektroden 
des Magnetelektromotors in der Gegend der Halsvagi an, so führ- 
ten die Inductionsströme zu keinem anhaltenden Stillstande des 
Herzens. Das Gleiche wiederholte sich, wenn man sie an die Quer- 
furche des Letzteren gebracht hatte. Legte man sie in der Gegend 
der unteren Brusttheile der sympathischen Grenzstränge an, so be- 
merkte man keine Bewegung der in dem Dottergange enthaltenen 
Darmschlingen. Leitete man die Ströme durch den Rumpf oder die 
Extremitäten, so erhielt man nur augenblickliche, nicht sehr starke 
Zuckungen und keine anhaltenden Starrkrämpfe. Die Empfänglich- 
keit der Rumpf- und der Extremitätenmuskeln schwand auffallend 
rasch, während sich die Thätigkeit des Herzens lange erhielt. 

Ich trennte nach diesen Versuchen den Kopf durch einen 
Schnitt los, der den obersten Theil des Halses traf. Die hiermit 
verbundene Entfernung des verlängerten Markes hatte zunächst zur 
Folge, dass das Herz eine Zeit lang stille stand. Seine Bewegungen 


148 G. Valentin: 


begannen später von Neuem. Die Vorhöfe und die Kammern schlu- 
gen hierauf über 1!/ Stunden fort, obgleich zuletzt ein grosser Theil 
der Vorderfläche der Kammern in Folge von Verdunstung eingetrock- 
net war. Ich legte von Zeit zu Zeit die Drähte des Magnetelek- 
tromotors an die Querfurche und erreichte Beschleunigung des Herz- 
schlages. Der Versuch blieb aber wirkungslos, unmittelbar nachdem 
das Herz von selbst still gestanden. 

Die Kiele der vollkommen entwickelten Federn dieses Embryo 
verriethen eine kräftige Doppelbrechung. Die Seitenränder verhiel- 
ten sich positiv zur Längsachse. Es hatte bisweilen den Anschein, 
als wenn der Centraltheil eine negative Beziehung darböte. Doch 
schien sich dieses als Täuschung bei genauerer Untersuchung zu er- 
weisen. Die gelbliche Färbung rührte wahrscheinlich von dem hier 
befindlichen Blute her. Die Federkiele lieferten also einen andern 
Character der Doppelbrechung, als die ersten Anlagen der Federn 
überhaupt. z 

Die Schädelhaut besass eine deutliche, obgleich nicht sehr 
starke Doppelbrechung. Sie fiel dagegen für das knöcherne Netz- 
werk, welches in der Anlage des Scheitelbeines vorhanden war, nach- 
drücklich aus. Man hatte einen positiven Character in Bezug auf 
die Längsachse der Balken des in die Länge gezogenen Netzes. Eine 
starke Doppelbrechung verrieth sich auch in dem schon mit zahl- 
reichen Knochenkörperchen versehenen Stirnbeine. 

Bruchstücke der Grosshirnhemisphären ergaben keine entschei- 
denden Bilder. Man sah im Allgemeinen den rothen Gypsgrund 
oder einen bläulichen Ton bei allen Stellungen der Achsenebene des 
Gypsblättchens. Dasselbe wiederholte sich meistentheils für Schnitte 
aus dem kleinen Gehirne und dem verlängerten Marke. Man bemerkte 
höchstens einzelne Streifen, die bei paralleler Lage ihrer Längsachse und 
der Achsenebene des Gypsblättchens schwach gelblich, bei senkrechter 
bläulich bis violett erschienen. Sie entsprachen wahrscheinlich Nerven- 
fasern, in denen sich die erste Spur von Markmasse abgelagert hatte. 

Das Rückenmark führte zu belehrenderen Anschauungen. Nahm 
ich ein Stück des obersten Abschnittes des Rückentheiles desselben 
und drückte es zwischen zwei Glasplatten zusammen, so sah ich in 
gewöhnlichem Lichte die Züge der Längsfasern. Diese Bündel er- 
schienen auf dem rothen Gypsgrunde des Polarisationsmikroskopes 
lebhaft gelb bei paralleler und nachdrücklich blau bei senkrechter 
Einstellung der Längsachse derselben zur Achsenebene des Gypses. 


Beiträge zur Mikroskopie. 149 


Zerfaserte man die Masse, so sah man unter stärkeren Vergrös- 
serungen und in gewöhnlichem Lichte, dass Nervenfasern da waren 
mit sehr blassem und, wie es schien, weniger gerinnbarem Marke, 
das grauweisser als die spätere Markmasse war. 

Der Hüftnerv zeigte seiner ganzen Breite nach eine stark nega- 
tive Wirkung, während die Neurilemhülle positive Bänder in Bezug 
auf die Längsachse zu beiden Seiten darbot. Ich konnte noch kein 
deutliches Nervenmark in gewöhnlichem Lichte erkennen. Das pola- 
risirte Licht ging also auch hier weiter, als dieses letztere. 

Die Fasern des Sehnerven lieferten höchstens eine sehr schwache 
negative Wirkung in Bezug auf die Längsachse. Manche Präpa- 
rate liessen nicht einmal dieses erste Anzeichen von Markmasse er- 
kennen. Die positive Wirkung der Hüllen kam dann allein zum 
Vorschein. Nervenzweige aus der Augenhöhle, die wahrscheinlich 
dem Ochlomotorius angehörten, lieferten nur die schwach positive 
Wirkung der Hüllen und nicht das geringste Anzeichen von Mark- 
substanz. 

Die Netzhaut führte im Ganzen zu unbefriedigenden Ergeb- 
nissen. Die Untersuchung unter Wasser liess nichts Sicheres er- 
kennen. Die Behandlung mit Glycerin, das die Netzhaut weiss und 
undurchsichtiger machte, führte wenigstens zu einigen Ergebnissen. 
Die wie kleine Häckchen erscheinenden Stäbchenanlagen erschienen 
gelblich bei allen Stellungen der Achsenebene des Gypsblättchens. 
Sie hatten also nicht die entschiedene positive Wirkung in Bezug 
auf die Längsachse, welche z. B. die Stäbchen der Netzhaut des 
erwachsenen Frosches nach der Behandlung mit Glycerin darbieten. 
Unter der Stäbchenschicht des Hühnerembryo sah man bisweilen 
negativ wirkende Streifen, wie man sie auch in der Netzhaut er- 
wachsener Thiere bemerkt. Ich konnte aber hier nicht entscheiden, 
ob sie Nervenfasern entsprachen oder nicht. Die Körner der Netz- 
haut änderten den Gypsgrund nicht. Lag der vordere Theil der 
Netzhaut in Falten auf dem Glaskörper, so wirkten die Seitenrän- 
der derselben schwach positiv zur Längsachse, wenn man die Unter- 
suchung unter Wasser vornahm. i 

Die Hornhaut antwortete unter Wasser stark negativ. Die 
Wirkung nahm durch die Behandlung mit Glycerin zu. Liess man 
das Gypsblättchen hinweg, so zeigte sich auf dem dunkeln Grunde 
des Polarisationsmikroskopes ein nicht ganz deutlicher, schattiger 
und regelmässiger Rhombus innerhalb des hellen ‚Umkreises. Die 


M. Schultze Achiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 7. 11 


150 G. Valentin: 


Linse erwies sich stark positiv. Sie gab daher lebhaft blaue und 
gelbe Quadranten auf dem rothen Gypsgrunde, lieferte aber ohne 
diesen weder ein schwarzes Kreuz, noch eine andere dunkle Zeich- 
nung. Sie besass im Ganzen eine merkliche stärkere Doppelbrechung, 
als die Linse des eilftägigen Embryo. 

Der durchsichtige Randtheil der Zunge verrieth eine zur Längs- 
achse positive Wirkung. Sie erschien schwächer in dem Hornüber- 
zuge, sehr stark dagegen in den Knochenmassen des Ober- und des 
Unterkiefers. Die zum Aufschlagen des Eies bestimmte Kalkabla- 
gerung an der Spitze des Oberschnabels war schon zu undurch- 
sichtig, als dass sich etwas Bestimmtes ermitteln liesse. 

Ein solcher 16tägiger Embryo eignet sich sehr gut, unmittel- 
bar zur Anschauung zu bringen, wie die doppeltbrechenden Wir- 
kungen mit der Entwickelung der Muskelfasern zunehmen. Unter- 
sucht man die noch schmalen Fasern des grossen Brustmuskels, die 
auf den ersten Blick wie fadenartig verschmolzene Zellen erschei- 
nen, indem die Kerne der Innenhöhlung durch helle Querbänder 
getrennt werden, so findet man eine nur schwache, in Bezug auf 
die Längsachse positive Doppelbrechung. Sie erscheint merklich 
stärker in den Bauchmuskeln, die um etwas weiter fortgeschritten 
sind, noch grösser in den Augenmuskeln, in denen man auch schon 
einzelne Nervenverzweigungen erkennt, und am Nachdrücklichsten 
in den breiten, am weitesten fortgeschrittenen Nacken- und Rücken- 
muskeln. 

Wie in den Säugethierembryonen, so zeichnet sich auch hier 
die Muskelmasse des Herzens, vorzüglich der Vorkammer, dadurch 
aus, dass sie schon röthlich gefärbt ist, wenn noch die andern Mus- 
keln blass erscheinen. Die Muskulatur der Speiseröhre pflegt diesen 
Vorzug in einzelnen Säugethierembryonen mit dem Herzen zu thei- 
len. Die Muskelfasern der Vorhöfe waren dann in dem Embryo 
des Hühnchens weit weniger vorgeschritten, als die der Kammern. 
Die Letzteren lieferten daher auch eine bedeutend stärkere in Bezug 
auf die Längsachse positive Doppelbrechung als die Ersteren. 

Sie verrieth sich auch in den einfachen Muskelfasern des Mus- 
kelmagens und in den Kreisfasern des Dünndarmes. Die Zotten 
und die Falten der Schleimhaut lieferten nur zweifelhafte Ergebnisse. 
Dasselbe wiederholte sich für die Harnkanälchen, nicht aber für den 
Harnleiter, dessen Wände schwach, aber deutlich positiv zur Längs- 


Beiträge zur Mikroskopie. 151 


achse wirkten. Die Wandungen des rechten Aortenbogens gaben 
noch unbedeutendere Anzeichen von Doppelbrechung. 

Diese zeigte sich auch mit positivem Character der Längsachse 
entsprechend in allen Formen des Bindegewebes, die gefasert oder 
gefaltet erschienen. 

Die Hornschilder des Fusses endlich verriethen schon einen 
mässigen Grad von Doppelbrechung. Sie waren noch zu dünn, als 
dass sich über ihr Drehungsvermögen urtheilen liess. 

Fügen wir noch einige, den Froschlarven entnommene Be- 
obachtungen hinzu, so zeigte sich der hinterste Theil des Schwan- 
zes einer Kaulquappe, deren Hinterbeine eben hervorzubrechen an- 
gefangen, fast eben so roth, als der benachbarte Gypsgrund. Das 
Ende des Rückenmarkes, das sich in gewöhnlichem Lichte nicht be- 
sonders auszeichnete, hatte eine stark gelbe und die Wirbelsäulen- 
stücke (mit den Anlagen der Muskeln) eine stark blaue Färbung. 
Das polarisirte Licht führte also auch hier zu genaueren Unter- 
suchungen als das gewöhnliche. Ging man an dem Schwanze wei- 
ter hinauf, so dass die schiefen Schattenbänder mit den hellen 
Zwischenbändern zum Vorschein kamen, so erschienen die ersteren 
grünblau und die letzteren gelb. Man erkannte etwas weiter nach 
oben die Längsmuskelfasern mit ihren Querstreifen in der Nähe der 
Wirbelsäule. Sie erwiesen sich schon als stark positiv in Bezug auf 
ihre Längsachse. 

Hatte ich die Krystalllinse einer solchen Kaulquappe mit Gly- 
cerin befeuchtet, so überzeugte ich mich leicht mittels des rothen 
Gypsgrundes, dass ihre starke Doppelbrechung einen positiven Cha- 
rakter besass. Kaulquappen, deren Hinterbeine im ersten Hervor- 
brechen begriffen, oder noch besser solche, an denen sie schon 
entwickelt waren, konnten noch zu einer andern Art von Unter- 
suchungen mit Nutzen gebraucht werden. Ich führte schon in mei- 
ner Schrift S. 298, 299 an, dass es mir nicht gelang, eine Aende- 
rung der doppelt brechenden Eigenschaften der Nerven des erwach- 
senen Thieres während der Thätigkeit desselben wahrzunehmen. 
Untersuchte ich den Schwanz der Kaulquappe mit stärkeren Ver- 
grösserungen in gewöhnlichem Lichte, so sah ich zahlreiche sich 
theilende und sich häufig netzförmig verbindende Nervenfasern, die 
kein Mark nach dem Bilde, welches das gewöhnliche Licht liefert, 
zu enthalten schienen. Wiederholte man die Beobachtung in dem 
Polarisationsmikroskope, stellte einen starken Nervenzweig unter 45° 


152 G. Valentin: 


und schaltete ein Gypsblättchen von Roth erster Ordnung mit seiner 
Achsenebene ebenfalls unter 45° ein, so erschien der Nerv gelb zum 
Beweis, dass er schon eine in gewöhnlichem Lichte nicht kenntliche 
Markmasse enthielt. Galvanisirte ich nun die Kaulquappe im Gan- 
zen, oder besser nur den losgetrennten Schwanz, so zogen sich die 
Muskeln desselben zusammen. Der Nerv blieb aber gelb wie zuvor. 
Das Mark bleibt also auch während der Thätigkeit im Verhältniss 
zur Längsachse negativ. Die gelbe Farbe erlitt zugleich keine mei- 
nem Auge auffallende Aenderung. Ob sie spurweise wechselt, lässt 
sich natürlich schwer feststellen. 

Ich untersuchte noch der Vollständigkeit wegen die Gewebe 
des im Schwinden begriffenen, fünf Millimeter langen Schwanzes 
eines jungen Frosches. Die Muskelfasern des oberen und die des 
unteren Theiles lieferten eine starke Doppelbrechung mit entschie- 
den positivem Charakter in Verhältniss zur Längsachse. Die Quer- 
fortsätze der Wirbelkörper waren negativ zu ihrem längeren quer- 
gestellten Durchmesser. Dasselbe wiederholte sich für die der Länge 
nach dahingehende Achse der Wirbelkörper selbst. Die Primitiv- 
fasern der Rückenmarksnerven enthielten ein blasses Mark, das ent- 
schieden negativ in Bezug auf die Längsachse antwortete. Die Hant 
verrieth deutliche Doppelbrechung. Diese liess sich hingegen noch 
gar nicht oder kaum spurweise in dem schon kenntlichen Stäbchen 
der Netzhaut wahrnehmen. Während Glycerin, wenn es auf diese 
Gebilde in dem erwachsenen Frosche wirkt, die Doppelbrechung der- 
selben bedeutend erhöht, fehlte hier jede Einwirkung der Art so gut 
als gänzlich. 

Die eben dargestellten Einzelerfahrungen lehren: 

1) Die Eigenschaft der Doppelbrechung lässt sich in den frühe- 
sten Anlagen der Gewebe und der Organe des Hühnchens und des 
Frosches mit den gegenwärtig zu Gebote stehenden Hilfsmitteln 
nicht nachweisen. Die Behandlung mit Glycerin, mit Weingeist oder 
das Eintrocknen ändern diesen Sachverhalt nicht. 

2) Die Doppelbrechung erscheint in der Folge sehr schwach 
und nimmt allmählig im Laufe der Gewebe-Entwickelung zu. Lässt 
man dann die Präparate eintrocknen, so werden zwar die Farben, 
die der rothe Gypsgrund erzeugt, etwas lebhafter. Sie erscheinen 
aber noch schwach selbst in dickeren Schichten im Vergleich zu 
denen, welche spätere Entwickelungsstufen frisch oder eingetrocknet 
liefern. Hieraus folgt, dass nicht der Wasserreichthum allein die 


Beiträge zur Mikroskopie. 153 


Ursache der geringen Doppelbrechung sein kann und dass die nach 
den drei Hauptrichtungen des Raumes ungleiche Atomenvertheilung 
des Lichtäthers, aus welcher die zwiefache Strahlenbrechung hervor- 
geht, kein ursprüngliches und unveräusserliches Merkmal derjenigen 
Gewebe, welche sie im reiferen Embryo und im Erwachsenen dar- 
bieten (wenigstens so weit unsere Erkenntnissmittel reichen) bildet, 
sondern erst eine geraume Zeit nach deren erster Anlage merklich 
hervortritt und sich allmählig vergrössert. 

3) Die Prüfung auf rothem Gypsgrunde zeigt oft genug schon 
eine deutliche Doppelbrechung, wenn noch das dunkele Gesichtsfeld 
des Polarisationsmikroskopes keinen Nachweis liefert. Gypsblättchen 
von dem Aequivalentwerth 565 eignen sich zu diesen Forschungen 
besser, als solche von 575, in denen schon das Violett über dem 
Roth vorherrscht. 

4) Die Doppelbrechung hat schon an dem Anfange ihres Er- 
scheinens denselben positiven oder negativen Character, den sie in 
dem vollständig entwickelten Gewebe darbietet. Dieser Ausspruch 
bestätigte sich für die Hornmasse, die mannigfachen Arten des Binde- 
gewebes, die Sehnen und die ihnen verwandten Gebilde, die Muskel- 
fasern, das Neurilem und die Markmasse der Nerven, die Knorpel, 
die Knochen, die Hornhaut und die Stäbchen der Netzhaut. Die 
Federn bildeten die einzige Ausnahme, der ich begegnete. Der Kiel 
derselben antwortete positiv im Verhältniss zur Längsachse, wenn 
ich die Untersuchung nach dem 12ten bis 13ten Bebrütungstage an- 
stellte. Die warzenartigen Anlagen der Federn eines eilftägigen 
Hühnerembryos dagegen erschienen negativ zu ihrer Längsachse, 
nachdem man sie mit Glycerin befeuchtet, nicht aber, als man sie 
vorher unter Wasser untersucht hatte. Da hier noch die Horn- 
masse grösstentheils oder gänzlich fehlte, so fragt es sich, ob man 
den Fall als eine wahre oder als eine nur scheinbare Ausnahme zu 
betrachten hat. Ich habe schon an einem andern Orte‘) angedeu- 
tet, dass sich vielleicht der Wechsel des Characters der Doppel- 
brechung der Schmelzfasern in ähnlicher Weise erklären lasse. 

5) Die Hornhaut und die Krystalllinse unterscheiden sich im 
Erwachsenen durch ihr Verhalten nach dem Eintrocknen. Die 
Hornhaut wird hierdurch häufig schwach zweiachsig. Sie behält 


1) Die physikalische Untersuchung der Gewebe. Leipzig und Heidel- 
berg, 1867, 8. S. 291. 


154 G. Valentin: 


aber den negativen Character, den sie in dem frischen Zustande 
darbietet, auch in dem trockenen bei. Die Krystalllinse kann zwar 
auch durch das Eintrocknen zweiachsig werden. Allein der schein- 
bare und daher auch der wirkliche Winkel ihrer beiden optischen 
Achsen bleibt in der Regel klein. Dafür geht häufig ihr positiver 
Character in den negativen vorzugsweise in den Fischen (und nur 
in der Minderheit der Fälle in den Säugethieren) über. Derselbe 
Unterschied von Hornhaut und Linse wiederholt sich in reiferen 
Hühnerembryonen und Froschlarven. Man kann auch hier auf 
Zwischenstufen stossen, in welchen ein Theil der Linsenschichten 
noch positiv und der andere schon negativ ist. 

Das Bindegewebe, die Muskelfasern, das Nervenmark und die 
Knorpel bewahren ihren frühern Character der Doppelbrechung in 
dem Schwanze der Froschlarven, wenn dieser in voller Rückbildung 
begriffen ist. Ich konnte wenigstens keine Veränderungen zu den 
Zeiten wahrnehmen, zu welchen er schon in hohem Grade verküm- 
mert war. 

7) Die embryonalen Muskelfasern besitzen schon ihr Verkür- 
zungsvermögen, wenn ihre Querstreifen noch gar nicht oder in ihren 
ersten Andeutungen vorhanden sind. Man bemerkt dann eine sehr 
schwache, in Bezug auf die Längsachse positive Doppelbrechung. 
Die silberweissen und die schwarzen bandartigen Abtheilungen der Mus- 
kelfasern in dem dunkeln Gesichtsfelde und die verschiedenfarbigen, 
auf dem rothen Gypsgrunde, die man aus der Abwechselung von 
Disdiaklasten und einfach brechenden Massen herzuleiten suchte, 
erscheinen auch im Embryo nur dann, wenn Biegungen vorhanden 
sind, und liefern in diesem Falle die gleichen Aenderungen bei der 
Drehung des Präparates in seiner Ebene, wie ich sie aus den Mus- 
keln oder den Sehnen der erwachsenen Geschöpfe geschildert und 
optisch erklärt habe. Die Falten der Haut jüngerer Hühnerembryo- 
nen können ebenfalls ähnliche blaue, gelbe und rothe Bänder auf 
rothem Gypsgrunde, die mit dem Ausgleiche der Faltungen schwin- 
den, vorführen. 

8) Ich habe schon mehrfach bemerkt, dass man nicht berech- 
tigt ist, von marklosen Nervenfasern zu sprechen, weil das polari- 
sirte Licht Markmassen nach Einschaltung eines Gypsblättchens 
z.B. in den in der Netzhaut verlaufenden Nervenfasern, in den Fa- 
sern der Geruchsnerven oder den Nervenfasern der Geruchsschleim- 
haut nachweist, wo das gewöhnliche Licht keine Spur derselben 


Beiträge zur Mikroskopie. 155 


anzeigt. Versagt aber auch der Gebrauch des rothen Gypsgrundes 
bei den feinsten Fasern, so kann dieses eben so gut von dem Man- 
gel des Markes, als davon herrühren, dass jene eine zu geringe 
Dicke besitzen. Die Benutzung des polarisirten Lichtes zeigt auch 
im Embryo die Anwesenheit von Mark und von Nervenfasern über- 
haupt um Vieles früher an, als die mikroskopische Beobachtung in 
gewöhnlichem Lichte. 

9) Hatte ich den Gedanken, dass die Stäbchen der Jacob- 
schen Haut Endfortsetzungen der Fasern des Sehnerven seien, aus 
physiologischen Gründen von je her bezweifelt, so mussten mich 
meine Untersuchungen in polarisirtem Lichte hierin nur bestärken. 
Denn während das Mark der Nervenfasern in Verhältniss zur Längs- 
achse negativ ist und daher der Achsenebene des Gypsblättchens 
parallel orientirt den rothen Grund gelb färbt, sind die Stäbchen 
des erwachsenen Geschöpfes, z. B. des Frosches, in Bezug auf die 
Längsachse positiv. Sie erzeugen daher eine blaue Farbe, wenn die 
Nervenprimitivfasern eine gelbe hervorbringen und umgekehrt. Die 
Embryologie kann noch einen neuen Grund hinzufügen. Die stets 
positive Doppelbrechung der Stäbchen tritt beträchtlich später auf, 
als sich der Markinhalt in den Nervenprimitivfasern der verschie- 
denen Körpertheile und selbst des Sehnerven und der Netzhaut 
absetzt. 

10) Der Gebrauch des rothen Gypsgrundes eignet sich sehr 
gut, die allmählige Zunahme und Verbreiterung der Markmasse in 
den Nervenprimitivfasern während des Laufes der Entwickelung nach- 
zuweisen. 

11) Beobachtete ich einen künstlich gesonderten, auf dem rothen 
Gesichtsfelde parallel der Achsenebene gestellten und daher gelb 
erscheinenden embryonalen Nerven während der galvanischen Rei- 
zung, so zeigte sich keine, wenigstens für mein Auge deutliche 
Farbenänderung, wenn sich auch die entsprechenden Muskelmassen 
lebhaft zusammenzogen. Endlich 

12) können schon Nervenfasern, in denen selbst der rothe 
Gypsgrund noch keinen Markinhalt nachweist, Erregungen fortleiten. 
Man nimmt, um dieses zu zeigen, eine Kaulquappe, deren Extre- 
mitäten noch nicht hervorgesprossen. Die unter stärkeren Vergrös- 
serungen vorgenommene Untersuchung des Schwanzes zeigt leicht 
die Nervenstämme unmittelbar nach ihrem Austritte aus der Wirbel- 
säule mit ihren ferneren Verzweigungen und Netzbildungen. Stellt 


156 G. Valentin: Beiträge zur Mikroskopie. 


man eines der Stämmchen, welche dem vorderen Theile des Schwan- 
zes angehören, so ein, dass seine Längsachse der Achsenebene des 
Gypses parallel läuft, so erscheint es gelb und wird nach einer 
Azimuthaldrehung von 90° blau. Man erhält also auf diese Weise 
die Zeichen des Markinhaltes. Hat man die richtige Entwickelungs- 
stufe getroffen, so fehlen noch jene Merkmale an den sämmtlichen 
Nervenstämmcehen des hintersten abgerundeten Schwanzendes. Sticht 
man aber diesen Theil mit einer sehr feinen Nadelspitze, so be- 
antwortet das Thier den Eingriff sogleich mit lebhaften Körper- 
bewegungen. 


Ueber die erste Entwickelung des Herzens und der 
Pericardial- oder Herzhöhle bei Bufo cinereus. 
Von 


Dr. Josef Oellacher, 
Proseetor am anatomischen Institut zu Innsbruck. 


Hierzu Tafel XVI. 


Wir finden in der embryologischen Literatur über die erste 
Entwickelung des Herzens und der Herz- oder Pericardialhöhle bei 
den Batrachiern zwei verschiedene Ansichten; die eine stammt von 
Reichert, die andere von Remak. 

Nach Reichert bildet sich das Herz bei den Batrachiern 
aus einer vorspringenden Partie der Hauptdottermasse; die Herz- 
höhle wird zuerst vom Kiemenbogenträger und der Membrana reu- 
niens inferior unvollständig begrenzt, dann aber durch eine später 
zwischen jenen entstehende Scheidewand, die das Herz von der Haupt- 
dottermasse abschnürt, vollständig abgeschlossen. 

Remak dagegen gibt nur an, dass das Herz dort, wo die kanal- 
förmigen Enden der Pleurahöhlen an der Bauchfläche des Embryo 
zusammenstossen, innerhalb einer in der Schlundplatte gelegenen 
Lücke entstehe. 

Ausserdem ist es eine von den beiden genannten Autoren ver- 
tretene Ansicht, dass das Herz bei den Batrachiern sowohl als auch 
bei dem Hühnchen als eine »solide« Masse sich anlege, die erst 
später hohl werde. 

Schenk hat nun (W. S.-B. Bd. LIV.) beim Hühnchen gezeigt, 
dass das Herz in seiner ersten Anlage eine »von Anfang an 
schon hohle Ausstülpungder Darmfaserplatte« darstelle. 


158 Dr. J. Oellacher: 


Seine Arbeit verbreitete zum ersten Male Licht über das Ver- 
hältniss der Keimblätter zur Entstehung des Herzens, andererseits 
aber widerlegte er auch durch dieselbe die obige Ansicht, dass das 
Herz als eine solide Masse entstehe und erst im Verlaufe einer wei- 
teren Entwickelung hohl werde. 


Bezüglich der Batrachier ist der Widerspruch zwischen den 
angeführten Ansichten Reichert’s und Remak’s noch bis heute 
ungelöst, und das bewog mich, die erste Entwickelung des Herzens 
und der Pericardialhöhle bei Bufo cinereus zum Gegenstande meiner 
Untersuchungen zu machen, deren Resultate ich hier mittheile. 

Wenn ich bei der grossen Uebereinstimmung im Plane der 
Entwickelung der verschiedenen Wirbelthiere mit der Erwartung an 
diese Untersuchungen ging, wenigstens theilweise auf Verhältnisse 
zu stossen, die denen beim Huhn ähnlicher sind, als es besonders 
nach der von Reichert mitgetheilten Ansicht der Fall sein müsste, 
so wurde ich in dieser meiner Erwartung nichts weniger als ent- 
täuscht. Ich fand im Gegentheil, dass sich wenigstens das Herz 
bei Bufo cinereus im Wesentlichen gerade so anlegt, wie Schenk es 
für das Hühnchen beschreibt. 


Um mich zunächst über die Lage des Herzens bei den zu 
untersuchenden Embryonen genauer zu orientiren, fertigte ich an 
in Chromsäure erhärteten Exemplaren, von denen ich wusste, dass 
das Herz vermöge ihrer sonstigen vorgeschrittenen Entwickelung 
schon lange gebildet sein musste, Sagittalschnitte an, bei noch älte- 
ren Embryonen isolirte ich das Herz mit der Präparirnadel. 

Auf diese Weise überzeugte ich mich, dass das Herz erst über 
dem hinteren Theile des bekannten Haftorganes an der Bauchfläche 
des Kopfbruststückes liegt und bei seiner weiteren Entwickelung 
immer mehr über dasselbe hinaus zurückrückt. 


Mit diesem Resultate ging ich daran, die frühesten Stadien 
der Herzentwickelung an jüngeren Embryonen und zwar auf Quer- 
schnitten zu erforschen. | 

Bei der Anfertigung der Schnitte leisteten mir folgende Prä- 
parationsmethoden gute Dienste. Ich erhärtete die Embryonen bis 
zur völligen Entfärbung des Pigments in CrO; und legte sie dann 
zuvor in Alkohol und vor dem Einbetten in Wachs und Oel noch 
auf mehrere Stunden in Glycerin — oder ich unterbrach die Er- 
härtung in CrO; etwas vor der völligen Entfärbung und legte 


Ueber die erste Entwickelung des Herzens etc. bei Bufo cinereus. 159 


wieder erst in Alkohol, dann aber in Terpentin ein, wobei die Em- 
bryonen am wenigsten brüchig wurden. 

Das Stadium der ersten Entwickelung des Herzens fand ich 
an Embryonen, bei denen der Schwanz eben hervorzuwachsen be- 
gonnen hat. An solchen liegt das Herz noch fast ganz über dem 
hinteren Theile jenes Hautlappens an der Bauchfläche des Kopf- 
bruststückes, der sich später zu dem bekannten Haftorgane ausbildet. 

Ein Querschnitt durch den Embryo, so ziemlich mitten durchs 
Herz getroffen, zeigt folgende Verhältnisse: 

Die Spaltung des mittleren Keimblattes in Hautmuskel- und 
Darmfaserplatte ist im ganzen Umfange des Darmkanales ausge- 
sprochen, die beiden Platten berühren sich jedoch gegenseitig mit 
Ausnahme zweier am untern Umfange des Darmes, seitlich von der 
Medianlinie gelegenen Stellen. 

Am untern Umfange des Darmkanals nämlich zeigt sich die 
Hautmuskelplatte durch eine in der Mitte gelegene hohle und wenig 
mehr als einen Halbkreis betragende bogenförmige Ausstülpung 
(Fig. 1 c‘) der Darmfaserplatte nach unten gedrängt. 

Diese berührt mit ihrer grössten Convexität in der Median- 
linie die concave Seite der Hautmuskelplatte (Fig. 1b). Seitlich 
von dieser Stelle stehen beide Platten von einander ab, so dass also 
zu beiden Seiten der Ausstülpung je ein hohler, auf dem Quer- 
schnitte dreieckiger Raum (Fig. lc) entsteht, der nach innen und 
oben von der Darmfaserplatte, nach aussen und unten von der Haut- 
muskelplatte begrenzt wird. 

Die nach unten ausgestülpte Partie der Darmfaserplatte 
schliesst einen Raum ein, der nach oben vom Darmdrüsenblatt ge- 
deckt ist. 

Sowohl der eben beschriebene, von der Ausstülpung der Darm- 
faserplatte umschlossene mittlere, als auch die früher erwähnten 
seitlich von ihm gelegenen dreieckigen Räume sind nicht leer, son- 
dern von Zellmassen erfüllt, über deren Ursprung ich nichts aus- 
sagen kann; durch ihr lockeres Gefüge sind sie jedoch von’ den 
Keimblättern hinlänglich als eigene Gebilde unterschieden. 

Von der in dem mittleren Raume enthaltenen Zellmasse (Fig. 
1 H) muss ich noch erwähnen, dass ihre untersten Elemente (Fig. 1 e) 
ziemlich deutlich in eine Reihe geordnet sind und der entsprechen- 
den Partie der Ausstülpung der Darmfaserplatte wie eine sie un- 
vollkommen auskleidende Schichte anliegen. 


160 Dr. J. Oellacher: 


Bildet die Ausstülpung auf dem Fig. 1 abgebildeten Schnitte 
einen Bogen, der etwas weniges mehr als einen Halbkreis beträgt, 
so erscheint sie dagegen auf einem vor demselben gelegenen (Fig. 2) 
bedeutend flacher. Körperlich genommen dürfte also dieselbe dem 
Segmente einer Kugel oder eines Ellipsoides gleichen. Auch hier 
liegt zwischen dem ausgestülpten Theile der Darmfaserplatte und 
dem darüber wegziehenden Darmdrüsenblatte eine den gegebenen 
Raum (Fig. 2H) erfüllende Zellmasse. 

Nirgends berührt auf diesem Schnitte die ausgestülpte Darm- 
faserplatte die Hautmuskelplatte; sie ist vielmehr von ihr durch 
Einen gebogenen und von einer Zellmasse erfüllten Raum getrennt 
(Fig. 2 P). 

Offenbar ist dieser Raum der Vorläufer der beiden Fig. 1 ge- 
zeichneten dreieckigen zu beiden Seiten der Ausstülpung. Aus der 
Combination des Schnittes Fig. 1 und 2 ergibt sich daher, dass wir 
es hier mit einer Ausstülpung der Darmfaserplatte zu thun haben, 
die in einen nach unten von der Hautmuskelplatte begrenzten 
Raum hineinragt und diese an einer Stelle mit ihrer grössten Con- 
vexität berührt. 

Diese soeben geschilderte Ausstülpung der Darmfaserplatte 
muss ich zunächst wegen ihrer Lage oberhalb jenes früher erwähn- 
ten Hautlappens, als auch wegen ihrer ferneren, gleich weiter zu 
verfolgenden Entwickelung für die erste Anlage des Herzens er- 
klären, und somit ergibt sich die Deutung des dieselbe umgebenden 
Raumes als Pericardialhöhle oder Herzhöhle der Embryo- 
logen von selbst. 

Was die erste Anlage des Herzens betrifft, so sehen wir also, 
dass sie bei Bufo einereus, gerade so wie beim Hühnchen, sich als 
eine Ausstülpung der Darmfaserplatte darstellt. Ein späteres Sta- 
dium, das ich gleich beschreiben werde, wird die Aehnlichkeit der 
ersten Entwickelung des Herzens beim Hühnchen, wie sie Schenk 
beschreibt, mit den bei Bufo cinereus noch deutlicher hervortreten 
lassen. 

Der Raum, in den das Herz hineinhängt, die Pericardialhöhle, 
verdankt zunächst ihre Entstehung der Ausstülpung der Darmfaser- 
platte, durch welche diese und die Hautmuskelplatte zum Ausein- 
anderweichen gebracht werden; dazu musste jedoch die Spaltung 
des mittleren Keimblattes nothwendig vorausgehen. 

Es ist nicht zu verkennen, dass die Entstehung der Pericar- 


Ueber die erste Entwickelung des Herzens etc. bei Bufo cinereus. 161 


dialhöhle auf denselben Vorgängen beruht wie die der Pleurahöh- 
len; beide verdanken ihr Dasein der Spaltung des mittleren Keim- 
blattes und der Auseinanderdrängung der Spaltungsprodukte der- 
selben durch ein zwischen sie vom Darme her sich vorstülpendes 
Organ, das im einen Falle die Lunge ist, im andern das Herz. 

Pericardialhöhle und Pleurahöhle sind also in 
ihrer Entstehung analog; sofern aber die eigentliche Vor- 
bedingung dieses Processes die Spaltung des mittleren Keimblattes 
ist, können wir die Pericardialhöhle als ein Analogon der 
ganzen Pleuroperitonealhöhle auffassen. 


Ein in der Entwicklung dem eben beschriebenen sich anschlies- 
sendes, aber weiter vorgeschrittenes Stadium zeigt das Herz ziem- 
lich vergrössert, es liegt fast ganz hinter dem erwähnten Hautlappen 
an der Bauchfläche des Kopfbruststückes. Auf dem Durchschnitte 
Fig. 3, der so ziemlich durch den grössten queren Umfang des Her- 
zens geht, hat es im Ganzen eine querovale Form, auf hinter und 
vor demselben gelegenen (Fig. 4) eine viereckige rundliche. Das 
ganze Herz stellt demnach einen spindelförmigen, in der Mitte ab- 
geflachten Schlauch dar. Die weite Oeffnung im früheren Stadium, 
die vom Darmdrüsenblatte überbrückt erschien, ist verschwunden; 
das Herz steht im Begriffe, sich von der Darmwand abzuschnüren. 

Der Schnitt Fig. 3 durch die Mitte des Herzens zeigt, dass 
das Drüsenblatt nicht mehr frei auf der Inhaltsmasse des Herzens 
aufliegt, sondern dass sich die Darmfaserplatte zwischen beide in 
zwei Lagen eingeschoben hat. Die untere desselben entspricht 
(Fig. 3c‘) der obern Wand des Herzens, während die obere das 
früher durch die Ausstülpung entblösste Stück des Darmdrüsenblat- 
tes überzieht (Fig. 3 c). Diese beiden Schichten von Darmfaser- 
platte, wovon also die untere dem Herzen, die obere dem Darm 
angehört, sind auf Fig. 3 allerdings nur durch einen schwachen Con- 
tour getrennt; ein weiter rückwärts gelegener Schnitt (Fig. 4) zeigt 
jedoch deutlich die doppelte Darmfaserplatte. Das Herz erscheint 
auf demselben rundlich viereckig, rings geschlossen und an einem 
Stiele hängend (Fig. 5 M), welcher durch den Uebergang der Darm- 
faserplatte von Darm auf Herz gebildet wird. Dieser Stiel scheint 
aus zwei bis zur innigsten Berührung genäherten Lamellen gebildet, 
deren linke in die linke, deren rechte in die rechte Herzwand über- 


162 Dr. J. Oellacher: 


geht. Das Herz hängt somit durch eine Art »Mesocardium« 
mit dem Darm zusammen, wie dieser an die Wirbelsäule durch ein 
Mesenterium befestigt ist. 

Es geht aus diesen Bildern Fig. 3 und 4 hervor, dass das 
Herz um diese Zeit entweder über die Anheftungsstelle hinaus- 
gewachsen sei, oder aber dass sich ein Theil der Anheftung abge- 
schnürt haben muss. 

Was die Wand und den Inhalt des Herzens anlangt, so hat 
sich die erstere, unzweifelhaft auf Kosten des letzteren, bereichert; 
statt aus einer Schichte, wie früher, besteht sie jetzt aus zweien, 
aus einer äusseren dickeren, der ursprünglichen ausgestülpten Darm- 
faserplatte, und einer inneren dünneren einzelligen. 

Den eben geschilderten zwei ersten Stadien der Entwickelung 
des Herzens will ich noch zwei weitere anschliessen, die ich jedoch, 
da sie nicht mehr streng in die Grenzen hineingehören, die ich 
meiner Arbeit hier gezogen habe, nur in Kürze abhandeln will. Ich 
kann auch die auf den betreffenden Schnitten Fig. 5 und 6 abgebil- 
deten Einzelheiten, ohne die späteren Veränderungen des Herzens 
genau zu kennen, nicht mit Sicherheit deuten. 

Fig. 5 zeigt einen Querschnitt durch das Herz, etwas vor des- 
sen Mitte; dasselbe verhält sich zum Darm sowohl als zur Pericar- 
dialhöhle ganz so wie früher auf Fig. 3, ebenso was die Schichtung 
der Wand anlangt. Worin dieser Querschnitt von dem Fig. 3 ab- 
weicht, das ist die Form desselben. Das Herz erscheint auf der 
einen Seite (rechts) enger und zu beiden Seiten in einen Kanal 
ausgezogen (Fig. 5 HK‘). Gleichzeitig ist die untere Wand nach 
oben leicht eingebogen. Diese Einbiegung, sowie auch die seitliche 
Asymmetrie des Herzraumes war auch schon auf Fig. 3 schwach, 
aber doch nicht undeutlich ausgesprochen; von den Kanälen aber 
war nichts zu beobachten. Der Inhalt des Herzens war auf diesem 
Schnitte theilweise ausgefallen, nur in der Mitte liegt eine Zell- 
masse, die stellenweise die Wand berührt. — Die innere Schichte 
der Herzwand Fig. 5 e setzt sich in die links und rechts abgehen- 
den Kanäle hinein fort. 

Fig. 6 zeigt einen Schräg-Querschnitt durch die Mitte des Her- 
zens an einem gegen den vorigen etwas entwickelteren Embryo. 
Das linke Ende des Querschnittes des Herzens hat sich von der 
Darmwand losgelöst, die rechte Partie ist am Abgange des seit- 
lichen Kanales (Fig. 6 K) relativ zur Ausdehnung des Herzlumens 


Ueber die erste Entwickelung des Herzens etc. bei Bufo cinereus. 163 


enge; der Kanal selbst erscheint auf dem Schnitte wie in eine 
Spitze ausgezogen. Auch hier setzt sich die das Herz auskleidende 
Schichte in den Kanal hinein fort, überdies erscheint er aber bei 
starken Vergrösserungen noch von derselben Zellmasse erfüllt wie 
das ganze Herz selbst. } 

Auf den Schnitten Fig. 5 und 6 sind die Kanäle mit ihren 
spitz auslaufenden Enden wie zwischen Darmfaserwand und Haut- 
muskelplatte eingetheilt. 

Dass die Kanäle Gefässen entsprechen, ist wohl ausser Zwei- 
fel und ich möchte daher die Zellmasse, die sich vom Herzen in 
dieselben hinein erstreckt, um so mehr für embryonales Blut erklä- 
ren. Was jedoch die Auskleidung des Herzens anlangt, so muss es 
trotzdem sie sich in die Gefässe hinein fortsetzt, noch unentschieden 
gelassen werden, welche Theile der Gefässwand — oder im Herzen 
des Endocards — sich aus derselben bilden. 

Ich leite die innere auskleidende Schichte von den Zellen ab, 
die das Herz früher erfüllten; ein Vergleich der Figg. 3 und 4 mit 
Fig. 1 wird diesen Schluss rechtfertigen. Ich machte schon dort 
aufmerksam, dass die untersten Elemente der das Herz erfüllenden 
Zellmasse in eine Reihe geordnet seien; sie scheinen sich zum 
Herzcavum wie eine beginnende Auskleidung zu verhalten. Die 
Zellmasse, welche auf Fig. 1 und 2 das Herz erfüllte, ist aber nichts 
weniger als verschwunden; auf Fig. 3 sehen wir den Querschnitt 
des Herzens von kleinen Zellen erfüllt, und auf Fig. 4liegt an einer 
Stelle der Herzwand ein Haufen ähnlicher Zellen an. 

Ich weiss nicht, ob ich die neue Schichte, um die die Herz- 
wand zugenommen hat, als Endothel oder als Endocard deuten 
darf, aber soviel scheint mir gewiss, dass die äussere Wand als die 
musculosa aufzufassen ist, indem die beiden Schichten auch in viel 
späteren Stadien, wo das Herz schon lange pulsirt, sich ebenso ver- 
hielten wie hier. 

Schenk fand beim Hühnchen ganz dieselben Verhältnisse, 
nur den Inhalt des Herzens erwähnt er nicht, obwohl er in dem- 
selben einige Blutkörperchen abbildet, die der Wand anzuhaften 
schienen. 

In späteren Stadien fand Schenk, dass die äussere Schichte 
der Herzwand in das Lumen des Herzens hinein Auswüchse her- 
vortreibe, was ihn bewog, dieselbe für die Muskelschichte zu halten. 

Den zelligen Inhalt des Herzens, den ich früher schon erwähnte 


164 Erklärung der Abbildungen auf Taf. XVI. 


und jetzt sowohl als auch in späteren Stadien stets wiederfinde, 
kann ich wohl nicht anders als für Blut erklären. 

Das Verhältniss des Herzens zur Pericardialhöhle anlangend, 
so stellt sich dasselbe hier folgendermassen dar: 

In Fig. 3 haftet das Herz sozusagen am Darm mit seiner gan- 
zen oberen Wand an, in der Quere füllt es den ihm gegebenen 
Raum völlig aus und nur nach unten zu bleibt zwischen der unte- 
ren Herzwand und der Hautmuskelplatte ein Raum übrig, der von 
einer Zellmasse locker erfüllt ist. Auf Fig. 4 liegt das Herz da- 
gegen mit seiner unteren Wand der Hautmuskelplatte an, während es 
nach oben zu um die Länge des Mesocardiums vom Darme absteht. 
Hier existirt also über dem Herzen ein durch das Mesocardium ge- 
theilter Raum; auch dieser ist von Zellen theilweise erfüllt, die um 
das Herz selbst dichter angehäuft erscheinen und somit vielleicht 
das Material für ein Endothel des Pericards oder für dieses selbst 
liefern dürften. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XV. 


Sämmtliche 6 Figuren sind mit Hartnack System 4, Ocular 3 und ein- 
geschobenem Tubus gezeichnet; sie geben die unteren Hälften von Querschnit- 
ten durch das Kopfbruststäck der Embryonen von Bufo cinereus, so zwar, 
dass auf denselben vom Darmrohr blos das untere, der Bauchfläche zugewen- 
dete Segment erscheint. 

Fig. 1 stellt einen Schnitt durch einen Embryo dar, dessen Schwanz 
soeben hervorzuwachsen beginnt. Er trifft das sich eben entwickelnde Herz 
senkrecht auf seine Längsachse und in seinem grössten Querdurchmesser. 

a bezeichnet das obere Keimblatt oder die Epidermis; 

b die Hautmuskelplatte; 

c die Darmfaserplatte, soweit sie die Faserwand des Darms darstellt; 

d das Darmdrüsenblatt; 

c‘ das embryonale Herz, eine Ausstülpung der Darmfaserplatte dar- 
stellend;; 

H die Herzhöhle von Zellen erfüllt; 

e einige dieser Zellen, die sich wie eine beginnende Auskleidung zur 


Herzwand zu verhalten scheinen; 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XV]. 165 


PP die Pericardialhöhle oder Herzhöhle der Embryologen, hier da- 
durch, dass das Herz die Hautmuskelplatte an einer Stelle berührt, doppelt 
erscheinend. Auch diese Höhle ist von Zellen erfüllt; 

D die Darmhöhle; 

Hfo das Haftorgan an der Bauchfläche des Kopfbruststückes. 

Fig. 2. Ein Schnitt durch denselben Embryo, etwas vor dem vorigen 
gelegen, durch den vordersten Theil der Ausstülpung der Darmfaserplatte, 
die das Herz darstellt. 

P die Pericardialhöhle erscheint hier einfach, da die Ausstülpung der 
Darmfaserplatte e’ die Hautmuskelplatte b nicht berührt. 

Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 1. 

Fig. 3. Schnitt durch einen etwas älteren Embryo; hinter den als 
Haftorgan bezeichneten Hautlappen (Hfo Fig. 1) fallend und durch den 
grössten Querumfang des abgeschnürten Herzens. 

ce Darmfaserwand; 

c‘ obere Herzwand, der unteren Darmwand völlig anliegend; 

e zellige Auskleidung des Herzens (Endocard oder wahrscheinlicher 
blos Endothel). 

H Herzhöhle der Anatomen von Zellen erfüllt (Blut); 

D, a, d und P wie in den vorigen Figuren. 

Fig. 4. Schnitt von demselben Embryo wie der vorige, hinter dem- 
selben gelegen. 

H die Herzhöhle von einer Lage e ausgekleidet, ist vom Darm abge- 

schnürt; edie Darmfaserwand und c’ die musculöse Herzwand gehen 
durch das zweiblätterige Mesocardium M ineinander continuirlich über. 

Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 1. 

Fig. 5. Schnitt durch einen noch älteren Embryo. Er trifft das Herz 
noch etwas vor der Mitte und geht wieder durch das Haftorgan Hfo. 

H die Herzhöhle ist von einer Zelllage ausgekleidet und enthält über- 
dies Blutzellen; nach beiden Seiten zieht sie sich in zwei ebenso von einer 
Zelllage ausgekleidete Kanäle KK‘ aus (Gefässe), die zwischen Darmfaser- 
und Hautmuskelplatte einzudringen scheinen. 

Alle übrigen Buchstaben wie früher. 

Fig. 6. Schrägquerschnitt aus einem wenig älteren Embryo. Das 
Herz zeigt blos einen abgehenden Kanal k, der sich verhält wie die beiden 
früheren in Fig. 5. Die Herzhöhle H von Blut ganz erfüllt. 

Alle’anderen Buchstaben wie früher. 


M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 12 


Beiträge zur Kenntniss der Nerven, Blut- und 
Lymphgefässe der Kehlkopfschleimhaut. 


Von 


Dr. Boldyrew 
aus Kasan. 


Im vergangenen Sommer - Semester beschäftigte ich mich im 
Berliner physiologischen Laboratorium mit der Untersuchung der 
Nervenendigungen in der Schleimhaut des Larynx und der Trachea. 
Ich untersuchte die Schleimhaut verschiedener Säugethiere (Hund, 
Kaninchen, Schaf, Kalb und Schwein), und theile hier die Resultate 
meiner Untersuchungen kurz mit. 

Wir finden in den Lehrbüchern (Henle, Kölliker) keine 
positive Angaben über die Nervenendigungen des Kehlkopfes.. Von 
Spezial-Arbeiten sind mir als hierher gehörig nur die Untersuchun- 
gen von Rheiner!), Neumann?), Verson), v. Luschka‘) 
und Lindemann?) bekannt geworden. 

Die Methode meiner Untersuchungen war folgende: Ich nahm 
einen ganz frischen Kehlkopf und präparirte so schnell und so fein 
wie möglich die Schleimhaut ab. Die so erhaltenen Schleimhaut- 
stücke wurden mit den verschiedensten Reagentien (Goldchlorid von 


1) Beiträge zur Histologie des Kehlkopfes. Würzburg 1852. Dissert. 

2) Om byggnaden af Luftröhrshafradet hos den fullwäxta inneniskan. 
Lund. 1851. 

3) Handbuch der Lehre von den Geweben von Stricker. 1870. 

4) Dieses Archiv Bd. V. 1869. 

5) Zeitschrift f. rationelle Mediein von Henle und Pfeuffer. Dritte 
Reihe, XXXVI. Band, 2. Heft. 1869. 


Dr. Boldyrew: Beiträge zur Kenntniss der Nerven, Gefässe etc. 167 


1/0 bis zu Ya %/; Osmiumamid von "/ıo °/o; Osmiumsäure von Yıo 
bis 1%0; Pierinsäure, Jodserum, verdünnter Müller’schen Lösung 
und den bekannten dünnen Chromsäure-Lösungen), theils macerirend, 
theils erhärtend behandelt. Am vortheilhaftesten erwies sich für 
meine Zwecke unter allen diesen Reagentien die Behandlung mit 
Goldcehlorid, die ich in den meisten Fällen und mit dem besten Er- 
folge genau nach der Gohnheim’schen Methode vornahm. Ich 
liess die frischen Membranstücke in der halbprocentigen Lösung 
nicht länger als 15 bis etwa 20 Minuten, kurz bis zu dem Augen- 
blicke, wo das Präparat eine strohgelbe Farbe angenommen hatte. 
Dann nahm ich das Präparat heraus und legte es in destillirtes 
Wasser, welches ebenso wie die Lösung von Goldehlorid mit einem 
Tropfen Essigsäure versetzt war. Eine dunkelviolette Farbe erhielt 
man gewöhnlich alsdann, wenn die Präparate eine lange Zeit hindurch 
(12—16 Tage) im Wasser gelegen hatten. Freilich waren in diesen Fällen 
dann ganz ebenso wie die Nerven auch die Capillaren prächtig 
dunkelviolett gefärbt, so dass die Erkennung der ersteren mitunter 
ihre Schwierigkeiten hatte. Die Präparate, die mit Ueberosmium- 
säure und mit einer Lösung von Osmiumamid behandelt wurden, 
konnten bereits nach 24 Stunden untersucht werden. 

Die so behandelten Schleimhautstückchen können nun in der ver- 
schiedensten Weise zur Untersuchung verwendet werden. Entweder 
fertigt man feine senkrechte Querschnitte durch die ganze Dicke 
der Schleimhaut an, um über die Situation und die allgemeinen 
Verhältnisse klar zu werden. Oder wenn es sich darum handelt, 
die Epithelschicht und etwaige in ihr befindliche Gebilde zu studi- 
ren, trägt man diese mittelst feiner Lanzette von ihrer bindege- 
webigen Grundlage. Endlich eine sehr gute Methode, deren ich 
mich viel bediente und die in der That ganz vorzüglich geeignet 
ist, die :n der subepithelialen Schicht gelegenen Nervenendigungen 
kennen zu lernen, bestand darin, von der mit Goldchlorid resp. 
mit Osmium behandelten Schleimhaut einen feinen flachen Schnitt 
abzutragen, denselben auf einen Objectträger in einem Tropfen Glycerin 
auszubreiten und dann durch vorsichtiges Schaben mit einer Staar- 
nadel von seiner Epithellage zu befreien. 

Bei den nach diesen Methoden angefertigten und wohlgelunge- 
nen Präparaten konnte man unmittelbar unter der Subepithelial- 
Schicht der Epiglottis und der übrigen Theile des Kehlkopfes sehr 
schön die ziemlich regelmässigen Maschen eines aus Nervenstämmchen 


168 Dr. Boldyrew: 


sich zusammensetzenden Netzes wahrnehmen. Die gröberen Maschen 
sind grösstentheils rhombisch und ziemlich regelmässig angeordnet. Bei 
dieser Gelegenheit beobachtete man, dass die Hauptstämme stets 
geradlinig und annähernd parallel untereinander verlaufen. Von 
ihnen gehen feine perpendiculäre markhaltige Verzweigungen ab, 
welche sämmtlich untereinander ein Netz bilden. Von einer solchen 
netzförmigen Anordnung spricht auch Lindemann, allein er stellt 
die Maschenräume der doppelt conturirten Nerven nicht in der regel- 
mässigen Gestalt dar, in welcher ich sie bei meinen Präparaten ge- 
sehen habe. Vielmehr ist die Regelmässigkeit des in der Schleim- 
haut gelegenen Netzes feiner und feinster Nervenstämmchen stets 
ein ganz constantes Vorkommen, wie dasselbe von der Epiglottis be- 
reits von Beale!) und Neumann dargestellt wurde und wie eine 
ganz übereinstimmende regelmässige Netzbildung aus dem Bereich 
vieler anderer Schleimhäute, so z. B. von Billroth?) vom Darm- 
kanal und noch ganz neuerdings von Trütschel?) von der Schleim- 
haut des Magens beschrieben worden ist. 

Aus diesem Netz gehen endlich einzelne Nervenprimitivfasern 
hervor, welche gestreckt oder gewunden durch das Gewebe der 
Schleimhaut nach aufwärts verlaufen. Sehr eigenthümlich ist an 
ihnen die reichlich mit (bei der Behandlung mit Goldchlorid sehr 
deutlich hervortretenden) Kernen besetzte Schwann’sche Scheide, 
welche im Vergleich zu der Feinheit des nur mit einer dünnen 
Schicht von Nervenmark bekleideten Axencylinders ausserordentlich 
mächtige Dimensionen besitzt. Endlich endigen diese Nervenfasern 
frei im Gewebe, gewöhnlich mit einer leichten Anschwellung; mit- 
unter gewinnt es auch den Anschein, als ob die Nervenfaser in eine 
kernhaltige granulöse Masse überginge. 

Es ist sehr schwer, eine allgemein gültige Darstellung dieser 
Nervenendigungen zu geben und aus den verschiedensten Bildern, die 
sich dem Beobachter darbieten, ein allgemeines Princip herauszu- 
finden. So zuweilen sehen wir eine einzige markhaltige Nervenfaser 
von beträchtlicher Breite innerhalb einer dieselbe wie ein weiter 
Sack umgebenden Schwann’schen Scheide in einer gleichfalls von 


1) Archives of medecine vol. III. 1862 Nr. 12. 
2) Virchow Cellularpathologie Fig. 87. 
3) Centralblatt Nr. 8, Febr. 1870. 


Beiträge zur Kenntniss der Nerven, Blut- und Lymphgefässe etc. 169 


derselben überzogenen Anschwellung endigen. Auch kommt es vor, 
dass kurz vor der Endigung eine dichotomische Theilung des Axen- 
cylinders stattfindet. Die Schwann’sche Scheide umhüllt deutlich 
zwei kolbenartige Endanschwellungen, in denen ein resp. zwei rund- 
liche Kerne liegen. Manchmal geht die markhaltige Nervenfaser in 
eine elliptische granulirte Masse über. In andern Fällen sehen wir 
auch ein ähnliches Bild, blos mit dem Unterschiede, dass das Ka- 
liber der markhaltigen Nervenprimitivfaser ein beträchtlich feineres 
ist, wie in den bisher besprochenen Präparaten. Ihre Endigung 
geschieht in der Weise, dass sie in ein glänzendes, durch Goldchlo- 
rid ebenso wie die Markscheide intensiv gefärbtes Körperchen über- 
gehen. Die Gestalt dieses Körperchens ist eine verschiedene: ent- 
weder ähnelt es mehr einem spitzen Zapfen, oder einem rundlichen 
Knopf. 

Nur ein einziges Mal ist es mir gelungen, die Endigung einer 
marklosen-Nervenfaser zu demonstriren. Von einem ziemlich star- 
ken markhaltigen Nerven, der in einer weiten Schwann’schen 
Scheide verläuft, zweigt sich ein feines markloses Aestchen ab, wel- 
ches ebenfalls von einer ziemlich weiten Schwann’schen Scheide 
umgeben ist und in einem ganz ähnlichen Endknöpfchen endigt. 

Es erhebt sich nun die Frage, ob sämmtliche sensibeln Ner- 
venfasern der Kehlkopfschleimhaut in der oben beschriebenen oder 
doch einer ähnlichen Weise, innerhalb der bindegewebigen Grund- 
lage endigen, oder ob über dieselbe hinaus noch besondere Endigungen 
sensibler Nerven in dem Epithel selbst vorhanden sind. Mit Me 
heit kann ich diese Frage weder bejahen noch verneinen. Markhaltige 
Nervenfasern habe ich in das Epithel nicht verfolgen können und 
auch die Untersuchung des Epithels selbst hat nicht hinreichend 
sichere Anhaltspuncte ergeben, um eine Endigung der Nerven inner- 
halb desselben mit Sicherheit behaupten zu dürfen. 

Hauptsächlich richteten sich meine Untersuchungen darauf, 
innerhalb der mit Platten -Fpithel bekleideten Regionen des Kehl- 
kopfs Nervenendigungen nachzuweisen. In der That habe ich hier 
nicht selten Bilder erhalten, welche wenigstens das zu beweisen 
schienen, dass zwischen den unveränderten Zellen des Plattenepithels 
Zellen vorkommen, die sich durch ihre intensive Imbibition mit den 
färbenden Reagentien (Goldchlorid, Osmiumsäure) auszeichnen, und 
von denen nicht selten gefärbte Ausläufer auszugehen schienen. Ich 
brauche kaum auf die Aehnlichkeit aufmerksam zu machen, welche 


170 Dr. Boldyrew: 


dieselben mit den von Langerhans und Podkopaen!:) ge- 
gebenen Abbildungen besitzen, welche die innerhalb des stratum 
mucosum der Epidermis des Menschen und der Säugethiere gelege- 
nen nervösen Zellen darstellen. Ich muss aus eigener Erfahrung 
bekennen, dass die fast stets unberechenbaren Einwirkungen der 
hier in Frage kommenden Reagentien speciell auf die Epithelien 
nur zu häufig rein zufällig sind und uns oft Bilder produciren, welche 
Verhältnisse und Unterschiede, die in der Natur nicht begründet 
sind, vortäuschen, so dass ich auf Grund dieser Reactionen allein 
diese Zellen als nervös nicht in Anspruch nehmen möchte. Andere 
Anhaltspunkte, die Natur derselben zu entscheiden, liegen für mich 
leider nicht vor. Ja, ich kann nicht mit Sicherheit angeben, ob 
wirklich unzweifelhafte Nervenfasern sich bis in das Epithel hinein 
verfolgen lassen, und muss daher mein Urtheil über diese fraglichen 
Zellen vor der Hand noch suspendiren. 

Die Verhältnisse innerhalb der beiden epithelialen Formenkreise, 
des Flimmer- und des Plattenepithels, welche innerhalb des Cavum 
laryngis vorkommen, sind sehr mannigfaltige und wechselnde. So 
kommen z. B. innerhalb der mit Flimmerepithel bekleideten Stellen 
enorme Schwankungen in Bezug auf die Form und Dimension der 
einzelnen flimmernden Cylinderzellen vor. Die Unterschiede können 
so bedeutend sein, dass z. B. von der Kehlkopfschleimhaut dessel- 
ben Thieres an einigen Stellen kurze und gedrungene, an anderen 
Stellen dagegen wieder dünne und langgestreckte Flimmerzellen 
isolirt wurden, der Längendurchmesser den der ersteren durchschnitt- 
lich noch um das Vierfache übertraf. Die der bindegewebigen 
Grundlage zugekehrte basale Ausfaserung der Flimmerepithelzellen 
war besonders an den mit verdünnter Müller’scher Lösung behan- 
delten Präparaten deutlich und erreichte oft eine beträchtliche Länge. 

Auch innerhalb des Formenkreises der Plattenepithelien kom- 
men ganz ausserordentliche Schwankungen der Gestalt und Dimen- 
sionen vor. So finden sich, um nur Eines hervorzuheben, bald Stel- 
len mit ausgesprochen eckigen, bald mit rundlichen und ovalen 
Plattenzellen. Bemerkenswerth ist noch, dass unter den grossen 
Epithelzellen sich nicht selten solche fanden, deren Kerne bisquit- 
förmig eingeschnürt waren, oder die auch wohl zwei Kerne besassen. 

In der Frage, ob die Nervenverzweigungen der Kehlkopf- 


1) Dieses Archiv Bd. V, Heft 4, 1869. 


Beiträge zur Kenntniss der Nerven, Blut- und Lymphgefässe ete. 171 


schleimhaut Ganglien-Zellen führen oder nicht — welche von Linde- 
mann und Verson verschieden beantwortet wird — muss ich mich 
auf die Seite von Verson stellen, indem es auch mir niemals gelun- 
gen ist, Ganglienzellen an den peripheren Nerven - Verästelungen 
der Kelılkopfschleimhaut wahrzunehmen. 

Die Blutgefässe des Kehlkopfschleimhaut entstammen, wie be- 
kannt, vorzüglich zwei Aesten der Art. thyreoid. sup., von denen 
der eine, Art. laryngea sup., durch die membrana hyothyreoidea in 
den Kehlkopf gelangt und sich hauptsächlich in den oberen Partien 
desselben vertheilt, der andere, Art. ericothyreoidea, das ligament. 
conicum durchbohrt und die Gegend der wahren Stimmbänder als 
Verbreitungsbezirk zugewiesen hat. 

Ueber die Anordnung der stärkeren Arterien und Nerven- 
stämme hat neuerdings v. Luschk a !) sehr eingehende Untersuchung 
veröffentlicht, auf welche hier verwiesen wird. 

Ueber die Anordnung und Vertheilung der feineren Gefässe 
‚der Schleimhaut liegen Nachrichten von Luschka (l. c.) und Rhei- 
ner (l. c.) vor, welche ich im Allgemeinen bestätigen kann, denen 
ich äber einige Ergänzungen hinzuzufügen habe. 

Ueber die dabei eingeschlagene Methode erwähne ich nur, dass 
das Blutgefässsystem des Kehlkopfs verschiedener Säuge- 
thiere (Hund, Katze, Kaninchen, Pferd) unter Anwendung des He- 
ring’schen Injections-Apparates von der Aorta oder von der Art. 
thyreoidea superior aus, bald mit Carmin-Leim, bald mit wässeri- 
gem Berlinerblau injieirt wurden. Die sonach in Alcohol erhärtete 
Schleimhaut wurde dann theils an Querschnitten untersucht, theils 
aber abgelöst und in ihrer gauzen Dicke oder in einzelne Schich- 
ten zerlegt betrachtet, nachdem sie mittelst Terpentinöl durchsichtig 
gemacht war. ; 

Der grosse Reichthum der Kehlkopfschleimhaut an Blutgefäs- 
sen liest nicht blos darin, dass dieselben sehr dichte Netze bilden, 
sondern noch weiter, dass in der ganzen Ausdehnung derselben 
mehrere solche Netze übereinander geschichtet sind, wobei jedoch 
die einzelnen Abschnitte der Schleimhaut nicht unwesentliche Ver- 
schiedenheiten zeigen. 


1) Die Venen des menschlichen Kehlkopfs. Archiv für Anatomie und 
Physiologie und wissenschaftliche Medicin von Du Bois-Reymond und Rei- 
chert. 1869. Heft IV. 


172 Dr. Boldyrew: 


An der hinteren Fläche der Epiglottis sind die tiefer 
liegenden gröberen Gefässe, Arterien sowohl als Venen, dadurch 
ausgezeichnet, dass in langen Bögen von der Basis zur Spitze 
aufsteigend sich spitzwinkelig verästeln, und dass in weiterem Verlaufe 
die kleinen geschlängelten Zweigchen in schiefer Richtung an die 
Oberfläche treten, wo sie dicht unter dem Epithel ein ziemlich regel- 
mässiges rundliches Maschenwerk formen, dessen Röhrchen sich von 
den Capillaren der übrigen Schleimhautpartien auch noch durch 
etwas grössere Breite unterscheiden. 

In allen übrigen Bezirken des Kehlkopfs sind die 
Blutgefässe der Schleimhaut in drei streng gesonderte Schichten 
getheilt, von denen die unterste durch fast rechtwinklige Verzwei- 
gungen und Anastomosen der gröberen Stämmchen ein weites, poly- 
gonal-maschiges Netz darstellt. Die schief aufsteigenden Ausläufer 
dieser Gefässschicht zerfallen ungefähr in der Mitte der Schleimhaut 
in zahlreiche feine Röhrchen, welche, sich flächenartig ausbreitend, 
ein zweites Netz darstellen, dessen Maschen ebenfalls grösstentheils 
eckige Figuren formen, jedoch mehrmals kleiner sind als die des 
tiefsten Netzes. Von diesen Gefässchen treten nun in fast senkrech- 
ter Richtung äusserst zahlreiche Aestchen an die Oberfläche der 
Schleimhaut — im Umkreise einer jeden Masche entspringen deren 
mehrere — um erst dort, unmittelbar unter dem Epithel, in ein 
feines Capillarnetz überzugehen. 

Dieses subepitheliale Netz entsteht dadurch, dass jedes dieser 
senkrechten Röhrchen sich in mehrere Zweigchen spaltet, welche in 
seichten Bögen flächenartig verlaufen und mit ihren Nachbarn zu- 
sammenfliessen, wesshalb ziemlich regelmässige, rundliche oder ovale 
Maschen entstehen. Die Sonderung dieser drei Netze ist eine so 
vollständige, dass es häufig gelingt, durch sorgfältige Präparation 
jedes Einzelne auf grosse Strecken hin für sich isolirt zu gewinnen. 

Eine weitere Beschreibung erfordert noch die Anordnung der 
Gefässe an den wahren Stimmbändern, an welchen diese 
Schichtung am ausgesprochensten sich darstellt. Es drängt sich 
hier vor Allem die Erscheinung auf, dass die Maschen der sämmt- 
lichen Gefässnetze in auffallender Weise nach der Verlaufs-Richtung 
dieser Bänder in die Länge gestreckt sind, während in den übrigen 
Bezirken der Schleimhaut der Gefässverlauf Keine regelmässig aus- 
gesprochene Richtung einhält. 

Die feineren Verhältnisse der Gefässvertheilung an den wah- 


Beiträge zur Kenntniss der Nerven, Blut- und Lymphgefässe ete. 173 


ren Stimmbändern konnte ich besonders am Pferdekehlkopf studi- 
ren, weil mir von demselben die gelungensten Präparate zur Ver- 
fügung standen. 

Die tiefliegende, gröbere Gefässschichte, sowie das mittlere 
Netz zeigen kaum eine andere als die bereits erwähnte Eigenthüm- 
lichkeit, dass ihr Verlauf vorwiegend von vorne nach rückwärts ge- 
richtet ist, und dass so langgezogene rechtwinkelige Maschen zu 
Stande kommen. Das subepitheliale Gefässnetz nimmt aber hier 
theilweise einen anderen Charakter an, und zwar wegen der Anwe- 
senheit von Schleimhautpapillen, welche ich sowohl am Pferd 
als auch am Hund und am Menschen als ein constantes Vorkomm- 
niss getroffen habe. 

Jede dieser Papillen bekommt durch Abbiegen der Capillar- 
röhrchen in das Innere derselben eine Gefässschlinge, deren Schen- 
kel bald parallel, bald spiralig umeinander gedreht erscheinen. Da 
ferner die Papillen in den vorderen Theilen des Stimmbandes klein 
und spärlich, in den mittleren grösser und in regelmässige parallele 
Reihen (ähnlich wie im Pharynx) gestellt sind, gegen die cartil. 
arytaenoides zu am grössten, aber spärlicher und unregelmässig zer- 
streut sich finden, so ergibt sich auch für das subepitheliale Gefäss- 
netz dem entsprechend ein verschiedenes Aussehen. Die flachen, 
unansehnlichen und spärlichen Gefässschlingen der vorderen Partien, 
die steilen, meist gedrehten, regelmässig aneinander gereihten Schlin- 
gen der mittleren Partien, und die wieder spärlichen, aber steilen 
und stärkeren Gefässschleifen der hinteren Theile des Stimmbandes 
verleihen dem subepithelialen Gefässnetz der Stimmbänder einen so 
ausgesprochenen Character, dass man an ihnen allein die Stelle, der 
das Präparat entnommen ist, diagnostiziren kann. 

Ausser diesen, der eigentlichen Schleimhaut angehörigen Ge- 
fässausbreitungen findet man an allen jenen Stellen, wo dieselbe 
sich ohne Zwischenlage von Muskeln etc. an den Knorpel legt, und 
zwar unmittelbar dem letzteren aufliegend, ein eigenthümliches ganz 
selbstständiges Gefässsystem, welches ebenfalls leicht für sich dar- 
zustellen ist. Dasselbe besteht aus weiten polygonalen Netzen grö- 
berer parallel verlaufender Venen und Arterien, deren ansehnliche 
Ausläufer nie diese Schichte verlassen. Diese letzteren stellen nur 
ganz kurze Stämmchen dar, deren jedes rasch in ein vollkommen 
in sich abgeschlossenes, kleines, zierliches, rundmaschiges Netz von 
Capillaren zerfällt, welches entweder am Ende dieser Stämmchen 


174 Dr. Boldyrew: 


aufsitzt, oder um dieselben herum gesponnen ist. Die genauere 
Untersuchung zeigte, dass man es hier mit dem Gefässsystem einer 
Fettgewebslage zu thun habe, welche, mehr oder weniger ent- 
wickelt, dem Knorpel aufliegt. Es ist daher auch begreiflich, dass 
die Reichlichkeit und das Aussehen dieser tiefsten Gefässlage je 
nach dem Individuum ziemlichen Schwankungen unterliegt. . Ich 
möchte betonen, dass dieses Verhältniss die von Toldt!) in einer 
eben publieirten Arbeit hervorgehobene Selbstständigkeit des Blut- 
gefässsystems im Fettgewebe in recht anschaulicher Weise darthut. 

Die Untersuchungen, welche ich über Verlauf und Anordnung 
der Lymphgefässe der Kehlkopfschleimhaut vorgenommen habe, 
wage ich nicht als abgeschlossen zu bezeichnen, glaube aber doch 
bei der grossen Dürftigkeit der bisher darüber vorliegenden Daten, 
das was ich gesehen habe, berichten zu sollen. Wenn es mir Zeit 
und Verhältnisse gestatten, so hoffe ich das noch Unklare darin zu 
ergänzen. 

Die Injection der Lymphbahnen wurde nach der Hyrtl’schen 
Einstich-Methode mittelst Berlinerblau an Kehlköpfen von Hunden 
und Pferden ausgeführt, wodurch es gelang, dieselben an mehreren 
Stellen über grössere Strecken hin rein darzustellen, wobei ausser- 
dem die Blutgefässe mit Carminleim gefüllt wurden. 

Die Form und die Art der Netzbildung ist bei den Lymph- 
gefässen der Kehlkopfschleimhaut ganz ähnlich, wie sie an anderen 
flächenartig ausgebreiteten Gebilden getroffen wird. Sie sind sehr 
reichlich vorhanden, am meisten in den tieferen Schleimhautschich- 
ten entwickelt, greifen aber auch bis über das mittlere Blutgefäss- 
netz hinauf. Eigenthümlich sind an vielen Stellen Ausläufer von 
dem tieferen Lymphgefässnetze, welche in schiefer Richtung un- 
getheilt oder gabelig gespalten bis unmittelbar unter das subepi- 
theliale Blutcapillarnetz aufsteigen und daselbst blind endigen. Ich 
will nicht sicher behaupten, dass diese die letzten Enden resp. An- 
fänge der Lymphgefässbahnen darstellen, vermuthe es aber, be- 
sonders wegen ihres geringen Durchmessers und ihrer rein eylindri- 
schen Form, wie man sie kaum je innerhalb des netzartigen Ver- 
laufes von Lymphgefässen zu Gesicht bekommen kann. 

Zum Schlusse sage ich meinen Freunden, den Doctoren Boll 
und Toldt, bei denen ich gearbeitet habe, meinen besten Dank. 

1) Beiträge zur Histologie und Physiologie des Fettgewebes. Sitzungs- 
berichte der Wiener Academie der Wissenschaft. 2. Abtheilung. Juli-Heft 1870. 


Ueber ein Mikrotom. 
Briefliche Mittheilung an den Herausgeber. 
Von 
Dr. Alexander Brandt 


in St. Petersburg. 


Mit einem Holzschnitt. 


Beim Anfertigen von mikroskopischen Schnitten habe ich mich 
neuerdings mit grossem Vortheile eines Apparates bedient, welcher 
seinem Constructionsprincipe nach sich wesentlich von den bekannten 
Mikrotomen von Welcker, Hensen, His u.a. unterscheidet. Die 
Erfindung desselben gehört Herrn Rivetz die erste Ausführung dem 
Instrumentenmacher Ct. Verick in Paris D). In seiner ursprüng- 
lichen Form in Birnholz ausgeführt, soll der Apparat, wie mir mein 
Freund Dr. Nitsche mittheilte, durch welchen ich ihn in Leipzig 
kennen lernte, auf der Pariser Weltausstellung gewesen sein. Gegen- 
wärtig scheint er, und zwar in derselben Form, mehrfach bei Me- 
chanikern und Optikern in Commission zu sein, da selbst in St. Pe- 
tersburg, vom botanischen Institute der Universität, ein Exemplar 
desselben erworben wurde. Ob übrigens das Mikrotom in dieser, 
seiner ursprünglichen Form sich einer ausgedehnteren wissenschaft- 
lichen Verwendung erfreut hat und erfreuen konnte, scheint nicht 
ganz wahrscheinlich. 

Im Wesentlichen besteht ein Mikrotom aus zwei Theilen, 
welche man als Keil und Hobel bezeichnen könnte. Der Keil (K) 
ruht auf einer schiefen Ebene (P) und trägt in einer Klemme Z 
das zu schneidende Object (0). Schiebt man den Keil auf der 
schiefen Ebene um ein Gewisses aufwärts, so wird dadurch das 
Object um ein viel Geringeres emporgehoben, ohne seine Stellung 


1) Rue de la Parcheminerie au coin de la rue St. Jacques. 


> 


176 Dr. Alexander Brandt: 


zum Horizonte zu ändern. Der Hobel (H) gleitet seinerseits auf 
einer Ebene (E), jedoch in horizontaler Richtung, und trägt ein 
horizontal gestelltes Messer (M), welches über das zu schneidende 
Object hinfährt. Sobald dieses letzte durch Vorschieben des Keiles 
über die constante Strichebene des Messers emporgehoben wird, 
lässt sich durch Heranziehen des Hobels ein Schnitt erzielen. — Dies 
Constructionsprineip ist gewiss ein höchst einfaches, sinniges und 
durchaus brauchbares. Die vielfachen, im Zoologischen Laborato- 
rium des Herrn Prof. Leuckart angestellten Versuche zeigten jedoch 
bald, dass Holz ein schlechtes Material zur Herstellung eines In- 
strumentes sei, bei welchem Alles auf die Präcision der Leistung 
ankommt. Anfangs gelangen noch die Schnitte ziemlich gut, doch 
schon nach wenigen Tagen hatte sich das Holz so geworfen, dass 
man bei ein und derselben Stellung des Holzes, wenn man den- 
selben schwächer oder stärker, mehr vorne oder hinten an die schiefe 
Ebene andrückte, statt eines einzigen nicht selten 4, ja 5 Schnitte 
bekam. Ein anderer Uebelstand war der, dass der Apparat als Ganzes, 
sowie der Keil und Hobel insbesondere wegen ihrer zu grossen 
Leichtigkeit mit den Händen fixirt werden mussten. Um diese Uebel- 
stände zu beseitigen, liess ich den Apparat vom Leipziger Univer- 
sitätsmechanikus Leyser in Messing ausführen, wobei gelegentlich 
auch einige weniger wesentliche Verbesserungen daran angebracht 
wurden. Entsprechend dem solideren Materiale, wurde die allgemeine 
Gestalt des Mikrotoms bei dieser Gelegenheit eine bedeutend gefälli- 
gere. Der beigefügte Holzschnitt stellt den so modifieirten Apparat dar. 


Ueber ein Mikrotom. ziel 


Die speciellere Beschreibung des Apparates dürfte sich dem- 
nach etwa folgendermassen gestalten. Sein stützendes Gerüste wird 
von einer verticalen rechteckigen Scheidewand (R) gebildet, welche 
auf vier platten Füsschen a, b, eruht. Diese Platte ist 0,16 m. lang, 
0,065 m. hoch, und 0,007 m. dick. An ihrem oberen Rande ist ein 
keilförmiges Stück herausgesägt, dessen 0,01 m. lange Basis nach 
vorne bei e und dessen Spitze hinten, am Ende der verticalen Scheide- 
wand, bei/liegt. Hierdurch entsteht, eine schmale schiefe Ebene m 
von 0,1 m. Länge mit einer Steigung von 1 : 10. Auf derselben 
ist ein Decimeter mit seinen Theilen aufgetragen. An der linken 
Fläche der verticalen Scheidewand R ist eine schief von vorne nach 
hinten aufsteigende Platte P befestigt, welche an ihrer oberen Fläche 
glatt geschliffen ist und genau dieselbe Steigung, wie der Maasstab 
m, d.h. 1:10 besitzt. Mit der verticalen Scheidewand R bildet die 
Platte D einen spitzen Winkel von ungefähr 60°. — In diesen Winkel 
passt genau der Keil K hinein, welcher sich mithin exact der ver- 
ticalen Scheidewand R sowohl, als auch der Platte P anschliesst ; 
an denen er hinzugleiten bestimmt ist. Der Keil besteht aus Roth- 
guss und ist 0,07 m. lang. Seine untere Fläche ist genau so breit, wie 
die Fläche P, nämlich 0,023 m.; seine Höhe beträgt vorne 0,04, hinten 
jedoch nur 0,035. Durch diese ungleiche Höhe von vorne und hinten 
wird die obere Fläche des Keiles zu einer horizontalen Fläche; es 
wird dadurch die schiefe Ebene gleichsam corrigirt; indem die obere 
Fläche des Keiles und mit ihr auch die, das zu schneidende Object O 
tragende, Klemme Z stets ihre horizontale Lage beibehalten, auf wel- 
cher Stelle der schieferen Ebene der Keil auch stehen mag. Ein 
auf der oberen Fläche des Keiles angebrachter Querstrich dient als 
Zeiger, um sich bei den Verschiebungen des Keiles bequemer nach 
dem Maasstabe m richten zu können. — Die Klemme ist den ameri- 
kanischen Wäschklemmen nachgebildet, welche auch von den Photo- 
graphen beim Copiren benutzt werden. Ihre Länge beträgt 0,07 m. 
Der Schluss der Klemme geschieht durch eine Spiralfeder, zu deren 
Unterstützung ich übrigens am entgegengesetzten freien Schenkel 
der Klemme eine Schraube % mit einer Schraubenmutter anbringen 
liess. Um nöthigenfalls auch eine Abschwächung der Spiralfeder, 
bewerkstelligen zu können, wurde eine andere Schraube s mitten 
durch die Spirale hindurchgeführt, und aussen gleichfalls mit einer 
Schraubenmutter versehen. Die Innenfläche der Schenkel der Klemme, 
welche das zu schneidende Object O umfassen, wurden mit Riefen 


178 Dr. Alexander Brandt: 


ausgestattet; während der Keil, um ihn besser regieren zu können, 
unten mit einem Knopfe I versehen wurde. 

An der rechten Fläche der verticalen Scheidewand R inserirt 
sich, ebenso wie an der linken, unter einem Winkel von 60° eine 
Platte @ von 0,03 m. Breite, die gleichfalls vom vorderen Ende des 
Apparates bis ans hintere reicht. Dieselbe steigt jedoch nicht als 
schiefe Ebene aufwärts, sondern hat eine durchaus horizontale In- 
sertionslinie. Der auf der Fläche @ ruhende Hobel H wird daher 
bei seiner Verschiebung stets die horizontale Richtung einhalten 
müssen. Dem entsprechend ist der Hobel, im Gegensatze zum Keil, 
vorne und hinten gleich hoch, also prismatisch gestaltet. Er ist 0,04 
hoch und 0,075 m. lang. Seine untere Fläche legt sich der Platte Q, 
seine innere, linke, der verticalen Scheidewand R genau an. Gleich 
dem Keile, besteht auch der Hobel aus Rothguss. In seinem oberen 
Theile trägt er in einem geräumigen, horizontalen Schlitz das Messer 
M, welches durch die Schraube S fixirt wird und sich mehr oder 
weniger aus dem Schlitz hervorschieben lässt. Das Messer ist ge- 
nau horizontal gerichtet. Es ist etwas gegen den Rücken hin gebogen, 
unten plangeschliffen und hat eine Klinge von 0,07 Länge und 0,015 
Breite. Ursprünglich besitzt es am Rücken eine Dicke von 0,004 m., 
doch wurde von mir kürzlich ein anderes Messer aus gewalztem 
Stahl bestellt, welches nur halb so dick ist. 

