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Full text of "Archiv für mikroskopische Anatomie"

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 MARINE BIOLOGIGAL LABORATORY, 


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*,*No book or pamphlet is to be removed from the Lab- 
oratory without the permission of the Trustees, 


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Archiv 


Mikroskopische Anatomie 


herausgegeben 
von 
O. Hertwig in Berlin, 


v. 1a Valette St. George in Bonn 


und 


W. Waldeyer in Berlin. 


nun 


Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. 


Dreiunddreissigster Band, 


Mit 32 Tafeln und 3 Holzschnitten. 


Bonn 
Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 
1889. 


Inhalt. 


Ueber Argulus foliaceus. Neue Mittheilung. Von F. Leydig. Hierzu 
Tafel I bis V Tale: 0 RE a PUR EEE 

Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems von mikroskopisch 
wahrzunehmenden Veränderungen begleitet? Von BohdanKory- 
butt-Daszkieviez. (Aus dem pathologischen Laboratorium an 
der Kaiserl. Universität in Warschau.) 


Untersuchungen über die Entwicklung der Markscheiden und den Faser- 
verlaufim Rückenmark der Maus. VonDr. Michaelv. Lenhossök, 
Docent an der Universität in Budapest. Hierzu Tafel VI und VII 


Beiträge zur Kenntniss ‘der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 
I—III. Von Gustav Platner. (Aus dem anatomischen Institut 
zu Breslau.) Hierzu Tafel VII und IX. 


#* Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. Von Dr. A. Peters, 


Augenarzt in Bonn. (Aus dem anatomischen Institute zu Bonn.) 
Hierzu 2 Holzschnitte 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. Von Dr. von Linstow 
in Göttingen. Hierzu Tafel X und XI . 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. Von Gustav 
Platner. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) 

IV. Die Entstehung und Bedeutung der Nebenkerne im Pankreas, 
ein Beitrag zur Lehre von der Sekretion. Hierzu Tafel XII . 
V. Samenbildung und Zelltheilung im Hoden der Schmetterlinge. 
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VI. Die Bildung der ersten Richtungsspindel im Ei von Aulasto- 

mum gulo. Hierzu Tafel XIV . 

Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals und die Be- 
ziehungen ihres Epithels zu dem Öberflächenepithel der Schleim- 
haut. Erste Mittheilung. Von Prof. Giulio Bizzozero in Turin. 
Hierzu Tafel XV . 


Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. Mittheilung von 
Professor Giulio Bizzozero in Turin. Hierzu Tafel XVI 


Seite 


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IV Inhalt. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. Von Dr. Philipp Stöhr, Pro- 
fessor in Zürich. Hierzu Tafel XVII und XVII 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. Von Prof. 
G. Born. (Aus dem Anatomischen Institute zu Breslau.) Hierzu 
Tafel XIX—XXI 


Ueber Molluskenaugen. Von Justus Carri£tre in Strassburg. Hierzu 
Tafel XXIL . 


Trichodina sp. (pediculus ?) als Blut- und Lymphkörperchen fressender 
gelegentlicher Schmarotzer im Seitenkanal von Cottus gobio. Von 
Justus Carriere in Strassburg. Hierzu Tafel XXIV 


Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. Von Dr. J.Dewitz. Hierzu 
ein Holzschnitt . 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. Von 
G. Heinricius, Docent der Geburtshülfe an der Universität Hel- 
singfors. (Aus dem anatomischen Institute zu Berlin.) Hierzu 
Tafel XXV u. XXVI 


Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. 
Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität 
zu Tomsk. Hierzu Tafel XXVII 


Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen, Hun- 
den und Katzen. Von Dr. Adalbert Czerny. (Aus dem histologi- 
gischen Institute der deutschen Universität in Prag.) Hierzu 
Tafel XXVII und XXIX . 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes und die Entwicklung des Ex- 
kretionsystems bei Selachiern. Von J. W. van Wyhe, Dr. Med. 
Zool. u. Bot., Prosector am anatomischen Institut zu Freiburg i. B. 
Hierzu Tafel XXX, XXXI und XXX 


Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. Notiz von B. Solger, 
Greifswald 


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445 


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517 


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Ueber Argulus foliaceus, 


Neue Mittheilung. 
Von 
F. Leydig. 


Hierzu Tafel I bis V. 


Zu den Formen der einheimischen Thierwelt, welche schon 
oftmals den Antheil der Naturforscher erregten, gehört das in der 
Ueberschrift genannte Crustaceum. Insbesondere waren es die mit 
dem Mikroskop arbeitenden Beobachter, welche sich zu einem 
näheren Studium des Thieres hingezogen fühlten. 

Vor Jahren (Würzburg, im Sommer 1850) habe ich ebenfalls 
den Bau und die Entwicklung des Krebses ins Auge gefasst!). 
Dann dauerte es lange, bis sich mir an einem andern Orte (Tü- 
bingen) Gelegenheit zur Untersuchung bot, und auch dies nur an 
‚dem einzigen Exemplar einer von der früheren verschiedenen Spe- 
cies?). Um so erwünschter musste es mir daher sein, dass nach 
mehr als einem Jahrzehnt, während meines Aufenthaltes in Bonn, 
mir plötzlich der Argulus foliaceus in Menge zur Verfügung stand. 

In einem Bassin des botanischen Gartens war im Sommer 
1886 unser Thier zu einer wahren Fischplage geworden: es hatte 
sich dergestalt vermehrt, dass die Karauschen des Bassins dicht 
von dem Parasiten besetzt waren; ein solcher Fisch abgespült, 
liess im Wasser des Glases ein Gewimmel von Fischläusen zurück. 
Die Haut der Fische erschien geröthet, zerfressen, insbesondere 
zeigten sich die Flossen abgenagt und es ging ein Fisch nach dem 
andern ein. Ich hatte Aehnliches vorher noch nieht gesehen und 
weiss auch nicht zu sagen, ob irgendwo bei uns eine derar- 


1) Ueber Argulus foliaceus. Zeitschrift f. wiss. Zool. 1550. 
2) Ueber einen Argulus der Umgebung von Tübingen. Arch. f. Natur- 
gesch. Bd. 37. 1871. 


Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 1 


8 F. Leydig: 


tige Zunahme des Schmarotzers schon zur Beobachtung gekom- 
men ist!). 

Anderwärts?) habe ich bereits eine Zusammenstellung der mir 
bekannt gewordenen Arbeiten über den Argulus gegeben. Seitdem 
wurde ich auch aufmerksam auf eine Abhandlung, welche mir 
früher entgangen war und in die erste Hälfte des vorigen Jahr- 
hunderts, also gleich nach dem frühesten Beschreiber Frisch, 
fällt und von einem Schüler Linne’s herrührt. Sie betitelt sich: 
Monoculus cauda foliaca plana, descriptus a Petro Löfling?). 
Unser Krebs wird ganz nach Linne’schem Muster beschrieben, 
wobei man übrigens wohl fühlt, dass das durchscheinende Thier 
dem Beobachter in der Erkennung der Theile mehr Mühe macht, 
als etwa ein Insect von gleicher Grösse, das er mit der Lupe vor 
die Augen hätte nehmen können. 

Noch finde ich zu erwähnen Desmarets*) als einen der 
Zoologen, welche das Thier selber untersucht haben und nicht 
blos vom Hörensagen kennen. 

Unter den neueren Arbeiten ist von besonderem Werth die 
umfassende Abhandlung von Claus’), auf welche noch vielfach 


Bezug zu nehmen sein wird. — Nussbaum) hat gelegentlich 
andrer Studien histologische und experimentelle Mittheilungen über 
die Hautdrüsen unsres Thieres gegeben. — Endlich habe ich aus 


meinen letzten Untersuchungen bereits dasjenige veröffentlicht, was 
sich auf den vermeintlichen Giftstachel bezieht”), ferner Histologisches 


1) In der Literatur des Zoologischen Anzeigers, 1887, findet sich auf- 
geführt: Wright, R. Ramsay, Argulus and Mortality of Fishes. Amer. 
Naturalist, Vol. 21. Leider kann ich diese Zeitschrift nicht einsehen, aber 
der Titel des Aufsatzes lässt vermuthen, dass in Nordamerika die gleiche 
Erscheinung, wie sie oben erwähnt wurde, aufgetreten ist. 

2) Arch. f. Naturgesch. 1871. 

3) Act. soc. Upsaliensis 1744—50. Die dazu gehörige Abbildung hat 
man in der untern Ecke der vorher gegangenen Tafel, welche einer Pflanze 
gewidmet ist, zu suchen. 

4) Desmarets, Considerations generales sur la classe des Orustaces, 
1825; vergl. auch Milne Edwards, Hist. natur. des Crustaces, 1840. 

5) C. Claus, Ueber die Entwicklung, Organisation und systematische 
Stellung der Arguliden. Zeitschrift f. wiss. Zool. 1875. 

6) M. Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 
IV. Mittheilung, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 21.. 

7) Der Giftstachel des Argulus ein Sinneswerkzeug. Zool. Anz. 1886, 


Ueber Argulus foliaceus. 3 


über die Zelle und die Gewebe), zuletzt Darlegungen über Eier- 
stock und Ei?). 

Den Artikel: Kellicott, A larval Argulus?) kenne ich nur 
dem Titel nach. 

Was ich jetzt im Nachstehenden zu bieten vermag, soll haupt- 
sächlich zur Ergänzung und Verbesserung der eigenen Arbeiten 
dienen. Dass indessen Vieles unaufgeklärt geblieben ist, sowohl 
was den Bau unsres Thieres betrifft, als auch im Hinblick auf 
physiologische Verhältnisse, braucht wohl nicht erst besonders ge- 
sagt zu werden. Man müsste sich noch viel länger mit dem Thiere 
beschäftigen, als ich es that, um über Alles ins Reine zu kommen. 


I. Integument. 


Bezüglich der mancherlei höcker-, dorn- und schuppenartigen 
Rauhigkeiten, welche die Cuticula entwickeli, bemerkt der erste 
Blick, dass sie hauptsächlich der Bauchfläche des Thieres ange- 
hören und durchweg rückwärts gerichtet sind. Dass dadurch dem 
Parasiten das Sichanheften am Fisch erleichtert wird, liegt nahe. 

Während die Bauchfläche wie übersät ist von Widerhäckchen, 
schien mir früher die Rückenfläche ganz frei davon zu sein; auch 
Claus vermisst gedachte Bildungen „an der gesammten Rücken- 
fläche“. Hierzu möchte ich jetzt bemerken, dass doch auch über 
die Rückenfläche des Schildes hin kurze und zerstreut stehende 
Dörnchen vorkommen, allerdings nicht an jedem Individuum ; selbst 
bei sehr grossen Thieren konnten sie völlig fehlen. Es scheint 
eben, dass auch hier, wie z. B. am Körper der Insecten die Ent- 
wicklung der euticularen Anhänge grossen individuellen Schwan- 
kungen unterworfen ist. 

An der Bauchseite des Schildes heben sich zwei genau um- 
srenzte Mulden ab, eine vordere kleinere von rundlichem Umriss 
und eine hintere grössere, welche in die Länge gezogen ist. In 
meiner ersten Mittheilung habe ich davon nur eine unvollkommene 
Kenntniss gehabt: was ich von einer „kleinen Platte, leistenartig 


1) Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888. 

2) Thierisches Ei im unbefruchteten Zustande. Zool. Jahrbücher, 
Bd. III, Morphol. Abth. 1888. 

3) North Amer. Entomol. Vol. 1. 1880. 


4 F. Leydigp: 


abgegrenzt und mit dichten, feinen Runzeln besetzt“ aussage, be- 
zieht sich auf diese Theile und es ist daher nicht ganz richtig, 
wenn Andre meinen, ich hätte „auffallender Weise“ das Ganze . 
übersehen. Uebrigens glaube ich jetzt der Natur dieser „ovalen 
Chitinringe an der Ventralseite des Schildes“ etwas näher ge- 
kommen zu sein. 

An Larven, welche vor Kurzem ausgeschlüpft sind, mar- 
kiren sich die besagten Bildungen nicht blos durch ihren scharf 
vorspringenden Cutieularring, sondern es lässt sich erkennen, dass 
man es eigentlich mit zwei Napfbildungen oder seichten Saug- 
scheiben zu thun habe. Dies wird ersichtlich bei schräger Lage des 
Körpers, wodurch die Wand des Napfes von der Seite sich darstellt, 
wie es in Fig. 2 auf Taf. I versinnlicht erscheint. Die Structur 
im Boden des Napfes ist mir nicht völlig klar geworden: am ehe- 
sten möchte ich das Bild auf ein netziges, körniges Balkenwerk 
mit zahlreichen rundlich-eckigen Kernen und hellen Lücken da- 
zwischen, deuten. Jedenfalls handelt es sich um eine umgewan- 
delte Partie der Matrixlage des Integumentes und der Wechsel im 
Aussehen mag mit Aenderungen in der Thätigkeit des Saugnapfes 
zusammenhängen. 

Die ‚zellige blasse Sceulptur“, welche ich vom Schild des 
Argulus phosxini erwähne, ist auch hier vorhanden und bildet eine 
grobmaschige Zeichnung. Nach Anwendung von Reagentien glaube 
ich zu sehen, dass sie von Ansatzstellen der Muskeln herrührt. 

Was ich aber in der Mittheilung vom Jahre 1850 als „dicht- 
stehende feine Runzeln der Unterfläche des Schildes“ bezeichne, 
hat sich jetzt erst nach seiner wahren Natur erkennen lassen. Die 
anscheinenden Runzeln sind Netzbälkehen von eutieularer Beschaffen- 
heit, welehe zwischen den beiden Platten des Schildes hinziehen, 
während letztere nach dem freien Rande zu hart aufeinander liegen. 
Dort wo die zwei Platten noch weiter abstehen überzeugt man 
sich, dass senkrecht gestellte innere Skeletbildungen die dor- 
sale und ventrale Platte verbinden und sich in ihrer Form, weil 
nach oben und unten wie strahlig entfaltet, mit aufgestellten Garben 
vergleichen lassen. Nach dem Saume des Schildes zu immer 
niedriger werdend und auseinander tretend, können sie dort — 
von der Fläche gesehen — das Bild einer grieseligen Sculptur vor- 
täuschen (vgl. auf Taf. I, Fig. 1, Fig. 3, Fig. 4). Zehn Jahre nach 
der Untersuchung des Argulus hatte ich in den Schalenklappen der 


Ueber Argulus foliaceus. 5 


Daphniden solche, die Platten verbindenden Skeletbildungen schon 
aufgezeigt und näher erörtert. 

Eine Seulpturform der Cutieula verdient noch Erwähnung, 
weil hierin Claus, ganz mit Unrecht, meinen frühern Angaben 
entgegentritt. In der Beschreibung des Saugnapffusses von Ar- 
gulus phoxini gedenke ich einer „zierlichen Seulptur“ auf der Innen- 
seite des häutigen Randsaumes des Bechers, welche erzeugt sei 
„durch Längsreihen dicht stehender eutieularer Erhöhungen.“ Nach 
dem Genannten sollen dies nicht Cutieularerhöhungen sein, sondern 
sie wären „in Wahrheit gegliederte Chitinstrahlen.“ Nachdem ich 
von Neuem die Sache geprüft, behaupte ich mit aller Bestimmt- 
heit, dass nicht „gegliederte Chitinstrahlen“ vorliegen, sondern 
Reihen von Cutieularerhöhungen, wovon die einzelnen, von innen 
nach aussen an Grösse abnehmend, die Gestalt von Hohlkehlen 
haben, deren eine Seite etwas erhöhter ist. Die äusserste sieht 
oben wie geöffnet aus, insofern von hier erst die Verdiekung der 
Cuticula den Anfang nimmt, um dann einwärts immer mehr zuzu- 
nehmen (vergl. besonders Fig. 36 auf Taf. III). 

Wer über den vorbemerkten Thatbestand etwa noch Zweifel 
hegt, obschon die Dinge auch am fertigen Saugnapffuss klar liegen, 
möge Larven untersuchen, welche die Ruderfüsse verloren haben 
und die Anlage des Saugnapfes zeigen. Hier erscheint an der 
Basalgegend eine schuppige Sculptur, welche an die Gliederreihen 
des späteren Saugnapfes sotort erinnert und ebenfalls schon die 
Anordnung in Längsreihen sehen lässt. 

Zu den Cutieularverdiekungen des Integumentes, welche 
besonderen Zwecken dienen, gehören auch die Querspangen in der 
Furche, in welcher der Taststachel hin und her spielt; durch die- 
selben wird wohl die Form der Furche gesichert. 

Poren in der Cuticula finden sich nicht in allgemeiner Ver- 
breitung: man begegnet ihnen dort, wo Hautdrüsen münden, dann 
aber auch an Stellen ohne Hautdrüsen, so z. B. am Hacken des 
vierten Schwimmfusses beim Männchen (Taf. V, Fig. 50); auch am 
zweiten Kieferfuss kommen sie zerstreut zwischen den Dörnchen vor. 


Ueber die unterhalb der Cutieula sich hinziehende zellige 
Matrixlage möchte Folgendes zu bemerken sein. 
Einmal sind die Kerne dieser Schicht im Allgemeinen sehr klein. 


6 F. Leydige: 


Sodann kann sich die Matrixlage wie in inselförmige Partien 
_ von ungleicher Grösse zerlegen, so z. B. über der Afterklappe 
(Taf. V, Fig. 47). Die Inseln nehmen sich wie abgezirkelte kör- 
nige Flecken aus, die eine gewisse Anzahl von Kernen einschliessen. 

Ferner es verdickt sich an bestimmten Stellen die Matrixlage 
polsterartig und in solche zellige Verdiekungen verlieren sich 
die zur Haut tretenden Nerven (Taf. I, Fig. 10). Dergleichen An- 
schwellungen der Matrixlage kommen vor im Bereiche der Glied- 
maassen; sie sind auch im Grunde des Kelches der Saugfüsse 
zugegen; an den Schwimmfüssen lässt sich feststellen, dass die 
Polster bauehwärts liegen. Im Schwanzblatt des Weibchens (Taf. V, 
Fig. 43) verdickt sich die Matrixlage eine ziemliche Strecke weit 
nach der Gegend hin, wo die Samentasche liegt, während beim 
Männchen diese Verdiekung am gleichen Orte nur unbedeutend ist. 

Die Zellen der Matrixschicht können sich dahin verändern, 
dass sie selber und ihr Kern grösser werden (Taf. IV, Fig. 40) 
und in letzterem eine Anzahl von Nucleoli sich abzeichnet; ja es 
können die Zellen den Umfang und die Tracht kleiner Hautdrüsen 
annehmen, ohne jedoch zu solchen völlig zu werden, denn ich habe 
an ihnen durchaus das den Hautdrüsen eigenthümliche Ausführungs- 
röhrehen vermisst, obschon sonst in den Schwimmfüssen, nach der 
Basis zu, wirkliche mit Ausführungsröhrchen versehene Drüsen vor- 
kommen. Bei der Untersuchung des Weingeistexemplares von Ar- 
gulus phoxini hatte ich offenbar schon damals von diesen Dingen 
etwas gesehen, indem ich dort von gangliösen Endanschwellungen 
der Nerven der Gliedmaassen berichte. 

Es möchte wohl der Mühe werth sein, die im Vorstehenden 
beschriebenen Verdiekungen der zelligen Hautlage und ihren Zu- 
sammenhang mit Nerven einem besonderen Studium zu unterziehen, 
da die Vermuthung sich regen darf, dass sie den Zellenlagen ver- 
wandt sein könnten, welche man als „Sinnesepithelien‘“ zu be- 
zeichnen pflegt und näher vielleicht ins Gebiet der Becher- oder 
Knospenorgane gehören möchten. Dass ein verwandtschaftlicher 
Zug durch die „Sinneszellen“ und „Drüsenzellen“ geht, habe ich 
schon geraume Zeit her darzuthun gesucht?). 

Die Matrixlage des Integumentes erhebt sich in die Borsten 
zur Bildung eines innern fadig ausgehenden Stranges und an Lar- 


1) Vgl. in: Zelle und Gewebe. Neue Beitr. z. Hist. d. Thierkörper. p. 103. 


Ueber Argulus foliaceus. 7 


ven, deren Haut noch voll embryonaler Fettkörnchen ist, erstrecken 
sich auch die letzteren in die Borste hinein (Taf. I, Fig. 7). In 
die dickeren braunen Dornen, z. B. des Kieferfusses, setzt sich ge- 
dachte Schicht in Form einer Papille fort, wobei die Substanz der 
Zelllage ein streifiges und netziges Aussehen annimmt, mit da- 
zwischen eingestreuten Kernen. 


Als hervorgegangen aus den Elementen der Matrixlage darf 
man die Hautdrüsen betrachten. 

Die einzelligen Hautdrüsen des Argulus sind von mir in 
meiner ersten Mittheilung angezeigt, und später von Claus und 
Nussbaum genau auf den Bau untersucht worden. Vor Kurzem 
habe ich dasjenige, was ich zuletzt über das feinere Gefüge, ins- 
besondere über das Verhalten des Spongioplasma in Erfahrung ge- 
bracht, veröffentlicht‘). Indem ich im Gegenwärtigen erläuternde 
Zeichnungen beigebe (z. B. Taf. I, Fig. 12), gedenke ich nur noch 
folgender Punkte: 

1) Der Kern ist im Verhältniss zum Drüsenkörper klein. 

2) Nach Reagentien kann aus der Mündung des Ausführungs- 
gsanges, der, wenn die Drüse etwas tief liegt, von ziemlicher Länge 
ist, ein blasses, quer abgeschnittenes Gebilde hervorstehen. Ich 
sah solches z. B. an den Drüsen der Schwanzflosse deutlich und 
man geht wohl nicht fehl, wenn man das Ganze auf vorgedrungenes, 
zu Cylinderform erhärtetes Secret deutet. Ausdrücklich sei noch 
bemerkt, dass mir am lebenden Thier die Erscheinung niemals zu 
Gesicht gekommen ist. 

3) Der Drüsenkörper zeigt im lebenden Thier eine so ver- 
änderliche Gestalt, dass man ihm eine innewohnende Contractions- 
fähigkeit zuschreiben darf und ich erinnere deshalb auch an 
meine Beobachtung über Contractilität der Secretzellen in den 
Speicheldrüsen und Malpighi’schen Gefässen der Insecten?). Und 
was ebenfalls mit Rücksicht hierauf hervorgehoben sein mag: es 
lassen sich an genannten Organen der Insecten keine zu den Zellen 
gehenden Nerven nachweisen und auch bei Argulus ist es mir, 


1) Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888. 
2) Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, p. 151; 
oder in: Zelle und Gewebe, p. 39. 


8 F. Leydig: 


trotz wiederholten Nachsuchens, nicht gelungen, die Verbindung 
_ eines Nervenfadens mit Hautdrüsen aufzufinden. 

4) Neben der verbreitetsten Drüsenform, wobei die Einzel- 
zelle ihren eigenen Ausführungsgang hat, trifft man auch auf eine 
zusammengesetzte Drüsenart. Es schliessen nämlich mehrere Zellen 
zu einem rundlichen Körper zusammen, aus dessen Mitte, umgeben 
von strahliger Zeichnung, das Ausführungsrobr kommt (Taf. ], 
Fig. 13). 


Die Hautdecke kann ein grünliches Pigment enthalten, oft 
in bedeutender Ausbreitung, so am Rande der Beine, Saugnapffuss 
einbegriffen, am Schild. Mit Zunahme dieses Pigmentes bei recht 
grossen Thieren’sind auch die verschiedenen rückwärts gerichteten 
Dornen nicht bloss selber in ihrer Cutieularschieht hornbraun, son- 
dern auch ihre nächste Umgebung ist von derselben braungelben 
Farbe. Sehon in manchen der ganz jungen Thiere tritt das Pig- 
ment der Hautdecke auf und hiebei ist von besonderem Interesse 
wahrzunehmen, dass das spätere „körnige‘“ Pigment jetzt noch die 
Beschaffenheit eines rein „diffusen‘‘ Stoffes hat, welcher das Ge- 
webe durchdringt. Es ist also das körnige Pigment durch Ver- 
dichtung aus dem flüssigen entstanden. 


II. Muskulatur. 


Die topographischen Verhältnisse der Muskulatur des Stammes 
habe ich diesmal so wenig wie früher im Einzelnen verfolgt und 
kann daher nur Weniges aussagen. 

Als ein Ergebniss im Allgemeinen liesse sich hinstellen, dass 
die Muskulatur des Leibes, im engeren Sinne, nicht stark entwickelt 
ist und hauptsächlich aus Längenmuskeln besteht: die meisten 
Muskeln hingegen besitzen die Beinpaare. In die Schwimmfüsse 
hinein bilden die Bündel durch Zusammenneigen kegelige Massen. 
Dabei sieht man auch von rechts und links des Körpers sich 
kreuzende Züge, was besonders deutlich für das letzte Beinpaar 
ins Auge fällt. Die Kieferfüsse und Saugnapffüsse erhalten zahl- 
reiche kräftige Muskeln, welehe dorsal und ventral vom Schild 
entspringen. Auch dem Mundaufsatz sind besondere Muskeln be- 
stimmt. In die Schwanzflosse treten aus den vorhergehenden Rin- 
gen Längsmuskeln über; dann besitzt der genannte Körperabschnitt 


Ueber Argulus foliaceus. ) 


eine ganze Anzahl kurzer, rücken-bauchwärts gestellter Muskeln, 
welche ebenfalls in ihrer Gesammtanordnung annähernd in Längs- 
reihen stehen. 

Mit Rücksicht auf die histologische Zusammensetzung der 
Muskelsubstanz verweise ich auf die Bemerkung, welche ich jüngst 
hierüber vorgebracht habe!}). 


III. Nervensystem. 


Die früheren Untersucher kannten nur jenen dreilappigen Theil 
des Gehirns, den wir jetzt das Stirnauge nennen, während das 
ganze übrige Nervensystem übersehen worden war. Ich zeigte vor 
Jahren, dass ausserdem ein Gehirn und Bauchmark sammt aus- 
strahlenden Nerven zugegen sei und gab davon eine nähere Be- 
schreibung. Noch ausführlicher und besser ist selbstverständlich 
die Darlegung über das Nervensystem unseres Thieres, welche 
Claus fünfundzwanzig Jahre nach mir geliefert hat. Was ich 
jetzt an dieser Organgruppe sehe, mag immerhin noch der Erwäh- 
nung nicht unwerth sein (vgl. Taf. II, Fig. 15; Taf. IV, Fig. 42). 

Das obere Hirnganglion zeigt im ganz unbehelligten Zu- 
stande eine rundliche Form, mit vorderer schwacher Einkerbung. 
Aus ihm entspringen die dicken Sehnerven, welche, und zwar 
ziemlich plötzlich, nach rechts und links abbiegen und ehe sie das 
Auge erreichen, zu einem Ganglion anschwellen. Am jüngeren 
Thiere erscheint dieses Ganglion opticum von verhältnissmässig 
srösserem Umfang als später der Fall ist. 

Nach vorne und unten, ehe die Commissuren zur untern Partie 
des Gehirns oder dem Anfang des Bauchmarkes abgehen, springt 
ein anderes Ganglion vor von länglich runder Gestalt. Ich möchte 
dasselbe für homolog halten dem von mir am Gehirn der Insecten 
unterschiedenen Lobus olfaetorius, da aus ihm, wie dort, der 
Nerv für die Antenne entspringt und auch der Nerv zum Tast- 
stachel aus ihm hervortritt. Dieser Theil des Gehirns ist ebenfalls 
an jüngeren Thieren, gleich dem Augenganglion, verhältnissmässig 
umfänglicher als in späterer Zeit. Da dieser Hirntheil nicht so 
ohne weiteres dem Blicke sich darbietet, so mag zur Orientirung 
bemerkt sein, dass man am lebenden Thier die Kreuzungsstelle 


1) Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888, 


10 F. Leydig: 


ins Auge zu fassen hat zwischen der Chitinleiste des Schildes und 
_ der langen Chitinsehne des Muskels des Oberkiefers: dort wölbt 
sich, namentlich gut sichtbar an jüngeren Tieren, dieses Antennen- 
sanglion zur Seite der Commissuren hervor. 

Die Commissuren, zum Anfang des Bauchmarkes herab- 
steigend, sind kurz und dick. Die Oeffnung, welche sie begrenzen 
zum Durchtritt des Schlundes, ist nicht von kreisrunder Form, 
sondern nach oben verlängert und dann quer abgeschnitten. An 
ganz unbehelligten Thieren lässt sich diese Gestalt des Umrisses 
der Durchgangsstelle für den Schlund erkennen; da jedoch die 
Theile, welehe begrenzen, weich sind, so kann sich leicht die 
Form ins einfach Ovale oder auch Birnförmige umsetzen. 

Das nun anschliessende Bauchmark ist von gedrängter Ge- 
stalt und hört schon, was wieder an früheren Stadien gut sichtbar 
ist, dort auf, wo der Magen beginnt. Es besteht aus sechs Gan- 
glienpaaren, die dieht zusammengeschoben sind; eine mittlere Thei- 
lung in Form einer Längsspaltlinie ist schwach ausgedrückt, doch 
am Hinterende ist durch einen tieferen Einschnitt der paarige 
Charakter schärfer gekennzeichnet. 

Das erste Ganglienpaar, welches ich nach einer früheren 
Auseinandersetzung!) zum Gehirn rechne und als dessen untere 
Portion ansehe, liegt in gleicher Höhe mit dem Mundaufsatz und 
ist um ein bedeutendes breiter als das nächstfolgende Paar; an 
Larven setzt es sich auch seitlich recht scharf vom übrigen Bauch- 
mark ab. 

Die mittlere Spaltlinie der Bauchmarksganglien kann sich 
für jedes Paar als eine birnförmige kleine Lücke darstellen, die 
nach hinten zu immer geringer wird, so dass sie auch keineswegs 
an jedem Thier zur Anschauung gebracht werden kann. Ich glaube 
einigemale gesehen zu haben, dass ein Blutkügelechen sich durch 
eine solche Lücke drängte. Bei Hirudineen fand ich seiner Zeit, 
dass Muskeleylinder durch die entsprechenden Lücken des Bauch- 
markes hindurchtreten?). Hier beim Argulus konnte ich mich nicht 
überzeugen, dass Muskeln die Lücken durchsetzen. 

Ueber den feineren Bau der Nervencentren vermag ich nur 
Einiges zu berichten. 


1) Bau des thierischen Körpers. 1864. 
2) a. a. O. p. 144; Tafeln zur vergleichenden Anatomie, Taf. IV, Fig. 1' 


Ueber Argulus foliaceus. 11 


Unterhalb des eutieularen Neurilemms wird die Rinde des 
Gehirns und Bauchmarkes von Ganglienkugeln gebildet, die fast 
durchaus nur den Charakter kleiner hüllenloser Zellen zeigen. 

Im Innern der gangliösen Anschwellungen erscheint „Punct- 
substanz‘“ und wiederholt gleichsam als Kern des Ganglions dessen 
Umriss. 

Bezüglich der Faserung finde ich hervorzuheben, dass an der 
Innenpartie der von der oberen zur unteren Gehirnportion gehen- 
den seitlichen Commissuren die innersten Züge der Fasern einen 
völlig geschlossenen Ring bilden. Da ich seiner Zeit vom Gehirn 
der Lumbrieinen das Dasein einer gleichen Anordnung der Faser- 
züge anzuzeigen hatte !), so ist wahrscheinlich, dass wir es mit 
einer Bildung allgemeinerer Art zu thun haben. Ein weiterer 
Theil der Züge, welche die Commissuren zusammensetzen, strahlt 
gegen die Sehnerven aus, wobei, was mit Sicherheit zu sehen ist, 
eine Kreuzung von rechts und links stattfindet. 

Am Augenganglion (Taf. II, Fig. 16) unterscheidet man wie- 
der die Ganglienkugeln, welche, nach aussen liegend, die eigent- 
liche Anschwellung bedingen und zweitens die Faserzüge, welche 
vom Sehnerven herkommen. Die letzteren biegen innerhalb des 
Ganglions plötzlich im Winkel um und nehmen dann die Richtung 
segen das Auge. So lange uns dieses Verhalten noch nicht klar 
geworden ist, sieht man mit Verwunderung, dass der Zug der 
Nervenfasern vorne auf einmal scharf und schräg wie abgeschnitten 
erscheint. Durch diesen Verlauf kreuzen sich eine Strecke weit 
die Fasern, und die Stelle, wo die Umbiegung erfolgt, kann bei 
gewisser Ansicht sich ausnehmen, wie ein körniger „Kern“ des 
Augenganglions. 

Innerhalb der Anschwellungen des Bauchmarkes lässt sich 
abermals, ausser der kleinzelligen Rinde und der Punetsubstanz 
im Innern, noch eine Faserung erblicken, die einmal von den 
Commissuren zwischen Gehirn und Bauchmark her durch sämmt- 
liche sechs Knotenpaare in der Längsrichtung sich erstreckt; so- 
dann unterscheidet man Querzüge und endlich die von beiden — 
den Längs- und Querfasern — entspringenden Ausstrahlungen in 
die vom Bauchmark abgehenden Nerven. 


I) a. 2.0. p. 158. 


12 F. Leydig: 


Zum peripherischen Nervensystem zählen: 

1) Die vom Gehirn abgehenden starken Sehnerven, welche 
eine Strecke weit hart aneinander liegen, bevor sie plötzlich nach 
aussen sich richten. 

2) Der Antennennerv; er kommt von dem Ganglion, welches ich 
vorhin dem Lobus olfactorius verglichen habe. Von ihm geht nach 
einwärts, etwa in der Höhe des Ganglion optieum, ein schwacher 
Zweig ab, ohne dass mir klar geworden wäre, wohin er sich 
verliert. 

3) Der Nerv zum Taststachel (bisher Giftstachel genannt); er 
entspringt zwischen der Wurzel des Lobus olfactorius und der 
oberen Hirnportion. 

4) Nerven, welche wahrscheinlich den Mundtheilen bestimmt 
sind und aus dem unteren Schlundganglion den Ursprung nehmen. 
Aus dem gleichen Abschnitt kommt weiter rückwärts ein stärkerer 
Nerv, welcher sich theilt, um den Saugnapffuss und den Kiefer- 
fuss zu versorgen. 

5) Das nächste, also zweite Ganglion des Bauchmarkes ent- 
sendet je einen starken Nerven quer nach aussen zum Kieferfuss. 

6) Aus dem dritten, vierten, fünften und sechsten Ganglion 
entspringt je ein Nerv; alle richten sich nach hinten und bilden 
einen dicken Nervenbüschel, welcher einer Cauda equina ver- 
gleichbar ist, die Nerven für die vier Schwimmfüsse liefert und 
den Rest in die Schwanzflosse abgiebt. Aus dem dritten Ganglion 
scheinen mir, wie früher, auch die Nerven zu stammen, welche den 
Kopfschild versorgen. 

Ich glaube zu sehen, dess die vom Bauchmark entspringenden 
Nerven zwei Wurzeln haben, eine dorsale und eine ventrale, welche 
dieht übereinander liegen. Wenn diese Beobachtung richtig ist, 
so würde sie an das anschliessen, was ich längst bei Anneliden und 
Arthropoden mit Sicherheit erkannt habe, allwo nämlich die vom 
Bauchmark entspringenden Nerven ebenfalls aus einer dorsalen 
und ventralen Wurzel sich zusammensetzen }). 


Mit Rücksicht auf die histologische Structur der Nerven sei 
nur nochmals?) hervorgehoben, dass bei unserm Thier der 


1) a. a. ©. p. 146 (Anneliden); p. 195 (Arthropoden). 
2) Vergl. Altes und Neues über Zelle und Gewebe. Zool. Anz. 1888. 


Ueber Argulus foliaceus. 13 


röhrige Charakter der „Nervenfasern“ sehr in die Augen springt; 
auch ist in manchen der Röhren eine Spur von Septen- oder 
Maschenwesen zu erkennen. 

In die Reihe der „Riesenfasern“ ist der Nerv im Taststachel 
zu stellen; anstatt der Riesenfaser oder zugleich mit ihr können 
noch einige Röhren von gewöhnlichem Durchmesser zugegen sein. 

In meiner frühesten Mittheilung!) habe ich das eigenthüm- 
liche Verhalten einer von je einem Nerven des Schwimmfusses 
sich ablösenden ‚Nervenfibrille“ beschrieben. Es ist leicht das 
wiederzusehen, was ich damals gezeichnet. Bei der Neubesichti- 
sung ist mir indessen eine Zeit lang der Zweifel aufgestiegen, ob 
der immer an bestimmter Stelle durch den Blutraum des Schwimm- 
fusses sich hinspannende, gegabelte Theil nicht vielmehr ein Li- 
sament, also bindegewebiger Natur sei. Allein ich musste zuletzt 
doch zu meiner ersten Auffassung zurückkehren. Denn es liess 
sieh mit Bestimmtheit ermitteln, dass eine Nervenröhre am Stamm 
sich ablöst und in den Blutraum tritt, und selbst der helle Faden, 
welcher an der Stelle, wo die Zelle eingeschaltet ist, abgeht 
und zur Haut tritt und noch am ehesten für ein Anheftungsband 
zu nehmen wäre, schien mir doch auch nervös zu sein. Ich habe 
zur weiteren Prüfung das Einzelne, was ich zu sehen vermochte, 
in Fig. 9 auf Taf. 1 festgehalten. 

Und nun möchte im Anschluss hieran es passend sein zur 
Erklärung der Zeichnung, durch welche ich das Endverhalten 
eines Schildnerven veranschaulicht, Einiges zu bemerken (Taf. I, 
Fig. 3). 

Man sieht in den Schild zwei Nerven eintreten, einen vor- 
deren, der sich der Kopfgegend zuwendet, und einen anderen, der 
dieker ist und weiter nach hinten zu sich verbreitet. Die Nerven 
halten sich in der dorsalen Fläche des Schildes, sie gehen über 
die Magenverästelungen her und darüber hinaus; theilweise ziehen 
sie deutlich durch Bluträume und alsdann lässt sich da und dort 
feststellen, dass von ihnen weg zarte Anheftungsbänder gehen, die 
als fadige Ausläufer von den Matrixzellen der Nervenröhren kom- 
men, demnach genau so sich ausnehmen, wie die gleichen Liga- 
mente des Nerven im Blutraum des Taststachels. Unter fortwäh- 
render Theilung werden die Nerven des Schildes schmäler und 


1) Zeitschrift f. wiss. Zool. 1850, Taf. XX, Fig. 2. 


14 F. Leydie: 


blasser, und die Schwierigkeit nimmt zu, sie nicht aus dem Auge 
. zu verlieren, gar nicht gerechnet, dass so viele andere Theile in 
der Ausbreitung des Schildes zugegen sind, welche das Verfolgen 
der Nerven behindern, so die Magenverästelungen, die Hautdrüsen 
mit ihren zum Theil recht langen Ausführungsgängen, die Zellen 
des Fettkörpers, die Skeletbälkchen gröberer und feinerer Art. 

Gelingt es nun trotz alledem, den fein und blass gewordenen 
Endausläufern eines Nerven, dessen röhriger Charakter auch hier 
im Schild deutlich sichtbar bleibt, bis zum Rande nachzugehen, 
so lässt sich soviel erkennen, dass sie sich in die zellige Matrix- 
lage des Integumentes verlieren, wobei es von Bedeutung bleibt, 
dass keineswegs, was man von vorneherein für wahrscheinlich 
halten möchte, der Streifen im Innern der grösseren Randborsten 
des Schildes ein Nervenendfaden ist. Auf diesen Punkt soll gleich 
nachher bei den „Sinnesborsten“ noch einmal und näher einge- 
gangen werden. 


IV. Sinnesorgane. 
1. Sinnesborsten. 


An bestimmten Stellen des Körpers stehen borstenähnliche 
oder fadige Bildungen, welche man in Anbetracht ihrer Länge und 
zarten, weichen Beschaffenheit für Sinnesborsten anzusehen sich 
geneigt fühlen darf. Dergleichen Bildungen kommen vor: 

1) an den Antennen, 2) am Schildrand; 3) am Saugnapf- und 
Klammerfuss, sowie an den Schwimmfüssen ; 4) an den Schwanz- 
anhängen (vgl. Taf. I, Fig. 4, Fig. 5, Fig. 6; Taf. II, Fig. 21, Fig. 22). 

Bereits in der Arbeit über Argulus phoxini erwähne ich die 
„blassen, zarten Borsten“ an der hinteren Antenne und denke 
an „Tastborsten, vielleicht auch an Geruchszapfen“. Diese Auf- 
fassung, auf die Untersuchung eines Weingeistexemplares gegründet, 
liess sich jetzt an den frischen Thieren des Argulus foliaceus be- 
stätigen, indem hier ähnliche Sonderungen zum Vorschein kamen, 
wie ich sie an den fadigen Bildungen der Antennen verschiedener 
Arthropoden längst aufgezeigt habe. 

Es kamen folgende Formen vor: 

Das Endstück der Borste läuft gleichmässig blass und dünn aus. 

Das blasse Endstück ist wie von einem niedrigen dunkeln 
Gürtel umfasst, was im optischen Durchschnitt durch einen schär- 


Ueber Argulus foliaceus. 15 


feren Strich rechts und links vom blassen Endstück ausgedrückt 
erscheint. 

Es fehlt das blasse hervorstehende Endfädchen, und die zwei 
dunklen Striche begrenzen das freie Ende der Borste. 

Endlich kann — ich sah es am zweiten Antennenpaar und 
nach Anwendung härtender Lösungen — die Borste ein deutliches 
dunkles Endknöpfehen haben und in diesem Endknöpfehen konnte 
mitunter (Kalibichr., dann Kalilauge) in bestimmter Weise noch 
eine helle Mitte, wie eine Lichtung, unterschieden werden. 

Nach Vorstehendem-könnte es scheinen, dass zweierlei Sinnes- 
borsten an den Antennen zugegen wären, solche, die einfach blass- 
fadig ausgehen und zweitens andere, welche ein dunkles, mar- 
kirtes Ende haben. Doch-möchte wahrscheinlich sein, dass beide 
in einander sich verlieren und Abänderungen einer und derselben 
Form sind, wofür auch das, was an den Borsten anderer Körper- 
stellen sichtbar ist, spricht. 

Die aus der Unterfläche des Sehildrandes hervorstehenden 
Sinnesborsten haben eine Art Sockel, der in Länge und Breite 
nach den einzelnen Borsten etwas verschieden ist; aus ihm erhebt 
sich der eigentliche Endfaden. Letzterer im frischen Zustande 
hell und blass, geht bald stumpf, bald spitz aus; auch hier kann, 
namentlich nach Behandlung mit Reagentien (Chrom-Essigsäure) 
ein glänzendes Endknöpfehen auftreten, welches den Eindruck 
macht, als sei es entstanden durch eine Substanz, die aus dem 
Innern vorgequollen ist und fest geworden. Diese Sinnesborsten 
des Schildrandes mögen für das Thier in früheren Stadien noch 
mehr Bedeutung haben, als später, denn sie sind bei der Larve 
um vieles länger als im ausgebildeten Thier (Taf. II, Fig. 20); sie 
stehen bei der Larve vereinzelt auch dorsal, insbesondere bemerkt 
man drei, welche vor dem Auge sich erheben. 