Der Gebrauch des Apparates ist in Allgemeinen aus seiner 
Construction ersichtlich. Die zu schneidenden Objecte werden ent- 
weder in Hollundermark eingebettet, oder in Paraffin, Stearin u. dgl. m. 
eingegossen. Nachdem das Object in die Klemme eingespannt wurde, 
schiebt man den Keil so weit vor, dass man durch einen Zug mit 
dem Hobel das Object horizontal beschneidet; darauf schiebt man 
den Hobel über dem Präparat hinweg zurück, schiebt den Keil 
um einen ganzen, einen halben, ein drittel oder weniger eines Milli- 
meter auf der schiefen Ebene P vorwärts, je nachdem man einen 
Schnitt von !/ıo, "/eo, 1/so oder weniger Millimeter erhalten will. 
und schiebt rasch den Hobel wieder vor. Der ganze Apparat kann 
auch ins Wasser gesetzt werden. 

Da es zuweit führen würde, das in Rede stehende Mikrotom 
mit all den vielen anderen früher construirten zu vergleichen, so 
möchte ich mir erlauben, hier nur das His’sche vergleichsweise zu 
berücksichtigen, da dieser Apparat es war, welcher die, lange Zeit 
(wenn auch nicht ganz verdienter Weise), in Verruf gewesenen Mi- 


Ueber ein Mikrotom. 179 


krotome wieder zur Geltung kommen liess, Dank den vorzüg- 
lichen massenhaften Präparaten, die sein Erfinder damit erzielte 
und die ihm zu seinen grossen embryologischen Arbeiten verhalfen. 
Das verbesserte Rivet’sche Mikrotom leistet genau dasselbe 
wie das His’sche; — so erlaubt es durchaus auf dieselbe Weise 
ein Object in eine grosse Summe continuirlicher Schnitte zu zer- 
legen, ohne einen einzigen davon zu verlieren. Dabei macht es aber 
noch weniger Ansprüche an die manuelle Geschicklichkeit des Ar- 
beitenden, da das Messer „von selbst‘ die gehörige Richtung ein- 
schlägt, während es am His’schen Apparat behutsam an einen 
zur Führung dienenden Stahlbogen angedrückt werden muss. Ferner 
wird das Messer in einer uns sehr gewohnten Richtung gezogen 
und schneidet nicht gegen eine feste Unterlage, wie Kork oder Kaut- 
schuk, wodurch es leicht stumpf wird, was wiederum seine Vor- 
theile hat. Der grösste Vorzug aber, den das verbesserte Rivet’sche 
. Mikrotom von dem His’schen hat, dürfte darin bestehen, dass es 
statt 120 Frances nur 15 Thlr., also blos halb so viel kostet. In 
wenigen Wochen habe ich mit Hülfe dieses Apparates viele hunderte 
von guten Schnitten hergestellt. Auch hatte sich der Apparat bei 
allen denen, die ihn sahen eines ungetheilten Beifalls zu erfreuen, 
so dass der Verfertiger *) sofort mehrere Bestellungen auf den Apparat 
erhalten hat, obgleich der erste, in meinem Besitz befindliche, an 
Sauberkeit der Ausführung Einiges zu wünschen übrig lässt. 


1) Inspector G. M. Leyser, Leipzig, Bauhofstrasse 10, 


St. Petersburg den 25. Dec. 1870. 


Essigsaures Kali zum Aufbewahren mikrosko- 
pischer Präparate. 


Von Max Schultze. 


Unter allen Flüssigkeiten, welche zum Aufbewahren feucht ein- 
zuschliessender mikroskopischer Präparate Anwendung finden, dürfte 
das Glycerin, rein oder in verschiedenen Mischungen, die verbrei- 
tetste sein. Das Glycerin hat neben seinen unläugbaren Vorzügen 
verschiedene Nachtheile. Zu diesen letzteren gehört die Eigenschaft, 
manche Gewebstheile bis zum Verschwinden durchsichtig zu machen, 
sich mit Fetten zu verbinden und daher Lichtbrechungsunterschiede, 
die durch Fettgehalt bedingt sind, zu vernichten u. drgl. m. Seit 
‘ die Ueberosmiumsäure mit so ausserordentlichem Erfolge zur Con- 
servirung der zartesten Gewebstheile benutzt wird, tritt ein neuer 
Nachtheil des Glycerins hervor. Ist nämlich in dem einzuschlies- 
senden, mit Ueberosmiumsäure vorher behandelten Gewebsstückchen 
eine Spur der Säure zurückgeblieben, so färbt sich das Glycerin 
unter dem Deckgläschen schwarz, zunächst in der unmittelbaren 
Umgebung der Präparatentheile und oft erst nach mehreren Tagen 
oder Wochen, später nicht selten die ganze Flüssigkeitsschicht. Ich 
kenne kein Mittel, die letzten Reste der Ueberosmiumsäure aus dem 
Präparate vor dem Einschliessen zu entfernen, denn tagelanges 
Auswaschen mit Wasser reicht nicht aus. Natürlich werden die 
Präparate durch die allmählige Schwärzung des Glycerins unbrauch- 
bar oder sind nur durch Umlegen zu retten. 

Unter diesen Umständen suchte ich nach einer Flüssigkeit, welche 
das Glycerin zu ersetzen vermöchte und fand eine solche in der 
nahezu concentrirten wässerigen Auflösung des essigsauren 
Kali. Nach Dippel, in dessen Buch ‚das Mikroskop und seine 
Anwendung‘ 1. Theil 1867, p. 480 ich diese Flüssigkeit empfohlen 
fand, ist dieselbe zuerst von Sanio angewandtund hat an Stelle des 
Clorcaleium , vor welchem sie entschiedene Vortheile bietet, bis- 
her wie es scheint nur zu Pflanzenpräparaten und auch nur in be- 
schränktem Maasse gedient. Dippel rühmt dieselbe für vegetabi- 
lische Präparate und fordert zu Versuchen mit thierischen Geweben 
auf. Dieselben scheinen bisher nur von mir und meinen Schülern 
gemacht zu sein. Ich wende die Flüssigkeit wie Glycerin an, d. h. 
lasse zu dem in Wasser oder Serum gefertigten und in diesen 
Flüssigkeiten untersuchten Präparaten ohne das Deckgläschen aufzu- 
heben einen Tropfen der starken Lösung von essigsaurem Kali zu- 
fliessen. Nach 24 Stunden, wenn das mittlerweile verdunstete 
Wasser durch die Salzlösung verdrängt ist, wird das Präparat ein- 
gekittet. Da die Flüssigkeit nicht eintrocknet und nicht auskry- 
stallisirt, kann man die Präparate wie beim Glycerin auch ohne 
Verschluss längere Zeit liegen lassen. Die vom Glycerin gerügten 
Nachtheile fallen beim essigsauren Kali sämmtlich fort, während 
dasselbe ziemlich alle Vortheile jener Substanz besitzt. In meinem 
Institute wird das essigsaure Kali seit länger als zwei Jahren be- 
nutzt und ich glaube auf die gemachten Erfahrungen hin die Flüs- 
sigkeit zu dem gedachten Zwecke allen Mikroskopikern warm em- 
pfehlen zu müssen. 


Die Schnautze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. 


Von 
Dr. Th. Eimer, 


. Privatdocent und Prosector der Zootomie zu Würzburg. 


Hierzu Taf. XVII. 


Die Schnautze des Maulwurfs muss der Sitz eines ungemein 
ausgebildeten Tastgefühls sein, denn sie ersetzt dem Thier fast voll- 
ständig den Sinn des Gesichts, ist sein einziger Führer auf seinen 
unterirdischen Wegen. 

Diese Erwägung veranlasste mich, das genannte Organ einer 
genaueren Untersuchung zu unterziehen. 

Beobachtet man einen in der Gefangenschaft in einem Gefäss 
gehaltenen Maulwurf, so fällt auf, wie das Thier seinen Rüssel 
ruhelos in Bewegung erhält, die Wände seines Gefängnisses tastend 
zu untersuchen. Einige Aufmerksamkeit zeigt, dass dabei ausschliess- 
lich die Vorderfläche und die Ränder des Rüssels thätig, aber auch 
zum Tasten sehr günstig gestaltet sind. 

Der zwischen den Naslöchern gelegene mittlere Bezirk der 
Vorderfläche nämlich geht nach oben über in ein mässig gewölbtes 
Feld, welches allmälig zum oberen Rand sich umbiegt, so zwar, dass 
eine nach aufwärts sehende Lippe gebildet wird, welche ein Ein- 
schnitt in zwei gleich grosse Hälften theilt (Fig. 14 und 15); ihr 
unteres Viertel ferner ist zu einer Art nach vorn stehender Lippe 
sehr deutlich abgesetzt, und endlich erhebt sich die Gegend rechts 
und links der Naslöcher in je zwei polsterartige Unebenheiten. 


M. Schultze Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 7. 13 


183 Dr. Th. Eimer: 


In ihrem ganzen Umfang biegt sich die Rüsselscheibe, wie von 
deren oberem Theil schon beschrieben ist, zu einem convexen Rand 
nach aussen um und dieser wieder grenzt sich scharf von dem Körper 
der Schnautze ringsum ab. (Fig. 15.) 

Schon mit unbewaffnetem Auge sieht man, allerdings nur bei 
sehr genauem Zusehen, Scheibe und Rand des Rüssels bis zu der 
zuletzt erwähnten Grenze — aber nur bis zu dieser — übersät mit 
sehr feinen Punkten (Fig. 14 und 15). Diese Punkte entsprechen 
Papillen, welche, wie wir hier vorausschicken wollen, der Sitz eigen- 
thümlicher Nervenendigungen sind. 

Die Papillen stehen am wenigsten dicht auf dem zwischen den 
Naslöchern befindlichen mittleren Theil der Rüsselscheibe, am dich- 
testen auf deren Wülsten, insbesondere dem oberen und unteren 
lippenförmigen. Dieses Verhältniss entspricht der Wichtigkeit der 
einzelnen Gegenden in Beziehung auf die Funktion: jene wulstartigen 
Erhabenheiten sind es, die hauptsächlich tasten: sie werden zu 
diesem Zwecke bewegt, vorgestreckt, vermögen sich der Form der 
zu untersuchenden Gegenstände anzupassen, bei gemeinsamer Aktion 
dieselben sogar zu umfassen, während das Centrum weniger in 
Thätigkeit gelangt; sie verhalten sich zu diesem Centrum etwa wie 
die Finger des Menschen zur Hohlhand. Vor Allem spielt die obere 
Lippe eine wichtige Rolle: sie wird in bevorzugter Weise zum 
Tasten benützt, und wollen wir den begonnenen Vergleich weiter- 
führen, so können wir sie mit den drei ersten Fingern der mensch- 
lichen Hand zusammenhalten. 

Die Papillen stellen sich, von der Oberfläche vergrössert ge- 
sehen, als kuppenartige Erhebungen der Epidermis von meist runder 
Begrenzung dar, deren Durchmesser etwa 0,09 bis 0,20 Mm. beträgt? 
— die in der Mitte der Rüsselfläche liegenden sind grösser als die 
übrigen. 

Durchschnitte zeigen, dass sich nicht nur die Oberfläche der 
Epidermis in Papillen erhebt, sondern dass auch deren Schleimschicht, 
und zwar jedesmal entsprechend einer jener Papillen, eine Fort- 
setzung, einen Zapfen etwa von Pufferform nach unten in die Le- 
derhaut hineinsenkt (Fig. 1). 

Die Schleimschicht besteht in ihrem unteren und mittleren 
Theil aus schönen mehreckigen Stachelzellen. 

Die Axe jeder Papille nimmt nun, von deren Oberfläche an 
beginnend und unten in der Mitte des pufferförmigen Fortsatzes der 


Die Schnautze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. 183 


Schleimhaut ausmündend, ein meist sanduhrförmiger (Fig. 2) [zu- 
weilen jedoch der Cylindergestalt sich nähernder (Fig. 3)] Raum 
ein, welcher zur Aufnahme einer strukturlosen Masse dient, die als 
Bindegewebe und demnach als Outiszapfen betrachtet werden muss, in 
welchen wiederum Nerven in eigenthümlicher Anordnung eingebettet 
sind. Man kann sich den Raum aus zwei abgestumpften Kegeln gebildet 
denken, welche mit ihren schmalen Endflächen etwa in der Mitte 
der Schleimschicht zusammenstossen, während die Basis des oberen 
mit dem Scheitel der Papillenkuppe, diejenige des unteren mit der 
Grundfläche der Schleimschicht zusammenfällt. 

Der obere der beiden Kegel erweist sich durch besondere 
Eigenthümlichkeiten des Baues, sowie besonders dadurch, dass er 
die Nervenendigungen enthält als eigentlicher Tastkörper und ich 
nenne ihn daher Tastkegel. Der untere nimmt Nervenfäden nur 
zum Behuf des Durchtritts auf. 

Den besten Aufschluss über diese Verhältnisse giebt die An- 
wendung des Goldchlorids.. Behandelt man die Haut der Vorder- 
fläche der Maulwurfsschnautze mit diesem Reagens, so entdeckt 
man in derselben einen wahrhaft überraschenden Nervenreichthum. 
Markhaltige Nervenfasern verlaufen in den verschiedensten Rich- 
tungen in dicken Bündeln durch die tieferen Lagen der Cutis,; in 
den höheren Schichten streben diese Bündel sämmtlich nach auf- 
wärts und theilen sich zugleich in dünnere, deren jedes indess doch 
noch aus 20 und mehr Fasern besteht. Je ein Bündel tritt auf 
einen der pufferartig in die Lederhaut sich einsenkenden Zapfen der 
Schleimschicht zu (Fig. 1, 2, 3); unterhalb desselben angelangt 
sieht man das Bündel häufig wie durch eine ziemlich scharfbegrenzte 
Lücke scheinbar aus der Lederhaut austreten (Fig. 1 und 2 bei a), — 
möglicherweise haben wir es hier statt mit einer Lücke mit einem 
Mantel von strukturlosem Bindegewebe zu thun, welcher die Nerven 
einhüllt und mit dem Cutiszapfen der Papille in Verbindung steht. 
Nach dem beschriebenen Verlauf werden die Fasern des Nerven- 
bündels, indem sie in einen der Fortsätze der Schleimschicht eintre- 
ten, plötzlich marklos und steigen nun als ungemein feine Fädchen — 
einfache Axencylinder — in der sanduhrförmigen Papillenaxe durch 
fast die ganze Epidermis in einer eigenthümlichen Anordnung empor. 
Diese Anordnung ist, wie Querschnitte zeigen, eine solche, dass der 
Axencylinder etwa 19 oder mehr dicht an der Innenwand des Tast- 
raumes emporsteigen, auf dem Querschnitt also je einen Kreis um- 


4 


184 Dr. Th. Eimer: 


schreiben, der, beiläufig gesagt, 0,0175—0,203 Mm. im Durchmesser 
misst, — während ein, zwei oder drei andere das Centrum dieses 
Kreises, also die Axe des Tastraumes einnehmen. 

Fig. 4 stellt einen solchen Querschnitt dar. Derselbe ist dem 
Bereich des unteren Kegels, etwa in der Höhe' von P, Fig. 1, ent- 
nommen. Er zeigt, zusammengehalten mit den Längsschnitten, 
welche in Fig. 1, 2 und 3 gezeichnet sind, dass dieser untere Kegel 
einfach ein aus der Schleimschicht gleichsam ausgebohrter Hohl- 
raum ist, ohne besondere Wand, und ausgefüllt mit einer struktur- 
losen Masse (Bindegewebe), in dessen Umfang und in dessen Axe die 
Nerven emporstreben, ohne weitere Eigenthümlichkeiten darzubieten. 

Anders der Tastkegel: schon ein einfacher Längsschnitt aus 
der Oberhaut zeigt eine eigenthümliche Anordnung des Epithels in 
seinem Umfang und lässt bald die Ueberzeugung gewinnen, dass er 
von einem besonderen Epithelialrohr umkleidet ist. Dieses Rohr 
entsteht durch Aneinanderlagerung einer Anzahl von Ringen, deren 
jeder in der Höhe aus einer einzigen, im Umfang aus einer oder 
mehreren Epithelialzellen gebildet wird. Es ist mir gelungen, diese 
Zellen durch Natron zu isoliren: sie sind spindelförmig, haben je 
nachdem sie der Horn- oder der Schleimschicht angehören, einen 
mehr oder weniger grossen oder gar keinen Kern und fügen zum 
Ring sich zusammen durch Einrollung ihres Körpers und durch 
Uebereinanderlagerung seiner spitzen Enden. 

An die innere Seite des so gebildeten Epithelialrohrs dicht 
angelegt, steigt nun der Kreis der Nervenfäden im Tastkegel empor 
und zwar ist jeder Nervenfaden jedesmal da, wo er eine der über- 
einandergelagerten Epithelzellen jenes Rohrs überschreitet, in der- 
selben durch eine knopfförmige Anschwellung befestigt (Fig. 1 bis 3). 
Dieses Verhältniss wiederholt sich bis unter die obersten Lagen der 
Hornschicht: in manchen Fällen waren einzelne Knöpfchen noch bis 
in die dritt- oder viertoberste Zellenlage der Hornschicht zu verfol- 
gen (Fig. 2 und 3), meist aber kamen sie über die fünfte hinaus 
nicht zur Beobachtung, und gewöhnlich endigt hier je eines von 
ihnen in einen Nervenfaden. 

Indem die Knöpfchen aller 20 Nervenfäden im Bereich jedes 
einzelnen Epithelialringes genau in derselben Ebene liegen, so wer- 
den innerhalb des Tastkegels so viele übereinanderbefindliche Kreise 
von knopfförmigen Nervenanschwellungen gebildet, als Epithelialzel- 
lenringe vorhanden sind. 


Die Schnautze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. 185 


Auch der oberste Kreis der Nervenknöpfchen ist ein vollstän- 
diger: wenn also, wie in Fig. 2 und 3, im oberen Theil des Tast- 
kegels nur noch einzelne, der letzteren zu sehen sind, so hängt 
das von der mangelhaften Goldeinwirkung ab, wie sie in jener Ge- 
gend Regel ist. Vollkommene Bilder dagegen geben Fig. 1, 6u.11. 

Die Nervenknöpfchen haben einen Durchmesser von 0,0013 Mm. 
und mehr; die sie verbindenden Fäden einen vielleicht viermal 
kleineren. 

Ob die in der Axe des Tastkegels aufsteigenden Axencylinder 
gleichfalls knopfförmige Anschwellungen tragen, liess sich nicht ent- 
scheiden; sicher indess ist, dass sie erst in gleicher Höhe mit den 
kreisförmig gestellten endigen (Fig. 6 und 11), also etwa bis zur 
fünftobersten Epithellage emporreichen. 

Der optische oder der wirkliche Querschnitt des Tastegels er- 
giebt nun nach Anwendung verschiedener Präparationsmethoden 
Bilder, welche auf das Vorhandensein eines weiteren, bisher nicht 
erwähnten Nervenfadens in ihm und ferner auf eine eigenthümliche 
Anordnung der ausfüllenden Bindesubstanz schliessen lassen. Diese 
Bilder (Fig. 5, 9, 12) müssen. auf folgende Weise gedeutet werden: 
Die centralgelegenen Axencylinder sind in eine Säule von struktur- 
loser Bindesubstanz eingeschlossen, welche einen Durchmesser von 
etwa 0,012 bis 0,014 Mm. hat. Um diese Säule scheint, spiralför- 
mig gewunden, ein weiterer Nervenfaden zu liegen, und dieser ist 
wiederum umgeben von einem Rohr von strukturlosem Bindegewebe ; 
endlich nach aussen von diesem folgen die peripherisch gestellten 
Axencylinder. 

Ob und inwieweit die zuletzt behandelten Verhältnisse auch 
für den unteren Kegel gelten, gelang mir nicht zu entscheiden; die- 
selben sind übrigens so schwierig zu erforschen, dass ich die vor- 
stehende Schilderung in einem Punkt auch für den Tastkegel nicht 
- als abschliessend hinstellen möchte: es haben mir nur unvollkom- 
mene Bilder die Ueberzeugung vom Vorhandensein eines um die 
centrale Säule gewundenen Nervenfadens gegeben. Dieselben, deren 
einige in Fig. 12 dargestellt sind, kann ich jedoch nicht anders als 
wie geschehen deuten, und wenngleich der betreffende bald als Ring, 
bald als geschlungen, bald endlich vollkommen deutlich als Stück 
einer Spirale erscheinende Theil (N) derselben nie eine gute Gold- 
färbung ergeben wollte, so weisen doch seine übrigen Eigenschaften, 
besonders sein Lichtbrechungsvermögen, mit Sicherheit darauf hin, 


186 Dr. Th. Eimer: 


dass er aus Nervensubstanz bestehe. Ueber seinen Verlauf aber 
vermochte ich mir besonders deshalb keine endgültige Vorstellung 
zu machen, weil es mir nicht gelang, ihn in der Seitenansicht zu 
Gesicht zu bekommen. 

Die centrale Säule nimmt zuweilen eine mehr excentrische 
Stellung ein (Fig. 9, a); in einzelnen Fällen erschien sie von einem 
Kreis kleiner Punkte umgeben (Fig. 12, a), deren Bedeutung mir 
unklar geblieben ist. 

Die strukturlose Masse, welche zwischen der Spiralfaser und 
den peripherischen Axencylindern liegt, zeigt sich öfter, insbesondere 
nach Behandlung des Gewebes mit Silber, von letzteren an der einen 
oder anderen Seite, oder ringsum etwas zurückgezogen (Fig. 9, b), 
so dass durch sie ein eigens abgesetzter Ring gebildet wird. 

Die verschiedenen concentrischen Schichten des Tastkegels er- 
kennt man an Silberpräparaten (Fig. 9) und zuweilen an Objekten, 
die mittelst der Goldmethode behandelt wurden. Goldpräparate, 
sowie frische zeigen oft noch eine Eigenthümlichkeit: die peri- 
pherisch gestellten Nerven haben sich insgesammt von der Wand 
des Tastkegels zurückgezogen, und drängen sich so zusammen, dass 
ein Kreis entsteht, der so vielmal eingekerbt ist, als die Zahl der 
Nervenfäden beträgt. Die seitlichen Berührungsflächen der letzteren 
täuschen dann oft wie kleine nach dem Centrum des Kreises con- 
vergirende Scheidewände vor (Fig. 12 a, b, c, Fig. 5 b). 

Die schönsten Bilder von der Anordnung der Axencylinder ge- 
ben Querschnitte an Osmiumsäurepräparaten (Fig. 4). Auch Längs- 
schnitte an solchen gewonnen, zeigen oft gut den Verlauf derselben. 
Behandlung des frischen oder vorgängig der Silberwirkung ausge- 
setzten Gewebes mit Natron lässt ferner für einige Zeit die Axen- 
cylinder sehr hübsch hervortreten (Fig. 7). 

Alle diese Präparationsmethoden bestätigen in gleicher Weise 
den Satz, dass sämmtliche Nervenfäden gewöhnlich etwa in der 
Höhe der fünftobersten Epithelialschicht in einer Ebene endigen 
(Fig. 6 und 11). Die Goldmethode allein beweist, dass diese Endi- 
gung in Form der bekannten Knöpfchen geschieht. 

Die Darstellungen von dem Querschnitt des Tastkegels, welche im 
Vorstehenden gegeben sind, beziehen sich auf die erwähnte Ebene 
oder auf eine der tiefer liegenden. Es fragt sich nun, wie der Raum 
oberhalb derselben bis zur obersten Epithelialschicht beschaffen ist. 
Derselbe ist offenbar meistens leer, stellt also eine kurze Röhre dar, 


Die Schnautze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. 157 


welche auf die Oberfläche der Papillenkuppe offen ausmündet (Fig. 1, 
6, 11). Der beste Beweis hiefür ist der, dass an Papillen, welche man 
der Einwirkung einer Silberlösung ausgesetzt hat, einzelne Theile der 
Ebene, in welcher die obersten Nervenendigungen liegen, durch das 
Silber in verschiedenen Abstufungen gefärbt erscheinen, was zeigt, 
dass der Bindegewebszapfen des Tastkegels gleichfalls in ihr endigt. 

Die obere Endfläche des das Centrum dieses Zapfens bildenden 
Cylinders stellt dann meistens einen hellbraunen Kreis dar, die- 
jenige des äusseren Bindegewebsrohrs einen dunkleren Ring. Oft ist 
dagegen umgekehrt der Kreis dunkler als der Ring (Fig. 9, a—d). 

Zuweilen sieht man nun auch Bilder, wie Fig. 9, e andeutet: 
der vorhin leere oberste Raum des Tastkegels muss hier ausgefüllt 
sein durch irgend eine strukturlose Masse, denn das Silber bringt 
im Centrum der Papille eine gleichmässig dunkel gefärbte Scheibe 
hervor, welche in derselben Höhe mit der Kuppenoberfläche liegt. 
Endlich kommt der Fall vor, dass die Basis des Tastkegels von 
Epithel bedeckt ist (Fig. 13); aber auch dann schneidet gewöhnlich 
eine dunkle Kreislinie den Theil des Epithels, welches gewisser- 
massen den Deckel des Tastkegels bildet, vom übrigen ab, als ob 
derselbe zum Abfall bereit wäre (Fig. 13). Zuweilen war eine 
Epithelialdecke zwar vorhanden, aber in ihrer Mitte befand sich 
deutlich ein kleines Loch mit eingerissenen Rändern, wie den Anfang 
der Zerstörung der Decke andeutend. 

Der Tastkegel besteht also aus einem kegel- bis eylinderför- 
migen Körper, welcher, mit der breiten Basis an der Oberfläche der 
Papillenkuppe beginnend und mit der mehr oder weniger abge- 
stumpften nach unten gerichteten Spitze bis zur Mitte der Schleim- 
schicht reichend, zunächst von einem in das übrige Epithel der Ober- 
haut eingefügten Epithelialrohr gebildet wird. Der oberste Theil 
dieses Rohres ist meist leer, der übrige ist abwechselnd von Ner- 
venelementen und von Bindegewebe erfüllt: zu äusserst, und in die 
Elemente des Epithelialrohrs mittelst knopfförmiger Anschwellungen 
eingekittet ein Kreis von Axencylindern, dann ein Rohr von struk- 
turlosem Bindegewebe, hierauf ein Nervenfaden, der wahrscheinlich 
spiralförmig um eine centralstehende Bindegewebssäule gewunden ist, 
welche endlich in ihrem Centrum noch 1—3 Axencylinder einschliesst. 

Fig. 20 stellt Epithelialzellen der Tastkegelhülle dar, welche 
sich nach Natroneinwirkung von dem Epithel der Epidermis loslö- 
sen, deren Grenze noch als scharfer Ring zu sehen ist. Es zeigt 


188 Dr. Th. Eimer: 


sich also, dass jene Epithelialzellen mit den Elementen der Ober- 
haut nicht innig verbunden sind. Dies, sowie ihre Eigenschaft als 
Auskleidungselemente eines Hohlraumes selbst, brachte mich auf die 
Vermuthung, dass ich es in ihnen mit Epithelia spuria zu thun 
hätte, dass also hier eine Endigung von Nerven in Bindegewebsele- 
menten gegeben sei. 

Eine solche Annahme störte indess eine weitere Beobachtung, al- 
lerdings ohne dieselbe auszuschliessen. Zuweilen stiegen nämlich von 
dem Grunde des pufferartigen Fortsatzes der Schleimschicht, in 
welchen die Nerven eintreten, Axencylinder empor, welche nicht in 
den Tastkegel aufgenommen wurden, sondern welche ihren Verlauf 
ganz unabhängig von diesem in seinem Umkreis in divergirender 
Richtung nach oben und aussen nahmen — also in der Gesammt- 
heit betrachtet, etwa weitere Trichter um ihn herumbildeten (Fig. 2, z). 

Der Lauf der Nerven ging zwischen den Epithelzellen der 
Oberhaut durch bis in die dritt- oder viertoberste Zellenlage der 
Hornschicht hinauf. Von der Mitte des Rete Malpighi etwa an bis 
zu ihrer Endigung in der Hornschicht, waren sie jedesmal da, wo 
sie eine Epithelzelle überschritten, durch eine knopfförmige An- 
schwellung im Körper derselben befestigt (Fig. 2, z). Unterhalb der 
Mitte der Schleimschicht fanden sich keine knopfförmigen Anschwel- 
lungen in ihrem Verlauf. 

Meine Präparate lieferten mir meist nur einzelne solcher Fäden; 
daneben fand sich aber in Epithelzellen häufig je ein durch das Gold 
gefärbtes Knöpfchen. Die einzelnen Knöpfchen waren dann in 
Reihen, gleichgerichtet den durch Fäden verbundenen angeordnet. 

Zuweilen sah ich auf Längsschnitten nach Goldeinwirkung ein 
kleines Stück Nervenfaden von dem Rand einer Epithelzelle über 
deren Körper hinlaufen und zwar nicht wie in den vorigen Fällen 
in senkrechter Richtung nach oben, sondern nach auf- und einwärts, 
bis es nach kurzem Verlauf mit einer knopfförmigen Anschwellung 
in der Zelle endigte (Fig. 2, b); den Ursprung dieser Fäden habe 
ich nicht feststellen können. Dieselben scheinen zwischen den be- 
treffenden Zellen hervorgetreten zu sein, also vor diesem Durchtritt 
einen zu dem Schnitte senkrechten Verlauf zu haben. 

Wir haben also hier eine Endigung von Nerven in wirklichen 
Epithelien vor uns, ganz in derselben Weise, wie sie in den Zellen 
der Hülle des Tastkegels vorkommt. 

Die Goldfärbung brachte endlich noch eine Eigenthümlichkeit 


Die Schnautze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. a >) 


im Bau der Epithelialzellen zu Tage, die ich hier nicht vergessen 
will zu erwähnen. Dieselbe betrifft hauptsächlich die Stachelzellen 
der Schleimschicht, besonders die des mittleren Theils derselben, aber 
auch Zellen der Hornschicht mit Ausnahme derjenigen, welche die 
obersten Lagen dieser zusammensetzen. 

Das Kernkörperchen war in den in Rede stehenden Zellen um- 
geben von einem hellen kreisförmigen Hof. Waren zwei Kernkör- 
perchen in einem Kern vorhanden, so hatte jedes derselben seinen 
eigenen Hof!), beide Höfe rund, auch wenn der Kern eiförmig war; 
nur zuweilen zeigten sie gleichfalls die letztere Form. Der Theil 
des Kerns, welcher den Hof umgab, erschien dunkler als dieser; die 
Grenze zwischen beiden aber war bezeichnet durch zahlreiche kleine 
Pünktchen, welche durch das Gold durchaus dieselbe Färbung er- 
langt hatten, welche dieses Reagens allen Nervenelementen mittheilt. 
Im optischen Querschnitt stellten diese Körnchen einen Kreis um 
den hellen Hof des Kernes dar. Durch Aendern der Einstellung 
konnte jedoch festgestellt werden, dass sie die helle Kugel, welche 
das Kernkörperchen umgiebt und die im optischen Querschnitt 
als kreisförmiger Hof erscheint, auf ihrer ganzen Oberfläche be- 
setzen (Fig. 8, c). 

Zuweilen fanden sich endlich ein bis mehrere solcher roth- 
schwarz gefärbter Punkte auch an Stelle des oder der Kernkörper- 
chen (Fig. 8).?) 

Ich bin um so mehr genöthigt, mich einer Schlussfolgerung in 
Beziehung auf die zuletzt angegebenen Thatsachen zu enthalten, als 
ich Nervenfäden zu den beschriebenen eigenthümlichen Kernen nicht 
habe hinzutreten sehen. Die Nervenfäden senkten ihre Knöpfchen 
in allen unzweifelhaften Fällen in den Zellkörper, nicht in den Kern 
ein. Im Tastkegel schienen allerdings die Nervenknöpfchen häufig 
den Kernkörperchen zu entsprechen (Fig. 2 und 3), allein ich komnte 
mich mit Sicherheit hievon nicht überzeugen. Unsere Axencylinder 
mit den knopfförmigen Anschwellungen sind natürlich den mannichfach 
als „variköse Fäden‘ beschriebenen feinsten Nerven, welche u. a. von 


1) Vergl. H. Joseph: „Ueber Zellen und Nerven der compacten Kno- 
chensubstanz.‘‘ Dieses Archiv, Bd. VI. S. 183, wo dasselbe von dem Hof der 
Knochenzellen gesagt ist. 

2) In den Zellen der Hornschicht, in welchen der Kern schon im Un. 
tergang begriffen war, war derselbe oft durch einen auffallend scharf mar- 
kirten, violettschwarzen Punkt oder Strich angedeutet (Fig. 8, H). 


190 Dr. Th. Eimer: Die Schnautze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. 


Hensen, Joseph, Lipmann an verschiedenen Körperstellen als 
in Verbindung mit den Kernkörperchen von Epithel-Bindegewebs- 
und Knochenzellen stehend nachgewiesen sind, analog. Es wäre 
nun leicht möglich, dass in unserem Fall die in die Zellkörper ein- 
gebackenen Knöpfchen nicht die Endapparate für die Zellen wären, 
sondern dass sie durch so unendlich feine Fäden, wie sie z. B. Lip- 
mann zeichnet, noch mit den kleinen Punkten, welche um den 
Hof des Kernkörperchens herumliegen oder mit diesem selbst oder mit 
beiden als einem complieirten Nervenendigungsapparat in Verbindung 
ständen. Dabei handelt es sich allerdings zunächst nicht um die 
Zellen der Tastkegelhülle, in welchen ich jene Eigenthümlichkeiten 
des Kerns nicht beobachtet habe. Es wäre aber gewiss werthvoll 
genug gewesen, für die Epithelien der Epidermis selbst die aufge- 
stellte Frage zur Entscheidung zu bringen, wie es überhaupt gebo- 
ten gewesen wäre, gar Manches, was im Vorstehenden nur unbe- 
friedigenden Abschluss gewinnen konnte, endgültig zu erforschen, 
allein die Zeitereignisse unterbrachen auch diese Arbeit, und jetzt, 
wo ihr zur Vervollkommnung einige Musse gegeben wäre, hat der 
Maulwurf noch die Winterquartiere bezogen. 

Indess mag durch das Gegebene doch gezeigt sein, dass wir 
in der Schnautze des Maulwurfs ein Tastorgan vor uns haben, des- 
sen Leistungsfähigkeit eine ausserordentliche sein muss, denn es ist 
offenbar, dass die Nervenendigungen der Tastkegel nach Willen in 
direkte Berührung mit dem zu betastenden Körper kommen müssen, 
indem die wenigen über sie hinausragenden Lagen von Epithelzellen 
eine zu niedrige Schicht bilden, als dass durch dieselben eine solche 
direkte Berührung verhindert werden könnte, wogegen sie vielleicht 
den Zweck erfüllen mögen, vor beständigem unwillkürlichem Reiz zu 
schützen; und zweitens ergibt eine ungefähre Rechnung, dass unsere 
Tastfläche, die eine Ausdehnung von etwa 30 U) Mm. hat, von mehr 
als 5000 Papillen besetzt ist, was für die Gesammtsumme allein der 
Tastkegel beiläufig 105,000 Nerven ausmacht, welche auf jener kleinen 
Fläche endigen, abgesehen von denjenigen, welche ausserhalb der 
Tastkegel noch in den Papillen vorhanden sind. 

Dieser ungeheure Nervenreichthum erklärt nun auch leicht die 
bekannte Thatsache, dass schon ein leichter Schlag auf seine Schnautze 
den Maulwurf tödtet. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


14. 


15. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XVII. 


Längsschnitt durch die Haut der Vorderfläche der Maulwurfs- 
schnautze mit der Goldmethode behandelt. T Tastkegel, N Ner- 
venbündel,;, E Oberhaut, C Lederhaut. Vergrösserung 70/1. 

Wie Fig. 1. Vergr. 400/1. 

Wie Fig. 1. Vergr. 520/1. 

Querdurchschnitt aus demselben Objekt, etwa in der Höhe von P, 
Fig. 1. © Lederhaut, E Oberhaut, (pufferartige Zapfen der Schleim- 
schicht), N Axencylinder. Osmiumsäurepräparat. Vergr. 250/1. 
Papillen der Vorderfläche der Maulwurfsschnautze von oben. a Basis 
des Tastkegels, R Bindegewebsring, S centrale Bindegewebssänle, 
N centrale Axencylinder, b peripherische. Silberpräparat. 
Tastpapillen von oben. a Tastkegel, e Epithelialhülle desselben, 
hier den oberen leeren Theil des Tastkegels umgebend, N Endigung 
der Tastnerven in einer kreisrunden Ebene, 

Tastpapille und Tastkegel von oben. Silberpräparat, nachträglich 
mit Natron behandelt. 

Epithelialzellen aus der Haut der Maulwurfsschnautze nach Gold- 
einwirkung. K Kern, k Kernkörperchen, h heller Hof um dasselbe, 
N Nerv. 

Tastpapillen von oben. Silberpräparat. 

Epithelzellen, welche den Tastkegel umkleiden; durch Natron von 
der umschliessenden Epidermis E losgelöst und isolirt. 

Tastkegel in ihrem oberen Theil. anach Natroneinwirkung, b mehr 
schematisch. 

Ansichten von Tastkegeln von oben. In a, b, ce die peripherischen 
Axencylinder A wie seitlich zusammengebacken, N Spiralfaser, d Wand 
des Axencylinders. 

Papille von oben: die Basis des Tastkegels mit Epithel bedeckt. 
Silberpräparat. 

Vorderfläche der Maulwurfsschnautze vergrössert. Die Punkte deu- 
ten die Papillen an. 

Vorderer Theil der Maulwurfsschnautze von ‘oben, um die nach oben 
sehende Tastlippe T zu zeigen. 


Beiträge zur Lehre vom Amnion. 


Von 
Dr. 8. L. Schenk, 


Assistenten am physiologischen Institute der Wiener Universität. 


Hierzu Tafel XVII. 


Seitdem man das Amnion als eine Umhüllung des Embryo 
kennen lernte, welche mit dem Embryonalleib im Zusammenhange 
steht, war man bezüglich seiner Entstehung verschiedener Meinung. 
Die Einen glaubten, dass der Embryo sich im Amnion bilde, dieses 
aber eine Oefinung habe, durch welche die Gebilde des Nabelstranges 
heraustreten. Die Anderen behaupteten, dass der. Embryo ausser- 
halb oder auf dem Amnion entstehe und sich dann rückwärts in 
dasselbe einsenken solle. 

Durch v. Baer’s!) Forschungen ward es als unzweifelhaft 
festgestellt, dass das Amnion eine vom Embryo ausgehende Bildung 
ist und beide aus dem Blastoderma hervorgehen. Die Entwickelung 
des Amnion ist in Kürze gefasst nach Baer folgende: Das äussere 
Keimblatt schlägt sich faltenartig über den Rücken des Embryo, 
die Falten berühren sich und verwachsen. Dadurch entsteht eine 
Hülle, die den Embryo in Form eines Sackes einschliesst. Zwischen 
dem Embryo und der Hülle ist ein Raum, welcher die Amnioshöhle 
ausmacht. Die Amnioshöhle steht vor dem Abschliessen des Amnion 
mit der Umgebung in offener Communication. 


1) V. Baer, Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere, II. Theil 
Königsberg 1837. 


Beiträge zur Lehre vom Amnion. 193 


Diese Bildungsweise des Amnion haben auch die späteren Forscher 
bestätigt, nur dass die Letzteren nicht mehr der Keimblättertheorie 
v. Baer’s anhängend, die Bildung des Amnion vom Standpunkte 
der Dreiblättertheorie schilderten. 

Bei Reichert!) finden wir, dass das Amnion jener Theil der 
Membrana reuniens ist, der über die Kopfabtheilung des Embryo 
und über die formirte obere Wirbelsäule sich verlängert. Die an- 
fangs dicken Amniosplatten wachsen sich mehr verdünnend auf- 
wärts und nach der Mittellinie, haben hier nur eine geringe Höhe 
zu überwinden und vereinigen sich gegenseitig über der oberen 
Wirbelröhre in einer geraden Linie, zwischen der entgegenkommen- 
den Kopf- und Schwanzscheide Die Amnioshöhle ist fertig und 
stellt die über die obere Wirbelröhre verlängerte und vereinigte 
Membrana reuniens inferior des Bauches dar. 

Nach Remak’?) ist die Bildung des Amnion derart, dass sich 
das äussere Keimblatt und die Hautmuskelplatte des mittleren 
Keimblattes über dem Rücken des Embryo vereinen. Diese Ver- 
einigung lässt sich vom Kopfende gegen das Schwanzende des Em- 
bryo verfolgen. 

Das Kopfende sowohl als auch die dem Kopfende näher gele- 
genen Theile des Embryonalleibes sind früher als das Schwanzende 
vom Amnion umhüllt. His?) lässt in seinem ausführlichen Werke 
das Amnion aus dem oberen Keimblatte und der oberen Nebenplatte 
hervorgehen. Die Vereinigung der Amniosfalten kommt durch eine 
Verdickung der Zellenmassen an den sich berührenden Stellen des 
Amnion zu Stande. 

Aus dem Angeführten ersieht man, dass die Kenntnisse über 
die Entwickelung des Amnion noch eine Reihe von Lücken zeigen, 
die uns zunächst die Kenntniss der Art und Weise des Abschliessens 
vorenthalten. Ferner ‚erweisen sie sich als mangelhaft bezüglich des 
Bildungsmaterials, welches aus der Embryonalanlage zum Aufbaue 
des Amnion verwendet wird. 

Wir wissen mit Remak, dass das Amnion aus dem über 
dem Rücken des Embryo zurückgeschlagenen äusseren Keimblatte 


1) Reichert, Das Entwickelungsleben im Wirbelthierreiche. Ber- 
lin 1840. 

2) Remak, Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. Berlin 1855. 

3) His, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. — 
I. Die Entwickelung des Hühnchens im Ei. Leipzig 1868. 


194 Dr. S. L. Schenk: 


und der Darmfaserplatte des mittleren Keimblattes hervorgeht. 
Diese Angabe genügt uns aber nicht um zu erklären, woher denn 
das Material für die im Amnion befindlichen Gewebe ausser den 
Epithelstratis kommt. Es ist bekannt, dass das äussere Keimblatt 
nur den Horngebilden, dem peripheren und centralen Nervensystem, 
zur Grundlage dient. Von der Hautmuskelplatte ist es durch meine 
Untersuchungen!) dargethan, dass die Elemente derselben blos zur 
Auskleidung der Pleuroperitonealhöhle dienen. Da die Hautmus- 
kelplatte nirgends im Embryonalleibe zu Bindegewebe metamorpho- 
sirt wird, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Fortsetzung 
derselben, welche an der Bildung des Amnion, als dessen äussere 
Lamelle Antheil nimmt, hier ausnahmsweise in Bindegewebe me- 
tamorphosirt werde. Abgesehen davon kann man die Elemente der 
Hautmuskelplatte in späteren Entwickelungsstadien als flache Epi- 
thelialgebilde (des Amnion) finden, die auf ihrem Querschnitte 
Bilder liefern, welche Längsschnitten von Spindeln ähnlich sind, 
Endlich atrophiren sie gänzlich in ihrer peripheren Ausbreitung, 
wie dies von Waldeyer?) zuerst angegeben wurde. 

Um die angeführten Lücken auszufüllen und überhaupt Studien 
über die Entwickelung des Amnion machen zu können, ist es noth- 
wendig Embryonen der Untersuchung zu unterziehen, die sich in 
einem Entwickelungsstadium vom Anfange des dritten bis inclusive 
Ende des fünften Tages befinden. Man wird hierbei in Erfahrung 
bringen, dass die Bildung des Amnion derart vor sich geht, wie es 
die trefflichen Schilderungen der oben citirten Autoren dargethan 
haben. Hier möge nur zunächst die Art des Abschliessens näher 
geschildert werden, da wir uns mit der einfachen Annahme nicht 
begnügen können, der zufolge die beiden Amniosfalten sich am Rücken 
des Embryo vereinigen. 

Um die Art und Weise der Vereinigung der Amniosfalten auf 
Durchschnitten näher kennen zu lernen, genügt es, eine Reihe aufein- 
anderfolgender Durchschnitte zu gewinnen, die in der Gegend jener 
Ebene des Embryonalleibes liegen, in welcher das Amnion eben im Ab- 
schliessen begriffen ist. Diese Ebene liegt am dritten Tage der Entwicke- 
lung (Huhn) ohngefähr in der Höhe des Anfanges des Mitteldarmes. 


1) Schenk, Sitzungsberichte der k. Acad. der Wissenschaft. Wien, 
LVII Bd. II. Abth. 1868. Beitrag zur Lehre von den Organanlagen im mo- 
torischen Keimblatte. 

2) Waldeyer. Eierstock und Ei. Leipzig 1870. 


Beiträge zur Lehre vom Amnion. 195 


Man hat hier Durchschnitte, in denen das Amnios noch nicht ab- 
geschlossen zu sehen ist, sondern nur dessen Falten. Höher oben 
dem Kopfende näher gelegen, findet man das vollkommen gebildete 
Amnios und zwischen beiden die Uebergänge in der Entwickelung 
desselben zu sehen. An Embryonen vom Ende des vierten Tages 
beobachtet man am Rücken des Embryo ein kleines Grübchen im 
Amnion, das von einem wulstigen Rande umgeben ist. Dieses 
Grübchen, welches in der Höhe der hinteren Extremitäten liegt, ist 
nichts Anderes, als die Communikationsöffnung zwischen der Amnios- 
höhle und der Umgebung des Eies. Die aufeinander folgenden 
Durchschnitte in dieser Höhe geben gleichfalls eine Uebersicht über 
den Abschliessungsvorgang an der Kopf- und Schwanzfalte des 
Amnion. Dieser Abschliessungsvorgang ist an beiden Falten ein 
ähnlicher. Die erste Faltenbildung findet man an der Grenze des 
Fruchthofes. Ist dieselbe bis zur Höhe der Urwirbel gelangt, so 
findet man sie (Fig. 1) aus zwei Zellenlagen bestehend, deren eine 
die direkte Fortsetzung des äusseren Keimblattes («), die andere 
eine Fortsetzung der Hautmuskelplatte des mittleren Keimblattes 
ist. Sobald diese Falten von beiden Seiten des Embryo am Rücken 
des Letzteren bis über die Urwirbel in die Nähe der Mittellinie ge- 
kommen sind, so sieht man an Querschnitten (Fig. 2) die Ueber- 
gangsstelle (u) jenes Theiles der Falte, welche dem äusseren Keim- 
blatte («) angehört, verdickt. Diese Verdickung (u) besteht an in 
Chromsäure gehärteten Hühnerembryonen aus polyedrischen Zellen, 
mit einem körnigen Protoplasma deutlichem Kerne und Kernkör- 
perchen. Die Elemente der Verdickung (u) können lediglich nur 
durch den Prozess der Theiluug der Elemente des Amnion an dieser 
Stelle in grösserer Menge als im übrigen Amnion angehäuft sein. 
Da wir im Amnion dieses Stadiums keine Gefässe haben, so können 
wir nicht von einem Austritte der Elemente aus den Blutbahnen 
sprechen, die an der in Rede stehenden Verdickungsstelle sich an- 
gehäuft hätten. Andererseits kennen wir auch im äusseren Keim- 
blatte, an dem die Zellenvermehrung stattfand, keine Gefässverzwei- 
gungen, durch deren Wandungen die Elemente austreten könnten, 
um längs des äusseren Keimblattes, an die benannte Stelle hinan- 
zuwandern. Es wäre allenfalls noch denkbar, dass etwa aus den 
Räumen der Gefässe im Frucht- oder Gefässhofe Elemente ausge- 
treten wären, und diese könnten längst der Innenfläche der inneren 
Lamelle des Amnion bis zum verdickten Theile (u) hinwandern. — 


196 Dr. S. L. Schenk: 


Abgesehen davon, dass der letzte Vorgang nicht Gegenstand der 
direkten Beobachtung sein kann, möchte ich nur bemerken, dass 
man in frühen Stadien, wie ich schon erwähnt habe, ausser den Ele- 
menten, welche den Fortsetzungen des äusseren Keimblattes und 
der Hautmuskelplatte des mittleren Keimblattes im Amnion ent- 
sprechen, keine anderen Elemente zwischen beiden finden kann. — 
Die verdickten, Stellen des Amnion (u) kommen einander näher und 
man findet an Schnitten in jenen Ebenen, die dem noch nicht ganz 
abgeschlossenen Amnion näher liegen, die Communikationsöffnung 
der Amnioshöhle mit ihrem wulstigen Rande gänzlich geschwunden 
(Fig. 3). Die verdickten Stellen sind von beiden Seiten mit einander 
vereinigt und geben ein Bild wie es die Fig. 3 zeigt, in welcher man 
die Falten des äusseren Keimblattes («) mit einander vereinigt sieht (u), 
während die Schlinge des mittleren Keimblattes ($#) ohne bemerk- 
bare Veränderung zu zeigen und ohne an dem Abschliessungsakte 
des Amnion sich noch zu betheiligen, umbiegt. 

Die weiteren Veränderungen sind in Fig. 4 zu sehen. Die 
Verdickung (u) im äusseren Keimblatte ist in zwei Partien ge- 
theilt, deren eine (« II) dem Rücken des Embryo näher liegt und 
von diesem durch das Gerinnsel (x) der Amniosflüssigkeit getrennt ist. 
Die andere liegt nach aussen vom Embryonalleibe den Amniosfalten (£) 
des mittleren Keimblattes an. Beide Zellenlagen (« Iund «I) stehen 
durch eine schmale Zellenbrücke (B) mit einander in Verbindung. Die 
Schlingen des mittleren Keimblattes (#) ragen von beiden Seiten bis an 
die Zellenbrücke (B). Der grössere Theil der verdickten Zellenmasse 
des äusseren Keimblattes findet sich der Amnioshöhle (A) zugewen- 
det und hängt der inneren Lamelle des Amnion an. Diese anhän- 
gende Zellenmasse ist von dem körnigen Gerinnsel (x) der Amnios- 
höhle (A) nicht scharf getrennt, so dass wir den Grenzkontour 
zwischen beiden nicht deutlich sehen können. Die Zellen, welche 
dem körnigen Gerinnsel näher liegen, haben ein Protoplasma, welches 
feinkörnig ist. Der Kern ist nicht in allen sichtbar. Da wir nun 
später am entwickelten Amnion von dieser Verdickung keine Spur 
mehr finden, so bin ich geneigt anzunehmen, dass die Zellen, welche 
die Verdickung ausmachen, bis zu einem bestimmten bleibenden 
Theile derselben nach und nach im liquor Amni auigehen und 
ihre Zerfallsprodukte scheinen zum guten Theile an der Bildung 
der Amniosflüssigkeit in dem Embryonalleibe ihre Verwendung zu 
finden. 


Beiträge zur Lehre vom Amnion. 197 


‘Die Verbindungsbrücke (B), welehe als der Rest der früheren 
Verdickung im äusseren Keimblatte anzusehen ist, bleibt längere 
Zeit an Querschnitten zu sehen, bis man sie endlich ganz vermisst 
(Fig. 5). 

Sodann sind aus den ursprünglichen beiderseitigen Amnios- 
falten des äusseren Keimblattes zwei Zellenlagen hervorgegangen, 
deren eine (Fig. 5 «II), als direkte Fortsetzung des äusseren Keim- 
blattes, das innere Blatt des Amnion bildet und den Embryonalleib 
zunächst umgibt. Zwischen dem inneren Amniosblatte (@ II) und 
der von diesem getrennten äusseren Zellenlage («I) befinden sich 
die beiden Falten des mittleren Keimblattes (£, %,). Diese sind um 
die Ausdehnung der früheren Verbindungsbrücke (Fig. 4, B) von 
einander entfernt. Nach dem Schwinden der Verbindungsbrücke blei- 
ben sie während längerer Zeit, bei äusserlich scheinbar vollkommen 
geschlossenem Amnion von einander getrennt (Fig. 5). — Erst später 
ist an den einander entgegengekommenen Umbiegungsstellen der 
Falten der Hautmuskelplatte eine schwache Verdickung zu erkennen, 
vermittelst welcher diese Falten sich vereinen. An den Bildern, die 
man weiter entwickelten Stellen des Amnion entnimmt, sieht man 
aus diesen aneinander gerückten Falten neuerdings zwei Zellenstrata 
hervorgegangen. — Die innere derselben, d. i. die dem Embryo näher 
gelegene, bildet die äussere Lage des Amnion. Sie ist die Fort- 
setzung der Hautmuskelplatte ins Amnion. Die äussere bildet einen 
Theil der Amniosfalte, welche sich vom Amnion, das den Embryo 
in vorgerückteren Stadien umgiebt, abgeschnürt hat. 

Das Amnion, welches in dem eben geschilderten Entwicklungs- 
stadium am Rücken des Embryo vollkommen abgeschlossen ist, kann 
insofern nicht als vollendet betrachtet werden, als man nur die 
Epithellagen des Amnion an der äusseren und inneren Oberfläche 
desselben vor sich hat. 

Ausser den genannten Zellenlagen findet man in späteren Ent- 
wickelungsstadien (Fig. 6) noch eine dritte, welche zwischen beiden 
früheren («, 8) liegt. Diese (y) steht mit den Urwirbeln (U) in 
Verbindung und ist erst am Anfange des vierten Tages zu sehen. 
Sie kann als Grundlage sämmtlicher Gewebselemente, mit Aus- 
nahme der Epithelien, welche im Amnion vorkommen, betrachtet 
: werden. 

In jener Periode der Entwickelung, wo die Urwirbel an Masse 


zunehmen, wuchern sie einerseits zwischen die Darmfaserplatte und 
M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 14 


198 Dr. S. L. Schenk: 


das Darmdrüsenblatt (Schenk !), um hier die Grundlage für die 
Schichten der Darm- und Magenwand zu bilden, mit Ausnahme des 
Peritonealepithels, und jenes der Darm- und Magenschleimhaut 
(Barth), Laskowsky°). — Die zwischen Darmfaserplatte und 
Darmdrüsenblatt vorgeschobene Formation dient auch der Leber, 
Lunge und Milz zu ihrer Grundlage inwieferne diese Organe ihr 
Material zum Aufbaue aus dem mittleren Keimblatte beziehen. *) 
Andererseits wuchern sie zwischen die Hautmuskelplatte und äusseres 
Keimblatt, wo sie als Seitenplatten zur Bildung der Leibeswand 
dienen. Dieser Theil der Urwirbel dient, wie es meine Unter- 
suchungen darlegen, nicht nur zur Bildung der Leibeswand, sondern 
ein Theil desselben wird zwischen die beiden Amniosblätter vorge- 
schoben. Hierdurch wird das Amnion durch eine dritte eingescho- 
bene Zellenlage dicker. Nun beginnen andere Gewebselemente ausser 
den Epithellagen im Amnion sichtbar zu werden, die aus den Ele- 
menten der vorgeschobenen Formation der Urwirbel hervorgehen. 
Am besten ist das Gesagte aus den Fig. 6 und 1 zu ersehen. 
Die Zeichnung giebt nur jenen Theil des gewonnenen Durch- 
schnittes (der durch den ganzen kKmbryonalleib gelegt wurde), der 
zur Erklärung des oben Erwähnten dienen soll. Es ist in den Fig. 
6 und 1 der Waldeyer’sche Keimhügel (Kh) und dessen Fort- 
setzung ins Amnion (Hautmuskelplatte) Hm zu sehen. Ferner findet 
man die Fortsetzung des äusseren Keimblattes ins Amnion «, die 
an ihrer Umbiegungsstelle (A), Fig. 6, etwas verdickt ist. Zwischen 
dem äusseren Keimblatte « und der Hautmuskelplatte # im Amnion 
sieht man die Gebilde der Urwirbel (y) bis g vorgeschoben. Diese 
vorgeschobenen Gebilde sieht man in Fig. 1, welche einem jüngeren 
Stadium angehört, nur bis zur Umbiegungsstelle der Hautmuskel- 
platte ;(#) und des äusseren Keimblattes («) reichen. Diese For- 
mation (y Fig. 5) wird nun weiter ins Amnion vorgerückt gefunden, 
bis man sie endlich so weit findet, als überhaupt die beiden früheren 


I) Lie; 

2) Barth, Beitrag zur Entwickelung der Darmwand. Sitzungsber. 
d. Wiener k. Acad. d. Wissenschaften LVIII. Bd. II. Abth. 1868. 

3) Laskowsky, Ueber die Entwickelung der Magenwand. Sitzungsber. 
d. Wiener k. Acad. d. Wissenschaften. LVIII. Bd. II. Abth. 1868. 

4) Diese von mir gebrachte Angabe, welche ich Präparaten vom Hühner- 
embryo entnommen habe, wurde von Götte in diesem Archiv Bd. V. 1869 
für die Batrachier bestätigt. 


Beiträge zur Lehre vom Amnion. 199 


Lagen des Amnion reichen, so dass ein Durchschnitt durch das 
Amnion von jeder beliebigen Stelle seiner Ausdehnung die drei 
geschilderten Lagen darstellt. Nun wird man die Fortsetzung 
der Hautmuskelplatte ins Amnion allmählig atrophirt vorfinden, 
die Zellen werden flacher bis sie schliesslich ganz schwinden und 
das Amnion entbehrt der äusseren Zellenlage. Fig. 7 stellt ein 
Stück eines Amnion der späteren Entwickelungsstadien dar, das 
um einen Extremitätsstumpf geschlungen ist. An demselben sind die 
Schichten («, #, y) des Amnion zu sehen. Die mittlere Lage (y) 
zeigt einige Gefässlücken und zu Bindegewebe metamorphosirte 
Gewebselemente. Das innere Blatt «& stellt das wohlerhaltene innere 
Epithel dar. Die Fortsetzung der Hautmuskelplatte ist nur bis 
zu der Grenze v zu sehen, im Uebrigen zeigt sie keine Spuren, 
die auf ihr früheres Dasein schliessen liessen. Die Frage, die wir 
uns noch ferner zu stellen haben ist, auf welche Weise findet die 
Vergrösserung der Urwirbelmasse, respective deren Zellenvermeh- 
rung statt? 

Man kann bei einem embryonalen Gebilde, welches man an 
Masse zunehmen sieht, sich kaum der Annahme enthalten, dass die 
Vermehrung der Zellen, welche das Organ zusammensetzen, in Folge 
des Theilungsprocesses vorhandener Elemente vor sich geht. Denn 
gerade an embryonalen Gebilden kann man den Theilungsprocess 
von den ersten Furchungsstadien bis zur frühesten Anlage der Or- 
gane verfolgen. Andererseits ist auch der Meinung Raum zu geben, 
vermöge welcher die Elemente aus den Gefässräumen im Em- 
bryonalleibe austreten und sich später zu den Organanlagen gesellen, 
um ähnlich wie die Vorgänge im Extraembryonalleben stattfinden, 
zu Gewebselementen der Organe sich umgestalten zu können. 

Durch folgende Gründe kann man sich veranlasst sehen, dieses 
anzunehmen. 

In jenen Entwickelungsstadien, wo die Urwirbel an Quer- 
schnitten nicht grösser als in ihrer frühesten Anlage erscheinen, 
fehlen die Gefässe im Fruchthofe zwischen Darmdrüsenblatt und 
Darmfaserplatte, oder die Durchschnitte der Bluträume sind nur im 
Beginne des Fruchthofes spärlich vorhanden. Erst mit dem ver- 
mehrten Auftreten der Bluträume im Fruchthofe tritt auch eine 
Vergrösserung der Urwirbelmasse auf. 

Nun sollte man während dieses Entwickelungsstadiums das 
Kreisen des Blutes im lömbryonalleibe des Huhnes beobachten, um 


200 Dr. S. L. Schenk: 


das Austreten von Elementen durch die Gefässwandungen zu sehen, 
Allein eine Reihe nicht zu beseitigender Uebelstände, die bei diesem 
Versuche am Huhne auftreten, hindert uns, um zu einem positiven 
Resultate zu gelangen. Zunächst muss man die Beobachtungen 
nur bei auffallendem Lichte am nicht aus dem herauspräparirten 
Embryo machen. Die Vergrösserung, die man hierbei anwenden 
kann, geht nicht über Hartnack Ocul. III. Object V. Abgesehen da- 
von, dass man die Vergrösserungen nicht nach Belieben anzuwenden 
vermag, kann man den Embryo nicht für eine längere Dauer zur 
Untersuchung benutzen. Denn es ergeben sich eine Reihe von 
Schwierigkeiten aus dem Umstande, dass man nicht leicht das Ei 
während der Untersuchung unter solche Verhältnisse bringen kann, 
unter denen es sich befinden muss, wenn man es künstlich be- 
brütet. Ferner ist das eröffnete Ei der atmosphärischen Luit aus- 
gesetzt und vertrocknet die oberflächliche Eiweissschicht. Versucht 
man aber mit Hülfe eines Deckgläschens (oder eines Glimmer- 
plättchens) die in der Eischale gemachte Oefinung mittelst Kleb- 
wachs zu verschliessen, so schlagen sich alsbald an der Innenfläche 
des Deckgläschens Wasserdämpfe nieder, die jede weitere Beob- 
achtung stören. Das Deckgläschen direkt auf den Embryo gelegt, 
führt grösstentheils eine solche Reihe von Störungen nach sich, 
dass ein baldiges Zerreissen der Gefässräume unausbleiblich ist. 
Beim Säugethiere sind die Schwierigkeiten in viel grösserem Masse, 
so dass man an diesen nicht einmal die Circulation beobachten 
kann. Was aber an Säugethieren und Hühnern nicht ermöglicht 
ist, kann mit Leichtigkeit an Embryonen von Batrachiern und 
Forellen gesehen werden. Es ist nun wahrscheinlich, dass das 
Austreten der Elemente normaler Weise auch beim Säugethiere 
und Huhne vor sich geht, da diese bis zu einem gewissen Grade 
der Entwickelung keine Verschiedenheit in den Entwitckelungsvor- 
gängen von denen anderer Thiere zeigen. 

Es scheint dem Angeführten zufolge die ins Amnion vorge- 
schobene Formation, welche von den Urwirbeln stammt, zum 
Theile aus Abkömmlingen von Zellen zu bestehen, die durch den 
Theilungsprocess sich vermehrt haben; zum Theile können sie 
metamorphosirte Elemente sein, die aus den Blutbahnen ausgetre- 
ten sind. 

Die Elemente der vorgeschobenen Formation erleiden wesent- 
liche Veränderungen, welche zur Umwandlung derselben zu den 


Beiträge zur Lehre vom Amnion, 20) 


Gewebselementen des vollendeten Amnion führen. Man sieht hier 
die verschiedenartigen Bilder, wie sie aus den Arbeiten von Ober- 
steiner!) und Kuzneroff?) als embryonales Bindegewebe be- 
kannt sind. Ich habe einige derselben aus dem Amnion vom Ka- 
ninchen und Huhne (a bis f) gezeichnet. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XVII. 


Die Figuren stellen Abschnitte von vollständigen Querschnitten durch 
den Embryonalleib dar, welche zur Erklärung des Gesagten dienen sollen. 

« äusseres Keimblatt. 

#8 Hautmuskelplatte (des mittleren Keimblattes). 

y vorgeschobene Formation der Urwirbel. 

U Urwirbel. 

PP Pleuroperitonealhöhle. 

Kh Keimhügel (nach Waldeyer). 

Hm Hautmuskelplatte. 

A Amnioshöhle. 

u Verdickung an der Umbiegungsstelle des äusseren Keimblattes in der 
Amniosfalte über den Rücken des Embryo E. 

x Gerinnsel in der Amnioshöhle. 

a bis f Bindegewebselemente aus dem Amnion. 


1) Obersteiner, Ueber Entwickelung und Wachsthum der Sehne. 
Sitzungsber. der k. Wiener Academie der Wissenschaften. LVI. Bd. I. 
Abth. 1867. 

2) Kuzneroff, Sitzungsber. d. Wiener Academie d. Wissenschaften. 
LVI. Bd. II. Abth. 1867. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 


Von 


Prof. Dr. F. Leydig 
in Tübingen. 


Hierzu Taf. XIX. 


Seit dem Jahre 1838 weiss man durch Eydoux und Sou- 
leyet, dass am Gehirn der Schnecken Organe zugegen sind, welche 
den Gehörwerkzeugen höherer Thiere sich vergleichen lassen. Die 
erste derartige Wahrnehmung wurde an den Heteropoden gemacht, 
was kaum zufällig ist, da an dieser Gruppe das Organ wegen seiner 
Grösse und der durchsichtigen Beschaffenheit des ganzen Thieres 
am ehesten dem Blick sich zeigen musste. Und es ist selbst be- 
greiflich, wie schon mehr als zehn Jahre vor den genannten fran- 
zösischen Beobachtern, im Jahre 1825, Delle Chiaje bei der Zer- 
gliederung von Pterotrachea das Gebilde wenigstens sah, wenn auch 
in seiner Bedeutung verkannte. !) 

Bei den Gasteropoden im engeren Sinne scheint Pouchet 
zuerst, und zwar ebenfalls um das Jahr 1838 herum, des Organs 
ansichtig geworden zu sein, ohne aber zu wissen, was er eigentlich 
vor sich habe.?) 


1) Delle Chiaje, Descrizione e notomia degli animali invertebrati 
della Sicilia eiteriore. Tomo primo. Napoli 1841. „Prima che Eydoux 
e Soleyet rinvenissero lapparato uditorio nei Molluschi pteropodi ed 
eteropodi, ...... io aveva figurato l’otolite della pterotrachea, ma con- 
fuso (Mem. Nap. 1825) con ganglietti nella carinaria mediterranea.“ 

2) Note sur le developpement des Limnees. Ann. d. sc. nat. 1838, p. 64. 


Ueber das Gehörorgan der (rasteropoden. 203 


Indem von da an verschiedene Beobachter sich mit gedachter 
Bildung beschäftigten, hatte man gegen Mitte der fünfziger Jahre 
bezüglich des Vorkommens und des Baues folgende Ergebnisse ge- 
wonnen. 

Erstens: ein Gehörwerkzeug besitzen alle Abtheilungen der 
Mollusca cephalophora. 

Zweitens: dasselbe besteht immer aus einer Blase, deren 
bindegewebige Wand sich in eine festere innere Lage und eine mehr 
lockere Umhüllung scheidet. Die Innenfläche wird von einem Epithel 
überdeckt, dessen Zellen von verschiedener Gestalt sind und meistens 
Wimperhaare tragen. In der Flüssigkeit, welche die Ohrblase prall 
erhält, schweben die Otolithen. Der zur Blase führende Nerv kann 
zu einem langen Stiel ausgezogen sein, oder er ist so verkürzt, dass 
das Gehörorgan den Nervencentren unmittelbar aufsitzt. 

Dies war der Stand der Kenntnisse, als im Jahre 1856 Adolph 
Schmidt mit der „Entdeckung“ hervortrat, dass noch an der 
Ohrblase ein besonderer „Gehörgang‘“ vorhanden sei, welcher von 
der Capsel nach aussen zur Haut führe!) Da man nun wusste, 
dass am Gehörorgan der Cephalopoden ein flimmernder Canal in 
der That vorhanden sei, so lag es nahe, den von Schmidt ange- 
zeigten Gehörgang und denjenigen der Cephalopoden sich als gleich- 
werthige Bildungen vorzustellen. 

Als ich jedoch durch eigene Untersuchungen an Arion hor- 
tensis, Limax agrestis, Helix hortensis und H. ericetorum mich von 
der Anwesenheit des Ohrcanals der Gasteropoden überzeugen wollte, 
gelang es mir nicht, denselben aufzufinden, vielmehr ergab sich, 
dass die Ohrcapsel im Ganzen die Form einer kurz gestielten Blase 
habe; dann dass der kurze Stiel den Ansatz an’s Gehirn bezwecke 
und nicht etwa gegen die äussere Haut führe, so dass demrach im 
ganzen übrigen Umfang die Capsel scharf abgeschlossen sei. ?) 

Meine Mittheilungen über diesen Gegenstand sind, wie. es 
scheint, von Boll?) und Gegenbaur) übersehen worden. Insbe- 


1) Beiträge zur Malakozoologie, Berlin 1857; vorher in der Zeitschr. f. 
die gesammten Naturwissensch, Jahrg. 1856. 

2) Zur Anatomie und- Physiologie der Lungenschnecken, Archiv für 
mikroskopische Anatomie. Bd. I, 8. 58. 

3) Beiträge z. vergleichenden Histiologie a. Molluskentypus. Bonn, 1869. 

4) Grundzüge zur vergleichenden Anatomie, zweite Auflage. 1870. 


204 Prof. Dr. F. Leydig: 


sondere vergleicht der letztere den Wimpercanal der Cephalopoden 
mit dem Schmidt’schen Gehörgang und sieht beide für homologe 
Bildungen an. Ein Irrthum, der zu vermeiden gewesen wäre; denn 
obschon meine Untersuchungen, wie das Folgende zeigen wird, nicht 
ans Ende des Weges gelangt waren, so gehen doch das Beobach- 
tete und der Vergleich auf richtiger Bahn und diese lenkt durch- 
aus davon ab, im Ohr der Gasteropoden ein dem Wimpercanal am 
Ohr der Cephalopoden gleichwerthiges Gebilde erblicken zu wollen. 

Immerhin wäre ich schwerlich dazu gekommen, den Gegenstand 
von neuem vorzunehmen, wäre nicht der Auszug einer Abhandlung 
von Lacaze-Duthiers erschienen, in welcher angezeigt wird, 
dass, mag auch die Ohrblase der cephalophoren Mollusken an der 
unteren Portion des Gehirns liegen, der Gehörnerv doch immer von 
der oberen, den Schlund umgreifenden Abtheilung den Ursprung 
pimmt.!) So sehr nun diese Angabe im ersten Augenblick be- 
fremden musste, — und sie wurde auch von einem Berichterstatter 
über die malakologische Literatur sehr ungläubig aufgenommen und 
besprochen — so musste ich wenigstens daran erinnert werden, dass 
ich den Stiel der Ohrblase, d. h. den Gehörnerven zwar in die un- 
tere Gehirnportion sich verlieren sah, aber nicht dessen Ende nach 
seiner histologischen Verbindung kannte, insbesondere nicht, wo der 
Uebergang seines Neurilemms in das Neurilemm des Ganglions und 
ebenso seines Inhalts in die nervöse Substanz stattfinde. 

Um über diese von dem französischen Forscher angeregte und 
für die vergleichende Anatomie bedeutungsvolle Frage ins Klare zu 
kommen, unterzog ich das Gehörorgan einiger Lungen- und Kiemen- 
schnecken von Neuem der Prüfung und das Ergebniss gestaltet sich 
zu einer Bestätigung der schönen Entdeckung von Lacaze-Du- 
thiers, was jetzt darzulegen der Zweck dieser Zeilen ist. 

Die Methode der Untersuchung, deren ich mich bediente, war 
einerseits, dass ich von den in Wasser erstickten Thieren (Helieinen, 
Limacinen) das Gehirn sorgfältig ausschnitt und dann sowohl frisch, 
als nach Behandlung mit Essigsäure oder sehr verdünnter Kalilauge 
studirte. Oxalsäure, welche ich ebenfalls anwandte, hat mir keine 
Dienste geleistet, welche grösser gewesen wären, als die der zwei 
genannten Flüssigkeiten. Ferner ist, wie fast für alle histologischen 

1) M&moire sur les Organes de l’audition (otolithes) de quelques animaux 
invertebres. Compt. rend. 1868. p. 882. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 205 


Arbeiten, der Gebrauch sehr verdünnter Lösungen von doppeltchrom- 
saurem Kali zu empfehlen. 

Andererseits habe ich auch das Gehirn aus lebenden Thieren 
genommen und, mit Schneckenblut befeuchtet, der weiteren Zerglie- 
derung unterworfen. 

Man darf nicht glauben, gleich am ersten Präparat und an 
jeder beliebigen Schneckenart das Gewünschte zu sehen, was schon 
daraus hervorgeht, dass den Augen so vieler Beobachter das wahre 
Sachverhältniss entgangen ist. Auch wird ein Eingehen auf histolo- 
gische Einzelheiten unerlässlich. 


I. Das Gehirn. 


1. Gestalt und Gliederung. 


Das centrale Nervensystem der diesmal untersuchten Gattungen 
von Lungenschnecken: Limax, Arion, Vitrina, Helix, Clausilia, 
Carychium, Suceinea, Physa, Planorbis, Ancylus bleibt sich zwar in 
den Grundzügen gleich, ändert aber ähnlich wie das Gehirn in be- 
stimmten Gruppen der Wirbelthiere, so auch hier nach den Gat- 
tungen mehr oder weniger ab. Die obere Portion — wir wollen sie 
Oberhirn nennen — besteht aus zwei gangliösen Seitenmassen, welche 
in Grösse und Umriss mancherlei Verschiedenheiten, namentlich 
gewisse Höcker oder Wölbungen als Ausdruck innerer Sonderungen 
darbieten. Es soll nachher Helix hortensis bezüglich dieses Punktes 
näher in Betracht gezogen werden. 

Die beiden seitlichen Massen des Oberhirns werden durch eine 
Querbrücke oder Commissur, welche ebenfalls nach ihrer Länge und 
Breite kleine typische Verschiedenheiten zeigt, verbunden. 

Die unter dem Schlund liegende Portion — sie mag Unterhirn 
heissen’ — besteht bekanntlich aus einer vorderen Partie (Ganglion 
pedale) und einer hinteren (Ganglion viscerale). Die vordere liegt 
etwas tiefer als die hintere. Die letztere ist es nun, welchein man- 
chen der obigen Gattungen eine Neigung sich in kleine Abschnitte 
aufzulösen kund gibt, während die vordere durchweg jederseits ein 
nahezu einfaches rundliches Ganglion bleibt. 

Gehen wir von Helix aus, mit welcher Gattung hierin Limax, 
Arion und Vitrina ziemlich übereinstimmen, so finden wir, dass 


206 . Prof. Dr. F. Leydig: 


2. B. bei H. hortensis!), H. pomatia, H. obvoluta und andern jeder 
der beiden Seitenabschnitte der hinteren Partie (Ganglion viscerale) 
durch eine vom Rande hereingreifende mittlere Einkerbung den 
Anfang zur Zerlegung des Ganglions zeigt; deun diese vierlappige 
Beschaffenheit führt bei anderen Gattungen zu einer Auflösung in 
vier gesonderte durch Gommissuren verbundene Ganglien. Solches 
sehen wir z. B. bei Clausilia, wovon ich C. similis untersuchte und 
wo alsdann Ober- und Unterhirn als Ganzes eine Zusammensetzung 
aus acht Ganglien erhalten; auch bei Physa — ich zergliederte 
Ph. hypnorum — erscheint diese Zerlegung der hinteren Partie des 
Unterhirns, aber mit einer neu hinzutretenden Sonderung, insofern 
die eine Seitenhälfte sich einigermaassen wieder durch eine mittlere 
Einschnürung scheidet; wobei aber der bemerkenswerthe Umstand 
an allen von mir untersuchten Exemplaren sich kund gab, dass 
diese zuletzt erwähnte Sonderung asymmetrisch war, das heisst, nur 
auf die eine Seite beschränkt. 

Die den Schlund umgreifenden, Ober- und Unterhirn verbin- 
denden Commissuren sind, wie man seit der Arbeit Berthold’s weiss, 
jederseits doppelt und wohl ohne Ausnahme; wenigstens sehe ich 
auch da mit Sicherheit zwei, wo Moquin-Tandon?) eine einzige 
zeichnet, z. B. bei Vitrina diaphana. Die Länge dieser Commissuren 
ändert wieder nach den einzelnen Gruppen und trägt wesentlich 
mit dazu bei, dem Gehirn im Ganzen ein besonderes, zum Gattungs- 
charakter gehöriges Gepräge zu verleihen. Unter den Nacktschnecken 
sind die Commissuren sehr kurz bei Limax und es ist interessant, 
wahrzunehmen. dass bei Vitrina, welche auch sonst, z. B. in der 
Weichheit der Körperhaut, der Gattung Limax näher steht, als der 
Gattung Arion, die Commissuren ebenfalls sehr kurz sind, wodurch 
wie dort das Gehirn ein gleichsam zusammengeschobenes Aussehen 
erhält. Bei Arion sind die Commissuren schon etwas länger als bei 
den eben genannten Gattungen; noch länger werden sie bei den 
Arten von Helix und Olausilia; Suceinea hingegen — ich zerglie- 
derte S. amphibia — zeigt wieder kurze Commissuren und auf 
solche Weise ein Gehirn von zusammengeschobener Form; sehr kurz 
sind sie auch bei Physa. 

Bemerkenswerth ist ferner, dass die zum hinteren Abschnitt 

1) Pe. 1. 

2) Hist. nat. des Mollusques de France. 1855. Pl. VI. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 207 


(Ganglion viscerale) des Unterhirns tretende Commissur vor dem 
Uebergang in letzteren gangliös verdickt erscheint, so z. B. an 
Helix hortensis, H. pomatia, H. obvoluta; der zum vorderen Ab- 
schnitt (Ganglion pedale) führenden Commissur fehlt eine derartige 
Anschwellung. | 

Bekanntlich zieht durch das Gehirn oder den Schlundring 
ausser dem Schlund und den Ausführungsgängen der Speicheldrüsen 
noch die Aorta. Von ihr löst sich ein Ast ab, welcher den zwischen 
den beiden Abschnitten des Unterhirns bestehenden Raum durchsetzt, 
sich dann gabelt und die beiden Zweige nach rechts und links, ent- 
lang der Seitencommissuren, schickt. 

Unsere Kiemenschnecken hinsichtlich der Gliederung des Schlund- 
ringes im Näheren zu untersuchen, fehlte mir im Augenblicke (Spät- 
herbst) die rechte Gelegenheit. Nur Paludina impura liess sich noch 
in einiger Menge auftreiben, hingegen die Paludina vivipara — sie 
fehlt bei Tübingen — konnte ich mir nicht mehr aus der Gegend 
ihres Vorkommens beschaffen. Ich war auf zwei Exemplare be- 
schränkt, welche sich im Schlamm eines Aquariums erhalten hatten, 
und da ich überdies an beiden die Aufmerksamkeit mehr auf Dar- 
stellung des Gehörorgans als auf dasselbe richtete, so kann ich 
nicht sagen, ob hier ebenfalls eine doppelte Commissur vom Ober- 
hirn zum Unterhirn geht und ob das letztere weiter getheilt ist. 
Wohl aber vermag ich von Paludina impura anzugeben, dass das 
Unterhirn in ähnlicher Weise wie bei den Lungenschnecken in 
zwei Partien zerfällt, in eine vordere, etwas tiefer liegende und in 
eine hintere, höher gelegene und zweimal eingekerbt, so dass sie 
dreilappip erscheint. Auch die seitliche Commissur ist doppelt. 


2. Feinerer Bau. 


An das, was ich bereits darüber in meinem Aufsatze „Zur 
Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken“ berichtet !), habe 
ich jetzt nur Einiges anzufügen. 

Das Neurilemm betreffend, verdient noch einmal herausgehoben 
zu werden, dass die Nervenhülle bei allen den genannten Gattungen 
von Pulmonaten Muskeln ?) besitzt. Sie durchflechten das Neurilemm 
am Ober- und Unterhirn und nicht minder durchsetzen sie die haut- 


1) Archiv f. mikrosk. Anatomie. B. 1. 
2) Fig. 3, A. a. 


208 Prof. Dr. F. Leydig: 


artig ausgebreiteten Bänder, welche vom gemeinsamen Integument 
und der nächsten Umgebung her ans Gehirn treten. 

Die gangliöse Substanz anbelangend, so zeichnet sich der hin- 
tere Abschnitt (Ganglion viscerale) des Unterhirns dadurch aus, dass 
hier die grössten Ganglienkugeln, eine an der anderen, liegen. Von 
Mittelgrösse sind die des vorderen Abschnittes oder des Ganglion 
pedale. Im Oberhirn kommen grössere, kleinere und ganz kleine 
Ganglienkugeln vor; doch erreichen die grössten niemals den Um- 
fang jener des Ganglion viscerale im Unterhirn, und die verschie- 
denen Arten der Nervenzellen halten sich in bestimmten Gruppen 
zusammen. 

Dann besitzt aber auch noch das Oberhirn in seinen beiden 
Seitenhälften eine feinkörnige blasse Substanz, welche einen scharf- 
abgesetzten Ballen ‘) von cylindrischer leicht gebogener Form dar- 
stellt. Auch nach Reagentien bleibt derselbe von homogener blass- 
körniger Beschaffenheit. Diesen hellen Ballen umgibt dann, von 
unten und innen her gleich einer Schale, eine dunklere Partie, 
welche aber von histologisch anderer Art ist, denn sie besteht aus 
sehr kleinen runden Zellen von dunkler Beschaffenheit des Proto- 
plasma. Das über diesen eigenthümlichen Theil im Oberhirn Gesagte 
bezieht sich insbesondere auf Helix hortensis; es liegt nahe, dass 
der Körper gewisse Vergleichungspuncte darbietet mit Partien im 
Gehirn der Insecten.?) 

Jede Hälfte des Oberhirns zeigt nach aussen zwei Wölbungen 
oder Lappen, durch eine scharfe Ausrandung von einander eine 
Strecke weit gesondert. Aus dem vorderen Lappen kommt haupt- 
sächlich der grosse Nerv zu den oberen Tentakeln und dem Auge 
und es lässt sich sonach der Theil mit dem Riech- und Sehlappen 
der Arthropoden vergleichen. Der grosse Tentakelnerv am Vorder- 
rand des Lappens nimmt seinen Ursprung aus der gedachten eigen- 
thümlichen Partie, welche der ersten Beobachtung sich gern nur 
als einfach dunkelkörnige Masse darstellt, bis die weitere Prüfung 
uns mit der erwähnten Zusammensetzung bekannt macht. — Das 
Oberhirn lässt ausserdem noch vier Nervenstämmchen hervortreten, 
welche alle von der unteren Fläche abgehen. 

Was an den Seitencommissuren des Gehirns bemerkenswerth 


1) Fig. 5, A, b. 
2) Leydig, vom Bau des thierischen Körpers, S. 231 ff. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 209 


erscheint, wird für unseren Zweck besser nachher bei Besprechung 
des Ohrcanals angegeben. 

Bei den beiden bezeichneten Arten von Kiemenschnecken sind 
die Ganglienkugeln durchweg kleiner, als bei den Lungenschnecken, 
wodurch sie zu diesen in einen recht auffälligen Gegensatz treten. 


li. Das Gehörorgan. 
1. Lage und Grösse. 


Es ıst bekanntlich ein Leichtes, am Gehirn unserer Lungen- 
schnecken das Gehörorgan zu erblicken und sich zu überzeugen, 
dass dasselbe dem Unterhirn angehört. Aber nicht so ohne weiteres 
erledigt sich die Frage, ob es an dem vorderen oder hinteren Ab- 
schnitt ruht und erst nach und nach vergewissert man sich, dass 
der vordere” Abschnitt, welcher aber tiefer steht als der hintere, es 
ist, welchem das Ohr aufsitzt. Sollten noch Zweifel übrig bleiben, 
so betrachte man zu deren Beseitigung das Gehirn in seiner Ver- 
bindung mit dem Schlund. 