Die Sinnesborsten des Saugnapffusses sind auf einem 
seitlichen Lappen oder Anhang angebracht, oberhalb des Rand- 
saumes. An diesen bemerkte ich nur ein zugespitztes Ende. 

An den Sehwimmfüssen begegnet man vereinzelt solchen 
Borsten nach der Wurzel des Fusses zu, und auch an diesen kann 
ein Endknöpfehen vorhanden sein (Taf. I, Fig. 10, Borste links), 
oder sie stehen dicht beisammen, so beim Männchen am höcke- 
rigen Anhang der Wurzel des zweiten Schwimmfusses. Man er- 
kennt hier zwischen den derberen, zackigen Cuticularschüppchen 


16 F. Leydig: 


zahlreiche, nicht lange Börstehen, die nach ihrem blassen, zarten - 
Wesen hierher gehören mögen. 

Am Ende des Klammerfusses fällt ausser den zwei chiti- 
nisirten Klauen ein darüber hinausragender fingerförmiger Fortsatz 
auf von blasser, weicher Beschaffenheit, und auf ihm erhebt sich 
noch ein ebenso geartetes Cylinderchen, dessen Ende nach Reagentien 
wieder deutlich ein Endknöpfchen sichtbar werden lässt (Taf. III, 
Fig. 34). 

Hingegen trafich nie an den Borsten des Schwanzanhanges 
das Endknöpfehen: sie gingen immer spitz aus. Am hier eben- 
falls gut abgegrenzten Sockel machte sich öfters eine kurze Stri- 
chelung bemerkbar, die vielleicht auf eine Art Sceulptur auszulegen 
sein wird (Taf. I, Fig. 5, Fig. 6). — Auch diese Borsten sind an 
der Larve verhältnissmässig länger als im fertigen Thier. 


Die angeführten fadigen Bildungen für Sinnesborsten zu er- 
klären, wird ausser dem bereits über das Aussehen Vorgebrachten 
noch dadurch unterstützt, dass sich da und dort Nerven zeigen, 
welche nach der Gegend, wo die Borsten stehen, ausstrahlen. Doch 
ist das Endverhalten der Nerven zu den Borsten ein anderes, als 
man bisher annahm. 

Es wollte früher scheinen, dass der innere Faden der Borste 
ein Nervenende sei, während sich jetzt erkennen liess, dass der- 
selbe zunächst ein Ausläufer der zelligen Matrixlage des Integu- 
mentes ist. Recht deutlich, weil mehr ins Grosse gehend, schickt 
in den verhältnissmässig dicken Finger des Klammerfusses die 
Matrixlage einen solchen Fortsatz, der von streifigem Wesen und 
kernlos ist, während unten in der Matrix die Kerne klar aus der 
Zellsubstanz sich abheben. 

In den Borsten des Schildrandes kann der Innenfaden in 
Form einer härteren Linie auftreten oder wie cutieularisirt sich 
ausnehmen; an der Wurzel desselben sah ich schon bei Argulus 
phoxini ein kleines Körperchen von gleicher optischer Beschaffen- 
heit und von ihm weg rückwärts einen fadigen Ausläufer. Früher 
meinte ich diese Bildungen als solche deuten zu können, welche 
nervöser Art wären; allein jetzt gelang es sich zu überzeugen, dass 
sie mit dem Stütz- oder Skeletgewebe zusammenhängen, welches 
sich zwischen den beiden Platten des Schildes verbreitet (Taf. I, 


Ueber Argulus foliaceus. ar 


Fig. 1, Fig. 4). Was hingegen die Nerven anbetrifft, welche man 
etwa bis zum Schildrande zu verfolgen vermag, so verlieren sich 
- dieselben, wie bereits gemeldet wurde, in die Zellsubstanz der 
Matrixlage (Taf. I, Fig. 1). Ein Zusammenhang des Innenfadens 
der Borste mit Nerven ist demnach nur insofern anzunehmen, als 
das Hyaloplasma des Nerven in die gleiche Substanz der Matrix- 
lage und damit auch in die Borstengebilde hinein überfliessen kann. 

An den Borsten der Schwanzanhänge kann ebenfalls das 
Körperchen in der Basis und der schärfere Achsenfaden mit Sicher- 
heit (z.B. beim Gebrauch von Methylgrün) gesehen werden (Taf. I, 
Fig. 6), aber es fehlt der rückwärts gehende Faden, da ja hier 
auch nichts von einem inneren Stütz- oder Skeletgewebe im Schwanz- 
anhang zugegen ist. Das Ende des Nerven sucht einen Zellen- 
ballen auf, der als umgewandelte Partie der Matrixlage des In- 
tegumentes angesehen werden daıf. 

Ein zum Theil anderes Bild gewährt das Innere der Borsten 
oder Riechfäden an den Antennen: sie sehen aus wie gefüllt mit 
heller Substanz. Bei der Feinheit der bezüglichen Theile lassen 
sich ihre Beziehungen zu einander mit unsern Instrumenten un- 
möglich mit Sicherheit ermitteln. Ich möchte mir aber denken, 
dass das Spongioplasma der Zellgruppen, an welche der Nerv 
herantritt, in jene Wandlage der Borste übergeht, welche unter- 
halb ihrer Cutieularbegrenzung hinzieht, während das Hyaloplasma 
als helle Substanz das Innere der Borste erfüllt, und dieser Inhalt 
möge es sein, welcher bald als Endfädchen, bald als Endknöpfchen 
hervortreten könne. 

Zum besseren Verständniss dessen, was ich meine, kann wohl 
der Artikel „Hautsinnesorgane der Arthropoden“ dienen, auf welchen 
ich zurück zu verweisen mir erlaube, allwo die früheren Beob- 
achtungen zusammengestellt und nach gewissen Gesichtspunkten 
verknüpft sind). 


Für einen Riechkolben in grösserem Maassstab ist das 
Gebilde anzusprechen, welches lange Zeit als ein Giftstachel ge- 
golten hat (Taf. III, Fig. 28). 

Dasselbe bildet das Schlussstück der vermeintlichen Giftröhre 
(Taf. III, Fig. 26) und stellt einen kegelig zulaufenden Theil vor, 


1) Zool. Anz. 1886. 


Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 323, 


180) 


18 F. Leydig: 


dessen Wand verdickt ist. Am freien Ende sitzt ein von mir 
längst erwähntes helles Knöpfehen auf, an dem auch noch ein 
Fleck wahrgenommen werden kann, den ich jedoch nieht weiter 
aufzulösen vermag. Die Nervenröhre — der frühere ‚‚Gifteanal“ 
— verliert sich derart an die Wurzel des Riech- oder Tastkol- 
bens, dass man sagen darf, das helle Plasma im Innern des Kol- 
bens und die Nervensubstanz fliessen in Eins zusammen. Zu dieser 
Auffassung gelangt man namentlich in dem Fall, wenn innerhalb 
des alten „Stachels“ der bei der nächsten Häutung frei werdende 
jüngere Kolben bereits durchschimmert. 


- 


2. Stirnauge. 


Alles was ich in meiner ersten Veröffentlichung bezüglich des 
„kleeblattartigen Lappens“ des Gehirns anzugeben wusste, war 
richtig; selbstverständlich lässt sich aber jetzt — nach bald 40 Jah- 
ren — mehr daran sehen, als damals möglich gewesen ist. 

Zunächst mag bemerkt sein, dass besagtes Organ von einem 
klar abgesetzten Blutraum umzogen ist, durch den die Blutkügel- 
chen im lebenden Thier zahlreich strömen (Taf. IV, Fig. 37). 

Die Verbindung mit der oberen Hirnanschwellung geschieht 
durch eine diekliche Spange jederseits, welche vom hinteren Lappen- 
paar abgeht und einen starken Nerven vorstellt. Von der Spitze 
des vorderen Lappens zieht sich ein feiner Streifen geradlinig 
nach vorn, der nur vom Neurilemm kommt und als Anheftungs- 
band zu deuten ist. Es tritt dasselbe zwischen den Ursprung der 
beiden Nervi optiei, nimmt ein etwas schärferes Aussehen an und 
verliert sich, soviel ich zu sehen im Stande bin, ins Neurilemm 
der oberen Hirnanschwellung. Nach Claus wäre auch dieses 
„Anheftungsband“ ein wirklicher unpaarer Nerv. 

Die eigentliche Zusammensetzung des in Rede stehenden Or- 
gans ist mir nicht ganz klar geworden. Der Grund von jedem 
Lappen besteht aus kleinen Zellen, man könnte sagen, derselbe 
sei sangliös, wovon man sich am ehesten dadurch überzeugt, 
dass man von unten her das Organ zu besichtigen sich bemüht. 
Nach oben hin ist ein helles Plasma zu unterscheiden, das in 
fächrig gestellte Streifen sich zerlegt und helle Kerne besitzt. 
Beim lebenden Thier lässt sich mitunter sehen, dass förmliche 
strahlige Spaltlinien die Masse zertheilen. Das Vorgebrachte könnte 


Ueber Argulus foliceus. 19 


zur Annahme führen, es seien die Zellen, welche das Organ bil- 
den, in ihrem äusseren Abschnitt derartig umgeformt, dass man 
sich an die strahligen Bildungen im zusammengesetzten Auge er- 
innern dürfe. Doch bleibt zu bemerken, dass nichts von eigent- 
lichen Nervenstäben aus Krystallkegeln zu erblicken ist. Auf 
Fig. 37 sind die verschiedenen Bilder, welche sich darboten, zu- 
sammengestellt. 


Was uns immer am meisten bestimmen wird von einem Auge 
zu sprechen, ist die Anwesenheit und das Verhalten des Pig- 
mentes. 


Es finden sich vor 1) vereinzelte gelbe Fetttröpfehen; 2) ein 
diffuses blaues Pigment; 3) ein aus Molecularkörnchen bestehendes 
schillerndes Pigment, was ich bereits in meiner ersten Mittheilung 
dem silberglänzenden Pigment in der Haut der Fische verglichen 
hatte. Dieses weiss schillernde, wohl guaninhaltige, Pigment ist 
in sehr wechselnder Menge zugegen, fehlt auch häufig ganz, bildet 
aber an grossen wohlgenährten Thieren, deren Magenverästelung 
roth, weil voll vom aufgenommenen Blute ist, zwei deutlich her- 
vortretende Flecken. Endlich ist 4) ein braunkörniges Pigment 
zugegen, durch dessen Anordnung becherförmige Abtheilungen ent- 
stehen: zwei im vorderen Lappen und wie dieser nach vorn ge- 
wendet, zwei im hinteren Lappenpaar und nach aussen gekehrt. 
Diese vier Becher zeichnen sich klar ab; aber man empfängt beim 
Anblick des ganzen Organs den Eindruck, als ob noch zwei an- 
dere Becher nach unten und vorn gekehrt, zugegen wären, man 
also eigentlich sechs solche Abtheilungen zählen könne. 


Im Larvenstadium bietet das Stirnauge noch etwas Be- 
sonderes insofern dar, als sich jeder der hinteren Lappen schwach 
eingekerbt zeigt (Taf. II, Fig. 20). Ferner heben sich nach Auf- 
legen des Deckglases vier — zwei nach vorn, zwei nach hinten 
gestellte — lichte Stellen ab, wodurch man an 'Anfänge blasser 
„Krystallkegel“ erinnert werden könnte. Bezüglich der Pigmen- 
tirung erscheint das Larvenauge recht bunt: es spielt bei durch- 
gehendem Licht am Rande in Blau, Violett, Gelb und Braun. 

Was sich im Ganzen an diesem „Stirnauge‘“ sehen lässt, hat 
fast ebenso viel Verwandtschaftliches zu einer Gruppe von pig- 
mentirten „Becherorganen“, wie zu einem „Auge“. Diese Bemer- 
kung möchte ich nicht unterlassen im Hinblick auf die Ansicht, 


20 F. Leydig: 


welche ich vor Kurzem über das Parietalorgan der Saurier ge- 
äussert habe). 
3. Paariges Auge. 

Die Form der Seitenaugen bezeichnete ich früher als kugelig, 
indessen je nach der Lage des Organs zu dem Beobachter bietet 
es auch die Gestalt einer Birne dar, ja bei gewissen Stellungen 
ist es nierenförmig durch eine mittlere Einbiegung (Taf. II, Fig. 16, 
Fig. 17, Fig. 18). 

Blickt man auf den inneren Bau, so unterscheidet man zu- 
nächst eine homogene, das Organ begrenzende Haut und darunter 
eine körnige, mit Kernen versehene Matrixlage, also eine Cuti- 
cula und ihre Zellschicht; die Haut ist Fortsetzung des Neu- 
rilemms des Sehganglions und. entspricht der derberen binde- 
gewebigen Umgrenzung des Augapfels höherer Thiere. 

Darunter folgt die Lage der Krystallkegel, wovon der 
einzelne im Allgemeinen birnförmig und dabei viertheilig ist; ein 
anscheinend körniges Wesen, welches im Innern des Kegels auf- 
treten kann, ist der optische Ausdruck feiner Vacuolenbildung. 
Richtet sich der isolirte und etwa mit Kalilauge behandelte Kry- 
stallkegel so, dass dessen hinteres Ende von der Fläche gesehen 
wird, so zeichnet sich zwischen den Segmenten ein viereckiges 
Feldchen ab (Taf. II, Fig. 19). 

Um den einzelnen Kegel herum, aus der Tiefe des Auges 
kommend, zieht eine besondere Hülle, die offenbar dem Schlauche 
entspricht, der im zusammengesetzten Auge anderer Arthropoden 
je einen Krystallkegel sammt Nervenstab umschliesst. 

An das vorhin erwähnte viereckige Feldehen am hinteren 
Ende setzt sich der Nervenstab an; er ist ebenfalls vierkantig und 
quergeriefelt. — Im Auge ganz junger Larven sind die Krystall- 
kegel schon zugegen, aber klein und wenig zahlreich. 

Beachtenswerth möchte die Wahrnehmung sein, dass die 
Krystallkegel einen entschiedenen Dimorphismus an den Tag legen, 
wodurch ein Theil des Auges ein eigenartiges Gepräge erhält 
(Tab. II, Fig. 17). 

Schon am Auge des lebenden Thieres kann nämlich ersicht- 
lich werden, dass, indem wir die aus der Pigmentzone hervor- 
stehenden Krystallkegel in ihren Reihen verfolgen, dieselben gegen 


1) Zool. Anz. 1887. 


Ueber Argulus foliaceus. 21 


den Stiel des Auges an Grösse abnehmen. Hat man ferner das 
dunkle Pigment durch Reagentien weggeschafft, so bilden diese 
kleineren Krystallkegel eine besondere, zusammenschliessende 
Gruppe hart am Hinterrande des Auges. Die gemeinten Kegel 
sind nicht bloss deutlich vierlappig, sondern von dunklerem Um- 
riss als die übrigen, darnach zu schliessen also wohl von härterer 
Beschaffenheit. Ihre Zahl beträgt etwa ein Dutzend. 

In einem Punkte blieb jedoch für mich eine gewisse Un- 
sicherheit. Die vierlappige Figur, ausgezeichnet durch scharfen 
Umriss, habe ich im Bisherigen auf die Krystallkegel im engeren 
Sinne bezogen, während bei Betrachtung der Wurzel des Auges 
im optischen Querschnitt es mir scheinen will, als ob es das Kopf- 
ende des Nervenstabes selber wäre, welches besonders geartet den 
„Krystallkegel“ vorstelle. 

Die Nervenstäbe schliessen, soweit ich zusehen vermochte, 
unmittelbar rückwärts, nachdem sie sich verjüngt haben, an die 
aus dem Sehganglion herantretenden Nervenröhren an. 

Das Pigment der Seitenaugen ist von zweierlei Art: 

1) ein dunkelviolettes, dessen Elemente innerhalb der Zell- 
substanz eine wimmelnde Bewegung zeigen; 

2) ein braunes von diffusem Wesen, dann auch wieder körnig- 
klumpig, ebenfalls in Zellen enthalten, die aber kleiner sind, als 
jene, welche das vorige Pigment enthalten und die Körnchen führen 
keine Molecularbewegung aus. 

Nach Behandlung des Auges mit doppelehromsaurer Lösung, 
dann Kalilauge, machen sich in der Zone des zerstörten Pigmentes 
körnige Klümpchen bemerklich, welche mir die Kerne der früheren 
Pigmentzellen zu sein scheinen (Taf. II, Fig. 17). 


Vergleicht man Larven und fertige Thiere mit einander be- 
züglich des Auges, des Sehganglions und Gehirnes in ihrem gegen- 
seitigen Verhältniss, so sitzt bei der Larve das Augenganglion 
noch unmittelbar dem Gehirn an und ebenso der Augapfel noch 
hart dem Sehganglion. Das Auseinanderrücken dieser verschie- 
denen Theile geschieht erst allmählich (Taf. II, Fig. 20). Der 
Dimorphismus im Bau des Auges, von welchem vorhin die Rede 
war, ist auch schon bei Larven zu erkennen. 

Der Augapfel liegt in einem Blutraum, der bis auf zwei 


22 F. Leydig: 


Oeffnungen zum Einlassen und Auslassen des Blutes geschlossen 
ist. Die Einlassöffnung befindet sich nach der Mittellinie des 
Thieres zu, und ist oben und unten durch eine spangenartige Ver- 
diekung begrenzt. Die Abflussöffnung befindet sich am äusseren 
Rande und ist kleiner als die erstere. — Noch fallen zwei eigen- 
thümliche ligamentöse Spangen auf, welche von aussen her gegen 
die Augenkapsel gehen (Taf. II, Fig. 16). Die obere nimmt sich 
aus wie ein zarter Knorpelstreifen, indem kleine Zellen in einer 
homogenen, festeren Grundsubstanz liegen; der andere Strang hat 
mehr die gewöhnliche streifige Beschaffenheit eines Zuges von 
Cutieularsubstanz. 

Durch die Oeffnung für das Einfliessen des Blutes in den 
Kapselraum geht auch ein Muskel zum Auge (Taf. II, Fig. 16). 
Ein Beobachtungsfehler, den ich in meiner ersten Mittheilung ge- 
macht, indem ich „quergestreifte Muskelsubstanz‘“ im Augenganglion 
zu sehen glaubte, hat durch Claus schon Berichtigung erfahren. 


V. Verdauungswerkzeuge. 


Der Nahrungseanal zerlegt sich in Anfangsdarm oder Schlund; 
in Mitteldarm, gegliedert in Magen nebst Aussackungen und eigent- 
lichen Darm; endlich in den Enddarm. 

Die Mundtheile (Taf. III, Fig. 30) bilden einen keulenförmi- 
gen, nach unten und hinten gerichteten Vorsprung, über dessen 
Bau ich zwar gelegentlich des Argulus phoxini etwas mehr anzu- 
geben wusste, als seiner Zeit bezüglich des Argulus foliaceus, aber 
ich gestehe gern zu, dass Claus die Zusammensetzung des nicht 
ganz leicht zu untersuchenden Theiles viel weiter aufgeklärt hat. 
Immerhin bin ich über Einiges unsicher geblieben. 

Die Mundspalte z. B. möchte ich auch jetzt noch dort 
sehen, wo ich sie früher!) zeichnete, nämlich zwischen der kappen- 
artigen Vorwölbung der Oberlippe und der Unterlippe; sie wechselt 
in der Form nach der jeweiligen Stellung der begrenzenden Theile. 
Doch habe ich zu bekennen, dass es mir auch geschienen hat, als 
ob entfernt von gedachter Querspalte, gerade da, wo die gezahnten 
Ränder der Oberkiefer gegeneinander treten, die Mundspalte liege, 
die aber alsdann viel kleiner wäre und von länglicher Form. Aber 


1) Argulus phoxini, Fig. 14. 


Ueber Argulus foliaceus. 23 


was sollte, wenn diese Annahme die richtigere wäre, der Querspalt 
bedeuten ? 

Die vorgequollene Oberlippe zeigt äusserlich die auch sonst 
an der Bauchseite des Thieres so verbreitete schuppige Sculptur, 
deren Ausbildung jedoch auch an dieser Stelle ebenso wechselt, 
wie am übrigen Körper. Auch sind bei jungen Thieren die Schüpp- 
chen einfach spitzig, bei älteren mehrzinkig. Ferner stehen an der 
Oberlippe, zunächst der mittleren Wölbung, mehrere blasse Sinnes- 
borsten oder Zapfen. Die zellige Matrixlage der Cutieula erzeugt 
einwärts mehrere zartbalkige Fortsätze, wodurch der Innenraum, 
welcher ein Blutsinus ist, einigermaassen gefächert erscheint. 

An der Unterlippe stehen in bestimmter paariger Verthei- 
lung vier Sinnesborsten: die zwei der Mundöffnung zunächst sich 
erhebenden, also vorderen nehmen sich wie helle, querabgeschnittene 
Cylinder aus, wovon jeder in einem Grübchen oder Einsenkung 
der Cutieula steht. Das hintere Paar däucht mir kegelig gestaltet 
zu sein und ist von so zarter blasser Art, dass man es leicht über- 
sehen kann und das Grübchen, aus dem der Kegel kommt, für 
eine Oeffnung der Cutieula halten möchte. — Im Innern der Unter- 
lippe zeigt sich ein Chitingestell, dessen Quer- und Längsleisten 
sich bogig verbinden. Die jederseits schräg nach aussen und vorn 
gehenden, dabei sich kreuzenden Stäbe sind, was Claus zuerst 
erkannt hat, die chitinisirten Sehnen der Muskulatur der Kiefer 
und Lippen; an der Wurzel der Unterlippe können sich einige 
wenige mehrzackige Schüppchen auf der Cuticula entwickeln. 

Der Innenrand der Oberkiefer geht in ungleich grosse 
Zähne aus, die von beiden Seiten gegen einander wirken; der freie 
lanzettförmige Lappen hat einen dichten zarten Haarbesatz. Am 
Dach der Mundhöhle gerade an der Stelle, gegen welche die Kiefer 
arbeiten, ist eine chitinös gekörnelte Partie (Taf. III, Fig. 30a). 

Gleich hinter den Kiefern unterscheidet man im Innern des 
Mundaufsatzes Ringmuskeln, welche den Pharynx wumgreifen. 
Man beobachtet auch am lebenden Thier, wie diese Ringmuskeln 
den Anfangstheil des Schlundes plötzlich erweitern und verengern. 

Der Schlund geht nach oben und vorn durch das Gehirn 
und biegt hierbei in steiler Schlinge nach hinten. Diese Um- 
biegungsstelle befindet sich, wenn wir auf die Umgebung Bezug 
nehmen, hinter dem Stirnauge. Am Magen angekommen, springt 
der Schlund in Form eines starken Zapfens frei in das Innere des 


24 F. Leydie: 


Magens hinein (Taf. III, Fig. 31). Dieser auffallenden Bildung 
hatte ich zwar schon im Jahre 1850 gedacht, aber da mir ein 
solches Verhalten des Schlundes allzu seltsam vorkam, für eine 
optische Täuschung erklärt. Als ich mich 10 Jahre nachher mit 
den Daphniden beschäftigte!), fand ich dort allgemein eine ent- 
sprechende Anordnung. „Der Schlund steigt überall bogenförmig 
in die Höhe und was ebenfalls ohne Ausnahme vorzukommen 
scheint, er geht nicht einfach in den Magen über, sondern bildet 
in denselben hinein einen starken Vorsprung, etwa in der Weise, 
wie bei Säugethieren der Uterus mit einem Zapfen in die Scheide 
vorragt.“ i 

Der nach Vorigem auch bei Argulus in den Magen vorsprin- 
gende Theil des Schlundes, zeigte sich bei Thieren, welche in 
Chloroform betäubt worden waren, am freien Ende glockig ge- 
staltet, mit scharf ausgeprägten Längsfurchen. Nicht recht ver- 
ständlich waren im optischen Schnitt einige senkrecht aufsteigende 
Muskeln, die zur Unterfläche des Schlundes zu gehen schienen. 

Sonst lässt sich am isolirten Schlunde unterscheiden eine 
homogene Intima, darunter nach aussen eine körnige Matrix mit 
Kernen, dann gut entwickelte Ringmuskeln, welche unter dem 
Sarkolemma die gleiche körnige Lage haben konnten, wie die Mus- 
keln des Stammes. 

Anbelangend den Magen und dessen seitliche Verästelung 
so lässt sich von den Larven her zum fertigen Thier das allmäh- 
liche Auswachsen und die Zunahme der Zahl der Blindsäcke ver- 
folgen. 

Histologisch wiederholt sich die Zusammensetzung, wie sie 
auch sonst so oft wiederkehrt: die innere Begrenzung wird von 
einer zarten Intima gebildet; darunter folgt ein Epithel mit kleinen 
Kernen, entsprechend der gedachten Matrixlage des Schlundes; 
zu äusserst legt sich um eine zarte Gerüsthaut eine Lage von 
Ringmuskeln herum, welch letztere aber schwerer zu erkennen ist, 
als die von eben diesen Muskeln herrührenden kräftigen und des- 
halb sehr in die Augen fallenden Zusammenziehungen der ganzen 
Magenverästelung. Man bemerkt die Muskeln am ehesten in Form 
hell vorstehender Höcker am Aussenrand des Canales (Taf. ], 
Fig. 3). 


1) Naturgeschichte der Daphniden, 1860, p. 49. 


Ueber Argulus foliaceus. 25 


Ueber das Pigment und die Fetttröpfehen im Epithel des 
Magens und seiner Verästelung habe ich schon seiner Zeit gehan- 
delt und es mag jetzt nur beigefügt werden, dass es namentlich weib- 
liche Thiere im Jugendzustand sind, welche viel dunkles Pigment 
an gedachtem Orte besitzen. 

Mit Rücksicht auf die Deutung, welche in neuerer Zeit die 
„Leber“ der Krebse erfahren hat, darf vielleicht daran erinnert 
werden, dass ich in meiner ersten Mittheilung die Magenveräste- 
lung nicht für eine „Leber“ gelten lassen wollte, da auch in diesen 
Magenanhängen die Verdauung des aufgenommenen Fischblutes 
erfolge. 

Im eigentlichen Darm, der immer pigmentlos ist, sah ich 
schon längst „eigenthümliche, schöne helle Zellen mit bläschen- 
förmigem Kern und scharfem Kernkörperchen“. Es sind mir auch 
jetzt noch diese Zellen merkwürdig, sowohl dadurch, dass sie bald 
einzeln, bald in Gruppen stehen, als auch weil über dem einzelnen 
Zellkörper eine helle Masse von Kegelform sitzt, welche wie eine 
frei in die Darmlichtung vorspringende Papille sich ausnimmt. Es 
scheint, dass die Masse einem Cutieularkäppchen zu vergleichen ist 
(Taf. III, Fig. 33). Einigermaassen könnte man auch an das Epithel 
im Uterus von Ascaris megalocephala erinnert werden!), in welchem 
Fall die helle Substanz über dem Zellkörper noch mehr für ein 
Secret zu halten wäre. 

Der Enddarm bildet einen engen Schlauch, an dem ich eine 
homogene Intima und deren Matrixlage unterscheide, welch letztere 
ihr Dasein durch ihre höckerartig an der Aussenseite vorspringen- 
den Kerne ankündigt. 

Die Afterspalte liegt dorsal, überdeckt von einem Querblatt, 
und fällt in den Ausschnitt der Schwanzflosse, genauer bezeichnet 
vor den Vorsprung der beiden Schwanzanhänge, welche unten und 
seitlich sitzen. 


VI. Bluträume, Herz, Kreislauf. 


Aus der Betrachtung des lebenden Thieres ergibt sich manches 
Aufklärende über Cireulationsorgane im Allgemeinen, besonders 
wenn wir gleichzeitig die feineren Structurverhältnisse berücksich- 
tigen. 


1) Leydig, Zelle und Gewebe, p. 31, Anmerkung. 


26 F. Leydie: 


Wir finden, dass die Leibeshöhlungen als grössere Bluträume 
dienen und die kleineren Bluträume von da weg Verlängerungen 
oder Lücken sind zwischen die Organe und Gewebe hinein. 

Bluträume zeigen sich vorhanden um den Magen und Darm, 
und erstrecken sich seitwärts in den Schild, allwo man die einzelnen 
Magenverästelungen, die Nerven und Drüsen, innerhalb solcher 
Blutgänge liegen sieht. Gegen den sehr abgeflachten Rand des 
Schildes hin werden sie zu engen Lücken zwischen den zahl- 
reichen, die obere und untere Platte verbindenden Skeletbildungen, 
die so dicht stehen, dass dadurch die schon oben gedachte, an- 
scheinend runzliche Zone erzeugt wird. Dabei ist mir auch be- 
merkenswerth vorgekommen das Verhältniss der Dornen der Bauch- 
fläche zu dem in Rede stehenden Lückensystem: es sitzen nämlich 
die Dornen mit ihrer Wurzel so auf dem Lückensystem, dass man 
annehmen darf, der Innenraum des Dornes hänge mit dem Blut- 
raum zusammen (Taf. I, Fig. 1). Dies würde sich wohl noch be- 
stimmter behaupten lassen, wenn die Blutkügelchen bis in diese 
Zone vordringen könnten; allein dieselben bewegen sich nur in den 
weiteren Räumer, welche z. B. eine Magenverästelung oder einen 
Nervenstamm enthalten, gelangen aber nicht mehr in solche peri- 
pherische Lücken, über welchen ein derartiger Stachel sitzt: in 
diesen könnte nur Blutflüssigkeit aufsteigen. 

Hinsichtlich des Umfanges der Bluträume im Schild mag 
auch erwähnt sein, dass die bauchwärts liegenden umfänglicher sind, 
als diejenigen, welche rückenwärts ziehen. In einem grösseren 
Blutraum liegt sowohl für sich das einzelne Seitenauge, als auch 
das Stirnauge, was bereits im Näheren besagt wurde; ebenso er- 
scheint Gehirn und Bauchmark von einem abstehenden Blutraum 
umgeben, der einer Leibeshöhle gleichzusetzen ist und beim Weib- 
chen auch den Eierstock aufnimmt. Verlängerungen dieser Höhlung 
gehen gegen die Wurzel des Taststachels und in die Gliedmaassen. 
Von ganz besonderer Weite ist je ein Blutraum in der Wurzel 
der Saugnapffüsse. Im Schwanzlappen besteht ein grosser Blut- 
raum unterhalb des Integumentes, zweitens ein anderer, welcher 
beim Männchen einwärts den Hoden umgibt. Und es mag noch 
einmal zusammenfassend bemerkt werden, dass die grössten Blut- 
räume jene des Stieles der Saugnapffüsse, der Schwimmfüsse und 
der Schwanzflosse sind. 

Von histologischer Bedeutung ist nun die Thatsache, dass 


Ueber Argulus foliaceus. 27 


bei Begrenzung der vorbezeichneten Bluträume die zellige Matrix- 
lage vor Allem im Spiele ist. Man beachte z. B. die feineren 
Verhältnisse jenes grossen Blutraumes im Schwanzlappen. Der 
unter dem Integument sich hinziehende Raum zeigt sich deutlich 
begrenzt durch eine scharfe Linie, welche eine dünne Cutieula 
vorstellt und von der Innenfläche der zelligen Matrix abgeschieden 
erscheint; in derselben Weise, wie es mit der derberen Cuticula 
des Integumentes nach aussen geschehen ist. Und wir vermögen 
so überall die Cuticularbegrenzung und die zellige Matrix — letztere 
mitunter nur an ihren Kernen noch kenntlich — bei genauem Zu- 
sehen nachzuweisen. Dabei ist auch wahrzunehmen, dass die Blut- 
räume durch Enge und bestimmten Verlauf an Blutcapillaren höherer 
Thiere erinnern können, so z. B. in manchen Theilen des Schildes 
oder auch am Schleifenorgan. Auch in solchem Falle begrenzen 
wieder recht deutlich die Matrixzellen und eine zarte Cuticular- 
linie nach einwärts die Blutgänge. 

Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin auszusprechen, 
dass alles dieses in gutem Einklang steht mit dem, was ich in 
früherer und späterer Zeit über die Bildung der Blutgefässe und 
Bluträume bei niederen und höheren Thieren zu ermitteln ver- 
mocht habe!). Es waren die Punkte: 

1) Der Leibesraum in erster Anlage ist Blut- und Lymphraum. 

2) Canalartige Verengerungen und sich verästelnde Verlänge- 
rungen werden zu Blut-Lymphgefässen. 

3) In geweblicher Beziehung treten zur Begrenzung der Räume 
und Canäle immer Matrixzellen des Cutieular- oder Bindegewebes 
ein, welche, nach innen zu, einen homogenen Saum abscheiden. 
Zwischen Bindegewebe und Bluträumen herrscht innige Beziehung ; 
„beide gehören zusammen wie Berg und Thal“. 

4) Als allerletzte Ausläufer des Hohlraumsystems haben die 
Spaltengänge des Bindegewebes und die Porengänge des Outicular- 
gewebes zu gelten. | 


1) Leydig, Zum feineren Bau der Artbropoden. Arch. f. Anat. u. 
Phys. 1855, p. 456. — Histologie, 1857, p. 441. — Bau des thierischen Kör- 
pers, 1864, p. 510. — Hautdecke und Schale der Gastropoden. Arch. f. Natur- 
gesch. 1874, p. 106. — Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische, 1879, 
p. 173. — Zelle und Gewebe, 1885, p. 61. 


28 F. Leydig: 


Indem wir zum Argulus zurückkehren und am lebenden Thier 
die Hauptbahnen des kreisenden Blutes verfolgen, so stimmt 
das, was ich jetzt sehe, im Wesentlichen überein mit der Dar- 
stellung, welche ich vor Jahren darüber gab und bemerke daher 
pur, dass man im Allgemeinen von einer dorsalen und ven- 
tralen Hauptströmung sprechen könnte, Dies gilt auch für den 
flächenhaft ausgebreiteten Schild, ebenso für die Schwanzflosse 
und nicht minder für die Gliedmaassen. Die dorsale Strömung 
geht nach vorn, die ventrale rückwärts, so dass im Kopfende und 
im Schwanzende eine schlingenförmige Umkehr stattfindet. Beide 
Hauptströme sind an vielen Stellen durch dorso-ventrale Zweig- 
bahnen verbunden, was besonders im Schild und in der Schwanz- 
platte auffällt. Im Hinblick auf letztere sei auch bemerkt, dass 
ich die Beobachtung von Claus zu bestätigen habe, wornach die 
in der Mittellinie des Hinterendes des Herzens spielende Klappe 
wohl dazu dient, den Blutstrom des Körpers in die Schwanzflosse 
zu lenken. Die Klappe liegt unterhalb des Enddarmes; durch die 
paarige Klappe seitlich und oben zieht das Blut aus der Schwanz- 
flosse ins Herz zurück. 

Es ist nun ausdrücklich hervorzuheben, dass die Cireulation 
des Blutes sehr leicht in Fluctuation sich umsetzt, selbst im 
„Herzen“ kann das Blut gern hin- und herwogen, vor- und zurück- 
sehen, obschon es immer wieder im Grossen und Ganzen die vor- 
hin bezeichnete Richtung zu gewinnen sucht. Und diese Erschei- 
nung tritt selbst bei Thieren ein, die nicht weiter behelligt sind, 
als dass sie in einem Wassertropfen (ohne Deckglas) eingeschlossen 
wurden. 

Auch in sehr jungen, eben ausgeschlüpften Larven, bevor 
das Herz aufgetreten ist, sind schon die Blutströmungen zu sehen, 
so in der Umgebung des Darms, in der Schwanzflosse, um den 
Mundaufsatz und die Wurzel der Beine. Man gewinnt bei an- 
haltender Betrachtung des lebenden Thieres die Ueberzeugung, dass 
dieser Blutlauf — bei noch völligem Mangel des Herzens — haupt- 
sächlich erfolgt durch die rhythmischen Bewegungen der Schwimm- 
füsse und der Schwanzlappen, also noch näher gefasst durch die 
Thätigkeit der Musculatur des Stammes überhaupt. Daraus be- 
greift sich ohne weiteres, warum so leicht die Circulation des 
Blutes zu einer Fluetuation werden kann. 

Selbst noch in Larven späterer Zeit, nachdem die Ruderan- 


Ueber Argulus foliaceus. 29 


tennen nieht mehr vorhanden und die Schwimmfüsse wohl ent- 
wickelt sind, fehlt noch ein „Herz!“ 


Wie nun Fluetuation anstatt Circulation auch im fertigen 
Zustande des Thieres sich leicht einstellt, kann klarer werden 
dureh das, was sich über Entstehung und Bau des Herzens er- 
kennen lässt. Dieser eylindrische Schlauch in der Mittellinie des 
Körpers erweist sich nämlich in seiner ursprünglichen Natur als 
eine Längslücke zwischen der Rückenmuseulatur (Tab. II, Fig. 24, 
Fig. 25) und ist hierin ganz gleich andern zwischen der Museu- 
latur befindlichen Bluträumen. Eine solche Auffassung lässt sich 
nach Besichtigung von Larven, deren Saugnapffüsse noch den 
starken Anhang haben, bestimmt behaupten. Deutlich unterscheidet 
man hier zwischen den Längsmuskeln des Rückens, und auch in- 
dem wir zunächst folgende Stadien zum Vergleich heranziehen, 
eine mittlere Lücke oder Blutraum und überzeugen uns, dass diese 
Lücke zum ‚Herzen‘ wird. 

Und abermals hängt mit dem Angegebenen zusammen, dass 
auch im fertigen Zustande das vordere Ende des Herzens ohne 
eigentliche Grenze sich verliert und zwar in der Gegend des Stirn- 
auges oder wo in der Tiefe der Schlund in den Magen vorspringt. 
Die Erweiterung am hinteren Ende, welche ich früher „vorhof- 
artig“ nannte, entsteht durch den Uebergang der von rechts und 
links aus den Schwanzplatten kommenden Bluträume und erscheint 
als der am schärfsten abgesetzte Theil (Taf. II, Fig. 23). 

Der histologische Bau der Wandung des „Herzens“ ist schwer 
zu durchschauen. Die innere abgrenzende Linie ist nicht ein 
ganz gleichmässiger Strich, sondern nimmt sich so aus, als wäre 
sie abwechselnd etwas verdickt; dahinter kommt eine buckelige 
Schieht zum Vorschein, die ich wahrscheinlich schon das erstemal 
bemerkt habe und auf Muskeln bezog, über welchen Punkt ich 
jetzt nicht mehr die rechte Sicherheit zu gewinnen vermag, da die 
Höcker auch Elemente einer zelligen Matrix sein könnten, zu der 
sich der Innenstrich als Cutieularlage verhält. Im Bereich der 
vorhofartigen Erweiterung lässt die Wand des Herzens die be- 
zeichnete Sonderung in ausgeprägterem Maasse sehen, als es weiter 
nach vorn zu der Fall ist. 

Noch darf hervorgehoben werden, dass die Bewegungen des 


30 F. Leydig: 


sanzen herzartigen Organs, der hinteren querverbreiterten Partie 
sowohl, wie der vordern mehr gefässartigen, von gleicher Art sind 
und eigentlich von den Zusammenziehungen der Musculatur des 
Stammes abhängen. Es wird auch auf diese Weise begreiflicher, 
wie ein ursprünglich gewöhnlicher Blutraum durch bestimmtere 
Begrenzung von Seite der Musculatur zu einem „Herzen“ wird. 


Was die Deütung des Herzens im Vergleich zu andern 
Arthropoden betrifft, so will Claus den hinteren, in transversaler 
Richtung ausgedehnten Sack als das eigentliche Herz auffassen 
und auf die Herzbildung der Copepoden und Cladoceren zurück- 
führen; der nach vorn reichende gefässartige Theil sei als Aorta 
anzusprechen. 

Auf Grund dessen, was mich die gegenwärtigen Untersuchungen 
über Bau und Entwicklung des Herzens gelehrt haben, kann ich 
mich dieser Ansicht nicht anschliessen, sondern möchte die ent- 
sprechende Bildung in dem venösen Sinus erblicken, welcher bei 
andern Arthropoden das wirkliche Herz umgibt. Ein solches würde 
darnach bei Argulus noch nicht vorhanden sein; auch darf hierzu 
noch einmal in Erinnerung gebracht werden, dass der Blutlauf 
bei unserm Thier von statten geht, ehe das „Herz“ aufgetreten ist. 


Zu dem was ich in der ersten Mittheilung über die Blut- 
zellen berichtete, sei jetzt beigefügt, dass in Thieren, welche 
längere Zeit ohne Nahrung zugebracht hatten, eine eigenthümliche 
Veränderung der Blutkörperchen eingetreten war, welche darin 
bestand, dass sie alle rundlich geworden und ihre Substanz von 
einer grösseren Vacuole, oder mehreren kleineren durchsetzt war. 
An kuglig gewordenen Blutzellen ist auch schon am lebenden 
Thier ein Nucleus mit Nucleolus deutlich sichtbar. 

Vor Jahren habe ich im Archiv für pathologische Anatomie!) 
davon Nachricht gegeben, dass bei dem Krebschen Lynceus die 
Blutmasse des lebenden, frisch eingefangenen Thieres sich dicht 
erfüllt zeigte von einem Parasiten niederster Organisation; dess- 
halb mag bezüglich des Argulus erwähnt sein, dass hier, doch 


1) Vergl. auch den „Anhang“ zur Naturgeschichte der Daphniden. 
1860, p. 75. 


Ueber Argulus foliaceus. 31 


erst bei längerer Gefangenschaft, die Blutmasse des lebenden 
Thieres zum Theil ganz voll sein konnte von vibrionenähnlichen 
Parasiten, die aufs lebhafteste durcheinander wimmelten. Man sah 
diese Erscheinung in den Räumen der Schwimmfüsse, der Schwanz- 
lappen, des Sehildes, des Mundaufsatzes, kurz bei manchen Indivi- 
duen in allen Bluträumen. 


VII. Schalendrüse. 


Ueber die von mir als „schleifenförmiges Drüsenpaar“ zuerst 
aufgefundene und beschriebene Bildung habe ich vor Kurzem aus- 
führlich gehandelt und verweise dorthin). 

Das Organ (Taf. IV, Fig. 39; Tat, V, Fig. 52) ist ein schlingen- 
formig zusammengekrümmter Canal, dessen Ende beutelförmig ange- 
schwollen ist und, von den beiden Schenkeln der Schlinge umfasst, 
einwärts liegt. Der vordere Schenkel der Schlinge ist der weitere, 
der hintere der engere und dieser führt zur Mündung, welche 
ich an der Wurzel des Kieferfusses zu sehen glaube. Jedoch 
nur bei jungen Thieren, die auf dem Rücken liegen und deren 
Kieferfuss sich nach vorn umgeschlagen, wollte gedachte Oeffnung 
sich zeigen; am fertigen Thier sah ich mich eigentlich umsonst 
darnach um. Ein derartiger Wechsel in der An- und Abwesenheit 
der Mündung nach dem Alter des Thieres liesse sich an Verhält- 
nisse anreihen, welche über die Coxaldrüsen der Arthropoden be- 
kannt geworden sind. 