Ich habe anderwärts darauf hingewiesen, dass das Auge der 
Lungenschnecken bei den verschiedenen Arten hinsichtlich der Grösse 
nicht allzusehr abzuweichen scheine und daran erinnert, dass dem 
Augsburger Naturforscher v. Alten dies bereits aufgefallen sei. 
Aehnlich verhält es sich mit dem Gehörorgan. An’ der sehr kleinen 
Schnecke Helix rotundata z. B. ist es eben so gross wie bei Helix 
hortensis, daher erscheint es auch gegenüber dem Umfang des Ge- 
hirns bei kleineren Arten umfänglicher als bei den grösseren Arten ; 
doch sinkt die Grösse immerhin bei manchen ganz kleinen Arten in 
entsprechendem Grade herab. 

Die Abbildung des Ohres von Carychium minimum bei Moquin- 
Tandon (a. a. O. Pl. XXIX, Fgg. 22, 23) könnte freilich glauben 
machen, dass bei den kleinsten Lungenschnecken das Organ an 
Grösse zunehme. Ich vermuthete jedoch längst, dass sich der 
Künstler der gedachten Figuren nur einige Freiheit erlaubt habe, 
was sich bestätigte, als ich lebende Thiere untersuchen konnte. Die 
Zeichnung des genannten französischen Zoologen giebt eine irrige 
Vorstellung; das Ohr von Carychium minimum ist freilich im Ver- 
hältniss zum Umfang des Unterhirns gross, aber an sich klein, ja 
kleiner als das Auge desselben Thieres. 


210 Prof. Dr. F. Leydig: 


> 


Hinsichtlich der auf dem Lande und jener im Wasser lebenden 
Lungenschnecken schien mir der Unterschied vorhanden zu sein, dass 
bei den letzteren z. B. Planorbis, Physa das Ohr in seiner Grösse 
dem der Helieinen nachstehe. Ohne Widerrede, weil ganz auffällig, 
ist aber das Ohr der Kiemenschneckengattung Paludina umfänglicher 
als jenes der Lungenschnecken; ebenso ist es bei Hydrobia vitrea 
grösser als bei einer Landschnecke von gleicher Grösse. 

Es lässt sich auch noch bemerken, dass das Ohr mit dem Seh- 
organ eine andere Gemeinschaft theilt. Das Auge ist im Verhält- 
niss zum Oberhirn nach seitwärts und nach oben gewendet: das 
Ohr ebenfalls nach seitwärts, aber nach unten. 


2. Form. 


Bei oberflächlicher Besichtigung erscheint die Ohrblase der 
Lungenschnecken von einfach kugeliger Gestalt und die Abbildungen 
sind auch fast sämmtlich in dieser Weise gehalten. Allein in Wirk- 
lichkeit ist die Kugel, wie genaueres Zusehen belehrt, an der dem 
Ganglion zugewendeten Seite abgeplattet, ja, da sie hier der Wölbung 
des Ganglions sich anzupassen hat, erscheint sie an dieser Fläche 
leicht eingedrückt; das Organ springt daher mit dem freien Umfang 
uhrglasförmig oder wie eine Halbkugel vor '!), während die concave 
untere Fläche die Wölbung des Ganglions aufnimmt. 

Bei Paludina vivipara hingegen, allwo das Organ freigestielt 
dem Gehirn ansitzt, ist seine Form in der That rein kugelig, ebenso 
bei Paludina impura. Da das Ohr bei letztgenannter Schnecke et- 
was schwieriger zu untersuchen ist als bei den Lungenschnecken, 
so vermuthe ich fast, dass Moquin-Tandon, der Verfasser des 
mehrmals angezogenen Werkes über die Mollusken Frankreichs, die 
das Gehörorgan versinnlichen sollenden zwei Ringelchen auf das 
Gehirn nach Analogie des Befundes bei Lungenschnecken eingetra- 
gen hat, ohne das Organ selbst näher auf sein Verhalten studirt 
zu haben. Im Text geschieht dessen keine Erwähnung. — Auch bei 
Hydrobia vitrea ist die ebenfalls frei abstehende Ohrblase wirklich von 
Kugelform. 


1) Fig. 6. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 211 


3. Gewebe. 


Die bindegewebige Wand der Capsel zerfällt immer, ganz 
ähnlich der Zusammensetzung des Neurilemms, in eine innere festere 
Lage oder die eigentliche Capselmembran und in eine äussere lockere 
Umhüllung. 

Es ist bemerkenswerth, dass während die Zellen dieser lockeren 
äusseren Lage am Neurilemm so allgemein bald Fett- bald Kalk- 
kugeln, ein andermal Kiweisskügelchen, dann wieder braunes oder 
schwärzliches Pigment in sehr wechselndem Grade der Menge ein- 
schliessen, all dieser Inhalt rings um die halbkugelig vorspringende 
Ohrblase ganz oder fast ganz zurückbleibt, so dass höchstens Spuren 
davon anzutreffen sind. 

Ich habe vor Jahren am Ohr der Paludina vivipara Muskeln 
beschrieben, welche die Ohrcapsel innerhalb der lockeren Umhüllung 
geflechtartig umziehen. Diese contractilen Elemente fehlen auch 
dem Ohr der obigen Lungenschnecken nicht; aber sie fallen keines- 
wegs so leicht in die Augen wie bei Paludina, sondern wollen auf- 
gesucht werden. ') 

Ferner ist es das die Blase auskleidende Epithel, welches 
unsere Beachtung verdient. In ganz unbehelligtem Zustande, frisch 
aus dem T'hiere genommen und mit dem Blut der Schnecke befeuch- 
tet, erscheint es als geleichmässig dicke Lage, ohne Vorsprünge und 
Eintiefungen, dabei von scharfer Innengrenze. Doch schon der lei- 
seste Druck genügt, diesen Zustand aufzuheben: seine Grenzlinie 
nach einwärts verläuft jetzt bogig-zackig, wie wenn das Epithel 
in grössere warzige Vorsprünge sich gesondert hätte. Gar manche 
der vorhandenen Abbildungen stellen daher den Binnenraum der 
Ohrblase zackig oder sternförmig dar. 

An dem noch ganz unversehrten Organ tritt aber auch bei 
gewisser Lage eine wulstis verdickte Stelle des Epithels hervor, 
welche mir nicht erst durch die Behandlung entstanden zu sein 
scheint, sondern von vorne herein bestehen mag. Ueberall wo ich 
derselben ansichtig wurde, liegt sie dem Ansatzpuncte des nach- 
her zu besprechenden Gehörnerven gegenüber. Nicht blos bei 
Lungenschnecken ist die Wölbung zugegen, sondern auch bei Pa- 
ludina vivipara deutlich vorhanden. Boll hat jüngst an der Ohr- 


1) Vergl. Fig. 2, a; Fig. 6, b. 


212 Prof. Dr. F. Leydig: 


blase der Heteropoden ebenfalls gegenüber des Eintrittes des Hör- 
nerven eine besonders verdickte Zellenlage nachgewiesen, die er als 
Crista oder Macula acustica ansieht. Ohne dieser Deutung zustimmen 
zu wollen, wird man doch in meinen Figuren der Ohrblase von 
Helix pomatia!) und der Paludina vivipara?) an das von Boll 
dargestellte Verhalten im Gehörorgan von Pterotrachea coronata ?) 
erinnert und darf verwandte Bildungen vermuthen. 

Es mag dabei in Erinnerung gebracht werden, dass als ich seiner 
Zeit*) die Entwickelung des Ohres bei Paludina vivipara verfolgte, 
bereits auf Etwas stiess, was mit diesem späteren Verhalten zu- 
sammenzuhängen scheint. Wenn nämlich der anfangs solid-zellige 
Ohrkörper anfängt, sein Inneres hohl zu gestalten, so ist wahr- 
zunehmen, dass da, wo später der Hörnerv ansitzt, die Wand dünner 
ist, an dem übrigen Umfang aber dicker! 

Sieht man die Beschaffenheit des Epithels näher an, so ist der 
zellige Charakter im ganz frischen Zustande meist sehr undeutlich; 
das Epithel hat vielmehr das Ansehen einer homogenen feinkörnigen 
Schicht, aus welcher die Kerne abstechen.?) Nach der Natur der 
Kerne wären aber die Zellen von zweierlei Art. Man unterscheidet 
nämlich einmal kleine, welche in der Mehrzahl vorhanden sind, im 
hintersten Theil der zu ihnen gehörigen Zellsubstanz. also nach 
aussen gegen die bindegewebige Wand der Kapsel liegen und ein 
körniges Innere haben. Dann finden sich aber zweitens noch, in 
nur geringer Zahl und wie es scheint lediglich an bestimmten Stellen 
grosse runde Kerne, mit je einem Kernkörperchen, dessen Form 
spindelartig ist. Von der Anwesenheit dieser beiderlei Kerne habe ich 
mich überzeugt, z. B. an Helix pomatia °), H. hortensis. H. obvoluta”), 
Clausilia similis, Succinea amphibia. Nicht aber sehe ich sie bei 
Kiemenschnecken: sowohl bei Paludina vivipara als auch bei impura 
besteht das Epithel aus kurzen Cylinderzellen, welche an der er- 
wähnten Verdickung zu hohen Öylindern sich ausziehen; dabei sind 
sie von körniger Art in ihrem einwärts gerichteten Abschnitt und 
von mehr heller körnerfreien Beschaffenheit im äusseren Theil. Die 
Nuclei zeigen sich allerorts von einerlei Grösse und Natur. 

Die Wimperhärchen des Epithels sind bekanntermaassen ausser- 
ordentlich fein und öfters kann man selbst im Zweifel darüber 


1) Fig. 4. 2) Fig. 8,a. 3)a. a. O. Taf. II, Fig. 47. 
4) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Bd. II, S. 139. 
5) Vergl. Fig. 6, Fig. 7. 6) Fig. 4. 7) Fig. 5. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 213 


bleiben, ob sie wirklich da sind. Bezüglich der Paludina vivipara 
meldete ich seiner Zeit, dass man an ungeborenen Thieren die zit- 
ternde Bewegung der Hörsteinchen sehen könne, während die grossen 
Ötolithen in der Hörcapsel erwachsener Thiere regungslos da lägen 
und nur die kleinsten Steinchen eine leichte Bewegung erkennen 
lassen. An den vor Kurzem untersuchten zwei Exemplaren sah ich 
an dem aus dem lebenden Thier genommenen Organ nur an einer 
Stelle das Spiel einer äusserst zarten Flimmerung und alle Otolithen 
in völliger Ruhe. Nachdem die Ohrblase eine halbe Stunde im 
Blut der Schnecke lag und das Epithel seinen hellen Grenzsaum 
eingebüsst hatte, trat Wimperung fast überall auf. Es begann 
auch ein ganz schwaches Rücken einzelner Otolithen und was mir 
merkwürdig war: es liess sich bei äusserster Aufmerksamkeit ein 
höchst sachtes Fortrücken der ganzen Otolithenmasse bemerken, 
ohne dass der einzelne Hörstein hierbei die Lage veränderte. Die 
Flimmercilien selbst aber als solche zu erkennen, war mir auch jetzt 
unmöglich. Die Methode der Untersuchung mag auch bei anderen 
Schnecken öfters Antheil haben, ob man Flimmerung sieht oder 
nicht: so vermisste ich Cilien und Bewegung der Otolithen an Ge- 
hörblasen, die aus der lebenden Helix obvoluta geschnitten wurden, 
während ich beides später an Thieren wahrnehmen konnte, welche 
im Wasser zuvor erstickt worden waren. Unter allen oben aufge- 
führten Pulmonaten erschien die Flimmerung am deutlichsten bei 
Ancylus iuviatilis und die Bewegung der Hörsteine am lebhaftesten. 

Kinigemale und zwar wenn ich das frische Ohr z. B. von 
H. hortensis oder Clausilia similis in Schneckenblut mit sehr starker 
Vergrösserung (Tauchlinse Nr. 9) untersuchte, wollte es mir vor- 
kommen, als ob zugleich mit den Cilien noch einzelne starre Borsten 
zugegen wären; doch bin ich hierüber zu keiner‘ Sicherheit gelangt. 
Wäre aber wirklich etwas derartiges vorhanden, so liesse es sich 
verknüpfen mit den grosskernigen Zellen und man könnte an eine 
Sonderung des Epithels in gewöhnliche Flimmerzellen und borsten- 
artige Sinneszellen denken; doch sei noch einmal gesagt, dass ich 
wenigstens nicht im Stande war, dieser Vermuthung bessere als die 
erwähnten Stützen zu geben. 

Die Otolithen zeigen in Grösse, Form und Zahl mancherlei, 
wenn auch unbedeutende Verschiedenheiten. Mehr dem rein Ovalen 
nähern sie sich z. B. bei den Helieinen; zugespitzter sind sie bei 


den im Wasser lebenden Lungenschnecken, z. B. Ancylus, Planorbis. 
M, Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 15 


214 Prof. Dr. F. Leydig: 


Kleinere Arten, wie z. B. Carychium minimum haben auch sehr 
kleine Ohrsteine. Je geringer ihre Grösse, um so zahlreicher er- 
füllen sie die Ohrblasen. Bei ganz jungen Thieren von Helix po- 
matia sind die Otolithen mehr rundlich als später und aus ihrer 
Mitte hebt sich ein scharfer heller Innenraum ab, der eine ähnliche 
spindelförmige Gestalt hat, wie der Nucleolus oben erwähnter Kerne 
im Epithel der Ohrblase. Darnach könnte man sich vorstellen, als 
cb die Hörsteine nicht reine Öoneretionen wären, sondern ein zelliges 
Element oder wenigstens einen Kern zur Grundlage hätten. Damit 
steht jedoch nicht im Einklang, was ich früher an Embryonen von 
Paludina vivipara sah: ‚Die Hörsteine krystallisiren ohne weiteres 
aus der Flüssigkeit der Ohrblase heraus; sie sind anfangs punkt- 
förmige Körper, spitzen sich zu und wachsen durch Schichtenbil- 
dung.“ Immerhin verdient diese Beobachtung schon um desshalb 
hier eine Stelle, als ich dadurch der Angabe begegnen möchte, die 
Herkunft und Entwickelungsgeschichte der Hörsteine sei noch völlig 
dunkel, mit dem Nebengedanken, sie könnten durch einen von dem 
Ohr zur äusseren Haut gehen sollenden Canal in die Blase gelangt 
sein, — eine Vermuthung, die ganz grundlos ist. 

Unter den in diesem Aufsatz erwähnten Schnecken haben nur 
zwei: Paludina impura und Hydrobia vitrea, gleich den einheimischen 
Muscheln einen einzigen grossen kugeligen Otolithen von schön- 
schaligem Bau und radiären Streifen. Von Hydrobia vitrea unter- 
suchte ich nur Weingeistexemplare, aber das Ohr nach seiner Form 
und der Gehörstein waren gut erkennbar. Es mag noch erwähnt 
sein, dass auch der einzelne kleine Otolith etwa einer Helix pomatia 
bei entsprechender Vergrösserung die concentrischen und strahligen 
Linien aufzeigt. 


4. Der Ohrcanal oder Hörnerv. 


Bei den ersten Versuchen, mich von der Richtigkeit der La- 
caze-Duthiers’schen Angaben zu überzeugen, kam ich nicht 
weiter als früher, das heisst ich sah nur einen Stiel von der Ohr- 
blase abgehen, in den sich wohl auch einige Otolithen hineindrängen 
liessen. Dabei konnte immerhin festgestellt werden, dass die derbe 
bindegewebige Membran der Ohrcapsel dem festeren Neurilemm des 
Unterhirns nur anliege, das lockere aber über beide Theile weggehe, 
somit die Ohrblase unzweifelhaft dem Ganglion blos aussen aufliegt. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 215 


Dann liess sich auch bemerken, dass wenn Otolithen zum Vorquellen 
gebracht waren, was aber keineswegs immer gelingt, dies in der 
Richtung gegen die zum Oberhirn aufsteigenden Seiteneommissuren 
geschah. Doch war ich damit immer noch weit entfernt, eine Ver- 
bindung des am Unterhirn liegenden Ohres mit dem Oberhirn zu 
erblicken. 

Endlich verliess ich die bisher ausschliesslich zum Gebrauch 
herangezogenen Exemplare von Helix pomatia und Helix hortensis 
und wandte mich zur Untersuchung der zarten Vitrina diaphana. 
Das erste Exemplar, nachdem es im Wasser erstickt worden, liess 
mit Sicherheit das bisher vergeblich Gesuchte wahrnehmen: von der 
Ohrblase ging ein Canal längs der Seitencommissuren herauf zum 
Öberhirn, um dort in der Nähe des Ursprunges des Sehnerven 
sich mit dem Oberhirn zu verbinden. Die Otolithen konnten nach 
"Behandlung des Gehirns mit Kalilauge zwar eine Strecke weit zum 
Vorquellen gebracht werden, aber nicht nach der ganzen Ausdehnung 
des Canals. Da ich nun gleich darauf an einem sehr jungen Exem- 
plar von Limax agrestis ebenfalls ohne Mühe das Gleiche sah, so 
verschaffte ich mir, dadurch aufmerksam gemacht, sehr junge Thiere 
von Helix hortensis, an denen ich die weiteren jetzt zu erörternden 
Studien anzustellen vermochte. 

Die Form und Gliederung des Ober- und Unterhirns wurde 
bereits beschrieben. Indem wir gegenwärtig unser Augenmerk vor 
Allem auf die Seitencommissuren richten, sehen wir, dass dieselben 
bestehen: 

1) aus den zwei wirklichen Commissuren, d.h. nervösen Brücken, 
welche Ober- und Unterhirn verbinden.) 

2) Zeigt sich ein dem sympathischen System angehöriger Nerv 2), 
der im Ober- und Unterhirn wurzelnd, sich mehrfach theilt und Aus- 
läufer gegen den Schlundkopf sendet. 

3) Wir erblicken den Gehörnerven ?) oder den Ohrcanal. 

4) Es schliesst sich noch ein Blutgefäss, Arterie, an.*) 

Alle diese Theile sind zusammengehalten durch lockeres oder 
zelliges Bindegewebe, welches an den nervösen Gebilden in das 
äussere Neurilemm, an dem Blutgefäss in die sogenannte Umhül- 
lungshaut (Tuniea adventitia) übergeht. An erwachsenen Thieren 
ist die Menge dieses Bindegewebes hinderlich beim Studium der uns 


1) Fig. 3, B. 2) Fie. 3, B,d. 3) Fig. 3, B,e. 4) Fig. 3, B, e. 


216 Prof. Dr. F. Leydig: 


hier beschäftigenden Frage, während die jungen und ganz jungen 
Schnecken gerade wegen noch geringerer Masse dieses Gewebes sich 
empfehlen. 

Auf die feinere Beschaffenheit der Commissuren, ferner des 
sympathischen Nerven, welcher von einem gewissen hellen, lichteren 
unpigmentirten Aussehen ist, sowie auf den Bau des Blutgefässes, 
dessen geflechtartig angeordnete Ringmusculatur unschwer gesehen 
wird, braucht nicht weiter eingegangen zu werden, wohl aber auf 
den Gehörnerven oder Öhrcanal. 

Was den Lauf des Canals im Näheren anbelangt, so biegt er 
von der Ohrcapsel weg zuerst etwas schräg nach aussen, um die 
Wölbung des Ganglions, dem das Ohr angeheftet ist, herum; dann 
erst nach plötzlich scharfer Umbiegung nimmt er die Richtung nach 
oben gegen die Commissuren; hiebei hält er sich mehr gegen die 
vordere und gelangt so zum Oberhirn. 

In seinem Durchmesser ist er nicht durchaus gleich, indem er 
bald nach seinem Ursprung aus der Blase, noch vor der Umknickung, 
sich erweitert und wie es mir öfters vorkam, nach dem Oberhirn zu 
sich wieder etwas verschmälert. 

Wenn ich das Gebilde Ohrnerven nenne, so geschieht es aus 
dem Grunde, weil sein Verhältniss zum Ohr ein ähnliches wie jenes 
des Sehnerven zum Auge ist. Lässt man sich aber von der ge- 
weblichen Beschaffenheit für die Namengebung bestimmen, so müssen 
wir den Theil Ohrcanal heissen. Die Wand besteht wie die eines 
Nerven aus einer mehr homogenen Membran und diese ist von einer 
lockeren umhüllt, die etwas Pigment um die Kerne herum zeigt. 
Das Innere ist nicht mit fibrillärer Nervensubstanz erfüllt, sondern 
hat eine Lichtung, begrenzt von einem Epithel, dessen Zellen leicht 
zerstörbar sind und nicht wimpern. 

Habe ich mich bisher immer auf Helix hortensis bezogen, so 
möchte ich jetzt noch auf einige andere Gattungen und Arten hin- 
weisen. So z. B. auf Suceinea amphibia, wo man leicht an dem 
frischen mit Schneckenblut befeuchteten Gehirn nicht blos die Ohr- 
blase, sondern auch den abgehenden Canal verfolgen kann.!) Das 
Epithel desselben erscheint unter diesen Umständen, ebenso wie das- 
jenige der Ohrblase als eine homogene körnige (nicht flimmernde) 
Lage, welche die Lichtung begrenzt. Sehr deutlich war der Uanal 


1) Fig. 7. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 217 


auch bei Planorbis corneus, sowie das ihn auskleidende Epithel, wel- 
ches ebenfalls ohne alle Spur von Wimperung ist. Das Epithel der 
Ohrblase selbst besitzt, hier entsprechend der blutrothen Farbe des 
ganzen Gehirns, in den Zellen ausser der allgemein vorhandenen 
graukörnigen Masse auch einzelne rothgelbe Körnchen. Der die Ohr- 
blase verlassende Canal geht zuerst über die Wölbung des Ganglions 
und schmiegt sich dann hinter die Commissur. Endlich habe ich 
auch bei sehr jungen Thieren der Helix pomatia, bei erwachsenen 
Exemplaren von Helix obvoluta und Clausilia similis den Canal und 
sein flimmerloses Epithel gut wahrgenommen, so wie sein Aufsteigen 
zum Oberhirn. 


- 


5. Ergebnisse. 

Die vorliegenden Mittheilungen können von Neuem bestätigen, 
dass jener vom Ohr der Cephalopoden sich weg erstreckende Gang 
nicht entfernt mit dem ÖOhrcanal der cephalophoren Mollusken ver- 
glichen werden kann. Bei den Cephalopoden besteht der Gang zu- 
gleich mit dem Hörnerven und während der letztere zum Gehirn 
führt, scheint der erstere nach aussen, vermuthungsweise zur Haut, 
zu gehen, obschon kein Beobachter dies wirklich wahrgenommen 
hat. Owsjannikow und Kowalewsky!) und jüngst Boll sa- 
gen, dass es ihnen nicht gelungen, den Verbleib des Canals, nach- 
dem er den Ohrknorpel durchbohrt, und seine äussere Mündung auf- 
zufinden. 

Was hingegen den von der Ohrblase wegführenden Canal der 
Gasteropoden betrifft, so besteht er nicht zugleich und neben einem 
Hörnerven, sondern er vertritt diesen selber, indem er die Ohrblase 
mit dem Hirn in Verbindung setzt, wie ich das in meinem früheren 
Aufsatz dargethan. Und Lacaze-Duthiers hat zuerst erkannt, 
dass die Ohrblase, so gut wie das Auge, eigentlich dem Oberhirn 
angehört, obschon dies auf den ersten Blick Dem gar nicht ein- 
leuchten will, welcher deutlich und klar das Gehörorgan am Unter- 
hirn wahrnimmt und ohne sich in weitere Studien einzulassen, auch 
keine Spur eines Ganges zum Oberhirn bemerkt. 

Durch das im Obigen Dargelegte ist eine einheitliche Deutung 


1) Ueber das Centralnervensystem und das Gehörorgan der Cephalo- 
poden. Mem. de l’Acad. de St. Petersbourg, 1867. 


218 Prof. Dr. F. Leydig: 


der Hauptabschnitte des Gehirns der cephalophoren Mollusken mög- 
lich geworden. Das Oberhirn ist die sensitive Abtheilung; aus ihr 
kommen die Nerven für die Fühlhörner, für die Augen und Ohren. 
Bei den Heteropoden, den Aeolidiern und einigen anderen Abran- 
chiaten hat man lange gewusst, dass der Hörnerv von der obe- 
ren Portion des Schlundringes entspringe; bezüglich der anderen 
Gruppen musste man sagen, dass das Ohr seinen Sitz ändernd dem 
unteren Ganglion (Unterhirn) angehöre. Das Störende, was in dieser 
früheren Annahme lag, indem ein Nervencentrum, welches sich sonst 
als Sitz des irritabeln Lehens auswies, auch ein Sinnesorgan in sein 
Gebiet einschliessen sollte, ist jetzt beseitigt. 

Es erwächst aber auf Grund der gegebenen Auseinandersetzung 
die Aufgabe, auch die Muscheln und Cephalopoden von Neuem zu 
prüfen. Bei ersteren hat sich bisher die Ohrblase oder ihr Nerv 
als Theil des Fussganglions dargestellt und was den Gehörnerv der 
Cephalopoden betrifft, so lässt man ihn allgemein aus dem unteren 
Schlundganglion abgehen! 


Fig. 1. 


Fig. 2. 


Fig. 3. 


Bir. 5. 


Fig. 6. 


Fig. 7. 


Fig. 8. 


Ueber das Gehörorgan der Gasteropoden. 219 


Erklärung der Abbildungen. 


Gehirn von Helix hortensis von der unteren Seite; gibt die Lage 
der Ohrblase an. Geringe Vergr. 
Gehörblase von Helix hortensis in natürlicher Lage von aussen. 
Starke Vergr. 

a Muskeln, welche über das Organ weggehen; 

b Zellen der Bindesubstanz. 
Eine Hälfte des Gehirns von Helix hortensis. 
A Oberhirn:: 

a Haut zur Befestigung nach vorn, mit Muskeln; 

b Ballen feinkörniger Substanz. 
B Seitencommissur: 

ce Hörnerv; 

d sympathische Nerven; 

e Arterie. 
C Unterhirn. — Starke Vergr. 
Gehörblase mit dem Hörnerven von Helix pomatia, isolirt und etwas 
gedrückt. Starke Vergr. 

a die grossen Kerne des Epithels mit den spindelförmigen Kern- 

körperchen. 

Gehörblase von Helix obvoluta in natürlicher Lage, doch ein bischen 
gedrückt. Starke Vergr. 
Gehörblase von Helix rotundata in natürlicher Lage und ohne allen 
Druck. Starke Vergr. 

a das lockere Bindegewebe; 
b die in demselben über das Ohr wegziehenden Muskeln. 
Gehörblase in natürlicher Lage, doch etwas gedrückt von Succinea 
amphibia; man sieht deutlich den Ohrcanal oder Hörnerven. Starke 
Vergr. 
Ohr von Paludina vivipara, durch Auflegung des Deckglases nicht 
mehr ganz rund. Von den Hörsteinen ist nur ein Theil gezeichnet. 

a die verdickte Stelle im Epithel. 
Ohr von Paludiva impura bei gleicher Vergrösserung. 

a Kalkkörper in der lockeren bindegewebigen Umhüllung. 


Beiträge zur Mikroskopie. 
Von 
&. Valentin. 


Il. Das Ocularspectroskop des Mikroskopes. 


John Browning!), der sich mit diesem Gegenstande auf 
Anregung von Sorby?) beschäftigte, und Sigmund Merz?) haben 
die von ihnen für das Mikroskop gelieferten Spectroskope durch 
Wort und Abbildungen erläutert.*) Die Vorrichtungen Beider stim- 
men in den wesentlichsten Puneten überein. Da das von den Ob- 
jectivlinsen entworfene und durch das Collectiv verkleinerte und 
desshalb lichtstärker gemachte Luftbild in die Ebene der Oecular- 
blendung fällt, so ist hier eine Spectralspalte angebracht, die man 


1) Spectroscopes and Spectrum Apparatus made by John Brow- 
nıng. London. 8. p. 11—13. Vergl. auch H. Schellen: Die Spectralanalyse. 
Zweite Auflage. Braunschweig 1871, 8. S. 187 u. fgg. 

2) Sorby beschreibt eine frühere unvollkommenere Vorrichtung und 
deren Anwendung auf die Untersuchung der Farbestoffe der Gewächse und die 
Veränderungen der Absorptionsbänder derselben durch die für sie passend- 
sten Reagentien (Salzsäure, Citronensäure, Benzoösäure, Borsäure, doppelt 
kohlensaures Ammoniak, kohlensaures Natron. verdünntes kaustisches Am- 
moniak, kaustisches Kali, schwefelsaures Natron, schwefelsaures Eisenoxydul, 
Alaun, Weingeistlösung von Jod, wässrige Lösung von Brom, unterchlor- 
saures Natron und mangansaures Kali) in den Proceedings of the Royal 
Soeiety. London 1866. 1867. 8. Vol. XV p. 433—454, auch besonders abgedruckt 
in Phil. Magaz. Vol. XXXIV. London 1867. 8. p. 144—166. 

3) Sigmund Merz in Carl’s Repertorium der Physik. Bd. V. Mün- 
chen 1869. 8. S. 528. } 

4) Ich übergehe hier die Apparate von Steinheil und Zeis, da ich 
sie nicht aus eigener Erfahrung kenne. 


Beiträge zur Mikroskopie. 221 


mit Hülfe einer äusseren Schraube erweitern und anderseits bis zu 
völligem Schluss verengern kann. Das Speetrum wird durch eine über 
der Ocularlinse befindliche, zu gerader Durchsicht geeignete Amici’- 
sche Prismenverbindung erzeugt, die aus drei Crown- und zwei ein- 
geschalteten Flintglasprismen'!) besteht und die man auf das Oeular 
setzt. Das durch das Mikroskop gegangene Licht führt auf diese 
Art zu einem ersten Speetrum, das wir das Mikroskop- 
spectrum nennen wollen. Eine an der vorderen Seite des 
Ocularrohres angebrachte viereckige Oeffnung lässt Lichtstrahlen 
ein, die auf ein unterhalb der Spalte befindliches und die Hälfte 
desselben deckendes Reflexionsprisma ?) fallen. Es liefert ein zweites 
neben dem ersten sichtbares Vergleichsspectrum, dessen Licht- 
strahlen nicht durch das Objectiv des Mikroskopes gegangen sind. 

Die Vorrichtung von Browning gestattet, den Ort der Ocular- 
linse zu ändern und so den Brennpunct genauer einzustellen, die 
seitliche Spalte, durch welche das für das Vergleichsspectrum be- 
stimmte Licht einfällt, höher oder schmaler ihrer ganzen Breite 
nach zu machen, vor ihr mit Flüssigkeit gefüllte Röhren, deren 
Absorptionsbänder man mit denen des mikroskopischen Gegenstandes 
vergleichen will, anzubringen und mehr Licht durch einen Reflexions- 
spiegel einzuwerfen. Die Höhe des Hauptspectrums lässt sich be- 
liebig ändern. Eine besonders beigegebene Vorrichtung macht es 
möglich, die Breite der Absorptionsbänder zu messen. Ein Mi- 
krospectroskop, das mir Browning zur Ansicht zusandte, gab 
eine grosse Anzahl Fraunhofer’sche Linien, besonders in dem 
mittleren Theile des Spectrums sehr scharf und die Farben bei der 
nöthigen Kleinheit der Spalte sehr rein. Die einzelnen Prismen der 
Amici’schen Vorrichtung sind hier verhältnissmässig gross. 

Dem Apparate von Merz, nach welchem die in dieser Arbeit 
enthaltenen Mittheilungen entworfen sind und dessen Amici’sches 
Prisma sich durch Eleganz und Handlichkeit auszeichnet, wird 
noch auf Wunsch ein einfaches, um eine wagerechte Achse dreh- 
bares Prisma beigegeben, das sich in einem mit einer Durchsichts- 
lücke versehenen und auf das Ocular aufsetzbaren Messingkästchen 


1) Siehe z. B. die Abbildung der Vertheilung dieser beiden Arten von 
Prismen bei A. Secchi. Le Soleil. Paris 1870. 8. p. 201. Fig. 86. 

2) Dieses erst später hinzugekommene Prisma fehlt noch in der Merz- 
schen Abbildung a. a. 0. Fig. 10. 


292 G. Valentin: 


befindet. Es dient zur Beobachtung mit abgeleiteter Strahlenrich- 
tung. Ein verschiebbares Ringstück macht es möglıch, die Eintritts- 
öffnung des Lichtes zu dem Reflexionsprisma zu verschmälern oder 
gänzlich zu schliessen und so das Vergleichsspectrum zu verdunkeln, 
oder gänzlich abzublenden. Merz gibt noch Didymglasplatten hinzu, 
auf deren Gebrauch wir sogleich zurückkommen werden. 

Ich habe mir untere anschraubbare Ringe anfertigen lassen, um 
das Ocularspectroskop an den Mikroskopen von Hartnack, Nachet 
oder Schiek ausser denen von Merz gebrauchen zu können. 

Obgleich natürlich die fünf Prismen der Amici’schen Vor- 
richtung viel Licht durch Absorption und Reflexion hinwegnehmen, 
so sind doch die beiden Spectren, selbst bei bedecktem Himmel 
und regnerischem Wetter so hell, dass man eine Reihe von 
Fraunhofer’schen Linien bei hinreichend enger Spalte sogleich 
erkennt, wenn man keine Objectivlinsen, die einen zu dünnen 
Strahlenbüschel durchlassen, angeschraubt und gar keine oder nur 
durchsichtige Gegenstände unter das Mikroskop gelegt hat. Be- 
trägt z. B. die (mikroskopisch gemessene) Spaltöffnung 0,13 Mil- 
limeter und dient Hartnack Nro. 2 als Objectivlinse, so sehe 
ich in beiden Spectren, wenn auch besser in dem etwas helleren - 
Vergleichs- als in dem Mikroskopspectrum, D, E, b, F. Jedes gibt 
noch 8 oder 9 Linien zwischen D und E. C und B sind zwar auch 
in dem Vergleichsspectrum nur schwach angezeigt, in dem anderen 
dagegen bloss, wenn man die Orte derselben genau kennt, bei sorg- 
fältigem Suchen wahrzunehmen. Das Blau des Ersteren erstreckt 
sich etwas weiter, als das des Letzteren. Das Mikroskopspectrum 
wird dunkler, so wie man Hartnack Nr. 2 mit Nr. 5, 7 oder 9 
dieses Künstlers vertauscht, und zwar um so mehr, je dünner das 
Strahlenbündel, welches die benutzte Objectivlinse durchlässt. Es 
kommt zuletzt dahin, dass die bedeutende Spaltweite, die man zur 
Erkennung des Spectrums überhaupt nöthig hat, alle oder we- 
nigstens viele Fraunhofer’sche Linien unkenntiich macht. Man 
sieht allenfalls noch D, bis endlich auch diese Linie schwindet. 
Das einfache Prisma mit schief abgelenktem Strahle gibt dieselben 
Linien unter den gleichen Verhältnissen weniger scharf, verträgt 
aber eine schmalere Spaltöffnung. 

Schaltet man die drei Didymgläser, welche Merz seiner Vor- 
richtung beifügt und von denen jedes eine Dicke von 6 Millimetern 
hat, ein, so bemerkt man zunächst zwei dunkle Didymbänder, von 


Beiträge zur Mikroskopie. 223 


denen das eine bei D und nach C hin und das andere von jenem 
durch einen gelblichen Zwischenraum getrennt im Anfange des Grün 
liegt. Im Grün erschienen 8 bis 9 Linien dunkler, als in dem 
Vergleichsspectrum, jedoch bedeutend blasser als die zwei Haupt- 
streifen. Die Abnahme der Lichtstärke, welche die schwach violetten 
Gläser erzeugen, bilden die Hauptursache derselben. Schon ein ein- 
ziges Didymglas reicht hin, dieses Bild, wenn auch in minder deut- 
lichen Schatten zum Vorschein zu bringen. Die schwächeren Linien 
im Grün erscheinen durch das einfache Prisma undeutlicher oder 
fallen gänzlich fort.!) 

Die Vorrichtung kann die Bedürfnisse des Mikroskopikers nur in 
den seltensten Fällen befriedigen. Hat man die Spectroskopspalte 
des Oculars weit genug geöffnet, um die Einzelnheiten eines mikros- 
kopischen Gegenstandes genau zu erkennen, und setzt dann den 
einen der beiden erwähnten Prismenapparate auf, so sieht man bloss 
das Spectrum und keine Spur des Gegenstandes. Es ist in dieser 
Hinsicht gleichgültig, ob man später die Spalte wiederum so sehr 
verengerte, dass dieFraunhofer’schen Linien zum Vorschein kamen, 
oder dieses unterliess und sich daun eine Reihe heller Spectren unter 
gegenseitiger Verschiebung deckten. Erzeugt der betrachtete Körper 
Absorptionsbänder, so ereignet es sich nicht selten, dass diese an einem 
gewissen Orte ausserhalb der Focaleinstellung deutlicher erscheinen, 
als wenn man die Linsen so gerichtet hat, dass man den geprüften 
Gegenstand nach der Entfernung der Prismenvorrichtung scharf 
sieht. Man kann sich daher auch nicht des Ganzen bedienen, um 
mikroskopische Studien in einfarbigem Lichte zu machen. 

Dieser Uebelstand bedingt es zugleich, dass das Bemühen, die 
Beschaffenheit der Farben des kleinen Gebildes spectroskopisch zu 
bestimmen, in der Regel fehlschlägt. Ich stelle z. B. den Brenn- 
punct auf ein zusammengezogenes und sich drehendes Exemplar von 
Stentor polymorphus ein. Man sieht überall das Grün von einzelnen 
durchsichtigen Stellen unterbrochen. Habe ich das Amici’sche 
Prisma aufgesetzt, so verräth sich der Ort des Thieres durch einen 
schattigen bandförmigen, das gesammte Spectrum durchsetzenden 


1) Eine Abbildung der drei Bänder, welche, im Gegensatz zu dem 
Bilde des Didymglases in dem Ocularspectroskope, eine wässrige Lösung von 
salpetersaurem Didymoxyd liefert, siehe bei Joh. Müller, Lehrb. der Physik 
und Meteorologie. 7. Auflage. Bd. I. Braunschweig 1868. 8. Tab. V. Fig. 2, 


224 G. Valentin: 


Streifen, der mit den Bewegungen des Stentor wechselt. Keine der 
Farben aber wird in irgend bevorzugter Weise verdunkelt. Man 
bemerkt daher auch kein Absorptionsband irgend einer Art. Ver- 
tausche ich dagegen das Prisma mit einem guten Erythroskopglase '), 
so erscheinen die gesättigten grünen Stellen für mein Auge deutlich 
roth bis rothblau.?) Man kann die gleiche Erfahrung an grünem 
Hydren oder den Flügeldecken und anderen Theilen der grünen 
Heuschrecken (Locusta viridissima)?) machen, stärkere Vergrösserun- 
sen zeigen übrigens in allen diesen Fällen, dass der Farbenwechsel 
nur an die grünen Körnchen oder an andere grün gefärbte Ge- 
bilde gebunden ist. Das zurückgeworfene Licht grüner Käfer- 
decken, z. B. des Brillantkäfers, liefert oft die Erscheinung nicht. 

Die oben erwähnten Bilder, welche die Didymplatten geben, 
lehren schon unmittelbar, dass das Ocularspeetroskop Absorptions- 
bänder zum Vorschein bringt. Nehme ich nur ein Didymglas und 
gebrauche das Amici’sche oder das einfache Prisma, so lassen sich 


1) Siehe: Der Gebrauch des Spectroskops zu physiologischen und ärzt- 
lichen Zwecken. Leipzig und Heidelberg 1863. 8. S. 50 und fgg., wo auch 
Beobachtungen über verschiedene thierische Theile angegeben sind. 

2) Die Erscheinung lässt sich an diesen und an anderen passenden 
thierischen Theilen mit freiem Auge noch besser wahrnehmen. Halte ich 
ein Objectglas, auf dem sich eine Anzahl lebender Exemplare von Stentor 
polymorphus unter einem dünnen Deckgläschen befinden, gegen den mit 
Wolken bedeckten Himmel, so dass ich eine Reihe dunkler grünlicher 
Puncte sehe, so werden sie alle für mein Auge purpuroth, so wie ich sie 
durch ein gutes und hinreichend dickes erythroskopisches Glas betrachte. Das 
Hinzufügen eines gelben Glases macht mir die Färbung unkenntlich. Ein le- 
bendes oder ein eingetrocknetes Exemplar von Hydra viridis wird ebenfalls 
vollkommen purpurroth durch den blossen Gebrauch eines geeigneten blauen 
Glases, und grün, wenn man ein gelbes (Flohglas) hinzufügt. Die grünen 
Theile der Heuschrecken liefern die gleiche Doppelerfahrung für mein Auge, 
das sich eben so zu dem Blattgrün verhält. Lässt man eine Reihe von 
Menschen die Prüfungen vornehmen, so findet man, dass die Antworten sehr 
verschieden lauten und manche das Roth nur schwach oder gar nicht wahr- 
nehmen. Auch der Einfluss, den die Hinzufügung des gelben Glases ausübt, 
wechselt in hohem Grade. 

3) Betrachtet man ein Stück des Flügels unter schwacher Vergrösse- 
rung, so erscheint das Netzwerk desselben grün. Nur dieses, nicht aber die 
zwischen den Maschen befindlichen Zwischenräume werden für mein Auge 
unter dem Erythroskopglase roth, ich mag ein Flohglas hinzugefügt haben 
oder nicht. 


Beiträge zur Mikroskopie. 225 


die beiden im Gelb und dem Anfangsgrün befindlichen Didymstreifen 
gut erkennen, ich mag Hartnack Nr. 2, 5, 7 oder 9 benutzen, 
nur dass natürlich das Spectrum mit der Vergrösserungsstärke 
dunkeler wird. Eine wirkliche Spaltweite von !/; Millimeter führt 
selbst bei bedecktem Himmel Tageslicht genug hinzu, die Didym- 
streifen einer einzigen Platte bei dem Gebrauche der Eintauchungs- 
linse Nr. 10 von Hartnack oder der von Amici, ohne alle An- 
wendung von Flüssigkeiten und ohne genaue Einstellung des Brenn- 
punctes auf das Deutlichste erkennen zu lassen. 

Die Ausdehnung dieser Wirkungsart wird natürlich um so 
mehr eingeschränkt, je weniger durchsichtig der mikroskopische 
Gegenstand ist. Nehmen wir zuerst einen Körper als Beispiel, dessen 
geringerer Durchsichtigkeitsgrad vorzugsweise nur von seiner Dicke 
und derjenigen der ihn einschliessenden Glashülle abhängt. 

Eine beiderseits zugeschmolzene Röhre von 14 Mm. äusserem 
und ungefähr 13 Mm. innerem Durchmesser enthält auf ihrem 
Boden eine geringe Menge salpetriger Salpetersäure, so dass der 
übrige Innenraum von gelben Dämpfen angefüllt wird. Ich ver- 
engere die Spalte so weit, dass man nicht bloss B, C, D, E, b, F,G 
und bei genauer Betrachtung H, sondern z. B. noch 7 Linien zwi- 
schen D und E bei trübem Wetter mit Leichtigkeit erkennt. Schiebe 
ich jetzt die erwähnte mit den Dämpfen der salpetrigen Säure ge- 
füllte Röhre ein, so zeigen sich auf den ersten Blick 2 sehr dunkele 
Absorptionsbänder zwischen C und D, 11 zwischen Dund E, 1 bis 2 
zwischen E und b und 5 zwischen b und F, wenn ich Hartnack 
Nr. 2 gebrauche und die Wärme der Luft, also nahezu auch die 
der salpetrigen Säure 18° C. beträgt. Die Erwärmung über der 
Lampe, welche eine grössere Dampfdichte erzeugt, macht die Linien 
dunkeler. Das Bild wird schon um Vieles lichtschwächer, die weniger 
schwarzen oder zu nahe bei einander stehenden Streifen erscheinen 
undeutlicher, wenn ich Nr. 2 mit Nr. 5 vertausche und selbst et- 
was die Spalte erweitere. Nr. 7 liefert allenfalls noch befriedigende 
Anschauungen, besonders wenn man jedes äussere Licht vom Auge 
abhält. Da aber Nr. 9 eine so grosse Spaltenbreite fordert, dass 
selbst die gröberen Fraunhofer’schen Linien nur noch undeutlich 
erscheinen, so sieht man auch die dunkelsten Absorptionsbänder der 
salpetrigen Säure unter den oben angegebenen Nebenverhältnissen 
zwischen C und D oder b und F nicht mehr. 3 bis 4 mattschattige 
Streifen dagegen bleiben zwischen D und E kenntlich. 


226 G. Valentin: 


Eingetrocknetes Blut möge als Beispiel eines Körpers dienen, 
der eine merklich störende Undurchsichtigkeit schon in dünnen 
Sehichten erzeugt. Nehme ich eine eingetrocknete Lage von Men- 
schenblut, in welcher die Blutkörperchen meistentheils in einfacher 
Schicht vorhanden sind, und gebrauche Hartnack Nr. 2, so wird 
das auch noch bei regnerischem Wetter helle Spectrum hier wie 
bei allen anderen mikroskopischen Gegenständen, wo die dunkeleren 
Körperchen von helleren Zwischenstellen unterbrochen sind, streifig. 
Das erste Blutband zeigt sich spurweise als ein so schwacher Schatten, 
dass man ihn eben nur wahrnimmt, wenn man mit dem Gegenstande 
überhaupt vertraut ist. Eine etwas diekere Schicht eingetrockneten 
Delphinblutes gibt beide Blutbänder, aber immer noch schwächer 
schattig, als wenn man die gleiche Stelle desselben Präparates vor 
der Spalte meines Schwefelkohlenstoff-Spectroskops hält. Das Er- 
gebniss bleibt noch in beiden Fällen das gleiche, wenn ich Nr. 2 mit 
Nr. 5, Nr. 7 oder Nr. 9 vertausche. Das Letztere lieferte sogar noch 
eine Spur des zweiteu Blutbandes bei einfacher Blutkörperchenschicht 
des Menschen. Man thut bei den stärkeren Vergrösserungen am 
Besten, die Objectivlinse dem Gegenstande so nahe als möglich zu 
bringen. Ist auch die Dicke des bedeckenden Glases grösser als 
die Brennweite des Linsensystems, so erlangt man doch oft die be- 
friedigendsten Bilder, wenn das Objectiv das Deckglas unmittelbar 
berührt. 

Die Anwendung von hellem diffusem Tageslicht während des 
Sonnenscheins führt natürlich etwas weiter. Gaslicht gewährte mir 
keine wesentlichen Vortheile bei diesen Untersuchungen. Die Blut- 
bänder waren sogar dann bei heller Beleuchtung unter denselben 
Nebenbedingungen unkenntlich, unter welchen sie sich noch un- 
zweifelhaft, obgleich schwach bei dem Wolkenlichte eines Regentages 
wahrnehmen liessen. 

Die Thatsache, dass sich die Absorptionsstreifen an einem 
Schwefelkohlenstoff-Spectroskope schärfer darstellen und bis zu ihren 
letzten Spuren weiter verfolgen lassen, als durch das Oeularspec- 
troskop, man mag Objectivlinsen angefügt haben oder nicht, be- 
stätigte sich für frische Blutverdünnungen, für diese oder alte, die 
mit Schwefelammonium behandelt worden, für ätherische und noch 
besser für weingeistige Lösungen des Blattgrüns, endlich für Fuchsin- 
oder Magdalalösungen, wenn ich je eine dieser Flüssigkeiten in ein 
Cylindergläschen von 7 bis 8 Millimeter Durchmesser gefüllt hatte, 


Beiträge zur Mikroskopie. 227 


Es gelang mir nie, die Chlorophylibänder in frischen Blatt- oder 
Stengeldurehschnitten, die dem freien Auge sehr grün erschienen, 
wahrzunehmen. Dünne getrocknete Blätter z. B. von Boehmeria 
utilis, Chloranthus inconspicuus, Agapanthus umbellatus führten eben- 
falis nur zu negativen Ergebnissen. Man sieht übrigens auch an 
solchen Blättern oder Blattschnitten am Schwefelkohlenstoff-Spec- 
troskop weit weniger als an der "Weingeistabkochung des Blattgrün. 

Das Spectroskop-Ocular kann die auffallendsten Linien vieler 
glühenden Dämpfe zur Anschauung bringen. Die Hauptversuche 
gelingen schon an jeder Gaslampe, deren Licht man zur Beleuch- 
tung wählt. Will man eine höhere Wärme benutzen, so stellt man 
einen Bunsen’schen Brenner zuerst so auf, dass keine atmosphä- 
rische Luft zuströmt, die Flamme also möglichst hell wird, und be- 
nutzt sie zur Beleuchtung des mikroskopischen Gesichtsfeldes. Lässt 
man hierauf Atmosphäre zu, indem man den hierfür bestimmten 
Messingring dreht, so wird das Spectrum unsichtbar oder nur spur- 
weise kenntlich. Bringt man dann den Platindraht, der den zu 
prüfenden Körper führt, in die heisse und wenig erhellende Flamme, 
so leuchtet die fast nie fehlende Natriumlinie besonders mit den- 
jenigen Linien auf, die dem rothen Theile des Spectrums angehören. 
Salpetersaures Strontian und der Lithium enthaltende Struve’- 
sche Rückstand liefern z. B. prachtvolle Bilder. Während aber die 
5 bis 6 Strontianlmien in Roth und Rothorange vollständig auf- 
blitzen, ist es mir nie gelungen, die blaue zwischen F und G 
fallende Strontianlinie bei der Hitze eines gewöhnlichen Bunsen’- 
schen Brenners wahrzunehmen. 

Die Vorrichtung bildet ein bequemes Mittel, manche physika- 
lische Erscheinungen, von denen sich Einzelne auch auf die Mikro- 
skopie anwenden lassen, mehr oder minder vollkommen zur An- 
schauung zu bringen. 

Die Talbot’schen Linien lassen sich nur schwach darstellen. 
Ich schraube zu diesem Zwecke Hartnack Nr. 5 (weniger gut 
Nr. 2 oder Nr. 7) als Objectiv an und gebrauche das Amici’sche 
Prisma. Schiebe ich nun z. B. langsam vor das Auge eine rechts 
drehende senkrecht auf die optische Achse geschliffene Quarzplatte, 
die so dünn ist, dass sie das Kreuz auch innerhalb des ersten 
Ringes in dem dunklen Gesichtsfelde zeigt, so treten mattschwarze 
Interferenzbänder vorzugsweise im Grün auf. Das Verfahren, die 
Platte bis zur Halbirungslinie der Objectivlinse einzuschalten, liefert 


228 G. Valentin: 


noch blassere Bänder. Die Erscheinung tritt nicht so nachdrücklich 
in beiden Fällen hervor, dass ein weiterer Gebrauch von ihr zu 
machen wäre. Dasselbe gilt von den Talbot’schen Linien, die 
man durch ein keilförmiges Glimmerblatt, einen Gyps- oder Quarz- 
keil, eine concav geschliffene Quarz- oder Gypsplatte erzeugt. 

Die Ergebnisse fallen bei Weitem besser aus, wenn man sich 
des dunklen Gesichtsfeldes des polarisirten Lichtes bedient. Ich 
bringe zu diesem Zwecke das polarisirende Nicol ohne oder mit der 
passend eingestellten Verdichtungslinse !) in dem Mikroskoptische 
und das analysirende in der untern Einschiebungsröhre des Ocular- 
spectroskopes an. Das Gesichtsfeld erscheint bei rechtwinkelig ge- 
kreuzten Polarisationsebenen dunkler, wenn die Verdichtungslinse 
nicht eingefügt worden. Die Einschaltung des Zerlegers in die Spec- 
troskopröhre macht es möglich, dass man ihn durch die Drehung 
des Ocularspectroskopes in jedem beliebigen Azimuth einstellen kann. 
Die verschiedensten doppeltbrechenden Platten von passender Schnitt- 
richtung, Dicke und Einstellungsweise liefern dann eine Reihe 
schwarzer Bänder im Mikroskopspeetrum, deren Lagenbeziehungen 
zu den Fraunhofer’schen Linien das Vergleichsspectrum unmit- 
telbar anzeigt.”) Die Erscheinung ist eben so glänzend, als wenn 
man den Versuch mit einem Schwefelkohlenstoffprisma im dunklen 
Zimmer oder am Spectroskope anstellt. Man kann in günstigen 
Fällen die dunklen Bänder von B bis G deutlich wahrnehmen. 

Eine Reihe von Platten, welche zahlreiche Interferenzbänder 
in ausgezeichnetem Grade lieferten, möge im Einzelnen besprochen 
werden. Da die Dicke ein wesentliches Bedingungsglied bildet, so 
habe ich sie, wo mich nicht die Fassung des Präparates hinderte, 


1) Gebraucht man sie, so rückt man sie mit dem Nicol hinab, bis ihre 
Brennebene in die eingeschaltete doppelt brechende Platte fällt. 

2) Sorby schaltete schon auf diese Weise eine der Hauptachse des 
Krystalls parallel geschnittene Quarzplatte von 0,043 engl. Zoll (10,8 Milli- 
meter) Dicke ein, die zwölf Bänder in dem sichtbaren Theile des Speetrums 
gab, um diese als Anhaltspuncte für die Orte der durch verschiedene Flüssig- 
keiten erzeugten Absorptionsbänder zu benutzen. Siehe die Abbildungen in 
den Proceedings of the Royal Society a. a. O. p. 436. Nimmt man zu diesem 
Zwecke eines der $. 225 erwähnten mit den Dämpfen der salpetrigen Säure 
gefüllten Röhren, so erspart man die Einschaltung von Nicols. Die Bänder 
erscheinen in dem Vergleichsspectrum sehr deutlich, wenn man die Röhre 
vor der viereckigen Oeffnung hält, die das Licht dem Reflexionsprisma 
zuführt, 


Beiträge zur Mikroskopie. 229 


miteinem Sphaerometer gemessen, das, so viel ich weiss, neuer Con- 
struction ist und von Hermann und Pfister in Bern angefertigt 
worden. Einige Worte über dessen Einrichtung mögen den Bestim- 
mungen vorangehen. 

Das Instrument enthält zwei einander gegenüberstehende Stahl- 
keile, deren freie Kante 4 Mm. Länge hat. Sie lassen sich bis zu 
der gegenseitigen Berührung ihrer Kanten zusammenschrauben. Der 
Körper, dessen Dicke man bestimmen will, kommt zwischen sie. 
Der eine Keil kann auch nach Bedarf mit einem Stahleylinder mit 
feiner Spitze vertauscht werden. Hebt man die Fassung des anderen 
Keiles ab, so kommt ein zweiter Spitzencylinder zum Vorschein. 
Man kann also auch den Gegenstand nach Bedarf zwischen zwei 
Spitzen einklemmen. 

Die Drehung einer in 500 Grade getheilten Trommel hebt oder 
senkt den unteren Keil um einen halben Millimeter. Eine seitlich 
angebrachte Millimeterscale von 110 halben Millimetern, deren Aus- 
dehnung etwas mehr als der gesammten möglichen Drehungsgrösse 
entspricht, zeigt die Anzahl der gemachten Umdrehungen an. Man 
kann daher, theoretisch genommen, !/ıooo Millimeter unmittelbar 
messen und !/soo Mm. schätzen. Die Beobachtungsfehler, welche wieder- 
holte Messungen derselben Dicke geben, pflegen sich jedoch auf die 
dritte Decimale zu erstrecken. Ist der Körper auf die oben erwähnte 
Weise eingeklemmt, so hebt oder senkt die Bewegung der Trommel 
den oberen Keil, dessen oberes Ende eine feine Spitze bildet. Auf 
ihr ruht beweglich eine mit zwei seitlichen Gradeintheilungen ver- 
sehene Libelle.. Hat man die ganze Vorrichtung, die sich auf drei 
Stellschrauben befindet, wagerecht gestellt, so schraubt man den 
unteren Keil, dessen Kante die des oberen berührt, so weit hinauf 
oder hinunter, dass die beiden Enden der Luftblase der Libelle zu 
den zwei Scalen symmetrisch stehen und jeder der beiden Grenz- 
ränder derselben dem zweiten Theilstriche einer jeden Scale ent- 
spricht. Man liest dann die Stellung des oberen Randes der Trom- 
melscale ab, nachdem man sich vorher schon überzeugt hat, dass 
er genau einem halben Millimeterstriche der Seitenscale entspricht, 
wenn der Nullpunct der Trommeltheilung dieser letzteren gegen- 
übersteht. Schraubt man jetzt den unteren Keil zurück, so senkt 
sich zuerst der obere und mit ihm die Libelle. Eine Lücke bildet 
sich später zwischen den beiden Schneiden. Von da an ruht der 
obere Keil und die Libelle wird durch eine Unterlage in schiefer 


M, Schultze Archiv f. mikresk. Anatomie, Bd. 7. 16 


930 G. Valentin: 


Stellung festgehalten. Man schraubt hierauf den unteren Keil so 
weit hinab, dass man Raum genug hat, die zu messende Platte 
zwischen beide Keilkanten zu bringen. Wird sie von ihnen festge- 
halten, so verbessert man hierauf durch Nachschrauben so lange, 
bis wiederum die Luftblase der Libelle den zweiten Theilstrich einer 
jeden der Seitenscalen mit ihren äussersten Rändern berührt. Der 
Unterschied der gegenwärtigen Trommeistellung von der früheren 
lässt die gesuchte Plattendicke berechnen. Arbeitet man mit der 
nöthigen Aufmerksamkeit, so kann man den Mittelwerth derselben 
durch wiederholte Messungen bis nahezu !//ooo oder !/soo Millimeter 
bestimmen, da die bewegliche Luftblase der Libelle eine genaue 
Trommeleinstellung möglich macht. 

Die meisten von den in der folgenden Tabelle verzeichneten 
Werthe sind auf die eben geschilderte Weise erhalten worden. Will 
man sich aber mit Bestimmungen, die nur bis !/,o Mm. hinabgehen, 
begnügen, so reicht die kleine Vorrichtung, die Zeis für die Er- 
mittelung der Dicke der Deckgläschen anfertigt, hin. Ein durch eine 
Feder gesperrter Hebel drückt einen !/ın Mm. anzeigenden Nonius- 
stab gegen die convexe Oberfläche eines Stiftes. Wird jene von 
diesem durch die Hinabführung des freien Hebelendes entfernt, so 
geht der sich bewegende Nonius an einem fixen Millimeterstab 
hinauf. Man kann so die Dicke der eingeklemmten Platte bis auf 
!/o Mm. finden. 

Die Untersuchung der doppelt brechenden Platten mit dem 
Amici’schen Prisma ergab z. B. 


Doppail Platte Band ) nn 
E Ne En änder')zwischen nbem ; 
brechen- |, Ehniken erEen Nebenbemerkungen 
de Masse “12 
tung. | Millimetern. Au.D. Er R. Ir Hg! 
Zwei gleichar-| Jede Platte | 15 oder| Polarisationsfigur, zweiSy- 
tig zusammen-| ls | 3 ht steme von Ring undKreuz 
Kalk- | gelegte Platten, weniger als | nic an den äusersten Enden 
spath. jede 221/50 zur 2,3, wahr- ganz | des Gesichtsfeldes durch 
optischen scheinlich | deut- einen wagerechten Bü- 
Achse. ß schel verbunden. 
| Wi: a6 1, 11 che 


1) Eine unpassende Focaleinstellung oder der Mangel aller Objectiv- 
linsen kann hier die Täuschung erzeugen, als lägen nicht die schwarzen 
Bänder und die zwischen ihnen befindlichen Spectraltheile in einer und der- 
selben Ebene. Es hat dann den Anschein, als sei das Spectrum gezackt, in- 
dem z. B. jeder zwischen zwei dunkeln Bändern befindliche gefärbte Abschnitt 
von der weniger brechbaren nach der stärker brechbaren Seite abfällt. 


Beiträge zur Mikroskopie. 


231 


Doppelt 


Tr n — 
brechen- | schnittrich- 
de Masse. 


Platte | 
N 
| Dicke in | 


tung. | Millimetern. 
(Bar 
Quarz. !| optischen 
|| Achse. 8,052 
[ Verbindung Erste Combi- 
zweier Com-| nation. 16 


| * ” 
‚binationen v. 


Reusch!), zur 
Erzeugung 
(d. den Quarz- 
ringen ‘ähnli- 
chen Polari- 
sationsfigu- 
ren, angefer-; 
tigt von 
Steeg. 


Senkrecht 
auf die Mit- 
tellinie. 


Desgl. 


Desgl. 


jap! 
< 
"IS 

2. 


Desgl. 


Dieselbe ein- 
fache Platte, 
parallel der 
Mittellinie. 


Desgl. 


1) Reusch 


Stücke zu 
)/, und 8 zu 
Als, A unge- | 
fähr der Wel- 
lenlänge (es, 
Gelb ent- | 
sprechend. 
Zweite Com- 
bination. 
Wirkung ei- 
ner rechts- 
dreh enden-' 
Platte. 


3,240 


Zwei solcher! 
Platten, also 
nahezu 6,48) 


Drei solcher 

Platten, mit- 

hin ungefähr 
9,72. 


Vier solcher 
Platten, da- 
her annä- | 
hernd 12.96. 


| 


3,304 


Zwei solcher| 
Platten also 


6,61. 


Zahl der dunkeln 
Bänder zwischen 


Ten. Io 


Fu.6. 


Nebenbemerkungen. 


Au. D.|Du.F. 


| 


{3%} 


jr 


'l.und 


2. an] 
der 
Gren- 


ze. 


0 bis 
viel- 


‚leicht 


| fen. | 


2 


6 (das 

6.and. 

Gren- 
ze.) 


11 


15 


15 bis 
16 


ein 


Schat- 
| ten- | 
strei- 


lbeiF 
und 1 


bei G. 


Unge-) 
fähr3.| 


Mehr 
als 2, 
zu 
dun- 
kel. 


Minde- 
stens4, 
sonst 
zu 
dun- 
kel, 


Zwi- 
schen 
F und 
F1|,G 
4 bis 5, 
d. 
übrige 
zudun- 
kel. 


Dun- 
kel. 


in den Monatsberichten der Berliner Academie. 


Polarisationsfigur, 2 Ring- 
systeme ohne Kreuz in 
dem innersten Ringe an 
den beiden Enden des Ge- 
sichtsfeldes. In der Mitte 
Parellellinien (langgezo- 
geneHyperbeln) senkrecht 
auf der Verbindungslinie 
der Mittelpunkte d. Ringe. 
Die seitlichen unter 
45° geneigten, sich 
gleichgerichtet dek- 
kenden zweiachsigen 
Theile. Also Polari- 
sationsfigur, Hyper- 
beln und Lemnisca- 
ten. Die Platten ha- 
ben daher zufällig d. 


nöthige Dicke. 


Hyperbeln und Lemnisca- 
ten als Polarisationsfigur 
bei 450 der Polarlinie. 


1869. 


S. 530—538. Man kann auch diese Platten zur Herstellung eines farbigen 
Gesichtsfeldes des Mikroskopes nach einem später 


fahren benutzen. 


zu schildernden Ver- 


Doch sind die Färbungen weit weniger gesättigt und 


232 G. Valentin: 


Doppelt Platte. | Zahl der dunkeln 
TE nn ec _ . . 
krachen Schnittrich- | Dicke in Bänder zwischen .| Nebenbemerkungen. 
N Millimetern‘), a TkESRu TEE 
Kerle | 8. | r "A u. D.|D u. F.F u. G.| 
Senkrecht | 
auf die Mit- 3,428. A 1) 1 
Gyps. || tellinie. | | 
' Desgl. | 1,028 1.910 8° IT bis 


Senkrecht | Glas gefasst | 
Zucker. Aa le Mit ne a | 2 | zu |Hyperbeln und Lem- 
tellinie. |Bedeutend we- | dunkel.) niscaten ähnliche 
niger als 3 Mm. | Curven. 


© 


Die Spectrumabtheilungen A bis B erscheinen immer und die 
von B bis D bisweilen, nach der Einschaltung doppelt brechender 
Platten, selbst bei dem Gebrauche hellen diffusen Tageslichtes so 
dunkel, dass man sie dann nicht zu genaueren Bestimmungen der 
Anzahl der Interferenzbänder gebrauchen kann. Dasselbe wiederholt 
sich häufig zwischen F und G uud in allen Fällen jenseit G. Man 
kann dagegen den Theil, der von D bis F reicht, jedesmal be- 
nutzen. Alle in der Tabelle verzeichneten Erfahrungen wurden mit 
Hartnack Nr. 2 gewonnen. Der Einzelvergleich lehrt, dass die 
Zahl der Bänder nicht immer mit der von der Theorie!) geforderten 
übereinstimmt. Diese erklärt dagegen die sich in allen Fällen be- 
währende Norm, dass die Interferenzbänder am dunkelsten er- 
scheinen, wenn der Hauptschnitt der einachsigen, die Polarlinie 
einer senkrecht auf die Mittellinie geschnittenen oder die Mittellinie 
der ihr parallel begrenzten zweiachsigen Platte unter 45° zu jeder 
der rechtwinkelig gekreuzten Polarisationsebenen des Polarisators und 
des Zerlegers gestellt ist. 

Gyps- oder Quarzkeile von passender Dicke können die von 
der Theorie geforderte Thatsache, dass die Zahl der dunkeln Bänder 
mit der Dicke der doppelt brechenden Platte zunimmt, zur An- 
schauung bringen. Ich nehme z. B. zwei Gypskeile, die gleichartig 
zusammengelegt, die beiden Systeme von Hyperbelpaaren,, wie sie 


minder lichtstark, als bei einer fehlerfreien durchsichtigen Quarzplatte von 
8 Mm. Dicke. Dasselbe gilt von der aus einer Gyps- und 2/, Glimmer- 
blättchen bestehenden Nachahmung der Bravais’schen Doppelplatte. 

1) Die der Talbot’schen Linien bei dem Gebrauche des gewöhnlichen 
und der Interferenzstreifen bei dem des polarisirten Lichtes, siehe bei Dit- 
scheiner in den Sitzungsberichten der Wiener Academie. Bd. 57. 1868. 
S. 709-734. 


Beiträge zur Mikroskopie. 233 


den der optischen Achse parallelen Platten eigen sind, in pracht- 
vollen Farben und eine mittlere blaue Rhombenfigur unter dem 
Nörrenberg’schen Polarisationsmikroskope zeigen. Schiebe ich 
nun einen solchen unter 45° orientirten Keil in dem dunklen Ge- 
sichtsfelde des mit dem Spectroscopocular versehenen Polarisations- 
mikroskopes vor, so besteht die erste Wirkung darin, dass das bis 
jetzt unsichtbar gewesene Mikroskopspectrum von B bis beinahe 
zu G kenntlich wird. Stösst man den Keil langsam weiter vorwärts, So 
dass allmählig immer dickere Theile in das Gesichtsfeld kommen, so 
wandert zuerst ein dunkeles Band von F bis über B hinaus. Eine 
noch grössere Dicke gibt z. B. ein Band zwischen C und D und 
eines bei E. Man hat später eines zwischen C und D, eines zwi- 
schen D und E und eines zwischen b und F. Ein noch dickerer 
Theil liefert eines bei C, zwei zwischen D und E und eines bei F. 
Die grösste Dicke des Keiles erzeugt endlich einen dunkeln Streifen 
bei C, drei zwischen D und F und einen nicht weit von G. 

Parallel der Achse geschnittene Quarzkeile von passender Dicke 
liefern nicht minder gute Bilder. Ich nehme z. B. einen der zwei, 
die zu einem Babinet’schen Compensator gehören. Der dünnste 
Endtheil desselben gibt z. B. ein dunkles Band bei D, eines zwischen 
D und F und eines zwischen F und G, der dickste hingegen eines 
zwischen C und D, drei zwischen D und F und eines (bis zwei) 
zwischen F und G. Lege ich die beiden Quarzkeile gleichartig zu- 
sammen, so liefert das dünnere Endstück zwei Bänder zwischen B 
und D, drei zwischen D und F und zwei zwischen F und G, das 
dickere hingegen drei zwischen A und D, vier zwischen D und F 
und drei zwischen F und G. 

Concav ausgeschliffene Gyps- oder Quarzplatten können ähn- 
liche Unterschiede bei hinreichender Dicke vorführen. 

Das Ocular-Spectroskop ist empfindlich genug, den breiten 
dunklen Streifen, den ein Gypsblättchen von Purpur dritter Ordnung 
(Aequivalentwerth 1495, Dicke 0,678 Mm.) in der zweiten Hälfte des 
Grün und dem Anfange des Blau zeigt, nachzuweisen. Lege ich 
dagegen ein Gypsblättchen von Purpur zweiter Ordnung (Werth 575, 
Dicke 0,607 Mm.) unter, so erscheint die Gegend von etwas vor E 
bis über F hinaus nur schwach beschattet. Roth zweiter Ordnung 
(Werth 1101, Dicke 0,645 Mm.) verdunkelt schon diesen Bezirk in 
hohem Grade. Grünblau dritter Ordnung (1258, Dicke 0,711 Mm.) 
liefert ein breites tiefschwarzes Band bei D. 


234 G. Valentin: 


Der Mikroskopiker kann einzelne der erläuterten Erscheinungen 
ebenfalls verwerthen. 

Schaltet man einen doppelt brechenden Körper in das dunkle 
Gesichtsfeld des Polarisationsmikroskopes so ein, dass die optische 
Achse der ein- oder die Achsenebene der zweiachsigen Masse weder 
in der Polarisationsebene des Polarisators, noch in der des Zerlegers 
dahingeht, so erscheint er hell und zwar mit der grössten Licht- 
stärke, wenn die Achse oder die Achsenebene unter 45° gegen jede 
der beiden Polarisationsebenen geneigt ist. Hat man die Prismen- 
vorrichtung aufgesetzt, so fehlt natürlich das Mikroskopspectrum, 
so wie die Schwingungsebenen der beiden Nicol einen rechten Winkel 
unter einander bilden. Es wird sichtbar, wenn man einen doppelt 
brechenden Körper einschaltet. Eine nicht sehr dicke Schicht von 
Muskel- oder Nervenfasern, deren Längsachsen man unter 45° 
orientirt, genügt zu diesem Zwecke, obgleich dann natürlich das 
Mikroskopspectrum mit sehr geringer Lichtstärke auftritt. Längs- 
schliffe von Pferdehufen, Pferdezähnen, der dichten Masse des Ober- 
schenkelknochens des Menschen stellen ein weit helleres Spectrum 
her. Schalte ich den getrockneten und in Canadabalsam aufbe- 
wahrten Schneidermuskel eines mitteigrossen Frosches, die Längs- 
achsen der Fasern unter 45° gerichtet, ein, so wird das Mikroskop- 
speetrum selbst bei sehr trübem Regenwetter so hell, dass man die 
Linien D, E, b und F sogleich erkennt und noch ungefähr fünf 
Linien zwischen D und E unterscheidet. Etwas Aehnliches lieferte 
ein Gänsekiel, eine Platte von Fischbein, eine solche von Ochsen- 
horn, eine von Schildpatt, eine von Perlmutt, die Fingernägel eines 
zwanzigjährigen Mädchens und die schwach zweiachsigen Krystall- 
linsen der Katze, des Ochsen und des Schafes. Alle diese Präparate 
waren in Canadabalsam aufbewahrt. 

Die schwache Doppelbrechung der organischen Gewebe bildet 
die Hauptursache, wesshalb die mikroskopischen Präparate desselben 
keine dunklen Interferenzbänder im Spectrum liefern. Platten von 
der hierzu nöthigen Dicke würden in der Regel zu undurchsichtig 
sein, um zur mikroskopischen Untersuchung dienen zu können. Denn 
selbst zwei schwach zweiachsige gekühlte Glascylinder von 13 und 
von 10 Millimeter Höhe, die jeder Kreuz und Farbenringe geben, 
lieferten zusammengeschichtet noch kein Band in dem stark aufge- 
hellten Mikroskopspectrum. Dasselbe negative Ergebniss zeigte sich 
für ein gekühltes Parallelipipedon von 9 Mm. Dicke, das ein Kreuz 


Beiträge zur Mikroskopie. 235 


mit geschwungen Armen und Pfauenaugen in den Ecken zeigte, und 
ein dreikantiges Prisma von 14 Millimeter Höhe, dessen Polarisa- 
tionsfigur in Pfauenaugen in den Ecken mit schwarzen gebogenen 
Zwischenlinien bestand. Ein Parellelipipedon dagegen von 10 Mil- 
limeter Höhe mit einem grossen länglichrunden Pfauenauge in der 
Mitte und vier kleineren in den Ecken und schwarzen Zwischen- 
linien, erzeugte mit seiner Längsachse unter 45° orientirt ein schwarzes 
Interferenzband von D bis etwas über D'/;E. Es wanderte durch 
das Grün nach dem Blau hin, wenn man jene Längsachse von 45° 
nach 90° fortbewegte. 

Ist die Doppelbrechung der Masse stark genug, so reicht ein 
dünnes mikroskopisches Präparat schon hin, eine grössere Zahl von 
schwarzen Bändern herzustellen. Ich besitze z. B. ein solches von 
Carrarischem Marmor, das 5 zwischen A und D, 8 zwischen D und F 
und 3 zwischen F und F'!/z G liefert und eines des Sonnensteins 
(Avanturin-Feldsvath),. das eines zwischen C und D und 2 bis 3 
zwischen D und E gibt. 

Um die dunklen Interferenzbänder bequemer verwerthen zu kön- 
nen, liess ich den Drehtisch, den ich Hartnack verdanke und den 
ich schon an einem andern Orte!) erwähnt habe, unten an der einen 
Seite mit einem und an der gegenüberliegenden mit 2 Bügeln ver- 
sehen. In jedem von diesen läuft eine durch eine Schraube gegen 
den Objeettisch festzustellende viereckige Platte. Der Tisch selbst 
hat eine Azimuthaldrehung an einem in 360° getheilten Kreise und 
eine senkrechte eines Präparatenhalters von 220°. Dieser Tisch lässt 
sich an dem fixen Objecttisch durch die Bügel, deren Klötze und 
Schrauben so befestigen, dass eine untere Kammer erzeugt wird, 
deren Höhe jede beliebige Grösse zwischen Null und 2!/s Centimeter 
besitzen kann. Ich lege in sie die oben erwähnte Gypsplatte von 
1,028 Mm. Dicke, die theoretisch genommen dem Roth zehnter 
Ordnung entspricht, jedoch ihrer beträchtlichen Dicke wegen farblos 
zwischen den beiden rechtwinkelig gekreuzten Nicols erscheint. Ihre 
Achsenebene wird unter + 45° orientirt. Sie gibt breite und tief- 
schwarze Interferenzbänder, eines zwischen B und C, eines über D, 
eines vor E, eines über F und eines bei G. Das mikroskopische 
Gewebpräparat kommt auf den Drehtisch und wird durch diesen 


1) Die physikalische Untersuchung der Gewebe. Leipzig und Heidel- 
berg 1867. 8. S. 316. 


236 G. Valentin: 


einer Azimuthalbewegung unterworfen. Platten, die wenige und 
tiefschwarze Bänder geben, eignen sich im Allgemeinen am Besten 
für diese Art von Untersuchungen. 

Ich lege z. B. den S. 234 erwähnten in Canadabalsam eingeschlos- 
senen Schneidermuskel des Frosches auf. Stehen die Längsachsen 
der Muskelfasern einer der beiden Polarisationsebenen der Nicols pa- 
rallel, so erscheinen die Interferenzbänder des Mikroskopspectrums 
schwarz wie früher, wenn man von der durch den mikroskopischen 
Gegenstand bewirkten Trübung absieht. Dreht man hierauf um 
ungefähr 45° nach rechts oder links, so werden die Bänder am 
blassesten und verwischtesten. Dickere Muskelstellen führen nicht 
selten zu Abweichungen, weil dann nicht mehr alle Fasern genau 
parallel laufen. Es versteht sich von selbst, dass dünnere Präparate 
schwächere Erfolge geben. Sie können bei sehr dünnen noch dann 
unkenntlich bleiben, wenn man selbst das Präparat schief von oben 
nach unten neigt, um den Weg der durchtretenden Lichtstrahlen 
zu verlängern. In Canadabalsam aufbewahrte Federkiele der Gans 
und des Steinadlers, Platten von Fischbein, die Nägel eines 20jäh- 
rigen Mädchens lieferten noch kräftigere Wirkungen als der oben 
erwähnte Schneidermuskel. Es kam hier vor, dass sich die Inter- 
ferenzstellen nur noch durch kaum merkliche Schatten bei der 
Orientation der Längsrichtung unter + 45° verriethen, dagegen wie- 
derum tiefschwarz bei 0° und 90° erschienen. Man, hat auf diese 
Weise ein neues Mittel, die von Brewster sogenannten neutralen 
Richtungen in einzelnen organischen Gewebpräparaten zu bestimmen. 
Es lässt sich jedoch in vielen Fällen nicht mehr gebrauchen, wo 
noch die Farbenänderungen der Glimmer- und vorzugsweise der 
Gypsblättchen Aufschluss geben. 

Manche Physiker benutzten die zwei breiten in derselben Haupt- 
richtung fortlaufenden dunklen Bänder bei D oder in Gelb, welche 
ein Biot’sches Doppelquarz erzeugt, um die Drehung der Polarisa- 
tionsebene durch feste oder flüssige Körper zu bestimmen‘). Die 
Einschaltung einer einseitig kreispolarisirenden Masse verschiebt 
dasjenige Band, welches von dem Quarze von gleicher Drehungs- 
richtung herrührt, nach dem rothen und das andere nach dem vio- 


1) Die Anwendung des Verfahrens auf die Untersuchung der durch 
elektrische Ströme bewirkten Drehung der Polarisationsebene, siehe bei 
R. Lüdtge, Ueber den Einfluss mechanischer Veränderungen auf die Drehungs- 
fähigkeit einiger Substanzen. Berlin 1869. 8. S. 13—33. Fig. I—VI. 


z 


Beiträge zur Mikroskopie. 237 


letten Speetralende. Eine Doppelplatte von 3,75 Mm.’ führt nicht 
zum Ziele. Eine solche von 7,5 Mm. dagegen dient eben so gut 
an dem Ocularspectroskop, als an den gewöhnlichen Spectroskopen 
oder dem in dem dunklen Zimmer erzeugten Spectrum. Gebrauche 
ich Hartnack Nr. 2 als Objecetiv und habe ich die Vereinigungs- 
ebene der beiden senkrecht auf die optische Achse geschliffenen 
Quarzplatten mitten im Gesichtsfelde eingestellt, so sieht man in 
der Mitte des Mikroskopspectrums eine Kante, von der die beiden 
Spectrumhälften dachartig abfallen. Jede enthält den erwähnten 
dunklen Streifen. Er gibt zwar die Drehung eines eingeschalteten 
Körpers, z. B. einer Combination von zwei Gallertplatten!) in er- 
kennbarer Weise an. Allein die Bänder erscheinen dunkler und die 
Bestimmung der Circulationspolarisation ist leichter möglich, wenn 
man eine Polarisationsvorrichtung vor meinem Schwefelkohlenstoff- 
spectroskop auf die bald zu schildernde Weise anbringt. Liefert 
das Präparat ein Kreuz unter dem Nörrenberg’schen Polarisa- 
tionsmikroskope, so zeigt das gelbe Mittelfeld, welches die Drehung 
der analysirenden Nicols hervorruft, die Richtung der Drehung noch 
einfacher an?). 

Man kann auch die Spectren des Ocularspectroskopes durch 
die Betrachtung mit einem achromatisirten Kalkspathprisma oder 
einer ähnlichen Vorrichtung für das Studium der Ergänzungs- und 
der Mischfarben eben so benutzen, wie ich dieses an einem anderen 
Orte für das gewöhnliche Spectroskop erläutert habe3). Die hier 
betrachtete Vorrichtung gewährt sogar den Vortheil, dass man das 
eine Doppelbild des Mikroskopspectrums und das benachbarte des 
Vergleichsspectrums zu gegenseitiger Deckung zu bringen im Stande 
ist. Das einfache Prisma eignet sich vorzugsweise zu diesem Zwecke. 
Dreht man das aufgesetzte Amici’sche Prisma um seine Längs- 
achse, ohne dass ein fremder Körper zwischen diesem und dem Auge 
eingeschaltet worden, so kann man das Blau und das Gelb der zwei 
Spectren so zusammen führen, dass ein lebhaftes Weiss zum Vor- 
schein kommt. 


1) Henle u. Pfeuffer’s Zeitschrift. Dritte Reihe. Bd. XV. S. 200—205. 

2) Die Untersuchung der Pflanzen und der Thiergewebe in polarisirtem 
Lichte. Leipzig 1861. 8. S. 150, und Henle und Pfeuffer’s Zeitschrift 
a. a. 0. 8. 201. 

3) Der Gebrauch des Spectroskopes zu physiologischen und ärztlichen 
Zwecken. S. 110—114. 


238 G. Valentin: Beiträge zur Mikroskopie. 


Ich liess mir noch einen eigenthümlichen Halter, den ich vor 
meinem Schwefelkohlenstoffspectroskop anbringen kann, verfertigen, 
um die hier zu erzielenden Bilder mit denen des Ocularspeetros- 
kopes zu vergleichen. Man kann an jenem ein grosses polarisi- 
rendes und ein etwas kleineres analysirendes Nicol in beliebiger Ent- 
fernung aufstellen. Besondere Klemmvorrichtungen machen es mög- 
lich, eine oder zwei doppeltbrechende Platten oder den oben er- 
wähnten Azimuthaltisch des Mikroskopes oder hohle Halbeylinder 
zur Aufnahme von Röhren, die mit circularpolarisirenden Flüssig- 
keiten gefüllt sind, einzuschalten. Ein Planspiegel kann noch, wenn 
es nöthig wird, Licht in das polarisirende Nicol werfen. 

Untersuchte ich die sämmtlichen Platten, die in der S. 230 
gegebenen Tabelle verzeichnet sind, mit dem Spectroskope bei recht- 
winkelig gekreuzten Polarisationsebenen der Nicol, so zeigte sich, 
dass im Allgemeinen die Bilder, die ich hier erhielt, von denen des 
Ocularspectroskopes wenig abwichen. Die zwischen B und D befind- 
lichen Streifen liessen sich häufig in dem ersteren Falle besser und 
die im Blau auftretenden schlechter erkennen, als in dem letzteren. 
Ich würde daher im Ganzen dem Ocularspectroskop für die leichte 
Darstellung dieser Erscheinungen den Vorzug geben. Der Gebrauch 
eines Doppelquarzes von 7 Millimeter Dicke dagegen lieferte das 
Umgekehrte. Das zweifache dunkle Band erschien am Schwefel- 
kohlenstofispectroskope bei rechtwinkelig gekreuzten Polarisations- 
ebenen deutlicher und die durch die Einschaltung einer einseitig 
drehenden Masse erzeugte Verrückung je eines desselben nach 
entgegengesetzten Richtungen gab sich leichter zu erkennen, als an 
dem Ocularspectroskop, man mochte "Objectivlinsen angeschraubt 
haben oder nicht. 


Bemerkungen über einige die Anatomie der 
Labdrüsen betreffende Punkte. 


Von 


R. Heidenhain 


in Breslau. 


In einer ausführlichen Abhandlung über die Anatomie der 
Labdrüsen (Untersuchungen aus dem Institute für Physiologie und 
Histologie in Graz, Heft II. S. 143) hat Rollet seine Erfahrungen 
bezüglich dieses Gegenstandes niedergelegt, welche zwar der Haupt- 
sache nach mit meinen Angaben (dieses Archiv Bd. 6 S. 368) über- 
einstimmen, aber andrerseits doch gewisse Verschiedenheiten der bei- 
derseitigen Ergebnisse hervorheben. Handelte es sich bei diesen 
Differenzen nur um die verschiedene Auslegung gleicher histologi- 
scher Befunde, so könnte ich die Entscheidung der controversen 
Punkte der Zukunft überlassen. Da es sich aber um abweichende 
Angaben Rollet’s handelt, welche sich auf von mir beschriebene 
und von dem hiesigen Universitätszeichner Hrn. Assmann nach 
meinen Präparaten abgebildete thathsächliche Verhältnisse beziehen, 
halte ich es für nöthig, von vorneherein meine Ansicht über Rollet’s 
Ausstellungen an meiner Arbeit zu äussern, um zu verhindern, dass 
den Aussagen seiner später erschienenen Abhandlung ein grösseres 
Gewicht beigelegt werde, als denen meines gegen ein Jahr’ früher 
publieirten Aufsatzes. Die. Differenzen zwischen Rollet und mir 
beruhen fast ausnahmslos darauf, dass es jenem Forscher misslungen 
ist, gewisse von mir beschriebene und abgebildete Dinge wiederzu- 
finden. Ich könnte mich seinen Negationen gegenüber einfach auf 
die Erklärung beschränken, dass ich früher Gesagtes aufrecht er- 


240 R. Heidenhain: 


halte. Allein da ich befürchten muss, dass etwaige weitere Nach- 
folger auf diesem Gebiete in ähnlicher Weise, wie jener vorsichtige 
Histologe straucheln, seien mir einige möglichst kurze Bemerkungen 
gestattet. 

1. Rollet bestreitet (S. 167 u. 168), dass die Belegzellen (Lab- 
zellen früherer Autoren, delomorphe Zellen R’s.) sich vereinzelt noch 
unter den Cylinderepithelien der Drüsenausgänge finden ; meine 
Zeichnung (dies. Archiv VI, Tab. XX, Fig. 2 bei a) gebe das Bild 
dicker Schrägschnitte. 

Es ist mir schwer erklärlich, wie Rollet bei Feststellung die- 
ses Punktes hat scheitern können. Ich habe Präparate, welche 
meiner Figur entsprechen, so ausserordentlich oft unter den Augen 
gehabt, dass ich irgend welchen und namentlich den von R. ver- 
mutheten Irrthum auf das Entschiedenste bestreiten darf. Die ein- 
fachsten Methoden (z. B. Erhärtung in doppelt chromsaurem Kali 
und, wenn nöthig, Aufhellung der Schnitte in Glycerin) genügen 
vollständig zur Feststellung des Sachverhältnisses.. Nur zu starke 
Tinetion der Präparate kann vielleicht zu einem Uebersehen der 
Belegzellen, welche unter den immer lebhaft gefärbten Enden der 
Cylinderzellen liegen, Veranlassung geben, weil dann die ganze Grenz- 
gegend zwischen Epithel und Bindegewebe eine sehr gleichmässig in- 
tensive Färbung zeigt. 

Vielleicht scheint dieser strittige Punkt gleichgültig. Allein 
ich meine, dass das Vorkommen der »Labzellen« an jener Stelle 
mindestens nicht für die Annahme spricht, dass die fraglichen 
Zellen bei jedem Verdauungsacte massenhaft aus den Drüsen aus- 
gestossen werden. 

2. Rollet bestreitet, dass die Hauptzellen (adelomorphe Zel- 
len R’s.) sich durch den Drüsenhals (äusseres Schaltstück R’s.) bis 
an das »innere Schaltstück« fortsetzen. Die vor dem letzteren lie- 
gende Drüsenstrecke enthalte nur Belegzellen (vergl. 1 Fig. 4). Ich 
muss vorausschicken, dass das, was R. als »inneres Schaltstück« ab- 
bildet, von mir dem Drüsenausgange zugerechnet worden ist, weil 
die Zellenformation jener Gegend nicht mehr den specifischen Drü- 
senzellen angehört , sondern continuirlich in die Gylinderepithelien 
der Magengruben übergeht. Diese werden, wie auch R. gesehen, 
schon nach dem Grunde der Gruben hin niedriger, körnig, bekom- 
men einen ovalen oder runden Kern und setzen sich in dieser Ge- 
stalt mehr oder weniger weit in den Drüsenschlauch fort. Wenn 


Bemerkungen üb. einige d. Anatomie d. Labdrüsen betreffende Punkte. 241 


R. das Letztere bestreitet, so hat er seine Aufmerksamkeit wahr- 
scheinlich nicht in ausreichendem Maasse den Drüsen der verschie- 
denen Gegenden des fundus ventriculi zugewandt, denn hier findet 
man nicht selten ein sehr tiefes Eindringen der in Rede stehenden 
Zellen in die Schläuche, bis zur Hälfte der ganzen Schlauchlänge. 
Rollet’s Fig. 4 stammt, ich müsste mich sehr irren, von der Ge- 
gend des Magengrundes her, wo am häufigsten zwei Schläuche in 
eine Magengrube münden und das fragliche Epithel schon ziemlich 
weit in die sehr engen Schlauchanfänge hineingeht. Die Enge be- 
dingt die fast cubische Gestalt der Zellen, die keine constante ist, 
sondern in weiteren Schläuchen alle Uebergänge zur cylindrischen 
Form zeigt. Wo nun diese Zellenformation aufhört, beginnt Rollet’s 
äusseres Schaltstück (Fig. 4. c. d.), das nur Belegzellen enthalten 
soll. Ich habe schon auf S. 373 meiner Abhandlung darauf auf- 
merksam gemacht, dass die Untersuchung dieser Gegend grössere 
Schwierigkeiten darbietet, als die irgend eines anderen Theiles der 
Drüsen; Rollet hat dieselben nicht überwunden. Sie liegen ganz 
besonders in der Verkleinerung der zelligen Elemente, namentlich 
der Hauptzellen, gegenüber den Ausmässen derselben im Drüsen- 
körper. Mit Geduld lässt sich sowohl an Längs-, als an Querschnit- 
ten das wahre Verhältniss ermitteln und zeigen, dass auch hier 
ausser den Belegzellen Hauptzellen vorkommen. Ich verweise auf 
meine Figur 4 (Querschnitt der strittigen Gegend), die bei derselben 
Vergrösserung gezeichnet ist, wie Fig. 5 (Querschnitt des Drüsen- 
grundes). Die Rollet’sche Doppeltinetion ist bei hinreichender 
Dünne der Schnitte gewiss zu entbehren; ich habe sie aber zu mei- 
nem Bedauern auch nicht anwenden können, da das in Alkohol lös- 
liche Anilinblau, welches ich hier in Breslau erhalten habe, bei 
einigen Probeversuchen die specifische Färbung der Hauptzellen 
nicht gab. 

3. Was die Veränderungen der Labdrüsen durch die Verdau- 
ung betrifft, so hat Rollet, wie ich, in den späteren Verdauungs- 
stadien eine Verkleinerung, starke körnige Trübung und stärkere 
Färbbarkeit der Hauptzellen beobachtet; die in den früheren Ver- 
dauungsstunden auftretende Schwellung und leichte körnige Trübung 
der Hauptzellen ist ihm entgangen. Er warnt davor, ein Aufschwel- 
len der Schläuche in Beziehung zu einem bestimmten Functionszu- 
stande zu setzen. Ich habe ja aber selbst bereits in meiner Ab- 
handlung hervorgehoben und durch Fig. 11 u. 12 verdeutlicht, dass 


249 | R. Heidenhain: 


auch im Hungerzustande der Durchmesser der Drüsen variabel ist. 
Eine so hochgradige Anschwellung jedoch, wie sie meine Fig. 13 
zeigt, begleitet von immerhin deutlich merklicher Trübung der Haupt- 
zellen habe ich nach 3—S5tägigem Hungern nie gesehen. Es folgt 
für mich daraus, dass es einen Rollet unbekannt gebliebenen Ver- 
dauungszustand gibt. Zu discutiren bleibe nur noch, ob dieser oder 
der andere, auch Rollet bekannt gewordene Verdauungzustand der 
)rüsen entsprechend Fig. 13 und 15 regellos in jedem Verdauungs- 
stadio vorkomme oder sich an bestimmte Perioden knüpfe. Meine 
Erfahrungen hierüber habe ich in meiner Abhandlung niedergelegt. 
Nachuntersucher muss ich wiederholt darauf aufmerksam machen, 
dass die Zustände in Fig. 13 und 15 meines Aufsatzes nur die ex- 
tremsten Formen einer continuirlichen Reihe darstellen und dass es 
nicht nöthig ist, dass bei jeder Verdauung sich diese Extreme her- 
ausbilden. Ich weiss aber, dass wenn ich einen Hund durch länge- 
res Hungern auf guten Appetit vorbereitet habe und ihn dann be- 
liebig viel fressen lasse, ich um die 4te bis 6te Stunde mit hoher 
Wahrscheinlichkeit die Drüsen in der durch meine Fig. 13 repräsen- 
tirten oder doch in einer sehr ähnlichen Verfassung finde, und dass 
sie nach 12—14 Stunden, wenn der Magen sich zum grössten Theil 
entleert hat, ähnlich Fig. 15 sen werden. — Wenn übrigens Rollet 
behauptet, es befänden sich stets alle Drüsen derselben Schleimhaut 
in demselben Zustande, so habe auch ich niemals gesehen, dass 
etwa die Typen meiner Fig. 11 und 12 einerseits, Fig. 15 anderer- 
seits nebeneinander vorkämen, aber oft gesehen, dass Schwellung 
und Trübung der Hauptzellen in den Drüsen des gleichen Magens 
dem Grade nach veränderlich sind, — grade wie benachbarte Acini 
derselben Speicheldrüse verschiedene Ausprägung ihres Functionszu- 
standes zeigen können. — 

4. Rollet bestreitet die Richtigkeit meiner Angabe, dass in 
dem mittleren Theile der Labdrüsen des Schweines die Belegzellen 
in besondere Aussackungen der Schlauchmembran untergebracht sind ; 
die runden Lücken in meiner Fig. 20 seien Gefässlumina. Er würde 
auf den letzteren Gedanken sicher nicht gekommen sein, wenn er Prä- 
parate, welche meiner Fig. 20 entsprechen, vor sich gehabt oder auch 
nur meine Abbildung aufmerksam angesehen hätte. Denn an meh- 
reren Stellen derselben sind Belegzellen von den Wandungen ihrer 
Nischen so retrahirt, dass über das wirkliche Verhalten kein Zwei- 
fel sein kann, — wie er auch Niemandem geblieben ist, dem ich 


Bemerkungen üb. einige d. Anatomie d. Labdrüsen betreffende Punkte 243 


meine Präparate gezeigt habe. Dass Rollet solche Bilder, wie sie 
meiner Angabe zu Grunde liegen, nicht erhalten hat, kann nur 
daran liegen, dass er die richtige Region der Drüsen bei Anfertigung 
der Querschnitte verfehlt oder dass er ausgepinselte Präparate zu 
untersuchen unterlassen hat. Was er beim Schweine gesehen und 
beschrieben, entspricht nur dem oberen und dem unteren, nicht aber 
dem mittleren Schlauchtheile. — 

5. Endlich habe ich noch meine Fig. 19 zu vertheidigen. Sie 
zeigt das untere, von Belegzellen freie Ende einer Labdrüse mit 
theils hellen, theils granulirten Hauptzellen. Rollet kennt die letz- 
teren beiden Zellenarten, weist ihnen aber verschiedene Schläuche 
an. Es ist vollkommen richtig, dass ein und derselbe Schlauch oft 
auf lange Strecken nur die eine oder die andere Zellenart enthält, 
es ist aber ebenso unzweifelhaft, dass hier und da auch in demsel- 
ben Schlauche dicht nebeneinander beide Formen vorkommen. — 

Zum Schlusse noch eine Bemerkung für Nachuntersuchende. 
Ich habe für die Labdrüsen mit Vorliebe die Färbung mit in Wasser 
löslichem Anilinblau angewandt und empfohlen, weil sie in der That 
prächtige und sehr characteristische Bilder liefert. Nachdem aber 
die Präparate in Glycerin 2—2!/; Jahre aufbewahrt sind, hat die 
Schönheit derselben vielfach durch Diffusion des Farbstoffes gelitten. 
Für längere Conservirung wird also das Carmin, nach den von mir 
gegebenen Regeln benutzt, vorzuziehen sein. 


Neue Beiträge zur Anatomie und Physiologie 
der Retina des Menschen. 
Von 
Max Schultze. 


Hierzu Taf. XX. 


Wird ganz frische menschliche Netzhaut in einer Lösung 
von Ueberosmiumsäure, welche 2°/, oder etwas mehr der trocke- 
nen Säure enthält, durch 12—24 Stunden erhärtet, so finden sich 
die Zapfen und Stäbchen derselben in einer Weise conservirt, 
wie ich es in diesem Archiv Bd. V. p. 392 beschrieben habe. Die 
Aussen- und Innenglieder behalten ihre Form, Durchsichtigkeit und 
Art der Lichtbrechung wie im Leben, die Zerklüftung der ersteren 
in Plättchen wird ganz oder fast ganz verhindert, die Innenglieder 
aber, zumal die der Zapfen, zeigen eine besonders bei schiefem Lichte 
erkennbare dichte Längsstreifung der Oberfläche, welche 
sich auch auf die Aussenglieder in Form einer zarten streifigen 
Hülle fortzusetzen scheint (Ebenda Taf. XXU). 

Bei Anwendung schwächerer Concentrationen der Ueberosmium- 
säure quellen die Aussenglieder, besonders schnell die der Zapfen, 
zerfallen in Plättchen oder gehen ganz zu Grunde; die Innenglieder 
aber gerinnen meist körnig, eine Aenderung ihrer Textur, welche 
auch spontan sehr bald nach dem Tode und bei Anfertigung ganz 
frischer Präparate in humor aqueus, Glaskörperflüssigkeit, Serum 
leider sehr schnell eintritt, und die genauere Untersuchung der 
frischen Zapfen ausserordentlich erschwert. Die Vortheile, welche 
andererseits die schwächeren Lösungen der Ueberosmiumsäure von 
1/,—1°/, darbieten. sind nicht gering zu achten). Da die Netzhaut 


1) Vergl. dieses Archiv Bd. II, p. 270. 


Max Schultze: Beiträge zur Anat. und Physiologie der Retina. 245 


in ihnen weniger brüchig wird, so lassen sich mit ihrer Hülfe die 
faserigen Bestandtheile derselben besser isoliren, und das gilt sowohl 
von den nervösen als von den Fasern der Bindesubstanz. Aus 
diesem Grunde kehrte ich, als sich mir neuerdings durch die Güte 
meines Collegen Saemisch die Gelegenheit bot, frisch exstirpirte 
menschliche Augen mit stellenweis gesunder Netzhaut zu erlangen, zur 
Behandlung der letzteren mit schwächeren Lösungen dieser Säure 
zurück. Dabei suchte ich die Veränderungen zu verfolgen, welche die 
Structur der Zapfen eingeht, bevor die körnige Gerinnung eintritt und 
erhielt Bilder wieder, welche sich mir früher einmal dargeboten hatten 
und auf eine faserige Structur des Inneren des Zapfenkörpers deuten !). 
Wenn auch ein grosser Theil der Zapfen einer in !/y—!/g%/, Osmium- 
säure enthaltenden Flüssigkeit conservirten Retina durch Gerinnung zur 
weiteren Untersuchung unbrauchbar geworden ist, so findet man neben 
diesen auf grössere Strecken andere Zapfen, deren Aussenglieder zwar 
verändert, deren Innenglieder aber vollkommen durchsichtig, ohne 
körnige Gerinnung geblieben sind. Die Form derselben ist die 
gleiche wie im Leben oder durch geringe Quellung etwas bauchiger 
geworden. An diesen Zapfen fällt wieder die scharfgezeichnete feine 
Längsstreifung auf, welche ich in meinem letzten Autfsatze beschrieben 
habe. Aber der geringere Glanz, welchen die Zapfen in den schwä- 
cheren Lösungen im Vergleich zu den in starken conservirten zeigen, 
lässt besser eine Durchforschung auch des Zapfen-Inneren zu. Man 
erkennt jetzt deutlich, dass es nicht nur eine Streifung der Ober- 
fläche, sondern eine das ganze Innere des betreffenden Zapfentheiles 
einnehmende Faserung ist, welche die Streifung erzeugt. Die Fasern 
liegen wesentlich parallel namentlich in der oberflächlichen Schicht, 
in der Tiefe kreuzen sie sich jedoch vielfach unter sehr spitzem 
Winkel (Fig. 1--9). Sie sind zwar von äusserster Feinheit aber 
glänzend und scharf gezeichnet, also in ihrer Lichtbrechung von der 
Zwischensubstanz wesentlich verschieden. Sie lassen sich durch Druck 
isoliren (Fig. 8), was auf eine gewisse Steifheit derselben deutet, doch 
zeigen sie sich auch hie und da verkrümmt oder verbogen (Fig. 6). 
Etwas unterhalb der Mitte des Zapfenkörpers, immer oberhalb der 
limitans externa, welche sie nicht erreichen, hören sie scharf ab- 
gesetzt auf. Hier lassen sie sich am besten einzeln erkennen, da 
sie hier am weitesten von einander abstehen, während sie nach der 


1) Ebenda Taf. X, Fig. 8. 


M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 7, 17 


246 Max Schultze: 


Spitze des Innengliedes hin convergiren. Aber auch hier hören sie 
mit scharfer Grenze dicht zusammengebogen auf. Ist das Aussenglied 
abgefallen oder durch Quellung zu Grunde gegangen (Fig. 5—9), so 
ragen keine Fäserchen aus dem Faserkegel hervor, wie zu erwarten 
wäre, wenn eine Verbindung des Aussengliedes mit dem Innengliede 
durch die Elemente dieses Kegels existirt hätte. Dagegen sieht man 
die Spitzen der Zapfen nicht selten von einem kürzeren oder längeren 
Stücke einer zarten Röhre oder Scheide überragt, welche von der 
Oberfläche des Faserkegels, vielleicht von einer ihn umschliessen- 
den Haut ausgeht (Fig. 1, 6). DieLinien, welche diese zarte Hülle 
begrenzen, schliessen manchmal dicht über der Spitze des Innen- 
gliedes zusammen (Fig. 10), oder setzen sich in einen kurzen 
Trichter fort (Fig. 13). An einen solchen Fortsatz (Fig. 14) sah 
ich einmal das gequollene und in Plättchen zerklüftete Aussenglied 
sich anschliessen, ein Bild welches nicht anders als durch eine un- 
gewöhnliche Art von Quellung erklärt werden kann. 

Ist dagegen das Aussenglied ganz oder zum Theil erhalten 
geblieben (Fig. 2, 3, 15), so sieht man bei nicht zu starker Er- 
härtung neben der Basis des Aussengliedes hie und da Linien, welche 
auch auf die erwähnte Hülle bezogen werden können. Immer 
aber scheinen die inneren Fasern des Faserkegels an der Grenze 
von Innen- und Aussenglied scharf abgeschnitten aufzuhören. 

Der Faserkegel stellt daher, soweit er das Innere des Zapfen 
einnimmt, einen besonderen, nach vorn und hinten scharf begrenzten 
Apparat dar, welchen ich den Fadenapparat nennen will. 

Die hier besprochene Bildung ist am leichtesten bei den grossen 
Zapfen der mittleren, äquatorialen und der peripherischen Gegenden 
der Netzhaut zu beobachten. Sie findet sich aber in ganz gleicher 
Weise auch in den schlankeren Zapfen des gelben Fleckes (Fig. 16), 
und kann bis in die stäbchenartig dünnen Zapfen der fovea centralis 
verfolgt werden (Fig. 17, 18, 19). Auch hier nimmt die ausser- 
ordentlich dichte Faserung nur die äussere Hälfte oder die äusseren 
zwei Drittel des Innengliedes hin, und setzt sich nicht bis auf die 
Ebene der limitans externa fort. In der Zapfenfaser aber ist immer 
nur die ganz unbestimmte Streifung vorhanden, welche allen dickeren 
Axencylindern zukommt und auf eine Zusammensetzung aus Primitiv- 
fibrillen hindeutet. 

Der Fadenapparat ist also ein Attribut der Zapfen der ver- 
schiedensten Theile der menschlichen Netzhaut. Er fehlt aber auch 


Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. 247 


den Stäbchen nicht. Ist die Erhärtung der Innenglieder ohne 
körnige Gerinnung gelungen, und doch ein erster Grad von Quellung 
eingetreten, wie sich das bei menschlichen Netzhäuten zeigt, welche 
in Ya—1°/, Osmiumsäure enthaltenden Lösungen kurze Zeit auf- 
bewahrt wurden, so sieht man im Innern der oft ein wenig ange- 
schwollenen äusseren Enden der Innenglieder (Fig. 20, a) feine 
Fasern, welche, viel weniger zahlreich als in den nicht viel dickeren 
Zapfen der fovea, das Innere auf eine kurze Strecke erfüllen. Dieser 
Fadenapparat nimmt etwa nur ein Drittel der Länge des Innen- 
gliedes ein, und unterscheidet sich hierin von dem der Zapfen. 

Es entsteht nunmehr die Frage, wie verhält sich der Faden- 
apparat der Zapfen und Stäbchen zu den äusseren Fasern, welche 
mit der limitans externa in Verbindung isolirt werden können und 
ablösbare Faserkörbe um die Basen der Innenglieder darstellen ? 
Ich habe in meiner letzten Mittheilung über diese Gebilde die Herkunft 
dieser Faserkörbe unentschieden lassen müssen !). Vergleichend ana- 
tomische Betrachtungen, ausgehend von der Structur der Retina der 
Cephalopoden machten es mir am wahrscheinlichsten, dass die 
äusseren Fasern Nervenfasern seien. Aber dass sie aus der Ver- 
ästelung der in der äusseren Körnerschicht verlaufenden Stäbchen- 
und Zapfenfasern hervorgehen, welche mit guten Gründen für peri- 
pherische Optikusfasern gehalten werden, liess sich mit Sicherheit 
nicht beobachten, vielmehr wollte es so scheinen, als wenn sie aus 
einem die Stäbchen- und Zapfenkörner und Fasern umgebenden 
Fasergewebe der äusseren Körnerschicht abzuleiten seien. An den 
in dünneren Lösungen der Ueberosmiumsäure aufbewahrten frischen 
menschlichen Netzhäuten ist mir die Isolirung der fraglichen Fasern 
innerhalb der äusseren Körnerschicht mit voller Sicherheit gelungen. 
Die von der Basis der Stäbchen und Zapfen ablösbaren Faserkörbe 
stellen directe Fortsetzungen eines Gewebes dar, welches innerhalb 
der äusseren Körnerschicht zwischen den Stäbchen- und Zapfen- 
körnern und ihren Fasern liegt und zu der Bindesubstanz der 
Netzhaut gehört. Eine Mittheilung von diesen Fortschritten habe 
ich in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- 
und Heilkunde am 21. Nov. 1870 gemacht, worüber eine kurze 
Notiz in die Berliner medieinische Wochenschrift 1871 No. 9 über- 
gegangen ist. 


1) Dieses Archiv Bd. V, p. 399. 


248 Max Schultze: 


Die Vermuthung, dass die von mir sogenannten Faserkörbe 
der Zapfen und Stäbchen aus Nervenfasern beständen, hat in 
Landolt!), und Merkel?) Gegner gefunden, mit denen ich 
nunmehr in der Hauptfrage, ob die Hülle der Zapfen und Stäbchen 
zunächst an der limitans externa eine nervöse oder eine aus Binde- 
substanz gebildete sei, vollkommen übereinstimme. Im Einzelnen 
werden sich bezüglich dieser Hülle verschiedene Ansichten geltend 
machen können, da Reagenzien und Vergrösserungen gegenüber den 
hier in Betracht kommenden Fragen noch nicht ausreichen. So 
meint Merkel (l. e. p. 650) die Fasern des Korbes für Falten einer 
ursprünglich homogenen Membran erklären zu müssen (vom Huhn 
Abbildung l. ec. Taf. XIII Fig. 5). Dem widerspricht meines Erachtens 
das häufig zu beobachtende Factum, dass von der Basis eines Zapfens 
abgehobene Fasern nach aussen divergirend auseinander laufen, wie 
ich es z. B. dieses A. Bd. V. Taf. XXI, Fig. 18 abgebildet habe. 
Die Fasern sind auch unendlich viel feiner und dichter als Merkel 
seiner Abbildung zu Folge annimmt. Ich habe in den Figg. 21 
und 22 bei 1000 mal. Vergrösserung und schiefem Lichte ent- 
worfene Zeichnungen der Bindesubstanz der äusseren Körnerschicht 
und der Faserkörbe vom Huhn und vom Menschen hier angefügt, 
welche eine annähernde Vorstellung von dem Verhalten geben, wie 
man esan Retinapräparaten wahrnehmen kann, die nach kurzer Er- 
härtung in !/s°/, Osmiumsäure zur Isolirung des Stützgewebes zerzupft 
oder in einem Reagenzglase mit Wasser tüchtig ausgeschüttelt 
wurden. Wegen der ausserordentlichen Zartheit des Gewebes ist 
es kaum möglich, die perspectivischen Verhältnisse in der Zeichnung 
anzugeben. Zu diesem Behufe wäre eine noch viel stärkere Ver- 
grösserung nothwendig. Hier sieht man auch die feinfaserigen Kapseln, 
welche die äusseren Körner einschlossen, und welche ich in der Lage 


dieses A. B.V, Taf. XXI, Fig. 4 andeutungsweise gezeichnet habe. 


Sie sind es, welche sich ganz entsprechend den Angaben von Landolt 
und Merkel nach Bildung der limitans externa über diese hinaus 
um die Basen der Zapfen und Stäbchen fortsetzen, nur dass Alles 
viel zarter und feiner streifig und faserig structurirt ist, als jene 
Forscher angeben. An der macula lutea, wo die äussere Kör- 
nerschicht durch Verlängerung der Zapfenfasern die bekannte durch 


1) Dieses Archiv Bd. VII, p. 81. 
2) Reichert und du Bois-Reymond Archiv 1870, p. 642. 


Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. 249 


schiefe Richtung der Fasern ausgezeichnete Verdiekung erfährt, 
hat uns neuerdings Merkel die die Zapfenfasern begleitende 
Bindesubstanz genauer kennen gelehrt. Er beschreibt sie als zarte, 
membranöse, hyaline Scheiden, welche sich leicht falten und zer- 
reissen lassen und die Zapfenfasern umschliessen. Merkel hat 
gewiss vollkommen Recht, wenn er auf der bis dahin ungenügenden 
Kenntniss der Art der Verbindung der beiden in der fraglichen Schicht 
der Netzhaut innig vereinigten Gewebsformen, Nervenfasern und 
Bindesubstanz, die Schwankungen in der Deutung schiebt, welche 
die Fasern der fraglichen Schicht der Netzhaut erfahren haben. Mir 
will es aber nach meinen Präparaten, wie ich sie durch Zerzupfen 
in Ueberosmiumsäure mässig erhärteter menschlicher foveae centrales 
erhalten habe, und deren eins in Fig. 18 abgebildet ist, scheinen, dass 
die membranösen hyalinen Scheiden Merkel’ sich in feinste Fibrillen 
zerlegen lassen, und dass hier die fibrilläre Zusammensetzung der 
Bindesubstanzhüllen der Elemente der äusseren Körnerschicht noch 
exquisiter zu demonstriren sei als an den mehr peripherischen Theilen 
der Netzhaut. Ich sehe, wie Fig. 18 zwischen dd zeigt, eine grosse 
Zahl feinster Fibrillen neben den Zapfenfasern. Beide Faserarten 
haben in gleicher Weise die Neigung sich wellenförmig zu biegen, 
wie die Figur zeigt, sei es in Folge der Contraction, welche die er- 
härtende Flüssigkeit ausübt, sei es durch die Elastieität, welche 
beim Abreissen der Fasern zur Wirkung kommt. Durch die graue 
Färbung, welche die Zapfenfasern in der Ueberosmiumsäure annehmen, 
lassen sie sich leicht zwischen dem Gewirr der feinen Bindesubstanz- 
fibrillen herausfinden. Letztere aber sind in solcher Zahl vor- 
handen, von so gleichmässiger Feinheit und auch in den wellen- 
föormigen Biegungen streckenweis so deutlich isolirbar, dass sie nicht 
für Falten einer hyalinen Membran gehalten werden können. Auch 
wo sie sich an die limitans externa ansetzen sind sie mit hinreichend 
starken Vergrösserungen einzeln zu erkennen. Hier verschinelzen 
sie untereinander durch seitliche Verbindung, durch kleine Ver- 
diekungen, welche als Pünktchen um.die Basen der Zapfen erkennbar 
sind. Aehnlich schildert Merkel das Verhalten, nur dass ihm in 
der Seitenansicht des drehrunden Zapfen das, was ich als aus der 
Häufung vieler einzelner Punkte entstanden beschrieb, als eine ein- 
zige knotenartige Verdickung erscheint (Macula lutea Taf. I, Fig. 2). 
Ich muss meine frühere Schilderung dieser Punkte der limitans ex- 
terna aufrechterhalten, mit dem Unterschiede in der Deutung, dass 


250 Max Schultze: 


ich sie früher für Löcher in der Substanz der Membran jetzt für 
Knötchen in denjenigen Bindesubstanzfasern halte, welche aus der 
äusseren Körnerschicht hervortretend die Faserkörbe um die Zapfen 
und Stäbchen bilden. 

Das weitere Verhalten der Faserkörbe auf der Oberfläche der 
Zapfen zu verfolgen wird vor der Hand unmöglich durch die Ent- 
deckung des Fadenapparates im Zapfen selbst. Von der Stelle an, 
wo die Faserkörbe alle in wesentlich gleicher Länge ihrer sie zu- 
sammensetzenden Fasern als isolirbare Gebilde aufhören, besteht, 
wie vor allen Dingen deutlich in den Zapfen des Menschen zu be- 
obachten ist, eine bis zur Oberfläche reichende faserige Structur des 
Zapfen-Innern. Bei der enormen Feinheit der constituirenden Elemente 
lässt sich vor der Hand eine etwaige faserige Hülle von der Zapfen- 
substanz selbst nicht unterscheiden. Die Möglichkeit ist also nicht 
ausgeschlossen, dass die Fasern der Faserkörbe nicht nur über das 
ganze Innenglied verlaufen, sondern sich auch noch auf das Aussen- 
glied fortsetzen, und so die hier unzweifelhaft vorhandene streifige 
oder faserige Hülle darstellen (s. Archiv Bd. V, Taf. XXIV, Fig. 7, 
9, 17 u. a.). Ich habe dieselbe für wahrscheinlich nervös erklärt, 
weil so die Frage nach der Nervenendigung in der Netzhaut eine 
vergleichend anatomisch und physiologisch befriedigende Lösung zu 
finden schien. Wie sich das später definitiv gestalten wird, ist vor- 
läufig noch nicht abzusehen. Sind die Aussenglieder mehr als ein 
Retflexionsapparat, stehen sie mit den die Innenglieder unzweifelhaft 
constituirenden Nervenfasern in Verbindung, was aus mancherlei 
Gründen für das Wahrscheinlichste gehalten werden muss, so können 
bei dem von mir nachgewiesenen Mangel innerer Canäle die Ner- 
venfasern nur auf der Oberfläche liegen, falls nicht anzunehmen 
wäre, dass das Aussenglied in seiner ganzen Substanz nervös sei, 
wogegen wieder mancherlei Bedenken zu erheben sind. . Ein sehr 
wichtiges ist z. B. das neuerdings auch von W. Krause hervor- 
gehobene, dass bei den Vögeln, bei denen wie bekannt im Allgemeinen 
die Zapfen in der Netzhaut eine hervorragende Rolle spielen, die 
Continuität von Innen- und Aussenglied durch den gefärbten Fett- 
tropfen unterbrochen wird, welcher die ganze Dicke des Innen- 
gliedes einnimmt an der Stelle, wo das Aussenglied angränzt, so 
dass nervöse Bestandtheile des Innengliedes nur auf der äusseren 
Oberfläche das Aussenglied erreichen können. Diese würden also 
möglicher Weise in der feinfaserigen Hülle des Aussengliedes gefunden 


en “ 


Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. 251 


werden können, wie ich angab, deren nervöse Natur freilich nicht 
bewiesen ist. 

Wie die Sachen jetzt liegen, kann auf die Frage nach der En- 
digung der Sehnervenfasern in der Retina Folgendes geantwortet 
werden: 

1) Die äussere Körnerschicht enthält radiär verlaufende Nerven- 
fasern, dies sind die bekannten Stäbchen- und Zapfenfasern. Die- 
selben sind, wie ich zuerst ausführlich für Mensch und Säugethiere 
nachgewiesen habe (dies Archiv Bd. II, p. 187 ff.), mit allen Attri- 
buten derjenigen Art von Nervenfasern versehen, die sich bereits in 
der Optikusschicht der Netzhaut vorfinden und die als nakte Axen- 
cylinder, bestehend aus einer grösseren oder geringeren Zahl von 
Primitivfibrillen bezeichnet zu werden pflegen. Allen neuerdings 
ausgesprochenen Zweifeln gegenüber kann ich auf Grund wiederholter 
und mit bedeutend verbesserten Hülfsmitteln ausgeführter Unter- 
suchungen versichern, dass die Uebereinstimmung der Stäbchen- und 
Zapfenfasern mit Nervenfasern der gedachten Art eine vollständige 
ist (vergl. auch meinen Aufsatz über Retina in dem von Stricker 
herausgegebenen Handbuch pag. 992). Diese unzweifelhaften Nerven- 
fasern sind eingebettet in die spongiöse Bindesubstanz, deren Natur 
ich zuerst in meinem Aufsatze de retinae structura penitiori, Bonn 
1859, in Wort und Bild erläutert und von der des Nervengewebes 
scharf unterschieden habe!). Diese Bindesubstanz ist bei Mensch 
und Säugethieren, bei denen die äussere Körnerschicht durch an- 
sehnliche Dicke ausgezeichnet ist und ebenso bei vielen Fischen sehr 
zart und leicht durch Maceration zu erweichen, worauf die nervösen 
Stäbchen- und Zapfenfasern frei herausgezogen werden können. Bei 
Vögeln, Reptilien und Amphibien ist das Verhältniss wegen sehr 
geringer Dicke der äusseren Körnerschicht in so fern ein anderes, 
als längere Stäbchen- und Zapfenfasern hier nicht vorkommen und 
die Bindesubstanz festere Scheiden um die nervösen Elemente der 
äusseren Körnerschicht bildet, so dass hier die Unterscheidung bei- 
derlei verschiedener Elemente noch nicht immer in genügender Weise 
gelungen ist. Landolt hat neuerdings für die Amphibien einen 
freilich noch nicht zu befriedigendem Abschluss gelangten Versuch 


1) Vergl. ausserdem dieses Archiv Bd. II pag. 261, und die schemat. 
Abbildung ebenda Taf. XV, ferner meine Abbildung in Stricker’s Handbuch 
pag. 1016. 


252 Max Schultze: 


der Trennung beider gemacht. Was die von Landolt beschriebenen 
»kolbenförmigen Körper« dieser Schicht bedeuten, bleibt vor der 
Hand dunkel. 

2) Die Zapfen- und Stäbchenkörner sind kernhaltige An- 
schwellungen der Zapfen- und Stäbchenfasern, folglich bipolare Ner- 
venzellen, Ganglienkörper, deren Substanz die Fibrillensubstanz der 
Nervenfaser aufnimmt, deren Kern in dieselbe eingebettet liegt. Merk- 
würdiger Weise ist für Mensch und Säugethiere, wie es scheint, die 
Regel, dass der peripherische Fortsatz dieser Zapfen- und Stäbchen- 
faser, also der Theil, welcher zur limitans externa aufsteigt, eine 
ansehnlichere Dicke besitzt als der centrale Theil, welcher zur äusse- 
ren granulirten Schicht#strebt (siehe meine Abbildung in Strieker’s 
Handbuch pag. 1065). 

3) Die Innenglieder der Zapfen und Stäbchen stellen eine 
directe Fortsetzung der Zapfen- und Stäbchenfasern dar und sind in 
ihrer Substanz demnach als nervös zu betrachten. Ihr Inneres zeigt 
zumal beim Menschen und wiederum am deutlichsten bei den Zapfen 
auch eine Differenzirung in Fibrillen, aber diese haben viel Eigen- 
thümliches. Zunächst schliesst sich die Fibrillenstructur nicht un- 
mittelhar an die Zapfenfaser an, sondern beginnt erst eine gewisse 
Strecke nach aussen von der limitans externa. Die Basis des Zapfen- 
innengliedes lässt eine innere Streifung nicht erkennen, diese beginnt 
etwas vor der Mitte des Zapfens und reicht dann bis zum Ende des 
Innengliedes. Die Streifung ist eine sehr scharfe, zunächst an der 
Öberfläehe in gleichen Abständen rings um den Zapfen convergirend 
gegen das dünnere äussere Ende des Innengliedes, im Innern dicht- 
gedrängt, so dass die Zahl der Einzelfibrillen in einem Zapfen 100 
und mehr betragen mag. Die Streifen entsprechen isolirbaren Fasern 
von eigenthümlichem Glanz, scharf abgesetzt von der sie verbinden- 
den Zwischensubstanz und dadurch wesentlich verschieden von dem 
Aussehen zu einem dickeren Axencylinder vereinigter Nervenprimi- 
tivfibrillen. Ich nenne diesen Faserkegel den Fadenapparat. 

Trotz der verschiedenen Art der Lichtbrechung des Faden- 
apparates und der Fibrillen, welche die Zapfenfasern zusammensetzen 
und trotz des mangeinden Nachweises der Continuität könnte ein Zu- 
sammenhang beider existiren, man brauchte nur anzunehmen, dass 
die in der Zapfenfaser für gewöhnlich einzeln nicht erkennbar existiren- 
den Fibrillen auch noch in der Basis des Innengliedes,die Art der 
Lichtbrechung behalten, welche ihre Wahrnehmbarkeit erschwert 


Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. 253 


oder unmöglich macht, dagegen im äusseren Theile des Innengliedes 
plötzlich alle wesentlich in derselben Ebene ihren Character ändern, 
eine andere Natur annehmen nnd in dieser veränderten Form nun- 
mehr den Fadenapparat darstellen. Analogieen von anderen Nerven- 
endigungen wären nicht schwer anzuführen, da die meisten Nerven 
an ihrem peripherischen Ende Modificationen erleiden. Wo das Aussen- 
glied an das Innenglied grenzt, hören die Fibrillen des Fadenappa- 
rates auf. 

Andererseits wäre es denkbar, dass die eigenthümlich glän- 
zenden Zapfenfibrillen Organe sui generis darstellen, eingebettet in 
die nervöse Grundsubstanz des Zapfen-Inneren. In diesem Falle 
würden sie einen Apparat bilden nicht nervöser Natur, einen 
Hülfsapparat zur Uebertragung der Lichtbewegung in Nervenlei- 
tung, welcher selbst nicht aus Nervensubstanz gebildet mit dieser 
nur in die innigste Berührung gebracht sei, einen Apparat, innerhalb 
dessen durch vielfache Beugung und Reflexion des eintretenden 
Lichtes eine Absorption (d.h. Umarbeitung der Lichtwellen in eine 
andere Bewegungsform) vor sich gehen könnte. 

4) Was endlich den Zusammenhang von Innen- und 
Aussengliedder Zapfen sowohl alsder Stäbchen betrifft, so ist dieser, 
soweit die directe Beobachtung reicht, zunächst durch eine äusserst 
zarte, wie es scheint, feinfaserige Hülle vermittelt. Ob in dieser 
Nervenfibrillen enthalten sind, kann jetzt nur als ganz zweifelhaft be- 
zeichnet werden. Wahrscheinlich leiten sich die feinen Fasern der Ober- 
fläche wenigstens grösstentheils von den Faserkörben der Innenglieder 
ab. Dieselben stellen einen Faserkorb auch um das Aussenglied dar, 
welcher wo deutliche Längsrinnen auf der Oberfläche der Aussenglieder 
vorkommen, in diese eingebettet liegt, und hier wieder mit den pigmen- 
tirten und nicht pigmentirten Fortsätzen der Pigmentzellen in Be- 
rührung, ja vielleicht in Continuität treten kann'!). Die Aussen- 


1) Die Längsstreifung auf der Oberfläche der Stäbchen-Aussenglieder ist 
bei Thieren versehiedener Klassen nachgewiesen, wie ich Merkel gegenüber 
hervorzuheben habe, welcher (l. c. p. 645, 646) meint, dass sie nur bei Am- 
phibien sichtbar sei, wo sie vor Hensen von mir 1866 im 2. Bande dieses 
Arch. p. 284, Taf. XIV, fig. 1. und 1867 Bd. III, p. 223, Taf. XIII, fig. 11, 
14, 15, 17, i8 ausser bei Rana, Triton und Salamandra auch bei Fischen 
beschrieben worden ist. Dass ferner die Längsstreifung der Aussenglieder 
der Säugethierstäbchen ebenfalls auf Rinnen und Leisten der Ober- 
fläche beruhe, habe ich durch meine Abbildung der Querplättchen der 


254 Max Schultze: 


glieder werden jetzt vielfach der Brücke’schen Theorie gemäss als 
reine Reflexionsapparate bezeichnet. Ich habe meine Stellung zu 


Stäbchen vom Meerschweinchen dies. Arch. Bd. V, Taf. XXII, Fig. 1 B ge- 
zeigt. Wo ich ihrer am ausführlichsten gedacht habe, am letztgenannten Orte 
p. 389 etc. und den dazu gehörigen Abbildungen, schilderte ich die Substanz 
der Leisten, oder der an abgesprengten Plättchen sichtbaren Vorsprünge, als 
integrirenden Bestandtheil der Stäbchensubstanz selbst, wie ich ausdrück- 
lich anführe entgegen der Annahme, nach welcher die Vorsprünge als der Ober- 
fläche angewachsene Fasern gedeutet worden. 

Dies entspricht, wie Merkel, der die Sache nachuntersucht und nachbe- 
schrieben hat (l. c. p. 646), zugibt, vollständig der Natur, soweit unsere jetzigen 
Hülfsmittel diesem Gegenstande gegenüber reichen. Somit bleibt es räthsel- 
haft, wenn Merkel sagt, ich solle die vorspringenden Leisten für »die 
Enden des Optikus« erklären und fortfährt: »behandelt man Retinastäbehen 
mit starken Osmiumlösungen, so begeoenet es häufig, wie M. Schultze ge- 
zeigt hat, dass dünne Plättchen der Aussenglieder abgesprengt werden, und 
frei in der Zusatzflüssigkeit herumschwimmen. Hier sind nun, wenn sie sich 
erhalten haben, die Leistehen von oben leicht zu sehen. M. Schultze er- 
klärt sich dies so, dass die Nervenendigungen so fest auf die 
Substanz der Aussenglieder aufgekittet seien, dass sie mit den 
Plättchen abspringeu.« Es handelt sich hier um ein vollständiges Miss- 
verständniss, welches in dieser Ausführung mit mir untergelegten, aber nie- 
mals von mir gebrauchten Worten jedenfalls nicht mehr in die Reihe der 
entschuldbaren gehört. 

Der Leser vergleiche ferner Merkel (p. 647): »die wahre Bedeutung 
(der Rinnen) ist eine sehr einfache und klare. Es handelt sich nämlich nur 
um mechanische Eindrücke, welche durch die in die Stäbchensubstanz einge- 
pressten Pigmentfortsätze der sechseckigen Zellen des Retinalpigmentes ge- 
macht werden. Diese franzenartigen Schnüre von sehr grobkörnigem Pigment 
liegen, wie der Querschnitt der Aussenglieder zeigt, in den Rinnen derselben 
und bewirken so die beschriebene Cannelirung« —. und meine’Erklärung zu 
der das Pigment in situ darstellenden Abbildung Taf. XX11, fig. 175« 1. c. p. 403, 
in welcher ich sage: »Es macht ganz den Eindruck, als wenn die Pigment- 
körnchen-Reihen den Furchen der Oberfläche der Aussenglieder sich an- 
schlössen, in denen vermuthlich auch di@ feinen Nervenfasern liegen, welche 
vom Innenglied auf das Aussenglied übertreten« — um wieder zu sehen, dass 
Merkel den Aufsatz nicht genau gelesen haben kann, der ihm Veranlassung 
zu dem seinigen gab. In dieser Annahme kann sich auch allein der andernfalls 
nur als komisch zu bezeichnende Versuch erklären, die von mir auf der 
Oberfläche der Innenglieder der Zapfen und Stäbchen zumal des Menschen beob- 
achteten zartesten Streifen, dieMerkel, wie seine Worte und Abbildungen be- 
weisen, gar nicht gesehen hat, aus Schrumpfung und gegenseitiger Abplattung 
der aneinanderstossenden Elemente ableiten zu wollen (l. c. p. 656). 


Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. 255 


dieser Theorie ausführlich dies. Archiv Bd. IH, p. 231—236 und p. 258 — 
261 entwickelt und damals das Innenglied und zwar wesentlich dessen 
Grenzfläche gegen das Aussenglied als das wahrscheinliche Per- 
ceptionsorgan für das reflectirte Licht bezeichnet. Die bald darauf 
von mir aufgefundene Plättchenstructur in den Aussengliedern musste 
einen weiteren Beweis abgeben für die exquisit reflectirende Bedeu- 
tung der letzteren (d. A. Bd. III, p. 242). Mittlerweile hatte ich ge- 
nauere Untersuchungen über den anatomischen Zusammenhang von 
Innen- und Aussengliedern angesteilt und war zu dem Resultat 
gekommen, dass wahrscheinlich beide eine gemeinschaftliche, sehr 
schwach brechende Grundsubstanz nervöser Natur besitzen, in welche 
im Aussengliede die starkbrechenden Scheibchen, im Innengliede 
Differenzirungen anderer Art eingelagert sind (l. c. p. 222). Dadurch 
sollte die Continuität beider Gebilde hergestellt sein, welche für den 
Sehvorgang angenommen werden müsse, wenn das Aussenglied an 
der Perception theilnehme. Für eine solche Theilnahme der Aussen- 
glieder, zumal der Zapfen an der fovea, war Hensen eingetreten 
(Virchow’s Archiv Bd. 34, p. 401), wesentlich um ein zur Percep- 
tion kleiner Bilder geeigneteres anatomisches Substrat zu gewinnen 
als die Annahme gewährt, dass die dickeren Zapfenkörper die 
percipirenden Organe seien. Hensen wies zugleich nach, dass unsere 
percipirende Fläche an der fovea centralis in der That lückenhaft 
sei, und dass die Lücken den Zwischenräumen zwischen den von 
Pigment umhüllten conischen Aussengliedern der Zapfen entsprechen 
können. 

Um die unzweifelhaft vorhandene Function zu reflectiren, welche 
den Aussengliedern znkommt, nicht zu vermischen mit derjenigen 
der Perception stellte ich die Hypothese auf, das die letztere Func- 
tion wesentlich an der Grenzfläche des Innengliedes gegen das Aussen- 
glied hafte, wobei die Vortheile der Hensen’schen Hypothese nicht 
aufgegeben wurden, indem diese Grenzfläche bei jedem Zapfen der 
fovea immer noch einen wesentlich geringeren Durchmesser besitzt 
als der dickste Theil des Innengliedes (dieses A. Bd. II, p. 236). 

Mit der Entdeckung der Plättchenstructur und in Rücksicht 
auf die von W.Zenker an diese Structur geknüpften physiologischen 
Betrachtungen (d. A. Bd. III), musste sich meine Ansicht über die 
Bedeutung der Aussenglieder ändern. Was mir früher ungereimt 
schien, Reflexion und Perception an ein und dasselbe Organ zu knüpfen 
(l.c. Bd. II,p. 234), ward zu einer annehmbaren Hypothese. Die im 


256 Max Schultze: 


Plattensatz nothwendig zu Stande kommende complieirte innere Re- 
flexion, Verarbeitung der Lichtbewegung in stehende Wellen und 
Absorption gab so viele Anknüpfungspunkte zur weitern Ausführung 
der Ansicht von der nervösen Bedeutung der Aussenglieder, dass die 
Hypothese zur vollständigen Sicherstellung nur noch eines Prüf- 
steines bedurfte, der Erforschung auch des Auges wirbelloser Thiere 
und des Nachweises, dass auch bei diesen Thieren, bei denen die 
Entwickelung des Auges ganz abweichende Schichtungen der Netz- 
haut bedingt, die percipirende Schicht zugleich Apparate enthalte, 
welche ähnliche innere Reflexionserscheinungen vermitteln wie die 
Aussenglieder der Wirbelthier-Netzhaut. 

Die Hypothese hat diese Probe bestanden. Ich habe zunächst 
bei den Gliederthieren'!) die Existenz von unmittelbar an Linse 
und Glaskörper sich anschliessenden fein geschichteten Stäben nach- 
gewiesen. Mit Nervenfasern in Verbindung, welche an sie herantreten, 
stehen sie dem Lichte zugekehrt. Sie reflectiren Licht vermöge ihrer 
Plättchenstructur, aber das Licht, welches durch sie zurückgeworfen 
wird, tritt in die brechenden Medien des Auges zurück. 

In dieser Art der Reflexion des Lichtes kann also nicht die 
Function der geschichteten Stäbe begründet sein. Es bleibt die andere 
zur Absorption des grössten Theiles der Lichtstrahlen führende innere 
Reflexion an den spiegelnden Flächen der unzähligen Plättchen übrig. 
In dieser allein kann die Existenz der geschichteten Stäbe ihre Er- 
klärung finden. Wesentlich das Gleiche habe ich sodann auch bei 
den Mollusken (Cephalopoden und Heteropoden) nachgewiesen ?). 
Bei diesen Thieren stehen geschichtete Stäbe ebenfalls gegen den Glas- 
körper, empfangen das Licht zunächst aus ibm nnd würden das total 
reflectirte Licht demselben zurückgeben. Da der bei weitem grösste 
Theil des in das Auge fallenden Lichtes in das Innere der langen Stäbe 
eindringt und hier an den hunderten von hintereinanderliegenden spie- 
gelnden Flächen successive (wenn auch nur theilweise) hin und her 
reflectirt und schliesslich zur Absorption gebracht wird, so ist von 
diesem Antheil des Lichtes anzunehmen, dass er es sei, welcher in Ner- 
venbewegung umgesetzt wird. Denn hinter den Stäben liegt Pigment 
und zwischen den Stäben auch. Hier sind also ganz allein 


1) Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und 
Insecten. Bonn, 1868. Vergl. namentlich die Bilder Taf. I, Fig. 1,2, 9, 16, 18. 
2) Dieses Archiv Bd. V,p. 1. 


Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. 257 


von allen Bestandtheilen der Netzhaut die geschichte- 
ten Stäbe die durchleuchteten Theile. 

Da nicht anzunehmen ist, dass die geschichteten Stäbe in den 
Augen wirbelloser und Wirbelthiere bei wesentlich gleicher Structur 
und Beziehung zu den Nerven verschiedene Function haben, wird 
aus dem Verhalten der Stäbe bei den Wirbellosen der Schluss ge- 
zogen werden dürfen, dass bei den Wirbelthieren diese Gebilde nicht 
desshalb reflectiren, damit das Licht nach der Reflexion in den In- 
nengliedern pereipirt werde, sondern desshalb, damit bei der com- 
plieirten inneren Spiegelung eine Umsetzung der Lichtbewegung in 
Nervenbewegung, also die erste Anregung zur Perception selbst ge- 
geben werde. Das heisst mit anderen Worten, es ist das Wahr- 
scheinlichste, dass Nervensubstanz auch mit den Aussen- 
gliedernin Contact oder Gontinuität stehe. 

Ueber die Beziehungen der Nervenfasern zu den geschichteten 
Stäben bei den Wirbellosen wissen wir nur so viel mit Sicherheit, 
dass bei den Cephalopoden und Heteropoden die Stäbe den Nerven- 
fasern oder die Nervenfasern den Stäben anliegen. Ein directer 
Uebergang beider ineinander ist nicht beobachtet. Die Stäbe um- 
fassen die Nervenfibrillen, so dass letztere das Innere der ersteren 
ausfüllen, oder die Nervenfibrillen verlaufen an der Oberfläche der. 
Stäbe, welche zu diesem Behufe rinnenartige Vertiefungen besitzen !). 
Bei den Wirbelthieren hat man Nervenfasern in den geschichteten 
Stäben und hat solche auf der Oberfläche derselben, in deren 
Rinnen sehen wollen. Beiderlei sind vor der Hand ganz hypothetisch. 
Es wäre, wie die Sachen jetzt liegen, sehr wohl denkbar, dass die 
oben bereits erwähnte früher von mir vertheidigte Ansicht der Wahr- 
heit am nächsten käme, dass die Grundsubstanz der Aussenglieder 
durch und durch nervös wäre, wie wir dies von derjenigen der Innen- 
glieder anzunehmen Ursache haben, welche eine unmittelbare Fort- 
setzung der herantretenden Nervenfaser ist. 


1) Dieses Archiv Bd. V, Taf. I und II. 


258 Max Schultze: 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XX. 


Vergrösserung sämmtlicher Figuren ungefähr 1000 Mal. 
Fig. 1—11. Zapfen und Zapfentheile aus den peripherischen Theilen der 
menschlichen Netzhaut, 
„ 312—15 aus der Umgegend des gelben Fleckes, 
„ 16 vom gelben Fleck, 
„ 17, 18, 19 von der fovea centralis. 

a bedeutet in allen Figuren Aussenglied, b den Fadenapparat im 

Innenglied, ce äusseres Korn (Zapfenkorn), d Zapfenfaser. 

Fig. 1. Das Aussenglied ist abgefallen, eine zarte Röhre, welche auch 
den Fadenapparat zu umschliessen scheint, ist an Stelle der Basis 
des Aussengliedes stehen geblieben. 

Fig. 2 u. 3. Die Aussenglieder sind zum Theil erhalten aber in Plättchen- 
zerfall. An ihrer Basis ist ein vom Innenglied ausgehender 
Fortsatz sichtbar, welcher möglicherweise einer Hülle des Aussen- 
gliedes angehört. 

Fig. 4. Von dieser Hülle ist Nichts zu sehen. 

Fig. 5, 8 u. 9. Isolirte Fadenapparate, bei 5 von einer zarten Hülle 
überragt, welche die Basis des Aussengliedes umschloss, bei 9 
ein glänzendes Plättchen, einen Theil des Aussengliedes um- 
schliessend. 

Fig. 10, 11, 13. Zapfen, an denen die den Fadenapparat umschliessende 
Hülle in eigenthümlicher Weise geschlossen oder ausgezogen 
endigt, ohne dass die Beziehung zu dem abgefallenen Aussen- 
gliede klar erkennbar geblieben wäre. 

Fig. 14. Hülle des Innengliedes wie bei Fig. 13 fein ausgezogen, dann 
scheinbar scharf abgesetzt das gequollene Aussenglied. 

Fig. 15. Zapfen, an welchem einige Plättchen des Aussengliedes in eine 
zarte Hülle eingeschlossen liegen. 

Fig. 16. Zwei Zapfen vom gelben Fleck, die Aussenglieder fehlen. 

Fig. 17. Vier Zäpfen von der fovea centralis mit Aussengliedern a, 
Fadenapparat b, in Verbindung mit den Zapfenfasern und äusse- 
ren Körnern. 


Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Retina. 259 


Fig. 18. Drei Zapfen derselben Art ohne Aussenglieder. Zwischen den 
Zapfenfasern, welche bei d d starke Schlängelungen zeigen, die 
durch die Präparition entstanden sind, liegen feine Fibrillen der 
Bindesubstanz. 

Fig. 19. Zapfen der fovea ohne Aussenglieder in der eigenthümlich 
gebogenen Stellung, wie sie nach der Erhärtung sehr häufig an- 
getroffen worden. 

Fig. 20. Stäbchen vom Menschen. 

b Fadenapparat, ce Stäbchenkorn, d Stäbchenfaser. 

Fig. 21. Aeusserer Theil einer radialen Faser der Bindesubstanz der Retina 
vom Huhn. 

Fig. 22. Aeusserer Theil zweier radialer Fasern der Bindesubstanz der Retina 
vom Menschen. 

In beiden Figuren bezeichnet i die Gegend der inneren Körnerschicht, 

g die äussere granulirte Schicht, a die Gegend der äusseren Körner, 1 die 
limitans externa, f die Faserkörbe um die Basen der Stäbchen und Zapfen. 


Das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan. 


Von 
Dr. Jos. Schöbl 
in Prag. 


Hierzu Taf. XXI—XXIV. 


Nachdem ich in der Flughaut der Chiropteren eigenthümliche 
Terminalkörperchen als den Sitz des überaus feinen Tastvermögens 
derselben nachgewiesen habe, wie im ersten Hefte dieses Bandes 
beschrieben ist, lag es nahe, nach ähnlichen terminalen Bildungen 
sensitiver Nerven auch bei anderen Säugethieren zu forschen. Ich 
ging hierbei in vorhinein von der Voraussetung aus, dass das feine 
Tastvermögen der Flughaut den Chiropteren vorzüglich an jenen 
Orten unentbehrlich ist, wo sie sich wegen Lichtmangel des Seh- 
vermögens nicht bedienen können, in tiefen Höhlen, unterirdischen 
Gängen und dergleichen; und dass man bei Thieren, welche stets 
oder zeitweise ähnliche dunkle Lokalitäten bewohnen, möglicherweise 
eine ähnliche feine Ausbildung des Tastsinnes an irgend einer 
Körperstelle auffinden könnte. Unter den mir in beliebiger Anzahl 
zu Gebote stehenden Thieren ähnlicher Art musste mir vor allen 
anderen die Maus einfallen, und diese war es auch, auf die ich zu- 
nächst meine Untersuchungen ausdehnte. 

Schon bei der ersten äusserlichen Betrachtung fiel mir, so zu 
sagen instinktiv, eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem überaus 
zarten, scheinbar nackten, jedoch mit kleinen Härchen regelmässig 
besetzten, stets beweglichen äusseren Ohre der Mäuse und der Flug- 
haut der Chiropteren auf. 


Dr. Jos. Schöbl: Das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan. 261 


Wie war ich aber erstaunt, als mir nach vorgenommener vor- 
sichtiger Präparation ein wahrhaft fabelhafter Nervenreichthum 
dieses Organes entgegentrat. Ich kenne kein Hautgebilde in der 
ganzen Säugethierwelt, das so ungemein nervenreich wäre wie das 
äussere Ohr der Mäuse. Selbst die Flughaut der Chiropteren er- 
scheint mit dem äusseren Ohre der Mäuse verglichen arm an Nerven; 
was an jener auf weiter Fläche sich verbreitet, ist an diesem in 
engstem Raume zusammengedrängt. 

Nicht lange darauf gelang es mir, auch eigenthümliche Tast- 
gebilde und ein eigenes prachtvolles, blasses Endnetz sensitiver 
Nerven nachzuweisen. 

Zu meinen Untersuchungen verwendete ich fast ausschliesslich 
albinotische Exemplare der Hausmaus. 

Da die übrigen Gebilde des äusseren Ohres wie Oberhaut, 
Malpighi’sche Schicht, Knorpel, Blutgefässe und dergleichen nichts 
aussergewöhnliches darbieten und nicht zum Wesen der Sache ge- 
hören, so habe ich dieselben in der nachfolgenden Abhandlung ganz 
weggelassen, und beschränke mich nur auf die genaueste Dar- 
stellung der Nerven, ihres Verlaufes und ihrer doppelten Endi- 
gungsweise. 

Führt man nach vorausgegangener Einwirkung von Reagenzien 
einen gelungenen Flächenschnitt gerade durch den Knorpel und 
spaltet auf diese Weise das ganze äussere Ohr oder wenigstens einen 
grossen Theil desselben in zwei Lamellen, von denen jede nahezu in 
gleicher Weise mit überaus reichlichen Nerven und deren Endi- 
gungen versehen ist; entfernt man nun noch auf vorsichtige Weise 
die Oberhaut und die Malpighi’sche Schicht von der Lamelle, so eignet 
sie sich vollends zur Untersuchung. 

In jeder Lamelle können wir ungezwungen drei Schichten 
dunkelrandiger Nerven und eine Schicht blasser Nerven unterscheiden. 

‚Die erste Nervenschicht liegt am tiefsten unmittelbar über dem 
Knorpel, und enthält die stärksten Nervenstämme, welche 5 bis 7 
an der Zahl ins äussere Ohr eindringen, und ihre nächsten Ver- 
zweigungen, welche im Durchmesser von 0,074 M. bis 0,0185 Mm. 
schwanken. Die Verzweigung dieser Nervenstämme ist im grossen 
Ganzen eine baumförmig dichotomische und sie werden zumeist von 
grossen Blutgefässen begleitet. 

Längs des ganzen Verlaufes kommen überaus zahlreich anasto- 


motische Verbindungen zwischen je zwei Nervenstämmchen sowohl 
M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 18 


362 Dr. Jos. Schöbl: 


als zwischen verschiedenen Aesten desselben Stämmchens vor, welche 
auf mannigfaltige Weise gebildet werden. 

1. Chiasmaartige Verbindungen zweier Nervenstämme (Taf. XXI, 
1, 2, 3, 4. Taf. XXL, 1), bei denen eine theilweise Kreuzung der 
Nervenfasern stattfindet, indem von der inneren Seite des einen Nerven- 
stammes ein Bündel von Nervenfasern zum anderen mit dem ersten 
mehr oder weniger parallel und in geringer Entfernung verlaufenden 
Nervenstamm streicht und ebenso von diesem zweiten Stamm ein 
Bündel zum ersten hinüberzieht, das früher erwähnte Bündel 
schief kreuzend. Ausserdem verlaufen noch ein paar Nervenfasern 
von einem Nervenstamm längs des unteren Randes des Chiasma 
zum anderen, um daselbst rückläufig wieder nach abwärts zu ver- 
laufen und bilden so ein Analogon der Comissura ansata am Chiasma 
nervorum opticorum. 

In derselben Weise streichen ein paar Nervenfasern von dem 
peripheren Theile des einen Nerven, kommen längs des vorderen 
Randes des Chiasma zum anderen, um daselbst abermals gegen die 
Peripherie zu verlaufen, analog der Comissura arcuata posterior. 
Auf Taf. XXL, 1 ist dieser Verlauf deutlich dargestellt. 

2. Verbindungen durch einfache Querbrücken (Taf. XXT, 5, 6, 7) 
kommen dadurch zu Stande, dass ein Nervenbündel von einem Ner- 
venstamm oder Ast in querer Richtung zum anderen hinüberstreicht, 
und auf diese Weise eine bald längere bald kürzere Queranastomose 
bildet. Hierbei kommt gewöhnlich die eine Hälfte der Nervenfasern 
vom centralen Theile des einen Nerven, und verläuft am anderen 
wieder rückläufig gleichfalls zum centralen Theil desselben, die an- 
dere Hälfte dagegen kommt vom peripheren Theil des einen und 
läuft dann gleichfalls wieder zum peripheren Theil des anderen 
Nerven. 

3. Verbindungen durch diagonale Schleifen (Taf. XXI, 8, 9, 
10, 11, 12. Taf. XXI, 2) kommen zu Stande, indem ein Bündel 
von Nervenfasern von einem Nervenstamm oder Ast einfach in schief 
diagonaler Richtung herüberstreicht. Hierbei kommen die Nerven- 
fasern zumeist vom centralen Theil des einen und streichen gegen 
das periphere Ende des anderen Nerven. 

4. Verbindungen durch Netzbildung (Taf. XXI, 13, 14, 15). 
Die Netzbildung erscheint in dieser Nervenschicht stets nur in be- 
schränktem Maassstabe, so dass nur einige wenige Maschen ent- 
stehen, die stets langgestreckt sind. 


Das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan. 263 


5. Verbindungen durch terminale Winkelanastomosen (Taf. XXI, 
16, 17) kommen zu Stande, indem zwei Nervenstämme oder Aeste 
gegen das Ende ihres Verlaufes unter einem Winkel zusammen- 
stossen, ihre beiderseitigen Fasern einem gemeinsamen Stamm 
vereinigen, welcher zumeist nach kurzem Verlauf den Knorpel durch- 
bohrt und mit den Nervenstämmen derselben Schicht in der zweiten 
jenseits des Knorpels gelegenen Lamelle eine Verbindung herstellt. 
Hierbei kann es namentlich bei stumpfwinkligen Anastomosen vor- 
kommen, dass einige Nervenfasern des einen Nervenstämmchens 
längs des einen Randes der Winkelanastomose umbiegen, um am 
anderen Nervenstamm rückläufig wieder gegen das centrale Ende 
desselben zu streichen. | 

6. Verbindungen durch Bogenanastomosen (Taf. XXI) kommen 
einfach .dadurch zu Stande, dass zwei Nervenstämme oder Aeste 
bogig schlingenförmig in einander übergehen. 

7. Verbindungen durch Perforation des Knorpels mit der 
analogen Nervenschicht der jenseitigen Lamelle (Taf. XXI, 19, 33. 
Taf. XXIIL, 3). Zahlreiche Nervenstämme, mitunter von bedeutender 
Stärke, durchbohren namentlich in der Nähe des freien Ohrrandes 
den Knorpel in senkrechter oder schiefer Richtung, und bewerkstel- 
ligen auf diese Weise eine vielfache Verbindung zwischen den zwei 
analogen Nervenschichten diesseits und jenseits des Knorpels. Ausser 
diesen eben erwähnten Verbindungszweigen geben die Hauptnerven- 
stämme während ihres ganzen Verlaufes von Stelle zu Stelle kleine 
Zweige ab, welche in die nächst obere zweite Nervenschicht über- 
gehen, und zerfallen endlich, nachdem sie sich wiederholt dichoto- 
misch verästelt haben, gegen den Rand des Ohres zu in fernere 
Aeste, welche gleichfalls bereits der nächstoberen zweiten Nerven- 
schicht angehören. 

Die zweite Nervenschicht liegt unmittelbar über der 
ersten, aus der sie auf die bereits oben angedeutete Weise her- 
vorgeht. 

Sie besteht aus Nervenstämmchen von 0,0185 M. bis 0,0098 Mm. 
Durchmesser und liegt unter dem Capillargefässnetz. 

Der Verbreitungstypus der Nerven dieser Schicht ist ein un- 
regelmässig netzförmiger, und zwar kommen in derselben die ver- 
schiedensten und überaus polymorphe Maschenbildungen vor. 

Zunächst finden wir directe kleine und kleinste Maschen durch 
gleich starke Nervenstämmchen unmittelbar gebildet, wie z. B. 


264 Dr. Jos. Schöbl: 


Taf. XXIL, 4, 5. Taf. XXI an sehr vielen Orten, die Gestalt der- 
selben ist sehr mannigfaltig; dann directe weite Maschen, an denen 
sich oft Nervenstämmchen von verschiedener Stärke betheiligen, gleich- 
falls von höchst variabler Gestalt und Grösse, so z. B. Taf. XXL 6, 7; 
indirecte Maschenbildungen, welche durch Verbindung zweier Ner- 
venstämme der nächst untern Schicht zu Stande kommen ; indirecte 
Maschenbildungen, welche erst mit Hülfe von Nervenstämmchen der 
nächst oberen Schicht zum Abschluss kommen. Die feineren Zweige 
dieser Schicht dringen weiter nach oben und bilden daselbst die 
dritte Nervenschicht. 

Direkte Maschenbildungen kommen in dieser Schicht ungemein 
häufig vor; am Grunde und in der Mitte des Ohres sind die Ma- 
schen sparsamer und weiter, nach oben zu und gegen die Peripherie 
werden sie dichter und enger. 

Die dritte Nervenschicht, welche sich aus den feinsten 
Zweigen der zweiten entwickelt, liegt unmittelbar über derselben in 
gleicher Flucht mit dem Capillargefässnetz. Sie enthält Nerven- 
stämmchen von 0,0098 M. bis 0,0037 Mm. Durchmesser, welche so- 
wie die beiden vorangegangenen Schichten dunkelrandige Nerven- 
fasern enthalten. 

In Bezug auf Verbreitung der Nerven dieser Schicht gilt genau 
dasselbe Gesetz wie ich es bei der zweiten Schicht angegeben habe. 
Es kommen dieselben direeten engen und weiten, und indirecte Ma- 
schen vor wir dort, nur dass ihre Weite verhältnissmässig stets eine 
bei weitem geringere ist. 

Die feinsten Zweige dieser Schicht zeigen jedoch ein abwei- 
chendes doppeltes Verhalten. Ein Theil dieser Nervenstämmchen, 
aus zwei bis vier markhaltigen Nervenfasern bestehend, begibt sich 
zu je einem Haarbalg und bildet daselbst durch Umwicklung des 
Haarschaftes einen Nervenring und endet unterhalb des Haarbalges 
als Nervenknäuel; ein anderer T'heil der betreffenden Nervenstämm- 
chen, die zumeist nur aus zwei Nervenfasern bestehen, erhebt sich 
mehr gegen die Oberfläche, die Nervenfasern werden blass und 
bilden unmittelbar unter der Malpighi’schen Schicht ein blasses Ter- 
minalnetz, welches die vierte und letzte Nervenschicht darstellt. 

Auf Taf. XXI sind die einen Zweige sammt den von ihnen 
gebildeten Ringen und Knäulen, die anderen dagegen frei endigend 
dargestellt. Auf Taf. XXIII verhalten sich die ersteren Zweige wie 
auf der vorigen Tafel, nur sind sie bedeutend stärker vergrössert ; 


Das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan. 265 


bei den letzteren Zweigen ist der Uebergang in das blasse Terminal- 
netz ersichtlich. 

Die Nervenringeund Nervenknäule (Taf. XXIII u. XXIV, 
Taf. XXII angedeutet) sind, was ihr Vorkommen und ihre Vertheilung 
am Mäuseohr anbelangt, an die feinen Härchen desselben gebunden, 
so zwar dass es am ganzen äusseren Ohre keinen einzigen Ring 
und Knäuel ohne Härchen gibt und umgekehrt. Jedes Härchen 
bildet mit seinen beiden grossen Talgdrüsen und dem Nervenring und 
Knäuel ein abgeschlossenes Ganze. Schweissdrüsen fehlen am ganzen 
äusseren Ohre der Maus vollständig. 

Die Länge der Härchen schwankt zwischen 0,332 M. bis 0,83 Mm. 
Ihre Vertheilung am äusseren Ohre ist eine regelmässige, am Grunde 
und in der Mitte des Ohres sind sie am sparsamsten, gegen oben 
und den Rand zu werden sie dichter, am Rande selbst stehen sie 
am dichtesten, so dass sich hier ihre Talgdrüsen fast wechselseitig 
berühren. 

Unter der Haarzwiebel in jedem Haarbalg befindet sich eine 
mehr oder weniger conische Verlängerung, welche aus deutlichen 
kernhaltigen Zellen besteht, die ihrer Grösse nach der Wurzel- 
scheide angehören. Der ganze Fortsatz ist von der Glashaut 
des Haarbalges umhüllt, welche nach oben einen eingekerbten 
Rand besitzt und im oberen Theile deutlich längsstreifig ist. 
(Taf. XXIV.) 

Zu jedem Haarbalg tritt, wie bereits oben erwähnt wurde, ein 
schwaches, aus der dritten Schicht stammendes Nervenstämmchen, 
welches zumeist aus zwei bis vier markhaltigen Fasern besteht. 
Dieses Nervenstämmchen umwickelt in der Gegend des eingekerbten 
Randes der Glashaut den Haarschaft in mehrfachen Touren und 
bildet auf diese Weise einen Nervenring oder Kranz, der das Haar 
umschlingt. Von diesem Nervenring streichen zwei bis vier Nerven- 
fasern längs der conischen Verlängerung nach abwärts bis an das 
stumpf abgestutzte Ende derselben und bilden daselbst einen Ner- 
venknäuel, welches somit unmittelbar unter dem betreffenden Fort- 
satze liegt (Taf. XXIV). 

Die Knäule sind, was ihre Form anbelangt, fast stets kugel- 
rund, selten etwas oval, ihr Durchmesser beträgt im Mittel 0,015 Mm. 
In einigen Fällen glaube ich im Inneren des Knäules einige wenige 
Zellen von ähnlicher Beschaffenheit, wie sie den Zellfortsatz bilden, 
gesehen zu haben. 


266 Dr. Jos. Schöbl: 


Auf einem Quadratmillimeter Oberfläche befinden sich am Rande 
des Ohres beiläufig 90 Nervenknäule, am Grunde circa 20, im Mittel 
kommen somit auf ein Quadratmillimeter Ohroberfläche 30 Nerven- 
knäule. 

Da man nun die ganze Flächenausdehnung des äusseren Ohres 
einer mittelgrossen Hausmaus ohne grossen Fehler auf ein Quadrat- 
millimeter berechnen kann, so kommen auf eine Ohroberfläche 3000, 
auf beide Flächen eines Ohres 6000 und auf beide Ohren zusammen 
beiläufig 12000 Nervenknäule. 

Das blasse Terminalnetz (auf Taf. XXIII dargestellt). 
Wie bereits erwähnt wurde, entwickelt sich das blasse Termi- 
nalnetz aus einem Theile der feinsten Aestchen der dritten Nerven- 
schicht. 

Kölliker hat die Existenz eines blassen Terminalnetzes in der 
Haut der Maus bereits im Jahre 1856, wenn auch nur mit wenigen 
Worten und einer flüchtigen Zeichnung nachgewiesen (Zeitschrift 
für wissensch. Zoologie. Bd. VII, p. 311, Taf. XIV). Es liegt un- 
mittelbar unter der Malpighi’schen Schicht über dem Capillarge- 
fässnetz. Es liegt nicht vollkommen streng genommen überall in 
einer mathematischen Ebene, indem an einzelnen Stellen Nerven- 
fasern dieser Schicht über anderen derselben Schicht hinüber- 
streichen. Doch ist dies nur in untergeordnetem Maassstabe der 
Fall und berechtigt nicht, zwei Schichten blasser Nervennetze auf- 
zustellen. 

Die Nerven dieser Schicht bilden ein höchst eigenthümliches, 
prachtvolles, überall in sich abgeschlossenes Endnetz und ihre 
Stärke beträgt, da wo sie bandförmig erscheinen, bis 0,0037, sinkt 
aber an anderen Stellen bis zu unmessbarer Feinheit. 

Die Maschen des Netzes sind sehr vielgestaltig und haben 
eine sehr variable Weite, sind jedoch überall in sich abgeschlossen 
und kein einziges Nervenfädchen begibt sich weiter oder endet frei. 
Bei gelungenen Präparaten starker Vergrösserung und greller Be- 
leuchtung kann man das geschlossene Netz auf weite Strecken hin 
verfolgen, wenn man die Mühe nicht scheut. 

An den Knotenpuneten der Maschen befinden sich zahlreiche 
Anschwellungen, welche die verschiedenartigsten bizarrsten Gestalten 
darbieten, und auch in ihrer Grösse vielfach variiren. 

Die bildliche Darstellung des Endnetzes auf Taf. XXIII, die 
ich porträtmässig genau einem einzigen Präparate entnommen habe, 


Das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan. 267 


enthebt mich wohl der Mühe einer weitschweifigen und langweiligen 
Beschreibung desselben. 

Ich bemerke nur noch zum Schluss, dass die beiden ersten 
Tafeln nach einem einzigen Präparate mit grösster Genauigkeit ge- 
zeichnet sind, und dass dasselbe Präparat, ob zwar bald ein Jahr 
alt, sich noch in einem so wohl erhaltenen Zustand befindet, dass 
ich im Stande bin, jede beliebige Stelle meiner Zeichnungen, selbst 
das blasse Endnetz an denselben zu demonstriren. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXI—XXIV. 


Taf. XXL 

Stellt den Verlauf der stärksten und stärkeren Nervenstämmcehen eines 
Theiles des äusseren Ohres von einer albinotischen Hausmaus dar. Die Ver- 
grösserung ist 50. 

Die mit a, b. c, d bezeichnete Partie erscheint auf Taf. XXII stärker, 
die mit «, ß, y, d auf Taf. XXIII noch stärker vergrössert. 

Bei 1, 2, 3, 4 finden sich chiasmaartige Anastomosen; 

bei 5, 6, 7 Queranastomosen; 

bei 8—12 schiefe diagonale Aanastomosen; 

bei 13, 14, 15 Netzanastomosen; 

bei 16, 17 Winkelanastomosen; 

bei 18 Bogenanastomosen; 

bei 19—33 knorpeldurchbohrende Anastomosen. 


Tarı SRIL 

Stellt das auf Taf. XXI mit a, b, ec, d bezeichnete Stückchen bei 280- 
maliger Vergrösserung dar. 

Die Nerven der ersten und zweiten Schicht sind schwarz, die der dritten 
braun dargestellt. 

Die Terminalkörperchen, stets von je zwei Talgdrüsen umgeben, sind 
angedeutet. Bei 1 findet sich eine chiasmaartige Anastomose, bei 2 eine 
diagonale, bei 3 eine knorpeldurchbohrende der ersten Nervenschicht, bei 
4 und 5 finden sich enge, bei 6 und 7 weite Maschen der zweiten Ner- 
venschicht. 

Taf. XXIII. 

Stellt die auf Taf. XXI mit «, $, y, d bezeichnete Partie bei 450- 
maliger Vergrösserung dar. 

In der Tiefe sieht man die aus dunkelrandigen Nervenfasern be- 
stehenden Stämmchen, — oberflächlich das blasse Terminalnetz. Der den 
“Haarschaft umgebende Nervenkranz, sowie Terminalkörperchen, stets von je 


268 Dr. Jos. Sehöbl: Das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan. 


zwei Talgdrüsen umgeben, sind gleichfalls dargestellt. Die Härchen sind 
wie auf Taf. II weggelassen. 
Taf. XXIV. 
Zeigt die untere Partie eines Härchens, den Haarbalg mit der 
Glashaut desselben, den eigenthümlichen conischen Zellkörper unter der 


Haarzwiebel, die beiden Talgdrüsen, dann das zum Haar sich begebende Ner- 


venstämmchen, den den Haarschaft umwickelnden Nervenkranz und das kugelig 
knäuelförmige Terminalkörperchen, über 1000mal vergrössert. 


Der Lichtdruck in seiner Bedeutung für die 
Mikrophotographie, 
unter Beifügung von 2 selbstgefertigten phototypischen Probebildern. 


Von 
H. Landois und W. Thelen. 


Vorläufige Mittheilung. 


Die verschiedenen Licht-Druck verfahren. 


In neuerer und neuester Zeit ist die Frage von vielen Seiten 
mannigfach ventilirt, ob die Photographie in Bezug auf Mikroskopie 
viel oder wenig zu leisten im Stande sei. Die sanguinischen Hoff- 
nungen, welche durch die Mikrophotographie die zeitraubenden, 
zarten Zeichnungen der diffieilsten Präparate bereits ersetzt glaub- 
ten, sind längst gesunken, jedoch kann wohl nicht bestritten werden, 
dass die Photographie in manchen Fällen wesentliche Dienste zu 
leisten im Stande sei. Es gilt dieses namentlich für den Zweck der 
Demonstration. In einem grossen Auditorium ist es durchaus nicht 
möglich, viele Präparate durch Autopsie den Zuhörern zugänglich 
zu machen. Wird hingegen der Gegenstand mikrophotographisch 
aufgenommen, so ist dieser Uebelstand sofort beseitigt. Ein Feder- 
strich deutet auch sofort die betreffende Stelle an, worüber es sich 
gerade beim Vortrage handelt. Auch fällt die subjective Deutung 
des Präparates, indem der Zuhörer das natürliche Bild vor Augen 
hat. Allerdings finden wir in unseren Mikrophotographien nicht die 
scharfen Linien wieder, wie wir sie in unseren mikroskopischen 


270 H. Landois und W. Thelen: 


Zeichnungen zu sehen gewohnt sind; aber der hinreichende Ersatz 
ist die Naturwahrheit derartiger Bilder. Handelt es sich ferner 
um eine weite Verbreitung naturgetreuer Bilder, so ist die Photo- 
graphie kaum zu entbehren. Wir beabsichtigen hier jedoch nicht, 
über die Vorzüge und Nachtheile des photographischen Verfahrens 
zu streiten, sondern eine kurze Auseinandersetzung derjenigen Me- 
thoden zu geben, welche man zur Vervielfältigung mikroskopi- 
scher Präparate erfunden hat. Beigefügte Probebilder werden den 
Naturforscher am geeignetsten in Stand setzen, ein eigenes Urtheil 
über den Werth dieser durch den Lichtdruck vervielfältigten Bilder 
abzugeben. 

Bereits im Jahre 1857 veröffentlichte Martin!) ein Ver- 
fahren, um Lichtbilder auf den zum Stich dienenden 
Metallplatten darzustellen. Auch Niepce theilte in Ver- 
bindung mit dem Kupferstecher Lemaire eine neue Anwendung 
für den photographischen Stahlstich mit. Die Talbot’schen Bilder 
stehen diesen in keiner Weise nach. Für den Kupferstecher und 
Holzschneider ist es natürlich eine nicht geringe Zeitersparniss, wenn 
die Photographie ihm das Original zum Stich naturgetreu auf die Platte 
oder auf den Holzstock überträgt. Es findet daher diese Methode 
auch heutzutage noch mannigfache Anwendung. Bei den bisherigen 
Methoden zur Herstellung der Photographien auf Holzstöcken hatte 
man mit mancherlei Uebelständen zu kämpfen, welche in neuester Zeit 
durch das Verfahren von Grüne?) beseitigt sind. Die Holzfaser wurde 
meistens durch die Behandlung mit den verschiedenen Chemikalien 
angegriffen, und anderseits lag das Bild als Haut dem Stocke auf, 
welche während des Stechens sich leicht blätterig ablöste. Das 
Wesentliche der Grüne’schen Methode besteht darin, dass zunächst 
ein Collodiumhäutchen, welches das Silberbild enthält, auf den Stock 
geklebt wird. Nachdem es auf demselben getrocknet, wird das 
Collodium vermittelst Alkohol und Aether fortgespült, so dass das 
Bild, aus unendlich feinem Metallstaube bestehend, schliesslich allein 
auf dem Stocke haftet. Die Töne der Photographie muss natürlich 
der Holzschneider in Strichmanier übersetzen. Es werden auf diese 
Weise gegenwärtig viele Illustrationen englischer Zeitschriften, wie 
der „Graphic‘ und „Ilustraded Times‘ angefertigt. Diese und 

1) Handbuch der gesammten Photographie. Wien 1857. 