Die Schalendrüse ist schon bei ganz jungen, eben ausge- 
schlüpften Larven erkennbar und liegt vor der Bogenlinie, welche 
von der seitlichen Magenausstülpung gebildet wird. 

Am lebenden Thier sieht man viel strömendes Blut in der 
Umgebung der Schalendrüse und zahlreiche, querherüberziehende 
Canäle, durch welche sich vereinzelte Blutkörperchen durchdrängen; 
auch die Lichtung zwischen dem beutelförmigen Ende und den 
Schenkelschlingen ist ein Blutraum. Dei ganz jungen Larven hat 
durch die Quercanäle die Schalendrüse ein Aussehen, als sei 
sie ein solider Körper, der von lichten Gängen durchbrochen wäre. 


1) Der Giftstachel des Argulus ein Sinneswerkzeug. Zool. Anz. 1886. 


32 F. Leydig: 


VIIl. Fortpflanzungswerkzeuge. 


Der Eierstock des weiblichen Thieres liegt zwischen Herz 
und Darm, und ist wohl unpaar, aber aus zwei Hälften zusammen- 
gewachsen, was sich an jungen Thieren noch dadurch ankündigt, 
dass das vordere Ende zweizipfelig ausgeht. Die Zipfel greifen 
gegen die Seite des Magens her. 

Nach den Verhältnissen des Baues lässt sich der Eierstock 
als ein zellig erfüllter Schlauch auffassen, der sich gegen das freie 
Ende hin durch die sich entwickelnden Eier in kurze Büschel ge- 
stielter Beutelchen ausziebt. Eine Darstellung des Eierstockes und 
der Beschaffenheit der Eier nach ihren verschiedenen Zuständen 
habe ich jüngst gegeben!). Hier möge nur der zwei Hüllen, 
welche unser Organ umschliessen, gedacht werden. 

Die eine dieser Hüllen, es ist die innere, lässt sieh beson- 
ders gut an Thieren, welche mit passenden Reagentien behandelt 
waren, erblicken und besteht, von innen nach aussen, aus einer 
Cuticula und der dazu gehörigen Matrixlage, wozu noch quergestreifte 
verästigte Muskelfasern kommen. Die andere Hülle ist dasjenige, 
was ich früher als „einen einfachen Schlauch in der Medianlinie 
des Leibes“ bezeichnet habe, worin die „eigentliche Eiermasse“ 
liege. Diese Art Hülle, in jungen Thieren von hellem Aussehen, 
ist später durch Pigment ausgezeichnet. 

Ich bin zweifelhaft geblieben, wie man die Hülle deuten soll, 
ob als einen Sack der nur zum Eierstock Bezug hat und gleich 
einer inneren Bruttasche die reifen Eier aufnimmt, die sich in ihm 
ansammeln, oder ob das, was hier als Hülle des Eierstockes ge- 
nommen wird, nicht eine besonders geartete Abgrenzung der Leibes- 
höble ist. Für die erstere Auffassung würde sprechen die bei 
Untersuchung des lebenden Thieres anscheinende Selbständigkeit 
des „Sackes“ und die kräftigen peristaltischen Bewegungen, welche 
in der Richtung von vorn nach hinten verlaufen und gleich hinter 
dem Mundaufsatz beginnen. Auch meine ich vorne eine abschlies- 
sende Bogenlinie zu unterscheiden, die bei gefülltem Zustande des 
„Sackes“ über die vordersten reifen Eier herübergeht. 


1) Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zu- 
stande. Zoolog. Jahrbücher, Abtheilg. f. Anat. u. Ontogenie der Thiere. 
Dritter Band, 1888. 


AR 


Ueber Argulus foliaceus. 33 


Aber Anderes, was man schon am lebenden Thier sieht, will 
nicht zu vorgedachter Annahme passen, insbesondere nicht die Er- 
scheinung, dass zwischen der Hülle und den Eierbüscheln Blut- 
körperchen strömen. Und noch weniger will die Auffassung, dass 
es sich um einen besondern Eiersack handle, Stich halten beim 
Durchschneiden des Thieres oder auch bei sonstiger Zergliederung, 

Auf Schnitten unterscheide ich zu innerst eine zarte Cuticular- 
linie; dann eine zellige Matrixlage; hierauf eine quergestreifte 
Muskulatur. Die Matrixzellen haben dunkles Pigment aufgenommen, 
wesshalb in ihr nicht bloss kleine Pigmenthäufchen sich abheben, 
sondern in sehr auffälliger Weise Gruppen von acht und mehr 
Pigmentzellen, deren Kerne als helle Flecken erscheinen. Der 
Zellencharakter ist im freigelegten Zustande der Elemente deutlich 
erkennbar. Und was die Muskeln anbelangt, so scheinen die 
Bündel mit der Muskulatur des Stammes zusammenzuhängen. End- 
lich glaube ich auch noch an Schnitten zu sehen, dass das Bauch- 
mark innerhalb dieses die reifen Eier bergenden Raumes liege. 

Fasst man alles dieses zusammen, so bleibt kaum etwas An- 
deres übrig, als den Raum des ‚‚Sackes“ für die Leibeshöhle zu 
erklären, in welchem, was ebenfalls Querschnitte lehren, die Eier 
in dreifacher Ringlage sich aufstapeln können. Und bezüglich der 
letzteren sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass am lebenden Thier 
sich sehen lässt, wie durch die kräftigen Zusammenziehungen des 
Sackes die dicke radiär streifige Haut der eingeschlossenen reifen 
Eier stark sich einbuchtet, mithin trotz ihres derben Aussehens 
weich und biegsam sein müsse. 


Sind mir nach Vorstehendem mancherlei Zweifel und Unklar- 
heiten im Hinblick auf den Eierstock übrig geblieben, so ist dieses 
auch der Fall bezüglich der ausführenden Wege. 

An fertigen Thieren suchte ich oft ganz vergebens nach dem 
„Bileiter“; mitunter jedoch liess sich seitlich vom hinteren End- 
theil des „Ovarialsackes‘“ ein blinddarmähnliches Gebilde wahr- 
nehmen, doch nur von unpaarer Form. Am jungen Weibchen mit 
noch gering entwickeltem Eierstock glaube ich an gedachtem Orte, 
rechts und links, also in paariger Form, einen kurzen Schlauch zu 
sehen, der an beiden Seiten zusammenfliessend, mit wulstiger mus- 


kulöser Oeffnung nach aussen mündet. 
Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 3 


34 F. Leydig: 


Darnach könnte die Vermuthung dahin gehen, dass ursprüng- 
lich ein paariger, frei nach innen ausgehender Eileiter zugegen 
sei, wovon sich später der eine zurückbilde. Dies ist auch die 
von Claus, der offenbar mit besonderer Aufmerksamkeit die be- 
treffenden Theile untersucht hat, bestimmt hingestellte Ansicht. 
Aber ich selber bin des Zweifels nicht los geworden, ob die schlauch- 
artige, mit Zellen ausgekleidete Bildung wirklich einen Eileiter 
vorstellt. Mir dünkte, dass der Schlauch eher die Bedeutung einer 
„Glandula sebacea“ haben könne. Zu dieser Meinung kann man 
auch desshalb neigen, weil der abgesetzte, etwa an einer Glaswand 
haftende Laich bei genauerem Betrachten eine Klebesubstanz unter- 
scheiden lässt, welche die Eier einschliessend in Form eines weiss- 
lichen Netzes die Unterfläche einer abgehobenen Eierplatte durch- 
zieht. So lange nicht aufgezeigt werden kann, woher sonst 
diese Klebesubstanz geliefert wird, darf man an die eben ausge- 
sprochene Vermuthung denken. 

Und so käme ich, obschon sich nieht Alles fügen will, doch 
zuletzt auf dasjenige zurück, was ich in der ersten Mittheilung als 
Ergebniss der Untersuchung ausgesprochen hatte: es mündet der 
pigmentirte „Ovarialsack“ an der Wurzel der Schwanzplatte mit 
einem mittleren „papillenartigen Vorsprung“ aus. Die vermeint- 
lichen Eileiter aber wären Drüsen, welche den Anheftungsstoff für 
die abgelegten Eier erzeugen. 


Ueber die Samentasche möchte ich ebenfalls erneuerte Ab- 
bildungen (Taf. V, Fig. 44, Fig. 44a) vorlegen, obwohl ich mir 
bewusst bin, dass immerhin auch noch jetzt gar Manches, sowohl 
was den feineren Bau als auch die physiologische Bedeutung der 
Theile betrifft, dunkel bleibt. 

Die Wand der Samentasche löst sich bei gehöriger Vergrösse- 
rung und unter Zuhilfenahme von Reagentien in drei Schichten 
auf: in eine homogene Innenhaut, welche ich seiner Zeit als „Cap- 
sula seminalis“ bezeichnet habe; dann in eine mittlere Lage, in 
welcher man stellenweise Verdichtungen oder Querschnitte platter 
Muskeln zu unterscheiden glaubt, worauf noch eine besondere äussere 
Umgrenzung folgt. Die mittlere Haut ist zugleich Pigmenthülle, 
deren Zellen ohne begrenzende Membran sind und zusammenfliessen. 
Man erhält den Eindruck, dass die jenseits der Pigmenthülle fol- 


2 


Ueber Argulus foliaceus. 35 


gende Haut eigentlich zur Abgrenzung eines Hohlraumes diene, in 
welchem das Receptaculum seminis liegt. 

Die Innenhaut der Samenutasche junger Weibchen kann ein 
oder mehrmal buchtig oder auch in so zahlreich geschwungene Fält- 
chen gelegt sein, dass man auf den ersten Blick Bündel von Zoo- 
spermien zu sehen glaubt. Dass Solches aber auf Täuschung be- 
ruht, ergibt sich, sobald man ein mit wirklichen Locken von Zoo- 
spermien erfülltes Receptaculum vor sich hat. 

Der aus der Samentasche herausführende, mehrmals hin und 
her gebogene, scharflinige Gang, Ductus seminalis, wird begleitet 
von einer Fortsetzung der äussersten Haut des Receptaculum. Der 
eigentliche fadige Gang, den ich früher als „homogenen, scharf 
couturirten Faden‘ beschrieb, gibt nach Einwirkung von Kalilauge 
das Bild einer Chitinröhre, indem sich daran eine deutliche Lichtung 
innerhalb des Fadens abhebt. Einigemal, nach Reagentien, fand 
ich auch nahe dem Abgang aus der Tasche Querlinien (Taf. V, 
Fig. 45), welche der Hülle angehörten, so dass man wieder an 
Muskelstreifen erinnert werden konnte, ohne dass ich bei der Fein- 
heit der Bildungen darüber sicher zu werden wusste. Claus be- 
merkt, dass „Muskeln an der Wandung des Receptaculum und 
Ganges durchaus fehlen.“ 

Der Anhang des Duetus seminalis, den ich seiner Zeit einer 
Glandula appendicularis verglich, hat ein beutelförmiges Ende, 
dessen Innenhaut zarter ist als die Wand des Ganges und dicht 
knitterig zusammengelegt sein kann. 

Der Ductus seminalis mündet aus innerhalb eines kegeligen 
Gebildes oder Papille. Wie in Fig. 46 auf Taf. V versinnlicht 
erscheint, verjüngt sich der Theil am freien Ende zu einer Art 
von kurzem Rohr, aus dessen Mündung ein Spitzchen oder Dorn 
von blasserem Wesen hervorragt, der sich wie festgewordenes 
Seeret ausnimmt; anstatt eines Dornes können auch zwei Spitzen 
zugegen sein. Der Kegel ist umgeben von drei oder vier euticu- 
laren Schuppen, welche knospenartig zusammenschliessen. Gelblich 
durehschimmernde Partien beruhen auf stärkerer Chitinisirung. 
Bei jüngern Thieren können die freien Enden der cuticularen 
Blätter sich so stellen, dass man in eine Vertiefung blickt, in deren 
Boden ein scharfer Punkt das Ende des Kegels bezeichnet. 


36 F. Leydig: 


Der Rand des in der Schwanzflosse liegenden Hodens 
(Taf. V, Fig. 47) ist ringsum buchtig oder eingekerbt, wodurch 
dem Organ ein annähernd lappiger Umriss erwächst. Diese Ge- 
stalt erscheint schon bei jungen Männchen angedeutet und ist dem- 
nach etwas Typisches. Zunächst nach aussen vom Hoden zieht 
eine lichte Zone herum, welche der Ausdruck eines den Hoden 
umgebenden Blutraumes ist; dann folgt eine oft lebhafte Pigmen- 
tirung, welche bald nur grünliches, bald nur bräunliches Pigment 
enthält, ein ander Mal, namentlich an reifen Männchen, beide 
Färbungen zugleich. Die das Pigment enthaltenden Zellen sind 
hüllenlos, ihr Kern hell und sie sind ein Theil der Matrixlage des 
Integuments, wie das Gleiche sich auch am Pigment des Schildes 
und der Gliedmaassen wiederholt. 

Die Entwicklung der Zoospermien habe ich auch diesmal 
nicht im Näheren verfolgt; es sei nur bemerkt, dass das Innere 
des Hodens bei Larven zuerst eine solide Zellenmasse ist. Als- 
dann tritt im Innern ein anfangs enger, längsspaltiger Raum auf, der 
sich erweitert und zur Aufnahme der, wenn fertigen, Samenelemente 
dient. An den letzteren habe ich nichts von Bewegungen wahr- 
genommen. Die Copulationsorgane gehören den Gliedmaassen an 
und sollen dort noch Erwähnung finden. 


IX. Fettkörper. 


Im Leibe des Argulus machen sich Gruppen grösserer, zum 
Theil sehr grosser Zellen auffällig, deren Bedeutung mir seiner 
Zeit unbekannt geblieben war. Die Erfahrungen, welche ich aber 
bei späteren Studien über die Einrichtung des Fettkörpers bei ver- 
schiedenen Arthropoden gemacht hatte, berechtigten mich zur An- 
nahme, dass die besagten Zellgruppen als Theile des Fettkörpers 
aufzufassen seien!). 

Dergleichen Zellen von riesiger Form liegen seitlich vom Mund- 
aufsatz, etwas kleinere an der Wurzel des Taststachels und zwar 
in bestimmter Anordnung; sie fehlen nicht in den Gliedmaassen 
und sind im Schild besonders in der Nähe des Darmes ange- 
häuft. Was ich über den feineren Bau dieser Zellen sah, wurde 


1) Giftstachel des Argulus ein Sinneswerkzeug. Zool. Anzeiger 1886, 
p- 668. 


Ueber Argulus foliaceus. 37 


schon anderwärts vorgebracht!): es zeigt sich ein Spongioplasma 
in zum Theil strahliger Vertheilung; der Kern konnte merkwürdig 
sein, z. B. in den grossen Zellen zur Seite des Mundaufsatzes, da- 
durch, dass er ohne Membran ist und die Kernsubstanz einfach die 
Höhlung füllt, welehe vom Spongioplasma der Zellsubstanz abge- 
grenzt wird. Die kleineren Zellen des Fettkörpers im Schild wei- 
chen davon ab, indem der Kern von einer besondern Membran — 
schalenartig — umgeben ist (vergl. Taf. III, Fig. 32; Taf. IV, 
Fig. 39, Fig. 39a). 


X. Gliederung des Körpers. 


In der Beschreibung des Argulus phoxini fasste ich die äussere 
Gestalt des Thieres in der Weise auf, dass ich es zerlegte in ein 
Kopf-Bruststück, dem die Antennen, die Saugnapffüsse und Klam- 
merfüsse angehören. Daran schliesse sich das aus vier Ringen be- 
„stehende Abdomen, an welchem die vier Paar Schwimmfüsse sitzen ; 
die Schwanzflosse sei als umgewandelter Leibesring zu betrachten; 
die in dem Ausschnitt der Wurzel der Schwanzflossen befindlichen 
zwei stummelförmigen Anhänge galten mir als verkümmertes Post- 
abdomen. 

Diese Deutung der Körperabschnitte gründete sich namentlich 
auf die Aehnlichkeit der Larven mit Apus, wie ich denn auch be- 
züglich der weiteren Organisation der von Zenker und Thorell 
vertretenen Ansicht beigepflichtet hatte, dass die Arguliden den 
Phyllopoden und Daphniden anzureihen seien. 

Claus, dem bei seiner grossen und ausgebreiteten Kenntniss 
der Krebsgestalt in dieser Frage die erste Stimme zukommt, verwirft 
die eben angedeutete Betrachtungsweise völlig und führt entspre- 
chend einer älteren Meinung die Arguliden auf die Caligiden und 
damit auf die Copepoden zurück. Er unterscheidet demnach ein 
Kopfbruststück, dann Brustringe, ein einfaches Abdomen (Schwanz- 
flosse) und die abschliessenden Furcalglieder. 

Im Laufe gegenwärtiger Untersuchung habe ich den Ein- 
druck erhalten, dass die Claus’sche Auffassung wohl die riehtigere 
sein wird. 


1) Altes und Neues über Zellen und Gewebe. Zool. Anzeiger 1888, 


38 F. Leydig: 


Es sollen jetzt einige Angaben über den Bau der Körper- 
abschnitte und der Gliedmaassen vorgelegt werden, zum Theil 
im Zusammenhang mit Früherem, zum Theil als nachträgliche Aus- 
führungen. 

Auf der Rückenseite des Schildes sieht man zwei horn- 
gelbliche Cutieularleisten, die in der Gegend des Gehirns gelenk- 
artig von einander absetzen. Die Rückenfläche des Schildes ent- 
behrt im Allgemeinen der Dörnchen, doch, wie schon bemerkt, 
kommen sie auch hier manchmal und vereinzelt vor. Am Rande 
des Schildes springt dorsal ein glatter Saum vor; darunter zieht 
ein ventraler Saum hin, der weicher ist, zugleich dicht besetzt mit 
feinen Härchen und dazwischen stehenden Sinnesborsten. Härchen 
und Borsten sind bei jungen Larven um ein Bedeutendes länger 
als im reifen Thier. 

An jüngsten Larven sind auch am hinteren Umfang des 
Schildes charakteristische, helle Vorsprünge oder Zapfen zugegen, 
die bisher übersehen worden sind. Dieselben enden stumpf und» 
man könnte sie beinahe für geöffnet halten; in ihr Inneres erhebt 
sich die Matrix des Integumentes kegelförmig. Sie bleiben nur 
kurze Zeit und sind im nächsten Larvenstadium verschwunden 
(Taf. IV, Fig. 39; Fig. 39b). 

An der Bauchfläche stehen, ausser den zahlreichen, immer 
rückwärts gerichteten Dörnchen, auch grössere Stacheln in be- 
stimmter symmetrischer Vertheilung; auch sie sind alle rückwärts 
gekehrt. Endlich finden sich an der Bauchfläche des Schildes 
noch die bereits näher beschriebenen Saugnapfbildungen. 

Zu erwähnen möchte auch sein, dass an Larven, welche noch 
nicht den Saugnapffusshaben, an dem frei liegenden Thoracalabsehnitt 
eine Kante auffällt, welche dorsal und seitlich herabzieht und sich 
zunächst als scharfer, leicht welliger Strich abhebt. 


Das erste Paar der Antennen ist blass, dreigliederig und 
trägt Sinnesborsten; der an ihrer Wurzel befindliche, starke und 
quer nach aussen gerichtete Hacken besitzt am Grunde einen stum- 
pfen Kegel, in dessen Innerem eine Gruppe von Kernen nebst Zell- 
substanz, der Matrixlage angehörig, sichtbar ist. Man glaubt auch 
noch einen anderen Kegel an der Wurzel unterscheiden zu können: 
allein es erweist sich derselbe als das Durchschnittsbild des zur 


Ueber Argulus foliaceus. 39 


nächsten Häutung fertigen und noch eingeschlossenen Hackens. 
Was die Deutung dieses Hackens betrifft, so muss man ihn wohl 
für gleichwerthig nehmen mit den anderen grösseren Dornen, wie 
sie in bestimmter Vertheilung an der Bauchseite — hinter dem 
Mundkegel, Wurzel der Kieferfüsse — stehen. 

Das zweite Paar der Antennen, im fertigen Thier fünfglie- 
derig, blass und mit Sinnesborsten besetzt, ist wohl als Umbildung 
des ersten Schwimmfusses der Larve anzusehen, dessen einer 
Ast am Ende vier lange befiederte Ruderborsten trägt. Ausser den 
letzteren lässt sich schon jetzt eine Sinnesborste daran erkennen. 
Nach Verlust des Ruderastes bei der nächsten Häutung zeigt der 
übrig gebliebene Theil an seinem Ende ausser einigen Sinnesborsten 
einen schwachen Hacken. 

Es folgt bei der Larve ein zweiter Schwimmfuss, be- 
stehend aus kurzer Wurzel und langem Endglied, versehen mit 
langen Ruderborsten: nach Claus Taster der Mandibel, nach 
Balfour Maxille?). 


In die Reihe der gegliederten typischen Anhänge des Körpers 
stelle ich auch den „Giftstachel, Stimulus“, den ich schon seiner 
Zeit für einen umgebildeten Mundtheil angesehen wissen wollte, 
was Claus bestritten hat, indem nach ihm der Stimulus einfach 
für eine besondere, mit Drüsen verbundene Hauterhebung zu nehmen 
sei. Allein wie ich anderwärts schon dargethan, ist der vermeint- 
iche Gifteanal im Stachel ein Nervenrohr und die Zellen, welehe 
für eine „Giftdrüse“ ausgegeben wurden, sind Elemente des Fett- 
körpers. Die Lichtung des Stimulus steht mit der Höhlung des 
Mundaufsatzes in Verbindung, wesshalb auch in ihm das Blut hin 
und her wogt; ausser der Nervenröhre liegen darin auch Muskeln, 
welche das Einziehen besorgen und es sei nebenbei bemerkt, dass 
die Ansatzstelle dieser Musculi retraetores und die Gliederung sich 
aufeinander beziehen: Der erste Hauptabsatz ist dort, wo die ersten 
Muskeln sich ansetzen; der zweite Absatz fällt mit der Insertion 
von zwei anderen langen Muskeln zusammen. 

Forscht man nach der äusseren Verbindung des Stimulus mit 
den umgebenden Theilen, so lässt sich an der Larve (Taf. IV, 


1) Balfour, Vergleichende Embryologie, 1880. 


40 F. Leydieg: 


Fig. 38) erkennen, dass die Abgangsstelle hinter der Querspange 
liegt, welehe die Antennen des zweiten Paares verbindet; noch 
mehr fällt sie gegen das Wurzelstück des erwähnten Schwimm- 
fussanhanges. Daraufhin lässt sich die Vorstellung begründen, dass 
der Taststachel als abgelöster und selbstständig gewordener Anhang, 
wohl weniger der Antennen, als vielmehr der „Palpen“ anzusehen 
sei. Das Innere des Taststachels lehrt ferner, dass ein paariges 
Element zu seiner Herstellung zusammenwirkt, ein Nerv von rechts 
und links, die beide zu einem einzigen zusammenfliessen, welcher 
alsdann mit einem grossen Riechkolben endet. 

Es könnte scheinen, als ob es eine einzig dastehende Organi- 
sation sei, dass zu dem unpaaren Sinnesorgan oder Riechkolben 
von rechts und links aus dem Gehirn ein Nerv herantritt, der 
zu einem einzigen wirdundich verweise deshalb auf etwas Verwandtes. 
Auf der von mir gegebenen Darstellung des Gehirns und Auges 
der Waldameise!) und ebenso an der Honigbiene?) sieht man in 
entsprechender Weise an das der Mittellinie angehörige Stirnauge 
zwei Nerven aus den beiden Hirnhälften herantreten. 

Die Furche, in welcher der Taststachel hin und her spielt, ist 
von bleibender Form. 


Die Sangnapffüsse, welche jetzt folgen, habe ich nach Gliede- 
rung und Bau bereits gelegentlich des Argulus phoxini näher be- 
schrieben. Es verdiente aber dieser Theil eine ins Einzelne 
sehende Behandlung, nicht nur wegen der Zusammengesetzheit seiner 
Bildung, sondern auch wegen der damit verknüpften biologischen 
Erscheinungen. Was ich hier geben kann, ist nicht erschöpfend. (Taf. 
III, Fig. 35, Fig. 36; Taf. IV, Fig. 40, Fig. 40,a Fig. 41.) 

Bei der Larve besitzt dieser Fuss noch nicht den „Saugnapf“, 
sondern ist ein „Klammer- oder Kieferfuss“, dessen Endglied in 
zwei kräftige Klauen ausgeht, wovon die eine an der Innenseite 
drei scharfe Dornen hat, deren eigentliche, widerhackige Form in 
Figur 38a wiedergegeben ist. Die andere Klaue, welche diese 
Dornen entbehrt, geht an der eingeschlagenen Spitze in drei scharfe 
Zäckchen aus. 


1) Tafeln zur vergleichenden Anatomie, 1864, Taf. VIII, Fig. 4. 
2) 8 3. 0. Fig. 8 


Ueber Argulus foliaceus. 41 


Auf den anderen Gliedern lassen sich ausser einigen kurzen 
Dornen gewöhnlicher Art noch mehrere längere blasse Borsten er- 
kennen. Endlich fällt an den Basalgliedern eine Sculptur der 
Cutieula auf, welche in Art kurzreihig gestellter Schüppehen schon 
mit den Sculpturen des späteren Saugfusses übereinstimmt. 

Die Umwandlung des Klammerfusses der Larve in den Saug- 
napffuss des fertigen Thieres hat Claus schön dargethan. 
Nachdem der Saugnapf durch Einstülpung und Verbreiterung der 
Wurzelglieder entstanden ist, bleibt als Rest ein Anhang übrig, der 
in Gestalt eines fingerförmigen Lappens dem Saugnapf ansitzt und 
drei Sinnesborsten trägt, deren Zahl aber bis auf eine herabzusinken 
scheint, wenn der Saugnapf sich immer mehr entwickelt und der 
fingerförmige Lappen geringer wird. 

Die Gestalt, welche am fertigen Thier der Saugnapf darbietet, 
richtet sich hauptsächlich darnach, ob bei Nachlass der Retractoren 
der Grund des Napfes vorgetrieben ist, oder durch die Muskeln 
tief eingezogen wird. In letzterem Fall sieht man wie in einen 
tiefen Trichter hinein. Daneben können, namentlich am sterbenden 
Thier, hart an der Scheibe, pigmentirte Wülste vorspringen: es 
sind mit Blut prall erfüllte Vorwölbungen, die auf dem optischen 
Schnitt eine Beutelform zeigen. Ursprünglich liegt diese Partie 
tief hinten und gerade an ihr lässt sich ermessen, bis wie weit das 
Innere des Napfes sich einsenkt. 

Die genauere Berücksichtigung des Baues macht verständlich, 
wie An- und Abschwellung durch Blut mit Muskelzusammenzie- 
hungen in Wechselspiel tritt, um die Theile für die Anheftung zu 
entfalten, und sie dann wieder loszulösen. Hierbei mag noch im 
besonderen beachtet werden: 

Die Umbildung des Integumentes. Die Matrixlage zeigt 
im Allgemeinen in der Zellsubstanz dieselben kleinen Kerne, wie 
sie auch sonst in der Hautdecke zugegen sind. Daneben aber be- 
stehen Gruppen von Zellen, die um vieles grösser sind und deren 
Kern zahlreiche Nucleoli enthält. Diese Zellgruppen sind es, 
welche ich seiner Zeit für Ganglien erklärt habe, während Claus 
darin Drüsenzellen zu erbliecken glaubt. 

Die Cutieularschicht, von sehr zarter Art an den mit äusserst 
feinen Härchen besetzten Auszackungen des Scheibensaumes, ent- 
wickelt an der Innenfläche der Scheibe Seulpturen und zwar jene, 
welche als hohlkehlenartige Bildungen in dichter Reihe wie Ketten 


42 F. Leydig: 


sich folgen und für „Strahlen“ genommen wurden. Dann jenseits 
eines ganz schmalen Cutieularringes treten weitere leicht geschlän- 
gelte und abermals strahlig ziehende zarte Erhebungen auf. Andem 
Ring, von dem ein feingestreifter vorstehender Saum entspringt, 
stehen von Stelle zu Stelle blasse Kegel. 

Ausser dem eben gedachten oder ersten Ring folgen nach 
hinten zwei andere Ringe, wovon der hinterste sich durch Dieke 
auszeichnet und bei starker Vergrösserung eine querziehende Spält- 
chenzeichnung erkennen lässt. Nach aussen hebt sich in dieser 
Gegend auch eine schuppige Seulptur ab. 

Da der Saugnapf als Einstülpung entstanden ist, so vermag 
man auch am häutigen Endsaum innere Cutieularbildungen von 
ähnlicher Form zu sehen, wie sie gegen den Rand des Schildes 
auftreten und dort wie hier stützendes Netzwerk zwischen den 
beiden Lamellen vorstellen, aber für die erste Besichtigung nicht 
recht verständlich sind. Man erblickt zunächst an der Wurzel der 
mit feinen Härchen besetzten Randzacken des Saumes anscheinend 
kernartige Gebilde, weiter einwärts die gleichen Körperehen, die 
dort auch fadig verlängert sind; in Verbindung mit den Körper- 
chen und Fädchen steht ein Netz- oder Balkenwerk mit Knoten- 
punkten. Längeres Besehen lässt finden, dass im Grunde dieselben 
Formverhältnisse hier vorliegen, wie sie das innere Bälkchenwesen 
des Schildes erzeugen. 

Die Lücken, welche zwischen dem Bälkchenwerk bleiben, 
sind Bluträume und als solche die letzten Ausläufer des grossen 
im Stiele des Saugfusses befindlichen Blutsinus. Die Blutkügelchen 
können nur, wie im Schild bis zu einer gewissen Grenze vordringen 
und zwar bis in die Gegend des ersten schmalen Ringes; jenseits 
desselben im eigentlichen Saum vermag nur Blutflüssigkeit in die 
Räume zu fliessen. 

Das An- und Abschwellen durch Blut — man sieht bald pralle 
Füllung, bald Entleerung — spielt offenbar eine bedeutende Rolle 
zur Bewegung des Saugnapfes: das Sichanheften und Sichablösen 
wird dadurch mitbedingt. 

Was die Muskeln betrifft, so treten in den Stiel des Saug- 
napfes kräftige Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtszieher ein; sie 
entspringen von der oberen Platte des Schildes und die Ursprungs- 
stellen sind durch die Cutieularleisten des Schildes angedeutet. 

Weiter nach vorne zu, zwischen dem zweiten und dritten 


Ueber Argulus foliaceus. 43 


Cutieularring ist eine eirculäre Museulatur vorhanden. Sie liegt 
selbstverständlich nach aussen von der eutieularen Auskleidung 
des Napfes und scheint zum Absperren der Blutflüssigkeit zu dienen. 
Endlich sind auch noch, wenn schon in geringer Anzahl, in 
den Saum des Napfes ausstrahlende Muskeln zugegen: drei bis 
vier schmale quergestreifte Bündel, welche man am ehesten dann 
zu Gesicht bekommt, wenn die Bluträume des Saumes prall mit 
Blut gefüllt sind. Diese Muskeln sind wohl für abgelöste und 
strahlig sich entfaltende Theile der Ringmuskeln anzusehen. 


Das zweite Paar der Kieferfüsse dient zum Einhacken oder 
Anklammern. Dem seiner Zeit hierüber Berichteten schliesse ich an, 
dass bei der Larve dieser Fuss an Stärke zurücksteht gegen das erste, 
zum Saugfuss werdende Paar; er ist viergliedrig und trägt ausser 
gewöhnlichen Dornen und dem Endhacken noch am hinteren Glied 
eine oder mehrere helle Borsten. 

Vom Endtheil des Klammerfusses im fertigen Thier habe ich 
eine neue Darstellung gegeben: sie zeigt ausser den zwei chitini- 
sirten Klauen und dem darüber hinausragenden fingerförmigen 
Theil, nebst der geknöpften Sinnesborste, noch zwei eigenthümliche, 
einander gegenüberstehende Vorsprünge oder Klappen, die zum 
Fassen bestimmt scheinen. An der Wurzel habe ich wiederholt 
eine lichte Stelle bemerkt, an der ich die Oeffnung der Schalen- 
drüse vermuthete, doch wollte diese Annahme nicht passen, da ich 
an der Wurzel der Schwimmfüsse ähnliche Stellen und zwar in 
mehrfacher Zahl antraf. Die Matrixlage des Integuments zeigt 
innerhalb der drei derben, rückwärts gekehrten Stacheln der Wurzel- 
glieder eine gewisse streifige Beschaffenheit der Zellsubstanz, was 
bereits oben erwähnt wurde. Zwischen den Zackenschüppchen 
stehen vereinzelte Poren. 


Den früheren Bemerkungen über die vier Paar Schwimm- 
füsse sei folgendes beigefügt. 

Bei den Larven des ersten Stadiums sind die Anlagen der 
Schwimmfüsse noch unbeweglich und in geknickter Form dem Leibe 
angeheftet, in ähnlicher Weise wie man auch bei anderen Arthro- 
poden dies in früheren Entwicklungsstadien sieht. 


44 F. Leydig: 


Ausser den Fiederborsten unterscheidet man später an be- 
stimmter Stelle des ventralen Astes einzelne helle Sinnesborsten, 
die wohl auch ein dunkles Endknöpfchen aufzeigen können. Ueber 
die ganze Ventralfläche der Schwimmbeine weg erstrecken sich 
zackige Dörnchen oder Schüppchen des Integuments, deren Gruppen 
schon bei den Fussanlagen der jüngsten Larven auftreten. 

Den Blutraum des einzelnen Schwimmfusses durchziehen zahl- 
reiche vom Integument kommende Skeletbälkchen in Form spitz- 
kegeliger Gebilde, an denen die zellige Matrix — wenigstens deren 
Kerne — am Aussenrande unterschieden werden kann (Taf. IV, 
Fig. 40a). Man sieht aus diesem Lagerungsverhältniss der chiti- 
nösen Theile und der zelligen, dass die Bälkchen als Theile des 
Integumentes, welche nach innen wachsen, zu Wege kommen. 

Durch das Endglied der Schwimmfüsse zieht ein innerer 
Skeletfaden oder eine eutieulare Verdichtung, wie sich durch Re- 
agentien deutlich sichtbar machen lässt. In den Wurzelgliedern 
der Schwimmfiüsse noch nieht vorhanden, beginnt er erst in jenem 
Theil, welcher die Schwimmborsten trägt. Im Aussehen stimmt 
der Skeletstreifen mit den Verdichtungsleisten des Sehildes überein. 

In das Innere der Schwimmborsten erhebt sich eine faserig- 
netzige Fortsetzung der Matrixlage und die Anordnung des Spon- 
gioplasma gibt ein Bild, das der Unkundige auf „Röhrehen“ aus- 
legen kann, so dass wohl eine von mir nach dieser Richtung hin 
gemachte Bemerkung in dem Aufsatz: Die Hautsinnesorgane der 
Arthropoden‘), nicht unzutreffend is. Und wieder beginnt in 
einiger Entfernung von der Wurzel ein scharfer Innenstrich, den 
ich abermals als Skelettheil deute und im Grossen das bestätigt, 
was über die Natur des Innenfadens der Sinnesborsten ausgesagt 
wurde. In den beiden Endgliedern der Schwimmbeine ist ein ähn- 
licher Skeletstreifen vorhanden, er fehlt aber in dem Geisselanhang 
des ersten und zweiten Paares. 

Die am dritten Schwimmfuss befindliche Samenkapsel (Taf. V, 
Fig. 51) des Männchens ist nach innen buchtig; eine nach oben 
gerichtete Bucht zeigt sich besonders tief; die Oeffnung ist zwei- 
lippig. — Das abgerundete Ende des nach unten gekrümmten 
Hackens (Taf. V, Fig. 50) am vierten Schwimmfuss besitzt in der 
dieken Cuticula scharf sich abhebende Porencanäle. 


1) Zool. Anzeiger, 1886. 


Ueber Argulus foliaceus. 45 


Die Schwanzflosse — verkümmertes Abdomen nach Milne 
Edwards und Claus — ist bei eben ausgeschlüpften Larven an 
der Unterseite mit zarten Borsten besetzt; später erstrecken sich 
rückwärts gekehrte Dörnchen über die ganze Ventralfläche (Taf. V, 
Fig. 48, Fig. 49). 

Am fertigen Thier hat sich die Gestalt der Schwanzflosse 
nach den Geschlechtern etwas verändert: beim Weibchen (Taf. V, 
Fig. 43) springt jetzt der Aussenrand nach der Wurzel zu in ein 
scharfes Eck vor, während beim Männchen (Taf. V, Fig. 47) die 
Stelle mehr abgerundet erscheint. Diese Verschiedenheit der Form 
der Schwanzflosse fiel besonders an Thieren auf, die in Chrom- 
säure getödtet worden waren. Die Gegend, in deren Bereich das 
Receptaculum seminis gehört, erhebt sich als eine Platte, deren 
Grenzlinie nach hinten und aussen gut sichtbar ist. Beim Männ- 
chen geht eine Cuticularleiste vom Aussenrand gegen die Wurzel 
der Schwanzflosse. 

Der Dörnchenbesatz der Bauchfläche verliert sich nach und 
nach bis auf einige wenige, welche an der Wurzel bleiben und 
auch einen etwas andern Charakter annehmen: sie könnten, da sie 
jetzt schmäler und zarter geworden sind, für Sinneszapfen ange- 
sprochen werden. Uebrigens besagen meine Aufzeichnungen aus- 
drücklich, dass nur beim Weibchen an dieser Stelle die Sinnes- 
zapfen vorkommen. . 

Auch im Bau des Inneren der Schwanzflosse weichen in eini- 
gen Stücken die Geschlechter von einander ab. Beim Weibchen 
ist die Matrixlage des Integuments eine Strecke weit an der Seiten- 
fläche her bedeutend verdickt und es verliert sich in die Zellen- 
lage ein Nerv (Taf. V, Fig. 43). Beim Männchen fehlt. sowohl 
diese Verdickung als auch der Nerv. Ferner begrenzt die Matrix- 
lage, indem sie in bestimmter Linie einwärts abschliesst, den 
grossen Blutraum, über dessen Zerlegung beim Männchen in einen 
äusseren und inneren, sowie in einen solchen, welcher den Hoden 
unmittelbar umgibt, oben berichtet wurde. Kleinere Blutbahnen 
von gewissermaassen netziger Anordnung ziehen zwischen den dorso- 
ventralen Skeletbalken, den ebenso gelagerten Muskeln und den 
Drüsengruppen hin. Längsmuskeln lassen sich auch am Innenrande 
unterscheiden. 

An dem Paar der Schwanzanhänge (Taf. V, Fig. 53) 
stehen bei jüngsten Larven drei Borsten, die länger sind als später 


46 F. Leydig: 


und wovon die eine besonders lang ist. Zuletzt stehen sie in der 
Zahl fünf. Das Innere des Anhanges ist ein Blutraum; die Matrix- 
lage erzeugt Verdickungen am Aussenrand, in welche ein Nerv 
sich verliert, der sich vom Nerven des letzten Schwimmfusses ab- 
zweigt und in den Schwanzanhang eintritt. 

Die Matrixlage des Integuments vor den Schwanzanhängen, 
in der Gegend über dem Enddarm, zerlegt sich in grosse insel- 
artige Platten, welche viele Kerne einschliessen. 


XI. Biologisches. 


Gelegentlich verschiedener Untersuchungen habe ich darauf 
hingewiesen, dass auch bei niederen Thieren das Ausstülpen oder 
Ausrollen von Theilen des Körpers durch Eintreiben von Blut- 
flüssigkeit geschieht. So war bezüglich der Rotatorien anzugeben, 
dass die Ausstülpung des Räderorgans auf solche Weise bewerk- 
stelligt werde. Bei unsern Lungenschnecken überzeugte ich mich, 
dass das Sichausstülpen der Fühler durch Einströmen von Blut- 
flüssigkeit geschieht; das Einziehen erfolgt durch die Thätigkeit 
der Museuli retraetores. Bei einem in Begattung begriffenen Paare 
von Helix pomatia liess sich unverkennbar sehen, dass das Aul- 
blähen und Ausstülpen der Geschlechtswerkzeuge durch ihre An- 
füllung mit Blut zu Wege kommt). 

Die Erscheinungen am lebenden Argulus erinnern ebenfalls 
lebhaft daran, dass die Weise, in welcher das Blut sich im Körper 
vertheilt, hier sich anschoppt, dort sich entleert, auf die Locomo- 
tion fortwährenden Einfluss hat. So herrscht z. B. in den Saug- 
napffüssen ein beständiges Spiel von Anschwellung und dadurch 
bedingter Entfaltung der Theile, z. B. des Endsaumes; dann wieder 
ein Zurückweichen des Bluts durch die Contraction der Ringmus- 
kulatur. Der Taststachel streckt sich hervor nicht durch Muskel- 
thätigkeit, sondern einzig und allein durch die Elasticität der Chi- 
tinhülle und hauptsächlich wieder durch Schwellung mit Blut; die 
Muskeln besorgen abermals nur das Einziehen und Einstülpen. 

Die Kraft aber, von welcher die Strömung des Blutes aus- 
seht und unterhalten wird, ist nicht das sogenannte Herz, sondern 


1) Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Arch. f. 
mikrosk. Anat. Bd. I. 


Ueber Argulus foliaceus. 47 


die Gesammtmuskulatur des Körpers, weshalb denn aber auch, 
wie oben gemeldet, selbst am unbehelligten Thier, die Circulation 
so leicht sich in Fluetuation umsetzt und unter beengenden Ver- 
hältnissen ohne weiteres tumultuarisch werden kann. 


Dass dem „Giftstachel“ diese Bedeutung nicht beigelegt wer- 
den kann, habe ich schon vor zwei Jahren ausführlich dargethan 
und die jetzt gelieferten Abbildungen mögen noch klarer machen, 
warum ich in diesem Organ ein Sinneswerkzeug erblicke. Einst- 
weilen habe ich freilich, wie ich sehe, tauben Ohren gepredigt, 
indem man nach wie vor von dem Giftstachel des Argulus spricht!). 
Indessen Diejenigen, welche den Gegenstand nachzuprüfen die 
Fähigkeit haben, werden sich bekehren lassen. 


Im Hinblick auf die Zahlenverhältnisse der Geschlechter zu 
einander bemerkt Claus, dass die Männchen in „viel beschränk- 
terer Zahl“ zugegen seien als die Weibchen. 

Als ich im Juli zuerst auf die Menge des Argulus im Bassin 
des botanischen Gartens in Bonn aufmerksam gemacht worden 
war, wobei ich, wie eingangs bemerkt, leicht durch Abspülen eines 
einzigen Fisches ein dichtes Gewimmel der Parasiten im Glase 
haben konnte, forschte ich ebenfalls darnach, wie sich die Zahl 
der Männchen zu jener der Weibchen verhalte. Da sich an die 
Wand des Glases nach und nach Hunderte der Thiere festsetzten 
und man schon mit der Lupe die beiden Geschlechter sicher unter- 
scheiden konnte, so liess sich mit Bestimmtheit sehen, dass die 
Zahl der Männchen um diese Zeit jene der Weibchen überwog. 