2) Photographische Mittheilungen. Heft 6, pag. 145. Berlin 1870. 


Der Liehtdruck in seiner Bedeutung für die Mikrophotographie. 271 


ähnliche Methoden für den Stich leisten allerdigs ausserordentlich 
viel, und sind in manchen Fällen geradezu unentbehrlich geworden, 
bedürfen jedoch stets zur Vollendung der Arbeit eines gewiegten 
sravirenden Künstlers. 

Man hat auch versucht, die Daguerreotypbilder durch Galva- 
noplastik zu vervielfältigen. Wird die mit dem vergoldeten Queck- 
silberbilde versehene Silberplatte in den galvanischen Apparat ge- 
taucht, so ist man im Stande, mehrere galvanoplastische Abdrücke 
von dem Bilde zu nehmen. Die Bilder haben allerdings den Vor- 
theil, dass sie das Original genau in Hinsicht auf rechts und links 
wiedergeben, leiden aber unter anderem daran, dass das galvanische 
Cliche die Kupferfarbe trägt und auch nicht selten Flecke bekommt. 
Ausserdem ist der Preis von Original und Cliche nahezu gleich. — 
Wir haben im vorigen Herbste selbst einige galvanoplastische 
Clich&s hergestellt, welche direct für den Druck verwerthet 
werden konnten. Wenn eine Photographie nach dem bekannten 
Kohlendruckverfahren auf einer Glasplatte angefertigt wird, so liegen 
die belichteten Partien des Bildes etwas erhaben. Beim Anfeuchten 
treten eben diese Erhabenheiten noch mehr hervor und zwar die 
tiefen Schatten mehr als die Halbschatten. Wir überzogen das Bild 
mit feinem Graphit, brachten dasselbe in das galvanoplastische Bad 
und erhielten einen hübschen Abdruck in Kupfer, In der Platte 
liegen die Schatten je nach ihrer Intensität tiefer oder flacher. 
Wird die Platte nach Art einer Kupferstichplatte mit Schwärze ein- 
gerieben, so liefert sie beim Drucken das dem Originale ähnliche 
Bild. Obschon dieses Verfahren ein befriedigendes Resultat lieferte, 
haben wir es doch aus dem Grunde aufgegeben, weil der Mechanis- 
mus des Druckens ebenso wie beim Drucken der Kupferstiche zu 
viel Handfertigkeit und Zeitaufwand erfordert. An denselben Uebel- 
ständen scheitert auch der Druck solcher Platten, welche durch 
Einwalzen trockener Gelatinebilder in Bleiplatten hergestellt werden. 
Wirklich schöne Bilder liefert der hierhergehörende Woodbury’s 
Reliefdruck. Woodbury:) macht von Gelatinebildern einen Ab- 
klatsch in Blei mit Hülfe einer hydraulischen Presse, und erhält so 
eine Druckplatte, die mit warmer gefärbter Gelatinelösung derselben 
Art, wie sie zum Fertigen der Pigmentbogen beim Kohledruck dient, 
übergossen und dann mit Papier zusammengepresst wird. Die Ge- 


1) Phot. Mitth. Heft 5. 1869. 


272 H. Landois und W. Thelen: 


latine erstarrt und bildet dann auf dem Papier ein Pigmentbild in 
allen Tonabstufungen.“ Das beigefügte Probebild ‚der Kleider- 
händler‘‘ lässt mit Ausnahme des Kostenpunctes nichts zu wünschen 
übrig. 

Der Curiosität wegen sei noch eines Verfahrens gedacht, ver- 
mittelst Joddämpfe Abdrücke von Bildern zu erzielen, 
dessen Erfinder Niepce zu sein scheint. Er entdeckte die Eigen- 
schaft des Joddampfes, sich an den dunklen Stellen des Kupferstiches, 
einer Schrift u. s. w. anzulegen und die weissen Stellen frei zu 
lassen. Wird diesem Kupferstich ein mit Stärkekleister getränktes 
Papier aufgelegt, so gibt dasselbe einen Abdruck, indem den 
schwarzen jodirten Linien des Bildes entsprechend, sich die Stärke 
intensiv bläuet. Dieses Verfahren lässt jedoch nur eine Vervielfäl- 
tigung von Bildern in Strichmanier zu. 

Auch die Kunst, Photographien durch den lithogra- 
phischen Druck nachzubilden, hat seit längerer Zeit ihre 
Anhänger gefunden. Der Stein wird so geschliffen, dass er das 
Korn für Kreidezeichnung annimmt. Man tränkt ihn darauf mit 
einer schwachen Lösung von oxalsaurem Eisenoxyd und lässt diese 
Flüssigkeit möglichst tief in den Stein eindringen. Der unter dem 
Negativ oder in der Camera belichtete Stein zeigt das Bild in 
braunem Tone, welches durch Lösung von kohlensaurem Ammoniak 
fixirt wird. Soll nun das Bild durch den Druck vervielfältigt wer- 
den, so wird der Stein mit Oxalsäure geätzt. Die farbigen Stellen 
nehmen später beim Druck die Schwärze an, während die früher 

icht belichteten Theile die Farbe abstossen. Diese und ähnliche 
Verfahren haben bereits eine hohe Stufe der Vervollkommnung er- 
reicht, leiden jedoch sämmtlich an dem nicht zu beseitigenden Uebel- 
stande, dass das Korn des Steines stets zu grob und eben deshalb 
ein relativ grobes Bild liefert. 

Die vollkommenste Methode der Vervielfältigung photographi- 
scher Bilder bietet bis jetzt unstreitig das Gelatineverfahren. 
Die ersten Mittheilungen dieser Art veröffentlichten 1867 Tessie 
de Mothay und Mar&chal in Metz. Es handelt sich bei diesem 
Lichtdruck zuerst darum, eine dünne Gelatineschicht auf einer 
Glasplatte recht fest anzubringen. Dieses geschieht dadurch, dass man 
zuerst eine Schicht von Eiweiss, Gelatine und chromsaurem Kali auf 
die Platte bringt, von hinten belichtet, wodurch diese erste Schicht 
unlöslich wird und dem Glase fest anhaftet, sodann die zweite 


Der Lichtdruck in seiner Bedeutung für die Mikrophotographie. 273 


Schicht aufträgt, die aus Gelatine und chromsaurem Kali besteht. 
Die letztere wird im Dunkeln getrocknet. Durch Erwärmen lässt 
sich diese Schicht erhärten. Bei der Belichtung unter einem Ne- 
gativ wird die Chromsäure desoxydirt und verbindet sich als Chrom- 
oxyd mit der Gelatine, welche eben dadurch die Eigenschaft an- 
nimmt, an den belichteten Stellen Fettfarbe der Druckerwalze anzu- 
nehmen. 

Die Platten der hier beigefügten Probebilder halten den 
Druck vieler Hunderte von Exemplaren aus, was namentlich her- 
vorgehoben zu werden verdient, weil die Platten mancher anderer 
Photographen an dem Mangel der Haltbarkeit leiden. 

Der Vervielfältigung durch den Druck entzieht sich keine 
Photographie, überhaupt kein Bild. Es kann sich demnach unser 
Verfahren auf sämmtliche Illustrationen erstrecken. 

Das Druckverfahren vereinigt ausser Schönheit und Natur- 
wahrheit der Bilder noch die Haltbarkeit, Wohlfeilheit und Schnellig- 
keit der Herstellung. A 

Es ist bekannt, dass die Silberbilder mit der Zeit ihre 
Schönheit verlieren, wenn sie nicht völlig verlöschen. Unsere Druck- 
bilder werden eben so lange der Zeit widerstehen, wie jede andere 
durch Druckerschwärze hergestellte Illustration. 

Wenn ein Photograph nur an hellen Tagen zu arbeiten ver- 
mag und auch an diesen nur wenige Bilder fertig zu stellen im 
Stande ist, so liefern unsere Platten unter einer Presse täglich 
gegen 500 Abdrücke. 

Endlich gestattet der Lichtdruck die Wahl eines jeden Farben- 
tones. Während die Silberbilder erst in dem Goldbade jene an- 
genehmen schwarzen Tinten annehmen, kann man die fettige Drucker- 
farbe in allen Nuancirungen für den Gebrauch herstellen. Für mi- 
kroskopische Bilder ist dieser Vorzug um so gewichtiger, weil wir 
die natürliche Farbe des Präparates auf diese Weise täuschend 
nachzuahmen vermögen. 

Aus diesen genannten Vortheilen resultirt eben die Wohl- 
feilheit unserer Bilder, welche für weite Verbreitung, namentlich 
auch in den Kreis der Laien in der Naturwissenschaft nicht hoch 
genug angeschlagen werden kann. 


974 H.Landoisu. W.Thelen: Der Liehtdr. in s. Bedeut. f. d. Mikrophotographie. 


Figurenerklärung. 


Das erste der beigefügten Lichtdruckbilder ist eine Mikrophotographie 
des Blutes vom Menschen. Zwischen den rothen Blutkörperchen liegen drei 
weisse zerstreut. 

Die zweite Mikrophotographie stellt ein Haversisches Kanälchen dar, 
nebst der umliegenden Partie des Knochenschliffes mit den Knochen- 
körperchen. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung 
der Gewebe. 


Von 


Dr. Franz Boll, 
Assistenten am physiologischen Laboratorium der Universität Berlin. 


Erste Abtheilung. 


Hierzu Taf. XXV, XXVI, XXVLI. 


Einleitung. 


Indem ich hiermit den Fachgenossen den Anfang einer längeren 
Reihe von Untersuchungen übergebe, halte ich es nicht für unange- 
messen, in wenigen Worten die Gesichtspunkte, von denen ich bei 
diesen Untersuchungen geleitet wurde, und den Zusammenhang, in 
welchem die einzelnen Abschnitte derselben zu einander stehen, zu 
entwickeln. 

Diese Untersuchungen, die mich seit den letzten zwei Jahren 
beschäftigt haben, sind hervorgegangen aus einem inneren Bedürfniss, 
aus dem Drange, eine selbstständige, klare und befriedigende Auf- 
fassung in der Cardinalfrage der modernen Histiologie, in der Lehre 
vom Bindegewebe zu gewinnen. 

Noch nicht drei Jahre sind verflossen, dass ein gefeierter 
Forscher!) das, was wir über das: Bindegewebe wissen, in einer 
Arbeit zusammengestellt hat, die für alle Zeiten ein Muster bleiben 
wird dessen, was es heisst, auf Grund durchweg selbstständiger 
Untersuchungen eine auf der zeitlichen wissenschaftlichen Höhe 
stehende Darstellung einer ebenso wichtigen und umfangreichen wie 


1) A. Rollet, von den Bindesubstanzen. Stricker’s Handbuch der 


Lehre von den Geweben. I. Lieferung. 1868. 
M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 19 


276 Dr. Franz Boll: 


schwierigen und streitigen Lehre zu geben. Und doch ist in diesen 
kurzen drei Jahren Vieles laut geworden, was sich nicht mehr unter- 
bringen lässt in dem Rahmen jener Darstellung, Vieles ist in Frage 
gestellt worden, worauf jene Arbeit als auf der sichersten, uner- 
schütterlichsten Grundlage baute. 

Dieser Zustand öffentlicher Unsicherheit in dem wichtigsten 
Capitel unserer Wissenschaft hat mich immer und immer wieder zu 
dem Studium des sich entwickelnden und des fertigen Bindegewebes 
zurückkehren lassen. Es war selbstverständlich, dass, um zu einer 
klaren Anschauung in diesem schwierigen Capitel zu gelangen, die 
Arbeit eine ebenso extensive wie intensive sein müsse. Einmal 
handelte es sich darum, allgemeine Anschauungen zu gewinnen und 
es musste daher die Anzahl der untersuchten Gewebsformen und 
anatomischen Objecte eine möglichst grosse sein. Andererseits kam 
es in jedem einzelnen Falle darauf an, schärfer noch und tiefer 
einzudringen in die wesentliche Structur des einzelnen Gewebes 
als bisher geschehen war, um das Fundament der Untersuchung 
auch ebenso tief wie breit zu legen. Es zerfällt also das grosse Thema 
naturgemäss in eine Reihe einzelner Monographieen. 

Aus diesem Gesichtspunkte sind die Untersuchungen entstanden, 
von denen ich hiermit den Fachgenossen die drei ersten Capitel 
vorlege. Von denselben behandelt das erste den Bau der Sehne, 
das zweite den Bau des Knorpels in der Achillessehne des Frosches; 
das dritte beschäftigt sich mit den Bindegewebsbündeln der Basis 
cerebri und ihren Scheiden. Das vierte Capitel ist der Darstellung 
der Entwickelung des fibrillären Bindegewebes beim bebrüteten Hühn- 
chen gewidmet. In dem fünften Capitel werde ich die Entwickelung 
der Neuroglia nach Untersuchungen am bebrüteten Hühnchen be- 
schreiben und daran die in der Untersuchungsmethode davon unzer- 
trennliche Entwickelungsgeschichte der Ganglienzellen, sowie Bemer- 
kungen über den Bau der Neuroglia des erwachsenen Thieres an- 
schliessen. Unmittelbar hiermit zusammenhängt das sechste Capitel, 
in dem ich ein neues Structurverhältniss der weissen Substanz der 
Centralorgane beschreiben und entwickelungsgeschichtlich begrün- 
den werde. 

Ich bemerke noch, dass die in diesen sechs Capiteln niederge- 
legten Untersuchungen bereits beim Ausbruche des Krieges als ab- 
geschlossen angesehen werden konnten. 

Berlin, 20. Februar 1871. 


186) 
-1 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 7 


I. Der Bau der Sehne. 


So lange es eine „Bindegewebsfrage“ giebt, ist es zumeist der 
Bau der Sehne gewesen, über welchen die verschiedensten Auffas- 
sungen in den entgegengesetzten Lagern geherrscht haben. Ist es 
doch in der Sehne, wo das fibrilläre Bindegewebe am reinsten und 
am wenigsten beeinträchtigt durch eingelagerte Gewebe auftritt, wo 
die Anordnung desselben eine so ausserordentlich regelmässige ist, 
dass es schien, als wenn hier die typischen Eigenschaften des Binde- 
gewebes am klarsten hervortreten müssten. Fast jeder Forscher, 
dessen Name in der Bindegewebsfrage als ein hervorragender ge- 
nannt wird, hat an der Sehne, als an dem eigentlichen, classischen 
Typus und Modell des fibrillären Bindegewebes, seine Ansichten zu 
erhärten gesucht. So hat es denn dahin kommen müssen, dass über 
die Anatomie der Sehne eine Reihe von Schilderungen existiren, so 
grundverschieden von einander, dass man zweifeln möchte, sie be- 
zögen sich auf dasselbe anatomische Object. 

Auch die neueste Wandlung, welcher die Frage nach der 
Structur des Bindegewebes augenblicklich zu unterliegen scheint, ist 
an unseren Vorstellungen über den Bau der Sehne nicht spurlos 
vorübergegangen. Ranvier!) hat uns mit einer Arbeit beschenkt, 
die eine durchaus originelle Auffassung üher die Structur der Sehne 
zu begründen versucht. Inwiefern das Hauptresultat dieser Arbeit, 
die Existenz von aus Zellen zusammengesetzten feinen Röhren 
zwischen den Fibrillenbündeln richtig ist, soll in dem Folgenden 
gezeigt werden. Jedenfalls aber wird Ranvier das Verdienst bleiben, 
zuerst scharf und richtig die Methoden präeisirt zu haben, welche 
allein zur Kenntniss des wahren Baues der Sehne führen konnten. 

So schroff und wie es scheint unvermittelbar stehen sich heute 
die Gegensätze in der Lehre von der Structur der Sehne gegenüber, 
dass derjenige, welcher eine objective Darstellung derselben geben 
will, sich nicht begnügen darf, Thatsache gegen Thatsache, Behaup- 


1) Des elements cellulaires des tendons et du tissu conjonctif lache 
(tissu cellulaire). Archives de Physiologie 1869. II. 471. In extenso mitge- 
theilt in: Frey, Traite d’Histologie et d’Histochimie traduit par P. Spill- 
mann. Paris 1870. 276. 


2783 Dr. Franz Boll: 


tung gegen Behauptung zu stellen. Hier gilt es nicht bloss, die 
“Irrthümlichkeit gegentheiliger Darstellungen hinzustellen, sondern 
die Wahrheit herauszufinden, die diesen irrthümlichen Darstellungen 
immer zu Grunde liegt und sie von jeder entstellenden und verhül- 
lenden Zuthat zu entkleiden. Nur diejenige Darstellung des Baues 
“der Sehne wird eine wirklich objeetive und erschöpfende heissen 
dürfen, die nicht bloss alle eigenen, sondern auch alle fremden 
Beobachtungen unter einen Gesichtspunkt vereinigt, die sich nicht 
damit begnügt, Irrthümer und Beobachtungsfehler zu constatiren, 
sondern die bestrebt ist, diejenigen Wahrheiten herauszuschälen, die 
hier und da in verzerrter und entstellter Form auftreten, aber darum 
doch nie aufhören Wahrheiten zu sein. 

Ich beginne mit der Darstellung der anatomischen Verhältnisse, 
wie sich dieselben in embryonalen Sehnen vorfinden. Es ist dies ab- 
solut nothwendig um den Bau der ausgebildeten Sehne richtig ver- 
stehen zu können. Für diesen Zweck geht man am besten aus von 
einem sehr wohl characterisirten Stadium, welches etwa dem letzten 
Viertel des intrauterinen Lebens bei Säugethieren, dem 18. bis 20. 
Tage beim bebrüteten Hühnchen entspricht, und in welchem bereits 
deutliche Bindegewebsbündel ausgebildet vorhanden sind. Die frühere 
Entwickelungsgeschichte der Sehne, d. h. die Entwickelung dieser 
feinen Bündel aus Zellen schon hier an dieser Stelle zu geben, ist 
für den vorliegenden Zweck ganz unnöthig. Dieselbe wird in dem 
vierten Capitel dieser Untersuchungen, welches von der Entstehung 
der Fibrillen des Bindegewebes handeln soll, eine bessere und ge- 
eignetere Stelle finden. Ebendort werde ich mich auch veranlasst 
sehen, auf die in der Literatur vorliegenden Angaben über diesen 
Gegenstand, auf die Arbeiten von Kölliker und von Obersteiner, 
die sich mit den embryonalen Sehnen beschäftigen, näher einzugehen 
und ihre Beobachtungen, welche zum Theil mit den meinigen un- 
vereinbar erscheinen, ausführlich zu würdigen. Für jetzt werde ich 
mich darauf beschränken, einzig und allein meine Resultate über 
den fraglichen Gegenstand vorzutragen. 

Das oben erwähnte Stadium, mit dem die Darstellung der 
Structur der Sehne am passendsten eröffnet wird, ist dadurch cha- 
racterisirt, dass die einzelnen Fibrillenbündel, welche die Sehne pa- 
rallel angeordnet zusammensetzen, nur erst eine sehr geringe Dicke 
besitzen (kaum halb so dick wie die Fibrillenbündel in den Sehnen 
erwachsener Thiere) und dass die reichlich vorhandenen zelligen 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 279 


Elemente, kernhaltige dunkelkörnige Protoplasma-Massen in einer 
ganz bestimmten Form und Anordnung deutlich hervortreten. 

Als Untersuchungsobjeet dienten mir in erster Linie Hühner- 
embryonen vom 16. bis zum 21. Tage der Bebrütung, sowie Em- 
bryonen von Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen aus dem 
letzten Drittel resp. Viertel des intrauterinen Lebens. Die Unter- 
suchung im frischen Zustande erwies sich als sehr schwierig, so dass 
ich genöthigt war, die Embryonen vorher in conservirende Flüssig- 
keiten (Müller’sche Flüssigkeit, Holzessig) zu legen. Doch ist es 
nicht versäumt worden, die an diesen Präparaten gewonnenen An- 
schauungen nachträglich noch nach den frisch untersuchten Prä- 
paraten zu verificiren. | 

Zuerst untersuchte ich vorzugsweise die feinen Sehnen der Ex- 
tremitäten; erst später wurde ich darauf aufmerksam, dass das 
Centrum tendineum von Säugethieren, dessen Serosae sich sehr leicht 
abstreifen lassen, platte und parallele Sehnenstränge darbietet, so 
zart und so bequem zu untersuchen, dass dieses Object vor den 
drehrunden Sehnen der Extremitäten weitaus den Vorzug verdient. 
Ich habe es daher für das Beste gehalten, an dem Centrum tendi- 
neum allein den Bau der embryonalen Sehne zu entwickeln und 
demgemäss die Zeichnungen, zu deren Erläuterungen ich jetzt 
schreite, nur nach Präparaten vom Centrum tendineum angefertigt. 

Ein isolirter Sehnenstrang gewährt das schöne regelmässige 
Bild, welches ich in Fig. 1 wiedergegeben habe. Die noch nicht 
sehr breiten, streng parallel verlaufenden Bindegewebsfibrillenbündel 
sind von einander getrennt durch etwa drei- bis vierfach so feine 
dunklere granulirte Streifen, die sich mit essigsaurer Carminlösung 
intensiv roth färben. Dei genauerer Untersuchung bemerkt man, 
dass diese Streifen nicht continuirlich sind, sondern aus einer Auf- 
einanderfolge einzelner Abschnitte bestehen, welche durch kleine 
Zwischenräume von einander getrennt sind. An den Rändern des 
Präparats erkennt man deutlich, dass diese Abschnitte von ziemlich 
bestimmter Länge, welche die granulirten Streifen zusammensetzen, 
die optischen Durchschnitte von platten, granulirten Zellen dar- 
stellen, welche in derartig regelmässiger Anordnung zwischen den 
Fibrillenbündeln der embryonalen Sehne lagern. 

Ein Blick auf die nun folgenden Präparate (Figg. 2—4) ergiebt 
etwa folgende Anschauung über das Verhältniss der Zellen zu den 
Fibrillenbündeln in der embryonalen Sehne: die einzelnen Fibrillen- 


280 Dr. Franz Boll: 


bündel sind von einander getrennt durch Stränge abgeplatteter 
Zellen von rechteckiger oder rhomboidaler Gestalt, welche die ein- 
zelnen Fibrillenbündel wenigstens theilweise mitunter nur zur Hälfte 
mitunter (besonders in jüngeren Stadien) auch mehr umscheiden. 
Im Allgemeinen ist eine sehr grosse Regelmässigkeit in der Anord- 
nung dieser Zellen festgehalten, indem die mit in ihren Enden sich 
fast berührenden Zellen eines einzelnen derartigen Streifens con- 
tinuirlich und in ganz gleicher Richtung aneinander gereiht sind. 
Doch scheinen auch Ausnahmen von dieser Regelmässigkeit nicht 
selten vorzukommen (vgl. Fig. 2, a, wo eine derartige Zelle aus- 
nahmsweise einmal zwei Fibrillenbündeln statt einem einzigen auf- 
liegt). Es liegen also die einzelnen mehr oder weniger cylindrischen 
Fibrillenbündel in Halbscheiden, die aus meist sehr regelmässig an- 
geordneten Zellenplatten zusammengesetzt sind. Die einzelnen Platten 
und mithin die aus ihnen zusammengesetzten Halbscheiden haften 
den Fibrillenbündeln zum Theil sehr fest an und wenn, wie es bei 
Zerzupfungspräparaten, die man von dem in Holzessig conservirten 
Centrum tendineum anfertigt, häufig zu geschehen pflegt, einzelne 
Zellen von den Fibrillenbündeln abfallen, so bleibt fast stets eine 
feine körnige Zeichnung auf der Oberfläche dieser Bündel zurück 
(Fig. 3), als ein Ausdruck des innigen Zusammenhanges und der 
festen Verklebung, welche zwischen dem Fibrillenbündel und der 
Zellenscheide herrschte. 

In dem Zerzupfungspräparat, welches in Fig. 4 wiedergegeben 
ist, sieht man die einzelnen Fibrillenbündel mit ihren Zellen in den 
verschiedensten Verhältnissen: einzelne sind noch fast vollständig 
von den Zellen umscheidet, bei andern haben sich die Zellen theil- 
weise abgeblättert und erscheinen nicht mehr als schmale Kanten, 
sondern als breitere Platten, von andern Fibrillenbündeln endlich ist 
der grösste Theil der die Scheiden zusammensetzenden Zellen schon 
abgefallen und erscheinen die Bündel auf längere Strecken schon 
ganz nackt. Dies Präparat rührt übrigens, wie aus der relativ be- 
trächtlich grösseren Feinheit der Fibrillenbündel deutlich zu ent- 
nehmen ist, von einem bedeutend jüngeren Embryo her, wie der 
Fig. 1 gezeichnete Sehnenstreif. 

Jedesmal wenn man Zerzupfungspräparate, wie das eben be- 
schriebene (Fig. 4) anfertigt, erhält man eine Menge einzelner von 
den Fibrillenbündeln abgelöster Zellen, von denen Fig.5 eine kleine 
Anzahl wiedergiebt. In der Beschreibung ist von denselben nicht 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 281 


allzuviel zu sagen. Sie sind platt, rechteckig und rhomboidisch. 
Wie ihr Verhalten zu den verschiedenen conservirenden und fär- 
benden Flüssigkeiten ergiebt (sie nehmen den Carmin sehr begierig 
auf und erhalten nach längerem Verweilen in Holzessig eine sehr 
satte gelbbraune Färbung, während die Fibrillenbündel selbst höch- 
stens nur einen leichten Stich ins Gelbliche zeigen), bestehen sie aus 
einem grobkörnigen Protoplasma. Ein Kern ist an Holzessigpräpa- 
raten nicht immer, dagegen wenn sie in Kali bichromieum gelegen 
haben, fast stets wahrzunehmen. Was diese Zellen aber auf das 
entschiedenste characterisirt ist der Besitz einer glänzenden dunkel- 
sranulirten Rippe oder Kante, einer Art von First, welche entweder 
in der Mitte der Zelle oder an einer der Längsseiten, aber stets dem 
grössten Längendurchmesser der rechteckigen oder rhomboidischen 
Zelle, mithin auch der Längsrichtung der Fibrillenbündel parallel 
und durch die ganze Länge der Zelle verläuft. Dieser dunkle, glän- 
zende Längsstreifen ist stets in der Substanz der Zellen selbst ge- 
legen. Ich nenne dieses eigenthümliche Gebilde, welches sich ohne 
Mübe in allen Zellen demonstriren lässt, den elastischen Strei- 
fen, eine Bezeichnung, welche die Bedeutung, die derselbe in der 
erwachsenen Sehne erlangt, wie wir sehen werden, hinlänglich recht- 
fertigen wird. 

Die Richtigkeit dieser aus dem Studium von Längsschnitten 
und Zerzupfungspräparaten geschöpften Vorstellung vom Verhältniss 
der Zellenreihen zu den Fibrillenbündeln wird bestätigt durch die 
Bilder, welche künstliche Querschnitte embryonaler Sehnen gewäh- 
ren. Dieselben sind recht mühsam anzufertigen: die beste Methode 
ist, die ganze Extremität in Glycerinleim einzubetten und so die 
Schnitte zu führen. Im Allgemeinen finde ich die Beschreibung und 
Abbildung, welche Langhans!) vom Querschnitt der embryonalen 
Sehne giebt, durchaus bestätigt. 

So weit die klaren und einfachen Verhältnisse, die in der em- 
bryonalen Sehne in jenem bestimmten Stadium, das ich der Dar- 
stellung zu Grunde gelegt habe, vorliegen. Indem ich nun dazu 
übergehe, den Bau der erwachsenen Sehne darzustellen, so wie 
meine Untersuchungen ihn mich kennen gelehrt haben, halte ich es 


1) Beiträge zur Histiologie des Sehnengewebes im normalen und pa- 
thologischen Zustande. Würzburger Naturw. Zeitschrift. 1864. V. 8. 86. 
Taf. II. Fig. 8. 


382 Dr. Franz Boll: 


für nöthig, im Voraus für die Mängel der Darstellung um Ent- 
schuldigung zu bitten, die wohl zu erkennen aber nicht zu vermeiden 
in meiner Macht steht. Das anatomische Object hat sich mir im 
Laufe meiner Untersuchungen als ein so eigenthümlich verwickeltes 
herausgestellt, dass ein grosser Theil der Schwierigkeiten, welche sich 
zuerst der Erlangung einer richtigen Erkenntniss entgegenstellten, 
jetzt noch eine einheitliche Darstellung des Erkannten in unbe- 
quemster Weise erschwert. Einmal sind die Sehnen verschiedener 
Thiere, verschiedener Körpertheile, verschiedener Altersclassen oft 
im höchsten Grade von einander different, dass eine Darstellung, 
welche allen diesen Verschiedenheiten gerecht werden wollte, noth- 
wendig jeder scharfen Zeichnung und bestimmten Färbung entbehren 
müsste. Ich werde daher der Darstellung ein möglichst bestimmtes 
Bild zu Grunde legen und wähle dazu das in der That im höchsten 
Grade geeignete Untersuchungsobject, welches Ranvier uns kennen 
gelehrt hat: die feinen Sehnen, welche sich in dem Schwanz der 
Nagethiere befinden. Von diesen habe ich besonders Kaninchen und 
Ratten untersucht und empfehle junge oder doch eben erst ausge- 
wachsene Thiere zur Anstellung dieser Untersuchungen zu nehmen. 
Ich spanne den hart am Leibe abgeschnittenen enthäuteten frischen 
Schwanz mit dem spitzen Ende fest in einen Schraubstock ein und 
reisse von dem freien diekeren Ende Wirbel für Wirbel, die ich 
in einer Zange gepackt, mit einem kräftigen Ruck ab. An jedem 
so abgetrennten Wirbel bleiben gewöhnlich 2—3 weisse silberglän- 
zende, oft mehrere Centimeter lange äusserst feine Fäden hängen, 
feinste Sehnen, die ohne jede weitere Präparation sofort auf den 
Objectträger des Mikroskopes gebracht und in toto mit den stärksten 
Vergrösserungen untersucht werden können. Diese Sehnen sind es 
zunächst allein, die der hier gegebenen Darstellung zu Grunde 
liegen. Fast völlig übereinstimmend verhalten sich übrigens auch 
noch die Fingersehnen des Frosches. 

Aber selbst so auf ein einzelnes möglichst bestimmtes Ob- 
jeet eingeschränkt, bietet die Darstellung noch ungewöhnliche Schwie- 
rigkeiten, die es fast unmöglich machen, den Bau der Sehne me- 
thodisch zu entwickeln. Die Anwesenheit eines sehr complicirten 
elastischen Systems in den Sehnen, welches bald als aus Zellen, bald 
aus Fasern, bald aus platten Bändern und Scheiden zusammengesetzt 
erscheint, bedingt je nach seinem verschiedenen Anspannungszustande 
die verschiedensten und, wie es scheint, widersprechendsten Bilder. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 283 


Nur der, vor dessen geistigem Auge die ganze endlose Reihe der 
tausendfach modifieirten Zustände und Bilder steht, die auch zwischen 
den widersprechendsten Formen der Erscheinung den logisch ge- 
schlossenen Uebergang vermitteln, vermag sich von jeder Einzelheit 
die volle Rechenschaft zu geben. Es ist aber klar, dass in der 
Darstellung, die aus der unendlichen Fülle dieser Formenreihe auch 
nur eine ganz beschränkte Anzahl characteristischer Bilder in Schrift 
und Zeichnung wiedergeben kann, Lücken bleiben müssen, um so 
störender und empfindlicher für den Darsteller, je tiefer und ein- 
dringender seine Kenntniss der Abschnitte der Kette ist, die diese 
mehr oder weniger willkürlich herausgerissenen einzelnen Glieder 
mit einander verbinden. Diese Nothwendigkeit, die Fülle der einzel- 
nen Anschauungen in so karge Formen hineingiessen zu müssen, 
wird nur zu leicht dazu führen, anstatt einer concreten Darstellung 
ein abstractes Schema zu geben. 

Ranvier ist der erste gewesen, der die enormen Differenzen, 
welche die Bilder der gespannten und der contrahirten Sehne ge- 
währen, unterscheiden und methodisch auseinanderhalten gelehrt 
hat. Seine (auch von mir geübte und als vorzüglich befundene) 
Methode besteht darin, die frischen feinen Sehnen auf dem Object- 
träger auszuspannen und die beiden Enden derselben mit Siegellack 
(ich bediene mich zu diesem Zweck einer gleichtheiligen Mischung 
von Wachs und Asphalt, welche ich mit einem heissen Draht auf- 
trage) zu fixiren und dann erst die essigsaure Carminlösung, die 
sonst unfehlbar die Sehne aufquellen und zusammenschnurren machen 
würde, einwirken zu lassen ). 

Ist die Sehne ganz straff angespannt gewesen, so sieht man, 
nachdem die Carminlösung längere Zeit eingewirkt hat, ein Bild, 
wie es in Fig. 6 dargestellt ist. Die Sehne scheint zusammenge- 

1) Die Bereitung der Carminlösung geschah stets nach der von 
Schweigger-Seidel (Leipziger physiolog. Arbeiten 1868. Im Anhange 
zu der Abhandlung von E. Cyon, Ueber die Nerven der Peritoneum) ange- 
gebenen Methode. Nach den erschöpfenden Aufschlüssen, die Heidenhain 
(M. Schultze’s Archiv VI. 402) und Rollet (Untersuchungen aus dem In- 
stitute für Physiologie und Histologie in Graz 1871. S. 156) über die eigen- 
thümlichen Verschiedenheiten der Carmintinction, je nachdem der Farbstoff 
in essigsaurer oder in ammoniakalischer Lösung sich befindet, gegeben haben, 
kann ich darauf verzichten, eine im gleichen Sinne schon früher von mir zur 
Aufklärung dieser Verhältnisse angestellte Untersuchungsreihe zu publiciren, 
da dieselbe nunmehr nichts Neues mehr bieten dürfte. 


284 Dr. Franz Boll: 


setzt aus völlig parallelen Bindegewebsbündeln von nahezu gleicher 
Breite, die keine fibrilläre Structur mehr, sondern ein ganz homogenes 
Aussehen zeigen. Die einzelnen Bindegewebsbündel erscheinen von 
einander getrennt durch absolut gerade verlaufende feine scharfe 
glänzende Linien, welche den Carmin schnell und ziemlich intensiv 
aufnehmen. Fast alle diese Linien erscheinen bei genauerer Be- 
trachtung aus Abschnitten von annähernd gleicher Länge zusammen- 
gesetzt, zwischen denen jedoch nur äusserst feine Zwischenräume 
übrig bleiben. Die Breite dieser aus einzelnen Abschnitten zusam- 
mengesetzten glänzenden Linien -ist, wenn die Sehne auf das 
straffste angespannt war, bei Hartnack IX, 2 eine noch eben mess- 
bare. Ich kenne in der ganzen Literatur nur eine einzige von Thier- 
felder !) gegebene Abbildung, welche den Längsschnitt einer derartig 
straff angespannten Sehne in charakteristischer Weise wiedergiebt. 
Hat man Sorge getragen, dass beim Fixiren der Sehnenendpunkte 
die Sehne nicht bis zur absoluten Straffheit angezogen wurde, son- 
dern dass derselben ein gewisser wenn auch sehr kleiner Spielraum 
blieb, sich in etwas zusammenzuziehen, sobald die essigsaure Car- 
minlösung hinzugesetzt wurde, so erhält man schon etwas andere 
Bilder, die ungefähr dem Präparate entsprechen, welches Ranvier 
in Fig. 1 A seiner Abhandlung wiedergegeben hat und welches ich 
in Fig. 7 darstelle. Die Bindegewebsfibrillenbündel erscheinen etwas 
breiter, wie in Fig. 6 die dunklen glänzenden Linien, welche die 
einzelnen Bündel von einander trennen, verlaufen nicht mehr als so 
absolut geradlinige Parallelen, sondern zeigen nicht selten schon 
einen etwas geschwungenen, leicht geschlängelten Verlauf. Sie sind 
schon von messbarer Breite und lassen bereits stets ganz deutlich 
ihre Zusammensetzung aus einzelnen Abschnitten erkennen. 

Ist der Spielraum, der der Zusammenziehung der Sehne ge- 
währt wurde, ein etwas grösserer gewesen, so erscheint das Bild 
wieder als ein anderes. Die Bindegewebsbündel sind breiter, die sie 
trennenden dunkeln Linien schon zu recht breiten carmingefärbten 
Streifen geworden, deren Verlauf jetzt fast durchgehends eine ziem- 
lich ausgesprochene Schlängelung zeigt. Mit Leichtigkeit erkennt 
man jetzt, wie sich ein jeder dieser Streifen aus einer Reihe gleich- 
langer zarter Platten zusammensetzt, in deren Centrum ein intensiv 
carmingefärbter längerer oder kürzerer, schmälerer oder dickerer, im 


1) De regeneratione tendinum. Dissertatio histiologica. Meissen 1852. 
Fig. 147, 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 285 


Allgemeinen stäbchenförmiger Streifen deutlich sichtbar ist, während 
der übrige Theil der Platten eine beträchtlich mattere Carminfär- 
bung zeigt (Fig. 3). 

Je mehr sich nun die Sehne unter dem Einfluss der essig- 
sauren Carminlösung zusammengezogen hat, desto mehr enthüllt 
sich dem Beobachter eine wahrhaft endlose Reihe von Verschieden- 
heiten und Eigenthümlichkeiten der Gestalt, welche diese aus Plätt- 
chen zusammengesetzten, so lebhaft carmintingirten Streifen zeigen. 
Ich gebe Fig. 9—13 eine Reihe characteristischer Formen durch 
die Zeichnung wieder, ohne jedoch nur im entferntesten damit 
den Anspruch zu machen, eine auch nur einigermassen erschö- 
pfende Darstellung der merkwürdigsten und interessantesten hier 
vorkommenden Bilder gegeben zu haben. Bald erscheinen diese 
Platten als einfach quadratische oder rechteckige Zellen, die mit 
grosser Regelmässigkeit über einander geschichtet sind, bald sind sie 
schmaler, von unregelmässiger Gestalt, besitzen Fortsätze, laufen in 
Fasern aus u. s. w. In den alleräussersten Graden der Zusammen- 
ziehung der Sehne derangiren sich die Reihen und an die Stelle der 
regelmässig angeordneten und rechteckigen Zellplatten treten un- 
regelmässig vertheilte bizarr gestaltete Körper, so verdreht und 
verschraubt, dass nur derjenige, welcher die vorherigen Grade der 
Zusammenziehung der Sehne studirt hat, in ihnen die aufs höchste 
verunstalteten Zellplatten wiederzuerkennen vermag. Diese Bilder 
sind die Originalien zu den Darstellungen der Bindegewebskörper- 
chen, wie sie von Virchow und seinen Schülern gegeben worden sind. 
Fast alle besitzen einen deutlichen runden Kern, der sich doch ge- 
wöhnlich nur schwach mit Carmin imbibirt. Fast stets liegt derselbe 
an dem einen Ende der Zelle und fast ebenso constant findet sich 
das Verhältniss, dass die Kerne in zweien aneinanderstossenden Zellen 
auch in den aneinanderstossenden Ecken der Zellen liegen. 

Mehr noch wie der Kern in die Augen springend ist an diesen 
Zellen ein Formelement, dessen Fehlen (wie in Figg. 13, 14) zu den 
grössten Seltenheiten gehört. Es ist dies das eigenthümliche Gebilde, 
welches ich schon an den Zellen der embryonalen Sehne als ein fast 
mit absoluter Regelmässigkeit vorkommendes nachgewiesen und den 
Erfahrungen, die erst an der erwachsenen Sehne zn machen waren, 
vorgreifend, den elastischen Streifen genannt habe. Fast jede ein- 
zelne der in den Sehnen vorkommenden Zellenplatten besitzt neben 
dem Kern eine besonders differenzirte Stelle, welche vor allem da- 


286 Dr. Franz Boll: 


durch ausgezeichnet ist, dass sie sich in essigsaurer Carminlösung um 
vieles lebhafter tingirt wie irgend ein anderer Theil der Zelle. Stets 
ohne jede Ausnahme ist dieser elastische Streifen parallel der Längsaxe 
der Sehne und folglich auch parallel der Längsaxe der Zellplatten 
gerichtet. In der Regel hat er die Form eines Stäbchens, welches 
auf oder über dem Kern ziemlich regelmässig in der Mitte der Zell- 
platte gelegen ist. Doch können, wie schon ein flüchtiger Blick auf 
die mitgetheilten Abbildungen lehrt, alle möglichen Verschiedenheiten 
in Bezug auf Stärke, Ausbildung, Lage und Form des Streifens 
vorkommen. So kann derselbe bald als ein von der umgebenden 
Zellsubstanz ganz scharf geschiedenes Gebilde auftreten, bald an 
seinen Seitenrändern ganz allmälig in die Zellsubstanz übergehen, 
bald ganz an einem Längsrande der Zelle liegen, bald durch zwei 
Streifen oder Faiten, die an beiden Längsrändern der Zelle auf- 
treten, repräsentirt werden, bald in mehreren geschlängelten Falten 
an einem Längsrande der Zelle verlaufen oder noch wieder in an- 
derer Gestalt sich darstellen. Ich verzichte darauf, mich in die 
Schilderung der verschiedenen Formen dieses im wahrsten Sinne des 
Wortes proteischen Gebildes noch weiter zu vertiefen. Bin ich doch 
überzeugt, dass es jedem einzelnen Nachuntersucher ein Leichtes 
sein wird, selbst die vollständigste Uebersicht der characteristischen 
Erscheinungsformen dieses interessanten Gebildes, die ich augenblick- 
lich zu geben vermöchte, mit Leichtigkeit um das doppelte und 
dreifache zu vermehren. Denn die Dimensionen und Formen des 
elastischen Streifens werden im Wesentlichen durch die verschiede- 
nen Anspannungs- und Contractions-Zustände der Sehne bestimmt 
und der Stufenleiter dieser verschiedenen Grade werden auch stets 
verschiedene Formen und Contractionszustände des elastischen Strei- 
fens entsprechen. Ich werde daher die Aufzählung der verschiede- 
nen von mir beobachteten Formen des elastischen Streifens unter- 
lassen und nur noch zweier Eigenthümlichkeiten desselben. gedenken, 
die mir für die Erkenntniss seiner Eigenschaften und Functionen 
wichtig erscheinen. 

In sehr stark zusammengezogenen Sehnen, wo der Längsdurch- 
messer der Zellplatten und des elastischen Streifens ein sehr kleiner 
ist, erscheint der letztere gewöhnlich in sehr characteristischer 
Weise geschrumpft und zeigt eine sehr regelmässige auf seiner 
Längsaxe senkrechte sehr eng gestellte Querstreifung, welche an 
die Querstreifung eines zusammengeschnurrten Gummibandes oder 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 287 


einer Spiralfeder erinnert (Fig. 13, 19). Ich constatire dies hier 
vorläufig, um später noch darauf zurückzukommen. 

Eine zweite merkwürdige Thatsache, die sich an den elastischen 
Streifen beobachten lässt ist die, dass, obwohl zwischen den anein- 
anderstossenden Streifen benachbarter Zellen eine wirkliche Conti- 
nuität sich nur höchst selten nachweisen lässt, z. B. Fig. 8, 10, 12, 17, 
doch insofern eine Art von Continuität zwischen den verschiedenen 
Streifen hergestellt erscheint, als die Richtungen derselben meist mit 
grosser Regelmässigkeit (wenn etwa nicht durch ein zu plötzliches Zu- 
sammenschnurren der Sehne eine vollständige Verwerfung und Dis- 
location der aneinanderstossenden Zellplatten stattgefunden hat) in 
einer Axe zu liegen und in ein und derselben gemeinsamen Direction 
zu verlaufen scheinen. Auch die Deutung dieses Factums muss ich 
mir vorderhand noch vorbehalten. 

Der erste, welcher diese Zellenplatten gesehen und beschrieben 
hat, ist Henle, welcher in seiner Kritik der Vircho w’schen Bin- 
degewebslehre !) dieselben als in Reihen gestellte, kernlose Schüpp- 
chen beschreibt. Leider ist in einer späteren, noch ausführlicheren 
und mit Abbildungen versehenen Kritik?) eine Abbildung dieser 
Körperchen nicht gegeben worden und eine frühere Abbildung der- 
selben ®) wird später von Henle selber direct desavouirt *). Wenn 
auch Henle’s Darstellung von einer Reihe vorurtheilsfreier Forscher, 
Kölliker°), Langhans, Grussendorf, Lessing, Lieber- 
kühn, Baur‘), Hoyer‘) und Rollet im Allgemeinen bestätigt 
wurde, so schwebt doch gerade über der bildlichen Darstellung 
dieser Zellenplatten ein eigenthümlicher Unstern. Aus Gon- 
cession gegen eine Vorstellung, die einer vorurtheilsfreien Prüfung 
nur als ein histiologischer Aberglaube erscheinen kann, nämlich die 
Vorstellung von der Spindelform der Bindegewebskörperchen, sind 


1) Canstatt’s Jahresber. f. 1851 S. 24. 

2) Henle und Meissner, Bericht über die Fortschritte der Anatomie 
und Physiologie im Jahre 1858. S. 53. 

3) Henle, Allgemeine Anatomie. Taf. II, Fig. 6. 

4) Henle und Meissner, Jahresbericht für 1860, S. 70. 

5) Neue Untersuchungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 
Würzburg 1861. S. 22. 

6) Die Entwickelung der Bindesubstanz. Tübingen 1858. S. 23. 

7) Ein Beitrag zur Histologie bindegewebiger Gebilde. Arch. f. Anat. 
und Physiol. 1865. S. 240. 


288 Dr. Franz Boll: 


aus den Sehnen gewöhnlich nur diejenigen Zellplatten abgebildet 
worden, welche eine grössere oder geringere Aehnlichkeit mit der 
Spindelform zeigten. So sind die Zellen, welche Thierfelder!), 
Grussendorf?), Langhans?°) und Rollet) abbilden, nur als 
ausnahmsweise, keineswegs jedoch als regelmässige Formen zu be- 
trachten. Die besten Abbildungen, die ich kenne, sind die von Lie- 
berkühn?°) und vor allem die von Lessing), die vielleicht des- 
halb weniger beobachtet wurden, weil sie den manche histiologische 
Kigenthümlichkeiten bietenden verknöchernden Sehnen der Vögel 
entnommen worden sind. Ranvier gebührt das Verdienst die 
ersten wirklich objectiven Darstellungen dieser Zellenplatten auch 
von den Säugethieren geliefert und auf den eigenthümlichen Irrthum 
aufmerksam gemacht zu haben, in welchem man sich über die Form 
der in den Sehnen enthaltenen zelligen Elemente befand. Bemer- 
kenswerth ist übrigens, dass Ranvier, der ausdrücklich im Gegen- 
satz zu Henle den Zellenplatten Kerne zuschreibt, in seinen Fi- 
guren nicht die Kerne sondern die elastischen Streifen, die er für 
Kerne hält, abbildet. Nach Ranvier und angeregt durch ihn liegt 
noch eine mit diesen Zellenplatten sich beschäftigende kurze 
Mittheilung von Güterbock”) vor, die etwas frühreife Frucht un- 
genügender Untersuchungen, die eine sachgemässe Kritik weder ver- 
tragen noch überhaupt verdienen. 

Ranvier’s Darstellung gipfelt in der Anschauung, dass jede 


1) De regeneratione tendinum. Figg. 150, 152, 156—158. 

2) Ueber die spindelförmigen Körperchen des Bindegewebes. Zeitschr. 
f. rat. Med. 3te Reihe XXVI, 186. Taf. V. 1866. 

3) Beiträge zur Histiologie des Sehnengewebes im normalen und patho- 
logischen Zustande. Würzburger naturw. Zeitschr. V, 86. 1864. Taf. III, 
Figg. 3,4. Nur in Fig. 5 sind aus der Sehne eines Kätzchens characteristische 
Zellenplatten wiedergegeben. 

4) Untersuchungen über die Structur des Bindegewebes. Wiener acad. 
Sitzungsber. 1858. XXX. Fig. 10 und 11. — Stricker, Lehre von den Ge- 
weben. S. 52. i 

5) Ueber die Össification. Arch. f. Anatom. und Physiol. 1860. Taf. 
XX, Fig. 2. 

6) Zur Histologie der Bindegewebsknochen. Zeitschrift für rat. Med. 
Ste Reihe XH, S. 314. Taf. VIII, Figg. 4, 6. 1861. 

7) Zur Lehre von den Bindegewebskörperchen in den Sehnen. Üen- 
tralbl. f. d. medic. Wiss. 1870. 8.33. — Untersuchungen über Sehnenentzün- 
dung. Wiener med, Jahrbücherred.v.S.Stricker. 1,1871. Taf.I. Figg.1, II, IV. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 289 


einzelne dieser Zellenplatten zu einem Hohleylinder zusammenge- 
rollt und mit ihren Nachbarn fest verlöthet sei, so dass durch diese 
nach Art von Drainröhren aneindergereihten Hohleylinder feine 
lange Röhren gebildet würden, welche in der Axe der Sehne 
zwischen den einzelnen Fibrillenbündeln verliefen und etwa Canäle 
für die Circulation plasmatischer Flüssigkeit darstellten. Ich halte 
diese Annahme für nicht richtig und zwar aus folgenden Gründen: 

1) Die Untersuchung embryonaler Sehnen hat auf das zweifel- 
loseste ergeben, dass diese Zellenplatten die Fibrillenbündel selber 
umscheiden ; es ist sehr schwer, sich vorzustellen, wie aus einer der- 
artigen Anordnung dieser Zellen das Zusammenrollen derselben zu 
Hohleylindern, was Ranvier voraussetzt, hervorgehen sollte. 

2) Injectionsversuche liefern nicht nur keinerlei Beweise für 
die Richtigkeit der Ran vier’schen Vorstellung, sondern sie führen 
vielmehr zu Anschauungen, welche der Ranvier’schen Lehre direct 
widersprechen. Versuche, die plasmatischen Canäle der Sehnen per 
Einstich zu injieiren, blieben resultatlos. Dagegen füllt die zuerst 
von v. Wittich !), später von Foerster?) geübte Methode, einen 
frisch angelegten Sehnenquerschnitt in eine färbende Flüssigkeit zu 
tauchen (Indigoküpe v. Wittien, Carminlösung Foerster, ich) und 
dieselbe so in den capillaren Räumen aufsteigen zu lassen, in den 
Sehnen Hohlräume, die in der Längsansicht der Sehne allerdings 
auch zwischen den einzelnen Fibrillenbündeln verlaufen, aber viel 
zu unregelmässig sind, um den Ranvier’schen Canälen entsprechen 
zu können und die auf dem Sehnenquerschnitt als unregelmässig 
sternförmige Lücken und nicht rund erscheinen, wassie, wenn Ran- 
vier’s Vorstellung die richtige wäre, doch thun müssen. Ganz über- 
einstimmende Bilder erhielt Krause?) durch die Einstichinjection 
frischer Sehnen mittelst blauer Leimmasse und v. Reckling- 
hausen) durch die Silberimprägnation. 

3) Ferner sprechen gegen Ranvier diejenigen Bilder, welche 
die sogenannten Donders’schen Bänder gewähren, von denen ich 
in Fig. 20, a. b. zwei mitgetheilt habe. Donders°) entdeckte, dass 

1) Bindegewebs-, Fett- und Pigmentzellen. Virchow’s Archiv IX, 
S. 193. 1866. 

2) Beiträge zur pathologischen Anatomie und Histologie. Virchow’s 
Archiv XII, S. 199. Taf. VIII, Fig. 1. 1857. 

3) Göttinger Anzeigen 1864. S. 1097. 


4) Die Lymphgefässe u. ihre Beziehung zum Bindegewebe. 1862. S. 52. 
5) Mikroskopische und mikrochemische Untersuchungen thierischer Ge- 


290 Dr. Franz Boll: 


wenn man einen mikroskopischen Querschnitt einer getrockneten 
oder auch frischen Sehne mit Essigsäure behandelt, alsdann derselbe 
in eine Anzahl platter Bänder zu zerfallen scheint, von deren eigen- 
thümlichem Aussehen die von mir mitgetheilten Abbildungen eine 
Vorstellung geben. Die Breite dieser Bänder entspricht der Dicke 
des Durchschnitts. In regelmässigen Abständen und senkrecht auf 
ihrer Längsaxe werden diese Bänder durchzogen von schmalen in 
Carmin sich lebhaft roth tingirenden Streifen, deren jeder einzelner 
sich aus einer geringen Anzahl durch die Essigsäure meist sehr ver- 
änderter und geschrumpfter Zellplatten zusammensetzt. Zwischen 
je zwei dieser kurzen Streifen und ihrer Längsrichtung gleichfalls 
parallel verlaufen gewöhnlich 2—3 feine elastische Fasern. Don- 
ders selbst und nach ihm Gerlach !) nahmen an, dass der ganze 
Sehnenquerschnitt unter dem Einfluss der Essigsäure in diese Bän- 
der sich zerlege, und schlossen weiter, dass in den Sehnen stets be- 
stimmte Gruppen von Bindegewebsbündeln besonders innig verlöthet 
seien, welche sich unter dem Einfluss der Essigsäure zu diesen Bän- 
dern ausrollen sollten. Kölliker?) und Bela Machik?) erklärten 
sie für die umgerollten Ränder von Querschnitten. Die Wahrheit 
ist, dass wenn auch die meisten Donders’schen Bänder in der 
That nur umgeschlagene Ränder von Querschnitten vorstellen, doch 
auch aus der Mitte des Sehnenquerschnitts einzelne Fibrillenbündel- 
gruppen zu diesen Rändern umschlagen können. Jedenfalls stellen 
diese Bänder sehr kurze (denn ihre Länge kann ja die Dicke des 
Querschnittes nicht übertreffen) und ausserordentlich dünne Längs- 
schnitte von Sehnen dar, die häufig nur eine einzige Längsreihe von 
Fibrillenbündeln begreifen. Niemals ist aber an derartigen Bildern 
etwas zu sehen, was für die Richtigkeit der Ansicht Ranvier’s 
spräche. 

4) Nach der Anschauung von Ranvier genügt ein Druck auf 
‚das Deckgläschen oder eine ähnliche Manipulation, um die Hohl- 
cylinder zu öffnen und die Zellenplatten als solche zum Vorschein 


webe. Holländische Beiträge herausgegeben von van Deen, Donders und 
Moleschott. I, S. 258. 1847. 

1) Handbuch der Gewebelehre. Mainz 1850. S. 110. Fig. 42. 

2) lHistologische Beiträge. 4) Ueber Bindegewebs- und Muskelfibrillen. 
Zeitschr. f. wiss. Zool. II, S. 281. 1850. Mikroskopische Anatomie S. 215. 

3) Beiträge zur Kenntniss des Sehnengewebes. Wiener acad. Sitzungsber. 
Bd. XXXIV, S. 91. 1858. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 291 


zu bringen. Wäre dies richtig, so müssten neben einander in ein 
und demselben Präparat doch auch nicht selten Reihen geschlossener 
Hohleylinder neben halb und ganz geöffneten vorkommen; ferner 
müssten die geschlossenen und die auseinandergeklappten Hohl- 
cylinder auch von gleicher Höhe sein. Dies ist aber, wie auch 
schon die Abbildungen Ranvier’s selbst ergeben, nicht der Fall; 
vielmehr erscheinen die aufgeklappten Cylinder — um die Ran- 
vier’'sche Terminologie zu gebrauchen — stets niedriger, wie die 
geschlossenen. Für diese Thatsache bleibt die Ranvier’sche An- 
schauung die Erklärung schuldig. 

Dieses letzte Factum, welches ich gegen die Ansicht Ran- 
vier’s geltend gemacht habe, beweist nicht so sehr direct und 
überzeugend gegen die Richtigkeit der Anschauung des letztge- 
nannten Forschers als vielmehr für die derjenigen Anschauung, die 
ich mir nach langem, oft und vielfach irrendem Suchen über den 
Bau der Sehne gebildet habe und die ich um so mehr für die einzig 
richtige halte, als zahlreiche und oft sehr lockende Irrwege mich erst 
sehr mühsam und verspätet zu ihr gelangen liessen. 

Ich finde, dass dieselbe Structur, dasselbe Verhältniss der 
Zellen zu den Bindegewebsfibrillenbündeln, welches ich in der em- 
bryonalen Sehne beschrieben habe, auch im Wesentlichen noch in der er- 
wachsenen Sehne erhalten geblieben ist, allerdings mit höchst eigen- 
thümlichen Modificationen. An Stelle der einfachen, stets unter den 
verschiedensten Verhältnissen sich gleich bleibenden Zellen mit 
grobkörnigem Protoplasma sind jetzt, nachdem sie im Leben den 
verschiedensten ziehenden, spannenden und dehnenden Kräften aus- 
gesetzt gewesen, elastische Platten getreten, begabt mit dem er- 
staunlichsten Vermögen, unter den verschiedensten Verhältnissen 
der Anspannung oder Erschlaffung der Sehne, unter den verschie- 
densten Graden der Quellung der Bindegewebsbündel, dem Unter- 
sucher stets ein neues Bild und eine neue Form zu zeigen. 

In dem Bilde der straff angespannten Sehne, welches ich in 
Fig. 6 wiedergegeben und oben besprochen habe, sind diese elasti- 
schen Zellenplatten bis zu dem äussersten Grade der Dehnung aus- 
gezogen gewesen. Sie haben dabei, wie äusserst straff angezogene 
Gummibänder, nicht bloss äusserst dünn, sondern auch äusserst schmal 
werden müssen. In Folge dessen erscheinen sie im mikroskopischen 
Bilde in der That denn auch wenig breiter als Linien. Ein eigen- 
thümliches Verhältniss bewirkt, dass diese äusserst geringe Breite 


M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 7, 20 


292 Dr. Franz Boll: 


in dem mikroskopischen Bilde von Sehnen, die einer äusserst starken 
Anspannung ausgesetzt wurden, noch um vieles schmäler erscheint, 
als sie in der That schon ist. Ich habe oben erwähnt, dass an den 
zusammengezogenen Platten neben dem intensiv carmingefärbten 
Streifen die Substanz der Platten selbst doch nur blassroth getärbt 
erscheint. Diese an den zusammengezogenen Platten selbst nur 
blasse Färbung kommt an den übermässig ausgedehnten Platten 
gar nicht mehr zur Erscheinung, und so sind in der That die reihen- 
weise angeordneten schmalen stabförmigen Körper zwischen den 
Fibrillenbündeln der Sehne in den Fällen sehr straffer Anspannung 
der Sehne öfter die optischen Ausdrücke der elastischen Streifen als 
die der ganzen Zellplatten selbst. 

Ist die Spannung der Sehne eine weniger starke gewesen, so 
sind die Zellplatten contrahirt (ich bemerke, dass ich den Ausdruck 
„contrahirt‘‘ in diesem Falle nur zur Bezeichnung des mikroskopi- 
schen Bildes und ohne jedes physiologische Präjudiz gebrauche); ihr 
Längendurchmesser ist in demselben Verhältniss verkleinert, als 
ihr Breitendurchmesser zunimmt. Am kleinsten ist der Längen- 
durchmesser in jenen äussersten Graden der Contraction der Zell- 
platten, wo der elastische Streifen deutlich quergestreift er- 
scheint. Es ist oben schon darauf hingewiesen, dass dieser Um- 
stand aus der Ranvier’schen Theorie nicht erklärt werden kann. 
Ebenso ist es mit der anderen Thatsache, auf welche ich gleich- 
zeitig hinwies, dass nämlich niemals in ein und demselben Präparat 
neben einander schmale und breite Platten oder, um in der Ran- 
vier’schen Terminologie zu reden, geschlossene und offene Hohl- 
cylinder vorkommen. Dies ist sehr wohl zu begreifen, wenn man 
bedenkt, dass in ein und demselben Sehnenabschnitt, unter gleichen 
Verhältnissen der Spannung und der Quellung der Bündel auch die 
im allgemeinen gleichartigen benachbarten elastischen Platten nicht 
gut anders wie dieselben Contractionszustände zeigen können, ist 
aber nicht gut zu verstehen, wenn man annimmt, dass eine einfache 
mechanische Manipulation so unvollkommen wie ein Druck auf das 
Deckgläschen mit einem Male sämmtliche Hohleylinder aufklappen soll, 
ohne dass ein einziger oder eine einzige solche Cylinderreihe dabei 
geschlossen geblieben wäre. Die sehr häufigen Bilder endlich, welche 
Ranvier in seiner Fig. 2, b. c. abbildet und als „tubes entr’ouverts 
und tubes presque compl&tement ouverts‘ gedeutet wissen will, erklären 
sich einfacher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Zellenreihen 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 293 


zwischen den Fibrillenbündeln eben in allen möglichen Ebenen liegen 
und man ebenso oft erwarten muss, ganze, halbe und viertel Profil- 
ansichten dieser Platten, wie Flächenansichten zu erhalten. Es liegt 
also auch hiernach kein Grund vor, anzunehmen, dass das oben ge- 
schilderte klare und einfache Verhältniss der Zellen zu den Fibrillen- 
bündeln der embryonalen Sehne in der erwachsenen irgend eine 
wesentliche Aenderung erfahren habe: auch hier noch liegen diese 
Zellenreihen der Oberfläche der einzelnen Fibrillenbündel auf. 

Ich komme nun zu demjenigen Punkte der Anatomie der 
Sehne, dessen Erforschung sowohl wie Darstellung entschieden die 
erheblichsten Schwierigkeiten bietet, zu der wichtigen Frage näm- 
lich, ob und inwiefern den Fibrillenbündeln der Sehne eine Scheide 
zukomme oder nicht. Ich übergehe die Ansichten der einzelnen 
Autoren, welche den Bindegewebsbündeln den Besitz elastischer 
Scheiden zugesprochen haben (Henle u. a.) und will nur voraus 
bemerken, dass es mir ebensowenig wie meinen Vorgängern gelungen 
ist, eine Scheide etwa durch Abheben von dem Fibrillenbündel ob- 
jeetiv zu demonstriren. Doch giebt es eine grosse Reihe von That- 
sachen, die es sehr wahrscheinlich machen, dass den einzelnen Binde- 
gewebsbündeln ausser den sie doch nur sehr theilweise bedeckenden 
Zellenplattenreihen noch eine besondere Scheide zukommt, welche die 
einzelnen Fibrillenbündel umhüllt und gegen einander abgrenzt. Vor 
allem sind es die Bilder, die der Sehnenquerschnitt gewährt, welche 
in hervorragender Weise für die Existenz derartiger Scheiden spre- 
chen. Fig. 21 stellt das genau wiedergegebene Bild dar, welches die 
Querschnitte der feinen Sehnen aus dem Schwanz der Nagethiere 
darbieten. Das Präparat ist gleichfalls nach der vorzüglichen Methode 
Ranvier’s angefertigt worden. Der ganze frische Schwanz wurde 
durch 24stündiges Einlegen in eine concentrirte Lösung von Pikrin- 
säure seiner Kalksalze beraubt und nun Querschnitte durch die 
ganze Dicke desselben geführt, welche darauf in essigsaurer Carmin- 
lösung tingirt wurden. Man sieht an derartigen Querschnitten von 
dunkeln sternförmigen Punkten, welche sich an den umgeschlagenen 
Rändern des Präparats (an den oben als Donders’sche Bänder be- 
sprochenen Bildern) als die optischen Querschnitte von 3—4 über- 
einanderliegenden Zellenplatten ergeben, schmale, gleichfalls tingirte 
Scheidewände ausgehen und eine mehr oder weniger vollständige 
Umscheidung und Abgränzung der einzelnen Querschnitte der Binde- 
gewebsbündel gegen einander bewerkstelligen. Wie fast alle Autoren, 


294 Dr. Franz Boll: 


so schreibt auch Ranvier auf Grund dieses Bildes den Bindege- 
websbündeln der Sehnen eine Scheide zu oder, wie er sich vielmehr 
vorsichtiger und auch strenger logisch ausdrückt, er nimmt eine an-_ 
ders geartete oberflächliche, dünne Schicht der Bindegewebsbündel 
an, der er die Fähigkeit zuschreibt, den Carmin lebhafter aufzu- 
nehmen und energischer festzuhalten, wodurch sie sich von der eigent- 
lichen Hauptsubstanz der Bindegewebsbündel auszeichne. Da, wo 
diese Wände der Bindegewebsbündel auf dem Querschnitt sich zu 
sternförmigen Figuren zu verdicken scheinen, nimmt Ranvier viel- 
mehr an, dass sie auseinanderweichen, um Platz zu machen für eine 
Reihe seiner Hohleylinder, deren a die Centra der sterul- 
förmigen Figuren vorstellen. 

Während nach der Anschauung Ranvier’s, wenn man die- 
selbe so consequent durchdachte, wie er es gethan hat, in der That 
keinerlei Beziehungen der Zellplatten zu diesen auf dem Querschnitt 
sichtbaren Scheiden denkbar waren, musste ich mir, der ich davon 
überzeugt war, dass die Zellplatten den Bindegewebsbündeln auf- 
liegen und keineswegs etwa geschlossene Hohleylinder darstellen, 
die Frage vorlegen, in welchem Verhältnisse die Zellplatten zu 
den Scheiden der Bindegewebsbündel ständen, ob sie histiologisch 
mit ihnen zusammenhingen oder ob sie etwas von denselben Getrenntes 
darstellten. 

Zunächst musste mir auffallen, dass sehr oft, ja bei weitem 
in der Mehrzahl der Fälle die einzelnen Zellplatten durchaus nicht 
scharf contourirt und sehr häufig, namentlich an einer oder auch 
an beiden Seitenflächen ohne Grenze in das nebenliegende Gewebe 
überzugehen schienen. Die blassrosa Färbung der Zellplatten nahm 
so allmälig zu beiden Seiten des elastischen Streifens ab, dass es in 
der That nicht zu bestimmen war, wo die Grenze der Zellplatten 
sei. Besonders schwierig erwies sich dieses in jenen Fällen, die ich 
oben erwähnt habe, wo Zellplatte und elastischer Streifen so ener- 
gisch contrahirt sind, dass eine deutliche, oft sehr regelmässige 
(Querrunzelung auftritt: Fig. 19 stellt ein Präparat vor, wo zwei 
derartige Zellenplattenreihen eine sehr exquisite Querstreifung zeigen. 
Man erkennt in dem Bilde allerdings wohl den Ort der elastischen 
Streifen, sucht jedoch vergebens nach einer deutlichen Abgrenzung 
der Zellenplatten gegen einander nnd gegen das danebenliegende 
Gewebe, in welchem etliche gleichfalls sehr stark geschlängelte 
elastische Fasern verlaufen. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 295 


Hierher gehört noch eine andere Beobachtung, die ich gleich- 
falls schon oben zusammen mit der vorhergehenden erwähnt habe: 
Obwohl zwischen den aneinanderstossenden elastischen Streifen be- 
nachbarter Zellen eine wirkliche Continuität sich fast niemals nach- 
weisen lässt, so erscheint doch insofern ein ähnliches Verhältniss 
zwischen den verschiedenen Streifen hergestellt, als die Richtungen der- 
selben meist mit grosser Regelmässigkeit in einer Axe zu liegen und in 
ein und derselben gemeinsamen Direktion zu verlaufen scheinen. Ran- 
vier hat, was ich bestätigen kann, eine durch Silberimprägnation sich 
schwarz färbende Kittsubstanz zwischen den Enden der aneinander- 
stossenden Zellenplatten nachgewiesen, welche, wie sich aus dieser 
Richtungscontinuität der Streifen ergibt, wohl eine ziemlich feste 
Verbindung herstellt. 

Alle diese Thatsachen liessen es mir schon als nicht unwahr- 
scheinlich vorkommen, dass die Zellenplatten selber Theile der 
elastischen Scheide der Bindegewebsbündel seien, dass auch hier in 
den Sehnen ein ähnliches, wenigstens ebenso schwierig zu definirendes 
Verhältniss zwischen den zelligen Elementen und der Substanz einer 
homogenen elastischen Haut, ein ähnlich allmäliges Uebergehen der 
einen in die andere vorliege, wie ich es für die Membrana propria 
der Drüsen '), Schwalbe?) für die den Perichorioidalraum begrän- 
zende elastische Haut nachgewiesen haben, Darstellungen, die bis 
jetzt nur Bestätigung ‚ bei Niemanden aber Widerspruch fanden. 
Ich würde aber aus den alleinigen Befunden des Untersuchungs- 
objects, welches ich dieser Untersuchung zu Grunde gelegt habe, 
niemals die Kühnheit gewonnen haben, diese Ansicht auszusprechen, 
wenn mir nicht andere reichere Erfahrungen, an anderen Objecten 
gesammelt, zur Seite ständen. Untersucht man die Extremitäten- 
sehnen erwachsener Säugethiere oder Menschen, so wird man nur 
in seltenen Fällen Präparate der Zellenplatten gewinnen, die den 
endothelialen Character, den dieselben in den bis jetzt besprochenen 
Sehnen aus dem Schwanz des Kaninchens wenigstens annähernd zeigen, 
in irgendwie ausgesprochener Weise wiedergeben. Noch viel mehr wie 
in den Sehnen des Kaninchens vermisst man bei diesen Objecten die 


1) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der acinösen Drüsen. Berlin. 
Hirschwald. 1869. 

2) Untersuchungen über die Lymphbahnen des Auges und ihre Begren- 
zungen. Dieses Archiv VI. 16—18. 


296 Dr. Franz Boll: 


scharfe Contourirung der Zellen, die, nur in sehr geringem Maasse durch 
Carmin gefärbt in die Substanz der Scheide der Bündel überzugehen 
scheinen. Hiermit hängt es zusammen, wenn Lessing die Zellen- 
platten in vielen Sehnen und bei vielen Thieren gänzlich vermisste; 
z. B. in den Extremitätensehnen ganz ausgewachsener Kaninchen 
und Hunde finde ich die Zellplatten äusserst dürftig entwickelt, sehr 
lang, schmal und dünn; vom Carmin werden sie nur sehr blass ge- 
färbt und oft finden sich längere Zwischenräume zwischen den Zell- 
platten ein und derselben Reihe, die nur durch eine einfache feine 
Linie, den optischen Querschnitt der Scheide des Bindegewebsbündels 
eingenommen werden. Diese einfache Linie geht an beiden Enden 
continuvirlich in die Substanz der schmalen Platten über, ganz analog, 
wie Schwalbe die Zusammensetzung der elastischen Membran des 
Perichorioidalraumes schildert, welche an den Stellen, wo die ur- 
sprünglichen Zellen lagerten, nur noch eine eben merkliche Ver- 
dickung erfährt. 

Sehr vielfach kann der Schwund der Zellenplatten in den er- 
wachsenen Sehnen so weit gehen, dass dieselben auch im zusammen- 
gezogenen Zustande Bilder darbieten, die sich nicht von den Bildern 
unterscheiden, welche die Sehnen aus dem Schwanze des Kaninchens 
im Zustande äusserster Anspannung darbieten, wie ich ein solches 
Bild in Fig. 6 wiedergegeben habe. Zwischen den einzelnen Binde- 
gewebsbündeln scheinen alsdann nur elastische Fasern zu verlaufen, 
die von Zeit zu Zeit eine deutliche spindelförmige Anschwellung 
zeigen, die nur derjenige als den spärlichen Rest einer Zellplatte 
erkennen wird, dem eine hinreichend ausgedehnte eigene Erfahrung 
in der Unzahl der sich hier darbietenden Formen zu Gebote steht. 

Mehr wie irgendwo anders ist diesSystem der geschlossenen elasti- 
schen Scheiden um die einzelnen Bindegewebsbündel ausgebildet in 
den später verknöchernden Sehnen der unteren Extremität der Vögel. 
Hier hat Lieberkühn, indem er durch starke Salpetersäure die 
Fibrillen des Bindegewebes zur Auflösung brachte, ein ganz voll- 
ständiges elastisches Gerüste, in dessen röhrenförmigen Hohlräumen 
die einzelnen Bindegewebsbündel eingelagert waren, darstellen kön- 
nen!). Die Darstellung ist bei diesem Object, wie ich bezeugen 
kann, leicht, da die elastischen Röhren sehr derb und stark sind. 


1) iile.! Taf." RX! Fig, 3% 


a 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 297 


Aus den Sehnen von Säugethieren habe ich nach dieser Methode 
nur undeutlich begrenzte zarte Fetzen darstellen können und neige 
mich der Auffassung Henle’s!) zu, wonach sich um die vielfach 
anastomosirenden und in der verschiedensten Weise mit einander 
verschmolzenen Bindegewebsbündel der Säugethiere weder so starke 
noch so regelmässige und völlig geschlossene elastische Scheiden 
ausbilden, wie in diesen Sehnen der Vögel der Fall ist, wo pris- 
matische und cylindrische Bündel fast ohne Anastomose parallel 
neben einander verlaufen. 

Ebenso sehr wie die Ausbildung dieser elastischen Platten und 
Scheiden unterliegt noch ein anderes Verhältniss der Sehnenstructur 
den beträchtlichsten Schwankungen: In jedem Sehnenpräparat, das 
mit Essigsäure behandelt ist, sieht man im Innern der Bindegewebs- 
bündel feinste elastische Fasern von nahezu gleichem Kaliber ver- 
laufen.. Auf Längsansichten der Sehnen und in den Donders’schen 
Bändern, die nichts anderes darstellen, wie kurze Längsschnitte, 
sieht man deutlich, wie dieselben alle der Längsrichtung der Sehne 
parallel und sich selten und dann stets in spitzen Winkeln dichoto- 
misch theilend verlaufen. Auch auf Sehnenquerschnitten (Fig. 21) 
sind die punktförmigen Durchschnitte dieser Fasern stets sehr deut- 
lich wahrzunehmen. Der Reichthum und das Kaliber dieser intra- 
fasciculären feinen elastischen Fasern ist, wie ich finde, ebenso wie 
die Ausbildung der elastischen Scheiden den mannigfachsten Schwan- 
kungen nach Alter und Localität unterworfen. So können in den 
Schwanzsehnen des Kaninchens neben Bündeln, die an diesen feinen 
elastischen Fasern sehr reich sind, ebenfalls starke Bündel vor- 
kommen, die dieselben nur in sehr geringer Anzahl enthalten. 

Fast alle neueren Untersucher, Henle und Kölliker an 
der Spitze, stimmen darin überein, dass sie diesen zarten elastischen 
Fäserchen jede Beziehung zu den zelligen Elementen des Bindege- 
webes überhaupt absprechen und sie als ein ganz gleichartiges, stets 
für sich bestehendes und mit keinen anderen Elementen Verbindungen 
eingehendes Fasersystem auffassen. Nur Virchow ist für die Zu- 
sammengehörigkeit dieser Fasern mit Zellen, deren Ausläufer sie 
darstellen sollten, eingetreten. Doch sind in seiner Auffassung zwei 
Stadien deutlich zu unterscheiden: In seinen ersten Arbeiten, in 
denen er den Begriff der spindel- und sternförmigen anastomosirenden 


1) Jahresbericht für 1860. S. 27. 


298 Dr. Franz Boll: 


Bindegewebskörperchen aufstellte!), deutet er die gröberen Punkte, 
die auf dem Querschnitt der Bindegewebsbündel auftreten, als 
die Querschnitte der anastomosirenden Zellausläufer. In späteren 
Publicationen ?) nimmt eran, dass anStellen, wo das fibrilläre Binde- 
gewebe grossen Dehnungen ausgesetzt ist (als Beispiel wird aller- 
dings nicht die Sehne sondern nur das Unterhautbindegewebe: citirt) 
die Bindegewebskörperchen in elastische Massen, ihre Ausläufer in 
feinste Fasern umgewandelt werden, wobei er es unentschieden lassen 
will, inwiefern die so umgewandelten Zellen und Ausläufer noch als 
Wege für die plasmatische Circulation dienen. Eine gleichfalls ge- 
sonderte Stellung von der Mehrzahl der Forscher nimmt Ranvier 
ein, welcher angiebt, dass die feinen intrafasciculären elastischen 
Fasern von den elastischen Wänden der Bindegewebsbündel ihren 
Ursprung und Ausgang nehmen. 

Meine Untersuchungen haben mich dazu geführt, die Ansicht 
Virchow’s in derjenigen Form, welche er selbst ihr in seinen 
späteren Publicationen gegeben hat, als die richtige zu adoptiren. Ich 
kann allerdings nicht behaupten, dass alle intrafasciculären elasti- 
schen Fasern mit den Zellenplatten in Verbindung stehen. Aber sehr 
oft habe ich Reihen von Zellenplatten gesehen, wie die Fig. 18 wie- 
dergegebene, wo ganz deutlich von dem Leib der Zellenplatten feine 
elastische Fasern ausgingen und in das Innere der Bindegewebs- 
bündel eindrangen. Bemerkenswerth ist, dass während ganze Reihen 
von Zellenplatten hiervon keine Spur zeigen, nicht weit davon andere 
Zellenreihen liegen, wo jede einzelne Zellenplatte eine nicht uner- 
hebliche Anzahl derartiger Fasern entsendet. Hiermit hängt die 
grosse Verschiedenheit des Reichthums der Bindegewebsbündel an 
elastischen Fasern, auf die ich oben hingewiesen habe, auf das engste 
zusammen. 


Ich schliesse hiermit die Darstellung der Thatsachen, die mich 
ein langes und mühsames Studium der Anatomie der Sehne kennen ge- 
lehrt hat. Es bleibt noch übrig, zu erörtern, wie meine Darstellung 
sich verhält zu den Ansichten, welche andere Forscher über dasselbe 

1) Ueber die Identität von Knochen-, Knorpel- und Bindegewebs- 
Körperchen, sowie über Schleimgewebe. Würzburger Verhandlungen. II. 
162. 1851. 

2) Cellular-Pathologie. Zweite Auflage 1859. S. 9. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 299 


anatomische Object aufgestellt haben. Ich werde dabei sehr kurz 
sein können, da ich mir bewusst bin, jede einzelne Erscheinung 
und jedes Bild, welches vom Sehnengewebe beschrieben wird, ge- 
sehen und keine einzige der in der Literatur vorkommenden that- 
sächlichen Angaben ungeprüft oder unerörtert gelassen zu haben. 
Hier handelt es sich also nur noch um eine Kritik der Gesammt- 
anschauungen über den Bau der Sehne, welche von den einzelnen 
Forschern aufgestellt worden sind. 

Die Ansicht, die sich Virchow über den Bau der Sehne ge- 
bildet hat, schneidet in das Fleisch fast sämmtlicher oben erörterten 
und sichergestellten Thatsachen. Die Bilder und die anatomischen 
Thatsachen, auf die er dieselbe stützt, haben sich der oben vorge- 
tragenen Ansicht. leicht und bequem gefügt, ergeben sich gewisser- 
maassen aus ihr als nothwendige Consequenzen, während es eine 
positive Unmöglichkeit ist, eine Menge anderer Thatsachen in seine 
Theorie hineinzuzwängen. 

Auch der Ansicht Kölliker’s, wie er sie in seinen „Neuen 
Untersuchungen über die Entwickelung des Bindegewebes“ formulirt 
hat, wonach ‚die Zellen der Sehnen sich seltener durch Fasern, vor 
Allem durch zarte blatt- oder bandförmige, oder hautartige Ausläufer 
verbinden und so eine eigenthümliche Art von Scheidewänden her- 
stellen, welche die Bindegewebsbündel von einander sondern“, kann 
ich, namentlich was seine Auffassung der Zellanastomosen anbetrifft, 
nur eine beschränkte Geltung zuerkennen. 

Dasselbe gilt von der Ansicht Bizzozero’s, welche, soviel 
sich aus der kurzen vorläufigen Mittheilung!) entnehmen lässt, in 
der Mitte zwischen Kölliker und Virchow zu stehen scheint. 

Der Werth der Ansichten von Ranvier ist oben hinreichend 
erörtert worden. 

Henle gebührt nicht nur das Verdienst, in zähem und hart- 
näckigem Kampf?) gegen die Virchow’sche Darstellung jede spä- 
tere Kritik derselben im Voraus überflüssig gemacht zu haben: Zu 
einer Zeit, wo Schulbegriffe das Herrschende waren, hat er allein 


1) Della struttura del tessuto connettivo compatto. Rendiconti del 
Reale Istituto Lombardo. Letta nell’ adunanza del 19 agosto 1869. 

2) Canstatt’s Jahresbericht für 1851. S. 22. Uanstatt’s Jahresbericht 
für 1852. S. 20, für 1853 S. 27. Henle und Meissner, Jahresbericht für 
1858, S. 53. 


300 Dr. Franz Boll: 


die reinen Thatsachen mit unbefangenem Auge gesehen und seine, 
durch ein vorgefasstes System unbeeinflusste Darstellung der Structur 
der Sehne ist es, die meine Untersuchungen mich als die der Wahr- 
heit am meisten entsprechende kennen gelehrt haben. 


Erklärung der Abbildungen. 
Kap. I. 


Die römischen Zahlen zeigen die Nummern der Hartnack’schen Ob- 

jective, die arabischen die der Oculare an. 

Fig. 1. IX, 2. Ein Sehnenstrang aus dem Centrum tendineum eines Kanin- 
chenembryo mit Holzessig behandelt. 

Fig. 2, 3. IX, 3. Ebendaher. Zwei Bindegewebsfibrillenbündel mit aufsitzen- 
den Zellen. 

Fig. 4. VII, 3. Ebendaher. Ein zerzupfter Sehnenstrang mit den theilweise 
den Fibrillenbündeln noch aufsitzenden Zellen. 

Fig. 5. IX, 3. Ebendaher. Isolirte Zellen. 

Fig. 6. VII, 3. Sehnenstreifen aus dem Schwanz eines jungen Kaninchen. 
Ganz straff angespannt. 

Fig. 7. IX, 2. VII, 3. Etwas weniger straff angespannter Sehnenstreifen. 
Ebendaher. 

Fig. 8. IX, 2. Ebendaher. Drei Reihen von Zellenplatten. 

Fig. 9—18. IX, 3. Verschiedene Formen von Zellplatten-Reihen. Ebendaher. 

Fig. 19. VII, 2. Zwei Zellenplattenreihen aus einer hochgradig contrahirten 
Sehne. Ebendaher. 

Fig. 20. a. b. VII, 3. Zwei Donders’sche Bänder vom Querschnitt eines mit 
Pikrinsäure behandelten Kaninchenschwanzes. 

Fig. 21. VII, 3. Sehnenquerschnitt. Ebendaher. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 301 


II. Der Knorpel in der Achillessehne des Frosches. 


Seitdem Reichert die Lehre von der Continuität des Binde- 
gewebes aufstellte!) und noch mehr seit der Umformung, die die- 
selbe durch Virchow?) erfuhr, haben sich die Histiologen bemüht, 
die Kategorie von Geweben, wo ein Uebergang der ‚Bindegewebs- 
körperchen‘“ in Knorpelkörperchen stattfinden sollte, nach Kräften 
zu vermehren. Als solche Beispiele gelten vor allem die Bandscheiben 
der Wirbelsäule, viele Gelenkbänder, z. B. die Bänder der Rippen- 
gelenke, die Sehnenscheiden, die Verbindungen der Muskelsehnen 
mit knorpeligen Skelettheilen, die Sesambeine u. s. w. Ueberall 
wurden die hier obwaltenden Verhältnisse dahin ausgelegt, dass ein 
Uebergang fibrillären Bindegewebes in Knorpel stattfinde, in der 
Weise, dass sich zwischen die Fibrillenbündel des Bindegewebes 
Knorpelzellen einlagerten. 

Unter diesen Beispielen ist besonders ein anatomisches Object 
zu nennen, welches stets mit ganz besonderer Vorliebe dazu aus- 
erkoren wurde, den Uebergang des fibrillären Bindegewebes in Knorpel 
und die Gleichwerthigkeit der Knorpelkörperchen und Bindegewebs- 
körperchen zu demonstriren. Es ist dies der Knorpel, der als ein 
Sesambein in das Gewebe der Achillessehne des Frosches eingelagert 
ist. Wenn auch die über diesen Gegenstand vorliegende Literatur 
bereits eine ziemlich ansehnliche ist, so finde ich doch keine einzige 
der von den verschiedenen Forschern gegebenen Darstellungen auch 
nur einigermassen zutreffend: Alle Forscher setzen mit grosser Un- 
befangenheit die grossen klaren Zellen dieses Gewebes den Knorpel- 
zellen gleich und bezeichnen sie nur als solche, ohne sich die Frage 
vorgelegt zu haben, was denn das Characteristische an der Knorpel- 
zelle sei, und weshalb diese Zellen denn absolut Knorpelzellen sein 
müssten. Der Theorie zu Liebe hat der erste Forscher, der dieses 
Gewebe untersucht hat, Lehmann?), die Zellen Knorpelzellen ge- 


1) Bemerkungen zur vergleichenden Naturforschung im Allgemeinen 
und vergleichende Beobachtungen über das Bindegewebe und die verwandten 
Gebilde. Dorpat 1845. 

2) Ueber die Identität von Knochen-, Knorpel- und Bindegewebs- 
Körperchen, sowie über Schleimgewebe. Würzburger Verhandlungen II. 
S. 162. 1857. 

3) Ueber den Knorpel in der Achillessehne des Frosches. Zeitschr. f. 
wiss. Zoologie. XIV. 109. Taf. XIV. 1864. 


302 Dr. Franz Boll: 


nannt, und keiner der späteren Untersucher, nicht Hoyer!), nicht 
Gegenbaur?) und nicht Güterbock°) haben diese Bezeichnung 
durch eine sachgemässere und weniger präjudicirende ersetzt, wenn 
sie auch, um diese Bezeichnung zu retten, zu den künstlichsten 
Annahmen ihre Zuflucht haben nehmen müssen. 

Die gröbere Configuration dieses Sesamknorpels und sein Ver- 
hältniss zu dem rein sehnigen Theil der Achillessehne ist von Leh- 
mann so vorzüglich geschildert und abgebildet worden, dass ich 
kein Wort mehr darüber zu verlieren brauche. Ich gehe also so- 
gleich zur Erläuterung der Fig. 22 über, welche bei mittelstarker 
Vergrösserung einen Theil eines Längschnittes der in Osmiumsäure 
erhärteten Achillessehne darstellte. Man sieht, wie genau im rechten 
Winkel zu der Längsfaserung der Sehne ein System von nicht allzu 
dicken, vielfach mit einander verflochtenen Balken fibrillären Binde- 
gewebes durch die ganze Dicke der sesambeinartigen Anschwellung 
hindurchgeht und wie zahlreiche grosse klare Zellen zwischen die 
einzelnen Bindegewebsbündel eingestreut sind. In Fig. 23 habe ich 
bei stärkerer Vergrösserung einige Bindegewebsbalken mit den an- 
liegenden und dazwischen gestreuten Zellen wiedergegeben. 

Die Zellen hängen in einzelnen Reihen zusammen und sitzen 
der Oberfläche der Bindegewebsbündel ziemlich fest an. Pinselt man 
einen derartigen Schnitt aus, so erhält man häufiger als einzelne 
Zellen ganze Zellenreihen aus 3—4 Zellen bestehend, die durch eine 
feine Kittsubstanz verklebt zu sein scheinen. Will: man dieselbe, 
wie Gegenbaur thut, als Intercellularsubstanz bezeichnen, so will 
ich um das Wort hier nicht streiten. Jedenfalls ist diese Zwischen- 
substanz, auf welche man ein so hohes Gewicht gelegt hat und die 
dazu dienen sollte, die Homologie dieses Gewebes mit dem Knorpel 
zu begründen, stets nur eine sehr minimale. 

Aber selbst zugegeben, dass eine derartige Zwischensubstanz hier 
zwischen den einzelnen Zellen vorhanden sei, so ist das fragliche Ge- 
webe darum doch noch kein Knorpel, denn die Zellen dieses Gewe- 
bes sind eher alles andere als Knorpelzellen. ° 


1) Ein Beitrag zur Histiologie bindegewebiger Gebilde. Archiv für 
Anatomie und Physiologie. 1865. S. 241. 

2) Ueber einige Formelemente des Bindegewebes. Jenaische Zeitschr. 
f. Mediein u. Naturwissenschaft. III. S. 307. 1866. 

3) Untersuchungen über Sehnenentzündung. Wiener med. Jahrbücher, 
red. von 8. Stricker. I. 1871. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 303 


Unter Knorpelzellen, Knorpelkörperchen versteht die Histiolo- 
gie kernhaltige Protoplasmamassen von nahezu kugeligen Dimen- 
sionen, die in Höhlen einer festeren Intercellularsubstanz eingelagert 
sich noch, wie die electrischen Reizversuche von Heidenhain!) 
und Rollet?) beweisen, eine energische Vitalität bewahrt haben. 

Die Zellen der Achillessehne des Frosches sind deshalb keine 
Knorpelkörperchen, weil sie nicht Protoplasmamassen von mehr 
oder minder kugeligen Dimensionen, sondern gedehnte kernhaltige 
polygonale Platten darstellen, deren Protoplasma bis auf einen 
äusserst geringen Rest körniger Substanz, der in der Nähe des 
gleichfalls stets eigenthümlich gekerbten und geschrumpften Kernes 
lagert, geschwunden und in eine Substanz umgewandelt ist, die mit 
der der elastischen Häute und Scheiden eine grosse Aehnlich- 
keit zeigt. 

Pinselt man einen Schnitt der in Osmiumsäure gehärteten Achilles- 
sehne in einem recht grossen Tropfen Glycerin oder einer concen- 
trirten wässerigen Lösung essigsauren Kali’s (M. Schultze) recht ener- 
gisch aus, so erhält man eine Menge dieser Zellen völlig isolirt in 
der Zusatzflüssigkeit herumschwimmen und rotiren und überzeugt 
sich auf das Unzweideutigste von der abgeplatteten Form der- 
selben. Behandlung mit Zusatzflüssigkeiten, die das körnige Proto- 
plasma stets intensiv färben, z. B. Osmiumsäure und essigsaure 
Carminlösung, ergab stets nur eine sehr blasse Tinction der, auch 
frisch untersucht, nie körnig sondern stets homogen erscheinenden 
Zellplatten. Intensiv gefärbt erschien stets nur eine kleine Menge 
körniger Substanz, die in der Nähe des Kerns angesammelt liegt. 
Der Kern der Zellplatten erscheint auch im frischen Zustande nur 
sehr selten voll und bläschenförmig, meist in der Weise geschrumpft, 
wie Fig. 23 darstellt. 

Das Gewebe der Achillessehne des Frosches ist also kein Knor- 
pel, sondern ein Gewebe sui generis, das in der Hauptsache aus 
Bündeln fibrillären Bindegewebes besteht, denen reichlich grosse klare 
elastische Zellplatten auflagern ; der grosse Reichthum derselben giebt 
wahrscheinlich dem Gewebe die eigenthümliche knorpelähnliche Con- 
sistenz. Ausser diesen Zellplatten sind andere Zellen in dem Ge- 
webe überhaupt nicht vorhanden. Der rein sehnige Theil der Achilles- 


1) Studien des physiologischen Instituts zu Breslau. II. S. 1. 1863. 
2) Stricker, Lehre von den Geweben 8. 72. 


304 Dr. Franz Boll: 


sehne zeigt die exquisite Sehnenstructur und die dünnen theilweise 
in elastische Scheiden umgewandelten Zellplatten, die ich in dem 
ersten Kapitel beschrieben habe. An den Uebergangsstellen des rein 
sehnigen in das eben beschriebene Gewebe beobachtet man leicht, 
wie beide Arten Zellplatten durchaus homologe Gebilde darstellen. 
Der Dickendurchmesser der Zellplatten in dem „knorpeligen Theil“ 
ist grösser wie der des rein sehnigen Abschnittes. 

Man hat das Gewebe der Achillessehne des Frosches gleich- 
sam als das Paradigma hingestellt, an dem die Einlagerung 
von Knorpelzellen in das fibrilläre Bindegewebe besonders exquisit 
und leicht zur Anschauung zu bringen sei. Gerade an diesem Ge- 
webe habe ich nachgewiesen, dass von einer Einlagerung von Knor- 
pelzellen nicht die Rede sein kann. Auch einen grossen Theil der 
oben erwähnten Gewebe, wo ganz ähnliche Verhältnisse vorliegen 
sollten, habe ich, das eine flüchtiger, das andere genauer, untersucht 
und die Ueberzeugung geschöpft, dass man in der Mehrzahl der 
Fälle grosse klare elastische Platten als Knorpelzellen angesehen und 
sich durch dieselbe flüchtige Aehnlichkeit, die ich oben kritisirt habe, 
hat täuschen lassen. Aehnliche Erfahrungen wie ich hat Gegen- 
baur schon an den Intercarpalligamenten des Salamanders gemacht. 


Erklärung der Abbildungen. 
Kap. 1. 


Fig. 22. VII, 2. Längendurchschnitt durch die in Osmiumsäure erhärteten 
Achillessehne des Frosches. 

Fig. 23. IX, 3. Bindegewebsbündel mit aufliegenden elastischen Zellplatten. 
Ebendaher. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 305 


III. Die Bündel fibrillären Bindegewebes und ihre Scheiden. 


Das mikroskopische Bild, dessen histiologische Deutung ich in 
diesem Capitel zu geben versuchen werde, ist eines der ältesten und 
bekanntesten unserer Wissenschaft. Erschöpfend beschrieben und 
vorzüglich abgebildet schon in den allerersten Zeiten einer wissen- 
schaftlichen Histiologie, hat dasselbe bis auf die neueste Zeit nicht 
aufgehört, die verschiedenartigsten Controversen hervorzurufen und 
in Bezug auf seine Deutung die verschiedensten Wandelungen durch- 
zumachen. 

In Fig. 7 von Taf. II seiner „Allgemeinen Anatomie 1841“ 
bildet Henle ein mit Essigsäure behandeltes;;Bindegewebsbündel 
von der Gehirnbasis ab und beschreibt auf Seite 351 desselben Wer- 
kes sehr genau die eigenthümlichen Formveränderungen, Quellungen 
und Einschnürungen, die die Bindegewebsbündel bei Essigsäurezu- 
satz zeigen. Er führt diese Erscheinung darauf zurück, dass die 
aus in Essigsäure aufquellenden Fasern zusammengesetzten Fibrillen- 
bündel des Bindegewebes spiralig umwickelt seien von Fasern, die 
in Essigsäure sich nicht verändern und die er daher mit den elasti- 
schen Fasern identificirt. Diese Fasern, für die er in früheren Mit- 
theilungen !) die nichts präjudicirende Bezeichnung der ‚‚Spiralfasern“ 
gebraucht hatte, bezeichnet er in der „Allgemeinen Anatomie‘ als 
„spiralige Kernfasern‘‘ und endlich als „Kernfasern‘“, eine von Ger- 
ber?) zuerst geschaffene Bezeichnung adoptirend. Gerber ist der 
erste, welcher die Idee ausgesprochen hat, dass durch Auswachsen 
von Kernen Fasern hervorgehen können. Dieser von Gerber nur 
flüchtig angedeutete Gedanke findet sich bei Henle?°) weiter aus- 
gesponnen und zu einem förmlichen System entwickelt, welches in 
der Histiologie der vierziger und auch noch der fünfziger Jahre eine 
grosse Rolle zu spielen berufen war. Es genügt hier hervorzu- 
heben, dass Henle für seine Kernfasern (im Wesentlichen dasselbe, 
was wir jetzt elastische Fasern nennen) eine Entstehung aus der 
Verschmelzung mehrerer verlängerter Kerne behauptete, und dass 
er allenthalben ein bestimmtes Verhältniss der Kernfasern zu den 


1) Froriep’s Neue Notizen. Nro. 294 S. 120. 
2) Handbuch der Allgemeinen Anatomie 1840. S. 70. 
3) Allgemeine Anatomie S. 194—202. 


306 Dr. Franz Boll: 


von ihm sogenannten „Zellenfasern“, wozu er vor allen die Binde- 
sewebsfasern und Faserbündel rechnete, annahm, der Art, dass 
einem jeden Fibrillenbündel eine Kernfaser zugehöre. Als eine ganz 
besondere und aus einer eigenthümlich modifieirten Entwickelungs- 
weise hervorgegangene Form dieser Kernfasern sieht Henle die von 
ihm entdeckten, die losen Bindegewebsbündel an den verschiedensten 
Orten des menschlichen Körpers, besonders deutlich aber an der Ge- 
hirnbasis spiralig umspinnenden Fasern an. 

Ich verzichte darauf, den Gang der für die jetzige Generation 
schwerverständlichen Controverse zu skizziren, die sich an diese 
Henle’sche Theorie anknüpfte und welche die histiologische Litera- 
tur der nächsten zehn Jahre in so hohem Maasse beschäftigte. 
Reichert, Kölliker, Virchow und Donders waren es vor 
allen, die sich an derselben betheiligten, bis im Jahre 1851 beson- 
ders auf die Angriffe der beiden letzteren hin die Kernfasertheorie, 
von Henle selber aufgegeben '), aus der Wissenschaft verschwand. 

Nur ein besonderer Fall dieser langwierigen Controverse gehört 
nothwendig und unmittelbar zu unserem Thema, die Frage nämlich, 
ob die Einschnürungen, die auf Essigsäurezusatz an den Bündeln des 
Bindegewebes hervortreten und denselben eben jene eigenthümliche 
Gestalt verleihen, in der That von umspinnenden Fasern herrühren, 
wie Henle zuerst behauptet hatte, oder, wenn dies nicht der Fall 
ist, welche Verhältnisse dann diese eigenthümliche Formveränderung 
begründen. 

Heinrich Müller?) war der erste, welcher, nachdem bis 
dahin die Ansicht Henle’s von dem Zustandekommen dieser Ein- 
schnürung allgemein und anstandslos adoptirt worden war, auf die 
Möglichkeit einer anderen Deutung aufmerksam machte. Die Binde- 
gewebsbündel des Chorion’s menschlicher Embryonen gewährten ihm 
Bilder, welche ihn die Anwesenheit structurloser Scheiden um die 
Bindegewebsbündel als die diese Einschnürungen bedingende Ursache 
erkennen liessen. Doch geht H. Müller nicht so weit, die Existenz 
DER u) Canstatt’s Jahresber. f. 1851. S. 22. 

2) Abhandlung über den Bau der Molen. Würzburg. Stahel 1847. S. 62. 
Anmerkung: „Ueberhaupt zeigen diese Einschnürungen hinsichtlich des be- 
dingenden Moments vielfache Uebergänge von jenen wahren Fasern zu struc- 
turlosen Scheiden.‘‘ Die Stelle ist in sofern beachtenswerth, als hier zum 
ersten Male überhaupt auf die Existenz von Scheiden um die Bindegewebs- 
bündel, die bis dahin weder von Henle noch von sonst Jemand gesehen 
worden waren, aufmerksam gemacht wird. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 307 


der umspinnenden Spiralfasern Henle’s überhaupt zu leugnen, son- 
dern scheint sich vielmehr der Ansicht zuzuneigen, dass beide Bil- 
dungen neben einander und in einander übergehen! vorkommen 
können. Eine Bemerkung Henle’s!) bei Gelegenheit der Be- 
sprechung von Müller’s Arbeit zeigt übrigens, dass ihm selber schon 
Zweifel an der Richtigkeit seiner Theorie aufgestossen waren. Ei- 
nige Jahre später?) führt er in der That ausdrücklich die Ein- 
schnürungen der Bindegewebsbündel nicht mehr auf fortlaufende 
elastische Spiralfasern, sondern auf elastische Fasernetze zurück, die 
durch das in der Essigsäure aufquellende Bündel zu einzelnen reifen- 
artigen Massen zusammengeschoben werden sollen. 

Im Uebrigen blieb trotz der Bemerkung H. Müller’s und der 
halben, unvollständigen und dabei etwas unklaren Modification, die 
Henle selber seiner ursprünglichen Lehre hatte angedeihen lassen, 
die erste Ansicht Henle’s noch längere Zeit fast unbestritten in 
Geltung, wie die Lehrbücher der damaligen Zeit (Sharpey, Kölli- 
ker, Gerlach) und die Erwähnungen vieler anderen Autoren, von 
denen ich nur Leydig?) hervorheben will, beweisen. 

Der erste, welcher die Existenz der umspinnenden Fasern 
Henle’s gänzlich leugnete und die bei Essigsäurezusatz entstehen- 
den Einschnürungen überhaupt auf andere Momente zurückzuführen 
suchte, war Luschka®). Hier findet sich unter anderem zuerst 
die Ansicht ausgesprochen, dass die für gewöhnlich die Bindege- 
websbündel umhüllende elastische structurlose Scheide bei dem durch 
Essigsäure bedingten Aufquellen der Bündel an verschiedenen Stellen 
in ihrer ganzen Circumferenz zerreisse und dass die so entstande- 
nen Fragmente zu einzelnen Ringen zusamnmenschnurrend die Ein- 
schnürungen bedingten. Um so wunderbarer erscheint es, dass nur 
wenige Jahre später derselbe Forscher ’) bei der Beschreibung der 
den Arachnoidalraum durchziehenden Bindegewebsbündel wieder 
ganz die alte Henle’sche Ansicht adoptirt. 

Ein consequenterer Gegner der umspinnenden Fasern erstand 


1) Canstatt’s Jahresber. f. 1847. S. 46. 
2) Canstatt’s Jahresber. f. 1851. S. 25. 
3) Ueber die Haut einiger Süsswasserfische. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. 
II, 4 und: Untersuchungen über Fische und Reptilien 1853. S. 34. 
4) Der Nervus phrenieus des Menschen. Tübingen 1853. S. 64. 
5) Die Adergeflechte des menschlichen Gehirns. Berlin 1855. 5 58. 
M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie- Bd. 7. Pal 


308 Dr. Franz Boll: 


in Reichert. Schon in dem Jahresbericht für 1847!) und für 
1851?) hatte er leise Zweifel gegen die Existenz der Henle’schen 
Spiralfasern geäussert. In dem Jahresbericht für 1852 ?) verspricht 
er Untersuchungen Aubert’s, welche die Nichtexistenz der Spiral- 
fasern beweisen sollen. Meines Wissens sind diese Untersuchungen 
niemals erschienen ; dagegen entwickelt eine im Jahr 1554 erschie- 
nene unter Reichert’s Leitung gearbeitete Doctordissertation 
Taube’s*) die Anschaung, dass der Anschein einer spiraligen Um- 
wickelung auf Einschnürungen beruhe, die durch eine Scheide der 
Bündel erzeugt werden. Am eingehendsten findet sich diese Ansicht 
entwickelt in einer gleichfalls unter Reichert’s Auspicien entstan- 
denen Arbeit von Klopsch?°), welcher um die Bindegewebsbündel 
eine homogene structurlose ‚„leucinhaltige‘“ Gränzschichte annimmt, 
deren Einreissen und anderweitige Veränderungen bei Essigsäure- 
zusatz das Zustandekommen der bekannten Bilder bedingen. Diese 
structurlose Scheide der Bindegewebsbündel wurde von Leydig‘) 
und Bandlin’) bedingungslos adoptirt. 

Rollet war es vorbehalten, dieser Frage eine neue und ent- 
scheidende Wendung zu geben. In seinen Untersuchungen über die 
Structur des Bindegewebes®) beschreibt er ein weitmaschiges Balken- 
netz, ähnlich dem Reticulum der Lymphdrüsen, welches in der Haut 
des Ochsen die einzelnen Bündel des fibrillären Bindegewebes um- 
spinnt und welches als die Urache der bei Essigsäurezusatz auf- 
tretenden so sehr eigenthümlichen Formveränderungen anzusehen ist. 
Zu nur theilweise ähnlichen Resultaten war Kölliker gelangt, der 
in einer fast gleichzeitig erschienenen Arbeit?) eine vermittelnde Stel- 
lung einzunehmen und sowohl der Reichert’schen strukturlosen 


1) Müller’s Archiv 1848. S. 48. 

2) Müller’s Archiv 1852. S. 96. 

3) Müller’s Archiv 1853. S. 43. 

4) De membranis serosis in cavis magnis corporis humani obviis. 
Dorp. 1854; mir nur aus Canstatt’s Jahresbericht für 1855 S. 33 bekannt. 

5) Ueber die umspinnenden Spiralfasern der Bindegewebsstränge. Mül- 
ler’s Archiv 1857. S. 417. 

6) Histiologie 1857. S. 31. 

7) Zur Kenntniss der umspinnenden Spiralfasern des Bindegewebes. 
Inaugur. Diss. Zürich 1858. 

8) Wiener acad. Sitzungsber. 1858. Bd. XXX. 

9) Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Histiologie. Zeitschr. f. 
wiss. Zoologie IX. 140. Vergl. Gewebelehre. Dritte Auflage 1859. S. 71. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 309 


Scheide als auch den Henle’schen Spiralfasern ihre Existenzberech- 
tigung zu vindieiren sucht. Es findet sich hier eine Angabe, welche 
die gleichzeitige Beschreibung Rollet’s wesentlich erweitert, näm- 
lich, dass an den Bündeln der Pia mater des Foetus und des Neu- 
geborenen ein noch deutlich kernhaltiges Zellenreticulum vorhanden 
ist, während die von Rollet beim erwachsenen Thier beschriebene 
umspinnende Formation keine Andeutung von Kernen mehr zeigt. 

Aehnlich wie Kölliker suchte jetzt auch Henle!) zu ver- 
mitteln. Auch er erkennt jetzt eine structurlose Scheide der Binde- 
gewebsbündel an, hält jedoch daneben noch an der Existenz gesonder- 
ter spiraliger oder meist ringförmiger Fasern, die die Bindegewebs- 
bündel umgeben, fest. Noch ein Jahr später ?) findet sich auch schon 
vermuthungsweise die Ansicht ausgesprochen, dass die allmälig in 
die strukturlose Hülle übergehenden Ring- und Spiralfasern vielleicht 
nur partielle Verdichtungen derselben darstellen. 

Auch diese letzten Untersuchungen Henle’s sind wie über- 
haupt die fast aller anderen Forscher an den Bindegewebsbündeln der 
Arachnoides angestellt, welche auch nach meinen vielfachen Unter- 
suchungen sich in der That als das beste und verdientermaassen 
classische Untersuchungsobject herausgestellt haben. Im Gegensatze 
hierzu beziehen sich die neuesten Angaben über die Scheiden der 
Bindegewebsbündel, die ich in der Literatur verzeichnet finde, alle 
auf andre Objeete und Localitäten, die der Anatomie des Auges an- 
gehören. 

Leber) behandelt die schon von Donders*) beschriebenen 
Balken lockeren Bindegewebes, die sich in dem von letzterem ent- 
deckten Zwischenraum zwischen innerer und äusserer Sehnervenscheide 
ausspannen. Auch er nimmt einen Uebergang zwischen den elasti- 
schen Fasern und den Scheiden an. Letztere sind bei ihm auch nicht 
mehr so einfach structurlos wie bei den früheren Autoren sondern 
kernhaltig. Sehr bemerkenswerth ist ferner seine Angabe, dass nach 


1) Jahresbericht für 1857. S. 38. 

2) Jahresbericht für 1858. S. 50. 

3) Beiträge zur Kenntniss der atrophischen Veränderungen des Seh- 
nerven nebst Bemerkungen über die normale Structur des Nerven. Arch. f. 
Ophthalmologie XIV. 171. f 

4) Ueber die sichtbaren Erscheinungen der Blutbewegung im Auge. 
Arch. f. Ophthalmol. I. 83. 


310 Dr. Franz Boll: 


der inneren Sehnervenscheide zu, wo die Balkennetze beträchtlich 
zarter werden, die Scheiden von der Oberfläche der Fibrillenbündel 
zu verschwinden und die letzteren einzig und allein von länglichen, 
protoplasmatischen Zellen bedeckt zu sein scheinen. 

Dieselbe Beobachtung kehrt bei Iwanoff und Rollet!) wie- 
der, die von der Oberfläche der Bindegewebsbälkchen, die den Fon- 
tana’schen Raum des Ochsen durchziehen, ganz ähnliche Zellen be- 
schreiben. Auch wird von denselben die Frage aufgeworfen, ob 
diese Zellen nicht etwa weissen Blutkörperchen entsprechen dürften. 

Schwalbe endlich behandelt in seinen ‚Untersuchungen über 
die Lymphbahnen des Auges und ihre Begränzungen‘ sowohl die 
Bindegewebsbündel zwischen den beiden Opticus-Scheiden ?) als auch 
die Balken des Fontana’schen Raumes?). Indem er im Allgemei- 
nen die Darstellungen von Leber und von Iwanoff und Rollet 
bestätigt, versucht er eine Auffassung zu begründen, welche die In- 
terstitien zwischen den Bindegewebsbündeln als kleine seröse Höhlen 
ansieht und den Scheiden der Bündel selber eine endotheliale Natur 
zuschreibt. Auf diesen Punkt werde ich später zurückzukommen 
noch Gelegenheit nehmen. 


Indem ich nun dazu übergehe, das darzustellen, was meine 
eigenen Untersuchungen mich in Bezug auf die vorliegende Frage 
gelehrt haben, kann ich nicht umhin, diesen Abschnitt mit einer 
„persönlichen Bemerkung‘ zu eröffnen. Es gereicht mir zu einer 
ganz besonderen Freude, dass ich diesesmal in der gewiss seltenen 
Lage bin, keinem einzigen meiner vielen Vorgänger in dieser Frage 
direkt widersprechen zu müssen, obwohl dieselben, wie man eben 
gelesen hat, zu den, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte, 
widersprechendsten Beschreibungen und Deutungen ein und desselben * 
Öbjectes gelangt sind. Das Wahre an dieser Sache ist eben das, 
dass der Reichthum der hier vorkommenden Formen und Bilder ein 
so ausserordentlicher ist, dass in der That ein jeder meiner Vor- 
gänger im Rechte ist in Bezug auf das, was er Positives beibringt. 


1) Bemerkungen zur Anatomie der Irisanheftung und des Annulus 
eiliaris. Arch. f. Ophthalmol. XV. 28. 

2) Dieses Archiv VI. S. 51. 

3) Dieses Archiv VI. S. 291. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 311 


Im Unrecht ist hier wie überall nur die wissenschaftliche Intoleranz 
und Exclusivität, die auf Grund der eigenen einseitigen und spär- 
lichen Erfahrungen in kurzsichtiger Anmaassung den Stab bricht 
über jede andere Beobachtung. Die Irrthümer, die in dieser Frage 
begangen worden sind, liegen nicht in der Beobachtung; jede ein- 
zelne derselben ist vielmehr gut und richtig. Sie liegen einzig und 
allein in dem unbefugten Generalisiren, welches die einzelne Beob- 
achtung immer auf eine ganze Kategorie auszudehnen bestrebt war. 

Was die Wahl des Untersuchungsobjects betrifft, so habe ich 
die Bindegewebsbündel der verschiedensten Stelle, des Unterhaut- 
bindegewebes sowie der oben genannten, der Anatomie des Aug- 
apfels angehörigen Localitäten untersucht. Als das beste Unter- 
suchungsobject muss ich jedoch, wie oben schon erwähnt, das classi- 
sche der Arachnoides cerebri und der von ihr ausgehenden, beson- 
ders an der Hirnbasis stark entwickelten das Cavum subarachnoi- 
dale durchsetzenden Bindegewebsbalken bezeichnen. Auf diese soll 
sich die folgende Darstellung ausdrücklich und allein beziehen. 

Die Untersuchungsmethoden bestanden im Wesentlichen darin 
frische oder kürzere Zeit mit Müller’scher Flüssigkeit oder den 
verwandten Lösungen der Chromsäure und ihrer Salze behandelte 
Gewebsstückchen zu tingiren und dann in Glycerin zu untersuchen. 
Als Tinctionsflüssigkeiten dienten mir vor allen die essigsaure Car- 
minlösung Sch weigger-Seidel’s und die von Ranvier ange- 
wandte Combination von Carmin mit Pikrinsäure.. Neben diesen 
machte ich vortheilhaften Gebrauch vom Goldchlorid, welches ich 
strenge nach der ursprünglichen Vorschrift Cohnheim’s an- 
wandte. 

Breitet man ein grösseres Stück der Arachnoides eines Ham- 
mels, von dessen der Dura mater und dem Arachnoidalsack zuge- 
kehrter Oberfläche sich das Endothel mit Leichtigkeit entfernen lässt, 
auf dem Objectträger aus, so gelingt es schon bei ganz schwacher 
Vergrösserung leicht über die Art und Weise, wie die Bindegewebs- 
bündel in dieser Membran angeordnet sind, ins Klare zu kommen, 
die Arachnoides stellt keineswegs ein regelloses Gewirre von stär- 
keren und schwächeren zu einem Filz verwebten Bindegewebsbün- 
deln dar, sondern es ist an ihr eine typische und regelmässige An- 
ordnung der Bindegewebsbündel auf das deutlichste zu erkennen. 
Es finden sich in der Fläche der Membran bestimmte Centra, von 
denen aus nach allen Richtungen sie die dicht an einander gelager- 


319 Dr. Franz Boll: 


ten Bindegewebsbündel ausstrahlen, wie die Radien eines Kreises. 
Nur an den Stellen, wo die Peripherien dieser verschiedenen um 
die einzelnen Centra angeordneten Faserbezirke sich berühren, findet 
ein mehr regelloses Gewirre und eineVerfilzung der einzelnen Binde- 
gewebsbündel statt. 

Die Dicke dieser so aus einzelnen Bindegewebsbündeln zusam- 
mengesetzten Membran ist je nach den untersuchten Thierspecies 
und je nach der Region der Centralorgane, der man das Unter- 
suchungsobject entnommen hat, verschieden. Beim Kaninchen be- 
trägt sie fast durchweg nur die Dicke eines Bindegewebsbündels 
und besteht mithin nur aus einer einfachen Lage derartiger Bündel. 
Beim Schaf besteht sie über den grossen Hemisphären gleichfalls 
meist nur aus einer einzigen derartigen Schicht. An der Hirnbasis 
finden sich jedoch häufig zwei und mehr Bindegewebsschichten, die 
einen durchaus verschiedenartigen Faserverlauf zeigen, über einander 
angeordnet. . Während die der Dura mater zugekehrte und die eine 
Wand des Cavum arachnoidale bildende Fläche dieser Membran glatt 
und mit einem regelmässigen Endothel bekleidet ist, findet an der 
entgegengesetzten Fläche ein ganz anderes Verhältniss statt. Hier 
ist die Gränze dieser Membran absolut nicht mit Sicherheit festzu- 
stellen. Allenthalben, an einigen Stellen zahlreicher (besonders an 
den Gränzen der oben erwähnten Bezirke), an anderen sparsamer 
lösen sich stärkere und schwächere Bindegewebsbündel los von der 
Membran und schlagen einen anderen Verlauf und eine Richtung 
ein, die mit der Fläche der Membran einen kleineren oder grösseren 
Winkel bildet. Diese Bindegewebsbündel durchziehen die einzelnen 
Abtheilungen des sogenannten Cavum subarachnoidale und treten 
herüber zu der dünnen Schicht fibrillären Bindegewebes, welche die 
Oberfläche des Gehirns und Rückenmarks unmittelbar überzieht und 
welche die Anatomie von Altersher als Pia mater bezeichnet und 
wohl in einen zu scharfen Gegensatz zur Arachnoides gestellt hat. 

Diese das Cavum subarachnoidale frei durchsetzenden Binde- 
gewebsbündel sind es, die, wie oben schon erwähnt, seit Beginn 
einer wissenschaftlichen Histiologie, vornehmlich als Object gedient 
haben, um die verschiedensten Ansichten über die Natur der Ver- 
änderungen, welche das Bindegewebe bei Zusatz von Essigsäure er- 
leidet, zu begründen. 

Untersucht man ein grösseres derartiges Bündel im frischen 
Zustande in irgend einer indifferenten Flüssigkeit, so sieht man einen 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 313 


derben Strang fibrillären, lockigen Bindegewebes von nahezu con- 
stanten Breitendimensionen. Ausserordentliche Veränderungen er- 
leidet aber dies Bild, wenn man einen Tropfen concentrirter Essig- 
säure an den Rand des Deckgläschens bringt. Urplötzlich schwin- 
den die Fibrillen und das Bündel stellt jetzt eine homogene glas- 
artige Masse dar von äusserst ungleichen Breitendimensionen: an 
einzelnen Stellen weit und mächtig hervorgebauscht, an anderen 
wieder schmal und wie durch fest herumgelegte glänzende Ringe ein- 
geschnürt. 

Bringt man frische Bindegewebsbündel in eine nach der Vor- 
schrift von Schweigger- Seidel bereitete Carminlösung, die keinen 
allzu grossen Ueberschuss freier Essigsäure enthält, so wird man 
nach gelungener Tinction oft an einem einzigen Präparate zur Klar- 
heit über die hier vorliegenden Verhältnisse gelangen. Ich bemerkte 
dass die Abbildungen von Bindegewebsbündeln, Figg. 24—32, alle 
gezeichnet sind nach Präparaten, die einem etwa ein Quadratzoll 
grossen Stücke Arachnoides mit daranhaftenden zahlreichen sub- 
arachnoidalen Bündeln entnommen wurden. 

Ist die Tincetion gut gelungen und namentlich der Essigsäure 
Gehalt der Carminlösung kein allzu grosser gewesen, was man am 
besten daran erkennt, dass an wohlgelungenen Präparaten die Bün- 
del noch nicht in eine homogene Masse umgewandelt sind, sondern 
noch Andeutungen fibrillärer Streifung zeigen, so gelingt es zunächst 
leicht, an fast allen gröberen Bindegewebsbündeln die Existenz einer 
von der centralen Masse des Bündels gesonderten Scheide zu de- 
monstriren, die allerdings in der Mehrzahl der Fälle dem Bündel un- 
mittelbar anliegt, an vielen Stellen jedoch sich abhebt und so einen 
Zwichenraum zwischen ihrem Contour und dem des Bündels herstellt. 

Untersucht man diese Scheide mit stärkern Vergrösserungen, 
so stellt sich heraus, dass dieselbe nur an wenigen Stellen das Prä- 
dicat einer structurlosen verdient. Fast allenthalben erscheint die 
Scheide bei einer Vergrösserung von etwa 300 nicht mehr homogen 
sondern sie zeigt Streifen und Fasersysteme, die meist auf der 
Längsrichtung der Bündel senkrecht stehen, an einige Stellen sehr 
energisch ausgesprochen sind, an anderen äusserst zart, so dass sie 
sich der Beobachtung fast entziehen und sich gänzlich in eine homo- 
gene Membran zu verlieren scheinen. Nicht selten sieht man in 
der Mitte derartiger ausgesprochener streifiger Züge stärkere Bälk- 
chen auftreten, von denen es sich zunächst schwer entscheiden lässt, 


314 Dr. Franz Boll: 


ob sie in der Substanz der Scheide selber gelegen und Theile der- 
selben sind oder ob sie derselben nur aufliegen. Endlich entdeckt 
man nicht selten Kerne an den Scheiden, welche die Knotenpunkte 
bilden, von denen aus die beschriebenen Fasersysteme und stärkeren 
Bälkchen strahlenförmig nach verschiedenen Richtungen divergiren. 

Doch ich verzichte darauf, weiter die vielfachen in Worten 
schwer deutlich zu machenden Bilder zu erörtern, die sich hier dem 
Beobachter darbieten und ziehe es vor unter Verweisung auf die 
Figg. 24—29 die Ansicht zu anticipiren, die ich mir über die Natur 
der diese Bindegewebsbündel umgebenden Scheide gebildet habe. 

Dieselbe stimmt ihrer histiologischen Zusammensetzung nach 
völlständig überein mit der Membrana propria der acinösen Drüsen, 
wie ich die Structur derselben neuerdings entwickelt habe !). Ebenso 
wie die Membrana propria ist die Scheide dieser Bindegewebsbündel 
zusammengesetzt aus kernhaltigen sternförmigen Zellen. Die sich 
mit einander verbindenden Fortsätze derselben stellen jedoch nicht 
eine korbartig durchbrochene Umhüllungshaut des Bindegewebs- 
bündels dar, sondern verdickte Streifen und Rippen in einer conti- 
nuirlichen Membran, die sich eben aus diesen sternförmigen ana- 
stomosirenden Zellen constituirt. Es verhalten sich diese Streifen zu 
der Substanz .der Scheide, wie die Rippen zu der Fläche eines 
Blattes. Eine scharfe‘Gränze zwischen diesen Rippen, diesen ver- 
dickten Streifen und der Grundsubstanz der Haut ist nicht zu ziehen: 
beide bilden eine wirkliche histiologische Einheit. Die stärkern 
Rippen sind von dem Grundgewebe der Haut nicht zu trennen, son- 
dern gehen ganz allmälig und unmerklich in die Grundsubstanz 
über, indem dieselbe gewöhnlich zu beiden Seiten neben den Rippen 
eine allmälig immer schwächer werdende, den Rippen parallele 
Längsstreifung zeigt. 

Die Scheide ist also ein Gewebe von ungleicher Stärke und 
Resistenzfähigkeit und es erklären sich daraus auf das einfachste 
die eigenthümlichen Bilder und Veränderungen der Dimensionen, 
welche derartige Bündel, wenn sie in Essigsäure aufquellen, zeigen. 
Die Einschnürungen werden nicht bedingt dadurch, dass eine struc- 
turlose, homogene Scheide einreisst und in der ganzen Circumferenz 
Continuitätstrennungen erleidet, und dass die so entstandenen Bruch- 
stücke der Scheide zu Reifen oder Ringen zusammenschnurren, 


n) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der acinösen Drüsen. Ber- 
lin 1869. S. 14. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 315 


welche an einzelnen Stellen sehr enge Einschnürungen bedingen, 
während an anderen die gequollene Masse des Bindegewebsbündels 
sich weit hervorbauscht, sondern vielmehr dadurch, dass eine diffe- 
renzirte, structurirte, verschieden derb gewebte Scheide nach Maass- 
gabe ihrer Resistenzfähigkeit an verschiedenen Stellen ihrem quellen- 
den Inhalte auch einen verschiedenen Widerstand entgegensetzt. 
Enge Einschnürungen finden sich immer dort, wo derbere Rippen in 
der Substanz der Scheide vorhanden waren, deren resistenteres Ge- 
füge dem aufquellenden Inhalte des Bündels den hinreichenden 
Widerstand entgegensetzen konnte. Wo die Scheide hingegen zarter 
gewebt war, musste die dem aufquellenden Inhalte des Bündels 
folgen. 

In der That: nur unter dieser Voraussetzung einer verschieden 
grossen Resistenzfähigkeit der Scheide an verschiedenen Stellen lässt 
sich endlose Mannigfaltigkeit der bei Essigsäurezusatz an diesen 
Bündeln auftretenden Erscheinungen erklären. Die von Luschka 
und Reichert begründete Ansicht, welche die Einschnürungen auf 
die Existenz einer strücturlosen Scheide zu begründen sucht, die 
einreisst und sich dann zu einzelnen Reifen zusammenschiebt, ge- 
nügt nur einen Theil der hier sich darbietenden mannichfaltigen 
Bilder zu erklären. Es kommen in der That Bilder vor, zu deren 
Erklärung diese Annahme völlig ausreicht und ich will es keines- 
wegs für-unmöglich halten, dass an einzelnen Strecken und Stellen 
der Bindegewebsbündel, wo die Substanz der Scheide an Zellen ärmer 
ist und nur feinstreifig, ja fast structurlos erscheint, die Bilder so 
zu Stande kommen. Ich finde dass ebenso wie in Bezug auf die Mem- 
brana propria der Drüsen so auch in Bezug auf die Scheide der 
Bindegewebsbündel ausserordentlich grosse Schwankungen in Bezug 
auf die Derbheit und auf den Zellenreichthum vorkommen. Ebenso 
wie die Membrana propria der Kaninchen-Submaxillaris eine äusserst 
feine glashelle Haut darstellt, die nur an einzelnen Stellen eine 
leichte Streifung und sehr selten die Andeutung einer sternförmigen 
Zelle zeigt, die sich vielleicht dem Beobachter gänzlich entziehen 
würde, wenn er nicht nach der Analogie z. B. von der Thränendrüse 
des Kalbes her wüsste, welches Structurverhältniss er hier zu er- 
warten habe, so finden sich auch an den Bindegewebsbündeln der 
Basis cerebri, besonders an denen feineren Kalibers grosse Stellen 
und ganze längere Strecken, wo der Scheide ausser der Andeutung 
einer leichten Streifung kaum irgendwelche Structur abzugewinnen 


316 Dr. Franz Boll: 


ist und wo die sternförmigen Zellen, aus deren Verschmelzung an 
andern Stellen die ganze Substanz der Scheide zusammengesetzt er- 
scheint, sehr selten oder fast gar nicht wahrzunehmen sind. 

Ebenso wenig wie der Ansicht von Luschka und Reichert, 
welche die Einschnürungen aus der Existenz einer structurlosen 
Scheide erklären wollen, kann ich auch der Ansicht von Rollet 
direkt widersprechen, welche ein ganz entgegengesetztes Prineip zur 
Erklärung dieser Erscheinungen heranzieht, zumal da mir über das 
Untersuchungsobject, dem er seine Präparate wesentlich entnommen 
hat, das subeutane Bindegewebe des Ochsen, nur sehr beschränkte 
Erfahrungen zu Gebote stehen. Nach Rollet soll eine structur- 
lose Scheide, wie Luschka und Reichert sie annehmen, nicht 
existiren und soll ein die Bindegewebsbündel umspinnendes ober- 
flächliches Netzwerk von eigenthümlich unregelmässig gerandeten 
glatten Balken die Ursache der beim Aufquellen in Essigsäure statt- 
findenden Einschnürungen der Bindegewebsbündel sein. Ich halte 
auch das Letztere sehr wohl für möglich: Ebensowenig wie bei der 
Membrana propria der Drüsen ist es möglich, mit absoluter Sicher- 
heit anzugeben, ob die aus der Verschmelzung platter sternförmiger 
Zellen entstandenen Membranen wirklich überall continuirlich sind, 
oder ob nicht auch der Fall vorkommen kann, dass an einzelnen 
Stellen nur die stärkeren Rippen der Zellen nicht aber die da- 
zwischen befindliche homogene Membran zur Ausbildung gelangt 
ist; dass dieses in der Natur wirklich vorkommt, scheint mir sogar 
sehr wahrscheinlich. Auf meinen Präparaten (Fig. 26 und 27) sind 
Bilder nicht selten, die für ein wenigstens theilweises Durchbrochen- 
sein und Fehlen der Scheide zu sprechen scheinen. Andererseits 
dürfte vielleicht der „eigenthümlich unregelmässige Rand“, den 
Rollet seinen die Bindegewebsbündel umspinnenden platten Balken 
zuschreibt, für die Muthmaassung sprechen, dass an seinen Prä- 
paraten stellenweise auch Uebergänge der Balken in strukturlose 
Scheiden vorkamen. Doch, wie gesagt, ich verzichte darauf meine 
Ansicht gegenüber der von Rollet sowohl wie von Luschka und 
Reichert als die alleinseligmachende hinzustellen und möchte sie 
nur als das allgemeinere Princeip betrachtet wissen, von dem die Ex- 
treme sowohl der Ansicht Rollet’s wie der von Reichert und 
Luschka nur besondere Fälle und Unterabtheilungen darstellen. 

Rollet gibt an, dass von seinen die Oberfläche der Bindege- 
websbündel umspinnenden Balken Fortsätze auch in das Innere des 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 317 


Bündels eindringen. Aehnliche Bilder hat auch Klopsch !) gesehen 
und abgebildet und nimmt um sie zu erklären seine Zuflucht zu der 
etwas complieirten Annahme, dass dort kleinere eingescheidete Binde- 
gewebsbündel in grösseren gleichfalls eingescheideten enthalten seien. 
Auch mir sind, wenn auch verhältnissmässig recht selten Bilder vor- 
gekommen, welche dafür zu sprechen scheinen, dass die Zellen der 
Scheide Fortsätze auch in das Innere des Bündels hineinschicken. 
Einzelne in der Längsaxe der Bindegewebsbündel verlaufende elasti- 
sche Fasern sind ein fast regelmässiges Vorkommniss. Doch scheinen 
diese mit der Substanz der Scheide in keinerlei Verbindung zu 
stehen. Nicht selten zeigen diese Fasern eine feine kernhaltige An- 
schwellung. Sonst sieht man in dem Inneren speciell der feineren 
Bündel keine Spur einer Zelle oder eines Zellenrestes ebensowenig 
wie in dem Inneren eines der Bindegewebsbündel, die die letzten 
Constituenten der Sehne darstellen und denen diese Bündel als ho- 
molog anzusehen sind. Die zelligen Elemente der feineren Bün- 
del gehören alle der Oberfläche derselben an und auch bei den Bün- 
deln stärkern Kaliber’s gehören Zellen und Zellenreste, die im 
Innern derselben gelegen sind, jedenfalls nicht zu den häufigen Vor- 
kommnissen. 

Doch ich kehre zu der Oberfläche dieser Bindegewebsbündel 
zurück. Mit dem Structurverhältniss, welches ich oben nachge- 
wiesen habe und von welchem die Ansichten Rollet’s und Rei- 
chert’s gleichsam nur die beiden Extreme repräsentiren, ist noch 
lange nicht Alles erschöpft. Es finden sich Bilder, wo entschieden 
eine ganz andere Structur vorliegt, wie die oben geschilderte, wo 
eine ziemlich regelmässige mehr oder minder vollständige Lage von 
abgeplatteten Zellen die Bindegewebsbündel bekleidet. Aber auch 
hier liegt, trotzdem dass es auf den ersten Blick so scheinen möchte, 
dennoch kein neues Princip vor, sondern es finden sich auch hier 
Uebergänge, die dieses Structurverhältniss mit dem oben geschilder- 
ten verknüpfen und es gleichfalls nur als eine besondere Form 
desselben erscheinen lassen. 

Zum Beweise des Gesagten verweise ich zunächst auf Fig. 30, 
wo auf eine kurze Strecke ein und desselben Bindegewebsbündels 
zusammengedrängt beide Structuren sich neben einander finden und 
in einander übergehen. Man überzeugt sich, dass die abgeplatteten 


1) Müller’s Archiv 1858. S. 430. Fig. 6, 7, 


318 Dr. Franz Boil: 


polygonalen Zellen, die das Bündel unvollständig bekleiden, nicht 
etwa als heterogene Elemente auf der structurlosen Scheide auf- 
sitzen, sondern dass sie wirklich integrirende Bestandtheile derselben 
darstellen und also ganz den sternförmigen Zellen vergleichbar sind. 
Manche dieser polygonalen Zellen erscheinen an ihren Ecken sogar 
in deutliche Streifen ausgezogen, die in die Substanz der Haut über- 
gehen, sodass auch in dieser Beziehung ein Uebergang dieser Zellen 
in die exquisit sternförmigen nicht zu verkennen ist. 

Das in Fig. 31 abgebildete Bindegewebsbündel zeigt eine sehr 
reichliche Bekleidung von diesen abgeplatteten Zellen. Es lässt sich 
an derartigen Bildern oft nicht entscheiden, ob diese Zellen unter 
sich noch wieder zu einer einheitlichen Haut verschmolzen sind, oder 
ob jede dieser Zellen sich ihre Gränzen und ihre Selbstständigkeit 
bewahrt hat. In letzterem Falle würde man die Bekleidung des 
Bindegewebsbündels unbedenklich ein Endothel nennen können, eine 
Bezeichnung auf deren Berechtigung ich noch ausführlicher zurück- 
kommen werde. Ob diese Endothelien das Bindegewebsbündel voll- 
ständig oder nur unvollständig umhüllen, ob die fibrilläre Substanz 
des Bindegewebsbündels niemals ohne Bekleidung bleibt oder ob sie 
an einzelnen Stellen auch bloss zu Tage liegt, wird sich in dem 
einzelnen Falle nie sicher entscheiden lassen, da ich bemerkt habe, 
dass selbst bei der schonendsten Präparation eine Menge abgeplat- 
teter Zellen sich von der Oberfläche des Bindegewebsbündels los- 
lösen und abfallen. Doch ist es mir im höchsten Grade wahr- 
scheinlich, dass die aus diesen abgeplatteten Zellen zusammenge- 
setzte Hülle nicht immer eine vollständige ist. Es entspricht dieses 
Bild der Schilderung, “die zuerst Leber von dem interstitiellen 
Bindegewebe zwischen den beiden Opticus-Scheiden entworfen hat, 
und die sich später bei Iwanoff und Rollet sowie beiSchwalbe 
wiederfindet. 

Noch ein Punkt bleibt zu besprechen, ehe ich diese Monogra- 
phie der verschiedenen Formen, welche die die Bindegewebsbündel 
bekleidenden zelligen Elemente annehmen können, schliesse. Schon 
Iwanoff und Rollet beschreiben kleine grobkörnige protoplasma- 
tische Zellen von unregelmässig rundlicher Gestalt, die der äussern 
Oberfläche der Bindegewebsbündel anhaften und ankleben, und werfen 
die Frage auf, ob diese Zellen nicht etwa farblosen Blutkörperchen 
oder Wanderzellen entsprechen dürften. Auch mir sind an der Pia 
mater derartige Bindegewebsbündel nicht selten vorgekommen und 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 319 


habe ich Fig. 32 zwei derselben abgebildet. Die Zellen gleichen in 
der That ganz den Wanderzellen. Doch bleibt zu berücksichtigen, 
dass wenn man mehrere derartige Bilder studirt und mit einander 
vergleicht. man bald zu der Einsicht gelangt, dass ebenso wie von 
den exquisit sternförmigen zu den abgeplatteten polygonalen Zellen, 
so von letzteren zu den protoplasmatischen rundlichen Zellen Ueber- 
gänge vorkommen, sodass man in der That nicht weiss, ob man die 
Zellen des einen Bündels als fixirte Endothelzellen oder die des da- 
neben liegenden als demselben nur temporär anhaftende Wander- 
zellen ansehen soll. Ja, neben einanderliegende Zellen ein und des- 
selben Bündels setzen den Beobachter oft in eine gleiche Verlegen- 
heit. Die Sache liegt so, dass meiner Meinung nach an conservirten 
Präparaten die Frage: ob Wanderzelle, ob fixe Endothelzelle über- 
haupt nicht discutirbar ist. 

Ich habe daher zur Untersuchung des lebenden Gewebes auf 
dem heizbaren Objecttisch meine Zuflucht genommen. Die Unter- 
suchung laborirte an grossen Schwierigkeiten. Ich musste oft eine 
halbe Stunde nach dem Herauspräpariren der Pia eines frisch ge- 
tödteten Thieres herumsuchen, ehe ich die günstigen Stellen zur 
Beobachtung fand, wo die Bindegewebsbündel mit Zellen bekleidet 
waren von einem derartigen Habitus, dass man von ihnen amöboide 
Bewegungen erwarten zu können glauben durfte. Dann waren aber 
amöboide Bewegungen niemals mehr zu constatiren. Die Frage 
bleibt also vorderhand noch eine offene, da ich ein unter derarti- 
gen Umständen erhaltenes negatives Ergebniss keineswegs als gegen 
die amöboide Natur der fraglichen Zellen beweisend ansehen kann. 


Hier an dem Schlusse des dritten Capitels meiner Unter- 
suchungen, in denen ich bis jetzt mich nur mit der Structur der 
verschiedenen Formen des erwachsenen Bindegewebes beschäftigt 
habe, und ehe ich dazu übergehe, die Vorgänge bei der Bindege- 
websentwickelung zu skizziren, halte ich es für angemessen, zu 
untersuchen, welche allgemeinen characteristischen Züge der verschie- 
denen bisher betrachteten Formen des Bindegewebes gemeinsam 
sind, d. h. vergleichend histiologisch gesprochen, welche Homologieen 
unter denselben vorkommen. 

Strenge genommen sollte ich mich bei dieser Auseinander- 
setzung einzig und allein beschränken auf die drei Gewebsformen, 


320 Dr. Franz Boll: 


die ich in den vorliegenden Untersuchungen monographisch behan- 
delt habe. Anfänglich war dies auch meine Absicht. Es ist stets 
nur zum Unheil unserer Wissenschaft gewesen, wenn ein. Forscher 
allgemeine Schlüsse zu ziehen versucht hat unter Benutzung von 
Thatsachen, die er nicht selber, sondern die ein anderer constatirt 
hat. Dennoch habe ich mich entschlossen, den Kreis von Gewebs- 
formen, deren Homologieen ich untersuchen wollte, etwas weiter 
abzustecken, als derselbe durch die vorliegenden Monographieen ab- 
gegränzt war. Selbstverständlich habe ich es verschmäht über Ge- 
webe zu raisonniren, deren Morphologie ich nicht auf Grund eigener 
Untersuchungen absolut beherrscht hätte. Ich habe nur solche Ge- 
webe berücksichtigen zu dürfen geglaubt, über die in der neueren 
Literatur Untersuchungen vorlagen, deren Resultate ich auf Grund 
sorgfältiger Nachuntersuchungen bestätigen und zu meinen eigenen 
anatomischen Erfahrungen und zu meinem eigenen geistigen Eigen- 
thum machen gekonnt hatte. 

Die Gewebe der Bindesubstanz, die ich bei dieser Auseinander- 
setzung berücksichtigen werde, sind also folgende: 

1) Das Gewebe der Sehne. 

2) Des Knorpels in der Achillessehne des Frosches. 

3) Die isolirt verlaufenden Bündel fibrillären Bindegewebes, 
wie sie im Cavum subarachnoidale und an andern Localitäten vor- 
kommen. 

4) Die Membrana propria der acinösen Drüsen, deren Struc- 
tur ich bereits früher ausführlich behandelt habe !). 

5) Das eigenthümliche Gewebe, welches Schwalbe?) aus der 
Gegend des Cornealfalzes als „endotheliale Auskleidung des Canalis 
Schlemmii‘ beschrieben und abgebildet hat. Die interessante Ueber- 
einstimmung, welche die Aufschlüsse Schwalbe’s mit der von mir 
gewonnenen Anschauung über die Structur der acinösen Drüsen dar- 
boten, war für mich die Veranlassung zu einer sehr eingehenden 
Nachuntersuchung, die die Angabe Schwalbe’s über die Structur 
dieses Gewebes durchaus nur bestätigen konnte. Ob hingegen 
Schwalbe wirklich Recht hat, dies Gewebe als die Innenwand des 
Schlemm’schen Canales in Anspruch zu nehmen ist eine andere 


1) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der acinösen Drüsen. Ber- 
lin 1869. 

2) Untersuchungen über die Lymphbahnen des Auges und ihre Be- 
gränzungen. Il.; dieses Archiv VI, S. 305. Taf. XVII. Figg. 30—32. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 321 


Frage, die ich nicht so unbedingt bejahen möchte, an der mir viel- 
mehr erhebliche Zweifel aufgestossen sind. Da eine derartige Er- 
örterung doch zu weit von dem eigentlichen Thema dieser Unter- 
suchung abführen würde, so verzichte ich an dieser Stelle auf die- 
selbe und will hier nur bemerken, dass wenn ich kurzweg dieses 
Gewebe als das ‚‚Gewebe des Canalis Schlemmii“ bezeichne, dieser 
Name vorderhand nichts präjudiciren soll. 

6) Die gewöhnlich Capillargefässe enthaltenden Bindegewebs- 
züge, welche die von Ludwig und Tomsa') entdeckten Lymph- 
räume zwischen den Samenkanälchen durchziehen. Schon an einer 
anderen Stelle?) hatte ich der Anatomie derselben einige Auf- 
merksamkeit gewidmet. Später fand ich, dass dieselben bereits 
schon Leydig°), Kölliker*) und Henle?°) bekannt gewesen 
waren. Ich untersuchte dieselben darauf genauer und war es 
- meine Absicht, im Anschluss an das vorliegende Capitel meiner 
Untersuchungen eine ausführliche Beschreibung dieses Gewebes zu 
geben. Dieser Aufgabe fühle ich mich jetzt enthoben durch die er- 
schöpfenden Mittheilungen, welche die schönen Untersuchungen 
v. Ebner’s®) über diesen Gegenstand enthalten, auf die ich hiermit 
verweise”). 

1) Die Lymphwege des Hodens und ihr Verhältniss zu den Blut- und 
Samengefässen. Wiener acad. Sitzungsber. Math. Naturw. Cl. XLVI. 221. 
24, April 1862. 

2) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der acinösen Drüsen. Ber- 
lin 1869. S. 19. 

3) Histiologie S. 495. 

4) Handbuch der Gewebelehre 1867. S. 524. 

5) Anatomie II. S. 358. 

6) Untersuchungen über den Bau der Samenkanälchen und die Ent- 
wickelung der Spermatozoiden bei den Säugethieren und beim Menschen. 
Rollet’s Untersuchungen aus dem Institute für Physiologie und Histiologie 
in Graz. Zweites Heft. 1871. 

7) Indem ich die Reihe der bei dieser Untersuchung von mir zu be- 
rücksichtigenden Gewebe, so willkürlich auf die sechs oben erwähnten be- 
schränke, muss ich mich entschuldigen, dass ich nicht wenigstens noch drei 
Gewebe, über welche neuere in dem oben angedeuteten Sinne geführte Unter- 
suchungen vorliegen, in den Kreis meiner Betrachtungen gezogen habe. Das 
erste derartige Gewebe ist das Endothel der serösen Häute, über welches Rind- 
fleisch und Münch (Rindfleisch, Lehrbuch der pathologischen Gewebe- 
lehre $. 202) neuerdings so interessante Aufschlüsse beigebracht haben. Mir 
standen über diesen Gegenstand nicht ausreichende Erfahrungen zu Gebote. 


3232 Dr. Franz Boll: 


Aus dem Studium dieser Formen des Bindegewebes lassen sich 
folgende allgemeine Grundsätze über die Structur des erwachsenen 
Bindegewebes ableiten : 

1) Die Form der Zellen des Bindegewebes ist eine sehr ver- 
schiedene. Neben den rundlichen Zellen wie diejenigen, welche die 
Bindegewebszüge der Lymphräume des Hodens zusammensetzen und 
die ich in ähnlicher Weise auch von der Oberfläche gewisser Bindege- 
websbündel beschrieben habe, finden sich vorzugsweise jedoch Zellen 
deren Dimensionen vorwiegend nach einer Richtung hin entwickelt 
sind und deren Formen im wesentlichen einer sehr flach ausgezoge- 
nen Platte entsprechen; die Grösse dieser Zellen ist mitunter eine 
sehr beträchtliche. 

2) Ebenso und parallel mit der Form schwankt der Proto- 
plasmagehalt der Zelle. Während die rundlichen Zellformen ein 
deutliches körniges Protoplasma zeigen, ist dasselbe bei den mehr 
abgeplatteten Formen fast völlig verchwunden und an die Stelle 
desselben eine klare elastische Platte getreten. Körniges Proto- 
plasma befindet sich noch in ziemlicher Menge in den abgeplatteten 
Zellen, welche ich als Bekleidung der Bindegewebsbündel von der 
Basis cerebri beschrieben habe. In sehr geringer Menge ist dasselbe 


Der zweite Fall betrifft das subeutane Bindegewebe. Ich bin in der Lage 
die Angaben von Ranvier (Archives de Physiologie normale et pathologique. 
II. 1869. S. 483), die Flemming (dieses Archiv VII. S. 38) im Wesentlichen 
bestätigt hat, gleichfalls bestätigen, jedoch dabei nicht unbeträchtlich er- 
weitern zu können, indem es mir gelungen ist, die mit Spiralfasern umwun- 
denen Bindegewebsbündel, die beiRanvier (man vergleiche nur seine Figur 7) 
noch als selbstständige Gebilde unvermittelt mit den übrigen Structurverhält- 
nissen des Bindegewebes dastehen. auf einen besonderen Fall des grossen 
Prineip’s zurückzuführen, welches Ranvier als das Fundamentalprinceip der 
Structur des Bindegewebes überhaupt erkannt und hingestellt hat. Aeussere 
Gründe veranlassen mich, diese Auseinandersetzung, deren Begründung mir 
erst während des verflossenen Winters völlig gelungen ist, hier bereits in 
voller Ausführlichkeit zu geben und halte ich es daher nur für correct, dieses 
Gewebe vorderhand noch unberücksichtigt zu lassen. Das dritte Gewebe end- 
lich, dessen Behandlung man an dieser Stelle vermissen dürfte, ist die Cornea. 
Seit längerer Zeit bin ich mit Untersuchungen über dieselbe beschäftigt, die 
vermuthlich jedoch noch längere Zeit bis zum völligen Abschlusse brauchen 
werden. Ich halte es für das Beste, mein allerdings bereits feststehendes Ur- 
theil in dieser jetzt so acuten Controverse (Schweigger-Seidel, Leipziger 
physiol. Arbeiten 1870. Rollet, Centralbl. f. d. medizin. Wiss. 1871. S. 193) 
noch zu suspendiren. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 328 


nur noch vorhanden in den Zellen des sogenannten Knorpels der 
Achillessehne des Frosches. Gänzlich oder fast gänzlich ist es ver- 
schwunden in den elastischen Platten der Sehnen, der Membrana 
propria der Drüsen, des Gewebes des Canalis Schlemmii und der 
Mehrzahl der Bindegewebsbündel der Basis cerebri. 

3) Gleichfalls in demselben Maasse wie die Form der Binde- 
gewebszellen einer Platte ähnlich wird und das Protoplasma der 
Zelle schwindet, verliert sich auch die individuelle Selbstständigkeit 
der Zelle und ihre Gränzen werden unsichtbar. Während die rund- 
lichen Zellen der Bindegewebsstränge des Hodens und der Bindege- 
websbündel der Pia mater durchaus selbstständige Zellindividuen 
sind, und auch die protoplasmatischen abgeplatteten Zellen der Bin- 
degewebsbündel sowie die Zellen aus der Achillessehne noch eine 
deutliche Abgränzung gegen einander zeigen, sind wirkliche Zellen- 
gränzen in denjenigen Geweben, wo die Umwandlung der ursprüng- 
lich protoplasmatischen Zellen in elastische Platten noch weiter 
vorgeschritten ist, kaum noch oder schon gar nicht mehr nachzu- 
weisen. So kommt es in der Sehne, in der Membrana propria, in 
der Scheide der Bindegewebsbündel, in dem Gewebe des Canalis 
Schlemmii zur Bildung ausgedehnter Membranen und Häuten, deren 
Zusammensetzung aus Zellen man theils entwickelungsgeschichtlich, 
theils aus der Analogie sehr wohl erschliessen kann, die es aber im 
gegebenen Falle häufig eine Unmöglichkeit ist, in die einzelnen Zellen- 
territorien zu zerlegen, aus deren Verschmelzung die ganze Haut ur- 
sprünglich hervorgegangen ist. 

4) Eine besondere Eigenthümlichkeit bieten diese so entstan- 
dene Membranen darin, dass in der homogenen Grundhaut mehr 
oder weniger strenge von der Substanz geschiedene stärkere Streifen 
oder Rippen auftreten. Derartige als homolog anzusehende Bildungen 
sind: die von mir sogenannten elastischen Streifen in den Zellplatten 
der Sehnen, die Rippen der Membrana propria und des Endo- 
thels des Canalis Schlemmii sowie die verdickten Streifen in der 
Scheide der Bindegewebsbündel. Höchstwahrscheinlich hängen mit 
diesen elastischen Zellplatten auch stets die im Innern der Bindege- 
websbündel verlaufenden feinen elastischen Fasern zusammen in der 
Weise, wie mir es für die feinen elastischen Fasern der Sehnen- 
bündel (allerdings nicht für die Bündel des lockeren Bindegewebes) 
nachzuweisen gelungen ist. 


5) In der Mehrzahl der Fälle liegen diese Zellen, die daraus 
M. Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 7. 29 


324 Dr. Franz Boll: 


hervorgegangenen elastischen Platten und die aus der Verschmelzung 
der letzteren entstandenen elastischen Membranen den Bündeln 
fibrillären Bindegewebes oberflächlich auf (in den Sehnen, in den 
lockern Bindegewebsbündeln und in dem sogenannten knorpeligen 
Theil der Achillessehne des Frosches), mit denen sie stets mehr oder 
weniger innig verkleben. Doch ist die Existenz der Zellen und der 
aus der Verschmelzung derselben hervorgegangenen Häute nicht 
immer an die gleichzeitige Anwesenheit fibrillären Bindegewebes ge- 
bunden, sondern dieselben kommen auch isolirt und ohne nachweis- 
baren direkten Zusammenhang mit Bündeln fibrillären Bindegewebes 
zur Beobachtung. Dies ist der Fall mit dem Endothel des Canalis 
Schlemmii, dem interstitiellen Gewebe des Hodens!) und der Mem- 
brana propria der Drüsen’). 


Ich schliesse diesen Abschnitt meiner Untersuchungen mit eini- 
gen historischen Bemerkungen. 

Es hat sich herausgestellt, dass ein unmerklicher Uebergang 
stattfindet bei den verschiedenen Formen des Bindegewebes von der 
Bekleidung der Bindegewebsbündel durch einen continuirlichen Be- 
lag aneinandergereihter, correet begränzter abgeplatteter Zellen bis 
zur theilweisen oder völligen Umscheidung derselben durch Mem- 
branen, deren Zusammensetzung und Verschmelzung aus einzelnen 
Zellen oft durch kein Mittel mehr nachzuweisen war. 

Hierdurch hat eine Auffassung eine Stütze erhalten, die zuerst 


1) In dem Hoden des Kaninchens ist es Regel, dass die Capillaren mit 
einer continuirlichen Schicht theils rundlicher theils abgeplatteter protoplas- 
matischer Zellen bekleidet werden, ohne dass sich auch nur eine Spur fibril- 
lären Bindegewebes zwischen Capillarwand und diese Zellenschicht einschiebt. 

2) Ich muss diesen Punkt ganz besonders gegenüber einer Bemerkung 
von Ranvier (H. Frey, Traite de la Histiologie et de la Histiochimie, tra- 
duit par Spillmann adnote par Ranvier. Paris 1869. S. 437) hervorheben, 
welcher die zum Lymphsystem gehörigen Interstitien zwischen den einzelnen 
Alveolen der acinösen Drüsen durch platte Zellen ausgekleidet sein lässt, die 
Bündeln fibrillären Bindegewebes anliegen sollen. Diese Angabe Ranvier’s 
ist unrichtig. Erneute Untersuchungen dieses Objectes haben mich von der 
Unrichtigkeit dieser Angabe überzeugt, obwohl ich (vergl. mein Referat im 
Med. Centralbl. 1870 S. 486) ursprünglich mit dem besten Willen, diese An- 
gabe zu bestätigen, an die Untersuchung heranging. 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 325 


von His in einer classischen Untersuchung!) entwickelt worden 
ist; die Auffassung nämlich, dass sämmtliche in das Bindegewebe, 
in das Gewebe des sogenannten mittleren Keimblattes eingelassene 
Hohlräume als gleichwerthig und in gewissem Sinne gleichartig an- 
zusehen und in einen gewissen Gegensatz zu stellen sind gegenüber 
den Höhlen, die durch Producte des oberen und des unteren Keiın- 
blattes begränzt werden. Auch auf die Unterschiede, welche die 
diese beiden Arten von Hohlräumen begränzenden Zellen zeigen, hat 
His bereits aufmerksam gemacht und dieselben, die sonst in der 
grossen Classe der Epithelien ein gemeinsames Unterkommen ge- 
funden hatten, in die beiden grossen Abtheilungen der unächten und 
ächten Epithelien, der Endothelien und der Epithelien geschieden. 

Ranvier gebührt das Verdienst, einen grossen und wichtigen 
Schritt zur Vervollkommnung dieser Lehre gethan zu haben. Während 
His sich‘ begnügt hatte, eine endotheliale Auskleidung nur den 
grösseren, makroskopischen Höhlen des mittleren Keimblattes zuzu- 
schreiben, dehnte Ranvier dies Prineip auch auf die kleinsten 
Höhlen desselben aus und wies nach, dass die Zellen des fibrillären 
Bindegewebes selbst, die Bindegewebskörperchen der Cellularpatho- 
logie, nichts anderes seinen als Endothelien, die einerseits der Ober- 
fläche der Bindegewebsbündel aufliegen, andererseits die Kleinsten 
Hohlräume des Bindegewebes, die Interstitien desselben begränzen, 
austapeziren und so gleichsam zu kleinsten serösen Höhlen machen. 
Hiermit stand im engsten Zusammenhang die Anschauung Ran- 
vier’s, dass allenthalben den Bindegewebsbündeln Zellen von einer 
bestimmten Form, die den Endothelien der wirklichen serösen 
Höhlen möglichst ähnlich sein sollte, abgeplattete polygonale proto- 
plasmatische Zellen anliegen sollten. 

Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, dass eine 
derartige Regelmässigkeit in der äussern Form der die Bindegewebs- 
bündel bekleidenden Zellen nicht existirt, sondern dass fast jede 
Form, jeder Alterszustand des Bindegewebes seine besondere Zellen- 
formen besitzt. Dem Ranvier’schen Ideal vom Bindegewebe möchte 
das Gewebe aus der Achillessehne des Frosches noch am nächsten 

kommen. An vielen andern Stellen des Bindegewebes jedoch, in 
_ der erwachsenen Sehne z. B. und in der Scheide der Bindegewebs- 


1) Die Häute und Höhlen des Körpers. Academisches Programm. Basel. 
Schweighauser 1865. 


326 Dr. Franz Boll: 


bündel sind die einzelnen Endothelien zu einer untrennbaren Membran 
verschmolzen, und wenn eine entwickelungsgeschichtliche oder verglei- 
chend histiologische Untersuchung auch wohl die Gleichwerthigkeit die- 
ser Membran mit einem Endothel feststellen kann, so ist es doch gleich- 
zeitig auch eine unleugbare Thatsache, dass in der Mehrzahl der 
Fälle das von Ranvier gegebene Schema der „grossen abgeplatte- 
ten Bindegewebszelle“ ein viel zu enges ist, um die endlose Mannig- 
faltigkeit der hier sich darbietenden Formen in sich zu begreifen !). 

Noch in emem anderen Punkte differiren die von mir gewon- 
nenen Resultate von denen Ranvier’s. Nicht bloss dass ich das 
von ihm gegebene Schema gleichsam quantitativ erweitere. Ich 
halte es auch für nöthig die Qualität dieser Zellen des Bindege- 
webes überhaupt etwas anders zu bestimmen als Ranvier ge- 
than hat. Während diese Zellen nach Ran vier in der Mehrzahl der 
Fälle dünn ausgezogene flache Protoplasmaplatten darstellen, finde 
ich, dass in einer sehr grossen Anzahl von Fällen der Protoplasma bei 
der Bildung dieser Platten ein durchaus verschwindender Factor ist 
und dass vielmehr diese Zellplatten aus einer Substanz: bestehen, 
die höchst wahrscheinlich früher einmal Protoplasma war, jetzt aber 
durchaus einer elastischen glashellen Lamelle gleicht ?). 


1) Es ergiebt sich aus dieser Auseinandersetzung das Bedürfniss einer 
rationellen Terminologie für die dieser Kategorie angehörigen mehr oder 
weniger umgewandelten und mit einander verschmolzenen zelligen Elemente. 
Die Bezeichnung .endothelial“ auf dieselben anzuwenden kann ich nicht für 
passend erachten. His hat dieselbe ausdrücklich nur eingeführt für zellige 
Elemente, die sich von Epithelien weniger durch objective Kennzeichen als 
durch ihre Abstammung und ihre physiologische Werthigkeit unterscheiden. 
Zu welchen Unzuträglichkeiten eine Ausdehnung dieser Bezeichnung auf die 
ganze Kategorie dieser Gewebe führen würde, das zeigen am besten die Ar- 
beiten Schwalbes über die Begränzungen der Lymphbahnen des Auges. 
Auch ich selber habe früher (Beiträge zur vergleichenden Histiologie des 
Molluskentypus S. 33) mit dieser Bezeichnung einen unverantwortlichen Miss- 
brauch getrieben. Diesen Unzuträglichkeiten zu begegnen und doch den Re- 
sultaten der vergleichenden Histiologie ihr Recht zu lassen, schlage ich hier- 
mit vor, die Bezeichnung ‚‚endothelial‘‘ nur für solche Fälle zu reserviren, wo 
wie z. B. in der Auskleidung der serösen Höhlen in der That eine morpholo- 
gische Uebereinstimmung mit dem Epithel vorliegt, für die übrigen Fälle 
aber sich der Bezeichnungen ‚„endothelartig‘‘ oder „endothelioid‘ zu bedienen. 

2) Diese Auffassung der „Bindegewebskörperchen“ als zum elastischen 
(rewebe gehörig oder wenigstens damit verwandt findet ein gewisses Analo- 


Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 327 


Mit dieser verschiedenen Vorstellung von der normalen Structur 
dieser Zellplatten hängt auf das engste zusammen eine gleiche Diffe- 
renz über die physiologische Wichtigkeit, die Ranvier und ich 
diesen Zellen zuschreiben. Bei Ranvier findet sich die Angabe, 
dass bei einer localen Sehnenentzündung diese Zellplatten sich durch 
Theilungsvorgänge u. s. w. activ betheiligen. Meine eigenen in dieser 
Richtung angestellten Versuche haben zu dem entgegengesetzten Re- 
sultate geführt. Ich behalte mir vor, bei Gelegenheit einer anderen 
grösseren Arbeit die Resultate meiner Untersuchungen über die 
Frage, ob und welche Veränderungen die fixen Bindegewebszellen 
sowohl bei electrischer Reizung als bei der Entzündung erleiden, 
ausführlicher mitzutheilen. 


Erklärung der Abbildungen. 
Kap. II. 


Figg. 24—32. IX, 2. Aus dem Cavum subarachnoidale des Schafes. Ver- 
schiedene Typen der Bindegewebsbündel um die verschiedenen Formen 
der dieselben bekleidenden Zellen und den Uebergang derselben in die 
Scheiden zu zeigen. Sämmtliche Präparate sind einem Stück Arach- 
noides von einem Quadratzoll Fläche entnommen und mit essigsaurer 


Carminlösung behandelt. 


gon in der „Kernfasertheorie‘‘, wie sie Henle in seiner Allgemeinen Anato- 
mie 1841 zuerst vorgetragen hat. Vergl. oben S. 305. Sehr bemerkenswerth 
ist eine schon im Jahre 1865 hingeworfene Aeusserung eines unserer ausge- 
zeichnetsten Histiologen, die die Quintessenz alles dessen bereits enthält, was 
ich in diesen Blättern des Ausführlichen zu zeigen versucht habe: „Vielleicht ist 
es eine ganz allgemeine Eigenschaft der Bindegewebsgruppe, nachträglich 
elastische Gränzsäume gegen die in ihr vorhandenen Hohlräume und Lücken- 
systeme auszubilden.‘ Waldeyer, Untersuchungen über Bau und Entwicke- 
lung der Zähne. II. Abth. Zeitschr. f. rationelle Mediein. Dritte Reihe. XXIV. 
S. 196. . 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der 
Fettzelle'). 


Von 


Dr. W. Flemming, 
Prosector und Privatdocent in Rostock. 


Hierzu Taf. XXVIl. 


I. Ueber Formen des Fettzellenschwundes. 


Seit der Veröffentlichung des citirten Aufsatzes habe ich mich 
mit Untersuchungen über die Histiologie einestheils des Fettschwun- 
des, anderntheils der Entzündung der Fettzelle beschäftigt. Beide 
auseinanderliegende Wege haben zunächst zu meiner eigenen Ueber- 
raschung zusammengeführt auf Thatsachen, welche mir wegen 
ihrer Neuheit wie auch wegen ihrer Beziehungen zur allgemeinen 
Entzündungslehre die Mittheilung zu verdienen scheinen. | 

Schon früher hatte ich bei Thieren, deren Ernährungszustand 
bei der Tödtung nicht näher controlirt gewesen war, hie und da im 
Fettgewebe?) rundliche Häufchen von kleinen Zellen bemerkt, welche 
ganz oder nahezu den Raum einer vollen Fettzelle einnahmen. Ich 
fand diese Dinge, die mir anfangs räthselhaft geblieben waren, dann 


1) Vergl. dies Archiv Bd.7, H. I, p. 32. 

2) Wenn ich diese Bezeichnung der Bequemlichkeit halber anwende, 
so will ich vorweg bemerken, dass ich mich damit nicht den Ansichten 
Toldt’s anschliesse, welcher mit jenem Ausdruck ein vom Bindegewebe gänz- 
lich verschiedenes „Organ‘‘ begreift. (Vergl. Abschn. 3.) 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. "329 


in besonderer Menge bei einem jungen Hund vor, welcher 14 Tage 
lang absichtlich schlecht genährt und darauf 2 Tage gemästet wor- 
den war. Es musste das die Frage stellen, ob sie Resultate der 
Mästung, oder der Atrophie, oder endlich anderer Einflüsse seien. 
Die erstere Möglichkeit konnte ich sehr bald bei Seite weisen. Bei 
den Präparaten von sicher fettansetzenden Thieren, an welchen ich 
früher die Entwickelung der Fettzelle untersucht hatte, war mir 
nie etwas der Art aufgefallen; weitere Experimente ergaben das 
Nämliche. Bei vier jungen Kaninchen, die ich vom Säugling 
auf fortwährend in reichlicher Ernährung hielt, bei einem Wochen 
lang gemästeten Meerschwein und mehreren Säuglingen und Em- 
bryonen von Rind und Hund fand ich stets nur die Bestätigung 
dessen, was ich am a. a. Orte über Fettzellenentwicklung mitgetheilt 
habe: Neubildung von solchen aus fixen Bindegewebszellen der Ge- 
fässadventitien!) und Vermehrung der alten Fettzellen durch Ab- 
schnürung; aber Nichts von jenen fraglichen Zellenhaufen. 

Sofort aber fand ich dieselben wieder, wo ich ein Thier in 
Atrophie versetzte; und ich muss mich selbst einer Versäumniss an- 
klagen — die ich allerdings mit allen früheren Beobachtern theile 


— dass ich nicht schon bei meiner vormaligen Behandlung 


1) Den dortigen Angaben über diesen Punct will ich hier noch eins 
hinzusetzen, was sich mir immer bestimmter herausstellte: es scheint dass 
ausser den adventitiellen Bindegewebszellen der Gefässe — wie ich diejenigen 
nenue die an Oedempräparaten mit der Gefässwand zwar oft anastomosiren, 
aber doch räumlich davon isolirt sind (s. z. B. die Zellen a a Fig. 6 u. 11 
der hier beigegebenen Tafel) — auch die Zellen, welche noch der Gefässwand 
selbst angehören (Fig. 11 g an der Arterie, Fig. 6 g an der Capillare) zu- 
weilen Fett insich ansammeln und zu wirklichen grossen Fettzellen werdend, sich 
von der Gefässwand abblättern. Namentlich bei Embryonen sind solche Bil- 
der oft zu sehen. — Im Anfang jener Untersuchung war ich geneigt, diesel- 
ben auf farblose Blutzellen zu beziehen, welche im Durchwandern der Gefäss- 
wand sich mit Fett füllten; es zeigte sich aber dass, so lange die Fettfüllung 
solcher Zellen noch gering ist. sie stets in gestreckter, spindelförmiger Ge- 
stalt dicht an der Gefässwand anzuliegen pflegen ; erst wenn sie durch grössere 
Fettfüllung ausgedehnt werden, sich in rundlicher Form davon abheben (ich 
verweise dabei auf einige Zellen der Fig. 17, T. 7, 1. c.). Ueberhaupt be- 
kommt man von solchen Bildern des embryonalen Gewebes unwillkürlich 
den Eindruck, als ob von den sprossenden Gefässen abblätternd, um den Aus- 
druck zu brauchen, sich Zellen ins Gewebe hinausschieben die dann fixe Binde- 
gewebszellen werden. 


330 Dr. W. Flemming: 


der Fettatrophie diese Dinge bemerkt und erwähnt habe; denn sie 
sind häufige, wahrscheinlich constante Begleiter des 
Fettschwundes. 

Das gewöhnliche, in seinen Hauptzügen schon lange bekannte 
histiologische Bild des Letzteren, das ich an jenem Orte beschrieb, 
ist bei den fertigen Fettzellen geborener Thiere kurz wiederholt dies: 
der Fetttropfen in der Zelle erscheint verkleinert, meistens einige 
kleine Tröpfchen daneben, und um ihn her, durch einen flüssigkeits- 
haltigen Hohlraum von ihm getrennt, spannt sich einstweilen 
noch in ihrem alten Umfang und ihrer alten Rundung die Zellen- 
kapsel, welche ihn früher fest umschloss, stets übrigens im Inneren 
um den Kern etwas körniges Protoplasma enthaltend. Ich sagte so 
eben: einstweilen noch, denn ich habe schon früher betont und 
werde auch hier noch darauf zurückzukommen haben, dass dies Bild 
sich später ändert. 

Zwischen diesen abmagernden Zellen nun trifft man hie und 
da eins der beschriebenen Zellenhäufchen ; und man trifft ferner 
Bilder, welche die Genese der Letzteren hinreichend illustriren können. 
In einzelnen der einfach atrophischen Fettzellen nämlich, von denen vor- 
her die Rede war, zeigen sich um den verkleinerten Fetttropfen 
statt des einen, alten, mehrere Kerne; in einzelnen dann so viele, 
dass der ganze Zwischenraum zwischen Fett und Zellenkapsel von 
ihnen erfüllt wird; in wieder anderen ist der schon sehr viel ge- 
ringere Fettinhalt wie erdrückt von der Masse der umgebenden 
Kerne — oder wie man schon sagen muss, Zellen, denn die Kerne 
zeigen sich, wo man sie noch isolirt betrachtet, umgeben von einer 
Schicht feinkörniger Masse; und endlich bei anderen Formen ist das 
Fett ganz verschwunden, man hat einen rundlichen Klumpen jener 
feinkörnigen Masse ganz mit Kernen durchsetzt, oder wie man eben 
so gut sagen kann einen Haufen, ein Nest diehtgedrängter junger 
Zellen — das Ganze eben so gross, oder auch etwas grösser oder 
kleiner, wie eine volle Fettzelle desselben Ortes war. 