Dies Verhältniss änderte sich aber nach und nach. In neuen 
Schwärmen des Argulus, welche ich immer aus der gleichen Oert- 
lichkeit bezog, war von Mitte August an die Zahl der Männchen 
entschieden zurückgegangen und die Weibchen waren zahlreicher. 
Letzere zeigten sich voll reifer Eier. Darnach darf man vielleicht 
annehmen, dass die Männchen gegen Anfang des Herbstes absterben. 

Noch über einen Punkt konnte ich mir keine Rechenschaft 
geben. Es wurde von den Thieren eine Menge Laich an die Wand 


1) Vergl. z. B. Bitterling und Karpfenlaus. Zool. Garten, 1887. 


48 F, Leydig: 


des Glases abgesetzt in Form von kürzeren und längeren Schnüren, 
wobei sich in den grösseren 100 und darüber einzelne Eier zählen 
liessen, die innerhalb der Laichmasse in einer gewissen Ordnung 
gelagert waren. Aber vergeblich wartete ich diesmal auf ein Aus- 
kriechen der Larven: keinem der Eier entschlüpfte ein junger 
Argulus. Sollte bei den ungünstigen Verhältnissen, in welchen die 
gefangen gehaltenen Thiere sich befanden, die Befruchtung unter- 
blieben sein? Oder, wenn diese doch etwa erfolgt war, wodurch 
unterblieb die Weiterentwicklung der Eier? 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—V. 


Tafel 1. 


Fig. IL. Stück vom Rande des Schildes, fertiges Thier: zweierlei Borsten; 

inneres Bälkchenwesen; links ein Dorn, dessen Lichtung zusammen- 

hängt mit dem Lückenwesen zwischen den Bälkchen; zwei Hautdrüsen. 

Stück der Unterseite des Schildes, Larve, die beiden Saugnapfbil- 

dungen. 

Fig. 3. Theil des Schildes von der Fläche, fertiges Thier: Magenverästelung ; 
Schildnerv, Endigung desselben in der Matrixlage des Integuments; 


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m. 
IR 

180) 


Skeletbildungen im Innern des Schildes, feinere und gröbere Aus- 
läufer erheben sich ins Innere der „Tastborsten‘‘; Zellen des Fett- 
körpers; Drüsen. 

Fig. 4. Tastborste des Schildrandes: in ihrem Innern ein fadiger Ausläufer 
des Skeletnetzes. 

Fig. 5. Tastborste vom Schwanzanhang, von aussen: an der Wurzel Ver- 
dickung der Cuticula zu Sculpturlinien. 

Fig. 6. Dieselbe Borste im optischen Schnitt: im Innern ein Skeletfaden, 
von einer Verdickung kommend. (Früher vermeintliche kleine Gan- 
glienkugel und Nervenfaser.) 

Fig. 7. Fiederborste eines Schwimmfusses, junges Thier: es erheben sich von 
der Matrix Fortsetzungen in die Borste mit den gleichen Fettkügel- 
chen, wie sie in der Substanz der Matrix sich finden. 

Fig. 8. Fiederborste eines Schwimmfusses: in der innern papillenartigen 
Matrixerhebung ein cuticularer Achsenfaden. 

Fig. 9. Nervenröhre im Schwimmfuss, ihre Gabelung und Endverhalten. 

Fig. 10. Endigung eines Nerven im Schwimmfuss in der verdickten zelligen 
Matrixlage des Integumentes. 


Fig. 
Fig. 


D' 


>' 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


. 14a. 


18 


31. 
32. 
33. 


Ueber Argulus foliaceus. 49 


. Zelle des Fettkörpers aus dem Schild: Sonderungen im Kern. 
. Einfache Hautdrüse sammt ihrer Mündungsstelle: Anordnung des 


Spongioplasma im Drüsenkörper. 


. Zusammengesetzte Hautdrüse. 


Endigung eines aus zwei breiteren Röhren bestehenden Nerven an 
einem Muskel des Saugnapffusses. 

Endigung eines aus mehreren schmälern Röhren bestehenden Nerven 
aus einem andern Muskel. 


Tafel II. 


Centrales Nervensystem von unten: Gehirn mit Sehganglion; Ur- 
sprung des Nerven für den Taststachel; Bauchmark und dessen 
Lücken in der Mittellinie. 


. Augenganglion und seitliches Auge mit Umgebung: Blutraum, Mus- 


keln, Anheftungsbänder. 


. Auge, an dem das Pigment getilgt ist: Die zweierlei Krystallkegel. 
. Schnitt durch das Auge: Cuticulare Umgrenzung sammt Matrixlage; 


Form der Krystallkegel; Querriefelung des Nervenstabes; Pigment- 
zellen. 


. Krystallkegel, durch Reagentien gequollen und von der Basis aus 


gesehen. 


. Seitliches Auge, Sehganglion, Gehirn und Stirnauge von der jungen 


Larve; am Rande des Schildes die langen Tastborsten. 


. Riechfäden der Antenne, fertiges Thier. 
. Riechfäden der Antenne, Larve. 
. Hinterer Theil des Herzens vom fertigen Thier: Bau der Wand; 


Klappen; durchschimmernder Enddarm; Blutkörperchen. 


. Lücken zwischen den Muskeln des Rückens von ganz junger Larve, 


von denen eine zum „Herzen“ wird. 


. Dasselbe von einer älteren Larve: die mittelste Lücke ist Herzraum 


geworden. 


Tafel IIl. 


Taststachel (,Giftstachel“) und sein Inneres: Nervenröhre, an der 
Wurzel paarig, entspringend aus dem Ganglion olfactorium; Mus- 
keln; Blutraum. 


. Stück des Nerven für sich. 

. Freies Ende des Taststachels, stark vergrössert. 

. Stück der Nervenröhren und ihrer Anheftungsbänder. 

. Mundaufsatz: Chitingestell im Innern; Muskelsehnen; Kiefer; ge- 


körnelte Partie zwischen den letztern (links daneben, Fig. 30a, für 
sich und stärker vergrössert). 

Frei in den Magen vorspringender Theil des Schlundes. 

Bau der grossen Zellen des Fettkörpers. 

Enddarm und der drüsige Seitenschlauch (Bileiter nach Claus). 


Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 4 


50 


Fig. 
. 35. Stück des Saumes vom Saugnapffuss: Biutraum prall mit Blut ge- 


Fig. 
Fig. 


F. Leydig: 
34. Freier Endtheil des Klammerfusses. 


füllt und dadurch vorgetrieben; in ihm Netzbalken und Muskeln; 
wulstförmig vortretende Partie des Grundes des Napfes, von aussen 


und im optischen Schnitt. 


. 36. Zum weiteren Bau des Saumes vom Saugnapffuss: inneres Bälkchen- 


wesen; gegliederte „Strahlen“; Uuticularring. Daneben Fig. 36a 
zwei der weichen, feinbehaarten Endzacken, die Matrixkerne an der 
Basis und die knotigen Verdiekungen des Netzwerkes für sich. 


Tafel IV. 


37. Stirnauge nach Gliederung und Bau, umgeben von einem Blutraum. 

38. Vorderer Abschnitt des Leibes einer jüngeren Larve, von unten: 
Antennen, Ruderfüsse, erster und zweiter Greiffuss, erster Schwimm- 
fuss; Taststachel; Mundaufsatz. 


. 38a. Enddorn des ersten Klammerfusses für sich und stärker vergrössert. 
ig. 39. Hälfte des Schildes einer Larve und ein Theil ihres Innern: schleifen- 


förmiges Organ; Magen und seitliche Aussackung; Fettkörperzellen ; 
Hautdrüsen; eigenthümliche Höckerbildungen am Hinterrand. 


. 39a. Kern einer der Fettkörperzellen nach Behandlung mit härtender 


Lösung. 


. 39 b. Eine der Höckerbildungen des Hinterrandes stark vergrössert. 
. 40. Scheibe des Saugnapffusses: gewöhnliche Zellenlage der Matrix und 


Gruppe umgebildeter Zellen: Cuticularstrahlen; innere Stützbalken. 


. 40a. Einige der inneren Stützbalken mit ihrem Ueberzug von Matrix- 


zellen, stärker vergrössert. 


. 41. Freies Ende des Saugnapffusses im optischen Längsschnitt: Ein- 


stülpung zum Saugnapf und wie weit diese geht; die Bluträume, 
von der Wurzel bis zum Saume sich erstreckend; cuticulare ring- 
förmige Verdickungen und Sculpturen; Muskeln; Anschoppungen von 
Blutkügelchen. 


. 42. Gehirn der Larve und Form der Durchtrittsstelle des Schlundes. 


Tafel V. 


. 43. Schwanzflosse des Weibchens, von oben: Verdickung der Matrixlage 


am Aussenrand und Herantreten eines Nerven an diese Stelle; Skelet- 
balken, Drüsen, Muskeln; Enddarm; Platte, in deren Bereich die 
Samentasche liegt. 


. 44. Samentasche; Ausführungsgang mit Anhang; Geschlechtspapille. 
. 44a. Wand der Samentasche im Schnitt: die Verdickungen scheinen von 


Muskeln herzurühren. 


. 45. Beginn des Ductus seminalis aus dem Receptaculum seminis: Quer- 


streifung, mag sich auf Muskeln beziehen. 


. 46. Spitze der Geschlechtspapille im optischen Schnitt. 


Ueber Argulus foliaceus. 51 


Fig. 47. Schwanzflosse des Männchens: Hode; Blutraum; Muskeln; Drüsen ; 
inselartige Partie der Matrixlage des Integumentes über dem Enddarm. 

Fig. 48. Hinteres Ende des Körpers einer jungen Larve: Anlage der Hoden. 

Fig. 49. Dieselbe Körperpartie in etwas späterem Stadium: Auftreten einer 
Lichtung in der Hodenanlage. 

Fig. 50. Copulationshacken am vierten Schwimmfuss des Männchens; seine 
starke Krümmung nach unten; Porencanäle. 

Fig. 51. Form der Mündung der Samenkapsel am dritten Schwimmfuss des 
Männchens; ist nach oben geöffnet. 

Fig. 52. Schalendrüse mit den Blutcanälen. 

Fig. 53. Gegend der Schwanzanhänge: eigentliche Lage des Afters. 


Würzburg, im September 1888. 


(Aus dem pathologischen Laboratorium an der Kais. Universität in Warschau.) 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems 
von mikroskopisch wahrzunehmenden Verände- 
rungen begleitet? 


Von 
Bohdan Korybutt-Daszkiewicz. 


Die Neuropathologie verfügt zur Zeit schon über eine ansehn- 
liche Zahl von Thatsachen, die dafür sprechen, dass das Central- 
nervensystem auf eine ganze Reihe von pathologischen Einwir- 
kungen mit verschiedenen, unter dem Mikroskop wahrzunehmenden 
Veränderungen zu reagiren vermag. Zu bedauern ist es, dass eine 
genaue Beurtheilung dieser Daten mit grossen Schwierigkeiten ver- 
bunden ist. 

Eine der wichtigsten Ursachen, die diese Schwierigkeiten be- 
dingen, ist die mangelhafte Kenntniss der Veränderungen, die mit 
dem thätigen Zustande der nervösen Apparate im Allgemeinen 
zusammenhängen. Wir wissen nicht einmal, ob der thätige 


52 Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: 


Zustand der Nervenelemente von gewissen constanten, der gegen- 
wärtigen mikroskopischen Analyse zugänglichen Veränderungen 
begleitet ist. Man nimmt gewöhnlich an, dass die Funktionen der 
Nervenelemente innig mit verschiedenen moleeulären Umwandlungen 
verbunden sind; ob aber diese Veränderungen einen genügend hohen 
Grad erreichen, um mikroskopisch wahrnehmbar zu werden, das 
bleibt meistentheils noch fraglich. 

Die grossartige Entwickelung, die in den letzten Zeiten den 
complieirten Tinctionsmethoden zu Gute gekommen ist, erlaubt es 
zu hoffen, dass die Zahl der unter dem Mikroskope nicht zur 
Wahrnehmung gelangenden moleculären Veränderungen immer 
mehr und mehr abnehmen wird. Durch Anwendung combinirter 
Tinetionen auf verschiedene Objecte kann man sich leicht über- 
zeugen, dass den Färbungserscheinungen eine eigenartige Wahl- 
verwandtschaft zwischen den Farbstoffen und den Substanzen, aus 
welchen die Structurelemente dieser oder jener Ordnung gebaut 
sind, zu Grunde liegt. Sehr lehrreich ist die Thatsache, dass 
durch die combinirten Tinctionen wir in den Stand gesetzt sind, 
in der Differenzirung verschiedener Elemente viel weiter zu gehen, 
als es eine morphologische (sensu stricto) Analyse erlaubt. 
Als Beispiel führe ich hier die Kernkörperchen an: die einen 
färben sich bei der Doppeltinetion mit Hämatoxylin und Safranin 
intensiv blauviolett, die anderen, morphologisch den ersteren voll- 
ständig ähnlichen, fixiren begierig das Safranin. Dasselbe gilt 
auch für die Kerne. So finden wir, z. B., in einer Leberzelle 
manchmal zwei Kerne, die morphologisch identisch sind; und 
doch, ungeachtet dieser Identität, praevalirt in der Färbung des 
einen ein Farbenton, in der des anderen — ein anderer. Es muss 
also die Existenz eigenartiger chemischer Structuren angenommen 
werden, die nicht immer mit den morphologischen Structuren über- 
einstimmen. 

Zwar kann in einigen Fällen gezeigt werden, dass eine 
morphologische Structur von einer anderen ersetzt wird und pa- 
rallel damit eine chemische Veränderung vor sich geht — solch’ einer 
Erscheinung begegnen wir bei der Karyokinese (Kosinski); doch 
es kann kaum bezweifelt werden, dass ein derartiger Parallelismus 
nicht in allen Fällen nachzuweisen ist. Die Versuche, die ganze 
Morphologie auf das Spiel chemischer Kräfte zurückzuführen, haben 


bis jetzt zu keinen positiven Resultaten geführt, so dass wir volles 
* 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems ete. 53 


Recht haben, die Existenz selbstständiger Gesetzmässigkeiten so- 
wohl im Bereich der reinen Morphologie, wie in der der Gewebs- 
chemie anzunehmen. 

Indem mich Herr Prof. 5. M. Lukjanow in diesen Ideen- 
kreis einführte, veranlasste er mich zu versuchen, die Data, 
welche in der Zukunft zur Beantwortung der in der Ueberschrift 
gestellten Frage dienen sollen, zu vervollständigen. Der Plan der 
Arbeit ist — nach Allem, was vorher gesagt worden — nicht 
schwer zu entwerfen: die nervösen Apparate im Zustande der 
Ruhe müssen mit ebensolehen Apparaten im thätigen Zustande 
verglichen werden; dabei müssen auch die Vorzüge, die die com- 
binirten Tinctionen bieten, ausgebeutet werden. 

Meine Versuche sind folgendermaassen ausgeführt worden. 
Nachdem ich zwei Frösche (Rana escul.) gleichen Geschlechts 
und gleichen Gewichts gewählt hatte, bestimmte ich den einen 
als Controlthier zu dienen, während der andere zum Versuch vor- 
bereitet wurde. Das Versuchsthier wird auf einer Korkplatte mit 
dem Rücken nach oben fixirt, worauf nach den bekannten Regeln 
die Nervenbündel, die den plex. ischiadicus bilden, beiderseits 
blossgelegt werden. Der 8. Spinalnerv wird auf Hartgummielectro- 
den gelegt, die mit der secundären Spirale des du Bois-Rey- 
mond’schen Schlittenapparates verbunden werden; zur Speisung 
des Inductoriums wandte ich ein Grenet’sches Element an. Die 
übrigen Nervenbündel der genannten Geflechte werden durch- 
schnitten. Die Reizung begann ich bei einem Rollen-Abstand von 
15 em. Der eigentliche Versuch dauerte eine Stunde. Der Strom 
wirkte periodisch während drei Minuten, worauf jedesmal eine 
zwei Minuten lange Pause folgte. Nach je fünfzehn Minuten wur- 
den die Rollen um 2 cm näher aneinander geschoben, so dass am 
Ende des Versuchs der Rollen-Abstand 9 em betrug. Unmittelbar 
auf die Beendigung des Reizungsversuchs folgte noch während 
des Lebens des Frosches die Herausnahme der Wirbelsäule. Das- 
selbe geschah auch mit dem Controlthiere. Die weitere Behand- 
lung beider Präparate wurde möglichst gleich geführt, wobei die 
grösste Sorgfalt darauf gelegt wurde, dass die Reagentien, sowohl 
ihrer Qualität, wie auch der Dauer ihrer Einwirkung nach, in bei- 
den Fällen vollständig gleich seien. 

Da die Resultate, die mit der hier gebrauchten Methode er- 
balten wurden, als befriedigende zu bezeichnen sind, so werde ich 


54 Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: 


mir erlauben sie etwas eingehender zu beschreiben!). Vor Allem 
kamen die Präparate auf 5 Stunden in eine concentrirte wässerige 
Sublimatlösung bei ea. 35° C. (Thermostat von d’Arsonval). 
Dann wurden die Präparate mit destillirtem Wasser gewaschen 
und in einer neuen Portion desselben eine Stunde bei der näm- 
lichen Temperatur gehalten. Nachdem das Wasser abgegossen 
wurde, füllte ich das Gefäss mit 48°/, Alkohol, worin die Prä- 
parate zwei Tage bei Zimmertemperatur verblieben (die Flüssig- 
keit wurde am zweiten Tage durch eine frische Portion ersetzt); 
danach übertrug ich dieselben auf weitere zwei Tage in abso- 
luten Alkohol (wobei am zweiten Tage der Alkohol gewechselt 
wurde). Dann erst wurde die Wirbelsäule mit möglichst grosser 
Schonung geöffnet und das Rückenmark, das um diese Zeit schon 
genügend gehärtet ist, herausgenommen und auf ca. sechs Stunden 
in Nelkenöl gelegt, wobei wieder der Brütofen zur Anwendung 
kam; die folgenden sechs Stunden brachten die Präparate in 
Terpentinöl bei gleicher Temperatur zu. Nach Verlauf dieser 
Zeit setzte ich die Präparate der Einwirkung von Terpentin und 
Paraffin (bei ca. 47° C. schmelzend) aus; bekanntlich löst sich 
das Paraffin bei Bruttemperatur in Terpentinöl sebr leicht. In 
dieser Lösung verblieben die Präparate fünf Stunden, worauf end- 
lich die Einbettung in Paraffin (Schmelzpunkt wie oben) vorge- 
nommen wurde. Es soll bei dieser Gelegenheit darauf geachtet wer- 
den, dass nach dem Erstarren des geschmolzenen Paraffins die Prä- 
parate von einer vollständig homogenen und durchsichtigen Masse 
umgeben und durchdrungen seien. Aus den so vorbereiteten Prä- 
paraten stellte ich Schnittserien von Yıo—Yız, mm Dicke her, in- 
dem ich dafür Sorge getragen habe, dass die Schnittfläche dem 
can. centralis perpendieculär ausfalle. 

Die Schnitte wurden dann auf den Objektträgern mit destil- 
lirtem Wasser angeklebt. Die Färbung der Schnitte geschah auf 
den Objektträgern nach Entfernung des Paraffins mit Xylol. Um 
möglichst gleiche Färbung zu erzielen, wurden oft die Schnitte 
von Versuchs- und Controlthieren auf einem und demselben Ob- 
jektträger angeklebt. Die Färbung der Präparate fand nach einer 
schon vielfach auch in unserem Laboratorium geprüften Methode 


1) Vgl. hierzu R. Wlassak, Das Kleinhirn des Frosches; Archiv von 
Du Bois-Reymond, 1887, Suppl.-Bd. 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems ete. 55 


statt. Vor Allem wurde mit Böhmer’schem Hämatoxylin 1 Mi- 
nute lang eingewirkt, worauf Auswaschen in 1°/, Alaunlösung und 
in destillirtem Wasser folgte. Dann kam Nigrosin (solutio 
aquosa 10, 1 Min.) mit darauf folgendem Auswaschen in 
Wasser. Ferner wandte ich Eosin!) (solutio spirituoso- 
aquosa 0,5%,) während 15—20 Sekunden an. Den Ueberschuss 
des Farbstoffs entfernt man mittels absoluten Alkohol, doch sollen 
die Schnitte, vor Gebrauch des letzteren, auf einige Sekunden in 
destillirtes Wasser getaucht werden. Endlich zogen wir den letzten 
Farbstoff — das Safranin (in 0,5%, alkoholisch-wässeriger Lösung) 
für die Dauer von 20 Minuten heran. Nach genügendem Aus- 
waschen mittels Alkohol wurden die Schnitte in gewöhnlicher 
Weise in Canadabalsam eingeschlossen. 

Die Untersuchung geschah mit Hülfe eines Zeiss’schen 
Mikroskops mit verschiedenen Objektiven und ÖOcularen, je nach 
Bedarf. 

Ungeachtet dessen, dass die Controlthiere nicht als in vollem 
Ruhezustande sich befindende angesehen werden können, auch un- 
geachtet dessen, dass die Versuchsthiere nur eine verhältnissmässig 
kurze Zeit im gereizten Zustande sich befanden, ergab doch die 
mikroskopische Untersuchung entsprechender Präparate einen be- 
achtenswerthen Unterschied im Rückenmarke von Thieren beider 
Kategorien. 

Es fällt sehr scharf in die Augen, dass auch hier die 
combinirte Tinetion dieselben Resultate ergiebt, wie an anderen 
Objekten. 

Am wichtigsten: ist es hier das differente Verhalten der 
Kerne gegen Farbstoffe hervorzuheben: die einen färben sich im 
Allgemeinen blauviolett, die anderen roth?). 

Morphologischerseits konnten bis jetzt keine bedeutenden 
Differenzen aufgefunden werden; übrigens werden wir die morpho- 
logischen Data an einem anderen Orte besprechen. 

Die Nüancen von Blauviolett und Roth können selbstver- 


1) Von Eosin nimmt man diejenige Sorte, die als „spirituslöslich“ be- 
zeichnet wird. 

2) Man kamn sieh leicht überzeugen, dass bei der blau-violetten Tinc- 
tion die Hauptrolle dem Hämatoxylin und bei der rothen dem $Safranin 
zukommt. 


56 Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: 


ständlich sehr verschieden sein, doch gelingt es — bei gewisser 
Uebung und guter Tinetion — alle Kerne ohne künstliche Ein- 
zwängung in zwei Kategorien, entsprechend den zwei Grundtönen, 
einzutheilen. 

Ich konnte bemerken, dass die relative Zahl der Kerne beider 
Kategorien (der Kürze wegen werde ich sie weiter als „blaue“ 
und „rothe“ Kerne bezeichnen) in dem Rückenmarke der Ver- 
suchs- und Controlthiere eine ungleiche ist. 

Da das Urtheil über relative Zahlen nur dann von Subjecti- 
vität befreit werden kann, wenn man genaue Zählungen unter- 
nimmt, so habe ich mich entschlossen, der bemerkten Thatsache 
in genauen Zahlen Ausdruck zu geben. Zu diesem Zwecke ge- 
brauchte ich folgendes einfache Verfahren. Auf einem gewöhnli- 
chen Ocular-Mikrometer, worauf 11 längere Theilstriche in gleicher 
Entfernung von einander angebracht sind, wurden die Endpunkte 
aller Theilstriche mit einander durch gerade Linien verbunden; in 
dieser Weise erhielten wir auf dem Plättehen des Ocular-Mikro- 
meters ein rechtwinkeliges Viereck, dessen längere Seiten je 
1,0em, die kürzeren je 0,5cm massen. Dieses Viereck besteht 
somit aus zehn kleineren Recbtecken, die gleicher Grösse und pa- 
rallel den kürzeren Seiten des grossen Vierecks gelegen sind. Das 
Mikrometer kam in das Oeular Nr. 1, und als Objectiv diente bei 
der Untersuchung das Zeiss’sche F. 

Um die Zählung beginnen zu können, wird das Präparat der- 
maassen im Gesichtsfelde plaeirt, dass die äussere Grenze des 
ean. centralis mit der kürzeren Seite des Vierecks zusammenfalle, 
worauf durch entsprechende Drehung des Oculars die längeren 
Seiten des Vierecks in eine mehr oder weniger der vorderen 
Grenze des Vorderhorns parallele Lage gebracht werden. Es ist 
leicht verständlich, dass dabei das Mikrometerfeld fast das ganze 
vordere Horn und einen Theil des hinteren bedeckte; ausserhalb 
des Vierecks blieben nur noch wenige Kerne liegen. Die Kerne 
werden in jedem kleinen Vierecke gesondert gezählt, von der Peri- 
pherie beginnend. In jedem desselben wird die Gesammtzahl der 
Kerne!) festgestellt, dann aber die Zahl der rothen und der blauen, 
jede für sich, bestimmt. 


1) Aus verschiedenen Gründen, deren Besprechung uns hier zu weit . 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 57 


Es wäre viel bequemer ein anders angefertigtes Mikrometer 
in Anwendung zu ziehen, nämlich ein solches, das aus einem 
System eoncentrischer Kreise bestände, die durch einige Diameter 
in eine Anzahl gleich grosser Sektoren getheilt wären. Eine 
solehe Zählungsvorrichtung bestellte in der That Herr Prof. 
S. M. Lukjanow bei H. C. Zeiss; indessen erforderte die Her- 
stellung derselben mehrere Monate, so dass ich bei meinen vor- 
liegenden Zählungen davon keinen Gebrauch machen konnte. 
Nach Erhalten dieses neuen Mikrometers aber hatte ich Gelegenheit 
mich zu überzeugen, dass diese Vorrichtung unserer Erwartung 
vollständig entspricht. In unserem concentrischen Mikrometer ist 
der Diameter des grössten Kreises 1,0 em lang; die Zahl der con- 
centrischen Kreise beträgt 10. Die Radien der Kreise differiren 
untereinander je um 0,05 cm. Bei Einstellung des Mikrometers 
muss sein Centrum mit dem Centrum des can. centralis zu- 
sammenfallen. Am besten ist es dabei das System CC von Zeiss 
zu gebrauchen, combinirt mit Ocular Nr. 4. 

Gezählt wurden die Kerne an Schnitten von zwei Versuchs- 
und zwei Controlfröschen. Da es kaum möglich ist alle Kerne 
im Rückenmarke abzuzählen, so entschlossen wir uns die Aufmerk- 
samkeit auf zwei Abschnitten desselben zu concentriren, nämlich 
auf denjenigen, aus welchen das-7. resp. 8. und das 1. resp. 2. 
Nervenpaar abgehen. 

Das ganze Material ist in den beigegebenen Tabellen A und B 
zusammengestellt. 


führen würde, haben wir bei unseren Zählungen die Neurogliakerne mitge- 
rechnet. 


Bohdan Korybutt-Daszkiewicez: 


58 


Tabelle A. Controlthiere. 


I. Controlfrosch «a. 


24 Schnitte aus dem hinteren Theile des 


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Rückenmarkes. 


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59 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 


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Gesammtzahl der Kerne 
Zahl der rothen Kerne 


Zahl der blauen Kerne 


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189. 
159. 


1736. 


100 : 1091,8. 


Rothe Kerne :blaue Kerne 


II. Controlfrosch d. 21 Schnitte aus dem hinteren Theile des 


Rückenmarks. 


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61 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 


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63 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 


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Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: 


64 


Tabelle B. Versuchsthiere. 


IV. Versuchsfrosch a. 


24 Schnitte aus dem hinteren Theile des 


Rückenmarks. 


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Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 


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Bd. 33, 


Archiv f, mikrosk. Anatomie. 


Bohdan Korybutt-Daszkiewicz: 


36 


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1458. 
305: 


Gesammtzahl der Kerne 


Zahl der rothen Kerne 


Zahl der blauen Kerne 


Rothe Kerne : blaue Kerne 


dem hinteren Theile des 


21 Sehnitte aus 


V. Versuchsfroseh b. 


Rückenmarks. 


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Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 


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Bohdan Korybutt-Daszkiewiez: 


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69 


Wird der thätige Zustand des Centralnervensystems etc. 


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70 Bohdan Korybutt-Daszkiewicz: Wird der thätige Zustand etc. 


Wie aus den Tabellen zu ersehen ist, wurden im Ganzen 
110 Querschnitte abgezählt, auf welchen in entsprechenden Mikro- 
meterfeldern 7886 Kerne gefunden wurden. Diese Zahl ist nicht 
so gross, wie es wünschenswerth wäre, ich werde mich auch nicht 
in eine zu detaillirte Besprechung des gesammelten Materials ein- 
lassen, ebensowenig wie ich hier die bezüglichen Andeutungen aus 
der Literatur berücksichtigen will. Es wird vollständig genügen, 
einige Schlüsse zu formuliren, die wohl nicht ohne Interesse sein 
dürften. 

Folgende Sätze ergeben sich direkt aus den in den Tabellen 
zusammengestellten Zahlen. 

1. Die Gesammtsumme der gezählten Kerne im Rückenmarke 
beider Controlthiere beträgt 4127, wovon 414 rothe und 3713 blaue. 
Auf 1 rothen kommen also im Controlthier 8,97 blaue Kerne. 

2. Die Gesammtzahl der im Rückenmarke beider Versuchs- 
thiere registrirten Kerne beträgt 3759, wovon 1012 rothe, 2747 
blaue, so dass auf 1 rothen 2,71 blaue Kerne kommen. 

3. Aus dem Vergleich der vorhergehenden Thesen lässt sich 
folgern, dass bei den Versuchsthieren die relative Zahl der rothen 
Kerne 3,31 Mal grösser ist, als bei den Controlthieren. 

4. Werden nur die Theile in Betracht genommen, welche 
dem Eintritt der gereizten Nerven am nächsten liegen, so wird 
der Unterschied zu Gunsten der rothen Kerne noch erheblicher, 
es ist nämlich die relative Zahl der rothen Kerne in den genannten 
Theilen bei den Versuchsthieren 3,66 Mal grösser, als bei den 
Controlthieren. 

5. Was die ferner gelegenen Theile betrifft, so ist hier der 
Unterschied nicht so scharf, doch auch in diesem Falle ist die 
eine Zahl 2,09 Mal grösser, als die andere. 

6. Die Bedeutung dieser Schlussfolgerungen, abgesehen von 
Allem anderen, wird noch dadurch bekräftigt, dass der Vergleich 
auch einzelner Thiere im Allgemeinen dieselben Resultate liefert, 
wie derjenige der obenangeführten Gesammtzahlen. 


Dr. Michaelv. Lenhossek: Untersuchungen über die Entwickelung ete. 71 


Untersuchungen über die Entwickelung der Mark- 
scheiden und den Faserverlauf im Rückenmark 
der Maus, 


Von 


Dr. Michael v. Lenhossck, 
Docent an der Universität in Budapest. 


Hierzu Tafel VI und VM. 


Seitdem P. Fleehsig durch sein grundlegendes Werk: „Die 
Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark des Menschen. Leipzig, 
1886“ der anatomischen Forschung eine neue Bahn erschlossen und 
die von ihm vertretene neue Methode der Forschung durch eine 
Reihe der bedeutendsten Entdeckungen so glänzend inaugurirt 
hatte, wurde die Untersuchung der Markscheidenbildung in den 
Centralorganen des Nervensystems und im Anschluss daran die des 
inneren Baues der letzteren vielfach in Angriff genommen, und 
man wird zugestehen müssen, dass jene Fülle von wichtigen Auf- 
klärungen, die wir in letzter Zeit über die Organisation des Ge- 
hirns und Rückenmarkes erhielten, in erster Linie diesen Unter- 
suchungen zu verdanken sei. 

Fast alle diese Forschungen aber — an denen sich sonder- 
barer Weise nur Psychiater und Neuropathologen betheiligten, ob- 
wohl sich dem Anatomen auf diesem eigentlich ihm zugehörigen 
Gebiete ein lohnendes Feld der Thätigkeit darbietet — beziehen 
sich blos auf den Menschen. 

Die Frage, ob die Entwickelung der Markscheiden im Central- 
nervensystem der Thiere denselben Gesetzen unterliege, wie beim 
Menschen, ob jene Thatsachen, die in dieser Richtung von Flechsig 
und seinen Schülern, unter denen wohl in erster Reihe Bechterew 
zu nennen ist, für diesen ermittelt worden sind, auch für jene 
Geltung haben, war bis in die letzte Zeit hinein eine offene ge- 
blieben. Zwar hatte schon Edinger zahlreiche hierher gehörige, 
auf die niedrigsten Wirbelthiere bezügliche, interessante Beob- 


12 Dr. Michael v. Lenhossek: 


achtungen mitgetheilt, doch fehlte es, namentlich in Betreff des 
Rückenmarkes, an einer systematischen Untersuchung. 

Dies bewog mich, diese Verhältnisse bei der Maus einer 
Durehforsehung zu unterziehen. 

Im Laufe meiner Untersuchungen konnte ich mir bald die 
Ueberzeugung verschaffen, dass sich das Rückenmark dieses Thieres 
in Betreff der Markentwickelung ganz so verhalte wie dasjenige 
des Menschen. Auch hier erhalten die die weisse Substanz zu- 
sammensetzenden Bündel zu verschiedenen Zeiten ihre Markschei- 
den und stimmt auch die Reihenfolge, in welcher sie myelinhaltig 
werden, im Ganzen und Grossen mit der für den Menschen er- 
kannten. überein. So zeichnen sich z. B. die Pyramidenstränge 
auch hier durch ihre spät auftretenden Markscheiden aus, so findet 
man die Vorderwurzeln auch bei diesem Thiere früher markhaltig 
als die hinteren u. s. w. 

Obwohl sich meine Untersuchungen bisher nur auf dieses 
einzige Objeet beziehen, so stehe ich doch nicht an, es als höchst 
wahrscheinlich zu erklären, dass das Auftreten der 
MyelinscheidenindennervösenÖentralorganen 
der Wirbelthiere und namentlich der höheren 
denselben Gesetzen folge. 

Hiermit muss nun der „entwickelungsgeschichtlichen Methode* 
dieselbe Wichtigkeit für die Erkenntniss der Leitungsbahnen in 
Thiergehirnen und Rückenmarken beigelegt werden, welche die- 
selbe anerkanntermaassen für die Erforschung dieser Theile beim 
Menschen besitzt. 

Die Untersuchung ausgebildeter Nervenorgane an wenngleich 
ganz lückenlosen und vortrefflich gefärbten Schnittserien scheint 
an sich unzulänglich zu sein zur sicheren Lösung von Fragen, 
wie die nach dem Verlauf der Leitungsbahnen, nach dem Ursprung 
einzelner Faserbündel u. s. w., auf welche es doch dem Anatomen 
wie dem Physiologen in erster Linie ankommt. Die am meisten 
geeignete Methode zur Erforschung dieser Verhältnisse dürfte meines 
Erachtens die Flechsig’sche sein. Ich glaube, dass, wenn man 
in dieser Richtung viele und pünktliche Beobachtungen gesammelt 
und zahlreiche Thiere — namentlich auch niedrigste Vertreter der 
Wirbelthiere — auf die Entwickelung ihrer centralen Markscheiden 
untersucht haben wird, sich viele bisher offene Fragen der Ana- 
tomie des Centralnervensystems werden beantworten lassen. 


D; 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etec. 13 


Ein wichtiger Beweggrund, der uns zur Bewerkstelligung 
ähnlicher Untersuchungen auffordert, ist die Aussicht, in der Er- 
kenntniss des Baues vom Gehirn und Rückenmark der Thiere 
einen Schlüssel zu finden für das Verständniss der Structur dieser 
Organe beim Menschen. Es ist schon vielfach und neuerdings 
wieder von Edinger!) und Köppen?) darauf hingewiesen wor- 
den, dass die Forschung auf diesem Gebiete, um einen Erfolg zu 
verzeichnen, von den einfacheren Formen ausgehen müsse. Dem 
muss man unbedingt zustimmen, und wenn trotzdem die schon in 
ziemlich grosser Zahl angestellten hierher gehörigen Untersuchungen 
mit Ausnahme einiger neueren auf die Entwickelung unserer dies- 
bezüglichen Kenntnisse nicht vom erwarteten Einflusse waren, so 
hängt dies meiner Ueberzeugung nach zumeist mit der Unsicher- 
heit der gewonnenen Resultate, mithin also wieder mit der Unzu- 
länglichkeit der Methode zusammen. Das Üentralnervensystem 
selbst der niedrigsten Vertebrata ist zwar in seinem Baue viel 
einfacher als z. B. dasjenige des Menschen, jedoch noch immer 
viel zu complieirt, um mit den gewöhnlichen Methoden einer zu- 
friedenstellenden Lösung zugeführt werden zu können. Auch hier 
muss zur Flechsig’schen Methode gegriffen werden und werden 
sich solehen Untersuchungen gewiss viele und allgemeinwichtige 
Resultate abgewinnen lassen. 

Das von mir benützte Thier, die Maus eignet sich ganz vor- 
züglich zu solchen Untersuchungen. Die Vortheile dieses Thieres 
für unsere Zwecke bestehen einmal in der Kleinheit desselben, in 
Folge deren sich seine nervösen Centralorgane nach Einbettung 
in Celloidin ohne allzugrosse Mühe in Schnittserien — die ohnehin 
nicht complet zu sein brauchen — zerlegen lassen, andererseits in 
dem Umstande, dass die Bildung der Markscheiden bei demselben 
erst nach der Geburt beginnt, mithin man sich also nieht genöthigt 
sieht, nach Embryonen zu fahnden. Junge Exemplare lassen sich 
bei der bekannten Fruchtbarkeit des Thieres leicht verschaffen. 
Das Herauspräpariren von Gehirn und Rückenmark selbst neuge- 
borener Thiere ist bei einiger Uebung keine Sache von Schwierigkeit. 


1) Dr. L. Edinger, Vergleichend-entwickelungsgeschichtliche Studien 
im Bereich der Gehirn-Anatomie. Anatomischer Anzeiger II. 1887. Nr. 6. 
p. 145. 

2) Dr. Max Köppen, Zur Anatomie des Froschgehirns. Archiv für 
Anat. u. Physiologie. Anat. Abtheilung. 1888. p. 1. 


14 Dr. Michael v. Lenhossek: 


Als einzigen Nachtheil dieses Objectes könnte ich den Um- 
stand anführen, dass die von mir bei meinen Untersuchungen fast 
ausschliesslich in Anwendung gebrachte Hämatoxylinfärbung nach 
Weigert bei jungen Exemplaren mitunter — ohne jede nach- 
weisbare Ursache — nicht recht gelingen will. Hat man sich 
bei der Färbung noch so streng an die von Weigert angegebenen 
Vorschriften gehalten, so wird man doch zu seinem Aerger einige 
Serien unbrauchbar finden. Obwohl ich Rückenmarke von einem 
jeden Tage vom 1. bis zum 15., z. Th. in mehreren Exemplaren, 
ausserdem noch solche von 18, 20, 25, 27 und 30 Tage alten 
Thieren untersuchte, blieb meine Sammlung doch aus dem eben 
angeführten Grunde eine lückenhafte. Dies der Grund, weshalb, 
wie ich mir recht gut bewusst bin, die mitzutheilenden Resultate 
in Betreff vieler Punkte sich äusserst dürftig präsentiren. Eine 
Ausfüllung der Lücken hätte die Veröffentlichung meiner hiermit zu 
vorläufigem Abschluss gebrachten Untersuchungen zu sehr verzögert. 

Hinsichtlich der Darstellungsweise hatte ich die Wahl zwischen 
zwei Verfahren. Ich konnte meine Befunde entweder einfach 
casuistisch oder aber systematisch geordnet darstellen. Grösserer 
Uebersichtlichkeit halber habe ich mich für letztere Darstellungs- 
weise entschlossen. 

Das Rückenmark der Maus wurde speciell untersucht von 
Bochmann!) und Stieda?). Ersterer befasst sich sehr eingehend 
mit der Structur desselben, während Stieda unter Berufung auf 
Bochmann’s Arbeit dem Gegenstande nur wenige Seiten widmet. 


I. Graue Substanz im Allgemeinen und gelatinöse Formation. 


Das Rückenmark der Maus stimmt in den meisten Punkten 
seiner Struetur mit demjenigen des Menschen überein, eine That- 
sache, die ich gleich eingangs hervorheben zu müssen glaube. So 
ist auch die Anordnung der grauen und weissen Substanz auf dem 
Querschnitte fast ganz dieselbe wie bei diesem; ein geringer Unter- 
schied gibt sich darin kund, dass erstere sich hier etwas plumper und 


1) Eugen v. Bochmann, Ein Beitrag zur Histologie des Rücken- 
marks. Inaug.-Dissertation. Dorpat 1860. 

2) Dr. Ludwig Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der 
Vögel und Säugethiere. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. 19. 1869. p. 64. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 75 


verhältnissmässig grösser präsentirt, letztere einen etwas schmälern 
Mantel um diese herum bildet. 

Wie dort, sind auch hier je nach den Höhen des Rückenmarkes 
Verschiedenheiten sowohl im Umriss der grauen Substanz wie in 
ihrem quantitativen Verhältniss zur weissen nachzuweisen und 
kann ich Stieda!) keineswegs beistimmen, wenn er angibt: 
„die Form der grauen Substanz sei in den verschiedenen Gegen- 
den des Rückenmarks nur sehr geringem Wechsel unterworfen.“ 
Dies könnte noch einige Berechtigung haben für die Vorderhörner, 
die von ihrer rundlichen Form in der That weniger Abweichungen 
erkennen lassen, nicht aber für die Hinterhörner, die beispielsweise 
im Lumbalmark eine plumpe Masse darstellen, im Cervicaltheil hin- 
gegen allmählich eine schlanke Form annehmen und sich schliess- 
lich in einen eingeschnürten Stiel und einen breiten, abgeflachten 
Kopf sehr deutlich sondern, welch’ letzterer hauptsächlich durch 
die Rolando’sche Formation dargestellt wird. Unmittelbar vor 
der lateralen Hälfte dieser letzteren findet sich durch die graue 
Substanz zerstreut eine Anzahl longitudinaler Nervenfaserbündel, 
so dass es hier in allen Gegenden des Rückenmarkes zur Bildung 
eines retieulirten Gebietes oder, wie Bochmann?) diese Partie 
nennt, einer Substantia spongiosa kommt. 

Eine ausgesprochene Substantia gelatinosa centralis lässt 
sich bei der Maus nicht nachweisen. Unmittelbar um den Central- 
kanal herum befindet sich ein schmales Gebiet, welches der Nerven- 
zellen und eines Fasernetzes entbehrt, nur mitunter einige selbst- 
ständige Nervenfasern enthält und sich, seitlich begrenzt von den 
medialsten Bündeln der Hinterwurzeln und nach hinten allmählich 
breiter werdend, bis zur hinteren Commissur fortsetzt. Dieses Ge- 
biet ist aber nichts anderes als ein zellen- und faserloses Feld 
der gewöhnlichen Grundsubstanz und ist der Rolando’schen Sub- 
stanz vermöge seiner Structur durchaus nicht gleichwerthig. Boch- 
mann?) hat dies ganz richtig erkannt, indem er sagt: „die vor- 
liegenden Untersuchungen haben durchaus keine Anhaltspunkte 
gegeben, diese Masse als verschieden von der übrigen Masse an- 
zusehen, sie stimmt vielmehr vollkommen mit derselben überein.“ 


1) Stieda, a. a. ©. p. 64. 
2) Bochmann, a. a. O. p. 3. 
3) Bochmann, a. a. OÖ. p. 21. 