Ich werde im Folgenden diesen Zustand als den der Wucher- 
Atrophie oderatrophischenWucherung, gegenüber jenem an- 
dern der serösen Atrophie bezeichnen. 

Ehe ich auf das Detail dieser Bilder eingehe, möchte ich den 
Leser sicher stellen, dass ich darin nicht bloss etwas Ausnahmsweises, 
vielleicht anderweitig Pathologisches vor mir gehabt habe. 

Ich fand dieselben wieder bei allen Hungerexperimenten, die 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 331 


ich in erforderlicher Weise anstellte und deren genauere Daten 
ich weiter unten anführen werde. (Vergl. am Schlusse von Ab- 
schnitt 2.) Die grosse Mehrzahl der Fettzellen in den constanten 
grossen Fettlagern — Inguinal- und Achselfalte, Nierengegend, Me- 
senterium — wird dabei zunächst von der serösen Atrophie be- 
troffen: wie es mir scheint, wie ich es aber noch nicht als Behaup- 
tung hinstellen will, zuerst vorwiegend das Unterhautgewebe und 
Mesenterium, später das Nierenfett. Uebrigens fängt die Atrophie 
der Zellen nicht überall zugleich an und schreitet gleichmässig fort, 
sondern es zeigen sich manche Läppchen noch intact, während andere 
schon atrophisch sind (schon von Toldt bemerkt, vergl. Abschn. 2); 
immer scheint es mir dabei, als ob die jüngsten, das heisst die am 
weitesten ins fettlose Gewebe vorgeschickten Sprossen der Fettlager 
zuerst betroffen werden. Im Anfang der Abmagerung fand ich da- 
neben bloss einzelne Zellen im atrophisch-wuchernden Zustand, in 
vielen Läppchen gar.keine, so dass man oft sehr danach suchen 
muss; nach 8—14tägigem starkem Schwund aber mehrt sich ihre 
Zahl immer mächtiger und es zeigen sich endlich die Läppchen von 
einfach atrophischen Zellen wie durchsät mit den wuchernden, was 
ihnen schon makroskopisch ein schmutziggelbes Aussehen giebt und 
besonders deutlich an Carminpräparaten bei schwacher Vergrösse- 


‚rung auffällt. 


Fragen wir nach dem genaueren Habitus des Wucherungsvor- 
gangs: zunächst, wie die Kerne entstehen mögen. Ich sagte schon, 
dass ich die Ausgangsstadien in den mehrkernigen, serös atrophi- 
schen Fettzellen suchen möchte, welche so vielfach zur Beobachtung 
kommen (Fig. 1b, 4« sind Beispiele davon): man sieht in der 
That an manchen Kernen solcher einfach atrophischer Zellen dop- 
pelte Kernkörperchen und Biscuitformen, und wird danach wohl mit 
Wahrscheinlichkeit auf fortgesetzte Kerntheilungen schliessen müssen. 


‘ Dass eine Fettzelle übrigens nicht schon stärker serös-atrophisch zu 


sein braucht um die Wucherung zu beginnen, wird sich weiter unten 
zeigen. — Das Protoplasma der Fettzelle erscheint, wo Kernver- 
mehrung vorhanden ist, gewöhnlich besonders massig und durch 
Carmin-Tinetion besonders geröthet; und oft hat es sich von der 
noch erhaltenen Hülle entfernt und liest in einer Form, welche der 
einer fixen Bindegewebszelle gleich oder ähnlich ist, neben dem Fett 
und den endogenen Elementen wie frei im Inneren. (Fig. 5 in mehre- 
ren Zellen.) 


332 Dr. W. Flemming: 


Die Weiterentwicklung des Vorgangs erfolgt nun nicht überall 
so schematisch, wie ich ihn weiter oben zur Uebersicht darzustellen 
für gut fand. Die Membran — so wollen wir die Kapsel des Fett- 
tropfens einstweilen einmal nennen, unerörtert ob sie ganz Proto- 
plasma ist oder nicht — bleibt bald schon in den Anfangsstadien 
der Wucherung nicht erhalten, sondern zeigt sich wie an einer Seite 
auseinanderklaffend (Fig. 5); bald besteht sie auch noch länger fort 
und lässt sich, wenn selbst schon der Fettinhalt verschwunden und 
nur ein Zellennest vorhanden ist, um dieses her noch als zarter 
Contour wahrnehmen (Fig. 46). — Die endogenen Zellen aber ihrer- 
seits scheinen nicht immer so lange in ihrer Mutter zu bleiben, bis 
dieser Zustand erreicht ist. Denn man begegnet, namentlich in den 
späteren Stadien rapiden Schwundes, sehr häufig Bildern in denen 
noch eine continuirliche Membran und in ihr noch ein ansehnlicher 
Fetttropfen vorhanden ist, daneben aber nur einzelne zum Theil recht 
ansehnliche Zellen darin. (Fig. 5 y.) Umher aber im Gewebe, zwischen 
den wuchernden und serös atrophischen Fettzellen, finden sich Massen 
von ganz ebensolchen, kleineren oder grösseren, körnigen Elemen- 
ten, grobkörnigen Wanderzellen ganz ähnlich; und man wird nach 
den zur Beobachtung kommenden Bildern kaum in Zweifel sein, dass 
sie vielfach durch die Membran hinausgewandert sind. 

Was wird nun weiter aus diesen Producten der Wucherung, 
diesen indifferenten Zellen oder ‚„‚Keimzellen“, wie sie nach Rollet’s 
neuer Terminologie wohl würden heissen können? Da wir bei den 
Beispielen starker und rapider Atrophie, wie sie hauptsächlich der 
obigen Beschreibung zu Grunde liegen, die Fettläppchen selbst in 
denen Wucherung stattfand, und die Umgebung derselben von die- 
sen Zellen durchsetzt finden, so liegt es am nächsten und ich nehme 
es auch an, dass sie wofern das Thier weiter lebt wie andere freie, 
Iymphoide Zellen des Bindegewebes, denen sie ja so durchaus ähn- 
lich sehen, weiter durch das Gewebe wandern, seine Lymphräume 
bevölkern, vielleicht auch in die Blutbahnen eindringen mögen. Mög- 
lich bleibt es freilich auch, dass sie theilweise oder alle dem Zerfall 
unterliegen. 

Wozu aber diese Abkömmlinge der Fettzelle unter Umständen 
im Stande sind, dafür habe ich nun einen Beleg mitzutheilen, der 
auch von allgemeinere Interesse ist. 

Bei einem Kaninchen (Nr. 5 unten), welches 4 Tage lang einer 
mässigen Hungerkur unterworfen war, fanden sich unter den 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 333 


schwach serös-atrophischen Zellen vieler namentlich junger Läppchen 
eine ziemliche Anzahl wuchernder. Einige von diesen zeigten For- 
men, wie sie oben als die Anfangsstadien dieses Processes beschrie- 
ben sind: Kernvermehrung um den schwindenden Fetttropfen, wei- 
tere Vollstopfung mit Kernen bis kleinen Zellen, bei noch wahr- 
nehmbarer Membran. (Fig. 4, Zelle «, £, y.) Aber daneben fanden 
sich zahlreiche andere, wo die neugebildeten Zellen nicht mehr 
rundlich, und die Membran nicht erhalten war: die ersteren 
zeigten vielmehr längliche, eckige, bis verästigte Gestalten, und man 
konnte nicht schöner auf einem Fleck nebeneinander Uebergangs- 
formen von einer runden Zelle zur fixen Bindegewebszelle 
antreffen wie an diesen Wucherungsproducten, welche den schwin- 
denden Fetttropfen der alten Fettzelle einschlossen. An einigen ist 
die Hülle der letzteren wie an einer Seite auseinandergefasert, und 
die ihr unmittelbar anlagernden Zellen strecken ihre Ausläufer dort 
hinaus (Fig. 2%); an anderen ist von einer Membran überhaupt 
nichts zu sehen (Fig. 2«), das Fett wird nur umgeben von einem 
Kranz wuchernder fixer Zellen. Diese und viele andere Zellen zeigen 
| zugleich, dass der Process die Stufe der rundlichen Endogen- 
zellen ‚vielleicht ganz überspringen kann: man sieht hier keine 
solche, auch keinen einzelnen Kern, es scheint als ob das Proto- 
plasma der Fettzelle direct in die jungen ausgewuchert wäre. Die 
Wucherung ist hier meistens nicht so massenhaft wie dort, wo nur 
runde Zellen entstehen: und es scheint zugleich, als ob die einzel- 
nen Wucherungsproducte um so grösser und grosskerniger sind, je 
geringer ihre Zahl (vergl. Fig. 2% und 2«, 3). Zuweilen hat man 
deutliche Anastomosen der um den Fetttropfen liegenden mit seitab 
gelegenen Zellen (Fig. 3); diese letzteren können natürlich ebenso 
wohl solche sein die dort vorher schon lagen, als solche, die von 
der Fettzelle aus entstanden und abgerückt sind ; das letztere ist mir 
wahrscheinlicher, um so mehr weil auch die hier angewandte Me- 
thode des Oedems soleher Abrückung behülflich ist. 

Nicht unbemerkt kann ich dabei lassen, dass ich hie und da 
in den Fettläppchen derselben Thiere auch kleinere Häufchen von, 
zum Theil mehrkernigen fixen Bindegewebszellen gesehen 
habe, ohne dass irgend Fett zwischen oder an ihnen zu sehen war: 
nur bei dem Hund 1, der nach der Atrophie 2 Tage stark ge- 
mästet war, fand sich in einzelnen der Zellen dieser Häufchen Fett, 
gerade wie bei der Fettzellenneubildung (also wohl Wiederansatz). 


334 Dr. W. Flemming: 


Es können diese Zellenhäufchen spätere Stadien der wuchernden 
Fettzellenatrophie gewesen sein; sie können aber auch aus fett- 
losen fixen Zellen hervorgewuchert, und bei der nachträglichen 
Mästung zum Theil mit Fett gefüllt sein. (Vergl. hiefür Fig. 8.) 

Dass die Fettzelle in der beschriebenen Weise fixe Bindege- 
webszellen !) produciren kann — denn solchen sehen die Abkömm- 
linge aufs Haar gleich — hat mich an sich nicht erstaunt gemacht, 
da ich ja früher (l. c.) so vielfach umgekehrt die Entstehung der 
Fettzellen aus fixen Bindegewebszellen beobachtet und als den regel- 
mässigen Entwicklungsgang beschrieben habe. Ich musste mich 
aber fragen ob die Entstehung dieser Formen, gegenüber der von 
rundlichen Zellen, an bestimmte Bedingungen geknüpft sein möchte: 
und der Vergleich sämmtlicher vorliegender Experimente ergab da 
Folgendes: ausser bei dem genannten Thier fand sich diese Form 
der Wucherung bei dem Kaninchen Nr. 6, welches wie jenes mässi- 
ger, nur längerer Nahrungsentziehung ausgesetzt und dann kurze 
Zeit wieder gut gefüttert und bei dem oben besprochenen Hund 
(Nr. 1), bei dem dasselbe der Fall gewesen war. Dagegen fand ich 
sie bisher nicht bei Thieren, welche sofort in rasche und starke 
Atrophie versetzt waren. 

Daraus darf man wohl schon schliessen, dass das 
Auswachsen der Keimproducte zu fixen Zellen vor 
Allem dort begünstigt ist, wo die Atrophie nicht sehr 
rapide eintritt. Ob es nun in letzterem Fall nicht auch dazu 
kommen kann, ist damit nicht entschieden. Es kann sehr wohl sein, 
dass auch von den bei rapider Atrophie entstandenen Endogen- 
zellen ?), nachdem sie die noch erhaltene Fettzellenhülle durchwandert 
haben, oder nach deren Schwinden auseinandergerückt sind, — viele 


1) Ich wende diesen Namen, bei dessen Berechtigung ich nach Cohn- 
heim’s, Ranvier’s und Anderer Vorgang und nach den Angaben meiner 
Arbeit 1. c. wohl nicht zu verweilen brauche, überhaupt für alle die Zellen 
im Bindegewebe an, welche abgeplattet, vielgestaltig, in Ausläufer ausgezogen 
(bei Embryonen spindel- und sternförmig) sind, zum Theil untereinander und 
mit den Zellen der Gefässwände anastomosiren und an denen keine wesent- 
liche Locomotion zu beobachten ist. 

2) Man verzeihe mir das Abwechseln mit den Namen: es sind hiermit 
natürlich eben dieselben Producte der atrophisch-wuchernden Fettzellen ge- 
meint, welche, wie aus dem Obigen hervorgeht, auch nicht immer striete 
endogen entstehen brauchen. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 335 


oder selbst alle zu fixen Zellen sich umgestalten. Die sichere Fest- 
stellung von Uebergangsformen ist aber natürlich nicht möglich, 
wenn man die Zellen nicht mehr am Entstehungsorte nebenein- 
ander hat. 

Aus diesen Beobachtungen ergiebt sich ferner, dass Wucherung 
in Fettzellen schon eintreten kann, ohne vorgängige stärkere 
seröse Atrophie; denn diese war bei allen umliegenden Zellen 
höchstens in mittleren Graden ausgesprochen (wie in Fig. 4«). Mit 
Sicherheit folgt dies wenigstens aus dem Befund bei Kaninchen 5; 
bei Kaninchen 6 und Hund 1 könnte man denken, dass die Atro- 
phie durch die schliessliche, kurze Wiederfütterung nachträglich aus- 
geglichen wäre. — Es sei weiter noch bemerkt, dass sich die Aus- 
wucherung zu fixen Bindegewebszellen besonders vielfach an jünge- 
ren Fettläppchen fand, — welche sich durch die geringere Grösse 
ihrer Fettzellen immer gegenüber den älteren kennzeichnen. 

Ich habe mich noch mit dem Verhalten des Fettinhalts der 
atrophischen — serösen wie wuchernden — Zellen zu beschäftigen. 

Es ist schon bekannt, dass überhaupt häufig in atrophischen 
Fettzellen, neben dem verkleinerten oder an Statt des geschwunde- 
nen alten Fetttropfens eine Anzahl kleinerer Tröpfehen zur Beob- 
achtung kommt. Untersucht man die anfänglichen Stadien der 
serösen Atrophie, so wird man bemerken, dass sich hier zunächst 
fast immer neben dem alten Tropfen ein oder mehrere mittelgrosse 
oder kleine Tropfen befinden, daneben zuweilen noch kleine und 
kleinste, einer aber fast immer an Grösse hervorragend!). Es er- 
scheint, als ob die Zahl und anfangs auch die Grösse dieser ‚‚Neben- 
tropfen“, wie sie gegenüber dem alten Haupttropfen bezeichnet sein 
mögen, wächst, je mehr der letztere einschwindet; in späteren Sta- 
dien des Schwundes, wo der alte Tropfen ganz reducirt oder sehr 
verkleinert ist, zeigt sich, wie dies wohl jedem Untersucher atro- 
phischen Fettes bekannt sein wird, ausserdem durch die ganze Zelle 
vertheilt oft eine grosse Anzahl selcher kleiner und kleinster Tröpf- 
chen, die dann intensiv gelb gefärbt zu sein pflegen. Im Anfang 


1) Um irgend einen Anhalt zu geben, will ich (aufs Ungefähre) Tropfen 
bis auf 0,02 mm. Durchmesser herab als grosse, zwischen 0,02 und 0,006 mm. 
als mittelgrosse, zwischen 0,006 und 0,001mm. als kleine, und solche, 
unter 0,001 mm., welche sich noch deutlich durch Fettglanz characterisiren, 
als kleinste bezeichnen. 


336 Dr. W. Flemming: 


sind sie dagegen meist hell gefärbt und oft heller wie der gelblich 
aussehende alte Tropfen. Oft finden sich, in den serös-atrophischen 
wie in den wuchernden Zellen, ein oder mehrere farblose Tropfen, 
kleine bis grosse, bald von dem gelben Haupttropfen isolirt, 
bald ihm anliegend fast als hingen sie mit ihm zusammen (siehe 
viele der Figuren). Ich halte es für sehr möglich, dass diese 
letzteren Tropfen Artefacte sind, entstanden durch einen mecha- 
nischen Druck auf die Fettzelle, der sich bei der Herstellung der 
Präparate nicht durchaus vermeiden lässt, und erklärbar in der 
Weise, dass durch eine oberflächlich geronnene Schicht der Fett- 
kugel der innere, flüssig und heller gebliebene Inhalt herausgequollen 
wäre. Bis ich darüber sicher entscheiden kann, mögen diese Ver- 
hältnisse so dargestellt bleiben wie sie sich an den Präparaten 
zeigen. Aber jene vorher besprochenen, an Zahl wachsenden, 
schon lange bekannten (vergl. z. B. in Frey’s Handbuch) Neben- 
tropfen sind wohl jedenfalls nicht so, sondern als Naturproducte auf- 
zufassen, schon deshalb weil sich solche, wie demnächst zu be- 
sprechen sein wird, auch ganz deutlich innerhalb des Protoplasma 
der Fettzelle und endogener Zellen vorfinden. 

Zu bemerken bleibt ferner, dass in dem Fette der atrophisch 
wuchernden Zellen besonders häufig nadelförmige Krystalle an- 
schiessen. 

Es sieht nach vielen Präparaten also aus, als ob die Neben- 
tropfen mit dem Schwunde der alten wachsen und schliesslich 
allein übrig bleiben. Am Ende können sie natürlich auch schwin- 
den, da in den späteren Stadien der atrophischen Zellen sich gar 
kein Fett mehr findet. Positiv hinstellen kann ich es nicht, dass 
anfangs wachsende Nebentropfen einer jeden atrophischen Fettzelle 
zukommen. Wo ich Zellen vor mir hatte, von denen sich ziemlich 
sicher annehmen liess, dass sie in den Anfangsstadien dieses Vor- 
gangs begriffen waren, sah ich auch Nebentropfen. In Öbjecten 
jedoch wie dem Fig. 5 dargestellten (schon späteres Stadium des 
Schwundes mit sehr vielfältiger Wucheratrophie) fand sich in den 
serös -atrophischen wie in den wuchernden Zellen vielfach nur ein 
einzelner kleiner Tropfen klaren aber etwas gelblichen Fettes: man 
kann natürlich nicht sagen, ob dieser als ein remplacirender Neben- 
tropfen, oder als der alte zu betrachten ist. Ich muss ferner be- 
merken, dass ich in manchen wuchernden Zellen auch dort, wo Neben 
tropfen in den serös-atrophischen sonst sehr characteristisch sich 


» 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 337 


verhielten, wie bei Nr. 3 (Fig. 1b), keinen Nebentropfen gefunden 
habe, wie z. B. 1 b d zeigt: an solchen Zellen war zugleich be- 
merkenswerth, dass der grosse Eetttropfen in einer eigenthümlich 
unregelmässigen Form geronnen war, dabei schmutzig-orangegelb 
und rissig aussah. 

Bei Zuständen starker und anhaltender Atrophie, wo zahlreiche 
Zellen der Wucherung verfallen sind, zeigen sich nun ferner einmal 
die endogen gebildeten jungen Zellen vielfach fettkörnchenhal- 
tig; ferner finden sich solehe Körnchen — kleine bis mittelgrosse 
— in den protoplasmatischen Theilen der gewucherten, durch Aus- 
wanderung z. Th. entleerten (Fig. 5 z. B. £, 7) Fettzellen, und 
ferner in auch vielen der nebenliegenden fixen Bindgewebezellen 
(Fig. 5). Ausserdem sieht man in ziemlicher Menge freie Fett- 
tröpfehen. Ebensolche habe ich früher (a. a. O.) im Gewebe der 
Fettzellen bildenden Gefässadventitien notirt. Für beide Fälle liesse 
sich der Einwurf immerhin nicht ganz abweisen, dass es sich dabei 
um Kunstproducte der Methode handelt. Denn mag man auch vor 
der Injection den Spritzenstempel aufs Sorgfältigste entfettet haben, 
es bliebe doch möglich, dass man beim Einstich grade in ein Fett- 
läppchen gestochen und dessen versprengte Tröpfchen mit ins Ge- 
webe fortgespritzt hätte; und ich sehe nicht wie sich das vermeiden 
liesse. Ich kann aber an diese Herkunft der freien Fettkörnchen 
nicht glauben, einmal weil sie sich an den wachsenden resp. atro- 
phischen Fettlagern stets, im umliegenden gefässlosen Gewebe nicht 
oder viel einzelner finden, und weil es ferner — bei gereinigtem 
Stempel und sehr vorsichtiger Injection, — immer nur kleine und 
kleinste Tröpfchen sind, während man bei Artefacten auch grössere 
und überall verstreut durchs Gewebe findet; die vom Spritzenstem- 
pel stammende Oeltropfen pflegen auch durch ihre unreine dunkle 
Farbe kenntlich zu sein, und finden sich nie durch den ganzen 
Oedem-Tumor gleich vertheilt, sondern stellenweis angesammelt. 

Eine erschöpfende physiologische Erklärung der beschriebenen 
Dinge wird vor der Hand gewiss nicht zu geben sein. Es mag be- 
sonders frappirend scheinen, dass der Zustand der Atrophie eine 
Zelle zur Kernwucherung und Brutbildung veranlassen kann: während 
man doch sonst gewohnt ist, solche Vorgänge auf Rechnung über- 
schüssiger Ernährung zu schieben. Der Hypothese öffnet sich 
bier aber ein zu weites Feld, als dass sie nicht für jetzt lieber 
schweigen müsste. 


338 Dr. W. Flemming: 


Eine Frage möchte ich aber doch stellen, die nach dem 
Entstehen der Nebentropfen, weil die histiologischen Bilder sie direct 
vorlegen. Dass ich diese Tropfen nicht für Kunstproducte halten 
kann, sagte ich oben; auch von früheren Beobachtern sind sie 
nicht so aufgefasst, sondern einem Zerfallen — wie ich die An- 
gaben wenigstens verstehen muss!), intra vitam —, des alten 
Fetttropfens zugeschrieben. An sich wäre ein solches wohl denk- 
bar: selbst ein ganz mechanisches Auseindergesprengtwerden des 
Tropfens intra vitam, sobald in der Zelle Platz geworden ist 
— z. B. durch Druck und Zerrung, dem die Zelle im Bindegewebe 
ausgesetzt ist, läge im Bereich der Möglichkeit. — Nun müsste 
man dann aber doch erwarten, dass auf solchem Wege häufig, bald 
hier bald da, mehrere grosse oder mittelgrosse, annähernd gleich 
umfangreiche Tropfen zu Stande kämen und also auch zu sehen 
wären. Solche Formen kommen nun wirklich vor: aber, was an 
sich von Interesse ist, nur da wo sonst Zellen von den früher 
(a. a. OÖ. p. 59) beschriebenen knolligen und Maulbeerformen 
vorlagen, Zellen also, in denen von vornherein mehrere, durch Proto- 
plasmawände getrennte Tropfen sich befanden; erstens nämlich häufig 
dort, wo der Atrophie Mästung vorhergegangen war, und dann ganz 
besonders oft im Nierenfett von Kaninchen und Meerschweinen, wo 
überhaupt jene Maulbeerformen sehr zahlreich und lange, vielleicht 
stets persistirend sind. Wenn diese Zellen atrophiren, so schwindet 
jeder Tropfen für sich wieder ein und so erhält man viele annähernd 
gleich grosse. Aber im Unterhautfett desselben Thieres, bei dein 
man an der Niere solche Zellen sieht, sucht man dann vergebens nach 
ähnlichen: immer hier neben dem grossen Tropfen zuerst ein oder 
einige, viel kleinere Nebentropfen. Danach kann man an ein 
blosses Zerfallen des Fettinhalts doch schwer denken; und mir 
scheint, es lässt sich die Sache kaum anders auffassen, als dass 
das Fett der Nebentropfen aus der Lösung — unbekannter 
Natur — in welche das Fett der alten Tropfen gebracht werden 
musste, wiederum gebildet, so zu sagen, provisorisch wieder 
niedergeschlagen ist. Ebendasselbe würde dann von den Tröpfchen 
Fettes gelten können, welche wir fanden in den Abkömmlingen 
der wuchernden Fettzellen, in den protoplasmatischen Theilen der 
serösen und wuchernden Fettzellen, in den freien und fixen Zellen 


1) Vergl. Frey, Handb. 1867, p. 236 und Uzajewicz a. a. 0. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 339 


des umgebenden Gewebes und sogar frei im letzteren selbst. — 
Und es wird gewiss Niemand bestreiten, dass bei diesen Um- und 
Absetzungen, vielleicht auch bei der Entstehung jener Lösung, irgend 
eine „lebendige Thätigkeit des‘ Protoplasma“ im Spiel sein wird, 
(Toldt,vgl. unten) dass hier in den Zellen eigenthümliche physikalisch- 
' chemische Vorgänge stattfinden: Vorgänge über die wir freilich heut 
am exactesten urtheilen, wenn wir unsere völlige Unbekanntschaft 
damit bekennen !). 


1) Toldt stellt am u.a. O. den Satz auf: „Das Fett in der Fettzelle ist 
Product des Stoffwechsels derselben, seine Anhäufung in und sein Verschwin- 
den aus ihr Resultat der lebendigen Thätigkeit ihres Protoplasma.‘“ Eine Be- 
theiligung des Protoplasma an diesen Vorgängen wird sicher keiner in 
Abrede stellen: denn sonst wäre es z. B. zu erwarten, dass wir beim Fett- 
ansatz auch grosse Fetttropfen ganz frei im Gewebe finden müssten. — Ich 
bezweifle nur ob wir dem Verständniss der moleculären Vorgänge damit näher 
kommen, dass wir sagen: „das Protoplasma bildet Fett aus Eiweisskörpern‘“, 
statt das wir uns wie bisher bescheiden zu sagen: das Fett tritt auf oder 
entsteht in dem Protoplasma der Zelle. Eine Erklärung liegt jedenfalls 
in dem ersteren Satze nicht, denn wir können uns doch noch nicht denken 
wie das Protoplasma es anfängt. — Einstweilen darf man seine Vorstellungen 
über die Sache jedenfalls in die Form bringen, dass man sagt: es trans- 
sudiren beim Fettansatz und bei der Atrophie Lösungen aus den Ge- 
fässen, aus welchen im ersteren Fall in einzelnen Zellen Fett gebildet 
und abgesetzt wird, durch welche im letzteren Fall das Fett der Fett- 
zellen in eine lösliche Verbindung gebracht wird — oder, wie man auch 
völlig berechtigt sagen kann, unter deren Einfluss das Protoplasma der 
Zellen dies besorgt. — Dass gewisse Zellen im Bindegewebe durch ihre Be- 
schaffenheit je zur Zeit für die Fettaufnahme bevorzugt sind, muss ich selbst- 
verständlich annehmen, weil nicht in allen zugleich Fett auftritt; dass diese 
Befähigung aber in der Art aufzufassen ist, wie die einer Leberzelle zur 
Gallensecretion, dass also auch z. B. bei der Atrophie das Protoplasma ent- 
weder aus eigener Machtvollkommenheit, oder durch ein dauerndes Nerven- 
commando dazu kommt, sein Fett wieder umzusetzen, glaube ich nicht, haupt- 
sächlich deshalb, weil ich sehe, dass die Neubildung von Fettzellen aus fixen 
Bindegewebszellen erfolgt. 

Dass bei der Atrophie das Fett „als solches‘‘ die Zelle verlassen könnte, 
habe ich nach dem Allen stets für unannehmbar gehalten und stimme darin 
mit Toldt ganz überein (l. c. p. 19). 

Wenn derselbe jedoch dafür, dass auch der Wiederverbrauch des Fettes 
in der Zelle „als Lebensäusserung ihres Protoplasma aufzufassen sei‘, den Um- 
stand als Beleg anführt, dass der im Fett gelöste gelbe Farbstoff in der atro- 


M, Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 7, 23 


340 Dr. W. Flemming: 


a 

Wenden wir uns nun zurück zu den Beziehungen zwischen atro- 
phischen und entzündlichen Veränderungen der Fettzelle, von welchen 
ich im Eingang sprach. 

Ich habe a. a. ©. (p. 71) unter andern mitgetheilt, dass bei 
künstlicher Entzündung der fettzellenhaltigen Gewebes zunächst eine 
Verkleinerung der Fetttropfen in vielen Zellen zu beobachten ist, 
und dass ich ferner die Angabe von Gzajewicz über Tochterzellen- 
bildung in entzündeten Fettzellen insoweit bestätigen konnte, als 
ich in manchen derselben zwei, drei oder mehrere Kerne vorfanden. 
Meine Beobachtungen betrafen bis dahin nur die ersten Stadien der 
Entzündung, wie sie am ersten Tage nach der Operation zu Gesicht 
kamen. Die Kerne lagen, ohne erkennbaren Zellenkörper, in dem 
Protoplasma der Fettzelle; wirkliche Tochterzellen also hatte ich 
noch nicht gesehen. Seitdem habe ich diese Versuche an jungen 
Kaninchen weiter ausgedehnt, indem ich zwei Tage oder noch später 
nach der Operation untersuchte. Die letztere führte ich entweder 
aus durch subeutane Injection von starker Jod-jodkaliumlösung !) 
(schwache nützte wenig), oder, was ich als sicherer empfehlen kann, 
durch Einbringen von mit der gleichen Lösung getränkten Hollun- 
dermarkstükchen in eine Schnittwunde der Inguinalfalte, welche 
genau wieder vernäht wurde; die Untersuchung geschah mit den 
unten beschriebenen Methoden. Unter den Fettläppchen in der Um: 
gebung des Entzündungsheerdes muss man erst etwas herumsuchen, 
da nicht alle in gleichem Maass und viele gar nicht betroffen sind. 

Zu meiner Verwunderung fand ich nun, dass die Bilder, die 
ich nach solchem Verfahren erhielt, völlig mit denen übereinkommen, 
welche der atrophischen Wucherung angehören. 

Ein Theil der Fettzellen — wie schon angedeutet nicht immer 
gleich viele, in manchen Läppchen auch gar keine — zeigt sich zu- 


phischen Zelle zurückbleibt, indess das Fett schwindet: so ist dies Factum 
völlig richtig, beweist aber doch nur, dass das Fett nicht als solches die 
Zelle verlässt, aber belegt noch nicht dass ‚‚das Fett durch den Oxydations- 
process der Fettzelle selbst wieder verbrannt‘ wird. 

Doch wie gesagt, über die Mitleidenschaft des Protoplasma bei 
allen Lebenszuständen der Fettzelle hege ich nicht den geringsten Zweifel, 
die Wucherungsprocesse und das Verhalten der Nebentropfen müssen beson- 
ders darauf hinweisen. Ueber das Wie haben wir noch kein Urtheil. 

1) In meiner früheren Arbeit p. 62 ist durch ein Versehen statt dessen 
„Jodkaliumlösung“ gedruckt. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 341 
8 
nächst in geringern Graden serös-atrophisch und häufig mit Neben- 


tropfen. In vielen sowohl von diesen, wie auch von den noch ganz prall 
gefüllten Zellen bemerkt man mehrere Kerne; bei andern, in denen 
die Zahl derselben noch grösser — vier und mehr — geworden ist, 
findet sich dann auch der alte Fetttropfen erheblich verkleinert, 
sraugelb und dabei gewöhnlich ein bedeutenderer Nebentropfen; in 
weiteren sind statt der Kerne nunmehr isolirt begrenzbare, oft in 
der Fettzellenkapsel freigelegene rundliche, feinkörnige kleine Zellen 
beobachten, in weiteren sind diese noch zahlreicher und schliessen 
das Fett eng ein. — Kurz die Bilder sind denen zum Verwechsein gleich, 
welche man ohne jegliche Entzündung von der blossen Atrophie 
erhält, und wenn ich in Fig. 7 Entzündungspräparate zeichne, so ge- 
schieht es nur, um diese Aehnlichkeit zu illustriren. 

Bis jetzt habe ich allerdings die durch Entzündung hervorge- 
rufene Wucherung noch nicht hinaus über jene Stadien verfolgt, in 
welchen — durch Zellen in Fig. 7 repräsentirt — noch ein mittel- 
grosser Fetttropfen zwischen den endogen gebildeten Zellchen vor- 
handen ist. Indessen da diese den gleichen Stadien der rein atro- 
phischen Wucherung so sprechend ähnlich sind, so scheint es mir 
so gut wie sicher, dass sie wie diese mit vollständigem Schwund des 
Fettes und mit dem Zerfallen des Zellennestes ihr Ende finden 
werden. 

Meine Schilderung stimmt wie man sieht auch im Wesentlichen 
ganz mit der Beschreibung von Czajewicz und seiner Figur 5 
(Reich. u. Du Bois R. Arch. 1866, p. 289, Taf. 9), in der die en- 
dogenen Zellen nur etwas schematisch ‚wie ein Epithel um die Fett- 
tropfen her‘ dargestellt sind. Es ist mir zweifellos, dass er 
ganz die gleichen Bilder wie ich vor sich gehabt hat, und ich 
ergreife um so mehr die Gelegenheit, die Treue dieser seiner Beob- 
achtung zu constatiren, als dieselbe, wie seine ganze Arbeit, vier 
Jahre hindurch in der Literatnr nicht gewürdigt und kaum einmal 
erwähnt worden ist. 

Es ist Czajewicz gewiss nicht zu verargen, dass er diese 
Proliferationsbilder ohne Weiteres auf Rechnung der künstlich 
hervorgerufenen Entzündung schob. Denn er hatte übersehen, 
dass dieselben Bilder zy, Gesicht kommen bei reiner Atrophie ohne 
jede Entzündung. Nachdem wir jetzt diese Thatsache kennen ge- 
lernt haben, muss sie uns über die „entzündeten Fettzellen‘“ zu 
denken geben. 


342 Dr. W. Flemming: 


Wie gesagt zeigen viele Fettzellen der entzündeten Gegend die 
Zustände einfacher Atrophie; es scheint also, dass durch die Irrita- 
tion des Gewebes eine solche gesetzt wird — denn, wie ich früher 
zu bemerken versäumt hatte, auf der andern nicht entzündeten Seite 
des gleichen Thiers fand sich dieser Zustand nicht vor. — Ich 
weise ferner besonders darauf hin, dass Özajewicz theils den Er- 
nährungszustand seiner Thiere vor der Entzündung nicht controlirt 
zu haben scheint, theils dieselben sogar absichtlich vorher hat 
hungern lassen, da die Fettzellen bei Verringerung ihres Inhalts, 
wie es ihm schien, eine grössere Disposition zur Entzündung bekom- 
men sollten. — Da muss doch der Gedanke nahe liegen, dass die 
Wucherungszustände, in denen wir Fettzellen des entzündeten Ge- 
webes begriffen sehen, vielleicht gar nicht solche der entzündlichen 
Proliferation sind, sondern Zustände der atrophischen Wucherung. 
Es wäre danach möglich, dass das entzündende Moment die Fett- 
zelle an sich gar nicht irritirt. Es ist freilich auch möglich, dass 
die Entzündung eben dieselben chemisch-physikalischen Einflüsse auf 
die Fettzelle ausübt wie die Atrophie, und deshalb die Producte 
beider aufs Gleiche herauskommen. Es ist endlich möglich, dass 
beide Vorgänge ihrem Wesen nach verschieden sind und doch die 
gleichen morphologischen Gonsequenzen haben. 

Ueber das Alles lässt sich jetzt nicht entscheiden. Allein für 
den Umstand, dass schon in frühen Stadien der Atrophie, und ebenso 
bei der Entzündung, einzelne Fettzellen, aber eben jeweilen immer 
nur einzelne dem Wucherungsprocess verfallen, findet sich schwer 
eine rationelle Deutung. Die Thatsache ist da und es lässt sich zu 
ihrem Verständniss kaum etwas Anderes annehmen, als dass eben 
einzelne Zellen je zur Zeit eine besondere Disposition haben, ihre 
Kerne zu vermehren, und sobald die dafür günstigen Ernährungszu- 
stände sich bieten, mit Energie in diesen Process eintreten. Denn 
dass die wuchernden Zellen während des Vorgangs anderen Er- 
nährungsbedingungen ausgesetzt gewesen sein sollten, wie die nicht- 
wuchernden, lässt sich schwer annehmen, da nichtwuchernde in 
unmittelbarem Contact mit ihnen an den gleichen Gefässen liegen. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 343 


Il. Ueber spätere Stadien des Fettzellenschwundes. 


Die Rückbildungsformen der Fettzelle, welche so eben be- 
sprochen wurden, stellen meistens die raschen Folgen eines rapiden, 
durch plötzlichen Hunger oder starke Ernährungsstörungen hervor- 
gerufenen Schwundes dar. Es scheint aber, dass diese Rückbildungs- 
formen andere sind bei einer langsamen, wenn ich so sagen darf 
normalen Atrophie, wie solche bei allmähliger Abmagerung erfolgt, 
wie sie durch ganz physiologische Ernährungsschwankungen des 
Thierkörpers gewiss oftmals eingeleitet und wieder gut gemacht 
wird, und wie sie deshalb für die Physiologie jedenfalls wichtiger 
ist als jene abnorme Abzehrung. Ich habe wenigstens bei einigen 
Versuchen, in denen Thiere nicht sofort, sondern sehr allmählig in 
schlechte Ernährung gebracht wurden, andere Bilder bekommen wie 
die, von denen bisher die Rede war. 

Ich muss es selbst als einen Mangel meiner früheren, über- 
haupt kürzer als wünschenswerth gerathenen Darstellung des Fett- 
zellenschwundes !) bezeichnen, dass ich dieser Verschiedenheit darin 
nicht näher Rechnung getragen, und z. B. in etwas summarischer 
Weise die endgültigen Formen des langsamen Schwundes zum Theil 
an einem Beispiele sehr rascher Atrophie demonstrirt habe ?). In so 
fern war dies immerhin gerechtfertigt, als für viele der Fettzellen 
die Endstadien beider Formen von Atrophie in der That aufs 
Gleiche herauskommen können; denn — abgesehen von den atro- 
phisch wuchernden Zellen, die mir damals noch nicht bekannt waren 
— finde ich mich durch alles seither Ermittelte nur bestärkt in der 
Ansicht, welche ich schon früher aussprach ?): dass die Fettzelle sich 
zu einer fixen Bindegewebszelle, wie alle andern in der Gefässadven- 
titia, zurückzubilden vermag. 

Für junge, eben erst gefüllte Fettzellen jugendlicher Thiere, 
sowie für Fettzellen der Amphibien (Rückenfett des Frosches) habe 
ich geschildert, dass sie sich bei der Atrophie zurückbilden zu 
Formen, welche von denen der benachbarten fixen Bindegewebszellen 
nicht verschieden sind (l. ec. Fig. 33, 36, 29). Für die alte, vollge- 
füllte Fettzelle habe ich diesen Nachweis damals nicht führen können ; 


l) a. a. O. pag. 66 ft. 2) a. a. 0. Fie.'26, vergl. p. 69. 
3) a. a. O. pag. 72 und 77. 


344 Dr. W. Flemming: 


ich habe ihren Schwund nur verfolgt bis zu Formen, wie in der 
Fig. 27 1. c., wo die Membran der Zellen geschwunden, und diesel- 
ben wie ich sagte „nur noch kernhaltige Körnchenhaufen darstellen, 
welche nur durch Grösse, häufige Abflachung und Streckung und 
ihre Anordnung in den Capillarenmaschen und grobkörnigen Wan- 
derzellen unterschieden sind.“ 

Bis zur Beobachtung dieser Stadien scheint auch Toldt ge- 
kommen zu sein, welcher in seiner unten besprochenen Arbeit (p. 12) 
sagt: „Erhält man ein Thier, dass früher gut genährt war, längere 
Zeit im Zustande hochgradiger Magerkeit, so sieht man wie die 
Zellen des Fettgewebes an Umfang bedeutend abgenommen haben 
und wieder mehr und mehr das Aussehen von Protoblasten ge- 
winnen.‘“ 

Das allmähliche Abhungern führt aber auch bei längerer Fort- 
setzung nicht zugleich überall auf die Endformen des Zellenschwun- 
des. Denn, wie Toldt selbst sehr richtig bemerkt hat, man fin- 
det bei atrophischen Thieren die einzelnen Fettläppchen in sehr ver- 
schiedenen Stadien der Atrophie. Und während also an einem der- 
selben das eben beschriebene Bild sich findet, kann, wie ich viel- 
fach beobachtete, an einem anderen schon ein weiterer Rückschritt, 
an einem dritten dabei noch ziemliche Fettfüllung vorhanden sein. 
Die letztere erhält sich überhaupt länger als man glauben sollte; 
so habe ich bei einem alten Kaninchen, das Wochen lang systema- 
tisch mässig genährt und dann noch 9 Tage auf eine fast absolute 
Hungerkur gesetzt war (Nr.8), noch eine Menge Fettläppchen der 
Inguinalfalte gefunden, an denen eben erst seröse Atrophie im Be- 
ginnen war. 

Man kann aber wie gesagt an solchen Thieren, ja auch an 
solchen die nur einige Tage lang gehungert haben, daneben auch 
weitere Rückgangsstadien finden, wenn man nur etwas danach 
sucht, und besonders unter den ganz fettleer gewordenen Läpp- 
chen diejenigen auswählt, welche am isolirtesten in das gefässlose 
Bindegewebe hinein ragen. Man sieht diese Läppchen bei den hier 
angewandten Methoden (s. u.) in den Leimtumoren auch dann, wenn 
sie ganz fettleer sind, mit blossem Auge als graugelbliche Stellen. 
Dass man in ihnen wirklich Fettläppchen vor sich hat, darüber wird 
die Form des Gefässnetzes (vgl. Fig. 9) dem, der überhaupt mit 
atrophischem Fett zu thun gehabt hat, keinen Zweifel lassen. Nur 
das könnte die Frage sein, ob diese Gefässnetze überhaupt schon 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 345 


vor der Atrophie ‚fettzellengefüllt gewesen sind: denn wie ich früher 
mittheilte (a. a. ©., vgl. auch bei Toldt p. 7) ist wenigstens ein 
wesentlicher Theil der Blutbahnen schon vor der Fettzellenanlage 
fertig, wenn auch allerdings mit dieser noch eine weitere Ge- 
fässsprossung erfolgt. Ich habe mir hierfür so geholfen, dass ich 
gesunde Thiere verglich, die vom gleichen Wurf mit den atrophisch 
gemachten und bisher mit diesen ganz gleich genährt waren. Sieht 
man dann bei den letzteren an denselben Stellen leere Gefässnetze, 
wo bei den ersteren noch Fettläppchen liegen — es lässt sich das 
an Durchschnitten der Leimtumoren ganz leidlich abschätzen — so 
darf man wohl annehmen, dass jene Gefässnetze auch vor der Atro- 
phie Fett beherbergt haben. 

Ich spreche nun zunächst von jenen im Eingang dieses Ab- 
schnittes erwähnten Bildern, welche ich bei langsamer und mässiger 
Atrophie beobachtet habe, und die vielfach nur wenig an das er- 
innerten, was im ersten Abschnitt geschildert ist: fast keine seröse 
Atrophie, fast keine atrophische Wucherung. Neben noch ganz 
vollen, grossen Fettzellen fanden sich oft kaum einige, an denen 
durch eine geringe Verkleinerung des Fetttropfens der Hüllencon- 
tour abgesetzt zu sehen war; nur sehr einzelne Zellen waren mehr- 
kernig oder wirklich wuchernd; dagegen lagen neben den grossen 
Fettzellen öfter kleine in mannichfachen Abstufungen, in welchen 
aber die Hülle der Tropfen eng umschloss, ähnlich wie das bei 
jungen progressiven Fettzellen sich verhält. Unmittelbar aber 
neben diesen noch fetthaltigen Stellen des Gefässnetzes zeigte sich 
dasselbe ganz fettleer; bald in seinen Maschen grössere Mengen 
jener „protoblastenartigen“ rundlichen Zellen bietend, bald aber auch 
nichts enthaltend .als abgeplattete fixe und nur sehr vereinzelte 
Wanderzellen. 

Die naheliegendste Erklärung dieser Bilder scheint mir die, 
dass das Protoplasma der Fettzelle bei langsamer Atrophie ge- 
wissermassen Zeit behält, seine Gestalt dem Schwunde des Inhalts 
anzupassen und so allmählich zu der Form einer Bindegewebszelle 
zurückzukehren, die es vor der Fettfüllung hatte: während es bei 
rapidem Schwunde der raschen Verkleinerung des Tropfens, um so 
zu sagen, nicht zu folgen vermag. Ich will jedoch, ehe mir eine 
grössere Anzahl von Beobachtungen vorliegt, nicht entscheiden ob 
dieser erstere Rückbildungsweg bei jeder langsamen Atrophie der 
hauptsächliche ist (der einzige ist er auch hier nicht, denn wie 


346 Dr. W. Flemming: 


eben gesagt kommen auch hier einzelne Formen atrophischer Wuche- 
rung vor). Wäre es so, so würde man passend diesen Rückbildungs- 
modus, neben dem der serösen und der wuchernden Atrophie, als 
den der einfachen oder normalen Atrophie der Fettzelle bezeich- 
nen können; da er dann solchen Abmagerungszuständen entsprechen 
würde, welche sehr vielfach und ohne tiefergreifende Ernährungs- 
störungen im Thierkörper eintreten. — Ich weise zugleich darauf 
zurück, dass die noch junge membranlose Fettzelle bei jungen In- 
dividuen fast stets diesem einfachen Rückbildungsmodus zu folgen 
scheint. Bei ganz jungen verhungerten Thieren (neugebornen Ka- 
ninchen wie Nr. 9) habe ich bisher auch keine eigentliche Wucher- 
Atrophie beobachtet. 

Werfen wir nun einen näheren Blick auf die Zellen, welche 
man in den — sei es durch langsamen, sei es durch raschen Schwund 
— ganz fettleer gewordenen Gefässnetzen beobachtet. An vielen 
Stellen zeigen sich in deren Maschen jene körnigen, nach raschem 
Schwund öfter auch fettkörnchenhaltigen, rundlichen oder doch aus- 
läuferlosen Zellen, von denen schon die Rede war und welche ich 
einmal mit Toldt Protoblasten nennen will, in einer Anzahl wie sie 
etwa derjenigen der früheren Fettzellen entsprechen könnte: dies 
Bild würde sich ungezwungen so deuten lassen, dass sie als die end- 
gültigen Rückgangsstadien der letzteren, als fettleere ‚„Fettgewebs- 
zellen“ (Toldt) hier zurückgeblieben wären. Geht man jedoch zu 
anderen Läppchen, oder nur zu andern Stellen der nämlichen über, 
so wird man andere Bilder finden : hier liegen in den Gefässmaschen 
wesentlich nur Zellen, welche völlig die Formen der fixen Bindege- 
webszellen haben : abgeplattet, vielgestaltig, in Ausläufer ausgezogen, 
welche mit andern oder den Gefässwänden zusammenhangen (Fig. 10). 
Man muss diese Objecte natürlich sorgfältig mit guten Immersions- 
linsen controliren, wird sich aber dann überzeugen, dass in dem Ge- 
fässnetz auf weite Strecken wirklich keine runden freien Zellen 
liegen oder doch so wenige, wie es der gewöhnlichen Anzahl von 
Wanderzellen in diesem Gewebe allerdings, der Menge der früheren 
Fettzellen aber nicht entfernt entspricht. In der Fig. 10 gezeichne- 
ten Gefässmasche z. B. !) befindet sich keine einzige rundliche Zelle 


1) Ich zeichne einen Theil des Gefässnetzes, aus welchem sie stammte, 
in Fig. 9 daneben, um Garantie zu geben, dass es sich wirklich um Gefässe 
eines atroph. Fettläppchens handelte. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 347 


oO 


und im ganzen zugehörigen Sehfeld mit Hartnack 7, 5 nur zwei, 
welche auf diese Bezeichnung Anspruch haben, während in dem Ge- 
fässnetze in diesem Sehfeld nach seinem Habitus nach mässigster 
Schätzung mindestens ein halb Dutzend Fettzellen gelegen haben 
müssen. 

Solche Bilder von Fettläppchen, in denen alle specifisch aus- 
sehenden Fettzellen vollständig verloren gegangen erscheinen, finden 
sich wie ich sagte nicht bloss nach langsamem Schwund, sondern 
auch nach schnellerem an manchen Läppchen schon nach wenigen 
Tagen. Und hier trifft man dann auch oft noch Fettüberbleibsel in 
den Zellen. In dem Fig. 11 gezeichneten Läppchen fanden sich an 
manchen Orten noch rundliche Zellen der oben besprochnen Art — 
einige derselben bei r r — an anderen nur fixe, platt und anasto- 
mosirend, wie die meisten der grade gezeichneten Partie; beide sind 
in verschiedenem Grade erfüllt von kleinen und kleinsten, gelblichen 
Fetttropfen, wie sich solche ausserdem frei im Gewebe finden. 

Wie ich bereitwillig zugestehe, lässt sich nach dem Mitgetheil- 
ten noch keineswegs sicher darüber entscheiden, ob die Fettzelle sich 
zur fixen Bindegewebszelle zurückbildet, oder nicht. So viel geht 
jedenfalls daraus hervor, dass Fettläppchen in späteren Stadien der 
Atrophie keine anderen Bestandtheile besitzen können als die des 
Bindegewebes, d. h. Gefässe, Fibrillen mit Zwischensubstanz und 
Zellen, welche die charakteristischen Formen der Bindegewebszellen 
haben, abgesehen von einzelnen Wanderzellen, deren Zahl nicht 
gross genug ist, um hier in Betracht zu kommen. Was aber aus 
den Fettzellen geworden ist, darüber bleiben verschiedene Annah- 
men möglich. Denn jene, in den Läppchen restirenden fixen Zellen 
brauchen ja nicht Fettzellen gewesen sein; es kommen ja im fettge- 
füllten Läppchen ausser den Fettzellen immer noch eine Menge fett- 
loser Bindegewebszellen vor. 

Einmal können alle Fettzellen der atrophischen Wucherung 
unterlegen, und die dabei producirten Zellen fortgewandert oder 
untergegangen oder umgebildet sein — dies ist deshalb unwahr- 
scheinlich, weil man eben bei langsamer Atrophie sehr wenige 
wuchernde Fettzellen findet. — Ferner können die Fettzellen auf 
jene protoblastenartigen Zellenformen zurückgeschritten, und diese 
können zu Grunde gegangen oder weggerückt sein. Endlich können 
sie sich, durch diese letzteren Formen und direct, zu den fixen 
Zellen zurückgebildet haben, welche wir beobachten. Man möchte 


348 Dr. W. Flemming: 


glauben, dass sich zwischen den beiden letztgenannten Möglichkeiten 
entscheiden lassen muss, wenn man die noch protoblastenhaltigen 
Stellen mit denen vergleicht, an welchen bloss fixe Zellen zu sehen 
sind: Ist die Zahl der Protoblasten plus fixe Zellen an den ersten 
Orten grösser, wie die Zahl der fixen Zellen allein an den letzteren 
Orten, so spricht das für die erste Auffassung; ist sie gleich gross, 
so spricht das für die zweite. Diese Schätzung ist aber nicht leicht: 
denn erstens ist überhaupt die Menge der fixen Zellen in den Ge- 
fässmaschen sehr wechselnd ; und dann lässt sich eine absolut gleich- 
mässige Ausdehnung des Gewebes nicht erzielen, und dies ist von 
srossem Belang für den fraglichen Zweck: denn der Raum einer Ge- 
fässmasche ist ja nur ein relativer Begriff, bei unserer Methode ge- 
wissermassen ein optischer Querschnitt, dessen Raumverhältnisse 
sich bei einer geringen Ausdehnung in anderer Dimension schon 
sehr stark ändern. Wenn mir daher auch die Resultate solcher 
Schätzungen mit der letztgenannten Annahme recht gut verträglich 
scheinen, so will ich sie doch keineswegs für dieselbe verwerthen. 

Eben so wenig liegt ein bestimmter Beweis darin, dass man 
an den betreffenden atrophischen Stellen (Fig. 11) nach rascherem 
Schwund unzweifelhafte fixe Zellen noch fettkörnchenhaltig 
findet. Es können dieses rückgängige Fettzellen sein — ich habe 
oben ja das Vorkommen von Fettkörnchen in den protoplasmati- 
schen Theilen der letzteren bei Atrophie constatirt (Fig. 5); ich 
habe aber auch am gleichen Orte beschrieben, dass Fettkörnchen 
dort auch in den umliegenden fixen Zellen vorkommen, und es ist 
nicht zu entscheiden, ob eine solche Zelle früher Fettzelle war, oder 
ob sie die Tröpfchen blos in Folge der Atrophie aufgenommen hat. 
(Vergl. oben.) 

Eine Beobachtung jedoch kann ich hier nicht unerwähnt lassen, 
welche sehr für die Rückbildung zur fixen Zelle spricht und welche 
ich nur deshalb nicht: als Beweis hinstellen will, weil sie bis jetzt 
noch vereinzelt dasteht. Bei einem erwachsenen Meerschwein (Ss. u. 
Nr. 11), welches längere Zeit schlecht genährt und dann 6 Tage 
gemästet war, fand sich in den Fettläppchen, wo Fettzellenneubil- 
dung im Gange war, Folgendes (Fig. 6): zunächst in zahlreichen 
fixen Bindegewebszellen kleinste, kleine bis mittelgrosse Fetttröpf- 
chen und Uebergangsformen von diesen zu ausgerundeten Fettzellen, 
sanz wie ich dies früher von der Fettzellenentwickelung beschrieben 
habe. Das Fett in diesen Uebergangsformen, so wie in dem grössten 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 349 


Theil der fixen Zellen, sah hellweiss aus. Daneben nun fand 
sich eine nicht geringe Zahl fixer Zellen, welche ein oder mehrere 
Tröpfehen, und zwar bis zu Mittelgrösse herauf, dunkelgelben 
Fettes enthielten. In keiner Zelle befand sich Fett von beiden 
Farben zugleich; in keiner Uebergangsform zu grösseren Fettzellen 
gelbes Fett. Da die Gelbfärbung des Fettes ein ganz characteristi- 
sches Merkmal der Atrophie ist, da ich bei progressiven Fettzellen 
niemals gelbes Fett gefunden habe, so scheint hier die Deutung 
wohl gerechtfertigt, dass die Zellen mit den gelben Tropfen rückge- 
bildete Fettzellen von der Atrophie her waren; an Bindegewebs- 
zellen, wie die vorherbesprochenen, die bei Gelegenheit der Atro- 
phie nur zufällig fetthaltig geworden wären, kann ich hier deshalb 
nicht denken, weil ich an solchen Zellen (vergl. Fig. 5 y de) nie 
so grosse und so vereinzelte Tröpfchen beobachtete wie sie hier 
vorlagen. 

Es würde danach möglich sein, dass so weit atrophirte Fett- 
zellen bei wieder beginnender Mästung zunächst nicht die Dispo- 
sition haben, sich wieder zu füllen; denn wie gesagt fand sich hier 
in keiner Zelle gelbes und weisses Fett!). 


1) Die Behauptung von COzajewicz, dass „beim Wiederansatze des 
Fettes sich dasselbe in den ursprünglichen Zellen wieder ansammle“, hatRol- 
let in Stricker’s Handbuch B. I, p. 70, wo er sie citirt, mit einem berech- 
tigten Fragezeichen versehen. Cz. beschreibt allerdings sehr anschaulich, als 
ob er es gesehen hätte: „dass bei der Wiedermästung in den serösen Zellen 
nach wenigen Tagen feine Fetttröpfehen zum Vorschein kommen, die sich 
allmählich vergrösserten und schliesslich zu grösseren Tropfen zusammen- 
flossen“ (1. 1. p. 310). Dies kann man natürlich nicht sehen, wenn man 
das Gewebe herausgeschnitten hat. — Die Meinung Czaje wicz’s scheint mir 
aber in der Fassung, dass die ursprünglichen Fettzellen ebenso gut wie die 
andern Bindegewebszellen bei der Wiedermästung Fett aufnehmen können, 
völlig richtig zu sein. Ich habe bei Kaninchen6 meiner Versuchsreihe, wo 
dem Hunger 1!/,tägige Mast folgte, sehr viele serös-atrophische Fettzellen 
gefunden, in denen nicht wie bei der Atrophie ein oder wenige Neben- 
tropfen, sondern viele waren und diese wie der Haupttropfen kaum gelb- 
lich; ich habe andre runde seröse Zellen ohne Haupttropfen, nur mit vielen 
kleinen Tropfen gefunden; ich glaube durchaus, dass diese Tröpfchen wieder an- 
gesammeltes Fett waren. Um so mehr, als man in manchen andern Läppchen 
Zustände fand, ganz ähnlich wie die der Fettzellenneubildung; mit Sicher- 
heit ist hier freilich nicht zu entscheiden, da die letzteren Zustände so gut 
normaler Atrophie, wie der Neubildung entsprechen konnten (vergl. unten Ka- 
ninchen 6). 


350 Dr. W. Flemming: 


Ueber die ganze Frage würde sich etwas bestimmter urtheilen 
lassen nach der Untersuchung von Thieren, die langsam atrophirt und 
sehr lange, bis zum völligen Schwunde alles Fettes in solchem Zustand 
erhalten sind (vergl. pag. 356 Anm.). Man würde dann auch sehen 
können, was schliesslich aus dem Gefässnetz des Fettläppchens wird, 
ob dasselbe stets in seiner Form persistirt. Bis mir Resultate sol- 
cher langwieriger Versuche vorliegen, will ich hier in kurzer Wie- 
derholung das zusammenstellen, was dafür sprechen kam 
(— ich sage absichtlich nicht, was beweisen kann —), dass der 
normale und regelrechte Rückgangsmodus der Fettzelle die Rück- 
bildung zur fixen Bindegewebszelle ist. 

Einmal sind beim raschen Schwunde junger Fettzellen und beim 
langsamen Schwunde alter Uebergangsformen von der Ersteren zur 
Letzteren zu beobachten. 

Ferner findet man in Fettläppchen (welche durch die Form 
ihres Gefässnetzes als solche charakterisirt sind), bei späteren Sta- 
dien der Atrophie keine anderen, ihrer Menge nach in Betracht 
kommenden Zellen, als fixe Bindegewebszellen. 

Weiter, bei rapidem Schwund nähert sich das Protoplasma von 
einfach atrophischen und von wuchernden Fettzellen, innerhalb der 
noch erhaltenen Membran, oft bis zum Verwechseln wieder der Form 
einer fixen Bindegewebszelle. 

Weiter, bei nicht allzu rapider atrophischer Wucherung von 
Fettzellen nehmen die Producte dieser Wucherung die ausge- 
sprochenen Formen fixer Bindegewebszellen an (pag. 333). 

Endlich, und dies ist nach meinem Dafürhalten der wesent- 
lichste Punct, die Entstehung von Fettzellen aus fixen Bindege- 
webszellen ist nachgewiesen und zwar, wie ich annehmen muss, als 
der wesentliche und normale Bildungsweg der Fettzelle. 

Ich habe schliesslich noch mit einigen Worten bei einer Frage 
zu verweilen die sich aufwirft, man mag nach dem Vorigen der 
einen oder der andern Ansicht über die Rückbildung zuneigen. 
Wo bleibt in den Fällen rascher, seröser wie wuchernder Atrophie, 
die Membran der Fettzelle? Wir sahen sie in den Anfangs- 
stadien dieser Zustände als getrennte, abgesetzte Kapsel die Zellen- 
theile umschliessen. Es ist keine Frage, dass sie in späteren Sta- 
dien nicht mehr da ist: geht sie unter, oder wird sie mit dem Proto- 
plasma der Fettzelle zurückgebildet? Ich habe früher (a. a. O.) 
beide Möglichkeiten neben einander offen gelassen, und muss dies 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle, 351 


auch jetzt noch. Für die erstere, den Untergang, verweise ich ein- 
mal auf das dort Gesagte; dann auf die Bilder, wie sie z. B. an 
der Zelle # in Fig. 5 wiedergegeben sind, und wie man sie bei rapi- 
der Atrophie — bei jungen Kaninchen schon nach 3—4 Tagen — 
in so ausserordentlicher Zahl trifft. Das Protoplasma der Zelle liegt 
frei im Innern oder wird nur durch zarte Brücken mit der Mem- 
bran verbunden, welche noch im alten Umfang und in alter Run- 
dung, aber oft auch als äusserst zarter, selbst mit starken Linsen 
kaum wahrzunehmender Contour sich herumspannt. Der Binnen- 
raum muss wohl entschieden als flüssigkeitshaltig gelten. Da ich 
früher andere Bilder beschrieben habe, wo an der Stelle der Hülle 
in solchen. Fällen nur ein Kreis von Körnchen wahrzunehmen war, 
so liegt die Annahme nahe, dass unter Umständen die Verbindung 
zwischen ihr und dem Protoplasma nicht wieder hergestellt wird, 
dass sie zerfällt. Andere Bilder weisen darauf, dass in andern 
Fällen eine solche Wiedereinbeziehung stattfinden kann. Dahin 
gehören die vielfach vorkommenden kleineren serös-atrophischen 
Zellen, wie n und n in Fig. 5, wo die Membran um das Proto- 
nlasma wieder enger zusammengelegt erscheint, und wo ihr Contour 
öfter (Fig. 5 «) an einer Stelle völlig frei verschwimmt, während 
er dort, wo das Protoplasma anliegt, gar nicht von diesem zu tren- 
nen ist. Dass bei langsamer Atrophie die Membran überhaupt von 
dem Fett und Protoplasma sich nicht immer abhebt, sondern ihnen 
bei ihrem Rückgange eng umschliessend nachfolgt, ist schon er- 
wähnt. 

Diejenige Beobachtung dagegen, welche ich am früheren Orte 
dafür geltend machte, dass die Hülle bereits anfänglich als solche 
untergehen und der Zellenleib nach dem Schwunde des Fettes als 
rundliche, festweiche Masse zurückbleiben kann (l. e. p. 69, Fig. 32), 
will ich hier unverwerthet lassen: denn sie betraf einen patholo- 
gischen Fall und ist mir, wie ich hier betonen will, bei normalem 
Fettschwund noch nicht wieder vorgekommen. 

Aber was ist überhaupt die Membran der Fettzelle? Ist sie 
noch Protoplasma, oder etwas Anderes? Wer sich viel mit atrophi- 
schen Fettzellen beschäftigt hat, dem muss sich diese Frage schliess- 
lich aufdrängen. An jungen Zellen ist diese Membran nicht da: 
an serös-atrophischen kann sie von dem Protoplasma so losgetrennt 
erscheinen, dabei so verschieden von ihm in ihrem Verhalten gegen 
das Carmin, welches sie völlig ungefärbt lässt, während es das Proto- 


352 Dr. W. Flemming: 


plasma intensiv röthet — dass ich mich des Glaubens nicht er- 
wehren kann, sie sei gar kein integrirender Theil dieses Proto- 
plasma mehr, sondern ein secundäres, sei es als Abscheidung, sei es 
durch Umwandlung von dem Zellenleib geschaffnes Product, ver- 
gleichsweise wie die Cuticula einer Epithelzelle. Selbst bei alten, 
ganz vollen Fettzellen zeigt eine genaue Beobachtung mittelst unse- 
rer Methoden Dinge, welche nur in diesem Gedanken bestärken 
können. Man kann an diesen häufig wahrnehmen (Fig. 12), wie um 
den Fetttropfen, und um die Contoure des Protoplasma her, welche 
neben diesem noch scharf abzugrenzen sind, weitere zartstreifige 
Contoure ringsherum ziehen, an welchen aber von der Färbung, die 
das Protoplasma zeigt, keine Spur zu bemerken ist. Also hier viel- 
leicht einmal eine „Membran“ im wahren Sinne des Worts. Dass 
sich die Fettzelle eine solche secundäre, vielleicht gar nicht aus 
Eiweisskörpern bestehende Kapsel macht, während andere Zellen im 
Bindegewebe es nicht thun, lässt sich wohl denken, wenn man be- 
rücksichtigt, dass jene durch ihren Fettinhalt auch in ganz eigen- 
thümliche Lebensbedingungen gekommen ist. Aber auch diese Er- 
wägung scheint kaum nöthig: fassen wir doch mit gutem Grund die 
Zwischensubstanz des Bindegewebes, formlose wie fibrilläre, als Pro- 
duct der fixen Zellen auf, und ich würde kein Hinderniss sehen, die 
Hülle der Fettzelle mit unter die Kategorie dieser Substanzen zu 
setzen. DBegreiflich würde es aber auch sein, dass eine solche 
accessorische Hülle bei der Atrophie zu Grunde gehen kann, während 
das Protoplasma der Zelle lebendig und zu weiterer Leistung fähig 
bleibt. 

Im Anschluss stelle ich zum Anhalt für die obige Schilderung, 
kurz die Geschichte der hier in Betracht kommenden Versuche zu- 
sammen, nur diejenigen berücksichtigend bei denen der Ernährungs- 
zustand der Thiere mit der möglichen Sicherheit controlirt war. 
Die Refunde sind das Resum& aus dem, was ich an den möglichst 
vielen Präparaten, die von je einem Thier gefertigt wurden, über- 
einstimmend fand. Ich habe von allen Thieren das Inguinal- und 
Rückenfett, von den meisten auch das Achsel- und Nierenfett und 
das Mesenterium untersucht ; sämmtliche Fettlager eines Thiers voll- 
ständig durchzusuchen, würde natürlich eine unendliche Arbeit sein. 

Die seröse Atrophie soll dabei mit S. A., die Wucher-Atrophie 
mit W. A., der Zustand den ich als einfache oder normale Atro- 
phie bezeichnete, mit N. A. benannt werden, der Zustand wo gar 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle, 353 


keine seröse oder wuchernde Fettzellen vorhanden waren, mit 
Schluss-Atrophie bezeichnet werden. 


Frühere Befunde. 


Hund 1. Jung, nach guter Fütterung vierzehn Tage auf 
sehr knappe Diät gesetzt, dann zwei Tage gemästet. 

Fettzellen meist normal gefüllt, in sehr einzelnen Läppchen 
geringe Grade von S. A.; in ziemlich vielen W. A. und zwar theil- 
weis mit Umbildung zu fixen Zellen. 

Alte Ratte 2. Nach dreitägiger Gefangenschaft ohne zu 
fressen gestorben; am zweiten Tage war eine Gallengangsunterbin- 
dung gemacht. 

Starke S. A., starke W. A. n 


Weitere Versuche. 


Kaninchen 3. Zwei bis drei Monate alt, vorher (wie alle, 
wo nicht das Gegentheil bemerkt ist), gut gefüttert. Bekam vier 
Tage starke Hungerkur (täglich 1—2 Gramme feuchte Kartoffel- 
schalen). 

Ueberall starke S. A., daneben starke S. A., daneben starke 
und vielfacheW. A. An einzelnen Läppchen schon Schluss- Atrophie. 

Aelteres Meerschwein 4. Vierzehn Tage lang täglich 
5—2 Gramme, anfangs mehr, später weniger feuchte Kartoffel- 
schalen; bei der Tödtung schon ganz entkräftet. 

Wie Kaninchen 3. 

Kaninchen. Drei bis vier Monate alt. Vier Tage mässige 
Hungerkur (täglich eirca 1 Gramm Kohl und Kartoffelschale, zu- 
erst etwas mehr, später weniger). 

Viele Läppchen normal, in vielen mässige S. A., in einzelnen 
finden sich Zellen mit W. A., besonders Anfangsstadien derselben, 
vielfach mit Umbildung zu fixen Zellen. 

Kaninchen 6. Vom gleichen Wurf mit fünf. Zehn Tage lang 
dieselbe Cur wie 5, dann 1'/; Tag stark gefüttert. 

In vielen Läppchen kaum ausgesprochene, in vielen mittlere 
und stärkere Grade von S. A., in zahlreichen davon eingestreut 
Zellen mit verschiedenen, doch nicht den stärksten (wie z. B. bei 
Nr. 3 und Nr. 4) Graden von W.A., dann einzelne mit Umbildung 
zu fixen Zellen. — An manchen, jungen Läppchen Formen von 
Fettfüllung, wie bei der Fettzellenentwicklung (Uebergänge von 


354 Dr. W. Flemming: 


Form der fixen Zelle zur Fettzelle) ; hier nicht zu entscheiden, ob 
diese einfacher normaler Atrophie, oder dem Wiederansatz durch 
die nachfolgende Fütterung entsprechen. Andere Läppchen in 
Schluss-Atrophie mit völlig fettlosen Zellen (wenn man nicht anneh- 
men soll, dass dies in Zeit von 11/; Tagen neugebildete Gefässnetze 
sind. Nicht wahrscheinlich, weil ganz gleiche bei Nr. 3 und 8, die 
durchweg gehungert hatten). 

Aelteres Meerschwein 7. 21/; Tage lang ‘behandelt wie 
Kaninchen 3. Grösster Theil der Läppchen normal, an einzelnen 
geringe S. A., sehr vereinzelte W. A. 

Also noch sehr wenig Reaction. 

Kaninchen 8. Altes Thier, schon lange schlecht gefüttert 
und, wie ein vorheriger Probeschnitt in eine Inguinalfalte am leben- 
den Thier, und Durchsuchen des Gewebes zeigte, wenig Fett mehr 
besitzend. Dann circa neun Tage Hungerkur (pro Tag etwa Ya 
Grm. Kartoffelschale, allmählich weniger). 

In den Läppchen, soweit sie noch fetthaltig, z. Th. mässige 
S. A., zwischendurch einzelne Formen der W. A.; andere Läppchen 
und Stellen derselben Läppchen in Schluss-Atrophie, hie und da 
überleitende Rückgangsformen der N. A. 

Kaninchen 9. Neugeboren, 1'/; Tage ohne Nahrung, ver- 
hungert. 

Directe Rückgangsformen (N. A.) nur einzelne Zellen mehr- 
kernig '). 
Kaninchen 10. Zwei bis drei Monate alt. War offenbar 
krank und hatte schon die Woche vorher nicht fressen wollen. 
Hungerkur wie Nr. 3; nach zwei Tagen gestorben. 


1) Diese Formen der einfachen Atrophie, wie ich sie bei Neugebornen 
stets fand, können den Bildern der Fettzellenentwickelang sehr ähnlich sein 
und leicht zu Irrungen führen (worauf ich schon früher aufmerksam machte): 
denn man trifft wie oben gesagt ja hier rückgängige Uebergangsformen von 
der Fettzelle zur fixen Bindegewebszelle. Der einzige Unterschied, der sich 
zwischen beiden Vorgängen bei Neugebornen herausstellt, ist dieser; beim 
Schwund finden sich zahlreiche grössere runde, durch und durch körnige 
Zellen, welche nur einen oder mehrere kleine Fetttropfen beherbergen. Bei 
der Entwicklung kommen solche Formen nicht vor; wo hier eine runde 
fetthaltige Zelle von solcher Grösse sich findet, da ich sie immer auch mit 
einem grösseren, oder vielen kleinen Fetttropfen ganz ausgestopft; die Zellen 
von geringerm Fettgehalt sind auch alle kleiner und zeigen fast alle 
(s. a. a. O.) die Formen fixer Bindegewebszellen. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 355 


Wo noch Fett ist, mässige S. A., keine W. A. beobachtet, nur 
hie und da mehrkernige Zellen. Vielfach Schluss-Atrophie, stellen- 
weis mit Fettkörnchen in den Zellen (Fig. 11). 

Dies war also der einzige Fall bisher wo bei einem älteren 
Thier (gegenüber dem Neugebornen gesprochen) keine W. A. zur 
Beobachtung kam. — Die beobachtete Schluss-Atrophie beziehe ich 
jedenfalls eher auf die vorgängige Krankheit, als auf den nur zwei- 
tägigen Hunger. 

AelteresMeerschwein ll. Ueber einen Monat lang in 
der Winterkälte ohne Stroh gehalten und dabei schlecht gefüttert 
(einige Gramme Kohl und Rüben pro Tag) um langsamen Schwund 
zu erzielen. Dann sechs Tage gemästet. 

Keine Formen von W. A., in manchen Läppchen die Fettzellen 
nicht ganz voll, an einigen Stellen die als N. A. beschriebenen Zu- 
stände.. An vielen Läppchen (jungen wie alten, d. h. hier wie 
immer: grosszelligen wie kleinzelligen, vergl. oben) Neubil- 
dung von Fettzellen wie gewöhnlich; und zwar fixe Bindegewebs- 
zellen mit weissem Fett, davon Uebergangsformen zu vollen Fett- 
zellen: daneben fixe Bindegewebszellen mit gelbem Fett, von diesen 
aus keine solche Uebergangsformen. 

Manche andere Thiere, besonders marantische, die ich unter- 
suchte und bei denen die Befunde sich den bezüglichen Stadien der 
hier geschilderten Vorgänge entsprechend zeigten, führe ich nicht 
mit auf, weil ich keine genauere Daten geben kann. 

Ueber die Zeitdauer, in welcher die verschiedenen Vorgänge 
bei der Atrophie ablaufen, lassen sich aus dieser Versuchsreihe noch 
sehr wenig sichere Schlüsse machen. Dass seröse Atrophie der 
Fettzellen schon durch wenige Tage Hungers eingeleitet werden 
kann, ist schon von Czajewicz mitgetheilt; dass dieselbe bei 
stärkerem Hunger bei jungen Kaninchen schon in vier Tagen zu ganz 
fettleeren Zellen, ja zu Schluss-Atrophie führen kann, folgt aus Ver- 
such Nr. 3; aus Versuch 7, dass es bei älteren Meerschweinen da- 
zu längerer Zeit bedarf. Ferner folgt daraus und aus Nro. 5 und 3, 
dass die Wucher-Atrophie in einzelnen Zellen schon in den ersten 
Tagen des Schwundes beginnen und binnen dieser Zeit zu fortge- 
schrittenen Stadien wie Fig. 2, 3, 1 b vorgehen kann: aber es ist 
auch sehr möglich, dass dazu noch viel weniger Zeit nöthig ist, denn 
wir wissen ja nicht, ob die Kernvermehrung der Zelle gleich mit 


dem Eintritt des Hungers, oder erst später ihren Anfang genommen 
M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 7. 24 


356 Dr. W. Flemming: 


hat. Jedenfalls sollte sich durch Hungerversuche mit Tödtung in 
den frühsten Stadien, sowie durch Entzündungsversuche allmählich 
bestimmen lassen, wie lange eine Fettzelle braucht, um ihren Kern 
zu verdoppeln. 

Dass ich schliesslich die hier mitgetheilten Versuche nicht als 
abgeschlossen ansehe, und dass ich mir wohl bewusst bin nichts 
Definitives zu geben, brauche ich dem Leser wohl nicht zu sagen ; 
er mag sich durch die vielfache Wahrscheinlichkeitsrechnung, die 
zahlreichen „wenn“ und „vielleicht“, die ich anwenden, und die ver- 
schiedenen Möglichkeiten, die ich offen lassen musste, oft nicht be- 
sonders interessirt gefühlt haben. Er wird mir aber wohl auch darin 
Recht geben, dass bei dem noch so kindlichen Zustand der Zellen- 
physiologie hier der vorsichtigste Weg der beste und derjenige ist, 
auf dem Irrthümer und unnütze Arbeit am Besten vermieden werden !), 


1) Anhangsweis mag hier noch das Resultat einer nachträglich ange- 
stellten, länger währenden Nahrungsentziehung mitgetheilt sein; es ist be- 
sonders mit Hinblick auf das pag. 361 Gesagte von Interesse, denn es plai- 
dirt noch mehr, wie irgend einer der vorigen Versuche, für die Rückbildung 
der Fettzellen zu fixen Bindegewebszellen. 

Kaninchen Nr. 12, älteres trächtiges Weibchen, vorher mässig gut ge- 
nährt. Von Ende April an täglich 35—25 Grms. Kartoffelschale. Warf 8 Tage 
nach Beginn der Hungerkur mehrere todte Junge, zeigte sich in den fol- 
genden 6 Wochen anscheinend ganz munter, wurde dann allmählich hinfälli- 
ger und starb am 3. Juni. 

In den Inguinal- und Achselfalten wie am Mesenterium wurden keine 
volle oder annähernd volle Fettzellen mehr gefunden, ebensowenig serös- 
atrophische (d. h. also nach d. O., noch membranhaltige). In den Gefäss- 
netzen der Fettläppchen finden sich aber in Menge Zellen, welche wohl mit 
Sicherheit als regressive Fettzellen anzusprechen sind, denn sie enthalten 
zahlreiche kleinste und kleine und viele von ihnen auch mittelgrosse Tropfen 
gelblichweissen Fettes, — was der grösste Theil der Bindegewebszellen in 
den Fettläppchen nicht thut — und ihre Zahl und Vertheilung in den Maschen 
entspricht auch ganz der der früheren Fettzellen. Einzelne dieser fetthalti- 
gen Zellen haben mehr gerundete, walzige oder spindelige Formen, die Haupt- 
menge aber zeigt in der Form — Abplattung, Zackung, Ausläufer und 
gegenseitige Anastomosen dieser Ausläufer — alle möglichen 
Uebergänge zu den nebenliegenden fixen Bindegewebszellen ; die meisten der 
fetthaltigen Zellen sind grösser als die letzteren, aber auch in der Grösse 
finden sich massenweis Uebergangsformen. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 357 


IN. Erörterungen über „Fettgewebe.“ 


Eine andere Ansicht wie die von mir vertretene hat inzwischen 
in einer Arbeit Toldt’s Ausdruck gefunden. Die letztere, offenbar 
gleichzeitig mit der meinigen entstanden, ist so kurz nach meiner 
vorläufigen Mittheilung publieirt !), dass in ihr auf die letztere kein 
Bezug mehr genommen ist. Bei dieser Unabhängigkeit und Gleich- 
zeitigkeit der beiderseitigen Forschungen konnte es mir um so er- 
freulicher sein, dass in vielen Puncten von Bedeutung Toldt’s Be- 
obachtungen und die meinen sehr gut zusammenstimmen: so z. B. 
in den Angaben über die Abhängigkeit der Fettzellenanlage von den 
Blutgefässen (Toldt p. 7, in meiner Arbeit p. 48 ff.), über die 
Membranlosigkeit der jungen Fettzelle (p. 12 bis p. 62), über das 
gleichzeitig verschiedene Verhalten verschiedener Fettläppchen (Toldt 
für‘ Atrophie p. 20, ich für Entwicklung p. 51 u. a.) und über die 


Besonders bemerkenswerth ist ferner, dass eine grosse Zahl dieser atro- 
phischen Fettzellen, an manchen Präparaten über ein Drittel der vorhande- 
nen, mehrere Kerne, meistens zwei, einzelne aber auch drei und mehr be- 
sitzt. Die Kerne mancher der einkernigen Fettzellen sind aussergewöhnlich 
gross, oft bis 0,0136mm. Länge und 0,0112 mm. Breite, dabei mit zwei bis 
mehreren Kernkörpern. Die Kerne der mehrkernigen Fettzellen dagegen sind 
stets viel kleiner, oft um mehr als die Hälfte. — Formen von starker Wucher- 
Atrophie, wie sie in Abschnitt 1 geschildert wurde (wo also eine Fettzelle 
eine grosse Menge endogener Zellen producirt), sind hier nirgends zu finden: 
entweder ist das Stadium derselben hier schon vorüber, oder es kommt bei 
so allmählichem Schwund wie hier überhaupt nicht zu solchen Formen des 
Vorgangs, sondern nur zu der eben beschriebenen bescheidenen Kernver- 
mehrung — resp. vielleicht Zellenneubildung. 

Denn es finden sich ausserdem in auffallend grosser Zahl in den atro- 
phischen Fettläppchen kleine rundliche freie Zellen, die man vielleicht als 
solche Producte der Fettzellen ansehen kann; jedenfalls dagegen nicht als 
direete Rückgangsproducte von Fettzellen, denn sie sind fettlos, und in der 
Grösse bieten sich keinerlei Uebergangsformen zwischen ihnen und den fett- 
haltigen Zellen. (Im Juni 1871.) 

1) Toldt’s „Beiträge zur Histol. und Physiol. des Fettgewebes‘‘ 
(Sitzungsber. d. Wien. Acad. d. Wissensch. Bd. 62, Abth. II. Juliheft 1870) 
wurden vorgel. am 21. Juli 1870; meine vorl. Mitth. erschien im Oentralbl. 
f. d. med. Wissensch. vom 16. Juli 1870; meine Arbeit im Arch. f. mikr. 
Anat., gleichzeitig mit letzterer abgeschickt, erst im Herbst des letzten 
Jahres. 


358 Dr. W. Flemming: 


Fortexistenz des Protoplasma in der Fettzelle (p. 13 bis p. 68), für 
welche ich unten noch einen Beleg bringen werde, u. a. m. Diese 
Uebereinstimmungen gewähren einen Trost dafür, dass wir in unsern 
Schlüssen um so weniger harmoniren. Wenn Toldt an die Spitze 
seiner Arbeit den Satz stellt: 

„Das Fettgewebe ist ein Organ eigner Art und darf weder 
nach seiner Entwicklung, noch nach seinem histologischen Verhal- 
ten, noch nach seiner Function zum Bindegewebe gerechnet werden‘, 
so muss ich dem letzteren Theil dieses Satzes durchaus ent- 
gegentreten und habe das im Voraus schon in jener meiner Arbeit 
sethan. Ich wiederhole es hier, weil eben diese Ansicht Toldt’s in 
neuster Zeit von anderer Seite eine Fürsprache gefunden hat, welche 
ich, ohne mich Missverständnissen auszusetzen, nicht unerwidert 
lassen kann. 

Rollet hat in seinem geistvollen Versuch zu einer neuen Ein- 
theilung der Gewebe!) das „Fettgewebe“ mit Toldt vom Bindege- 
webe separirt und hält somit die Entstehung desselben aus den 
Elementen des Bindegewebes nicht für die physiologische Norm ; 
sondern scheint als solche noch immer die Bildung der Fettzellen 
aus kleinen, runden Zellen — jungen Zellen, Keimzellen R. — an- 
zunehmen, obschon er hierfür keinen neuen Beleg bringt. Rollet 
erachtet es dabei allerdings für „durch W. Flemming nachge- 
wiesen, dass die Fettzelle nicht immer aus kleinen rundlichen Zellen 
sich entwickelt, sondern dass auch vorerst grösser und in Bezug 
auf Vielgestaltigkeit den Zellen des Bindegewebes ähnlich gewordene 
Zellen sich in Fettzellen umwandeln“ (l. c. p. 137). Diese Dar- 
stellung meiner Resultate kann ich jedoch nicht unterschreiben, 
weil sich aus dieser Fassung leicht gerade das Gegentheil von dem 
herausdeuten liesse, was ich sagte: ich habe vielmehr zunächst die 
Entstehung aus jenen vielgestaltigen Zellen als die Regel, und die 
aus kleinen runden als die Ausnahme hingestellt. Und wenn 
Rollet weiter sagt: r 

„Ganz abgesehen von der Grösse und Gestalt der Zellen, 
welche in Fettzellen übergehen, kommen jene Zellen dort, wo wahre 
Fettläppchen sich entwickeln, besonders angehäuft vor. Ist nun die 
Neubildung der in der Anlage für das Fettläppchen gesammelten 


1) Ueber Elementartheile der Gewebe und deren Unterscheidung. Arbeit 
des physiolog. Inst. zu Gratz. 1871. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 359 


vielgestaltigen Bildungszellen immer von einer oder einer beschränk- 
ten Anzahl von Bindegewebszellen ausgegangen, oder wie es mir 
wahrscheinlich erschien, aus eingewanderten amöboiden Zellen ent- 
standen? Darüber müsste, um über die Histogenese des Fettgewebes 
ins Klare zu kommen, erst noch endgültig entschieden werden“, 
so hatte grade die Entscheidung dieser Frage meine wesentliche 
Arbeit gebildet, ich war an sie gegangen in derselben Voraus- 
setzung wie Rollet, und habe sie entscheiden müssen im ent- 
gegengesetztenSinn. Wenn also Rollet dem Wortlaute meiner 
Arbeit Aufmerksamkeit geschenkt hat, so muss ich annehmen, dass 
er meine Gründe nicht beweisend fand, und möchte dieselben also 
hier nochmals vertreten. 

Ich habe gesagt und demonstrirt, dass die Fettzelle im er- 
wachsenen gemästeten Thier, wie im Embryo und Säugling, in 
den constanten Fettlagern der Inguinalfalte und des Rückens (also 
gerade speciellen „Fettorganen“ nach Toldt) vorwiegend entsteht 
— nicht etwa aus Zellen, „welche in Bezug auf Vielgestaltigkeit 
den Zellen des Bindegewebes ähnlich geworden sind“, wie 
Rollet es ausdrückt, sondern aus Zellen, welche in all ihren 
histiologischen Charakteren den fixen Zellen des Bindegewebes 
gleich sind, welche vielfach demonstrirbar mit zweifellosen, 
fettlosen fixen Bindegewebszellen anastomosiren, und 
welche ich deshalb wohl ein Recht hatte fixe Bindegewebszellen 
zu nennen (vergl. a. a. 0. p. 58, 59, 62, 72—74, Fig. 14—17 u. a.). 

Rollet’s Ansicht von der massenhaften Zellenneubildung an 
den Fettanlagen, und von der Entstehung der Fettzellen aus kleinen 
runden Elementen scheint wesentlich auf seine Beobachtungen am 
Mesenterium begründet zu sein, das ich, aus eben dem Grunde, 
schon a. a. ©. einer besondern genaueren Besprechung unterwarf 
(p- 63). Hier ist in der That, wie dort beschrieben, die Masse von 
Theilungsformen und von jenen kleinen runden Zellen so gross, und 
das Auftreten von Fett in Letzteren so häufig zu beobachten, dass 
das Object sehr für Rollet’s Ansicht spricht. Bedenkt man aber, 
einen wie geringen Bruchtheil das Mesenterialfett gegenüber der 
Masse des sonstigen Körperfetfes ausmacht, und ferner, dass jenes 
unter andern Bedingungen wächst und lebt wie dieses, so wird man 
nicht ohne Weiteres die Beobachtung an jenem auf dieses über- 
tragen. Ein Gewebe kann doch erscheinen unter verschiedenen 
Formen. Der Fettkörper der Amphibien ist gewissermassen ein 


360 Dr. W. Flemming: 


eigen modificirtes Stück Mesenterium ; er erscheint auf den ersten 
Blick morphologisch wie histiologisch so verschieden von dem Sub- 
cutanfett eines Säugers, wie etwa ein Ligamentum nuchae des 
Letzteren von dem Intermusculargewebe eines Frosches, die wir 
beide als Bindesubstanzen betrachten. Wenn man also den Fett- 
körper oder das Mesenterium allen zum Schema nehmen wollte, 
so würde man eine pars pro toto gewinnen, die leicht auf Irrungen 
führen kann. Ich habe deshalb, und auch weil die Beobachtung 
am Mesenterium (l. c.) vielfach unsicher ist, mich zugleich und 
hauptsächlich an das Subeutanfett und Nierenfett gehalten und hier 
eben klar ausgesprochen den Entwicklungsmodus aus fixen Binde- 
gewebszellen gefunden, von dem ich vorher sprach. Dass dieser Ent- 
wicklungsmodus vorkommen kann, war längst bekannt; dass er 
die Regel ist, habe ich zuerst ausgesprochen, seit man überhaupt 
die wahren Formen jener Zellen kennt. Für die Begründung verweise 
ich auf meine oben citirten Angaben und Figuren, und möchte einen 
Einspruch dagegen nicht für wohlbegründet halten, ehe man nicht 
wenigstens versucht hat, diese Resultate mit meinen Methoden zu 
controliren, ohne welche meines Erachtens eine sichere Entscheidung 
kaum möglich ist. 

Die Häufigkeit kleiner rundlicher Zellen, die ich nach v. Reck- 
linghausen’s und Ranvier’s Vorgang als freie oder Wander- 
zellen bezeichnete, an den Fettanlagen auch des lockeren Bindege- 
webes habe ich schon a. a. O. constatirt; ebenso das Vorkommen 
von mehrkernigen, wahrscheinlich also Theilungsformen sowohl 
dieser, als der fixen Zellen, Theilungsformen, welche übrigens an 
diesen Orten keineswegs so massenhaft sind wie im Mesenterium 
und wie Rollet es überhaupt anzunehmen scheint. Natürlich ist 
es schwer zu entscheiden, in wie weit diese rundlichen Zellen aus- 
gewanderte farblose Blutkörperchen oder Lymphzellen, in wie weit 
sie Producte localer Neubildung "sind. Dass ihre Anwesenheit 
wenigstens zum Theil auf Rechnung des Ersteren kommt, glaubte 
ich deshalb annehmen zu können weil ich in manchen derselben die 
in die Jugularis gebrachten Farbstoffe fand. Ich habe aber, und da- 
rauf kommt es hier wesentlich an,®*auch constatirt, dass ich in 
solchen kleinen rundlichen Zellen. bei weitem nicht so häufig und 
regelmässig, wie in fixen Bindegewebszellen, Fetteinlagerung fand — 
natürlich kann es hier für eine Entscheidung nur auf die Anfangs- 
stadien der Fettfüllung ankommen, denn wenn Zellen schon stärker, 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 361 


mit mittelgrossen Tropfen gefüllt sind, erscheinen sie, wie dort be- 
schrieben, alle mehr ausgerundet. Ich habe ferner gesagt, dass ich 
bei Farbstofffütterungen die eingebrachten Pigmente nicht in jungen 
oder alten fetthaltigen Zellen wiederfand, und endlich, dass ich 
junge Fettzellen nie zum Kriechen gebracht habe. Alles das fällt 
ins Gewicht gegen die Annahme, dass die Fettzellen direct aus ein- 
wandernden amöboiden Zellen entstehen; ebenso gegen die Annahme, 
dass sie sich der physiologischen Regel nach direct aus jungen Zellen 
bilden, welche an Ort und Stelle durch Proliferation entstanden sind: 
— gegen eine Entstehung also aus den „Keimzellen‘“, welche Rol- 
let als besondere Gewebsgruppe autstellt, dagegen für eine Ent- 
stehung aus fixen Bindegewebszellen. Für die Annahme Rollet’s 
bliebe in diesem Fall nur der Weg, dass die eingewanderten resp. 
neugebildeten Zellen alsbald zu den Formen fixer Bindegewebszellen 
auswachsen, resp. auch mit einander oder mit dort schon liegenden 
in Anastomose treten — nach Rollet ‚den Bindegewebszellen ähn- 
lich werden‘‘ könnten. — Ich bin weit entfernt diese Möglichkeit zu 
bestreiten. Wir wissen zwar nicht, wie lange das Leben einer fixen 
Bindegewebszelle währt, und wie rasch oder ob überhaupt ein phy- 
siologischer Ersatz derselben erfolgt; möglich ist eine solche fort- 
gehende Neubildung gewiss, Golubew') u. A. haben Belege dafür 
gebracht, dass diese dann auf Rechnung der farblosen Blutzellen zu 
setzen ist, und ich würde mich mit dieser Annahme um so lieber 
befreunden, da Vieles darauf hinweist, dass die Elemente des Blutes 
und Gefässsystems mit denen der Bindesubstanzen in besonders enger 
Gewebsverwandtschaft stehen. Ich selbst habe oben Beobachtungen 
mitgetheilt, welche eine Entstehung fixer Bindegewebszellen aus 
rundlichen kleinen Zellen beweisen — freilich waren die letzteren 
Zellen, welche nachweislich durch die Proliferation einer Fett- 
zelle entstanden sind. 
Aber man darf fragen wo da die Schärfe der Eintheilung 
bleibt, wenn das Gewebe der Keimzellen Rollet’s zunächst in das 
Gewebe der Bindesubstanz, und durch dieses in das Fettgewebe 
überzugehen vermag. Dann fällt jedenfalls auch jede Schranke zwischen 
den beiden Letzteren und man hat ein Recht zu sagen, was ich 
eben gesagt habe: das Fettgewebe ist eine physiologische Form des 
Bindegewebes. 


1) Dieses Arch. Bd. V, p. 75, vergl. die Citate bei Rollet l.c. p. 132. 


362 Dr. W. Flemming: 


Oder man müsste schon annehmen wollen, dass die Keimzellen, 
oder etwa die von Anfang an zur Fettaufnahme prädestinirten „Fett- 
gewebszellen‘‘, vielleicht auf Grund zweckmässiger Aupassung an 
die bestehenden Verhältnisse im Bindegewebe die allgemeine Uni- 
form der Bindegewebszellen angenommen hätten, unter dieser bis 
aufs Haar täuschenden Maske aber im Stillen fortführen, als aus- 
erwählte Elemente der künftigen Proliferation und Fettfüllung zu 
warten. Solche Annahme würde sich freilich weder beweisen noch 
entkräften lassen. Zunächst müssen wir uns, scheint mir, doch 
halten an das was wir sehen: wir dürfen nicht „absehen von der 
Form“, welche, so lange die Entwicklungsgeschichte uns im Stich 
lässt, doch unser wesentlichstes Merkzeichen bildet. Und wenn nun 
eine Zelle im Bindegewebe ganz so aussieht, wie die fixen Binde- 
gewebszellen, und obendrein noch mit solchen anastomosirt, so hat 
man wohl volles Recht zu sagen: sie ist eine fixe Bindegewebszelle. 
Oder soll uns deren der Umstand hindern, dass diese Zelle später 
das Schicksal hat Fett aufzunehmen? Will man das physiologische 
Eintheilungsprincip so weit treiben, so scheint mir die nächste Con- 
sequenz davon zu sein, dass man neben dem Fettgewebe auch ein 
Pigmentgewebe creiren müsste. Denn die Aufnahme oder Bil- 
dung von Farbstoff durch Zellen ist doch ein physiologischer Act, 
und spielt, namentlich in dem hohen Maass, in dem er bei Kalt- 
blutern und Wirbellosen vorkommt, in der Gesammtphysiologie des 
Körpers gewiss eine sehr wesentliche Rolle mit, Wenn nun die einen 
fixen Zellen des Bindegewebes diesen Act begehen, die anderen 
nicht, so haben die ersteren damit ebenso viel oder so wenig Recht 
ein Gewebe zu heissen, wie die Fettzellen: denn von den Pigment- 
zellen der Aderhaut, oder den Kränzen solcher Zellen, welche die 
(Grefässe des Frosches umflechten, könnte man mit dem besten Grund 
sagen, was Rollet (p. 138) von den Fettläppchen: „sind sie ein- 
gebildet, so liegen sie, ganz abgesehen von ihrer Provenienz (!), als 
ein Gewebe von ganz bestimmten Eigenschaften vor.“ 

Ich würde es sehr bedauern, wenn man aus alledem den Ein- 
druck schöpfen wollte, als machte ich überhaupt Opposition gegen 
die Anwendung physiologischer Gedanken in der Gewebelehre, wie 
sie Rollet empfiehlt; als hätte ich einen principiellen Einspruch. 
dagegen, dass wir uns, wie er sagt: „von der physiologischen Em- 
pirie leiten lassen müssen.“ Ich meine lediglich, dass die „Prove- 
nienz“ der Gewebe ja doch auch mit zu ihrer Physiologie gehört; 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 363 


und dass also, wo wir etwas über diese Provenienz wissen und wo 
uns das einen Maassstab für die Eintheilung geben kann, dieser 
auch angelegt werden darf und muss, ohne dass wir uns damit 
einer Untreue gegen die physiologische Empirie schuldig machen. 
Mir scheint es selbst, als wäre diese Rücksicht auf die Herkunft, 
auf Embryologie und Phylogenie der'Gewebe der wesentliche Grund, 
auf dem eine wirklich wissenschaftliche Gewebeeintheilung ruhen 
müsste. Es ist wahr, dass diese Grundlage bei unserm heutigen 
Wissen noch als ein Ideal erscheint. Aber, wenn Rollet auf S. 120 
die Möglichkeit hinstellt, dass wir das wirkliche Wesen des Werdens 
einer Gewebszelle vielleicht nie werden beobachten können, — 
wonach wir uns dann lediglich an das Gewordene und Fungirende 
zu halten hätten: — so hat er doch wenige Seiten zuvor über die 
Ansicht, dass eine Organisation des Protoplasma nicht existire, das 
Gutachten gefällt: 

„Diese Annahme machen heisst aber in der Erkenntniss dessen, 
was wir brauchen um die Lebenserscheinungen zu erklären, frei- 
willig und mit aller Resignation an den Schranken stehen bleiben, 
die uns heute die Unzulänglichkeit unserer Untersuchungsmittel noch 
setzt. Wir wollen dagegen mit Zuversicht hoffen, dass diese Schran- 
ken der andringenden Naturforschung weichen, und dass unser geisti- 
ges Auge einst weit über dieselben hinaus klar sehen wird.“ 

Nun wohl, in dieser Hoffnung, die ich aus vollem Herzen theile, 
darf man vertrauen, dass unser geistiges Auge künftig auch in die 
Morphologie, Physik und Chemie der Histiogenese tiefer blicken 
wird, als uns das heut begreiflich erscheint, und wird sich in dem 
Streben danach nicht beirren lassen. — Bis dahin muss die physio- 
logische Empirie sicher ein nothwendiges praktisches Hülfsmittel für 
die Gewebeeintheilung bleiben; und wird uns um so exacter führen, 
je mehr man dabei der von Rollet gestellten Aufgabe genügt: 
„gründlich und mit allen zu Gebot stehenden Methoden die Elemen- 
tartheile der Gewebe zu untersuchen“ (p. 1 1. c.). Ich wünschte, 
man hätte dieses Verfahren zur Controle meiner Angaben über Fett- 
zellengenese bereits angewendet: vielleicht wäre mir dann die Be- 
kämpfung eines besonderen „Fettgewebes“ erspart geblieben. 

Toldt!) hat „die Bindesubstanzzellen des die Fettläppchen 
umgebenden Bindegewebes stets ganz frei von Fett gefunden“ 


364 Dr. W. Flemming: 


— dies ist völlig richtig und stimmt mit meinen Angaben 1. c.; — 
„nie eine Uebergangsstufe von Bindesubstanzzelle zu Fettzelle in 
den Läppchen gesehen,“ — solche sind nun allerdings da, auch 
schon im direct herausgeschnittenen Gewebe zu sehen. Aber ich be- 
greife sehr wohl, wie die letztere Angabe Toldt’s gemacht werden 
konnte, da ich selbst Mühe genug gehabt habe, in diesem Zellenge- 
wirr des jungen Gewebes nach sicheren Bildern zu suchen, bis ich 
lernte es schonend auseinander za präpariren. Ungerechtfertigt ist 
es nur, dass Toldt auf seine negativen Resultate hin sofort den 
Schluss zieht (p. 3): „die Beobachtungen, dass Bindesubstanzzellen 
in Fettzellen sich umwandeln könnten (Virchow, v. Wittich, 
Frey, Förster) kämen nicht unter streng physiologischen Be- 
dingungen vor, sondern seien entweder pathologischer Natur, oder 
fielen unter den Begriff der Mästung.“ Dieser Schluss freilich ist 
unhaltbar; denn niemand wird wohl annehmen, dass ein Em- 
bryo im Mutterleib oder ein Säugling sich für gewöhnlich unter 
pathologischen oder Mästungsverhältnissen befindet; und grade bei 
diesen Lebensstadien habe ich jene Uebergangsformen nicht nur als 
häufige, sondern als constante und regelmässige nachgewiesen (vergl. 
z. B. 1. c. Fig. 17), und kann den Zweifelnden nur einladen, bei 
einem älteren Embryo mit meinen Methoden zu prüfen. 

Nach meinem Erachten hätten auch allein schon jene frühe- 
ren, von Toldt zugegebenen, aber für abnorm gehaltenen Fälle 
sehr zur Vorsicht mahnen müssen, ehe man ein „Fettgewebe“ in- 
stituirte. Denn wenn auch nur unter Umständen einmal eine 
Bindegewebszelle zu einer Fettzelle, wie alle übrigen, sich umbilden 
kann, so muss das doch in jede speeifische Eigenthümlichkeit des 
Fettgewebes eine bedenkliche Bresche legen. 

Die sonstigen Gründe Toldt’s sind mehr allgemeiner Natur, 
sie würden, wie ich gern zugebe, für eine Besonderheit des Fett- 
gewebes alle sprechen können, wenn die Zellengenese nicht dagegen 
spräche. Dass sie irgendwie beweisend sind, kann ich freilich nicht 
sagen. Dass ‚das Fettgewebe sich von einzelnen Puncten des 
Körpers aus entwickelt,“ oder wie ich sagen würde, dass stets an 
bestimmten Orten des Bindegewebes und an manchen niemals Fett- 
zellen auftreten, ist richtig und bildet eins der physiologischen 
Räthsel, welche dies Gewebe uns vorlegt. Aber wenn man das 
durch die Aufstellung bestimmter „Fettorgane‘“ erklären will, so 
muss man zunächst äusserst viele solche Organe und eigene Ent- 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 365 


wicklungspuncte für sie annehmen; denn alle die Fettzellengruppen, 
welche sich constant in den verschiedensten Regionen des Bindege- 
webes finden, welche ihr Blut von den verschiedensten Stämmen her 
beziehen, als ein histiologisches Continuum anzusehen, das möchte 
wohl schwer angehen. Was soll, um nur ein Beispiel zu geben, 
aus den locker gehäuften, aber constant vorkommenden Fett- 
zellen werden, welche in der tieferen Cutis um die Haarbälge her 
liegen? Sie sind und bleiben isolirt von den subeutanen Fettlagern, 
sie entstehen und leben nicht an „eigenen“ Gefässbäumchen, son- 
dern an den Blutbahnen, welche zu den Haarbälgen und Hautpa- 
pillen führen. — Es wird von Toldt selbst zugegeben (l. c.p. 7,8), 
dass die Gefässe der Fettläppchen mit denen des umliegenden Ge- 
webes Anastomosen unterhalten können. Dass übrigens das Gefäss- 
netz des fertigen Fettläppchens in seiner Form ein eigenthümlich 
angeordnetes Ganzes darstellt, ist gewiss; aber wir vermögen nicht 
einmal zu sagen, in wie weit diese Anordnung das genetisch Gege- 
bene, in wie weit sie das physiologisch Gewordene ist, in wie weit 
überhaupt diese beiden Kategorien trennbar sind. Wenn man etwa 
die Chorioidea oder das Bindegewebe einer Hautpapille darum ein 
Organ nennen will, weil ihre Gefässe reichlicher sind und eine andere 
Verästelungsform haben wie andere Gefässe im Bindegewebe, so kann 
man das ja auch thun; ich sehe aber nicht ein, dass es uns irgend- 
wie weiter bringt. 

Dem ferneren Satze Toldt’s: „das Fett als Bestandtheil der 
Fettgewebszelle ist ein Product des Stoffwechsels derselben, seine 
Anhäufung in und sein Verschwinden aus der Fettzelle ist Resultat 
der lebendigen Thätigkeit ihres Protoplasma* — möchte ich auch 
nur in etwas bedingter Form zustimmen. Toldt hält die Fettzelle 
analog einer Drüsenzelle (p. 18); ich halte sie für eine modifi- 
eirte fixe Bindegewebszelle: und so wenig wie alle ihre fettleeren 
Schwestern in der Gefässadventitia das absolute Vermögen zeigen, 
Fett zu bilden und zu verwalten, so wenig kann ich es ihr an sich 
zuschreiben, glaube vielmehr, dass sie die Bedingungen dazu erst 
erhält durch das aus den Blutgefässen transsudirende Material und 
dass sie von diesen Bedingungen bei ihrem Wachsthum wie bei 
ihrer Atrophie in enger Abhängigkeit bleibt. Ich glaube das um so 
mehr, da man sieht, dass Fett.im gutgenährten Körper nicht nur 
in die Fettzelle abgesetzt wird, sondern auch in Zellen, die nicht zu 


366 Dr. W. Flemming: 


solchen werden, ja wahrscheinlich auch frei ins Gewebe !). — Dass 
nun diejenigen Zellen, welche Fett aufnehmen, dafür zur Zeit dieser 
Aufnahme besonders disponirt sein müssen, das ist ja unabweislich, 
weil eben nicht alle es thun; und dies fordert eben eine Erklärung. 
Will man diese geben indem man die bindegewebige Natur der Zellen 
einfach läugnet, so ist das ein kurzer, aber wie wir sahen kein exacter 
Weg. Da wir aber schon für die atrophisch wuchernden Fettzellen 
uns mit der Annahme einer besonderen Disposition einzelner Zellen 
beruhigen mussten, so sehe ich nicht, weshalb man das nicht auch 
hier einstweilen thun soll. — Dass übrigens das Protoplasma 
der Zelle bei der Bildung und Verarbeitung des Fettes eine wesent- 
liche Rolle mitspielt, habe ich nie bezweifelt, habe das aber (l. c. 
p. 75) nur sehr andeutungsweise erwähnt, da ich es für besser hielt 
über Dinge nicht zu reden, so lange wir von ihnen doch nichts 
Näheres wissen. 

Ich wünsche mit dieser Erörterung nur gezeigt zu haben, dass 
es kein leerer Wortstreit ist, wenn ich gegen ein besonderes Fett- 
gewebe opponirt habe. Mag man sonst den bequemen Namen gern 
anwenden, sofern man keine Vorurtheile über die Genese daran 
knüpft. — Und so will ich auch keinen Kampf führen gegen den 
culminirenden Satz Toldt’s: „Das Fettgewebe ist em Organ 
eigener Art,“ obwohl grade dieses Manchem besonders weitgehend 

1) Vergl. in meiner Arbeit p. 61, sowie bei Czajewicz (p. 307 u..a.). 
Für die physiologische Auffassung der Fettzellenbildung. die ich aus den Be- 
funden gewonnen habe, verweise ich auf p. 72 a. a. O.; als die Hypothese 
die sie ist, halte ich sie aufrecht, da ich nicht sehe wie man die histiologi- 
schen Thatsachen anders erklären will. — Ich will bei dem Anlass bemerken, 
dass ich das Experiment der Gefässnervendurchschneidung an einer Extremi- 
tät, welches Toldt gemacht hat um durch Gefässerweiterung und so ver- 
stärkten Stoffwechsel die Fettzellen zu entleeren, im Anfang meiner Ar- 
beiten ebenfalls mit nachfolgender Mästung angestellt habe um zu sehen, ob 
man etwa durch die Gefässdilatation eine vermehrte Fettproduction erzielen 
könne, woran sich nach meiner Theorie denken liesse. Ich musste aber selbst 
schon damals das Experiment, für den von mir verfolgten Zweck, als naiv 
und roh bezeichnen; denn es ist mir kein Weg bekannt die Gefässnerven einer 
Extremität zu trennen, als der einer Iehiadicusdurchschneidung und eine 
solche setzt so viel andere unberechenbare Störungen, dass da jede Üontrole 
aufhört; ich war also nicht verwundert, nach folgender circa l4tägiger 
Mästung kein positives Resultat zu finden, würde mich selbst nicht über ein 
negatives wundern. 


’ 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 367 


und neu erscheinen mag. Wie es übrigens Nichts Neues unter der 
Sonne giebt, so ist auch diese Ansicht schon früher mit nicht ge- 
ringerer Energie, wenn auch mit noch minderer Begründung geltend 
gemacht worden, und findet sich, abgesehen von gleichen Meinungen 
noch älterer Forscher, z. B. vertreten bei Todd und Bowman)) 
wo es nicht nur heist: „This (adipose) tissue has no alliance either 
of structure or function with the areolar tissue,“ sondern wo dann 
sogar die einzelne Fettzelle als „a perfeet organ in itself‘ darge- 
stellt wird. — Ein Beweis, dass der Begriff eines Organs nicht blos 
heute ins Detail geht. Wenn man denn üherhaupt diesen schwer 
bestimmbaren, rein physiologischen Begriff und Namen in die Mor- 
phologie übertragen muss, so scheint mir dazu der Weg Haeckel’s 
entschieden als der consequenteste, und ich würde mich in diesem 
Sinne z. B. gar nicht bedenken, wenn es Fettzellen mit mehreren 
bleibenden Kernen gäbe, diese nach Haeckel Organe erster Ord- 
nung zu nennen. — Bei der rein histiologisch-physiologischen, prak- 
tisch gewiss sehr nützlichen Definition nach Carus und Rollet?) 
bleibt eben der Begriff Organ völlig unbegrenzt: man kann es da- 
nach z. B. Niemandem wehren, ein irgendwie grob abgegrenztes 
Stück (makroskopisch gesprochen) Bindegewebe als Organ zu 
bezeichnen, z. B. eine Sehne, ein Ligament, die Sclerotica oder eine 
Darmzotte; wenn man also die Massen der Fettzellenlager, mit 
ihren Gefässen und deren Muskeln und Nerven so nennen will, so 
widerspreche ich nicht, ich mache nur die Bedingung, dass die 
Elementartheile dieses Organs aus Bindegewebszellen entstehen und 
jeden Augenblick neu daraus entstehen können. — Aber man wird 
dabei, wenn man mit Toldt das Fettgewebe einer Drüse ver- 
gleicht, sich zu erinnern haben, dass dies nicht mehr wie ein blosser 
Vergleich ist, so lange die Entwicklung aus einem epithelialen Keim- 
blatt und die Secretion nach Aussen. den Begriff einer Drüse bilden ; 
und man wird vor Allem eingedenk sein müssen, dass die blossen 
Namen Organ und Secretion noch keins von den Räthseln 
beseitigen, welche für die Physiologie der Fettzelle und der Zelle 
überhaupt zu lösen bleiben. 


1) Physiological anat. and physiology of man, 1845, p. 80. 
2) 1. ce. p. 131 u. 141, wonach die Organe aus einem oder mehreren 
einfachen Geweben zusammengesetzt werden. 


368 Dr. W. Flemming: 


Methode. 


Um über die Zellenformen innerhalb der Fettläppchen zu ent- 
scheiden, wird es absolut nöthig die letzteren auseinanderzuprä- 
pariren. Ich habe dazu hauptsächlich die schöne und einfache Me- 
thode des künstlichen Oedems durch Einsticlı angewandt, deren Ein- 
führung das Verdienst Ranvier’s ist, und früher schon davon ge- 
sprochen (l. ec. p. 40). Ich erlaube mir hier noch genauere Angaben 
darüber und über die Modificationen, die ich für den vorliegenden 
Zweck passend fand; einmal für Den der meine Angaben controliren 
will, sodann, weil das Verfahren eine allgemeinere Verwendung ver- 
dient, wie es bis jetzt gefunden zu haben scheint. 

Injection flüssigbleibender Massen genügt hier nicht, da das 
Gewebe zu sehr wieder zusammenschnurrt; ich wende deshalb jetzt 
gewöhnlich eine Mischung von Gelatine !/,, Aq. destill. '/s, Glycerin 
1/, an, welche auf circa 40° C. erwärmt und dann mit etwa !/ıo 
ihres Volums 5procentiger Silberlösung gemischt wird (dies ist für 
die Markirung der Zellen besser, wie der schwache Silberzusatz 
nach Ranvier). Sie wird dann, wenn es darauf ankommt mit ent- 
fettetem Spritzenstempel, durch Einstich unter die Haut oder in’s 
freiliegende Bindegewebe injieirt; für eine etwas pralle gleichmässige 
Ausdehnung ist es gut, dabei den Ort der Canülenspitze mehrfach 
zu verändern, was natürlich nicht geschehen darf, wo man auf freie 
Fetttröpfehen Acht geben will. Dann stecke ich das Thier in ge- 
stossenes Eis, um die Masse sofort erstarren zu machen; fertige 
die Schnitte mit dem Rasirmesser aus dem herausgeschnittenen und 
auf Eis gekühlten Tumor (ganz gefrorene schneiden sich schlecht), 
setze sie nach Waschung in Aq. dest. Ys Stunde dem Licht aus, 
und lege sie etwa eine Stunde lang in Picro-Carmin (l. ec. p. 41). 
Dann werden sie unter öfterem Wasserwechsel wieder gewaschen, 
bis sie durchsichtig rosenroth aussehen, endlich mit Aq. dest., welches 
3—4 pro Cent Essigsäure enthält, übergossen, und hiermit durch- 
tränkt in Glycerin, oder direct eingeschlossen. Man hat hierdurch 
den Vortheil, dass man sofort beobachten kann; der Einschluss in 
dem schwachsauren Ranvier’schen Ameisensäure-Glycerin (l. c.) 
liefert allerdings noch schönere Bilder, aber die volle Säurewirkung 
tritt hier erst lange nachher ein. Die Präparate dürfen nicht warm, 
nicht einmal an der Sonne stehen, damit der Leim nicht zerfliesst. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 369 


Die Injection der Blutgefässe, welche Toldt empfiehlt, kann 
vorher ausgeführt werden, für das Inguinalfett gelingt sie leicht 
vollständig von der Aorta aus. Sie liefert für diese Methode sehr 
hübsche Bilder, ist aber nicht nöthig, da die Gefässe durch die 
Tinetion unverkennbar werden. 

Die Zellen sind in solchen Tumoren ganz intact einbalsamirt. 
Der Gedanke, dass dieselben durch die Injection in ihrer Form ver- 
ändert, etwa abgeplattet sein könnten, ist völlig abzuweisen. Es 
wäre das schon physikalisch undenkbar, da ja der Druck innerhalb 
einer Flüssigkeit von allen Seiten gleich wirken muss; und ich 
brauche nur zu erinnern, dass die weichen Zellen des embryonalen 
und die Eiterzellen des entzündeten Gewebes bei dieser Methode 
ganz dieselben Formen zeigen, wie im frischen Zustand. Bei vor- 
sichtiger Einspritzung bleibt auch Alles in seinem alten Situs gegen- 
einander und z. B. die serösen Fettzellen nicht zusammengefaltet, 
sondern ganz rundcontourirt, nur öfter etwas in die Länge ge- 
streckt. Bei sehr praller Einspritzung erhält man einige Kunstpro- 
ducte: zwar die Fettzellen in den geschlossenen Läppchen . werden 
kaum aus ihren Maschen entfernt; wo sie aber vereinzelter liegen, 
wie in der tieferen Cutis (die man ebenfalls noch sehr stark auf- 
spritzen kann), sind sie oft eine Strecke weit vom Gefäss abgezerrt 
und gewähren dann eigenthümliche Bilder (Fig. 13); die Zelle hat 
sich beim Fortrücken vom Platz eine Anzahl Fibrillen mitgenom- 
men, in denen sie hängt wie ein Ballon in seinen Gondeltauen, und 
diese sind durch das Herüberschlingen über andere Fibrillenbündel 
zu einem Strang vereinigt, so dass es aussieht, als sei die Zelle in 
einem solchen Bündel aufgehängt. 

Es sei hier angefügt, dass man durch solche Aufspritzungen 
der Cutis, bei etwas stärkerem Silberzusatz, sich zugleich die schön- 
sten Bilder von Lymphgefässendothel verschaffen kann. Ferner 
constatirt man auf diesem Wege sehr leicht, dass die Nerven- 
stämmchen in der Gutis wie auch im Subcutanstratum eine voll- 
ständigeEndothelbedeckung, also vielleicht eine Lymphscheide 
haben: was von Rudneff früher entdeckt ist. 

Was diese Methode für das Studium der Zellen leistet, dafür 
mag hier noch ein Beispiel Platz finden. Nach einigem Liegen wird 
gewöhnlich, namentlich an Ameisensäurepräparaten, das Fett durch- 
weg feinkörnig und verliert dabei einen Theil seines Glanzes, so 
dass man dann durch den Inhalt voller Fettzellen hindurch ein- 


370 Dr. W. Flemming: 


stellen und die darüber wie darunter liegenden Theile deutlich’ wahr- 
nehmen kann. Die Demonstration des Fettzellenkerns, die in frühe- 
rer Zeit selbst für ein histiologisches Kunststück galt, ist auf diesem 
Wege bei jeder Zelle eine Kleinigkeit. Aber das ist nicht Alles. 
Toldt hat mit dankenswerther Schärfe die Fortexistenz von Proto- 
plasma in der Fettzelle betont, und als gutes Mittel zu dessen 
Nachweis die sehr verdünnte Essigsäure empfohlen. Diesen Nach- 
weis kann man nun um die ganz volle Zelle herum in situ führen 
durch die Picrocarminfärbung. Auf der obern wie untern Kugel- 
fläche verfolgt man mit der Schraube die Ausdehnung des Proto- 
plasma, welches vom Kern ausstrahlend den Fetttropfen umgreift. 
Die Fig. 12 zeigt das Bild einer solchen oberen Zellenfläche, das 
freilich bei der Projection in die Papierebene lange nicht so schön 
und schlagend ist, wie bei wechselnder Einstellung. 


Erklärung der Tafel XXVII. 


Alle dargestellten Objecte sind nach der oben angegebenen Silberleim- 
Picrocarmin-Methode angefertigt. 

Das Fett in den atrophischen Zellen, soweit es eine gelbliche oder 
schmutzige Farbe zeigte, ist in verschiedenen Nuancen grau gehalten. In 
Fig. 6 entspricht die gelbe Färbung der im Object. 

Die Fibrillen und vielfach auch die Gefässe sind weggelassen. 

Indem ich die Thiere, von denen die Objecte stammten, nach Nummern 
eitire, verweise ich auf den obigen Bericht über die Versuche. 

Fig. 1. a. Fettzellen aus der Inguinalfaite von Kaninchen 6. 

«. Serös-atrophisch, &£ y d in verschiedenen Stadien atrophischer 
Wucherung. y mit nadelförmigen Krystallen. 

b. Fettzellen aus der Inguinalfalte von Kaninchen 3. «ßy serös- 
atrophisch in verschiedenen Stadien, $ zweikernig, d atrophisch- 
wuchernd. Hartn. 7, 3. 

Fig. 2. Fettzellen aus der Inguialfalte von Kaninchen 5, in atrophi- 
scher Wucherung, die Producte auswachsend zu fixen Bindege- 
webszellen. 9, 1. 

Fig. 3. Fettzelle aus der Achselfalte vom selben Thier, ebenso. 9,1. 

Fig. 4. Drei Fettzellen vom selben Thier (Inguinalfett). Anfangs- bis 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


10. 


11. 


12. 


Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. 371 


Endstadien von atrophischer Wucherung ohne Auswachsen zu fixen 
Zellen. 7, 1. 

Fettzellen aus der Inguinalfalte von Meerschwein 4, theils 
serös-atrophisch, theils atrophisch-wuchernd. « Zelle mit unvoll- 
ständiger Membran, # mit erhaltener und fast ganz abgelöstem 
fetthaltigem Protoplasma, y mit erhaltener Membran und wenig 
Endogenzellen, % mit vielen. An mehreren Fettzellen hat das 
Protoplasma die Formen fixer Zellen. d 8 fetthaltige fixe Zellen. 7,3. 
Meerschwein 11, Inguinalfett. Uebergangsformen der Fett- 
zellenneubildung mit weissem Fett, drei fixe Zellen mit gelbem 
Fett. Die Uebergangsformen stammten aus ein und demselben 
Sehfeld mit 7, 3 und sind nur Bequemlichkeitshalber etwas beim 
Zeichnen aneinandergerückt. 7, 3. 

2 Monate altes Kaninchen, aus der Inguinalfalte; Entzün- 
dung durch eingebrachtes jodgetränktes Hollundermark, unter- 
sucht nach 2!/, Tagen. Blutgefässe mit rothen Blutzellen vollge- 
stopft, zahlreiche freie Zellen im Gewebe; Wucherung in vielen 
der Fettzellen. 7, 1. 

Hund 1, Achselfalte. Neben einer Fettzelle mit deutlich bemerk- 
barem Protoplasma in derselben Gefässschlinge eins der Häufchen 
fixer Zellen (vergl. oben) z. Th. mit Kernvermehrung und fett- 
haltıe. 7.8. e. T. 

Ein Stück Gefässnetz (im Schnitt) aus einem fettleeren Fettläpp- 
chen von Kaninchen 6. Die sonstigen Zellen weggelassen. 
n Nerv. 4, 3. e. T. 

Eine Masche aus dem letzteren Läppchen mit sämmtlichen darin 
und daran liegenden Zellen, genau copirt. n Nerv. 7,1. e. T. 
Aus einem Schluss-atrophischen Läppchen von Kaninchen 10, 
wie vorige Fig. mit allen Zellen genau copirt. In vielen fixen 
Zellen Fetttröpfchen; eben solche auch frei. n Nerv. 7,1. 
Hund 1, normale Fettzelle mit anliegender Capillare und einigen 
fixen Zellen und Fibrillen (b Fibrillenbündel in der Quellungs- 
gestalt, die es gewöhnlich durch die Methode erleidet). — Das 
Protoplasma der oberen Fettzellenfläche (mit Kern) ist nach 
wechselnder Einstellung über dieselbe gezeichnet. 9, 2. 
Zweimonatliches Kaninchen, Fettzellen aus der Umgegend eines 
Haarbalges, welche in Folge von sehr starker Einstichirjection 
Fibrillen mitgezerrt haben und nun an Fibrillenbündeln zu hängen 
scheinen. Das Thier war etwas atrophisch und die Zellen dem- 
nach nicht ganz gefüllt. 7,3. 


M, Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 7. 95 


Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. 


Von 
Prof. h. Cienkowski. 


Hierzu Taf. XXIX. 


Fast sämmtliche Thatsachen die wir über die Entwickelungs- 
geschichte der Radiolarien kennen, machen es höchst wahrschein- 
lich, dass die Kapsel bei der Fortpflanzung genannter Organismen 
wesentlich betheiligt sei. Ausser der vielfach beobachteten Ver- 
mehrung der Kapsel durch Theilung besass die Wissenschaft noch 
einige Angaben, die von grosser Bedeutung zu sein versprachen. 
Schon Joh. Müller!) hat im Innern einer Acanthometra ein Ge- 
wimmel von kleinen monadenartigen Bläschen gesehen, die eine 
Weile schwärmten und dann in actinophrysähnliche Gebilde sich um- 
wandelten. Da die Herkunft dieser monadenartigen Körperchen 
nicht zu ermitteln war, so konnte der Verdacht einer parasitischen 
Einmischung in die ganze Erscheinung nicht beseitigt werden. 

Noch mehr zu Gunsten der Existenz beweglicher Radiolarien- 
keime sprechende Thatsachen führt Häckel in seinem berühmten 
Werke an?). Er sah erstens bei Sphärozoiden den Inhalt der 
Kapsel in viele Blasen zerfallen und zweitens hat er bei Sphärozoum 
in den Kapseln Bläschenhaufen, die eine wimmelnde Bewegung 
zeigten, beobachtet. Was besonders für die Zugehörigkeit dieser 


1) Abhandlungen der Berliner Academie. 1858. 
2) Die Radiolarien p. 141, 147; Taf. 33, Fig. 9; Taf. 35, Fig. 11, 12. 


Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. 373 


Bildungen zu den Radiolarien beweisend schien, war der Umstand, 
dass erwähnte Bläschen dieselben wetzsteinartigen krystallinischen 
Körperchen, welche häufig dem Kapselinhalte der zusammenge- 
setzten Radiolarien beigemengt erscheinen, enthielten. Zuletzt sind 
noch zu erwähnen die von Schneider in Thallasicolla-Kapseln ge- 
fundenen Gruppen von amöboiden Bläschen, die mit geisselartig 
bewegten Fortsätzen versehen waren !). 

Die mitgetheilten Beobachtungen machten es also höchst wahr- 
scheinlich, dass die Radiolarien durch bewegliche Keime, die aus 
dem Kapselinhalte gebildet werden, sich fortpflanzen. 

Auf Erforschung dieser Verhältnisse, so wie auf die Entwicke- 
lung der räthselhaften gelben Zellen waren hauptsächlich meine Be- 
mühungen gerichtet, als ich im verflossenen Winter (Januar bis 
Mitte März) die Gelegenheit hatte, in Neapel und Messina lebende 
Radiolarien zu untersuchen. Es erwies sich bald, dass die Acantho- 
metren und die einfachen Radiolarien, z. B. die so häufig in Neapel 
vorkommende Aulacantha für die Untersuchung wenig geeignet sind; 
ich wandte mich daher vorzüglich zu den colonienbildenden Formen. 
Ich untersuchte besonders die Collosphära und das Gollozoum. 

Die Structur -Verhältnisse der zusammengesetzten Radiolarien 
sind in Müller’s Abhandlungen und Häckel’s classischem Werke 
in der Hauptsache fast erschöpfend dargestellt, so dass ich mich 
was diesen Punct anbelangt ganz kurz fassen kann. Die Sphäro- 
zoiden und Collosphäriden stellen Aggregate von Kapseln, die von 
einer gemeinschaftlichen Protopiasmamasse zusammengehalten wer- 
den, dar. Die Kapseln sind in gewissen Abständen von einan- 
der entfernt; das sie verbindende Protoplasma besteht aus Alveolen 
(Blasen) von verschiedener Grösse zwischen und an welchen Sarcode- 
Strahlen und Netze sich hinziehen. Ich fand immer die Kapseln an 
die Oberfläche der Alveolen angelehnt, oft linsenförmig zusammen- 
gepresst und von einer strahlenden Protoplasmaschicht eingehüllt, 
die sich ebenfalls an die Alveolen anschmiegt und continuirlich in 
die sarcodischen Umhüllungen benachbarter Kapseln übergeht. Ausser 
den, die Kapseln tragenden Alveolen gibt es viele kleinere, die der 
Kapseln entbehren. FErwähnt man zuletzt die gelben Zellen, die 
man fast nie vermisst und verschiedenerorts zerstreut findet, so sind 
damit die weichen Hauptbestandtheile der zusammengesetzten Ra- 
diolarien angegeben. 

1) Müller’s Archiv, 1858, p. 41. 


374 Prof. L. Cienkowski: 


Die von mir auf ihre Entwickelungsgeschichte untersuchten 
Collosphären gehören den zwei schon beschriebenen Arten an, der 
C. Huxleyi Müller und C. spinosa Häckel. 

Wie aus Müller’sund Häckel’s Arbeiten hinlänglich bekannt, 
besitzt die Collosphära eine Gitterschale, die eine Kapsel mit proto- 
plasmatischer Umhüllung einschliesst. Bei der erst genannten Spe- 
cies ist die Schale glatt und meist weit von der Kapsel abstehend 
(Fig. 2—4), bei C. spinosa ist sie mit kurzen Stacheln besetzt 
(Fig. 7—10). Der Inhalt der Kapsel ist bei beiden Arten homogen, 
hin und wieder schwach violet gefärbt und schliesst eine centrale 
Oelblase ein. Die gelben Zellen habe ich gewöhnlich innerhalb der 
Schale in einen Haufen vereinigt gefunden, obwohl einige auch 
äusserlich an der Oberfläche des Gitters anklebten (Fig. 7, 8). 
Die jungen Kapseln sind nackt ohne Schale in eine strahlende Proto- 
plasmaschicht eingebettet, von keiner scharf conturirten Hülle um- 
grenzt (Fig. 1). In diesem Stadium theilen sie sich häufig durch 
Abschnürung in zwei Hälften. Erst in reiferem Alter bekommt die 
Kapsel eine resistentere Membran und wird in eine Gitterschale ein- 
geschlossen (Fig. 2). 

Die Veränderungen, die nun weiter in der Kapsel stattfinden, 
bestehen darin, dass ihr ganzer Inhalt in eine Menge kleiner Kügel- 
chen zerfällt (Fig. 6, ce.). Ich konnte ‘dieses bei ©. Huxleyi auf dem 
Objectträger unter Deckgläschen während eines Tages sich vollziehen 
sehen. Schon nach einigen Stunden erschienen im Inhalte viele 
zarte Bläschen, die ferner in kleinere Körperchen zerfielen (Fig. 5, 6). 
Auf dem Objectträger liess sich leider die Cultur bei der genannten 
Species nicht weiter führen. Dagegen glückte es bei C. spinosa 
einen Schritt weiter zu gehen. In einigen lebenskräftigen Exem- 
plaren, die ich in Neapel im Februar fing, waren schon fast sämmt- 
liche Kapseln von einer Unzahl kleiner Kügelchen gefüllt (Fig. 9). 
Diese Collosphära-Colonien wurden in grössere mit Seewasser ge- 
füllte flache Gefässe gelegt und um die Fäulniss zu vermeiden, 
Stücke von Ulva und anderen grünen Algen hinzugefügt. Einen Tag 
darauf fand ich, statt der gewöhnlichen wurstförmigen oder kugeli- 
gen Colonien, die ich eingelegt, Haufen von gelblichen Körnchen, 
welche mit einer Glasröhre herausgehoben unter dem Mikroskope 
als Kapseln der C. spinosa sich erwiesen. Die Alveolen, an denen 
sie angeheftet sassen, waren ganz verschwunden, von dem strahligen 
Protoplasma blieb nur hier und da an den Kapseln anklebend eine 


Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. 375 


Spur übrig. Die Kapseln waren dicht aneinander gedrängt. Auf 
den ersten Blick schien das Untersuchungsmaterial im Absterben 
begriffen zu sein und ich wollte es schon bei Seite legen, als ich in 
mehreren Kapseln eine wimmelnde Bewegung der eingeschlossenen 
Körperchen gewahr wurde, die in kurzer Zeit fast alle Kapseln des 
Haufens ergriff und mit massenhaftem Ausschwärmen endigte. 

Ich konnte nun einen Theil des Materials unter Deckgläschen 
(bei Vermeidung eines zu starken Druckes) so wie auch in hängen- 
den Tropfen mit starker Vergrösserung ganz ruhig beobachten. 

Fast in jeder Kapsel wimmelte es von monadenartigen Wesen, 
die frei gewordenen schwammen munter in allen Richtungen umher. 
Neben Kapseln, deren Inhalt noch homogen, nicht differenzirt blieb, 
lagen solche, die schon voll von ruhenden, andere die von schwär- 
menden Kügelchen erfüllt waren. An einer Kapsel sah ich die 
letzteren aus einer Stelle massenhaft heraustreten (Fig. 10). Einige- 
mal glaube ich ganz deutlich beobachtet zu haben, wie sie durch 
die Gitteröffnungen davon liefen. 

Betrachten wir etwas näher die herumschwimmenden Körper, 
die ich schon jetzt als Zoosporen bezeichnen will. 

Die Collosphära-Schwärmer sind 0,008 Mm. lang eiförmig, am 
schmalen Ende, welches zwei lange Cilien trägt, etwas schief ab- 
gestutzt (Fig. 11, 12). In allen Zoosporen fand ich ein krystallini- 
sches, an beiden Polen abgerundetes oder zugespitztes Stäbchen 
(0,004 Mm. lang), welches oft über den Körper etwas hervorragte. 
Füsgt man noch einige Oelbläschen hinzu, so ist damit schon alles 
bezeichnet, was man von geformten Elementen an dem nackten proto- 
plasmatischen Körper der Zoospore wahrnehmen kann. Unter der 
Unmasse von schwimmenden Schwärmern lagen viele bewegungslose 
umher. Sie waren rund oder eckig mit ausgezogenen Spitzen; ihr 
Inhalt zeigte dieselbe Zusammensetzung wie die der beweglichen 
/0ospore, ausserdem sah man an ihnen eine oder mehrere Ab- 
schnürungen. Augenscheinlich waren es in Formung aus dem Kapsel- 
inhalte begriffene Entwickelungsstadien der Schwärmer (Fig. 15—17). 
Dieselben Erscheinungen wiederholten sich an den anderen Collo- 
sphära-Exemplaren, die ich zu weiterer Cultur im Gefässe liegen 
liess. Die Bewegung der Zoosporen dauert über 24 Stunden; dann 
zerfliessen sie, das Stäbchen und die Oelbläschen zurücklassend. 
Meine Bemühungen, die Schwärmer auf verschiedene Art zu culti- 
viren, um sie zu weiterer Entwickelung zu bewegen, führten immer 


376 Prof. L. Cienkowsk'ı: 


zu negativen Resultaten. Trotz dem, obwohl das fernere Schicksal 
der schwärmenden Zellen unermittelt blieb, glaube ich dennoch die- 
selben als Zoosporen auffassen zu können. Für diese Deutung 
spricht ihre Bildung aus dem Kapsel-Inhalte, die ich, wenigstens 
für die ersten Stadien, bei €. Huxleyi auf dem Objeetträger direkt 
beobachten konnte, ferner die in Abschnürung begriffenen Proto- 
plasmatheile, die das Stäbchen, welches man so oft im ungetheil- 
ten Kapsel-Inhalte in grosser Zahl findet, schon enthielten. Diese 
Thatsachen, sowie auch das normale Aussehen des Inhaltes machen 
die Voraussetzung, es wären hier doch parasitische Monaden im 
Spiele, nicht zulässig. — Haben wir einmal die Ueberzeugung ge- 
wonnen, dass schwärmende Zellen in den Entwickelungskreis der 
Radiolarien gehören, so bekommen einige der früheren Angaben, 
besonders die von Häckel über Sphärozoum eine hohe Beweiskraft. 
Die wimmelnden Bläschen mit wetzsteinartigen Körperchen, die der 
genannte Forscher bei Sphärozoum fand, waren höchst wahrschein- 
lich mit Collosphärazoosporen identische Bildungen. 

Die zweite von mir untersuchte Form der colonienbildenden 
Radiolarien war das gewöhnliche Collozoum inerme. Die hier ge- 
wonnenen Resultate stimmen in der Hauptsache vollständig mit den 
früher von Häckel erhaltenen überein. In einigen Punkten er- 
weitern sie dieselben und durch die Leichtigkeit, mit welcher man 
die Vorgänge im Kapselinhalte beobachten kann, sind sie geeignet, 
die hier aufgestellte Behauptung nicht unwesentlich zu unter- 
stützen. 

Die Kapsel ist auch hier im Jugendzustande hüllenlos in eine 
strahlige Protoplasmaschicht eingebettet. Sie vermehrt sich durch 
Theilung, in dem sie Bisquitform annimmt oder sich wurmartig ver- 
längert und krümmt und dann durch mehrere Einschnürungen in 
gesonderte Theile scheidet (Fig. 25—28). 

So wie die Collosphärakapseln vor der Zoosporenbildung eine 
harte Membran ausscheiden, so thun es ebenfalls die der Collozoen. 
Ihre Kapseln bekommen scharfe Umrisse und wachsen bedeutend 
(Fig. 21). Ihr Inhalt enthält ausser der Oelblase nicht selten eine 
Menge kleiner krystallinischer Stäbchen, die ganz denen, die wir 
bei Collosphärazoosporen fanden, gleichen. Diese Stäbchen scheinen 
indessen für die weitere Formung des Inhaltes von keiner Bedeu- 
tung zu sein, da ähnlich sich verhaltende Kapseln mit oder ohne 
Stäbchen in derselben Colonie nicht selten vorkommen. Der Anfang 


Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. 377 


der Differenzirung des Inhaltes wird durch das Zerfallen in keil- 
förmige radial um die Oelblase gestellte Partien angekündigt (Fig. 
18, 19). Uebrigens ist diese Anordnung keineswegs ausnahmslos, da 
die Inhaltstheile ebenso oft unregelmässige oder kugelige Massen 
bilden. Die Differenzirung schreitet nun weiter fort: die grossen 
Protoplasmapartien zerfallen in eine Unzahl kleiner Körperchen, die 
wiederum durch Abschnürung sich theilen können (Fig. 20, 22). 
Zerdrückt man eine Kapsel in diesem Stadium, so sieht man aus- 
tretende nackte Inhaltsballen von verschiedener Grösse, die schon 
aus lauter kleinen Körperchen zusammengesetzt sind (Fig 20). Das 
indifferente Verhalten der Oelblasen bei dem Zerfallen des Inhaltes 
tritt hier deutlich hervor. Sie liegen theils in den Ballen einge- 
schlossen, theils frei zwischen den Haufen umher. Wo nur eine 
Oelblase vorhanden war, habe ich sie stets ausserhalb der Kügelchen- 
aggregate gefunden. Wie bei Collosphära ist auch hier die sich voll- 
ziehende Differenzirung des Inhalts durch das beginnende Zusammen- 
rücken der Kapseln angezeigt. Die Colonien bekommen dabei ein 
grob punktirtes Aussehen, bedingt. durch die scharfen Umrisse der 
Kapseln und durch die sie bedeckenden gelben Zellen. Nach und 
nach verschwinden die Alveolen und das strahlende Protoplasma fast 
gänzlich; die Kapseln werden dadurch gewöhnlich so nahe anein- 
ander gepresst, dass sie abgeflacht, wie ein Parenchymgewebe, dessen 
Intercellularräume von gelben Zellen erfüllt sind, aussehen (Fig. 23, 
24). In diesen Kapselhaufen findet, wie uns schon die Erfahrung 
an Collosphära zeigte, vorzugsweise die Differenzirung des Inhalts 
statt, obwohl dieselbe noch bei normalem Habitus der Colonie be- 
ginnen kann. 

Bis dahin ist die Analogie der Vorgänge mit Collosphära so 
gross, dass es höchst befremdend wäre, wenn auch das letzte Sta- 
dium, das Ausschwärmen der aus dem Kapsel-Inhalte gebildeten Bläs- 
chen, hier ausbliebe. Unglücklicherweise war ich durch Krankheit 
genöthigt an dieser Stelle meine Untersuchungen abzubrechen und 
die Frage wie aus dem differenzirten Kapselinhalte die ganze Colonie 
entsteht, unentschieden zu lassen. Hier will ich nur noch zwei 
Beobachtungen, die die Entwickelung der Kapsel direkt aus dem 
strahlenden Protoplasma sehr wahrscheinlich machen, anführen. 
Die erste hier bezügliche Thatsache ist von Stuart gefunden 
worden. An Collozoum inerme sah Stuart!), dass ein einfaches 


1) Göttinger Nachrichten, 1870, No. 6. 


378 Prof. L. Cienkowski: 


Klümpcehen verdichteten Protoplasmas zum Sitze der Entwickelung 
neuer Individuen wird. Dabei scheiden sich aus dem klaren Proto- 
plasma kleine Fetttröpfchen, welche sich später in ein centrales 
vereinigen, weiter folgt eine Trennung des Protoplasma in eine 
hellere äussere Schicht und eine innere dunklere, die sich in die 
Kapsel verwandelt. Die jüngsten Stadien der letztern wurden als 
solche durch die Anwesenheit kleiner polyedrischer Krystalle, welche 
für die untersuchte Art charakteristisch sind, erkannt. Ich fand 
keine Gelegenheit diese Angaben zu prüfen. 

Die zweite Thatsache, die die Entwickelung der Kapsel aus 
dem strahlenden Protoplasma zu beweisen scheint, habe ich selbst 
häufig ebenfalls an Collozoum inerme beobachtet. Statt der ge- 
wöhnlichen, die Kapseln umhüllenden Protoplasmaschicht sah ich oft 
viele, dicht zusammengedrängte Bläschen, die ganz das Aussehen 
von jungen Kapseln besassen (Fig. 29, a). Sie waren von verschie- 
dener Gestalt, oft in spitze Fortsätze ausgesogen, enthielten eine 
oder mehrere Oelbläschen und waren in reger Theilung begriffen 
(Fig. 29; b, c). Um den ganzen die alte Kapsel bedeckenden 
Haufen dieser Bläschen zog sich eine dünne Schleimschicht, der 
Rest des die Kapsel umhüllenden Protoplasma. Nach einigen Tagen 
traf ich an ceultivirten Collozoen erwähnte Bläschen an der Ober- 
fläche der Colonie zerstreut und abgerundet, weiter liess sich ihre 
Entwickelung nicht verfolgen. 

Ich schliesse diese Notiz mit einigen die gelben Zellen be- 
treffenden Bemerkungen. 

Die Schriftsteller, die sich mit Radiolarien befassten, sehen die 
gelben Zellen als integrirende Theile dieser Organismen an, darüber 
entstand auch kein leisester Zweifel. Frägt man aber, worauf diese 
Ueberzeugung sich gründet, so erhält man zur Antwort, dass die 
gelben Zellen bei den meisten Radiolarien stets vorhanden sind. 
Allein schon der Umstand, dass bei derselben Species die Zahl er- 
wähnter Zellen den grössten Schwankungen unterworfen ist und 
nicht selten bis auf eine einzige sinkt, sowie, dass wir von der Art 
wie sie sich bilden keine Kenntniss besitzen, dürfte die Angehörig- 
keit der gelben Zellen zu den Radiolarien etwas verdächtigen. Ziehen 
wir aber in Betracht, mit welcher merkwürdigen Beständigkeit einige 
parasitische Bildungen in den Entwickelungskreis anderer Organis- 
men eingreifen, so wird es vielleicht nicht als Uebereilung er- 
scheinen, wenn wir die Frage aufwerfen, ob denn die gelben Zellen 


Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. 379 


überhaupt als integrirende Theile des Radiolarienleibes zu betrachten 
seien? Selbstverständlich kann nur die Entwickelungsgeschichte hierin 
Licht verschaffen. 

Beim ersten Versuch, das Entstehen der gelben Zellen in dem 
Protoplasma zu verfolgen, schien die Beobachtung mit keinen be- 
sonderen Schwierigkeiten verknüpft zu sein. Wie bekannt vermehren 
sich die gelben Zellen durch Theilung und man findet sie in ver- 
schiedenen Grössen. Leicht ist es auch im Körper der untersuchten 
Radiolarie nackte, gelbgefärbte Protoplasmaklümpchen anzutreffen, 
die man geneigt wäre, als erste Entwickelungsstufe einer gelben 
Zelle anzusehen. Bei genauerer Untersuchung hat sich indessen ge- 
zeigt, dass die beobachtete Radiolarie gelbe Tintinnoiden aufgenom- 
men hatte und das die gelbe Farbe des Protoplasmaklümpchens von 
der unverdauten Nahrung abstammte. Ich vermochte keine einzige 
Thatsache aufzufinden, die unzweifelhaft das direkte Entstehen der 
gelben Zellen aus dem Protoplasma der Radiolarien bewiese. Um 
der Frage auf anderem Wege näher zu kommen, benutzte ich die 
interessante von Schneider gefundene Thatsache, dass die ausge- 
schälte Kapsel der Thallasicolla nucleata im Stande ist von neuem 
den Radiolarienkörper aufzubauen. Ich glaubte auf diese Weise die 
Bildung der gelben Zellen Schritt für Schritt verfolgen zu können, 
um so mehr als es Schneider!) gelungen war, die regenerirte 
Thallasicolla bis zur Entwickelung der gelben Zellen zu erziehen. 
In meinen Versuchen, die ich ebenfalls mit Thallasicolla nucleata 
(mit der blau gefärbten Varietät) anstellte, hatte zwar die ausge- 
schälte Kapsel neue mit blauen Partikelchen gefärbte Pseudopodien 
producirt, allein es glückte mir nicht die Regeneration vollständig 
zu verfolgen. Die einzige neue Thatsache, die ich in Betreff der 
gelben Zellen fand, besteht darin, dass bei Collozoum, welches längere 
Zeit (über eine Woche) in Seewasser liegen blieb, die gelben Zellen 
fortfuhren freudig zu wachsen, auch dann, wenn das Protoplasma 
und die Kapseln der ganzen Colonie schon völlig zerstört waren. In 
diesen Verhältnissen erschien um die gelbe Zelle eine ziemlich 
resistente Schleimmembran, die sie eng umschloss (Fig. 30, 31,h). Aus 
dieser Hülle trat die wachsende Zelle sehr langsam heraus, eine neue 
Umhüllung, die wiederum abgestreift wurde, bildend (Fig. 31, 32, 
34, 35). Diese Art von Häutung wiederholte sich an derselben Zelle 


1)217€. 


380 Prof. L. Cienkowski: 


mehrere mal; das Austreten geschah so langsam, dass man es direkt 
nicht wahrnehmen konnte. Die befreite Zelle wuchs, bekam lappige 
Gestalt und vermehrte sich schliesslich durch Theilung (Fig. 32, 33, 36). 
Diese Eigenschaft der gelben Zellen nach dem Tode des Organis- 
mus, dem sie angehören sollen, zu wachsen und sich fortzupflanzen, 
dann die bedeutende Stärke-Quantität, die sie nach Häckels 
wichtiger Entdeckung erzeugen '), was ich bestätigen kann, sind Er- 
scheinungen, die zwar über die Deutung der gelben Zellen nicht 
entscheiden, dennoch im Lebensgange der Radiolarien höchst be- 
fremdend da stehen. 
Odessa, 27. April 1871. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXIX. 


Sämmtliche Figuren mit Ausnahme der 11—14 sind mit dem Zeichen- 
prisma abgebildet. Die Vergrösserung ist in Klammern angegeben. In allen 
Figuren bezeichnet: K die Kapsel; P das strahlende Protoplasma; O die 
Oelblase; G die Gitterschale. 

1—6. Collosphära Huxleyi Müller. 

1. Eine junge nackte Kapsel, ohne Gitterschale in das strahlende 
Protoplasma eingebettet (180). 

2. Eine reife Kapsel in die Gitterschale eingeschlossen (180). 

3, 4. Gegitterte Kapseln mit nach aussen hervortretendem Protoplas- 
ma (180). 

5. Im Kapselinhalte entstehen viele Blasen (480). 

6. Weitere Differenzirung des Inhaltes in die Kügelchen c. In dieser 
so wie auch in der vorigen Figur ist die“Schale nicht abgebildet (480). 

7—17. Collosphära spinosa Häckel. 

7. Die Kapsel von einem strahligen Gitter eng umschlossen (180). 

8. Eine Kapsel mit homogenem Inhalte an die Alveole a angeschmiegt, 
von der nur ein Theil abgebildet ist (180). 


1) Jod färbt, wie Häckel richtig angibt (Jena’sche Zeitschrift. 1870, 
p. 534), die meisten in gelben Zellen eingeschlossenen Kügelchen blau. Um 
die Reaction deutlich hervortreten zu lassen, habe ich zuerst das gelbe Pig- 
ment mit Alcohol ausgezogen und dann mit starker Jodtinetur mehrere mal 
eingewirkt. In Chlorzinkjodlösung trat die Färbung schneller und inten- 
siver auf. 


Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. 381 


9. Der Kapselinhalt zerfällt in eine Menge von Kügelchen (180). 

10. Das Ausschwärmen der Zoosporen (180). 

11, 12. Die Zoosporen (600). 

13, 14. Zoosporen mit Jod getödtet (600). 

15—17. In Theilung begriffener Kapselinhalt (480). 

18—36. Collozoum inerme Häckel. 

18. Der Kapselinhalt zerfällt in grosse Partien (180). 

19. Radial angeordnete Inhaltsballen (180). 

20. Gesprengte Kapsel mit austretenden Inhaltsballen, die aus Kügel- 
chenaggregaten bestehen (180). 

21. Drei Kapseln von kleinen Bläschen gefüllt (180). 

22. Die in Theilung begriffenen Körperchen, aus welchen die grossen 
Inhaltsballen zusammengesetzt sind (480). 

23, 24. Die aneinander gerückten Kapseln, parenchymartige Aggregate 
bildend (50). 

25—28. Die durch Einschnürungen sich vermehrende junge Kapsel. 
25 die gewöhnliche Bisquitform ; 26 gekrümmte Kapsel mit zwei Ein- 
schnürungen; 27 in vier Theile zerlegte Kapsel; 28 eine sehr verlängerte, 
sich zu Theilungen anschickende Kapsel. 

29. Eine Kapsel, umgeben von vielen Bläschen, (jungen Kapseln?) die 
wahrscheinlich direkt aus dem Protoplasma entstanden sind; b c dieselben 
in Theilung begriffen (180). 

30—36. Verschiedene Formen der nach dem Tode der Colonie wachsen- 
den gelben Zellen und ihre Häutung. h die Hülle (760). 


Zur Kenntniss der feineren Nerven der Mund- 
höhlenschleimhaut. 


Von 
Dr. E. Elin aus Sibirien. 


Hierzu Taf. XXX. 


Für die Frage über das Verhalten der feineren Nerven der 
Mundhöhlenschleimhaut liegen bloss die Angaben von Kölliker und 
Krause!) vor, nach welchen die Nerven der Mundlippen und Zunge 
in den Schleimhautpapillen als Tastkörperchen und als sogenannte 
Krause’sche Kolben endigen sollen. 

Für die Endigung von feinen Nerven mit specifischen Endan- 
schwellungen in dem Schleimhautgewebe sprechen sich auch in der 
neuesten Zeit mehrere Autoren aus, so für die Nerven der Schleim- 
haut des Magens 2), der Harnblase ?) und des Kehlkopfes t). Dahin- 
gegen sagt Chrschtschonowie’) von den Nerven der Vaginal- 
schleimhaut, dass feine marklose Nerven in das Epithelium ein- 
treten, dort um die Epithelzellen Netze bilden, mit in Chlorgold 
sich stark tingirenden Körpern im Zusammenhange stehen, und über 
diese hinaus noch weiter gegen die Oberfläche zu verfolgen sind. 


1) Kölliker’s Handbuch der Gewebelehre. 2. Theil. 

2) Trütschel, Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1870. S. 115. 
3) Laodovsky, Üentralblatt f. d. med. Wissensch. 1871. 

4) Boldyrew in diesem Archiv. VII. Bd. 2. Heft. 

5) Sitzungsber. d. Acad. z. Wien. Februarheft 1871. 


Zur Kenntniss der feineren Nerven der Mundhöhlenschleimhaut. 383 


Ich untersuchte die Mundhöhlenschleimhaut des Kaninchens bezüg- 
lich der Nerven, und kann als das brauchbarste Gewebe, das mir 
ganz ausgezeichnete Resultate lieferte, die Schleimhaut des harten 
und weichen Gaumens vom Kaninchen empfehlen. Die Methode, 
deren ich mich bei meinen Untersuchungen bediente, ist dieselbe 
wie sie Chrschtschonowic angewendet hat. Von dem eben ge- 
tödteten Thiere schneide ich dünne Schleimhautstücke aus, lege sie 
in "/ °/. Chlorgoldlösung; nachdem sie 30 Minuten daselbst ge- 
blieben sind, werden sie durch mehrere Stunden (6—24 Stunden) in 
distillirtem Wasser ausgewaschen, sodann in ein Fläschchen mit 
nahezu gesättigter Weinsteinsäurelösung gelegt. Das Fläschchen 
wird in Wasser von 40—50°C. gestellt und darin so lange gelassen, 
bis die Objecte eine sammtartig dunkelbraune Farbe erlangt haben. 
Hierauf werden sie durch mehrere Minuten in destillirtem Wasser 
ausgewaschen, in Alkohol gehärtet, und zu Schnitten verwendet. 

Ohne auf den Bau der Schleimhaut des harten oder weichen 
faumens einzugehen, die ohnediess in ihren einzelnen Theilen als 
Bindegewebe, Papillen, Blutgefässe etc. zur Genüge bekannt sind, 
wende ich mich gleich zur Beschreibung der Nervenstämme der 
Schleimhaut selbst. 

Die aus markhaltigen Fasern bestehenden Nervenstämme, welche 
in den tiefen Schleimhautschichten hauptsächlich in longitudinaler 
Richtung verlaufen, geben kleinere ebenfalls aus markhaltigen Fasern 
bestehende Stämmchen ab, welche in schiefer oder nahezu senk- 
rechter Richtung gegen die Oberfläche der Schleimhaut aufsteigen. 

Diese verzweigen sich in der Weise, dass die markhaltigen 
Fasern einfach oder zu zweien gegen die Papillen der Schleimhaut 
aufsteigen. An diesen einfachen oder zu zweien verlaufenden mark- 
haltigen Fasern können wir ein ganz eigenthümliches Verhalten be- 
merken. Die Schwann’sche Scheide ist im Allgemeinen ganz 
ausserordentlich mächtig entwickelt, sie besitzt nur wenige oblonge 
scharf begrenzte Kerne, und erscheint als eine im Chlorgold eben 
noch gefärbte faserige Schichte, welche in ihrem Dickendurchmesser 
die eigentliche Nervenfaser um das Doppelte übertrifft. Diese letztere 
ist an Chlorgeldpräparaten ausgezeichnet durch Anschwellungen, die 
in ziemlich regelmässigen Abständen auftreten, und die in ihrer 
Grösse, wie wir noch anführen werden, bedeutende Verschiedenheiten 
zeigen. Die Nervenfaser erhält dadurch das Ansehen einer varicösen 
Faser. 


384 Dr. E. Elin:; 


An Schnitten, die senkrecht auf die Oberfläche geführt wurden, 
hören die meisten der eben beschriebenen Fasern in der Nähe des 
Epithels auf, oder richtiger gesprochen, sind die meisten durchge- 
schnitten, denn wie man sich an schiefen Schnitten überzeugt, än- 
dern sie in der Nähe des Epithels ihre Verlaufsrichtung und sind 
sie noch viel weiter zu verfolgen. An senkrechten Schnitten nun, 
an denen, wie oben erwähnt wurde, wegen der veränderten Verlaufs- 
richtung die markhaltigen Nervenfasern abgeschnitten sind, findet 
man diese scheinbaren Enden verschieden gestaltet. Das eine Mal 
ist die Nervenfaser hinter einer kleineren oder grösseren Anschwel- 
lung abgeschnitten ; ein anderes Mal hört die Nervenfaser mit einer 
kleineren und ein drittes Mal mit einer ganz ungewöhnlich grossen 
Anschwellung, wie solche auch im Verlaufe der beschriebenen Nerven- 
fasern anzutreffen sind, auf. Auf diese letzte Form, wie ich sie vor 
mir habe, passt ziemlich genau die Beschreibung, wie sie uns 
Boldyrew von einzelnen Nerven der Epiglottis giebt. Boldyrew 
hält diese Anschwellungen für Endigungen von markbaltigen Nerven. 
Ich kann diess für die Gaumenschleimhaut in keinem Falle thun, 
einmal, weil wie schon erwähnt, an einer und derselben Nerven- 
faser die Anschwellungen bedeutende Grössenverschiedenheiten dar- 
bieten, so dass man im Verlaufe einer solchen gerade mit einer 
grösseren Anschwellung scheinbar endigenden Nervenfaser kleinere 
und grössere Anschwellungen abwechseln sieht und zweitens, weil 
ich mich, was ich gleich weiter ausführen werde, an schiefen Schnitten 
überzeugt habe, dass die besagten Nervenfasern unter Umwandlung 
ihres Charakters als markhaltige Fasern und ihrer Richtung, noch 
viel weiter als bis zu den obersten Schleimhautschichten zu ver- 
folgen sind. 

An Schnitten, welche in schiefer Richtung durch die Papillen 
und die oberflächlichsten Schichten der Schleimhaut gelegt sind, 
kann man bemerken, dass die oben beschriebenen Nervenfasern in 
eine mehr horizontale Richtung abbiegen und in dünne oder brei- 
tere Fasern übergehen, die einer auffälligen Sch wann’schen Scheide 
fast ganz entbehren, in ihrem Verlaufe zuweilen einen oblongen 
Kern eingeschaltet enthalten und an Chlorgoldpräparaten mehr das 
Aussehen von aus fein granulirter Substanz bestehenden Fasern be- 
sitzen. Sie verzweigen sich unter dem Epithel und hängen unter 
einander zu einem nicht sehr dichten Netz zusammen. Wir können 
somit sagen: unter dem Epithel gehen die durch eine breite 


Zur Kenntniss der feineren Nerven der Mundhöhlenschleimhaut. 385 


Schwann’sche Scheide, sowie durch knotige Anschwellungen aus- 
gezeichneten markhaltigen Fasern der mucosa in marklose Nerven- 
fasern über, die zu einem Netz zusammenhängen. 

Bevor ich nun auf die weiteren Verhältnisse der Nerven über- 
gehe, will ich mir erlauben einige Bemerkungen über das geschich- 
tete Epithel des Gaumens zu machen. Bekanntlich ist das ge- 
schichtete Pflasterepithel der Mundhöhle so gebaut, dass die tiefsten 
Epithelzellen mehr cylindrisch, palissadenförmig an einander gereiht 
sind; darauf folgen mehrere Lagen polyedrischer Zellen mit je einem 
rundlichen scharf begrenzten Kerne; gegen die Oberfläche zu flachen 
sich die Epithelzellen immer mehr ab, ihre Kerne werden oblong; 
endlich liegt an der Oberfläche eine mehr oder minder breite, an 
senkrechten Durchschnitten fast homogen aussehende Schichte, in 
der ziemlich regelmässig dünne stäbchenförmige Körper, Andeu- 
tungen von Kernen, eingelagert sind, und in welcher Systeme von 
ausserordentlich feinen Streifen, — Andeutuugen von Zellengrenzen, 
— eben noch wahrgenommen werden können. In morphologischer 
Beziehung muss ich das geschichtete Epithel des Gaumens strenge 
in zwei Partien trennen; die Partie, in welcher die aus granu- 
lirtem Protoplasma bestehenden, einen deutlichen, bläschenförmigen 
Kern enthaltenden Zellen liegen, entspricht dem Rete Malpighi der 
cutis; auch hier verflachen sich die Epithelzellen, sowie ihre Kerne 
gegen die Oberfläche ; die zweite Partie, die Hornschichte, die von 
der früheren scharf abgegrenzt ist, besteht aus Schuppen, in denen 
nur mehr eine Andeutung eines Kernes zu sehen ist und die unter 
einander zu einer fast homogenen Schichte verschmolzen sind. 

An Schnitten, die von in chlorgoldgefärbten Objecten ange- 
fertigt wurden, zeigen sich in sehr vielen Fällen die tiefsten Epithel- 
zellen, die die regelmässig gestellten Papillen umsäumen, intensiv 
gefärbt, während die darüber befindlichen polyedrischen Epithelzellen 
eben noch hellviolett gefärbt erscheinen. Zwischen den polyedri- 
schen noch den tieferen Schichten angehörigen Epithelzellen fallen 
einige vereinzelt oder dichter beisammen liegende Zellen auf, deren 
Protoplasmasubstanz intensiv dunkelroth gefärbt, der centrale oder 
peripher gelegene rundliche oder oblonge Kern hell geblieben ist. 
Diese letzteren sind bald polyedrisch, bald scheinen sie mit kurzen 
Spitzen zwischen die benachbarten hellviolett gefärbten Zellen ein- 
gekeilt zu sein; sie sind ihres Kernes wegen, sowie auch, weil sie 
sich der Gestalt nach nur selten von den benachbarten notorischen 


386 Dr. E. Elin: 


Epithelzellen unterscheiden, höchst wahrscheinlich auch als solche 
zu betrachten. Zwischen den mittleren und mehr oberflächlich ge- 
legenen Schichten des Rete mucosum bemerkt man, wenn diese 
Sthichten durch Chlorgold nicht gefärbt wurden, wenn sie hell ge- 
blieben sind, ganz dunkel gefärbte Körper, die ein verschiedenartiges 
Verhalten aufweisen. Erstlich sind sie gleichmässig intensiv gefärbte 
stabförmige Körper, die mit ihrer Längsaxe senkrecht zur Ober- 
fläche gestellt und an ihren Rändern vielfach ausgezackt sind; dann 
zeigen sich verästigten Zellen ähnliche Gebilde, die bis auf einen 
mehr central gelegenen hellen, rundlichen, einem bläschenförmigen 
Kerne ähnlichen Körper dunkel gefärbt erscheinen; endlich findet 
man dunkel gefärbte, einen deutlichen Kern einschliessende Gebilde, 
die mit ihrer Längsaxe ebenso wie die zuerst angeführten, senk- 
recht zur Oberfläche gestellt sind. Alle diese Formen von zelligen 
Gebilden stehen entweder seitlich oder nach ab- oder nach auf- 
wärts mit gleichmässig dunkel gefärbten, oder nur wie aus hinter- 
einander stehenden Körnchen zusammengesetzten, mehr oder weni- 
ger geschlängelt verlaufenden Fädchen im Zusammenhange, die in 
ganz unzweideutiger Weise von subepithelialen Nervenfasern ab- 
stammen. Es kommt nicht selten vor, dass von den besagten Kör- 
pern, wir wollen sie mit Rücksicht auf das, was eben gesagt wurde, 
Nervenzellen nennen, nach abwärts ein Fädchen abgeht, das in eini- 
ger Entfernung bogenförmig sich wieder gegen die Oberfläche um- 
schlägt, in seinem Verlaufe körnige Anschwellungen besitzt, gabelig 
sich theilt oder ungetheilt bis gegen die Hornschichte zu verfol- 
gen ist. 

Von dem subepithelialen Netz markloser Fasern erheben sich 
einzelne in die Papillen, daselbst laufen sie bis an die Spitze der- 
selben vor, besitzen hier nicht seiten eine einen deutlichen oblongen 
Kern tragende Anschwellung und dringen nun in das Epithel ein. 
Andere hingegen, obwohl selten, steigen aus dem subepithelialen Netz 
in einen zwischen zwei Papillen befindlichen Epithelzapfen in das 
Epithel auf. In beiden Fällen nehmen sie einen fast senkrechten 
Verlauf gegen die Oberfläche, sind sehr häufig durch körnige An- 
schwellungen ausgezeichnet und erscheinen zuweilen wie eine aus 
hinter einander stehenden Körnchen gebildete Faser. Sie verlaufen 
im Rete mucosum mehr oder weniger stark geschlängelt bis zur 
Hornschichte, wo sie am Schnitte mit einer relativ grossen An- 
schwellung aufzuhören scheinen oder aber gabelig sich theilen und 


Zur Kenntniss der feineren Nerven der Mundhöhlenschleimhaut. 387 


dann in einer zur Oberfläche parallelen Richtung zu verfolgen sind. 
Sie geben auf ihrem Laufe durch das Rete mucosum seitlich feine 
Fädchen ab, die ebenfalls körnige Anschwellungen besitzen und sich 
entweder mit den oben beschriebenen Nervenzellen verbinden, oder 
aber um den Rand einer Epithelzelle stark geschlängelt verlaufend 
sich herumwinden, um sieh mit einem benachbarten Nervenfädchen 
zu vereinigen. 

Die Ergebnisse meiner Untersuchung kann ich, um sie in Kürze 
zu wiederholen, in folgende Punkte zusammenfassen: 

1) Aus dem submucosen Gewebe steigen kleine nur aus wenigen 
markhaltigen Fasern bestehende Stämmchen in nahezu senkrechter 
tichtung gegen die oberen Schichten der Mucosa auf. Jedes Stämm- 
chen theilt sich in der Mucosa ein- oder mehrfach so, dass daraus 
vereinzelte oder zu zweien verlaufende Fasern abgehen. 

2) Die markhaltigen Fasern sind an Goldpräparaten ausge- 
zeichnet durch grössere oder kleinere Anschwellungen, die ihnen das 
Aussehen von varicösen Fasern verleihen. Die genannten Nerven 
liegen in einer breiten in Goldchlorid sich eben noch färbenden 
kernhaltigen Schwann’schen Scheide eingebettet. 

3) In den obersten Schichten der Mucosa gehen die zumeist 
vereinzelt verlaufenden markhaltigen Fasern in marklose, einer auf- 
fallenden Schwann’schen Scheide entbehrenden, durch vereinzelte 
eingeschaltete Kerne ausgezeichnete Fasern über, die an Goldpräpa- 
raten wie aus einer feingranulirten Substanz bestehend angetroffen 
werden. Sie laufen zumeist der Oberfläche parallel und hängen 
netzartig zusammen. 

4) Aus diesem Netz steigen feine Fasern theils neben Blutge- 
fässen in die Papillen auf, von deren Spitze aus sie in das Epithel 
eindringen, theils, obwohl seltener, gelangen sie direct aus der Mu- 
cosa in die zwischen den Schleimhautpapillen befindlichen Epithel- 
zapfen. 

5) Die in das Epithel aufsteigenden feinen marklosen Nerven- 
fasern sind an den meisten Stellen ihres Verlaufes ausgezeichnet 
durch kleine körnige Anschwellungen. Sie verlaufen im Epithel fast 
senkrecht gegen die Oberfläche mehr oder weniger geschlängelt, 
theilen sich gabelig oder geben auf ihrem Laufe seitlich feine Zweig- 
chen ab, die sich stellenweise netzartig veremigen. In den mehr 
gegen die Oberfläche zu gelegenen Schichten des Rete mucosum 
stehen sie mit oblongen oder unregelmässig gestalteten, in Chlorgold 

M. Schultze, Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 7. 26 


388 Dr. E. Elin: Zur Kenntniss der feineren Nerven ete. 


sich intensiv färbenden verästigten zelligen Gebilden im Zusammen- 
hange. 

6) Einzelne Nervenfasern dringen bis in die obersten Schichten 
der abgeplatteten Epithelzellen des Rete mucosum vor, wo sie am 
Schnitte mit einer Anschwellung aufzuhören scheinen; auch hier 
zweigen sich seitlich feine Fasern ab, die ebenfalls kleine körnige 
Anschwellungen besitzen. Mit diesen sich abzweigenden feinen Fasern 
umgreifen sie (an Schnitten) in einer zur Oberfläche parallelen 
Richtung den oberen Rand einer Epithelzelle stark gesehlängelt ver- 
laufend und biegen dann wieder gegen die Mucosa ab. 

Schliesslich erfülle ich die sehr angenehme Pflicht Herrn Dr. 
E. Klein für seine freundliche Unterstützung meinen Dank auszu- 
sprechen. 

Wien, im April 1871. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXX. 


Fig. 1. Senkrechter Durchschnitt durch die Schleimhaut des Gaumens vom 
Kaninchen. Vergröss. Hartnack. Obj. 5, Ocul. 3. 
a. Epithel. 
b. Markhaltige Nerven. 
c. Querdurchschnittener Nervenstamm. 
Fig. 2. Senkrechter Durchschnitt durch die Schleimhaut des Gaumens vom 
Kaninchen. Vergröss. Hartnack. Obj. 8, Ocul. 3. 
a. Rete Mucosum. 
b. Verhornte Schichte. 
c. Papille. 
d. Nervenfädchen. 
e. Nervenzellen. 
Fig. 3. Ein ebensoleher Durchschnitt. Vergröss. Hartnack. Obj. 8, Ocul. 3. 
a. Rete Mucosum. 
b. Verhornte Schichte. 
c. Papille. 
d. Nervenfäden. 
Fig. 4. Ein ebensolcher Durchschnitt. 
a. Rete Mucosum. 
b. Verhornte Schichte. 
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