716 Dr. Michael v. Lenhossek: 


In ähnlichem Sinne hat sich neuerdings auch H. Virchow!) über 
die „Substantia gelatinosa centralis“ des Menschen ausgesprochen. 

Das was man gewöhnlich mit einem Worte als Hinterhorn 
bezeichnet, besteht aus zwei distineten Theilen: dem eigentlichen 
nervösen Hinterhorn und der diesem hinten anliegenden Rolando- 
schen Substanz oder Formation (H. Virchow). Diese setzt sich 
an gelungenen nach Weigert gefärbten Präparaten sehr deutlich 
von jenem ab, dessen Anhängsel sie gewissermaassen bildet. Sie 
ist bei der Maus recht ansehnlich entwickelt. Ihre Gestalt und 
Grösse ist in verschiedenen Höhen nicht so sehr einem Wechsel 
unterworfen, wie die der übrigen grauen Substanz; sie behält 
allenthalben die für unser Thier charakteristische abgeflachte Halb- 
mondform bei. Da dies auch im Cervicalmark der Fall ist, wo 
das eigentliche Hinterhorn einer Schrumpfung unterliegt, bedingt 
sie die Segmentirung der Hintersäule in Cervix und Caput. 

Die Roland'o’sche Substanz hat bei unserem Thiere die 
Eigenschaft, dass sie in ihrer äusseren Hälfte ganz bis zur Peripherie 
reicht und nicht von derselben, wie beim Menschen, durch Längs- 
bündel (Lissauer’s2) Randzone) geschieden wird. Nur ihre mediale 
Hälfte wird von Quer- und Längsfasern, jedoch auch in sehr ge- 
ringer Breite, bedeckt. Dieses Verhalten findet seinen makro- 
skopischen Ausdruck in Folgendem: Betrachtet man das Rücken- 
mark von hinten, so sieht man neben der hinteren Längsfissur je 
einen weissen Streifen (Hinterstränge), nach aussen von diesem 
einen gelblichen, welcher der hier frei zu Tage liegenden Rolando- 
schen Formation entspricht. 

Die Begrenzung der Rolando’schen Formation ist median- 
wärts sowie nach hinten ungemein scharf, nach vorn — wenn 
auch nicht mehr so exaet — so doch immer deutlich, noch weniger 
exact ist sie aber nach aussen, indem sich die gelatinöse Masse 
eine Strecke in das Gebiet der Seitenstränge hinein in Form eines 
srobmaschigen, in seinen Lücken longitudinale Faserbündel be- 
herbergenden Netzes fortsetzt. Ich nenne diese Stelle „spongiöse 


1) H. Virchow, Ueber Zellen in der Substantia gelatinosa Rolando. 
Neurologisches Centralblatt. 1887. p. 263. 

2) H. Lissauer, Beitrag zum Faserverlauf im Hinterhorn des mensch- 
lichen Rückenmarks und zum Verhalten desselben bei Tabes dorsalis. Archiv 
für Psychiatrie. XVII. p. 380. 


SE Be U EN 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 17 
Zone des Seitenstranges“; sie beschränkt sich blos auf den hintersten 
Theil des letzteren. s 

Es sei mir gestattet, meine Ansicht über die Bedeutung der 
Rolando’schen Substanz hier einzuschalten. Meine Erfahrungen 
lassen mich der Ansicht beistimmen, dass man es hier mit ver- 
hornten Eetodermalzellen zu thun habe, ohne Betheiligung von 
Bindegewebe oder nervösen d.h.als solche funetionirenden Elementen. 

Bekanntlich gehen die Ansichten der Forscher über diesen 
Punkt auch heute noch auseinander. Wenn wir absehen von den 
Ausführungen älterer Forscher, die die Substanz theils aus Binde- 
gewebe (Bidder und Kupffer, Goll ete.), theils aus dicht ge- 
drängten Nervenfasern (Schröder v. d. Kolk, Stilling, Boch- 
mann) bestehen liessen, so lassen sich die wichtigsten und neue- 
sten Aeusserungen hierüber in Folgendem zusammenstellen. 

Gerlach!) erklärte sie als den „an nervösen Elementen ärmsten 
Theil der grauen Substanz.“ 

Meynert?) hielt sie für nervös und liess die aufsteigende 
Quintuswurzel aus ihr entspringen. In diesem Sinne äusserten sich 
W. Krause?) und neuerdings Darkschewitsch und Freud!) 
Nach W. Krause „bildet ihre Grundlage granulirtes Bindegewebe. 
Abweichend von der Substantia gelatinosa centralis ist ihr Gehalt 
an grossen spindelförmigen multipolaren Ganglienzellen“. Ihren 
sich in das oberste Cervicalmark und darüber erstreckenden Theil 
bezeichnet er geradezu als „uuteren sensiblen Trigeminuskern.“ 

Ausser W. Krause beschrieben auch Schwalbe°), Gierke®), 
sowie namentlich H. Virchow’) Nervenzellen als Bestandtheile 

1) J. Gerlach, Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben. 
Wien 1870. 1I. p. 689. 

2) Th. Meynert, Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. 
Wien 1870. I. p. 777. 

3) W. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. l. Hannover 1876. 
p- 389 und 420. 

4) L. Darkschewitsch und Dr. Sigm. Freud, Ueber die Beziehung 
des Strickkörpers zum Hinterstrang und Hinterstrangskern. Neurologisches 
Centralblatt, 1886. p. 121. 

5) Dr. G. Schwalbe, Lehrbuch der Neurologie. Erlangen 1881. p. 347. 

6) H. Gierke, Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. Archiv für 
mikrosk. Anatomie, 26. 1886. p. 144. 

7) H. Virchow, Ueber Zellen in der Substantia gelatinosa Rolando. 
Ref. im Neurologischen Centralblatt, 1887. p. 263. 


718 "Dr. Michael v. Lenhossck: 


dieser Formation, welcher Angabe auch Obersteiner!) beistimmen 
zu müssen glaubte. 

Corning?) giebt zwar in einer unlängst erschienenen interes- 
santen Arbeit zu, dass die Zellen der gelatinösen Formation einen 
„embryonalen Charakter“ haben, woraus man schliessen könnte, 
dass er sie für unentwickelte, mithin also mit keiner Funktion aus- 
gestattete Elemente hält, schliesst sich aber sonst der Anschauung 
Gierke’s an, derzufolge die Formation „unendlich viel mehr 
Nervenzellen enthalte als die übrigen Theile der grauen Substanz.“ 

Diesen Angaben gegenüber steht die an mehreren Stellen?) 
dargelegte Ansicht Beehterew’s, es sei diese Formation nichts als 
eine Anhäufung von centraler Stützsubstanz ohne Beimischung 
nervöser Elemente. 

Auf Grund meiner Beobachtungen muss ich mich ganz für 
Bechterew’s Anschauung erklären. 

Untersucht man das Rückenmark einer neugeborenen Maus 
eines solchen Kaninchens oder eines menschlichen Foetus aus dem 
6.—7. Monat, so wird man in überraschend klarer Weise die Zu- 
sammensetzung der Rolando’schen Substanz aus dicht gelagerten, 
etwas ovoiden Epithelzellen zur Anschauung bekommen, die in 
sagittaler Richtung sich zu Längsreihen anzuordnen scheinen. Die 
Contouren der Zellen sind wohl um diese Zeit schon vielfach nicht 
mehr zu erkennen, doch treten ihre Kerne — namentlich bei Os- 
mium- und Karminfärbung — noch sehr dietinet hervor. Auf einem 
späteren Stadium erblichen allmählich auch diese, indem die ganze 
Substanz einer Verhornung (Schwalbe) oder einem ähnlichen 
Process anheimfällt. Fasern und dergleichen Struetur treten erst 
später, nicht zufolge des Hereinwachsens von Bindegewebe, sondern 
blos durch secundäre Differenzirung der Masse auf. Als Ausdruck 
der erwähnten Anordnung der Zellen bleibt eine auch von Ober- 


1) Dr. Ober steiner, Anleitung beim Studium des Baues der nervösen 
Centralorgane. Leipzig und Wien 1888. p. 183. 

2) H. K. Corning, Ueber die Entwickelung der Substantia gelatinosa 
Rolando beim Kaninchen. Archiv für mikrosk. Anatomie. 1888. Bd. 31. p. 59. 

3) W. Bechterew, Ueber einen besonderen Bestandtheil der Seiten- 
stränge des Rückenmarks. Ref. im Neurologischen Öentralblatt, 1885. p. 369. 
Derselbe: Ueber einen besonderen Bestandtheil der Seitenstränge des Rücken- 
marks. Archiv für Anat. und Physiologie. Anat. Abtheilung, 1886. p. 4. 


Untersuchungen üher die Entwickelung der Markscheiden etc. 79 


steiner!) angeführte analoge Streifung der Formation. Die aus 
ihrer Entwickelung verständliche ungemein dichte Beschaffenheit 
der Formation bedingt ihre charakteristische Färbung, indem sie 
sich mit Karmin bekanntlich dunkler tingirt, als die nervöse graue 
Substanz; noch schärfer ausgesprochen ist jedoch dieser Unterschied 
bei Weigert’scher Färbung, bei welcher sie sich durch ihre ge- 
sättigte Orangefarbe von der gelblich-bleich gefärbten nervösen 
Substanz sehr deutlich unterscheidet. 

Ihr Mangel an Nervenelementen erhellt auch aus ihrer totalen 
Faserlosigkelt, welche sich bei unserem Thiere besonders klar zu 
erkennen giebt. Hier beschränken sich nämlich jene die Rolan- 
do’sche Formation durchsetzenden Bündel der Hinterwurzeln, die 
bekanntlich beim Menschen als „meridionale Fasern‘ die ganze 
Breite derselben in Anspruch nehmen, blos auf ihren medialsten 
Abschnitt, ihr grösster Theil ist absolut faserlos, von ganz homo- 
genem Aussehen, und man wird hier selbst auf ausgesüchtesten 
Präparaten, wo Weigert’s vorzügliches Verfahren selbst die fein- 
sten Fäserchen und auf allen Punkten der grauen Substanz ein 
reiches Fasernetz hervortreten lässt, jegliche Fäserchen vermissen. 
Gesetzt also, es fänden sich wirklich ihrer äusseren Erscheinung 
nach als Ganglienzellen anzusprechende Elemente in der Formation, 
wovon ich mich durchaus nicht überzeugen konnte; wie könnte 
man Zellen, denen das von Deiters?) festgestellte Kriterium eines 
Nervenkörpers: die Verbindung mit einer Nervenfaser abgeht, als 
nervös anerkennen ? 

Meines Dafürhaltens gehören die Elemente der Rolando’'schen 
Substanz in eine Kategorie mit den Epithelzellen des Centralkanals; 
hier wie dort handelt es sich um Eetodermalzellen, die sich nicht 
zu Nervenzellen umgewandelt, sondern ihren einfach epithelialen 
Charakter bewahrt haben. 

Wir sehen da also in jeder Hälfte des Rückenmarkes sym- 
metrisch angeordnet ein Band von Stützsubstanz, dem vielleicht die 
nicht unwichtige Aufgabe zufällt, dem Rückenmark eine gewisse 
Festigkeit zu verleihen. Für eine solche Bedeutung derselben 
spricht auch der Umstand, dass es, wie es scheint, in den meisten 


1) Obersteiner, a. a. OÖ. p. 183. 
2) Otto Deiters, Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark. 
Herausgegeben von Max Schultze. Braunschweig 1865. p. 55. 


80 Dr. Michael v. Lenhossek: 


Wirbelthierklassen vorhanden ist. So ist eine Rolando’sche Sub- 
stanz neuerdings von Köppen!) auch für den Frosch nachgewiesen 
worden. Sie ist hier ebenfalls von Neuroglia-artiger Beschaffen- 
heit, indem sie nach diesem Autor „aus einer dichten Grundsub- 
stanz ohne zellige Elemente besteht.“ 


II. Nervenzellengruppen und Fasernetz. 

Die vorliegenden Untersuchungen ergaben, dass Rückenmarke 
junger Mäuse und auch menschlicher Foeten sehr günstige Objeete 
abgeben zur Ermittelung der Gruppirung der Ganglienzellen inner- 
halb der grauen Substanz und namentlich innerhalb der Vorder- 
hörner, sowie auch zur Bestimmung der ihrer Bedeutung nach zu- 
sammengehörigen Nervenkörper. 

Die Umstände, die diese Verhältnisse deutlich zu Tage treten 
lassen, liegen in gewissen, bisher, so viel ich weiss, nicht beob- 
achteten, in der grauen Substanz zu den Zeiten der Markscheiden- 
entwiekelung sich abspielenden Vorgängen. 

Untersucht man das Rückenmark einer sehr jungen, z. B. 
4—5 Tage alten Maus an Schnitten, die nach Weigert gefärbt 
sind (Fig. 4 und 5), so wird man finden, dass sich die grossen 
„motorischen Zellen der Vorderhörner durch ihre dunkelbraune, 
mitunter tiefschwarze Färbung mit einer Schärfe hervorheben, wie 
sie sich nieht vollständiger denken lässt. Die Färbung ist bedingt 
durch die Anwesenheit zahlreicher mehr weniger feiner Körner 
und Schollen, mit welchen die Zellen namentlich in der Umgebung 
ihres Kerns reichlich beladen sind (Fig. 2). 

Dass es sich hier nicht um Pigment handelt, beweist die 
Untersuchung ungefärbter Schnitte, auf welchen diese Elemente nicht 
hervortreten. Ihre charakteristische Färbung lässt mich vermuthen, 
dass hier eine dem Nervenmark verwandte Substanz vorliegt, welche 
aber mit letzterem doch nicht ganz identisch sein kann, indem sie 
auf Osmiumsäure die bekannte Reaction des Myelins nicht zeigt. 
Gewöhnliche Hämatoxylinfärbung, Karmin sowie Anilinfarben (Me- 
thylviolett, Bismarekbraun, Saffranin) lassen die Körner, die ich 
als Myeloidkörner bezeichnen möchte, ungefärbt. Vielleicht 
trägt zum Verständniss ihrer chemischen Beschaffenheit die Er- 
wähnung dessen bei, dass — soviel ich wenigstens in allen Theilen 


1) Köppen, a. a. 0. p. 5. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 31 


des Centralnervensystems finde — ausser dem Nervenmark auch 
noch die Leucoeyten eine dunkle Färbung bei Weige rt’s Methode 
annehmen. 

Nicht nur in den Nervenzellen der Vorderhörner, auch in 
dem zwischen und hinter diesen liegenden Gebiet der letzteren lässt 
sich, obzwar in viel geringerer Menge, eine ähnliche Körnchensub- 
stanz nachweisen. Die übrigen Zellen der grauen Substanz ent- 
behren um diese Zeit noch vollständig einer dunklen Färbung und 
nur die Zellen der Spinalganglien sind durch eine solche, jedoch 
auch nicht in sehr ausgesprochener Weise ausgezeichnet. 

Beiläufig sei bemerkt, dass sich ein ähnlicher Process im 
Rückenmark menschlicher Foeten noch viel deutlicher ausgeprägt 
beobachten lässt. Um dies zu zeigen, habe ich den Figuren auch 
die Abbildung eines Querschnittes aus dem Rückenmark eines 28 
cm langen Foetus beigefügt (Fig. 9). 

Verweilen wir nun, ohne diese Vorgänge, die sich später auch 
in anderen Theilen der grauen Substanz einstellen, weiter zu 
verfolgen, bei den Nervenzellen der Vorderhörner. 

Mit grosser Schärfe lassen sich innerhalb dieser zwei Zell- 
gruppen unterscheiden: eine plumpe, grosse, einen beträchtlichen Theil 
des Vorderhorns in Anspruch nehmende Hauptgruppe und eine 
sehr viel kleinere, im medialsten Theil des Vorderhorns befindliche 
und sich durch ihre gleich zu erwähnenden Beziehungen zur vor- 
deren Commissur kennzeichnende Commissurengruppe. 

Wenn wir ausgehen von dem Bilde, welches ein Querschnitt 
aus der Lumbalintumescenz bietet, so zeigt sich hier die Sonderung 
in die beiden Gruppen am schärfsten. Man sieht im vorderen lateralen 
Theil des hier plumpen Vorderhorns einen ansehnlichen Haufen 
multipolarer Zellen, die ihre Axencylinderfortsätze in der Richtung 
der Vorderwurzeln entsenden. Die andere Gruppe steckt in der 
medialen Ecke des Vorderhorns, unweit der Commissur, mitunter 
ganz in die Nähe derselben gerückt und wird von der Haugtgruppe 
durch einen breiten Zwischenraum getrennt. Die spärlichen Zellen 
derselben sind nur um ein Geringes kleiner als diejenigen der 
Hauptgruppe, jedoch mehr spindelförmig, wobei sich ihre Längs- 
axen gegen die vordere Commissur zu richten, und vom 3. bis 
zum 9. Tage sehr stark mit Myeloidmasse beladen. Was sie aber 
besonders auszeichnet, ist der Umstand, dass ihre Nervenfortsätze 
sich mit Sicherheit in die vordere Commissur verfolgen lassen und 


Archiv f mikrosk, Anatomie. Bd, 33, 6 


a 
N 
# 


82 Dr. Michael v. Lenhossek: 


zwar gehen dieselben geradeaus durch die weisse Substanz hindurch. 
Der mediale Rand der Vorderhörner ist nämlich ein bogenförmiger; 
die Ausläufer der Commissurenzellen halten sich nicht an diesen 
ausgeschweiften Rand, sondern benützen einen kürzeren, den Sector 
dieses Bogens bildenden Weg, wobei sie natürlich durch die Vor- 
derstränge hindurchtreten müssen. 

Im Dorsaltheil ist das Vorderhorn etwas schmäler geworden. 
Der seitliche Rand der grauen Substanz hat sich unmittelbar vor 
der Rolando’schen Formation in einen eckigen Vorsprung aus- 
gezogen und so die Bildung eines Seitenhorns veranlasst, dessen 
kleine Zellen aber in einer viel späteren Zeit als die Vorderhorn- 
zellen dunkel gefärbt erscheinen, mithin also denselben nicht gleich- 
werthig sind. Die Hauptgruppe findet im lateral-vorderen Theil 
des Vorderhorns Platz und wird vorn weniger und auch — was von 
Interesse ist — von kleineren Zellen gebildet; nicht nur die Zahl, auch 
die Grösse der Nervenzellen ist im Dorsalmark eine geringere. Die 
Commissurengruppe, die schon im oberen Lumbalmark blos durch 
1—2 Zellen auf jedem Schnitt vertreten war, verschwand hier ganz. 

Sobald wir uns der cervicalen Auftreibung nähern, ändert 
sich das Bild. Die Vorderhörner nehmen wieder ihre frühere rund- 
liche Form an, die Hinterhörner werden, wie schon beschrieben, 
schlanker. Die Hauptgruppe gewinnt allmählich eine stärkere Ent- 
faltung. Im unteren Cervicaltheil lässt diese Gruppe eine charak- 
teristische Eigenschaft erkennen: sie zeigt nämlich eine beträcht- 
liche Auflockerung, indem sie aufgelöst erscheint in eine Kette 
von lose liegenden Zellen, deren vorderste sich in der vorderen 
lateralen Ecke des Verderhorns, deren hinterste sich schon unweit 
der Rolando’schen Formation befindet. Die von Neuem hervor- 
getretene Commissurengruppe liegt sehr medial, in grosser Ent- 
fernung von der Hauptgruppe und wird zumeist von spindelför- 
migen Zellen zusammengesetzt, doch finden sich hier ausser solchen 
auch einige multipolare, namentlich im lateralen Theil der Gruppe. 
In einem höheren Abschnitt des Cervicaltheils, in der eigentlichen 
Intumescenz und darüber hat die Hauptgruppe ihre zerstreute 
Beschaffenheit wieder aufgegeben und liegt nun als compacter 
Haufen im vordersten Theil des Vorderhorns. Medial und rück- 
wärts, fast innerhalb der Commissur liegen die spärlichen Com- 
missurenzellen, die indess schon gegen das obere Cervicalmark all- 
mählich verschwinden. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 83 


Die Differenzirung der Vorderhornzellen in die zwei distineten 
Gruppen entging sowohl Bochmann wie Stieda. Ersterer!) hat 
„eine compacte Gruppirung der Nervenzellen im vorderen Horne 
nirgend nachweisen können“, letzterer?) kennt nur eine Gruppe, 
die er „laterale Gruppe“ oder „Gruppe der Unterhörner“ nennt 
und die mit unserer Hauptgruppe identisch ist. 

Ich habe mich gelegentlich von Untersuchungen an Rücken- 
marken menschlicher Foeten auf’s Sicherste überzeugen können, 
dass hier diese Sonderung eine noch schärfer ausgeprägte ist wie 
bei der Maus und dass sich eine selbstständige Commissurengruppe 
an den meisten Stellen des Rückenmarkes nachweisen lässt. Hier 
ist sie in der That auch schon von Pick?) beobachtet worden, 
doch schreibt dieser sie blos dem „Uebergangstheil vom Brust- 
zum Lendenmark“ zu. Auch der eigenthümliche Verlauf der Aus- 
läufer der Commissurenzellen ist von demselben Autor einer sehr 
guten Beschreibung theilhaftig gemacht geworden. Dass überhaupt 
die Fortsätzte der medialsten Vorderhornzellen sich in die vordere 
Commissur begeben, wurde im Jahre 1855 von meinem Vater‘) 
entdeckt. 

Die zweite selbstständige Zellenanhäufung hat ihre Lagerung 
hauptsächlich in der Umgebung des Centralcanals oder besser ge- 
sagt des denseiben umgebenden faserlosen Gebietes und bezeichne 
ich sie daher mit Stieda°) als Centralgruppe. Sie findet sich, 


1) Bochmann, a. a. O.p. 22. | 

2) Stieda, a. a. O.p. 64. 

8) Dr. Arnold Pick, Beiträge zur normalen und pathologischen 
Anatomie des Centralnervensystems. Archiv für Psychiatrie VII. 1878. p. 288. 

4) Joseph v. Lenhossek, Neue Untersuchungen über den feineren 
Bau des Centralnervensystems des Menschen. Denkschriften der Wiener Aka- 
demie. X. 1855, p. 27. 

5) Dr. Ludwig Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der 
Wirbelthiere. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. XX. 1870. p. 159. — Bei 
Kaninchen und Frosch scheinen die in Rede stehenden Zellen keine scharf 
umschriebene Gruppe zu bilden. Stieda fasst bei diesen daher, wohl etwas 
unconsequent, alle Nervenzellen nach Abzug der Vorderhornzellen als Central- 
gruppe zusammen. Am deutlichsten sah Stieda eine Centralgruppe im oben 
ausgeführten Sinne im Rückenmark des Huhnes und sagt er hierüber Folgen- 
des (Zeitschr. für wissensch. Zoologie. 19. p. 10): „Von der lateralen Gruppe 
verschieden ist eine andere Zellengruppe, welche in der Mitte des Central- 
theils der grauen Substanz seitlich vom Centralcanal bis an die Basis der 


34 Dr. Michael v. Lenhossek: 


wie dieser Forscher überzeugend nachgewiesen hatte, bei vielen 
Wirbelthieren als geschlossene Gruppe in derselben Lagerung vor. 
Allerdings glaubte Stieda gerade für die Maus eine Ausnahme 
feststellen zu müssen, indem er angab, es sei bei diesem Thiere 
eine solehe Gruppe nicht scharf abzugrenzen, doch zeigen meine 
Untersuchungen, dass hier keine Ausnahme vorliege. 

Die Gruppe verdient den Namen einer centralen nicht nur 
vermöge ihrer Lage, sondern auch mit Rücksicht auf ihre Verbin- 
dungen, indem sie, wie wir sehen werden, ein wichtiges Bindeglied 
darstellt für Fasern fast aller Kategorien. Sie unterscheidet sich 
von den Vorderhorngruppen einmal durch ihre lockere Beschaffen- 
heit, indem sie aus viel weniger und in grösseren Distanzen von 
einander liegenden Zellen besteht, zweitens durch die geringere 
Grösse und zumeist spindelige Gestalt ihrer Elemente. 

Zu beiden Seiten des Centralcanals sieht man bei Karmin- 
färbung in allen Höhen des Rückenmarkes kleine Zellen, die sich 
in sagittaler Richtung beinahe von der Gegend der vorderen Com- 
missur bis zum medialen Ende der Rolando’schen Formation 
erstrecken. Es handelt sich hier um continuirliche Zellensäulen, 
die wohl nirgends ganz unterbrochen sind, deren einzelne Partieen 
aber je nach den Höhen des Rückenmarkes eine verschiedene Ent- 
wickelung zeigen; während nämlich einzelne Theile derselben hier 
und da beinahe ganz zu verschwinden scheinen, differenziren sich 
andere stellenweise zu selbstständigen Kernen. Solche sind 
z. B. die Stilling’schen Kerne, die sich also zur Centralgruppe 
verhalten wie Theile zum Ganzen. Schon Stieda!) hat sich über 
dieselben in ähnlichem Sinne geäussert. „Bei einigen Thieren — 
meint er — treten unter den Nervenzellen des Centraltheils einige 
zu wohl charakterisirten Gruppen oder Säulen zusammen, so bei 
Petromyzon Reissner’s grosse innere Zellen, so bei Säugern 
Stilling’s Dorsalkern und so fort.“ 

Bei ausgewachsenen Thieren wird man die Zellensäule auch 
bei Anwendung zellfärbender Methoden zwar erkennbar aber nicht 
besonders hervortretend zu sehen bekommen. Dies ist aber der Fall, 


Oberhörner reicht. Ich bezeiehne sie als die centrale Gruppe und halte sie 
dadurch für genügend gekennzeichnet, um sie der ebenso benannten Gruppe 
im Rückenmark der Knochenfische zu vergleichen.“ 

1) Stieda, Zeitschr. f. wiss. Zoologie. XX, p. 159. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 85 


wenn man gewisse Stadien der Markentwickelung untersucht. Schon 
bei 4—5 Tage alten Mäusen (Fig. 4 und5) sieht man annach Weigert 
gefärbten -‚Querschnitten einen seiner Lage nach dieser Zellgruppe 
entsprechenden Streifen. Derselbe ist in allen Höhen des Rücken- 
markes nachzuweisen und ist bedingt durch eine spärliche Quan- 
tität von Myeloidmasse, die sich in der Zwischensubstanz dieser 
Gruppe abgelagert findet. Ihre Nervenzellen sind um diese Zeit 
noch frei. Erst später, am 9.—11. Tage, in einer Periode, wo die 
Vorderhornzellen schon allmählich zu erbleichen begannen, unter- 
liegen auch diese einer myeloiden Metamorphose, wobei sie aber 
gar nie eine solche Ueberfüllung mit Körnern zeigen, wie die 
grossen motorischen Zellen, doch deutlich genug hervortreten, um 
die Gruppe als selbstständige zur Anschauung zu bringen. 

Aus dem Gesichtspunkte der Beschreibung ist die Gruppe 
in drei Theile zu sondern: in einen mittleren, einen vorderen und 
einen hinteren. 

Der mittlere Theil entspricht den Stilling’schen Kernen, 
von denen aber bei der Maus als geschlossene Gruppen nur die 
Dorsalkerne d. i. die Clarke’schen Säulen vorhanden sind. 

Die Clarke’schen Säulen zeigen bei unserem Thiere eine 
ziemlich starke Entwickelung und bilden ansehnliche, beiderseits 
hinter dem Centralkanal gelegene Haufen. Vom unteren Ende des 
Rückenmarkes bis zum oberen Theil des Lumbalmarkes sieht man 
an ihrer Stelle nur zerstreute spärliche Zellen, erst hier treten sie 
unter allmählicher Verschärfung ihrer Umrisse als distinete Zellen- 
anhäufungen in die Erscheinung, doch lassen sie sich in ihrer ab- 
gegrenzten Form nur eine verhältnissmässig kurze Strecke nach 
oben verfolgen, Allmählich schrumpfen sie nämlich zusammen und 
werden ihre Umrisse weniger deutlich und schon in der Mitte des 
Dorsaltheiles treten sie ganz zurück. Doch sieht man an ihrer 
Stelle auch in höheren Gegenden hin und wieder Zellen kleinerer, 
stellenweise auch grösserer Sorte, welche sich aber nirgends zu 
selbstständigen Gruppen zusammenfügen, sondern zerstreut, häufig 
auch in der Mittellinie hinter dem Centralcanale liegen. 

Die Lage der Clarke’chen Säulen ist hier nicht ganz dieselbe 
wie beim Menschen, und entspricht sonderbarer Weise exact jener, 
die Pick!) in einem Falle bei diesem beobachtet und als Abnor- 


1) Dr. Arnold Pick, Ueber eine abnorme Lagerung der Clarke’schen 
Säulen im Rüchenmarke. Archiv für Psychiatrie. VI, 1877. p. 287. 


86 Dr. Michael v. Lenhossek: 


mität besehrieben hatte. Während sie sich nämlich beim Menschen 
hinter der hinteren Commissur oder zumindest in einem Niveau 
mit derselben befinden, mithin sich also wenigstens mit einem 
Theile in die frei hervorstehende Partie des Hinterhorns erstrecken, 
dessen medialer, die Hinterstränge begrenzender Rand durch sie 
etwas ausgebuchtet erscheint, liegen sie bei der Maus mehr nach 
vorne (s. Fig. 6). Hier ist das hinter dem Centralcanale befind- 
liche Gebiet der grauen Substanz, also die hintere graue Com- 
missur verhältnissmässig breiter als beim Menschen und in diesem 
Felde, stets nach vorne von der hinteren Fasercommissur finden 
sich die beiden Kerne. Sie sind von rundlicher Form; ihre nicht 
besonders zahlreichen Zellen sind spindelig mit sagittaler Längs- 
axe, doch kommen zuweilen auch unregelmässsig geformte, viel- 
strahlige zur Beobachtung. Laura’s!) Angabe von den in der 
Richtung der Seitenstränge abgehenden Axengliederfortsätzen lässt 
sich nicht bestätigen. 

Der vordere Theil bildet einen Balken, der von den Qlar- 
ke’schen Säulen an fast bis zur Querebene der vorderen Com- 
missur reicht. Allerdings handelt es sich hier allenthalben nur 
um zerstreute, sehr spärliche Zellen, die zumeist von geringer, nur 
selten von ansehnlicher Grösse sind. Sie sind im Lumbaltheil 
wenig entwickelt, im mittleren und oberen Dorsaltheil am stärk- 
sten, im Cervicalmark wieder schwächer vertreten. Die seitliche 
Begrenzung der Gruppe ist nicht überall scharf, indem einzelne, 
sewöhnlich grössere Zellen derselben seitwärts weit in die graue 
Substanz hinein reichen. Viele sind von unregelmässig-polykloner 
Gestalt mit nach aussen gehendem Fortsatz, während andere sagit- 
tal-spindelförmig erscheinen. Ihr Zellkörper unterliegt etwas später 
der myeloiden Metamorphose als die Elemente der Clarke ’schen 
Säulen; sie heben sich erst bei lltägigen Mäusen durch dunkle 
Färbung deutlicher hervor. 

Die hinterste Gruppe der Centralsäule hat ihren Sitz 
im medialsten und hintersten Theil der Hinterhörner unmittelbar 
vor der Rolando’schen Substanz, bildet vor dem medialsten Ab- 
schnitt der letzteren einen stärkeren Haufen, zieht aber auch seit- 


1) G. B. Laura, Sull’ origine reale dei nervi spinali e di qualche nervo 
cerebrale. Memorie della Reale Accademia delle scienze die Torino. Ser. II. 
T. 31, 1878. Citirt nach Schwalbe. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 87 


wärts eine Strecke vor letzterer hin. Das Hauptgebiet der Gruppe 
befindet sich in der oberen Hälfte des Lumbalmarkes, hier wird 
der mediale Rand der Hinterhörmer durch die hier ansehnliche 
Anhäufung sogar etwas hervorgewölbt. Sie tritt bei jungen Thieren 
namentlich in ihrem medialen Theile durch die bräunliche Färbung 
ihrer Grundsubstanz ziemlich abgegrenzt hervor und eigenthüm- 
licher Weise erhält sich mitunter diese Färbung bei Anwendung 
der Weigert’schen Hämatoxylin-Methode, allerdings in viel schwä- 
cherer Weise, auch im entwickelten Zustande, was am schönsten 
in den Burdach’schen Kernen zu sehen ist, die wie dies auf fort- 
laufenden Schnitten erkannt wird und schon aus ihrer Lage er- 
hellt, nichts als stärker entwickelte Theile der in Rede stehenden 
Gruppe darstellen. Wir dürfen daher annehmen, es bleibe hier 
jene myeloide Veränderung constant, ohne, wie in anderen Bezirken 
der grauen Substanz, ganz regressiv zu werden. Dafür aber konnte 
ich kein Stadium finden, wo die hier befindlichen Zellen selbst 
mit Myeloidkörnern beladen waren. Karminisirte Schnitte lassen 
hier äusserst kleine, multipolare Zellen erkennen. Im Allgemeinen 
ist die Gruppe nicht scharf umrandet und hängt nach vorn conti- 
nuirlich zusammen mit dem mittleren Theil der Centralgruppe. 

Damit hätten wir nun die zwei wichtigeren Zellkategorien 
der grauen Substanz beschrieben. Die dritte Kategorie wird re- 
präsentirt durch jene zerstreuten Elemente, die sich in sehr spär- 
licher Zahl in den Hinterhörnern vorfinden und als „solitäre 
Nervenzellen der Hinterhörner“ aufgeführt werden. Sie 
sind sehr klein und lässt sich die Richtung ihrer Nervenfortsätze 
nicht bestimmen. Sie scheinen die Eigenschaft der myeloiden 
Metamorphose nieht mit den anderen Nervenzellen zu theilen, jeden- 
falls geht dieses Stadium, falls es auch vorhanden, sehr schnell 
vorüber. 

An allen Punkten der grauen Substanz, mit Ausnahme des 
centralen Gebietes (Substantia gelatinosa centralis), lässt sich ein 
von ungemein zarten und dennoch wie es scheint markhaltigen 
Fasern gebildetes Netz nachweisen. Dasselbe ist besonders dicht 
in den Vorderhörnern, deren hintere Grenze an manchen nach 
Weigert gefärbten Präparaten sich eben dadurch zu erkennen 
giebt. Hiedurch treten die Vorderhörner gewissermaassen als selbst- 
ständige, in das Rückenmark gebettete Ganglien hervor, die, wie 
ich nicht umhin kann zu bemerken, in ihrer Anordnung eine ge- 


88 Dr. Michael v. Lenhossek: 


wisse Aehnlichkeit mit den Ganglien wirbelloser Thiere erkennen 
lassen. Nach vorne, sozusagen unter Bildung eines peripherischen 
Mantels, finden sich die grossen motorischen Zellen, die einerseits 
nach aussen direct Nervenfasern (Vorderwurzeln) den Ursprung 
geben, in der anderen Richtung hingegen durch die Verästelung 
ihrer Protoplasmafortsätze die Bildung eines Nervennetzes veran- 
lassen, welches der Leydig’schen fibrillären Punktsubstanz?) oder 
Haller’s centralem Nervennetz?) niederer Thierformen entsprechen 
würde und welchem ebenfalls zahlreiche Nervenfasern entstammen, 
und zwar, wie wir sehen werden, hauptsächlich diejenigen der 
Hinterwurzeln und der vorderen Commissur. Wenn auch die Un- 
tersuchungen G olgi’s betreffs der motorischen Zellen zu einer 
solehen Annahme nicht berechtigen, so glaube ich mich doch auf 
Grund meiner Beobachtung und namentlich mit Rücksicht auf jene 
vielen in diesem Netzwerk sich verlierenden Nervenfasern für einen 
solehen zweifachen Ursprung der Fasern aussprechen zu dürfen, 
weleher auch aus den schönen, an Ringelwürmern angestellten 
Untersuchungen meines Landsmannes B. Haller als ein Verhalten 
von allgemeiner Giltigkeit und Tragweite sich ergiebt. 

Innerhalb der Hinterhörner erscheint das Netzwerk etwas 
lockerer. Unmittelbar vor der Rolando’schen Formation findet 
sich aber wieder ein schmales Gebiet mit engerem Fasernetze. 

Sehliesslich noch einige Worte über die Deutung der Myeloid- 
körnchen. Unzweifelhaft handelt es sich hier um eine Metamor- 
phose des Protoplasma’s der Nervenzellen und auch der Grund- 
substanz. Dass sich die Veränderung auch in letzterer einstellt, 
kann uns nicht Wunder nehmen, da es in letzterer Zeit zu einer 
über allen Zweifel erhobene Thatsache geworden ist, dass sich die 
Neuroglia des Rückenmarkes entwickelungsgeschichtlich ebenfalls 
nur aus ectodermalen, aber indifferenten Zellen zusammensetzt. 

Ich meine, dass hier Vorgänge vorliegen, welche als Einleitung 
dienen zur Markentwickelung in den, aus den betreffenden Zellen 
entspringenden Fasern. Eine hiefür sprechende zeitliche Congruenz 
lässt sich in der That nachweisen, am schönsten für die grossen 


ie. 


1) Dr. Franz Leydig, Vom Bau des thierischen Körpers. Handbuch 
der vergleichenden Anatomie. Bd. I. Tübingen 1868. 

2) Böla Haller, Ueber die sogenannte Leydig’sche Punktsubstanz im 
centralen Nervensystem. Morphologisches Jahrbuch. XII. 1886. p. 3. 


ee 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 89 


Vorderhornzellen, die ebenso wie die Vorderwurzeln, zuerst diese 
Metamorphose erkennen lassen, vom 3. Tage an allmählich in 
grösserer Zahl hervortreten, zuerst nur einige, dann mehr und mehr, 
vom 9. Tage an, wo die Vorderwurzeln bereits so gut wie ganz 
myelinhaltig sind, sich alle dunkel färben, vom 11. Tage an aber 
langsam einer Erbleichung unterliegen. Jedenfalls verdiente die 
Sache zum Gegenstand einer sorgfältigen histologischen Untersuchung 
gemacht zu werden. 


III. Weisse Substanz im Allgemeinen und Faserkaliber. 


Der Verlauf der Nervenfasern im Rückenmarke der Maus ist 
an sich durehaus nicht einfacher als in demjenigen des Menschen. 
Das, was die Sache einigermaassen vereinfacht, ist der Umstand, 
dass eine jede Fasersorte durch verhältnissmässig weniger Fasern 
repräsentirt wird. 

Ich unterlasse es, ein Gesammtbild des Verlaufs der auf einem 
Rückenmarksquerschnitte sich darstellenden Fasern zu entwerfen. 
Wir werden die einzelnen Faserkategorien der Reihe nach durch- 
nehmen und ihren Verlauf, wie er sich auf Grund der Markschei- 
denentwickelung ergiebt, einzeln festzustellen suchen. Doch glaube 
ich hier zunächst einige Angaben über die Kaliber und die Dich- 
tigkeitsverhältnisse der im Markmantel vorhandenen Fasersorten 
nicht vorenthalten zu sollen. 

Es zeigen sich hier Differenzen, die im Ganzen übereinstimmen 
mit jenen, die in dieser Hinsicht einerseits beim Menschen, anderer- 
seits bei niedrigeren Wirbelthieren, namentlich beim Frosch gefun- 
den wurden nnd scheinen hier Gesetze von allgemeiner Bedeutung 
Geltung zu haben, ebenso wie in den Verhältnissen der Markschei- 
denentwickelung. 

Die stärksten Fasern finden sich im Vorderstrang und zwar 
in der peripheren Zone desselben. Die auffallende Breite (8— 
12) dieser Fasern ist lediglich bedingt durch ihre starken Axen- 
glieder. Sie bilden ein Bündel, das man mit Köppen!) als „Gross- 
faserbündel“ bezeichnen könnte. Dasselbe ist am breitesten zu 
beiden Seiten der vorderen Fissur, namentlich in der medialen Ecke 
der Vorderstränge, woselbstsich zugleich die stärksten Elementefinden, 
nach aussen setzt es sich — stets an der Peripherie liegend — 


1) Köppen, a. a. O. p. 4. 


90 Dr. Michael v. Lenhossek: 


durch die Vorderstränge hindurch in das Gebiet der Seitenstränge 
fort, um etwas vor der Querebene des Centralcanals, nachdem es 
sich allmählich verschmälert hatte, zu enden. Es besteht aber: 
nieht ausschliesslich aus dieksten Fasern, vielmehr «finden sich 
zwischen diesen auch solche dünneren Kalibers. Das Bündel ist 
etwas lockerer gebaut, als die Innenzone der Vorderstränge, daher 
es auch an Präparaten, die nach Weigert gefärbt sind, etwas 
heller erscheint als letztere. 

Die Innenzone der Vorderstränge enthält feinere Fasern, die 
aber eine dichtere Anordnung erkennen lassen, so dass sich diese 
Zone mit schwächeren Vergrösserungen betrachtet von der äusseren 
etwas abhebt. Nur in dem Gebiete zwischen den Vorderhörnern, 
namentlich unmittelbar vor der vorderen Commissur, ist ihr Gefüge 
etwas schütterer. | 

In den Seitensträngen lassen sich mit Rücksicht auf die Faser- 
kaliber, abgesehen von der sich hierher erstreckenden Partie des 
Grossfaserbündels, zwei Gebiete unterscheiden. Eine breite Aussen- 
zone beherbergt durchweg mittelstarke Elemente, der innere Ab- 
schnitt wird zum grössten Theile von feinen, in seiner innersten, 
die Einsenkung zwischen Vorder- und Hinterhorn einnehmende 
Partie aber von Fasern zusammengesetzt, die sehr locker angeord- 
net sind und zu den feinsten gehören. Diese „Grenzschicht der 
grauen Substanz“ setzt sich nach hinten fort in ein Gebiet, welches 
vielleieht noch dünnere Elemente führt: es ist dies die schon oben 
angeführte „spongiöse Zone der Seitenstränge“. Von beiden 
Faserbezirken nicht scharf geschieden und ebenfalls durch sehr 
schmale Elemente ausgezeichnet sind jene vor der Rolando’schen 
Formation befindlichen Gruppen longitudinal verlaufender Faser- 
bündel, die von Kölliker!) als „longitudinale Bündel der Hinter- 
hörner“ bezeichnet worden sind und die bei unserem Thiere eine 
ansehnliche Entwickelung erkennen lassen. 

In den Hintersträngen begegnet man Fasern sehr verschiedenen 
Kalibers. 

Die Goll’schen Stränge werden der Hauptsache nach von 
Fasern eonstituirt, die hinsichtlich ihrer Breite mit jenen der Innen- 
zone der Vorderstränge übereinstimmen und sehr dicht gedrängt 
liegen. Dasjenige aber, was in diesen Bündeln hauptsächlich auf- 


1) A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 5. Auflage. 
Leipzig 1867. p. 262. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 9 


fällt, ist der Umstand, dass sich in ihrem vorderen Theile hin 
und wieder auch Fasern von ansehnlicher Dicke finden, welche 
sich fast an die Elemente des Grossfaserbündels anschliessen. 

Die Burdach’schen Stränge führen mittelstarke Fasern, die 
aber von lockerer Anordnung sind ; ihre den Goll’schen Strängen 
anliegende Zone erscheint noch etwas dichter als die äussere. 

Der vorderste Theil der Hinterstränge wird bei der Maus in 
Anspruch genommen durch zwei Bündel, die sich, wie wir sehen 
werden, sowohl durch ihren Zusammenhang mit den Pyramiden 
der Oblongata wie auf Grund der Markscheidenentwickelung mit 
Sicherheit als die Pyramidenstränge zu erkennen geben. Die Bündel 
enthalten sehr feine und ungemein dicht gelagerte Fasern. Wenn 
auch eine scharfe Abgrenzung derselben gegen die benachbarten 
Burdach’schen und Goll’schen Stränge durch die Verschiedenheit 
der Faserkaliber und der Dichtigkeit nicht gegeben ist, so lässt 
sich diese Grenze doch mit einiger Wahrscheinlichkeit erkennen. 
So treten auf den naturgetreuen Zeichnungen, die Boehmann 
seiner Dissertation beigab (Fig. I. II) die Pyramidenbahnen gegen 
die übrigen Bestandtheile der Hinterstränge recht gut hervor, ob- 
wohl Bochmann jene als selbstständige Stränge nicht erkannt 
hatte, und nur soviel erwähnt, dass „im Hinterstrang der untere 
Theil nur von feinen Fasern gebildet werde.“ Eine weitere Be- 
obachtung Bochmann’s, die ich ebenfalls constatiren kann, ist, 
dass die Fasern der Pyramidenstränge sehr schwache, kaum be- 
merkbare Myelinscheiden besitzen. 

Stellt man nun die verschiedenen Theile der weissen Sub- 
stanz mit Rücksicht auf ihre Faserkaliber zusammen, so erhält 
man folgende Reihenfolge, wobei die stärksten Fasern den Anfang 
machen: 

1) Aussenzone der Vorderstränge. 

2) Zerstreute starke Fasern der Goll’schen Stränge. 

3) Burdach’sche Stränge. 

4) Aussenzone der Seitenstränge. 

5) ac der Vorderstränge und Seitenstränge. 

Goll’sche Stränge. 

Pyramidenstränge. 

Seitliche Grenzschicht der grauen Substanz. 
Gelatinöse Zone der Seitenstränge. 
Längsbündel der Hinterhörner. 


92 Dr. Michael v. Lenhossek: 


Wenn wir nun die hier dargelegten Ergebnisse mit jenen 
Angaben vergleichen, die in dieser Beziehung für andere Thiere 
und für den Menschen mitgetheilt worden sind, so begegnen wir zu- 
nächst in Bezug auf den Frosch grossen Analogien. Bei diesem 
Thiere befinden sich laut Köppen’s Untersuchungen?) die stärk- 
sten Fasern im Vorderstrang, unmittelbar neben der vorderen Fis- 
sur („Grossfaserbündel“). Die Seitenstränge enthalten Fasern von 
kleinerem Kaliber, die Hinterstränge solche von mittelmässiger 
Dicke. Dies würde also im Ganzen übereinstimmen mit dem, was 
wir bei der Maus fanden. Die feinsten Fasern finden sich auch 
hier in den Seitensträngen, die Hinterstränge enthalten ebenfalls 
— abgesehen von den Pyramidenbündeln, die bei dem Frosche 
ohnehin noch nicht nachgewiesen sind und eventuell eine Bahn 
darstellen, die diesem T'hiere überhaupt nicht zukommt oder an- 
derswo als im Hinterstrang verläuft — zumeist Fasern von mittel- 
mässiger Breite. Die grösste Analogie besteht aber in Betreff des 
Grossfaserbündels in den Vordersträngen; es handelt sich hier 
höchst wahrscheinlich um systematisch gleichwerthige Fasergruppen. 

Bezüglich des Menschen sind die in Rede stehenden Verhält- 
nisse geschildert worden von Deiters und namentlich in sehr 
einlässlicher Weise von Flechsig. 

Ersterer äussert sich hierüber folgendermaassen!): „Die Fasern 
der Vorder- und der grössten Masse der Seitenstränge gehören fast 
durchweg zu den breitesten, die überhaupt vorkommen. Im inneren 
Winkel der Seitenstränge, an der Stelle, wo Vorderhorn und Hinter- 
horn an einander stossen, liegen sehr schmale Bündel. Die Fasern 
der Pyramiden zeichnen sich durch sehr auffallende Schmalheit 
aus.“ Des Weiteren p. 127: „Vorderstränge durch die breitesten 
Primitivbündel ausgezeichnet, zum grössten Theil aus solchen be- 
stehend. Diejenigen Fasern der Seitenstränge, welche innen und 
gewissermaassen in der grauen Substanz liegen und sich unmittel- 
bar an die Clarke’schen aufsteigenden Colonnen anreihen, sind 
schmal. Die grösste Gleichmässigkeit der breiten Bündel findet 
man mehr gegen die Peripherie hin, während sie ganz nahe der 
Peripherie durch schmale Züge durchsetzt erscheinen. Die Goll- 
schen Stränge sind durch bedeutende Schmalheit und Gleichmässig- 
keit ihrer Fasern ausgezeichnet.“ 


1),Deiters,a.@.0. p. 11% 


Untersuchungen über.die Entwickelung der Markscheiden ete. 93 


Flechsig!) unterscheidet 4 Kategorien von Nervenfasern: 
starke, mittelstarke, feine und feinste. Von grossem Interesse ist 
zunächst das, was er über die Grundbündel der Vorderstränge 
sagt, die natürlich bei der Maus den ganzen Vordersträngen ent- 
sprechen: „In der Nähe der vorderen Wurzelfasern, beziehentlich 
längs der Peripherie treten Elemente auf, welche alle übrigen der 
weissen Substanz an Querschnitt übertreffen... .... Der grösste 
Theil enthält mittelstarke Fasern.“ Ferner, p. 307: „Im Vorder- 
stranggrundbündel findet sich eine grosse Anzahl starker Fasern 
zwischen mittelstarken und feinsten; die Ersteren treten insbeson- 
dere in dem zwischen vorderer Rückenmarksfläche und Innenfläche 
der vorderen Längsfissur gelegenen Winkel beziehentlich in dem 
an die Pyramidenvorderstrangbahn anstossenden Rayor auf.“ „Im 
oberen Halsmark kann man besonders bei Kindern im ersten 
Lebensjahre mit Rücksicht auf das Faserkaliber zwei Abschnitte 
unterscheiden, einen der grauen Substanz unmittelbar benachbarten 
und einen zweiten, jenen concentrisch umgebenden.“ 

In Betreff der übrigen Stränge giebt Flechsig Folgendes an: 
Von den Bestandtheilen der Seitenstränge besteht die Kleinhirn- 
seitenstrangbahn aus sehr starken, die vordere gemischte Seiten- 
strangzone aus „einer Mischung starker, mittelstarker, feiner und 
feinster Fasern“, die je nach Höhen verschieden vertheilt sind, die 
seitliche Grenzschicht der grauen Substanz aus feinen und feinsten, 
der Pyramidenseitenstrangbahn aus mittelstarken, starken und feinen 
Fasern. — In den Hintersträngen zeichnen sich die Goll’schen 
Stränge „durch gleichmässiges feines Kaliber aus.“ Der übrige 
Theil derselben führt ‚starke, mittelstarke, feine, nur ganz verein- 
zelt feinste Fasern.“ 

Ueberbliekt man nun diese Angaben, so wird man zunächst 
betreffs der peripheren Vorderstrangzone namentlich in Flechsig's 
Mittheilungen Anklänge finden an die Verhältnisse, die in dieser 
Beziehung bei der Maus sowie bei dem Frosche sich feststellen 
lassen. Die stärksten Elemente liegen ebenfalls saumartig ange- 
ordnet im peripheren Abschnitt der Vorderstränge, und Flechsig 
scheint geneigt zu sein, mit Rücksicht auf das Faserkaliber eine 
ähnliche Eintheilung der Vorderstränge vorzunehmen, wie wir sie 
bei der Maus durchzuführen Veranlassung fanden. Die feinen Fasern 


1) Flechsig, a. a. O. p. 163. 


94 Dr. Michael v. Lenhossek: 


der Grenzschicht (Deiters, Flechsig) treffen auch zu, auch 
hinsichtlich der „gemischten Seitenstrangzone‘‘ scheinen keine we- 
sentlichen Differenzen vorzuliegen, dasjenige aber, was bei unserem 
Untersuchungsthier auffällt, ist der vollkommene Mangel eines 
„dickfaserigen zonalen Seitenstrangbündels“, d. i. einer Pyramiden- 
seitenstrangbahn. 

Im Hinterstrang begegnen wir wieder analogen Verhältnissen: 
die Gollschen Stränge führen hier wie dort feine, die Burdach- 
schen mittelstarke Fasern, nur gehen dem Menschen, wie es scheint, 
jene bei der Maus innerhalb der Goll’schen Stränge zerstreut 
anzutreffenden auffallend breiten Fasern ab. Bezüglich der Pyra- 
midenbahnen kann ich auch keine grössere Differenz zugeben. 
Flechsig lässt sie zwar aus einem Gemisch mittelstarker und 
starker Fasern bestehen, doch finde ich bei speciell auf dieseu Punkt 
gerichteten Untersuchungen, dass diese Stränge im Rückenmarke 
des Menschen eher von feinen, allerdings aber sehr gedrängt liegenden 
Elementen gebildet werden. Mithin sind also auch in Betreff dieser 
anologe Verhältnisse vorhanden. 


IV. Vorderwurzeln. 


Die Vorwurzeln enthalten durchweg starke Fasern und werden 
früher markhaltig als die Hinterwurzeln. Sie gehören zu den zu- 
erst markhaltig werdenden Elementen des Rückenmarkes. 

Im Allgemeinen lässt sich constatiren, dass in allen Theilen 
der weissen Substanz die starken Fasern sich früher mit Mark 
umhüllen, als die schwächeren. Die Zeit des Auftretens der Myelin- 
scheiden in den Nervenfasern ist abhängig von der Breite ihrer 
Axenglieder. Zieht man nun den von Flechsig!) nachgewiesenen 
Satz in Betracht, dass zwischen der Markscheidenbildung und der 
ersten, embryonalen Entwickelung der Fasern ein Zusammenhang 
bestehe, derart, dass die in ihrer ersten Anlage früher entstehenden 
Fasern auch früher myelinhaltig werden, so ergiebt sich aus der 
Vergleichung beider ein dritter Satz: dassnämlich grosseBreite 
der Nervenfasern auf eine frühe Entstehung hinweist. 

Schon am 3.—4. Tage findet man in den motorischen Wurzeln 
zahlreiche markhaltige Fasern. Da um diese Zeit abgesehen voneinigen 
Fasern der Vorderstränge sowie der vorderen Commissur noch 


1) Flechsig, a. a. O. p. 190 sg. 


a wa BI 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 9 


Alles marklos erscheint, hebt sich ihr Verlauf in überaus plastischer 
Weise hervor. Man sieht sehr deutlich, wie die starken schwarzen 
Fasern — gewöhnlich in 2—4 Bündel gespalten — schief nach 
hinten und etwas medianwärts durch den beinahe noch ganz mark- 
losen Vorderstrang ziehen, um zwischen den um diese Zeit zum 
Theile sehon ebenfalls dunkel gefärbten Zellen der Vorderhorn- 
hauptgruppe auszustrahlen. Ihr Verlauf lässt in verschiedenen 
Höhen des Rückenmarkes nur sehr unbedeutende Differenzen er- 
kennen. Von der Eintrittsstelle bis zum Rande der grauen Sub- 
stanz ist er überall derselbe; während im Dorsal- und oberen 
Cervicaltheil aber die Fasern die gleich in der Spitze der Vorder- 
hörner gelegenen Nervenzellen sogleich erreichen, müssen sie in 
der Lumbal- und Cervicalanschwellung, um zu der mehr lateral 
gelegenen Hauptgruppe zu gelangen, innerhalb der Vorderhörner 
sich winkelig nach aussen umbiegen, und in dieser Richtung eine 
kurze Strecke weiter ziehen. Es kommt so also zur Bildung eines 
Kniees, welches beim Menschen noch viel ausgesprochener erscheint. 

Während im Lendentheil die Commissurenzellen Fasern aus 
den Vorderwurzeln nicht erhalten, lassen sich im Halsmark einige 
solehe unzweifelhaft zu den am lateralsten gelegenen Zellen dieser 
Gruppe verfolgen. 

Direct zur vorderen Commissur läuft keine motorische Nerven- 
faser; letztere enthält um diese Zeit schon allerdings markhaltige 
Elemente, doch liegt zwischen Vorderwurzeln und vorderer Com- 
missur ein breiter faserloser Zwischenraum, so dass ein Zusammen- 
hang ausgeschlossen erscheint. 

Bei 6—9tägigen Mäusen hat die Zahl der markhaltigen Fasern 
in den Vorderwurzeln zugenommen, doch sind letztere noch immer 
nicht ganz markweiss; erst am 11. Tage findet man sie ganz mark- 
haltig. Ihr Verlauf innerhalb der grauen Substanz ist um diese 
Zeit noch immer sehr deutlich zu erkennen, da das Fasernetz der 
Vorderhörner erst in späterer Zeit hervortritt. Das, was sich auf 
diesen Präparaten hinsichtlich ihres Verlaufes ergiebt, ist immer 
nur dasselbe: ein direeter Ursprung aus den Hauptzellen und im 
Cervicaltheil auch aus den lateralsten Zellen der Commissurengruppe. 
Letztere scheint also im Halsmark ein Gemisch zu sein von echten 
Commissurenzellen und medial gerückten Vorderwurzelzellen. Zur 
vorderen Commissur ziehen Fasern nicht. 

Bei Exemplaren, die in der Entwickelung weiter fortgeschritten 


96 Dr. Michael v. Lenhossek: 


sind, wird die Deutlichkeit des Bildes durch viele andere Fasern 
und namentlich durch das Erscheinen des Fasernetzes gestört, so 
dass man durchaus nichts mehr als das Mitgetheilte zu erweisen 
vermag. 

Sehr schwierig ist die Entscheidung, ob in den Längsfasern 
der Vorderstränge nicht auch Wurzelfasern vertreten seien. Da 
die Elemente der Vorderstränge zum guten Theile durch die vor- 
dere Commissur hindurch sich auf die andere Seite begeben, so 
würde auf diesem Wege doch eine Verbindung von Vorderwurzel- 
fasern mit Nervenzellen der anderen Seite stattfinden. Auf Grund 
meiner Erfahrungen kann ich ein solches Verhalten in der That 
für wahrscheinlich erklären; allem Anscheine nach sind in der 
äusseren Zone der Vorderstränge Wurzelfasern enthalten. Ich 
werde noch bei Besprechung der Vorderstränge auf diese Frage 
näher einzugehen haben. 

Wenn Stieda!) einen Ursprung der Vorderwurzeln auch aus 
den centralen Nervenzellen derselben Seite als ein allgemeines 
Verhalten angiebt, so muss ich ihm hinsichtlich der Maus ent- 
schieden widersprechen. Die Zellen der Centralgruppe haben keine 
Beziehung zu den gleichseitigen Vorderwurzeln. 

Ebensowenig finde ich eine Betheiligung der Vorderwurzeln 
ander Bildung der Seitenstränge, wiedies Boehmann?), Kölliker?) 
und Flechsig*) behauptet hatten. 


V. Vordere Commissur. 


Sehon im Rückenmarke neugeborener Mäuse finden sich mit- 
unter markhaltige Nervenfäden innerhalb der vorderen Commissur, 
doch da die Thiere bei ihrer Geburt nicht gleich entwickelt sind, 
werden solche Fasern oft vermisst. Am 3. Tage lassen sie sich 
schon in grösserer Zahl nachweisen; man sieht ziemlich starke, 
varieöse Fäden, die in weiten Abständen von einander schief von 
vorn, geradeaus von seitwärts und schief von hinten zur Commissur 
ziehen; äusserst selten kommen auch in sagittaler Richtung von 
hinten kommende zur Beobachtung. Sie haben einen ganz kurzen 


1) Stieda, Zeitschr. für wissensch. Zoologie. XX. p. 159. 
2) Bochmann, a. a. O. p. 23. 

3) Kölliker, a. a. O. p. 262. 

4) Flechsig, a. a. ©. p. 304. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 97 


Verlauf und erscheinen erst unmittelbar im Rayon der Commissur. 
Die vordersten beschreiben nach vorne concave Bogen, die übrigen 
lassen einen mehr gestreckten Verlauf erkennen. Vorne kreuzen 
sie sich alle, wobei sie je nach ihrer Provenienz verschiedene Winkel 
mit einander bilden, und gehen in den Vorderstrang über und zwar 
ausschliesslich in die um diese Zeit schon z. Th. markhaltige peri- 
phere Zone desselben, wobei sie eine ganz kurze Strecke, sich 
hart an die vordere Fissur haltend, nach vorn ziehen und dann 
erst in die Längsrichtung umbiegen. 

Am 6. Tage ist die Zahl dieser dunkeln Fasern eine grössere 
und erscheinen auch einige sagittale Fasern, die vom vorderen 
Theil der centralen grauen Substanz herzukommen scheinen. 

Untersucht man das Rückenmark einer 9—11tägigen Maus, 
so wird man bedeutende Fortschritte wahrnehmen. Einmal ist die 
ganze vordere Commissur viel dichter geworden, dann aber, was 
von Interesse ist, treten ihre Fasern nicht mehr erst in der Nähe 
der Commissur in die Erscheinung, sondern lassen sich weiter ver- 
folgen namentlich in die centralen Gebiete der Vorderhörner, ja 
einige bis zwischen die Zellen der Hauptgruppe. 

Das Verlaufsbild dieser, den Haupttheil der Commissur bil- 
denden Fasern ist demnach ein folgendes: sie entspringen mit in 
weiten Abständen liegenden Fasern aus dem Vorderhorn und zwar 
sowohl aus dem Fasernetz wie aus den Zellen selbst, gehen dann 
unter Bildung weiter, nach vorn concaver Bogen, allmählich sich 
concentrirend, zur Commissur, kreuzen sich in derselben und treten 
in den gekreuzten Vorderstrang. Jene Fasern, die im Zeitraum von 
6—11 Tagen markhaltigwerden, gehen der Hauptsache nach in die In- 
nenzone der Vorderstränge über, schlagen hier eine longitudinale Rich- 
tung ein, nachdem sie aber, wie wir noch sehen werden, kürzere oder 
längere Strecken als horizontal-schiefe Fasern bogenförmig verliefen. 

In zwei Fällen gelang es mir, je eine Faser wahrzunehmen, 
die, nachdem sie die Commissur in gewöhnlicher Weise traversirt 
hatte, sich nicht in den Vorderstrang, sondern mitten in das Vor- 
derhorn der anderen Seite hinein begab. 

Die Vorderhörner bilden indess nur eine Ursprungsstätte der 
Commissurenfasern. Ein allerdings sehr viel geringerer, immerhin 
aber erwähnenswerther Theil derselben entspringt aus jenen An- 
häufungen grauer Substanz, die wir als Centralgruppe zusammen- 
gefasst haben. Einige unter ihnen kommen vom hintersten Theil 


Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 7 


98 Dr. Michael v. Lenhossek: 


dieser Zellensäule: diese Fasern sind es, die, wie ich glaube, 
zur Annahme einer Betheiligung von Hinterwurzelfasern an der 
Bildung der vorderen Commissur Anlass gaben. Obwohl eine solche 
Betheiligung auch von Bochmann angegeben wird, der den Ver- 
lauf der Hinterwurzelfasern bei der Maus sonst sehr zutreffend 
schildert, so dass seine Angaben. jedenfalls Beachtung verdienen, 
und obwohl bis in die letzte Zeit hinein ähnliche Mittheilungen 
sowohl für verschiedene Thiere wie auch für den Menschen gemacht 
worden sind, so glaube ich doch auf Grund meiner Beobachtungen 
mich gegen einen solchen Verlauf von Hinterwurzelfasern aus- 
sprechen zu sollen. Nie gelang es mir direet Fasern aus den 
Hinterwurzeln zur vorderen Commissur zu verfolgen, sondern immer 
nur solche bis zur centralen grauen Substanz und weiterhin Fasern 
aus dieser zur Commissur, so dass ich annehmen muss, es bilde 
diese Anhäufung ein Internodium zwischen beiden Fasersorten. 

Von allen Elementen, die in der vorderen Commissur ver- 
laufen, werden zuletzt markhaltig die Fortsätze der Commissuren- 
zellen. Zwar findet man schon in einer sehr frühen Periode, vom 
3.—4. Tage an feine Myeloidkörnchen in ihnen, ohne dass diese 
aber zu einer ausgesprochenen Markscheide zusammenfliessen wür- 
den. Erst am 12. Tage fand ich sie myelinhaltig. 

Hinsichtlich der weiteren Schicksale dieser Ausläufer wäre 
zwar die Annahme sehr plausibel, dass es sich um Vorderwurzel- 
fasern der anderen Seite handle, allein eben das späte Auftreten 
ihrer Myelinscheiden lässt mich — in Anbetracht der frühen Mark- 
entwickelung innerhalb der Vorderwurzeln — vorläufig gegen eine 
solche Annahme Stellung nehmen. 

Fasern, die analoge Zellen der beiden Rückenmarkshälften in 
einfach querer Weise verbinden, kommen der Commissur nicht zu; 
sie enthält ausschliesslich Kreuzungsfasern. Damit ist natürlich 
nicht gesagt, dass sie nicht zum Theile aus eigentlichen Commis- 
surenfasern bestehe, nur ist der Verlauf dieser nicht ein so einfacher. 


VI. Vorderstrang. 


Der Vorderstrang der Maus zeichnet sich ebenfalls dadurch 
aus, dass man schon im ersten Stadium der Markentwickelung 
myelinhaltige Fasern in ihm findet. Er besteht aus zwei distine- 
ten Zonen: einer peripherischen und einer Innenzone. Wir sahen, 
dass diese Sonderung schon gegeben ist durch die Verschiedenheit 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 99 


der Faserkaliber, indem in der Aussenzone auffallend viel starke, 
in der inneren ‘nur feinere Fasern enthalten sind. Auch durch 
ihre verschiedene Dichtigkeit unterscheiden sich die beiden Zonen, 
jene ist nämlich etwas lockerer, diese dichter gebaut. 

Alle diese Merkmale sind indess nicht markant genug, um 
eine deutliche Abgrenzung zu bedingen. In ungemein scharfer 
Weise wird aber eine solehe ermöglicht durch die Verhältnisse der 
Markentwickelung. Die Aussenzone wird viel früher markweiss 
als die Innenzone. Schon im Rückenmarke einer Stägigen Maus 
gewahrt man in ersterer zahlreiche zerstreute markhaltige Elemente, 
doch tritt die Zone in scharf abgeschlossener Gestalt erst am 6. 
Tage in die Erscheinung, um welche Zeit man sie zum guten Theile 
markhaltig findet, während in der Innenzone solche Fasern nur in 
spärlicher Zahl nachzuweisen sind. Allein ganz fertig kann sie 
auch in dieser Zeit nicht genannt werden, vielmehr lässt sie bis 
zum 14. Tage eine bedeutende Zunahme an markhaltigen Elementen 
erkennen. 

Das Gebiet der Aussenzone hat eine sehr charakteristische 
Gestalt. Sie fängt unmittelbar vor der vorderen Commissur zuge- 
_ spitzt an, zieht nun, allmählich breiter werdend, längs der vorderen 
Fissur nach vorn, um in der medialen Ecke der Vorderstränge 
ihre grösste Breite zu erreichen, wendet sich nun nach aussen und 
läuft durch den ganzen Vorderstrang hindurch, immer peripherisch 
liegend, in das Gebiet des Seitenstranges hinein, innerhalb dessen 
es — nachdem es sich allmählich sichelförmig verschmälert hatte — 
fast bis zur Querebene des Centralcanales zu verfolgen ist. Dass 
es sich hier um eine ‚„‚kurze Bahn“ handelt, erhellt aus dem Um- 
stande, dass das Bündel in den Intumescenzen breiter erscheint, 
zwischen denselben abnimmt. 

Es ist sehr schwierig, in Betreff des Ursprunges der diese 
Zone zusammensetzenden Fasern zu einem abschliessenden Urtheile 
zu gelangen. Jedenfalls wird man eine verschiedene Bedeutung 
derselben zugeben müssen. Untersucht man das Rückenmark einer 
Maus vom 3. Tage, so wird man, wie erwähnt, zahlreiche myelin- 
haltige Fasern in der Aussenzone finden, die in einer Richtung 
unzweifelhaft alle aus der vorderen Commissur herkommen, deren 
Schicksale aber in der anderen Richtung sehr schwer zu eruiren 
sind. Es wären, da die Fasern aus erwähnten Gründen nicht als 
lange, bis in das Gehirn hinauf ziehende Elemente in Anspruch 


100 Dr. Michael v. Lenhossek: 


genommen werden können, zwei Annahmen denkbar: ein Ursprung 
dieser Fasern aus dem Vorderhorn oder aber aus den Vorderwur- 
zeln derselben Seite. In Betreff der ersten Annahme ist ausdrück- 
lich hervorzuheben, dass in diesem Stadium keine einzige Verbin- 
dungsfaser zwischen Aussenzone und Vorderhorn nachzuweisen ist. 
Somit bleibt also nichts anderes übrig, als die zweite für die zu- 
treffende zu halten, derzufolge longitudinale Vorderwurzelfasern 
vorliegen, wobei man aber annehmen muss, es erfolge ihre Um- 
lenkung in die Längsrichtung so plötzlich, so ganz ohne Ueber- 
gänge, dass sich hierher gehörige direete Beobachtungen nicht bei- 
bringen lassen. Auch die Verhältnisse der Faserkaliber sprechen 
hiefür, indem sich in dieser Beziehung. die Elemente dieses ‚‚Gross- 
faserbündels* ganz an diejenigen der Vorderwurzeln anschliessen. 
Es wäre also durch diese Fasern eine Verbindung hergestellt zwi- 
schen Vorderwurzeln der einen und grauer Substanz (hauptsäch- 
lich Vorderhornnetz, ausserdem Hauptgruppe und Centralgruppe) 
der anderen Seite. 

Auch die Ansichten anderer Forscher lassen sich hiefür gel- 
tend machen. So hält Köppen!) die von ihm beim Frosche 
beschriebenen, unserer Aussenzone offenbar gleichwerthigen 
„Grossfaserbündel* für longitudinale Fortsetzungen der Vorder- 
wurzeln. Stieda?) nimmt ebenfalls eine Umbiegung letzterer in 
die Längsrichtung innerhalb der Vorderstränge an. Am deutlich- 
sten äussert sich aber in dieser Beziehung Flechsig?), indem er 
hinsichtlich der Vorderstränge des Menschen Folgendes angiebt: „In 
der Nähe der vorderen Wurzelfasern treten Elemente auf, welche alle 
übrigen der weissen Substanz an Querschnitt übertreffen. Dieselben 
stellen wenigstens zum grössten T'heil vordere Wurzelfasern dar.“ 

Allein eine solche Erklärung kann nur für ein Bruchstück 
der Fasern der Aussenzone genügen. Ein sehr bedeutender Theil 
dürfte aus Elementen anderer Bedeutung bestehen. Für das Ver- 
ständniss derselben ist folgende Beobachtung von Wichtigkeit. Vom 
9. Tage an treten in allmählich zunehmender Zahl und Schärfe 
markhaltige, radial angeordnete, starke Fasern auf, die in ziemlich 
gleichmässigen Abständen aus allen Theilen der Vorderhörner, aber 


1) Köppen, a. a. O0. p. 4. 
2) Stieda, Zeitschrift f. wiss. Zoologie. XX. p. 160. 
3) Flechsig, a. a. O. p. 163. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Marksckeiden ete. 101 


wie es scheint hauptsächlich aus deren Fasernetz in gestrecktem 
Lauf in die Aussenzone eindringen und hier eine longitudinale 
Richtung einschlagen. Diese erklären die um diese Zeit sich 
einstellende Zunahme der Zone. Bezüglich dieser Radialfasern 
stehen uns zwei Erklärungen zu Gebote: sie können einfach Längs- 
eommissuren darstellen oder aber sie sind Fasern, die schliesslich 
auf dem Wege der vorderen Commissur in der grauen Substanz 
der anderen Seite ihre Endigung finden. Berücksichtigt man in- 
dess den Umstand, dass die Verbindung der Aussenzone mit der 
vorderen Commissur durch verhältnissmässig sehr wenig Fasern 
vermittelt wird, so wird man — unter Zulassung der Existenz 
von Radialfasern auch der letzteren Sorte — erstere Erklärung 
wenigstens für die Mehrzahl der in Rede stehenden Elemente jeden- 
falls als die wahrscheinlichere bezeichnen müssen. 

Was die Innenzone anbelangt, so umscheiden sich ihre 
Elemente etwas später mit Myelinhüllen als diejenigen der Aussen- 
zone. Am 6. Tage ist sie noch beinahe ganz marklos, nur ver- 
einzelt findet man markhaltige Elemente in ihr. Am 9. Tage hat 
die Zahl dieser beträchtlich zugenommen, doch kann die Bahn um 
diese Zeit ebensowenig wie am 11. Tage ganz markhaltig ge- 
nannt werden. Erst am 14. Tage nähert sie sich dem definitiven 
Verhalten, um sich am 18. Tage als fertig darzustellen. 

Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Zonen 
besteht — abgesehen von den schon erwähnten Merkmalen — darin, 
dass während sich die pheripherische ausschliesslich aus wahren 
Längsfasern zusammensetzt, die innere ausser solchen auch auf- 
fallend viele kürzere oder längere Bruchstücke enthält, die in der Quer- 
ebene des Rückenmarkes verlaufen, mithin also Fasern angehören, 
die im Ganzen betrachtet, einen schiefen Verlauf haben. Denkt 
man sich diese Bruchstücke zusammengesetzt, so erhält man Fasern 
von bogenförmigem Lauf, die von der vorderen Commissur, parallel 
dem vorderen Rande der Vorderhörner, nach aussen ziehen. 

Wenn wir diese bogenförmig-schiefen Fasern auf ihren Ur- 
sprung und ihre Endigung zu erklären suchen, so lässt sich einer- 
seits sicher angeben, dass sie alle aus der vorderen Commissur 
herkommen, mithin also ihren Ursprung in der grauen Substanz 
der anderen Seite haben; verfolgt man sie andererseit nach aussen, 
so erkennt man, dass sie z. Th. schon nach kurzem Verlauf in die 
Vorderhörner eintreten, z. Th. aber weiter ziehen bis in den vor- 


102 Dr. Michael v. Lenhossek: 


deren Theil der Seitenstränge. Es finden sich hier Faserbündel 
von sehr charakteristischem Verlauf, mit denen sie in Verbindung 
treten: Fasergruppen, die aus dem vordersten Theil der centralen 
grauen Substanz entspringen, unmittelbar hinter den Vorderhörnern 
quer nach aussen ziehen und sich, sobald sie den Seitenstrang er- 
reicht, unter Bildung nach aussen convexer Bogen nach vorne 
wenden. Es kommt also durch Verbindung dieser Bündel mit den 
in Rede stehenden schiefen Fasern der Innenzone zur Bildung sehr 
weiter, die Vorderhörner von vorn umfassender Schlingen, nur 
darf man sich die Sache nicht etwa so vorstellen, als würden die- 
selben in einer Querebene liegen, im Gegentheil dürften sich einige 
derselben auf längere Stücke erstrecken und muss ein grosser 
Theil der in der Innenzone befindlichen Längsfasern als Bestand- 
theile solcher schlingenförmiger Züge angesprochen werden. Diese 
Elemente sind also wahre Commissurenfasern zwischen der grauen 
Substanz beider Seiten, wobei es aber nicht festzustellen ist, ob 
sie analoge oder verschiedene Zellgruppen miteinander in Verbin- 
dung setzen. Auch die Fortsätze der Commissurenzellen scheinen 
zu dieser Gruppe zu gehören. 

Die ungemein grosse Zahl der ausserdem noch’in der Innen- 
zone zur Beobachtung kommenden Längsfasern fordert zur An- 
nahme auf, es seien in derselben ausser den soeben besproche- 
nen Fasern — ebenso wie in der Aussenzone — noch zahlreiche 
Längscommissuren enthalten. Eine solche Annahme ist einzuräumen, 
namentlich in Betracht der reichen, durch viele kurze Fäserchen 
vermittelten Verbindung der Innenzone mit den Vorderhörnern. 


VII. Seitenstrang. 


Von allen Bestandtheilen des Markmantels lassen sich die 
Verhältnisse des Seitenstranges am schwierigsten erforschen. 

Auf Grund der Kaliber und der Dichtigkeit haben wir zwei 
Zonen in demselben unterschieden ; eine periphere und eine innere, 
Die schmale periphere Zone führt stärkere Fasern, die aber in 
dieser Beziehung die Elemente der peripheren Vorderstrangzone 
bei Weitem nicht erreichen. Sie geht ohne deutliche Grenzen in 
die innere, durch feinere Fasern ausgezeichnete Zone über, welch’ 
letztere aber, wie ich nachträglich erwähnen will, wieder in einen 
äusseren, sowohl in Betreff der Faserquerschnitte wie der Dich- 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 103 


tigkeit mehr einen Uebergang bildenden, und einen inneren, sehr 
zarte und zerstreute Elemente enthaltenden Theil zerfällt. 

Auch in dem Auftreten der Markscheiden ist diese Trennung 
ausgesprochen. 

Am 3. Tage ist im Seitenstrang noch Alles marklos. Am 6. 
Tage findet man in der äusseren Zone ziemlich viel, in der inneren 
weniger und sehr zerstreut liegende markhaltige Fasern, wodurch 
jene gegen diese ziemlich deutlich als selbstständige Bahn her- 
vortritt. Am 9. Tage hat die Zahl der myelinhaltigen Elemente in 
beiden Zonen zugenommen, verhältnissmässig mehr indess in der 
inneren, so dass der Unterschied nunmehr nicht so deutlich zu 
erkennen ist, — nur die innerste, der grauen Substanz unmittelbar 
anliegende Partie der Innenzone („Grenzschicht“) ist in der Ent- 
wiekelung zurückgeblieben, indem sie kaum einige dunkel gefärbte 
Fasern enthält. Mit der Ablagerung des Markes in den Längs- 
fasern hält Schritt das Auftreten von radialen Bündeln, die aus 
der grauen Substanz in den Seitenstrang ziehen. 

Am 11. Tage beobachtet man wieder eine Zunahme an mark- 
haltigen Elementen, doch lässt sich noch immer von aussen nach 
innen eine wenn auch geringe jedoch bemerkbare Abstufung in der 
Farbennuance nachweisen und beherbergt die neben der grauen 
Substanz befindliche Partie noch wenig Myelin. Vom 15.—14. Tage 
an werden allmählich auch die zerstreuten Bündel der Grenzschicht, 
die Längsbündel der Hinterhörner sowie diejenigen der spongiösen 
Seitenstrangzone markhaltig. 

Am 18. Tage scheinen die Seitenstränge ihren definitiven 
Zustand erreicht zu haben. 

Vergleichen wir zunächst, zur Gewinnung passender Gesichts- 
punkte, die soeben dargelegten, sich durch ihre Markentwickelung 
als selbstständig kennzeichnenden Stränge mit denjenigen, die den 
Seitenstrang des Menschen zusammensetzen. 

Flechsig!) unterschied bekanntlich im Seitenstrange: 1, 
Pyramidenseitenstrangbahn, 2. directe Kleinhirnseitenstrangbahn, 
3. Seitenstrangreste, die wieder zerfallen in a) seitliche Grenzschicht 
der grauen Substanz und b) vordere gemischte Seitenstrangzone. 

Bechterew?) lässt letztere Zone wieder aus zwei Theilen 

1) Flechsig, a. a. O. p. 263. 

2) W. Bechterew, Ueber die Längsfaserzüge der Formatio reticularis 
med. oblongatae et pontis. Neurologisches Centralblatt. 1885. p. 340. 


104 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


bestehen: einem peripheren, den er „laterales System der Seiten- 
strangreste* nennt und welcher sich offenbar deekt mit dem von 
Gowers!) beschriebenen und von Sherrington?) constatirten 
„antero-lateralen Strang“, und einen inneren, der sich nach vorne 
an das Vorderstranggrundbündel anschliesst und mit demselben 
eine systematisch einheitliche Bahn, das „Vorderseitenstranggrund- 
bündel“ darstellt. 

Vergleichen wir nun diese Angaben mit unseren Befunden, 
so ist zunächst hervorzuheben, dass eine Seitenstrangpyramidenbahn 
unserem Thiere vollkommen abgeht, mit dieser werden wir also 
nicht zu rechnen haben. Für die übrigen Bahnen scheint auf den 
ersten Blick folgende Erklärung Wahrscheinlichkeit zu haben: die 
periphere, aus gröberen Elementen bestehende Zone entspreche der 
Kleinhirnseitenstrangbahn, der äussere Theil der Innenzone den 
Grundbündeln der Seitenstränge, ihre innere Partie der Grenz- 
schicht der grauen Substanz. 

Wie plausibel indess eine solche Art der Vergleichung auch 
erscheine, so glaube ich sie doch speciell betreffs der „peripheren 
Zone“ nicht annehmen zu dürfen. Es scheint mir nicht gestattet, 
diese Zone ohne Weiteres als Kleinhirnseitenstrangbahn anzuspre- 
chen. Allerdings würde sie ihrer Lage nach sowie mit Rücksicht 
auf ihre etwas stärkeren Elemente jener entsprechen, doch stimmt 
mich der Umstand, dass ihre Fasern sich früher mit Mark um- 
hüllen als diejenigen der übrigen Seitenstrang-Bestandtheile, gegen 
diese Annahme. Die Foville’sche Bahn zeichnet sich nämlich 
beim Menschen eben dadurch aus, dass sie ihre Myelinscheiden in 
einer späteren Periode erhält, als die Seitenstrangreste., 

In Anbetracht der übrigen Analogien aber und namentlich 
des Umstandes, dass die aus der grauen Substanz in die Seiten- 
stränge ziehenden Fasern, aus denen also diese Stränge sich auf- 
bauen, ganz dieselbe Anordnung zeigen, wie beim Menschen, möchte 
ich doch das Vorhandensein von Elementen dieser Bahn auch bei 
der Maus für wahrscheinlich halten, dabei aber annehmen, dass 
dieselben hier nicht zu einem compacten Bündel zusammentreten, 


1) W. R. Gowers, Bemerkungen über die antero-laterale aufsteigende 
Degeneration im Rückenmark. Neurologisches Centralblatt. 1886. p. 97. 

2) Sherrington, Note on two newly described tracts in the spinal 
cord. Brain, 1886. 


u 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 105 


sondern zerstreut verlaufen. Betont doch schon Flecehsig, dass 
das als compacte „Kleinhirnseitenstrangbahn“ hervortretende Bündel 
nur einen Theil der in das Kleinhirn verlaufenden Rückenmarks- 
fasern in sich fasse, indem viele der hierher gehörigen Elemente „ein- 
zeln, durch die andersartigen Systeme der Seitenstränge zerstreut, 
auftreten.“ 

Eine „Grenzschicht der grauen Substanz“ ist bei unserem 
Thier ganz deutlich nachweisbar und setzt sich aus zwei Theilen: 
der inneren, aus zerstreuten Bündeln bestehenden Partie der Innen- 
zone und der „spongiösen Zone des Seitenstranges“ zusammen. 

Eine weitere Eintheilung, wie sie Bechterew angab, ist 
hier nicht durchzuführen. Unsere „periphere Zone“ kann auch 
mit Gower’s Bündel nicht identisch sein, da letzteres nach Bech- 
terew’s Mittheilungen später (31—33 em Länge) markhaltig er- 
scheint, als das „Seitenstranggrundbüngel (25—28 em L.), während 
hier zwischen den beiden Zonen ein entgegengesetzes Verhältniss 
besteht. 

Was die Herkunft der Seitenstrangfasern betrifft, so ist ihre 
hauptsächliche, gemeinsame Quelle zu suchen in einem reichen 
System von Radialfasern, die aus dem centralen Theil der grauen 
Substanz sowie aus den solitären Hinterhornzellen entspringen. 

Diese Querfasern lassen sich, ebenso wie die ihnen als Haupt- 
ursprung dienende centrale Säule, in drei Bezirke sondern. 

1. Fasern, die aus der vorderen Partie der Centralgruppe 
entspringen. — Sie sind im Halstheil am mächtigsten, im Brust- 
theil schwach, im Lendenmark wieder ansehnlicher entwickelt, 
ziehen von der Gegend des Centralkanales aus quer nach aussen 
und treten in den Seitenstrang. Einige lassen sich nun bis in die 
Aussenzone bezüglich hinterste Partie der peripheren Vorderstrang- 
bahn verfolgen, andere entziehen sich schon innerhalb der Innen- 
zone der weiteren Beobachtung, die Mehrzahl lässt indess einen, 
schon oben dargelegten, eigenthümlichen Verlauf erkennen. Nach- 
dem nämlich diese — beim Menschen in derselben Anordnung 
vorhandenen — Fasern den Seitenstrang erreicht, wenden sie sich 
bogenförmig nach vorne und gehen nun in die Innenzone des 
Vorderstranges über, wo sie in die hier befindlichen, schief zur 
vorderen Commissur verlaufenden Fasern übergehen. Ueberhaupt 
zeigt die ganze vordere Abtheilung der „queren Seitenstrang- 
fasern“ das Bestreben, sich innerhalb der Seitenstränge nach vorne 


106 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


zu wenden. Ja man findet Fasern mitunter, die sich den Umwe,. 
ersparend schief durch das Vorderhorn hindurch zur Innenzone 
des Vorderstranges begeben. Die vordere Abtheilung der Quer- 
fasern wird zuerst markhaltig, indem man schon am 5.—6. Tage 
myelinhaltige Fasern in ihr findet. 

2. Die Fasern der zweiten Gruppe kommen hauptsächlich 
aus dem mittleren Theil der centralen grauen Substanz. Sie sind 
in den meisten Gegenden des Rückenmarkes nur durch vereinzelte 
Fasern vertreten, nur im oberen Lumbal- und unteren Dorsalmark 
sammeln sie sich zu einigermaassen compaeten Bündelchen zusammen. 
Diese entsprechen den schon von Gerlach!) beschriebenen und 
abgebildeten, von Flechsig?°) als „horizontale Kleinhirnbündel“ 
bezeichneten Fasern, sind aber bei der Maus von verhältnissmässig 
schwacher Entwickelung. Das, was mir hinsichtlich des Ursprunges 
dieser Fasern sowohl bei unserem Thiere, wie auch bei menschlichen 
Foeten auffiel, ist der Umstand, dass ihre Verbindung mit den 
eigentlichen Clarke’schen Säulen gewöhnlich nicht so manifest 
sich darstellt, wie man sich das nach Flechsig’s Schilderung 
vorstellen sollte, indem sie stets etwas vor diesen entspringen, man 
also mehr den Eindruck gewinnt, es sei ihre Ursprungsstätte eher 
zu suchen in jenem Gebiet der Centralsäule, welches unmittelbar 
vor den Clarke’schen Säulen seine Lage hat. Jedenfalls findet 
man nie, dass — wie Flechsig angiebt — „dieselben die Clar- 
ke’schen Säulen selbst vielfach durchflechten.“ Die Bestandtheile 
dieser Bündel verlieren sich in allen Zonen des Seitenstranges. 

3. Was die hintersten Querfasern anbelangt, so sind sie am 
schwächsten entwickelt und erhalten ihre Markscheiden zuletzt — 
erst am 12.—14. Tage. Sie entstammen dem hintersten Theil der 
Centralsäule, einschliesslich des vor der Rolando’schen Formation 
hinziehenden grauen Balkens. Es kann sehr leicht eine Ver- 
wechselung derselben mit Hinterwurzelfasern stattfinden, die z. Th. 
einen ähnlichen Verlauf erkennen lassen. Die äussere Portion 
letzterer wendet sich nämlich vor der Rolando’schen Formation 
nach aussen, um in den Längsbündeln der Hinterhörner, in der 
Grenzschicht und in der spongiösen Zone ein vörläufiges Ende zu 


1) J. Gerlach, Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. I. 
Leipzig, 1872. p. 689. 
2) Flechsig, a. a. O0. p. 29. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 107 


finden. Diese erklären uns aber nicht alle vor der Rolan do’schen 
Formation hinziehenden Fasern, für einen Theil muss man, wie 
erwähnt, einen Ursprung annehmen in der hierselbst befindlichen 
grauen Substanz, diese Fasern repräsentiren dann die hinterste 
Gruppe der queren Seitenstrangfasern. 

Es ist demnach für die Elemente der Grenzschicht sowie der 
spongiösen Zone ein zweifacher Ursprung nachweisbar: sie beziehen 
ihre Fasern z. Th. aus der Hinterwurzel, z. Th. aus der vor der 
Rolando’schen Formation gelegenen grauen Substanz, die wir 
als hintersten Theil der Centralgruppe bezeichnet haben. Ausser- 
dem sieht man noch Fasern zur Grenzschicht verlaufen, die von 
vorne herkommen, zum grössten Theil aus dem Vorderhorn, theil- 
weise auch aus der Centralsäule, doch möchte ich diese nicht als 
Ursprungsfasern, sondern als Endstücke der in dieser Bahn ent- 
haltenen Elemente deuten. 

Das ist Alles, was ich in Betreff des Seitenstranges festzu- 
stellen vermochte, allerdings nicht zureichend, um sich eine über- 
sichtliche Vorstellung zu machen von dem Verlauf der Fasern in 
demselben. Ich möchte meine Eindrücke in Folgendem zusammen- 
fassen: da sich eine auffallende Zunahme der Seitenstränge von 
unten nach oben nicht nachweisen lässt, so muss man dieselben 
zum guten Theil aus kurzen Fasern bestehen lassen. Fasern aus 
der centralen grauen Substanz sowie aus den Hinterhörnern dringen 
in ansehnlicher Zahl in die Seitenstränge. Ein Theil derselben wendet 
sich nach vorne, geht in die Innenzone der Vorderstränge über, um 
schliesslich durch Vermittelung der vorderen Commissur zur grauen 
Substanz der anderen Seite zu gelangen. Andere Fasern lenken 
sogleich in die Längssrichtung um, kehren jedoch z. Th. wieder 
nach kürzerem oder längerem Lauf als Längscommissuren in die- 
selben Theile der grauen Substanz, aus der sie entspringen, zu- 
rück, oder gehen z. Th. vielleicht als lange Bahnen bis in das 
Gehirn hinauf. 

In den feinen Bündeln der Grenzschicht, der spongiösen Seiten- 
strangzone sowie der Längsbündel der Hinterhörner versammeln 
sich einerseits Fasern aus der lateralen Hinterwurzelportion (s. u.), 
andererseits solche, die den vor der Rolando’schen Substanz 
gelegenen Nervenzellen entstammen. Möglich, dass sie z. Th. lange 
Bahnen darstellen, höchst wahrscheinlich aber für einen Theil der- 
selben ist, dass sie sich, nachdem sie eine Strecke in longitudinaler 


108 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


Richtung verliefen, nach vorne wenden, um in den Vorderhörnern 
sowie in der centralen grauen Substanz ihre definitive Endigung 
zu finden. 


VIII. Hinterwurzeln. 


In Betreff der Hinterwurzeln bin ich in der Lage, ähnliche An- 
gaben machen zu können, wie sie in neuester Zeit von Takäcs!) 
und namentlich von Bechterew?) hinsichtlich des Menschen 
mitgetheilt worden sind. 

Mit grosser Schärfe lassen sich in denselben auch hier, wie 
dieses Bechterew 2) in seiner verdienstvollen Arbeit für den Men- 
schen nachgewiesen hat, zwei Portionen unterscheiden: eine mediale 
und eine laterale. Jene wird früher markhaltig und enthält gröbere 
Elemente, diese tritt durch ihren Markgehalt später hervor und führt 
zartere Fasern. 

Vergleicht man die Querschnittsbilder der motorischen mit 
den sensitiven Wurzeln, so wird man den wesentlichen Unterschied 
wahrnehmen, dass die vorderen fast ausschliesslich aus starken 
Nervenfasern bestehen, während die hinteren zur Hälfte aus feinen 
undnurzur Hälfte aus starken und mittelstarken Fasern sich zusammen- 
setzen, welche Faserkategorien unregelmässig vermischt sind. 

Ein anderer Unterschied besteht darin, dass die Vorderwurzeln 
im Allgemeinen früher markhaltig erscheinen als die hinteren, 
eine Thatsache, die, wie wir sahen, mit der grösseren Breite 
ihrer Nervenfasern zusammenhängt. 

Die Eintrittsstelle der hinteren Wurzel entspricht ungefähr der 
Mitte vom hinteren Rand der Roland o’schen Formation, selten 
liegt sie etwas weiter nach aussen. Schon im letzten Stück ihres 
extramedullären Verlaufes liegen die Hinterwurzeln der Oberfläche 
des Rückenmarkes an, und ihr intramedullärer Verlauf ist zunächst 
eine gerade Fortsetzung ihres früheren Verlaufes, indem sie an- 
fangs längs des hinteren Randes der Rolando'schen Formation 
in querer Richtung medianwärts ziehen. Erst gegenüber dem in- 


1) Dr. A. Takäcs, ‘Ueber den Verlauf der hinteren Wurzelfasern im 
Rückenmarke. Neurologisches Centralblatt. 1887. p. 7. 

2) W. Bechterew, Ueber die hinteren Nervenwurzeln, ihre Endigung 
in der grauen Substanz des Rückenmarkes und ihre centrale Fortsetzung im 
letzteren. Archiv für Anat. und Physiologie. Anat. Abtheilung. 1887. p. 126. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 109 


neren Drittel der letzteren erfolgt ihre Theilung in die beiden 
Portionen, sowie ihre Riehtungsänderung. Die Bündel der lateralen 
Portion sammeln sich am meisten lateral und treten unter Bildung 
eines rechten Winkels durch die Rolando’sche Formation hin- 
durch, während diejenigen der medialen Portion z. Th. ebenfalls, 
aber mehr medial, diese Formation durchsetzen, z. Th. aber (die 
beiden Faserarten dürften ungefähr in gleicher Zahl vertreten sein) 
in die Burdach'schen Stränge eingehen, innerhalb welcher sie 
eine Strecke als Längsfasern verlaufen, um erst später sich in die 
graue Substanz zu senken. 

Wir werden nun die beiden Portionen gesondert zu betrach- 
ten haben. 

Die mediale Portion enthält alle starken und mittel- 
starken Fasern der Hinterwurzeln, die sich also hier von der Mehr- 
zahl der feinen gesondert haben. Indess kommen ihr auch zahl- 
reichere schmälere Elemente zu, was sich schon aus dem Umstande 
ergiebt, dass die Fasern breiten und dünnen Kalibers im Wurzel- 
querschnitt ungefähr in gleicher Menge vertreten sind, die mediale 
Portion aber im Ganzen viel beträchtlicher ist als die laterale. 

Was die Verhältnisse der Markscheidenbildung betrifft, so 
sieht man schon am 4.—5. Tage myelinhaltige Fasern in ihr, deren 
Zahl allmählich zunimmt bis zum 12. Tage, um welche Zeit auch 
schon die Elemente der lateralen Portion sich mit Mark zu um- 
hüllen beginnen. 

Der weitere Verlauf der medialen Fasern ist folgender: die- 
jenigen, welche direct durch die Rolando’sche Formation hindurch- 
gehen, ziehen zunächst einfach weiter sagittal nach vorne. Jene, die sich 
als Längsfasern an der Bildung der Burda ch'schen Stränge be- 
theiligen, treten vor dem vorderen Rand der Roland o’schen 
Formation, mit lateraler Schwenkung in die graue Substanz der 
Hinterhörner. Sie schlagen dann ebenfalls eine sagittale Richtung 
ein, ohne aber hierbei jene eleganten, nach aussen convexen 
Bogen zu beschreiben, die die analogen Fasern beim Menschen an 
dieser Stelle erkennen lassen; ihr Verlauf ist ein mehr gestreckter. 

In Betreff ihrer definitiven Schicksale erkennt man, dass sie 
nach kurzem sagittalen Verlauf kelchartig auseinanderweichen. 
Der bedeutend grössere Theil wendet sich nun, in mehrere kräftige 
Bündel gespalten, nach aussen, um im Vorderhorn und zwar theils 
in den lateralsten Zellen der Hauptgruppe, theils im Fasernetz zu 


110 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


endigen, der geringere Theil geht geradeaus zur centralen grauen 
Substanz und zwar zu allen Theilen derselben, hauptsächlich aber 
zu den Clake’schen Säulen, resp. mittleren Theilen der Central- 
säule, die jedenfalls wichtige Endigungspunkte der sensitiven Fasern 
darstellen; mitunter lässt sich eine directe Verbindung ihrer Zellen 
mit den medialsten Hinterwurzelfasern nachweisen. Die Central- 
säule bildet also ein Bindeglied zwischen Hinterwurzelfasern, Seiten- 
strangfasern und Fasern der vorderen Commissur. Meine An- 
sicht, dass sich Hinterwurzelfasern an der Bildung der vorderen 
Commissur nicht betheiligen, habe ich schon oben mitgetheilt. 

Die aus feineren Elementen bestehende laterale Portion 
erscheint erst gegen den 12.—14. Tag markhaltig. Der Verlauf 
ihrer Fasern ist etwas verschieden von dem der analogen des 
Menschen. Während sie nämlich bei letzterem gleich nach ihrem 
Eintritt in das Rückenmark zunächst eine longitudinale Kichtung 
einschlagen und hierbei die von Lissauer beschriebene „Rand- 
zone“ bilden und dann erst durch dieRolando’sche Formation hin- 
durchgehen, wobei sie aber die ganze Breite derselben in Anspruch 
nehmen, fehlt hier einmal die Randzone, die Fasern der lateralen 
Portion gehen zuerst quer nach innen und senken sich dann 
gleich in die Rolando’sche Formation, sodann erfolgt zweitens 
ihr Hindurchtreten durch letztere bloss in ihrem medialsten Ab- 
schnitt. 

Nachdem nun diese Fasern den vorderen Rand der Formation 
erreichten, geht ein Theil, wie es scheint, gleich eine Verbindung 
ein mit den hier befindlichen Ganglienzellen, der wesentlichste Theil 
derselben jedoch wendet sich plötzlich unter rechtem Winkel nach 
aussen, um längs des vorderen Randes der Roland o’schen For- 
mation, mitunter ein ziemlich compactes Bündel bildend, lateral- 
wärts zu ziehen. Der ganze Verlauf dieser sonderbaren Fasern 
kann daher als ein hufeisenförmiger bezeichnet werden. 

Was den weiteren Verlauf dieser Fasern betrifft, so schlägt 
ein Theil unter Bildung der „Longitudinalbündel der Hinter- 
hörner‘‘ eine Längsrichtung ein, der übrige Theil verliert sich in 
der Grenzschicht der grauen Substanz, sowie in der spongiösen 
Zone des Seitenstranges. Für die Frage nach ihren definitiven 
Schicksalen ist der Umstand von Bedeutung, dass — wie schon 
mehrfach erwähnt — eine ansehnliche Einstrahlung von radialen 
Fasern aus der centralen grauen Substanz und hauptsächlich dem 


A 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 111 


Vorderhorn in alle drei Gebiete nachzuweisen ist. — Auf diese 
Art dürften nun die Fasern der lateralen Portion, wenn auch auf 
Umwegen, jedoch ganz dieselben Punkte erreichen, wie die der me- 
dialen. Doch lassen sich gewichtige Bedenken gegen einen langen, 
bis in das Gehirn sich erstreckenden Verlauf einiger derselben 
nicht geltend machen. 

Ueber die Beziehungen der Hinterwurzeln zur hinteren Com- 
missur 8. unten. 

Die Frage nach dem Verhältniss der Hinterwurzeln zu den 
Goll’schen Strängen scheint auf rein anatomischem Wege nicht 
mit Sicherheit gelöst werden zu können. 

Schliesslich sei erwähnt, dass der Verlauf der Hinterwurzel- 
fasern sich am deutlichsten eruiren lässt im Rückenmarke 15- 
tägiger Mäuse, um welche Zeit auch schon die Elemente der 
lateralen Portion ihre Markumhüllung erhalten haben, das Faser- 
gewirr der grauen Substanz aber noch nicht in seiner definitiven 
Mächtigkeit in Erscheinung trat. 


IX. Hinterstrang. 


Der Hinterstrang der Maus besteht aus drei Theilen: dem 
Burdach’schen, dem Goll’schen Strang und der Pyramidenbahn. 
Wir werden nun die drei Bestandtheile einzeln einer Besprechung 
zu unterziehen haben. 


X. Burdach’scher Strang. 


In den Burdach’schen Strängen befinden sich die zuerst 
myelinhaltig werdenden Elemente der Hinterstränge. Ihr Hervor- 
treten hält Schritt mit der Bildung der Markscheiden in der me- 
dialen Portion der Hinterwurzeln.. Schon am 4. Tage erscheinen 
einige dunkle Faserquerschnitte in ihnen, am 9. Tage findet man 
dieselben in ansehnlicher Zahl und zwar durch die ganzen Stränge 
gleichmässig vertheilt. Doch erst am 14. Tage erscheinen die 
Stränge in ihrer endgültigen Markhaltigkeit. 

Eine Eintheilung in eine vordere „Wurzelzone‘ und eine hin- 
tere „peripherische Zone“, wie sie von Bechterew!) für den Men- 


1) W. Bechterew, Ueber die Bestandtheile der Hinterstränge des 
Rückenmarks auf Grund der Untersuchung ihrer Entwickelung. Neurologisches 
Centralblatt. 1885. p. 31. 


112 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


schen gemacht worden ist, ist hier weder auf Grund der Mark- 
entwickelung, noch mit Rücksicht auf die Faserkaliber gerecht- 
fertigt. Betrachtet man zwar die Burdach’schen Stränge eines 
ausgewachsenen Thieres mit schwacher Vergrösserung, so wird man 
allerdings einen mässigen Unterschied in der Farbennuance zwischen 
der inneren, den Goll’schen Strängen anliegenden, und der äusse- 
ren, an die Hinterhörner angrenzenden Zone wahrnehmen, erstere 
färbt sich etwas dunkler als letztere, doch ist diese Differenz bloss 
durch die verschieden dichte Anordnung der Fasern in diesen Ge- 
bieten veranlasst. 

Die Elemente der Burdach’schen Stränge kommen entweder 
alle oder doch gewiss zum grössten Theile aus den Hinterwurzeln. 
Diese — anatomisch ohnehin einzig nachweisbare — Quelle dürfte 
meines Erachtens vollauf genügen zur Erklärung des Herkommens 
aller ihrer Fasern. Schon mehrfach habe ich beschrieben, wie sich 
die Hinterwurzelfasern zu den Burdach’schen Strängen verbalten. 
Hier sei nachträglich nur soviel bemerkt, dass jene Bündel, die 
sich aus letzteren vor der Rolando’schen Formation in die graue 
Substanz begeben, alle aus dem inneren, den Goll’schen Strängen 
benachbarten Gebiet herkommen. 

Zur Beantwortung jener Frage, ob in den Burdach’schen 
Strängen ausschliesslich nur kurze Fasern enthalten seien, wird 
man hauptsächlich berücksichtigen müssen, wie sich ihr Quer- 
schnitt in verschiedenen Höhen verhalte. 

Im Allgemeinen lässt sich hierüber Folgendes angeben: Im 
untersten Theil des Rückenmarkes ist die Balın sehr gering und 
von lockerem Bau, der Rand der hinteren grauen Commissur kommt 
der hinteren Rückenmarksperipherie sehr nahe. Sie ist hier sehr 
flach und setzt sich aus fast ganz horizontal im Rückenmarksquer- 
schnitt verlaufenden Hinterwurzelfasern zusammen. Nach oben 
wird die Bahn allmählich breiter, bis zum oberen Theil der Lum- 
balintumescenz, bis zu einer Stelle also, wo das Rückenmark an 
Breite bereits abgenommen hat. Von hier an nimmt ihr Querschnitt 
continuirlich, aber in sehr geringem Maasse ab. Vom oberen 
Theil des Dorsalmarkes an lässt sich wieder eine allmähliche Zu- 
nahme beobachten. Im Cervicaltheil findet man die Bahn in mäch- 
tiger Entfaltung, bier hat sie ihre breiteste Stelle. 

Der Umstand also, dass die Bahn im Ganzen in den An- 
schwellungen breiter, im Dorsaltheil geringer ist, zeigt, dass sie 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 113 


zum grössten Theil aus kurzen Fasern bestehe. Nun aber ist Fol- 
gendes zu bemerken. Der Unterschied ihrer Breite im Lumbal- 
und Dorsalmark ist auffallend gering, jedenfalls entspricht derselbe 
nieht jener grossen Differenz, die sich in der Stärke der betreffen- 
den Wurzeln kundgiebt. Wenn man wieder die Stärke der Bur- 
dach’schen Stränge im Lumbaltheil mit der im Cervicaltheil ver- 
gleicht, so ergiebt sich ein Unterschied zu Gunsten der Cervical- 
partie, der sich mit dem Umstande gar nicht in Einklang bringen 
lässt, dass die Wurzeln, natürlich speciell die hinteren, in den 
beiden Partien ungefähr von gleicher Mächtigkeit sind. Aus diesen 
Thatsachen möchte ich den Schluss folgern, dass in den Burdach- 
schen Strängen ausser kurzen- Fasern auch solche, ebenfalls den 
Hinterwurzeln angehörige Elemente enthalten sind, die sich in 
ihrem Lauf auf längere Gebiete des Rückenmarkes erstrecken, um 
vielleicht erst in der Oblongata zu endigen. Man könnte als das 
Gebiet, wo sich diese langen sensitiven Fasern befinden, die äussere, 
lockerer gebaute Zone in Anspruch nehinen, aus welcher sich, wie 
erwähnt, keine Einstrahlung in die graue Substanz nachweisen lässt. 

Dass die Bahn im Lumbalmark bis zu einer Stelle stärker 
wird, wo der Querschnitt des Rückenmarkes selbst schon bedeutend 
abgenommen hat, dürfte einfach so erklärt werden, dass die Hinter- 
wurzeln der Lumbalnerven vor ihrer Verbindung mit der grauen 
Substanz zumindest in einer Strecke von 2—3 Wurzelsegmenten 
nach oben verlaufen und sich erst dann in letztere senken. Viel- 
leicht liegt auch hierin die Erklärung für das im oberen Lumbal- 
und unteren Dorsalmark erfolgende Auftreten der Clarke’schen 
Säulen, welche sich als wichtige Endigungsstationen der Hinter- 
wurzeln ergaben und welche laut dieser Auffassung als Endigungs- 
kerne der sensitiven Wurzeln der hinteren Extremität zu deuten 
wären. 


XI. 6oll’scher Strang und hintere Commissur. 


Die Goll’schen Stränge sind bei der Maus von recht an- 
sehnlicher Entwickelung: sie sind stärker als die Pyramiden- 
Stränge. Vom unteren Ende des Dorsaltheiles an nach oben 
werden sie von den Burdach’schen Strängen durch eine Ineisur 
und an vielen Stellen durch eine schief nach vorne und median- 
wärts ziehende, eine Fortsetzung der Pia mater enthaltende Furche 
geschieden. Die Furche geht, falls sie vorhanden, nie bis zu 

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 33. 8 


114 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


dem hinteren Rand der grauen Substanz, sondern erreicht die hintere 
Fissur ein gutes Stück früher und zwar je nach den Höhen des 
Rückenmarkes in verschiedener Entfernung von der hinteren Com- 
missur: im Lumbaltheil reicht sie bis zum hinteren Drittel, im un- 
teren Abschnitt des Dorsalmarkes bis zum vorderen Drittel, von 
der Mitte desselben an nach oben bis zur Mitte der Fissur, ein 
Verhalten, welches durch das je nach Gegenden verschiedene quan- 
titative Verhältniss der einzelnen Hinterstrang-Bestandtheile be- 
dingt ist. 

Dementsprechend lassen sie hier auch nicht jene langausge- 
zogene Form ‘erkennen, die sie beim Menschen besitzen, sondern 
sind mehr keil- oder herzförmig und bilden zusammengenommen 
beinahe ein rechtwinkeliges Dreieck. 

Dieser Darstellung muss aber hinzugefügt werden, dass das 
Sepiment nur stellenweise entwickelt, der vordere Theil desselben 
sehr selten gut ausgesprochen ist. Trotzdem lässt sieh aber die 
Bahn auch bei entwickelten Thieren recht gut abgrenzen auf Grund 
ihrer etwas dunkleren Färbung, die mit der dicht gedrängten La- 
serung ihrer Elemente zusammenhängt. 

In überaus scharfer Weise gelingt aber diese Abgrenzung bei 
6—10 Tage alten Mäusen, um welche Zeit die @oll’schen Stränge 
viel weniger markhaltig erscheinen als die benachbarten Bur- 
da ch’schen. 

Die ersten markhaltigen Elemente zeigen sich in ihnen, soviel 
ich sehe, am 7. Tage. Am 9. Tage finden sich solche schon in 
grosser Zahl innerhalb der Bahn, doch macht sich da ein interes- 
santer Unterschied in verschiedenen Höhen des Rückenmarkes 
geltend. Während im Lumbal- sowie auch im Dorsalmark die 
Bahn von beträchtlicher und gleichmässiger Markhaltigkeit ist, 
stellt sich im Cervicalmark allmählich ein anderes Verhalten ein. 
Vnfangs sieht man noch eine längere Strecke hindurch myelinhal- 
tige Fasern in der Bahn, allein nur mehr im vorderen Theil, zuerst 
noch in denvorderen zwei Dritteln, schliesslich nur mehr in der Spitze 
derselben, dann verschwinden aber auch diese und erscheint die 
Bahn schon in der Mitte des Üervicaltheils ganz marklos, so dass 
sie sich von den Burdach’schen Strängen mit grosser Schärfe 
abhebt. 

Dieses Verhalten bleibt sich gleich bei lltägigen Mäusen. 
Am 14. Tage erscheinen auch im Halsgebiete innerhalb der hin- 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 115 


teren Zone Faserpunkte, doch findet man erst am 18. Tage die 
Stränge in completer Markhaltigkeit. 

Die Myelinscheiden der Fasern der Goll’schen Stränge legen 
sich also im Ganzen in centripetaler, aufsteigender Richtung an. 

Sehen wir nun, woher diese Fasern stammen. 

Flechsig hat sie in seinem grossen Werke!) aus zwei 
Quellen hergeleitet, u. zw. 1) „von der Innenfläche der Hinterhörner 
insbesondere von den Clarke’schen Säulen und ihrer nächsten 
Umgebung“, 2) von der hinteren Commissur, deren Fasern aber 
nachFlechsig's Beobachtungen ebenfalls aus den Hinterhörnernent- 
springen sollen. — In wesentlich abweichender Weise äusserst er sich 
in seinem „Plan des menschlichen Gehirns“ ?), wo er hierüber folgen- 
des angiebt: „Die Fasern der Hinterstränge sind sämmtlich als 
Fortsetzungen hinterer Wurzeln zu betrachten. Es ergiebt sich 
hierbei, dass die Fortsetzungen der in den tiefsten Abschnitten 
des Markes eintretenden Wurzeln im Halsmark gelegen sind in 
den Goll’schen Strängen, so dass die aus den unteren Extremi- 
täten zum Gehirn ziehenden centripetalen Bahnen — ‚soweit sie in 
den Hintersträngen verlaufen — ausschliesslich in den Goll’schen 
Strängen zu suchen sind.“ 

Rossolymo?°) fand bei Meerschweinchen nach Durchschnei- 
dung der Hinterwurzeln die Goll’schen Stränge intact, aus welchem 
Befund er den Schluss zog, es enthalten diese keine direeten Fort- 
setzungen der Hinterwurzelfasern. 

Takäcs*) schliesst sich den ersten Ausführungen Flechsig’s 
an, indem er behauptet, die Goll’schen Stränge entstammen den 
Clarke’schen Säulen und zwar, wenn ich ihn recht verstehe, aus- 
schliesslich diesen. 

Bechterew’) bestreitet ebenfalls eine Betheiligung von Hinter- 
wurzelfasern an der Bildung der Goll’schen Stränge, doch lässt 
er die Elemente der letzteren aus zwei verschiedenen Bezirken 
der grauen Substanz entspringen, 1) aus den Clarke’schen 


1) Flechsig, Die Leitungsbahnen. p. 311. 

2) P. Flechsig, Plan des menschlichen Gehirns. Leipzig. 1883. p. 21. 

3) G. Rossolymo, Zur Frage über den weiteren Verlauf der Hinter- 
wurzelfasern im Rückenmarke. Neurologisches Centralblatt. 1856. p. 391. 

4) Takäcs, a. a. 0. p. 8. 

5) W. Bechterew, Archiv für Anat. und Physiologie. Anat. Abtheilung. 
1887. p. 133. 


116 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


Säulen, 2) „aus den unmittelbar vor der Roland o’schen Substanz 
gelegenen kleinen sensitiven Zellen.“ 

Meine Untersuchungen ergaben, wie schon vorhin erwähnt, 
dass sich ein directer Verlauf von Hinterwurzelfasern in die Goll- 
schen Stränge auf rein anatomischer Basis weder nachweisen noch 
ausschliessen lässt. Nichtsdestoweniger glaube ich mich mit Rück- 
sicht auf die Resultate der experimentellen Forschung den soeben 
namhaft gemachten Autoren anschliessen zu dürfen. 

Im Widerspruch mit den Befunden, die Flechsig, Takäcs 
und Bechterew bei dem Menschen erhielten, fand ich bei der 
Maus, dass die Clarke’schen Säulen ganz sicher keine einzige 
Faser an die Goll’schen Stränge abgeben. Der Ursprung der 
Elemente dieser ist vielmehr hauptsächlich, möglicherweise aus- 
schliesslich, zu suchen in der vor der Rolando’schen Formation 
befindlichen grauen Substanz. 

Im Besondern ergab sich Folgendes. 

Alle sich an der Bildung der Go ll’schen Stränge betheiligen- 
den Fasern kommen von vorne her, sie treten in die vordere Spitze 
derselben. Hier ist, wie man sagen könnte, der Hilus dieser 
Stränge. Sie entstammen alle der hinteren Commissur und müssen 
wir daher zunächst diese näher in’s Auge fassen. 

Die hintere Commissur der Maus zerfällt in zwei di- 
stinete Abschnitte: einen vorderen und einen hinteren. Sie sind 
durch einen breiten Zwischenraum von einander geschieden und 
hängen auf keine Weise zusammen. 

Der vordere Theil, der, wie es scheint, etwas später als 
der hintere mit Markscheiden versehen wird, ist zwar in allen 
Höhen des Rückenmarkes einigermaassen vertreten, indess nur im 
Lumbalmark von ansehnlicherer Entwickelung. Man bekommt ihn 
nur selten, höchstens in diekeren Schnitten, in seiner ganzen Aus- 
dehnung zur Anschauung; denkt man sich aber die Bruchstücke 
zusammengestellt, so erhält man ein Bündel von flach bogenförmigem 
Verlauf, welches von dem hinteren Theil der Commissur durch die 
ganze Breite der Clarke’schen Säulen getrennt wird, unmittelbar 
vor dem lateralen Abschnitt der Rolando’schen Formation ent- 
springt, und dann schief nach vorne und einwärts ziehend, die 
Clarke’schen Säulen, wo sie vorhanden sind, von vorne umfas- 
send, sich zu demselben Punkt der anderen Seite begiebt. An 
der Stelle, wo das Bündel die Mittellinie passirt, gewahrt man zu- 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 117 


weilen überaus spärliche Fasern, die sich von den übrigen ab- 
zweigen, zuerst noch in der grauen Substanz, dann schon innerhalb 
der hinteren Längsfissur direet nach hinten laufen und schliesslich 
nach einem langen sagittalen Weg sich in den Goll’schen Strängen 
verlieren. Forscht man nach dem Ursprung der Fasern dieses vor- 
deren Commissurentheiles, so wird man keine sichere Entscheidung 
treffen können, ob sie aus den „Längsbündeln der Hinterhörner* 
oder aus der hier befindlichen grauen Substanz herstammen. Er- 
steres scheint mir wahrscheinlicher, doch wären bei dieser Annahme 
wieder zwei Möglichkeiten denkbar: 1) ein Ursprung aus den soeben 
erwähnten Nervenzellen, 2) aus der lateralen Portion der Hinter- 
wurzeln. Welche von den beiden Annahmen der Wirklichkeit 
entspricht, lässt sich nicht ausmachen. 

Die hintere Portion der hinteren Commissur zeigt bei der 
Maus, im Vergleich zum Menschen, eine ziemlich starke Entwicke- 
lung. Sie wird repräsentirt durch ein bogenförmiges Bündel, 
welches sich in seinem ganzen Verlauf streng an den hinteren 
Rand der grauen Substanz hält, vor dem medialen Ende der Ro- 
land o’schen Formation entspringt und, unter Bildung eines läng- 
lichen, schmalen Hufeisens, zur analogen Stelle der anderen Seite 
verläuft. Die Fasern dieser Portion gehören zu den feineren und 
lassen einen welligen Verlauf erkennen. Sie gehen fast alle auf 
die andere Seite über. Aehnlich aber, wie vom vorderen Theil, 
zweigen sich auch von diesem auf manchen Schnitten in der Mit- 
tellinie einige sagittale Fasern ab, die in der hinteren Längsfissur 
nach hinten ziehen, um sich in die Goll’schen Stränge zu senken. 

Woher stammen die Elemente der hinteren Portion ? Unter- 
sucht man Rückenmarksquerschnitte auf oberflächliche Weise, so 
wird man vielleicht auf den ersten Blick den Eindruck erhalten, 
dass hier sammt und sonders Hinterwurzelfasern vorliegen. 

Die Stelle ihres Ursprungs entspricht nämlich derjenigen, 
wo die letzteren aus den Burdach’schen Strängen in die graue 
Substanz treten. Es erfolgt hier also eine Vermischung der beiden 
Fasersorten, welche den Eindruck eines direeten Zusammenhanges 
hervorrufen könnte. In der That lässt sich ein solcher Ursprung 
für einige der Commissurenfasern nicht nur nicht ausschliessen, 
sondern direct feststellen; der hintere Theil der hintern Commissur 
enthält unzweifelhaft einige Hinterwurzelfasern. Für die meisten 
wird man aber bei näherem Zusehen ein anderes Verhalten finden; 


118 Dr. Michaelv. Lenhossek: 


man sieht, wie sich das Bündel in der vor dem medialsten Theil 
der Rolando’schen Formation gelegenen gangliösen Anhäufung 
büschelförmig auflöst, während die Hinterwurzelfasern dieselbe in 
Form compacter Bündel durchsetzen. Diese Zellgruppe ist also 
als hauptsächliche Ursprungsstätte der in Rede stehenden Fasern 
zu betrachten. 

Eine Reihe der Möglichkeiten steht uns offen, wenn wir der 
Frage nach den definitiven Schieksalen der Commissurenfasern 
nahe treten wollen. Sie stellen höchst wahrscheinlich z. Th. wahre 
Verbindungsfasern zwischen den analogen Nervenzellengruppen 
beider Seiten dar, z. Th. entsprechen sie Hinterwurzelfasern, die 
in der grauen Substanz der anderen Seite ihre Endigung finden. 
Die dritte Kategorie wird repräsentirt durch diejenigen Fasern, die 
sich zu den.G oli’schen Strängen begeben, und die uns hier näher 
angehen; doch woher stammen dieselben: aus dem Nucleus praero- 
landieus, wie man den hier in Betracht kommenden, häufig erwähn- 
ten Kern nennen könnte, oder aus den Hinterwurzeln? Haben sich 
doch beide als Quellen der Commissurenfasern ergeben. 

Ich wiederhole, was ich oben sagte, dass hier den Ergeb- 
nissen experimenteller Untersuchungen Rechnung zu tragen sei 
und dass dieselben letztere Annahme sehr unwahrscheinlich machen. 
Die Fasern der Goll’schen Stränge entspringen also allem 'An- 
schein nach aus der vor der Rolando’schen Formation befind- 
lichen grauen Substanz. 

Weder der vordere, noch der hintere Theil der hinteren Com- 
missur lässt Beziehuugen zu den Clarke’schen Kernen erkennen. 

Wir haben nun die Frage in’s Auge zu fassen, ob die Goll- 
schen Stränge eine kurze oder lange Bahn darstellen. 

Alle neueren Forscher haben sich für eine lange Bahn aus- 
gesprochen und auch ich kann mich auf Grund meiner Untersu- 
chungen dieser Anschauung anschliessen. 

Zunächst spricht schon die geringe Zahl der in die Goll’schen 
Stränge zu verfolgenden Ursprungsfasern hiefür. Wenn diese 
Stränge nicht nur Fasern von der grauen Substanz empfangen, 
sondern solche an dieselbe auch abgeben würden, so müsste die 
Zahl derselben eine bedeutend grössere sein. 

Zweitens kommt die späte Entwickelung ihrer Markscheiden 
in Betracht, eine Eigenschaft, die meiner Ansicht nach ein Präro- 
gativ langer Bahnen darstellt. 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden ete. 119 


Aber mit grösserem Nachdruck kann man hierfür den Um- 
stand geltend machen, dass sie von unten nach oben continuirlich 
an Querschnitt zunehmen. 

Die ersten Spuren der Goll’schen Stränge zeigten sich bei 
den meisten von mir untersuchten Exemplaren schon im untersten 
Abschnitt des Rückenmarkes und nur einigemale traten sie erst 
im oberen Theil des Lumbalmarkes hervor. Vielleicht kommen 
ähnliche individuelle Differenzen auch beim Menschen vor und 
liesse sich hierdurch dann jene Divergenz erklären, die in den 
diesbezüglichen Angaben von Flechsig und Bechterew besteht. 
Ersterer!) lässt sie nämlich als gut abgegrenzte Stränge stets erst 
im oberen Dorsalmark in die Erscheinung treten, was vielleicht 
doch etwas zu weit gegriffen sein dürfte, letzterer lässt sie hingegen 
in einer unlängst erschienenen Arbeit?) schon im unteren Sacral- 
mark beginnen. 

Immerhin erscheinen aber die Stränge im Lumbalmark, falls 
sie auch vorhanden sind, sehr unbedeutend. Im oberen Lumbal- 
und namentlich im unteren Dorsaltheil wachsen sie beträchtlich 
und rapid an: hier ist ihre hauptsächliche Ursprungstätte. Dann 
bleiben sie längs des ganzen Brustmarkes gleich breit und lassen 
erst in der Halsanschwellung, jedoch nur eine verhältnissmässig 
geringe Zunahme erkennen. 

Aus dem wird man also mit Gewissheit den Schluss folgern 
können, dass erstens hier eine lange Bahn vorliege, zweitens die 
Elemente derselben hauptsächlich im oberen Lumbal- und unteren 
Dorsalmark entspringen, in der Gegend also, wo, wie wir sahen, 
die Hinterwurzeln der stärksten Lumbalnerven, nachdem sie eine 
Strecke nach oben verliefen, ihre Endigung finden. 

Eine, durch graue Substanz vermittelte Beziehung der Goll- 
schen Stränge zu den sensftiven Nerven der hinteren Extremität 
ist somit fast zweifellos. 

Jener Umstand, dass sich zwischen vorderem und hinterem 
Theil der Goll’schen Stränge im Laufe der Markentwickelung 
ein Unterschied geltend macht, möchte ich einfach auf die in cen- 
tripetaler Richtung erfolgende Ablagerung der Myelinscheiden zu- 


1) Flechsig, Die Leitungsbahnen. p. 310. 
2) Beehterew, Arch. f. Anat. und Physiologie Anat. Abth. 1887. 
p. 103. 


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120 Dr. Michael v. Lenhossek: 


rückgeführt wissen. Da die Stränge ihre Ursprungsfasern, wie 
erwähnt, von vorne, aus der hinteren Commissur erhalten, werden 
sich die zuerst mit Markscheiden sich umhüllenden Anfangsstücke 
ihrer Fasern in ihrem vorderen Theil befinden. Für die hier an- 
zutreffenden auffallend starken Elemente finde ich keine Erklärung, 


XII. Pyramidenbahn. 


Die Pyramidenbahn der Maus zeichnet sich ähnlich der- 
jenigen des Menschen dadurch aus, dass sie ihre Markscheiden sehr 
spät erhält. In einem Stadium, wo schon alle übrigen Fasern des 
Rückenmarkes ihre Myelinbekleidung erhalten haben, ermangeln 
ihre Elemente noch einer solchen. 

Suchen wir die Bahn zunächst auf in einer Schnitthöhe etwas 


oberhalb der Kreuzung, im untersten Theil des verlängerten 


Markes (Fig. 8). 

Hier stellen sich die Pyramidenstränge als zwei platte, quer- 
ovale, zu beiden Seiten der vorderen Längsfurche, an der Ober- 
fläche gelegene Bündel dar. Sie sind im Vergleich zu denjenigen 
des Menschen schwach entwickelt, bedingen kaum einen Vorsprung 
und fehlt die sie lateral von den Oliven abgrenzende Furche beinahe 
vollständig. Dorsalwärts werden sie vom Nucleus basalis Stieda’s 
und von spärlichen Fibrae areiformes bedeckt. Ventralwärts liegen 
sie frei zu Tage, da hier die sie beim Menschen auf der Oberfläche 
überziehenden äusseren Gürtelfasern nicht vorhanden sind. Sie 
bestehen aus sehr feinen und dicht gelagerten Fasern. 

Verfolgen wir die Bündel nach unten, so ergiebt sich zunächst, 
dass sie etwas auseinander rücken, so dass der früher kaum an- 
gedeutete Suleus longit. ant. nunmehr als eine breite Furche sich 
bemerkbar macht. Dies ist zum Theil auch dadurch bedingt, dass 
sich die beiden, früher im Querschnitte mehr ovalen Stränge zu 
rundlicher Form zusammenbalten, zufolge dessen auch die Furche an 
ihrer äusseren Seite besser ausgesprochen erscheint. Nun erfolgt 
ihre Umlagerung, welche darin besteht, dass ein jedes Pyramiden- 
bündel in seiner Totalität in den Hinterstrang der anderen Seite 
sich begiebt, wie dies schon Stieda ganz richtig erkannt und 
beschrieben hatte. 

Die Prämedulla der Maus (Fig.7), wie Rauber!) den durch 


1) Dr. C. E. E. Hoffmann und Dr. A. Rauber, Lehrbuch der Ana- 
tomie des Menschen. II. Band. 3. Auflage. Erlangen 1886. p. 363. 


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Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 121 


die Pyramidenkreuzung gekennzeichneten Abschnitt nennt, ist von 
sehr ovalem Querschnitt und schliesst sich auch in seinem in- 
neren Bau mehr an die Oblongata an, während z. B. diese Partie 
beim Menschen einen runden Querschnitt aufweist und sonst auch 
noch den Rückenmarkstypus bewahrt. 

Die Kreuzung erfolgt bei der Maus ebenfalls mit mehreren 
alternirenden Bündeln; da aber der Verlauf dieser in Beziehung 
zur Längsaxe des Rückenmarkes ein beinahe ganz transversaler 
ist, d. h. sich an die Querebene des Rückenmarkes hält, so lässt 
sich ihre Decussation auf einem Querschnitte recht gut überblicken. 

Untersucht man einen solchen, so findet man Folgendes. Die 
Kreuzungsbündel bleiben bis zuletzt compact und lassen, da sie 
sich in die Hinterstränge zu begeben haben, einen fast ganz sagit- 
talen, von der Mittellinie nur wenig abweichenden Verlauf er- 
kennen. Sie ziehen dorsalwärts, kreuzen sich, und zwar erst un- 
mittelbar vor dem abgeschnürten basalen Theil der Vorderhörner, 
in der Tiefe der Längsfissur und nicht auf der Oberfläche, wie 
beim Menschen, wenden sich hierauf etwas mehr nach aussen und 
erreichen schliesslich, unter Bildung eines schwachen, nach aussen 
convexen Bogens ihre Endstation. 

Um die Lage der Pyramidenstränge an einer Stelle gleich 
unterhalb der Kreuzung schildern zu können, muss ich Folgendes 
vorausschieken. Die Hinterstränge sind hier von sehr abgeflachter 
Form. An Stelle der Goll’schen Stränge gewahrt man zwei 
plumpe, der grauen Substanz mit breiter Basis aufliegende graue 
Erhabenheiten, die in ihrem Wurzeltheil mit einander verschmolzen 
sind, dann etwas divergirend sich seitwärts wenden. Es sind dies 
die Nuclei funieuli graeilis. Da sich Nervenfasern nur in geringer 
Zahl in denselben vorfinden, darf man annehmen, dass die Ele- 
mente der G oll’schen Stränge zum grössten Theil ihre Endigung 
in ihnen fanden. . Die Nuclei funiculi cuneati sind sehr unbedeu- 
tend, sie präsentiren sich als schwache Vorsprünge der Hinterhörner, 
was sie aber auszeichnet, ist ihre braune Färbung bei Weigert’s 
Hämatoxylin-Tinetion, eine Erscheinung, die schon oben mitgetheilt 
und auf ihre Ursache zurückgeführt wurde. In der Ecke zwischen 
Nuel. fun. gracialis und euneati finden nun die Pyramiden Platz; 
sie sind im Durchschnitte von ovoider Form. Sie liegen hier also 
in einiger Entfernung von einander, durch die Kerne der zarten 
Stränge getrennt. 


223 Dr. Michael v. Lenhossek: 


Im oberen Abschnitt des Cervicalmarkes rücken die Stränge 
allmählich zusammen, sie werden nunmehr nur durch den sehr 
schmalen, eingeschnürten Halstheil der Nucl. fun. gracilis von einander 
geschieden. Weiter unten verschwinden diese Kerne und nun kom- 
men die beiden Pyramidenbündel in Berührung mit einander, in- 
dess zunächst nur mit einem kleinen Theil, ihr grösster Abschnitt 
steht noch frei und schmiegt sich, sich seitwärts wendend und 
allmählich verschmälernd, dem medialen Rand der Hinterhörner an, 
so dass das Bild zweier getrennter Pyramidenbündel noch immer 
ausgesprochen ist. Allmählich legen sie sich dann in ihrer ganzen 
Ausdehnung aneinander und nehmen dann gewissermaassen als 
ein gemeinsames Bündel den vordersten Theil der Hinterstränge 
in Anspruch, wobei sie sich vom übrigen Theil letzterer einfach 
durch eine quere Linie absondern. 

In der Halsanschwellung tritt in der Form der verschmolzenen 
Pyramidenstränge eine Aenderung ein, insofern als ihre hintere 
Begrenzungslinie sich in der Mittellinie spitzig auszieht. Die Ent- 
stehung dieser Form lässt sich zurückführen auf die hier erfolgende 
starke Zunahme der Burdach’schen Stränge, die die Pyramiden- 
bündel gleichsam zusammendrücken, so dass sie genöthigt sind, 
nach hinten sich zu verlängern, was sie auch zufolge der relativen 
Schwäche der Goll’schen Stränge ungehindert thun können. 

Im Dorsalmark erkennt man wieder eine Form, wie man ihr 
weiter oben begegnete: als hintere Begrenzung erscheint eine quere 
Linie. Zuweilen erhält sich diese Form bis in das Lendenmark 
hinein, gewöhnlich findet man aber im letzteren, ähnlich wie unmittel- 
bar unterhalb der Kreuzung, zwei nur vorne verschmolzene, seitwärts 
divergirende, der grauen Substanz sich anschliessende Bündel. 

Die Pyramidenstränge setzen sich in ihrem Rückenmarkstheil 
noch am 18. Tage sehr scharf gegen die übrigen Bestandtheile der 
Hinterstränge ab. Zwar findet man schon auf einem früheren 
Stadium einige zerstreute myelinhaltige Fasern in ihrem Gebiet, 
doch sind das unzweifelhaft nur aberrirte Elemente der Burdach- 
schen oder Goll’schen Stränge. Finden sich doch auch bei mensch- 
lichen Föten namentlich innerhalb der Pyramidenseitenstrangbahn 
einige, anderen Systemen angehörige Fasern. 

Eine Sache von Interesse ist es, dass die Bahn nicht in ihrer 
ganzen Ausdehnung auf einmal markhaltig wird. So findet man 
am 18. Tage ihr oberhalb der Kreuzung befindliches Stück schon 


Untersuchungen über die Entwickelung der Markscheiden etc. 123 


fast ganz markweiss, während sie noch im Rückenmarke, wie er- 
wähnt, so gut wie vollständig marklos erscheint. Am 20. Tage 
reicht die Markhaltigkeit von oben heraß bis ungefähr zur Mitte 
des Rückenmarkes. Am 27. Tage ist sie beinahe ganz markhaltig, 
unterscheidet sich indess noch immer durch ihre etwas hellere 
Farbennuance von den benachbarten Strängen. Erst am 30. Tage 
stellt sie sich in ihrem definitiven Zustande dar. 

Die Bildung der Markscheiden geht hier also in centifugaler, 
absteigender Richtung vor sich. 

Die Pyramidenstränge erstrecken sich bis in den tiefsten Ab- 
schnitt des Rückenmarkes. Sie nehmen von oben nach unten con- 
tinuirlich und in gleichmässiger Weise an Querschnitt ab, doch ist 
diese Abnahme im Ganzen sehr gering, kaum merklich, so dass 
sie sich noch ganz unten, an einer Stelle, wo die Goll’schen 
Stränge noch gar nicht in Erscheinung traten, ziemlich ansehnlich 
präsentiren. Man wird demnach nicht fehlgehen, wenn man an- 
nimmt, es liege hier eine Bahn vor, die wohl in allen Gegenden 
des Rückenmarkes einige Fasern an die graue Substanz abgebe, 
der Hauptsache nach aber im Lendenmark ihre Endigung finde. 

Die Frage nach der Art und Weise der Verbindung der Pyra- 
midenfasern mit der grauen Substanz gehört zu den schwierigsten. 
Die Beobachtung des Verlaufs ihrer Endstücke wird erschwert ein- 
mal durch ihre Feinheit, andererseits durch den Umstand, dass sie 
zu einer Zeit markhaltig, mithin also der Beobachtung zugänglich 
werden, wo schon alle übrigen Fasern mit Myelinscheiden ausge- 
stattet sind. 

Vielleicht habe ich das Richtige getroffen, wenn ich als die 
fraglichen Elemente folgende Fasern in Anspruch nehme. Unter- 
sucht man das Lumbalmark ausgewachsener Mäuse, so wird man 
zwar nicht an allen, jedoch an vielen Schnitten zarte Fasern ge- 
wahr, die, aus den Pyramidensträngen sich ablösend, unweit der 
Mittellinie geradeaus nach vorne laufen, in der Nähe des Central- 
canals sich etwas lateralwärts wenden und sich in der Gegend der 
Centralgruppe der Beobachtung entziehen. Ob nun ihre definitive 
Endigung in letzterer zu suchen sei, oder ob sie noch weiter gehen in 
die Vorderhörner, liess sich nicht entscheiden. Sind diese Nerven- 
fäden wirklich identisch mit Pyramidenfasern, was ich allenfalls 
nur als eine Vermuthung hinstellen möchte, so wird man letzteres 
für wahrscheinlicher halten müssen. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Dr. Michael v. Lenhossek: Untersuchungen ete. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI und VI. 


Querschnitt aus dem Rückenmarke einer ausgewachsenen Maus. 
Unterer Abschnitt des Halstheiles. 

Nervenzellen aus dem Vorderhorn einer 4tägigen Maus. Die Zellen 
sind mit myeloider Körnchensubstanz beladen, die sich auch in der 
Zwischensubstanz vorfindet. Zahlreiche marklose, einige markhaltige 
Nervenfasern. Reichert Oc. III, Obj. 5. 

Aus dem Rückenmarke einer 28cm langen menschlichen Frucht. 
‘Oberer Abschuitt des Lendenmarkes. Die Zellen sowohl der Haupt- 


wie der Commissurengruppe enthalten viel Myeloidmasse und treten 


daher durch ibre dunkle Färbung deutlich hervor. Vorderwurzeln 
zum Theil schon markhaltig. 

Querschnitt aus dem Rückenmarke einer Maus vom 3. Tage. Lum- 
baltheil. 

Querschnitt aus dem Rückenmarke einer 6tägigen Maus. Unterer 
Abschnitt des Halsmarkes. 

Querschnitt aus dem Rückenmarke einer 10tägigen Maus. Dorsaltheil. 
Querschnitt aus der Medulla oblongata einer 18 Tage alten Maus. 
Gegend der Pyramidenkreuzung. 
Querschnitt aus der Oblongata einer 18 Tage alten Maus. Gegend 
etwas oberhalb der Kreuzung. 


Sämmtliche Figuren sind nach Präparaten gezeichnet, die mittelst 
W.eygert’s Hämatoxylinmethode gefärbt wurden und sind mit Ausnahme 
von Fig. 2 bei schwacher Vergrösserung angefertigt. 


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Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle etc. 125 


(Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer 
Theilungserscheinungen. 


Von 


Gustav Platner. 


(Hierzu Tafel VIII und IX.) 


I. Zelltheilung und Samenbildung in der Zwitterdrüse von Limax 
agrestis. 


Mit der vorliegenden Mittheilung beginne ich die Veröffent- 
lichung einer Reihe von Abhandlungen, welche das Resultat meiner 
Zellstudien während der letzten Jahre sind. Wenn ich hierbei die 
Erörterung der Zelltheilung und Samenbildnng in der Zwitterdrüse 
von Limax agrestis vorangehen lasse, so geschieht dieses deshalb, 
weil die erhaltenen Resultate in inniger Beziehung stehen zu einer 
Reihe von Entdeckungen, welche in der letzten Zeit durch Boveri, 
van Beneden und Vejdovsky in Bezug auf die Entstehung 
der achromatischen Kernspindel in befruchteten Eiern verschie- 
dener Würmer gemacht worden sind. Diese wichtige Erweiterung 
unserer Kenntnisse über die initialen Phänomene der Zelltheilung, 
welehe durch die genannten Autoren gewonnen wurde, zeigt zu- 
gleich, wie man selbst bei Objekten, mit denen man ziemlich ge- 
nau vertraut zu sein glaubt, noch neue überraschende Thatsachen 
auffinden kann. In einer solchen Lage befinde ich mich auch dem 


schon vielfach von mir studirten Objekt, der Zwitterdrüse der 


Pulmonaten gegenüber. Die bedeutsamen Aufschlüsse, welche ich 
neuerdings erhalten habe, verdanke ich nicht zum wenigsten der 
Methode, um deren Verbesserung ich mich unablässig bemüht habe; 
ich werde daher mit der Beschreibung derselben beginnen. 


126 Gustav Platner: 


Methode. 


Das beste Konservirungsmittel für die Nebenkerne und ihre 
Umwandlungsprodukte in den samenbildenden Zellen ist unstreitig 
die Osmiumsäure. Die Concentration, in welcher diese in der 
stärkeren Flemming schen Säuremischung (Chrom-Osmium-Essig- 
säure) enthalten ist, reicht bei genügend langer Einwirkung voll- 
kommen aus. Was nun den letzteren Punkt anbelangt, so hatte 
ich mich bald überzeugt, dass die von mir früher angegebene Dauer 
von 30 Minuten den Anforderungen nicht entsprach. Da aber ein 
Ueberschreiten dieser Zeit die Schnittfähigkeit der Präparate 
wesentlich beeinträchtigt, so musste ich letztere auf irgend eine 
Weise wieder herzustellen suchen, was durch unten beschriebene 
Einbettungsmethode gelang. 

Die wenn nöthig zerkleinerten Zwitterdrüsen kommen mög- 
lichst frisch in die stärkere Flemming’sche Säuremischung und 
bleiben bis zu einer Stunde darin, alsdann wird dieselbe Flüssig- 
keit mit dem drei bis vierfachen Volumen Wasser verdünnt noch 
zu einer Nachhärtung von 24stündiger Dauer benutzt. Hieran 
schliesst sich ein ausgiebiges Auswaschen in der von Flemming 
angegebenen Weise an. Die weitere Aufbewahrung erfolgt in 
Alkohol von steigender Concentration. 

Als Färbungsmittel für die Nebenkerne in den auf diese Weise 
gehärteten. Präparaten hat sich mir nach wie vor nur das Häma- 
toxylin erprobt. Mit Anilinfarben wird nichts erreicht, eine Er- 
fahrung, welche auch Prenant (1) neuerdings wieder gemacht 
hat. Unter den verschiedenen Hämatoxylintinetionen hat sich mir 
nun als die weitaus beste und bequemste die Apathy’sche Modi- 
fikation des Heidenhain’schen Verfahrens erwiesen (5). Um Nach- 
untersuchern ihre Arbeit möglichst zu erleichtern, will ich mein 
Verfahren hier ausführlich wiedergeben. Es geschieht dies schon 
deshalb, weil Prenant angiebt, mit der früher von mir veröffent- 
lichten Methode nicht zum Ziel gekommen zu sein. Die Hämatoxylin- 
lösung besteht also aus: Hämatoxylin eryst. 1,0; Alkohol abs. 70,0; 
Ag. dest. 30,0 und wird in dunklen Flaschen aufbewahrt: Die Ob- 
jekte werden hierin in toto gefärbt und zwar 24 Stunden lang. 
Die Entfärbung geschieht in einer 1°, alkoholischen Lösung von 
doppeltehromsauren Kali. Zu diesem Zwecke hält man sich eine 
Lösung von 10,0 Kal. bichromiec. auf 300,0 Ag. dest. vorräthig, von 


2 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 127 


der jedesmal für den Gebrauch 30 cem mit 70 ccm starken Alkohols 
versetzt werden und zum Entfärben in dunklen Gefässen benutzt 
werden. Eine starke Färbung verlangt eine 12stündige Einwir- 
kung dieses Reagens. Um eine schwächere Tinction zu erhalten, 
muss man bis zu 24 Stunden steigen. Man thut gut, sich ver- 
schieden stark gefärdte Objekte herzustellen, da die einen dieses, 
die andern jenes besser zeigen. Die Objekte werden dann in 70%, 
Alkohol übertragen, was gleichfalls in dunklen Gefässen zu ge- 
schehen hat und ein bis mehrere Tage darin gelassen. Die Färbung 
ist dann eine klare, ohne irgend welche Niederschläge. Es erfolgt 
nun Entwässerung in absolutem Alkohol und dann Durchtränkung 
mit eingedicktem Cedernholzöl, ein Verfahren, welches auf dem 
hiesigen Institute üblich ist und den Objekten einen hohen Grad 
von Zähigkeit verleiht. Die Einbettung geschieht dann in über- 
hitztem Paraffin. 

20 Minuten Verweilens in dem bei möglichst niedriger Tem- 
peratur flüssig erhaltenem Paraffin sind genügend. Es gelingt jetzt 
ohne Mühe Schnittbänder von 0,005 mm Stärke herzustellen. Selbst 
noch dünnere Schnitte sind mir gelungen, wobei ein vortreffliches 
Becker’sches Mikrotom mir sehr zu Statten kam. 

Die soeben auseinandergesetzte Methode hat grosse in die 
Augen springende Vortheile: Zunächst eine gute Härtung und 
Färbung, wobei das Manipuliren mit den einzelnen Schnitten fort- 
fällt, bei welehem diese#eft sehr leiden, sodann sehr dünne intakte 
lückenlose Serien. Die Schnittbänder selbst pflege ich mit Collo- 
dium-Rieinusöl auf dem Objektträger festzukleben, mit Xylol das 
Paraffin zu entfernen und dann in Canadabalsam einzuschliessen. 
Es gelingt so in verhältnissmässig kurzer Zeit zahlreiche Schnitte 
herzustellen, was sehr nothwendig ist, da manche Stadien der 
Zelltheilung nur selten sieh finden und das Durchmustern zahl- 
reicher Präparate erheischen. 


Die Zelltheilung. 


Mit dem Studium der Zelltheilung in der Zwitterdrüse der 
Pulmonaten hat sich nach mir Prenant eingehender beschäftigt. 
Wenn er nun auch in den meisten Punkten meine Beobachtungen 
in erfreulicher Weise bestätigt hat, so ist er doch in einigen Ein- 
zelheiten zu wesentlich abweichenden Resultaten gelangt. Zunächst 
habe ich zu erwähnen, dass meine Anordnung der karyokinetischen 


128 Gustav Platner: 


Vorstadien keineswegs seinen Beifall gefunden hat, indem er eine 
grade umgekehrte Reihenfolge als die richtige ansieht. Ich muss 
ihm in dieser Beziehung Recht geben, obgleich die Erwägungen, 
welche mich hierbei leiten, ganz anderer Art sind, als diejenigen, 
welche Prenant zu seiner Ansicht veranlasst haben. Der letztere 
Autor hat nämlich durch seine Deutung, wel&he er den fraglichen 
Stadien gab, nur daran gedacht, eine Uebereinstimmung mit den 
von Carnoy erhaltenen Resultaten herzustellen, während es mir 
gelungen ist, Zwischenstadien aufzufinden, welche auf die Bedeu- 
tung des Nebenkerns ein ganz neues Licht werfen und welche 
beweisen, dass die früher von mir angeführte Aufeinanderfolge 
der Kerntheilungsprophasen eine verfehlte war. Ich habe mich 
übrigens durch Nachuntersuchung meiner alten Präparate überzeugt, 
dass hierbei kein Beobachtungsfehler von meiner Seite vorliegt. 
Es war vielmehr bei der ungenügenden Fixation und Färbung des 
Nebenkerns unmöglich, das zu erkennen, was mir meine jetzigen 
Präparate ohne Mühe zeigen. Das wesentliche Resultat, zu wel- 
chem ich gekommen bin ist das, dass der Nebenkernin keiner 
Phase der KerntheilungvölligdenBlickenentschwindet, 
sondern nur eigenthümliche Umformungen erleidet. 

Was die Veränderungen der chromatischen Substanz anlangt, 
so geben meine früheren Abbildungen (6) hiervon eine genügende 
Anschauung, so dass ich auf eine nochmalige Wiedergabe derselben 
verzichte und nur betonen möchte, dass die Reihenfolge der Figuren 
den alsbald folgenden Angaben gemäss umgeordnet werden muss. 
Aus dem Gerüstwerk des Kerns (Fig. 6 l. e.) geht ein typischer 
Knäuel hervor, der sich nach der einen Seite der Kernwandung, 
da wo der Nebenkern liegt, hin concentrirt; von hier gehn seine 
Windungen auch aus (Fig. 8 1. e.). Weiterhin beginnt die Seg- 
mentirung dieses Knäuels in der Weise, dass er sich in seine 
kleinsten Elemente, die Mikrosomen auflöst (Fig. 7 l. e.). Indem 
diese zu grösseren Elementen zusammentreten (Fig. 5 1. e.), bilden 
sich allmählich die Elemente der spätern Aequatorialplatte (Fig. 4 
l. e.), die jetzt schon deutlich die Form von Doppelstäbchen zeigen, 
unter Umständen aber auch als kugelige oder ovale Körper er- 
scheinen, wobei ich es dahingestellt sein lassen muss, ob dieses 
nicht eine Wirkung der Reagentien ist. Auch Prenant giebt von 
diesen Veränderungen eine Reihe von Stadien in seinen Abbil- 
dungen wieder. Die Anordnung der Aequatorialplatte, die Meta- 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 129 


kinese, sowie die weiter erfolgenden Veränderungen gehen in typi- 
scher Weise vor sich (Fig. 12—22 ]. e.),. Die Gründe, welche 
mich zwingen die soeben mitgetheilte Anordnung der Kerntheilungs- 
phasen aufzustellen, liegen, wie gesagt, in dem Verhalten, welches 
der Nebenkern hierbei zeigt. 


Schon auf dem. Knäuelstadium des Kerns bemerkt man zu- 


weilen einen beginnenden Zerfall des Nebenkerns in kleinere Ele- 
mente. Deutlich tritt dieses hervor auf dem Stadium des segmen- 
tirten Kerns. Anstatt eines zusammenhängenden gewundenen Ele- 
ments, wie der Nebenkern früher erschien, zeigt sich jetzt eine 
Anzahl gleichgeformter Stäbchen. Sie stimmen in ihren Dimen- 
sionen ziemlich überein, so dass nur selten eines etwas länger oder 
dicker erscheint (Fig. 1, Taf. VII). Zuweilen hängen einzelne noch 
mit dem einen Ende zusammen, wobei sie hier keinen spitzen 
Winkel, sondern einen Bogen beschreiben, auf diese Weise ihren 
Ursprung aus dem gewundenen Nebenkern noch deutlich dokumen- 
tirend. In der Tinctionsfähigkeit stimmen sie völlig mit diesem 
überein. Ihre Anzahl beläuft sich auf 8 Stück, wie mich eine 
grössere Reihe von Zählungen belehrt hat. Diese Zahl steht in 
einem merkwürdigen Verhältniss zur Gesammtzahl der äquatorialen 
chromatischen Elemente, welche bei Limax agrestis sich auf 16 in 
zahlreichen Fällen feststellen liess (Fig. 6). Die aus dem Neben- 
kern hervorgegangenen Stäbchen zeigen anfangs eine ganz regellose 
Vertheilung (Fig. 1 a, b, ec). Zuweilen bemerkt man zwischen 
ihnen zwei runde, neben einander liegende, mehr oder weniger 
scharf begrenzte runde Körperchen (Fig. 1 ec). Dieselben mögen 
wohl immer vorhanden sein, aber oft von den Stäbchen verdeckt 
werden oder aus einem anderen Grunde nicht deutlich hervortreten. 
Diese Körperchen rücken allmählich aus einander und zugleich 
beginnen die Stäbehen sich in zwei Gruppen von je 4 Stück um 
dieselben regelmässig zu ordnen (Fig. 1d). Ein weiteres Phäno- 
men, welches jetzt zu Tage tritt, besteht darin, dass die Stäbchen 
eine Längsspaltung erkennen lassen. Diesen Prozess wird man 
natürlich nur dann deutlich wahrnehmen, wenn die Theilungs- 
produkte neben einander liegen. Oft wird das eine theilweise 
oder ganz vom andern verdeckt werden und dann dem Auge des 
Beschauers als ein Element erscheinen. Jede der beiden Gruppen 
besteht jetzt aus 8 secundären Stäbchen. Auf der Kernmembran 
entlang rückend entfernen sie sich mehr und mehr von einander, 
Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 9 


130 Gustav Platner: 


wobei sich zwischen ihnen eine Brücke dunkler gefärbter Substanz 
ausspannt, welche der Kernmembran dicht anliegt und so fast wie 
eine lokale Verdickung derselben erscheint (Fig. 2). Ich hege die 
Ueberzeugung, dass diese Brücke ebenfalls dem Nebenkern ent- 
stammt, denn die Gesammtmasse der Stäbchen entspricht nicht dem 
verhältnissmässig bedeutenden Volumen des ursprünglichen Neben- 
kerns, sondern ist entschieden geringer. An denjenigen Stellen, 
wo die beiden Stäbehengruppen, nachdem sie etwa um ein Drittel 
der Kernperipherie auseinander gewichen sind, sich ansetzen, er- 
scheinen am Kern zwei zipfelförmige Ausstülpungen (Fig. 2b). 
Weiterhin schwindet die Kernmembran (Fig. 3a) und die achro- 
matische Spindel tritt deutlich zu Tage. Der Kernraum selbst 
markirt sich noch einige Zeit mit ziemlich scharfer Grenze gegen 
das umgebende Protoplasma. Weiterhin strahlen von den Polen 
welche durch die beiden Stäbchengruppen sammt Centralkörperchen 
gebildet werden, die Spindelfasern in denselben aus und setzen 
sich mit den chromatischen Elementen in Verbindung. Ein anderer 
Theil der Spindelfasern erstreckt sich direkt von Pol zu Pol 
(Fig. 3 b). Die achromatische Spindel zeigt diesem Bildungsmodus 
entsprechend zu Anfang eine gekrümmte oder geknickte Gestalt 
und trägt die chromatischen Elemente zunächst noch in unregel- 
mässiger Anordnung (Fig. 4). Die letzteren ordnen sich aber bald 
zu einer regulären Platte im Aequator an und zugleich nimmt die 
Spindel ihre definitive gestreckte Form an (Fig. 5). Diese letztere 
zeigt nun an jedem der Pole ein mehr oder weniger scharf be- 
grenztes helleres Centrum, von welchem radienartig die dunklen 
8 Stäbchen ausstrahlen. 

Ich will diese als Hauptstrablen bezeichnen, um sie von den 
Cytoplasmastrahlen, die ebenfalls von den Polen ausgehen, wie 
ich dies schon früher beschrieben habe, zu unterscheiden. Sie 
zeigen während der nachfolgenden Theilungsphasen keine weiteren 
Veränderungen. Erst am Schluss der Theilung treteu wieder wich- 
tige Erscheinungen auf. Wenn die Einschnürung der Zelle im 
Aequator bis auf die Spindelfasern vorgeschritten ist und um die 
Tochterkerne ein heller Hof sich gebildet hat, bemerkt man, wie 
die dem Nebenkern entstammenden Hauptstrahlen an den Polen 
wieder eine Umordnung in je zwei Gruppen eingehen, deren jede 
dann vier der acht Strahlen enthält. Es wird damit die letzte 
Theilung der Spermatoeyten eingeleitet, die also unmittelbar, ohne 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 131 


dass ein Ruhestadium eingeschaltet wäre, an die vorhergehende 
anschliesst. Frühere Theilungen als die geschilderten enthielten 
leider die mir zu Gebote stehenden Zwitterdrüsen nicht und die 
vorgeschrittene Jahreszeit gestattete nicht, mir neues frisches Ma- 
terial zu verschaffen. In dem erwähnten Endstadium der Karyo- 
kinese also bemerkt man an den Polen ausser den in zwei Gruppen 
gesonderten Hauptstrahlen, die zugleich eine gewisse Reduction 
ihrer Länge zeigen, dafür aber etwas breiter geworden zu sein 
scheinen, womit sich wohl die beginnende Längsspaltung einleitet, 
noch an der äussersten Spitze des Poles zwei dunkle runde, neben 
einander liegende Körperchen, die oft sehr scharf hervortreten 
(Fig. 7). Sie sind vorerst noch entfernt von dem Centrum jeder 
Strahlengruppe, zeigen aber weiterhin ein Verhalten, wie es für 
die vorhergehende Theilung bereits beschrieben ist. 

Aus dem Zerfall der unregelmässig geformten Tochterkern- 
platte gehen die chromatischen Elemente der sich alsbald bilden- 
den neuen Aequatorialplatte hervor in der Art, dass die neue in 
derselben Weise, wie bereits vorher auseinandergesetzt wurde, 
sich bildende Spindel senkrecht auf die vorhergehende sich stellt. 
Man findet also auch hier wieder das Gesetz bestätigt, dass die 
zweite Theilung senkrecht auf die erste erfolgt. Die Zellvermeh- 
rung hat hiermit ihr Ende erreicht, indem die letzten Produkte 
derselben die Spermatiden, die Samenausbildungszellen darstellen. 
Die Betrachtung derselben leitet in das Gebiet der Spermatogenese 
selbst hinüber, zu der ich mich jetzt wenden werde. 


Spermatogenese. 


Die Bildung einer Spermatide vollzieht sich in folgender 
Weise: Aus dem äquatorialen Theil der Spindelfasern entsteht 
direkt der Nebenkern (Fig. 8). Ich muss demnach meine früher 
hierüber gemachten Angaben völlig aufrecht erhalten. Um die 
ehromatischen Tochterplatten bildet sich der schon mehrfach er- 
wähnte helle Hof aus. Dieser zeigt an der dem Pol zugekehrten 
Seite einen dunklen Aufsatz, welcher den Hauptstrahlen sammt 
Centralkörper angehört. Indem sich nun an der Peripherie des 
hellen Hofes die Kernmembran bildet, erscheint der dunkle Pol- 
aufsatz zunächst noch durch einen geringen Zwischenraum von 
dieser getrennt (Fig. 9). Weiterhin liegt er der Kernmembran 


132 Gustav Platner: 


direkt an, fast als eine dunkel gefärbte lokale Verdiekung der- 
selben erscheinend (Fig. 10). Dieses Element ist nun nichts an- 
deres als der sogenannte Spitzenknopf des Samenkörpers, wie sein 
weiteres Verhalten deutlich zeigt. Ich kann daher die Beobachtungen 
Prenant’s, welcher den von mir früher übersehenen Spitzenknopf 
beschrieben hat, bestätigen und bin in der Lage sie durch An- 
gaben über die Genese dieses merkwürdigen Körpers noch weiter- 
hin zu vervollständigen. An der dem Spitzenknopf oder besser 
gesagt der Spitzenkappe, denn dieses Gebilde breitet sich auch in 
der Fläche über die Membran des Spermatidenkerns aus, gegenüber 
liegenden Seite beginnt sich das Chromatin mehr und mehr zu 
concentriren, wobei der Kern an dieser Stelle sich etwas verbreitert 
(Fig. 11). Es entsteht so eine halbmondförmige stärkere Anhäufung 
chromatischer Substanz, welche ihre Convaeität dem Centrum des 
Kerns zukehrt. In der Mitte derselben inserirt sich die Geisel, 
resp. der Axenfaden des Spermatosoms (Fig. 13), der anfangs aus 
Körnchen zusammengesetzt erscheint, was auch Prenant bemerkt 
hat. : Der Spitzenknopf erscheint auf diesem Stadium aus Körn- 
chen zusammengesetzt, deren man auf dem Querschnitt meist fünf 
zählt. Weiterhin wird die an der Basis des Kerns angesammelte 
chromatische Substanz durch den Axenfaden nach innen eingestülpt, 
so dass sie jetzt dem Centrum des Kerns eine convexe Fläche zu- 
kehrt (Fig. 13). Der ganze Kern streckt sich mehr und mehr in 
die Länge, wobei sich der Spitzenknopf, welcher jetzt wieder ho- 
mogen erscheint, mehr zuspitzt und der Uebergang in den gewun- 
denen Kopf des Spermatosoms vollzieht sich in der schon früher 
beschriebenen Weise (Fig. 14). | 

Ich schliesse hiermit meine Mittheilungen über den Nebenkern 
und seine Wandlungen, mit dem Bewusstsein freilich, dass noch 
manche Punkte einer nähern Aufklärung bedürftig sind, wie na- 
mentlich die früheren Theilungen der Zellen der Zwitterdrüse, in- 
dessen muss ich die Lösung dieser Fragen verschieben, bis der 
Sommer mir neues Material zuführt. 

Durch die gewonnenen Resultate dürfte unser Verständniss 
für die Vorgänge der Zelltheilung und der Befruchtung eine weitere 
Förderung erhalten haben. Der Nebenkern, dieses von v. la Va- 
lette St. George (7) zuerst beobachtete, vielfach bestrittene und 
noch öfter missdeutete Element, ist damit aus der Sonderstellung, 
welche er bisher einnahm, herausgetreten und muss in eine Reihe 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 133 


gestellt werden mit den von van Beneden (2) in den Furchungs- 
zellen von Ascaris megalocephala beschriebenen „spheres attraeti- 
ves‘“ mit ihren „corpuscules centraux“, mit dem Boveri’schen (4) 
„Archoplasma“ und den „Periplasten“ Vejdovs ky’s (3). Ich 
bin mit van Beneden der Ansicht, dass sich ähnliche Elemente 
wohl noch in allen Zellen nachweisen lassen werden. 

Von Wichtigkeit ist ferner die Aufklärung, . welche die er- 
haltenen Resultate über die Bedeutung des Spitzenknopfs der Sper- 
matosomen gewähren. 

Auch auf dieses bisher völlig räthselhafte Gebilde wird da- 
durch ein helles Licht geworfen. Es enthält einen Theil des Neben- 
kerns und speziell das die Zelltheilung beherrschende Element. 
In die Eier wird mit dem Spermatozoenkopf der Spitzenknopf mit 
eingeführt und reconstruirt sich hier wieder, wie ich in den be- 
fruchteten Eiern von Liparis dispar constatiren konnte. Leider 
gelang es mir an diesem für solche Untersuchungen recht ungün- 
stigen Objekt nicht, das weitere Schicksal desselben zu verfolgen. 

Eine eingehendere Würdigung der erhaltenen Resultate unter 
näherem Eingehen auf die sich immer mehr anhäufende Literatur 
muss ich mir bis zum Schluss meiner Beiträge versparen. Die 
‚nächste Abhandlung wird über die Vorgänge der Bildung der 
ersten Richtungsspindel in dem Ovarium von Aulastomum Grulo 
handeln, wo sich die Centrosomas in ausgeprägter Form finden. 


Literatur. 


1) Prenant, A., Observations cytologiques sur les &lömens seminaux 
des gasteropodes pulmonös. Avec 1 pl. in: La cellule, T. 4. Fasc. 1. p. 135— 
177. 1888. 

2) van Beneden, Edouardet Adolphe Neyt, Nouvelles Recherches 
sur la fecondation et la division mitosique chez l’ascaride megalocephale. 
Leipzig, W. Engelmann. 1887. 

3) Vejdovsky, Franz, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. 
Heft 1. Reifung, Befruchtung und erste Entwicklungsvorgänge des Rhynchel- 
miseies. Prag 1888. 

4) Boveri, Zellenstudien. Heft 2. Die Befruchtung und Theilung des 
Eies von Ascaris megalocephala. Jena 1888. 


134 Gustav Platner: 


5) Apäthy, Nachträge zur Celloidintechnik. Zeitschr. f. wiss. Mikro- 
skopie etc. Bd. V. Heft 1. p. 45. 1888. 

6) Platner, Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Beziehung 
zur Zelltheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. 

7) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper. 
II. Arch. f. mikr. Anat. Bd. III. 1867. 


II. Samenbildung und Zelltheilung bei Paludina vivipara 
und Helix pomatia. 


Ich halte es für angebracht, meinen im ersten dieser Beiträge 
gemachten Angaben über die Spermatogenese und Zelltheilung bei 
Limax agrestis hier zunächst die Mittheilung der Beobachtungen, 
welche ich über die gleichen Vorgänge bei Paludina vivipara und 
Helix pomatia angestellt habe, anzureihen, da diese wichtige Er- 
gänzungen und Beobachtungen ergeben haben. Von den Zwitter- 
drüsen der Weinbergschnecke fanden sich unter meinen Vorräthen 
glücklicher Weise noch eine beträchtliche Anzahl gut conservirter 
Exemplare, die es mir gestatteten, sofort an diesem Object eine 
Prüfung meiner bei Limax gewonnenen Resultate vorzunehmen, 
Die Hodenzellen von Paludina vivipara zeichnen sich durch be- 
sonders deutliche Centrosomas aus, und lässt sich der Uebergang 
dieser Elemente in die Spitzenknöpfe der Spermatosomen mit der 
grössten Sicherheit feststellen. 

Ich beginne mit einer Beschreibung des Zellhabitus im Allge- 
weinen. Betrachtet man eine der grossen Hodenzellen, z. B. von Palu- 
dina vivipara, so enthält dieselbe folgende Bestandtheile: 1) zunächst 
den Kern. Derselbe ist rund oder oval, trägt das Kerngerüst in 
seinem Innern, sowie meist zwei grosse Nucleolen, welche ich als 
selbständige Bildungen auffassen muss. Umgeben ist der Kern 
von seiner Membran. Dieser meist dicht anliegend gewahrt man: 
2) den Nebenkern. Derselbe stellt ein gewundenes Element dar, 
dessen Schleifen nach einem im Innern desselben gelegenen Punkte 
convergiren; ob sie hier, sei es auch nur zum Theil, frei endigen, 
lässt sich, da die einzelnen Windungen sich zu sehr verdecken, 
nicht constatiren. Bei Helix habe {ich oft freie Enden gesehen. 
Im Innern liegt: 3) das Centrosoma. Für gewöhnlich ist von die- 
sem nichts zu entdecken, aber wenn bei Beginn der Theilung die 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 135 


Schlingen des Nebenkerns sich lockern und zerfallen, oder nach 
der Theilung der Nebenkern sich wieder reconstruirt, tritt es deut- 
lich hervor. Man sieht dann, dass die Elemente des Nebenkerns 
sich nach demselben orientiren. Im Ruhezustand der Zelle wird 
das Centrosoma durch die Windungen des Nebenkerns verdeckt. 
Dieselben sind aber augenscheinlich auch jetzt nach demselben 
gerichtet. 

Ausser dem Nebenkern enthält das Protoplasma noch zu- 
weilen: 4) eigenthümliche Körper, welche oft eine Verbindungs- 
brücke zwischen den Zellen bilden. Ich habe dieselben schon 
früher (15) beschrieben. Auch Prenant (16) hat sie gesehen und 
eine Reihe von Abbildungen gegeben. Ich habe in Betreff der- 
selben nichts Neues hinzuzufügen. Der Rest des Zellleibes wird 
endlich gebildet: 5) von den Strängen des Protoplasmas, die deut- 
liche, reihenförmig angeordnete, durch Zwischensubstanz mit einan- 
der verbundene Mikrosomen zeigen. 

Alle Theile der Zelle sind auf einen Punkt orientirt, und 
diesen nimmt das Centrosoma ein. Auf dieses sind gerichtet: Die 
Hauptstränge des Kerngerüstes und die daraus hervorgehenden 
Windungen des Kernknäuels, ferner die Schleifen des Nebenkerns 
und endlich die Stränge des Protoplasmas. Ich habe schon früher 
für die Hodenzellen der Lepidopteren angegeben, dass die Proto- 
plasmastränge nach der Spitze der Zelle zu convergiren. Hier 
muss aber, nach den bei der Theilung sich abspielenden initialen 
Vorgängen zu urtheilen, das Centrosoma liegen, wenn mir dessen 
Nachweis auch früher nicht gelungen ist. Wenn diese Struktur 
des Protoplasmas bei andern Gewebszellen nicht so ausgesprochen 
ist, so mag dies wohl daran liegen, dass ihre specifische Funktion 
hier Aenderungen bedingt. Die Hodenzellen haben zunächst keine 
besondere Aufgabe, sondern sind nur in reger Theilung begriffen, 
so dass sich diese jedenfalls von der Bildung der polaren Sonnen- 
figuren herrührende Struktur unverändert erhalten kann. 

Auch die Hauptstränge des Kerngerüsts sind auf das Centro- 
soma orientirt, wie dies bei den Hodenzellen von Paludina beson- 
ders deutlich hervortritt (Fig. 1 Taf. IX). Dass dieselben über- 
haupt eine bestimmte Anordnung zeigen, hat Rabl (17) nachge- 
wiesen. Das „Polfeld“, nach welchem die Gerüstfäden gerichtet 
sind, entspricht der Stelle, wo sich das Centrosoma befindet. Eigen- 
thümlich ist nun, dass der das letztere in seinem Innern beherber- 


136 Gustav Platner: 


gende Nebenkern oft in beträchtlicher Entfernung vom Kern ge- 
troffen wird, wie ich dies schon früher angegeben habe, doch liegt 
er auch dann ziemlich genau in der verlängerten Längsachse des 
Kerns. Zu Beginn der Theilung rückt er stets wieder dicht an 
den Kern heran, um hier in Stäbchen zu zerfallen. Ich habe für 
Limax angegeben, dass sich zwei Gruppen von Stäbchen bilden, 
deren jede 4 Stück derselben enthält. Durch Längsspaltung jedes 
einzelnen Elements wird die Zahl verdoppelt, so dass mit dem zu- 
gehörigen Centrosoma an jeden Pol 8 Stäbchen sich begeben. 
Diesen entsprechen 16 „Chromosomen“ (Waldeyer, 21), die sich 
im Innern des Kerns aus dem Knäuel bilden. Ganz dieselben 
Verhältnisse ergaben sich nun auch bei Helix pomatia. Der Neben- 
kern zerfällt hier in zwei Gruppen von je 6 Stäbchen, welche um 
das zugehörige Centrosoma orientirt sind. Durch Längsspaltung 
werden hieraus 12 Elemente in jeder Gruppe. Nun habe ich aber 
schon früher (14) festgestellt, dass sich bei Helix 24 Chromosomen 
in der Aequatorialplatte finden, so dass auch hier die Zahl der 
Polhauptstrahlen als halb so gross sich herausgestellt hat, wie die 
der Chromosomen. Es liegt also hier ein fest stehendes Verhält- 
niss vor, ein gesetzlicher Zusammenhang. 

Da sich nun der Nebenkern nach Ablauf der Theilung aus 
den Elementen des jedem Tochterkerne zugehörigen Spindelpoles 
wieder ausbildet, so wird auch die Bildung des neuen Kernes 
unter seinem Einfluss geschehn, das heisst, er wird auf die Struk- 
tur des Kerngerüstes eine Einwirkung äussern. Wie ich schon 
früher beschrieben habe, sind die Windungen des Tochtesknäuels 
nach dem Nebenkern gerichtet und zwar speciell nach dem Centro- 
soma, welches in diesem Stadium noch deutlich kenntlich ist (Fig. 6). 
“Die Wirkung des Nebenkerns auf den sich neu bildenden Kern 
wird nun darin bestehen, dass eine bestimmte Anzahl von Gerüst- 
fäden entsteht, aus denen dann bei wieder eintretender Theilung 
ein Knäuel von bestimmter Windungszahl und aus diesem eine 
entsprechende Menge von Chromosomen hervorgeht. Auf diese 
Weise wird der merkwürdige Zusammenhang klar, in welchem 
die Chromosomen und die Hauptstrahlen der Pole ihrer Zahl nach 
stehen. Was das Schicksal der Spindelfasern anlangt, so glaube 
ich, dass hierbei eine Durchwanderung derselben nach dem Pol 
und ein Uebergang ihrer Substanz in die des Nebenkernes statt- 
findet. Das Hervorgehen des Nebenkerns direkt aus den Spindel- 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 137 


fasern bei der letzten Theilung, sowie die Bildung der Spindel- 
fasern auf seine Kosten spricht zu deutlich für einen direkten ge- 
netischen Zusammenhang beider Gebilde, als dass man sich eine 
andere Vorstellung von dem Ablauf der in den Anaphasen auftre- 
tenden Erscheinungen machen könnte. Ich möchte freilich diese 
Auffassung, die übrigens keine neue ist, nur für die vorliegenden 
Objekte geltend machen. Wo sich der Nebenkern nicht in so ex- 
quisiter Weise wie hier findet, wie z. B. bei den Lepidopteren, 
da wird wohl die in das Protoplasma übergegangene Substanz der 
Spindelfasern wieder in die Bildung der neuen Spindel bei der 
nächsten Theilung mit eintreten, also nicht bloss zu einer Berei- 
cherung des Protoplasma dienen, wie Carnoy (6) will, dessen An- 
gaben über die Bildung der achromatischen Spindel übrigens im 
Verhältniss zu den zahlreichen von ihm untersuchten Objekten 
nur geringfügige sind. Aus den Resultaten der seitherigen Zell- 
forschung lässt sich schliessen, dass die Differenzirung der die 
achromatische Spindel und einen Theil der Polstrahlungen bilden- 
den Substanz gegenüber dem eigentlichen Protoplasma nicht bei 
allen Zellen in gleich strenger Weise durchgeführt ist, wie bei den 
mir vorliegenden, in dieser Beziehung gradezu klassisch zu nennen- 
den Objekten. Am nächsten dürften denselben noch die Furchungs- 
zellen der Eier gewisser Ascariden und Lumbrieiden kommen. 
Die an diesen Objekten von van Beneden (1), Boveri (4) und 
Vejdovsky (20) beobachteten Phänomene der Spindelbildung 
haben daher auch bisher am meisten zur Aufklärung über diese 
schwierige Frage beigetragen. Vergleicht man die Resultate dieser 
eben genannten Forscher mit den von mir erhaltenen, so wird man 
erkennen, wie der Grundplan in der Bildung der achromatischen 
Spindel überall derselbe ist, nur in der Art der Ausführung zeigt 
sich die Neigung der Natur zu variiren in hervorragender Weise. 

Für die Spindelpole in den samenbildenden Zellen von Helix 
hat sich mir noch ein charakteristischer Unterschied gegenüber 
den gleichen Elementen von Limax darin gezeigt, dass hier, ab- 
gesehen von ihrer grösseren Zahl, die Stäbchen eine viel geringere 
Ausdehnung in der Länge besitzen, so dass sie wenig in die Augen 
fallen, worin zum Theil der Grund zu suchen ist, dass sie mir 
früher entgangen sind. Betrachtet man an einem geeigneten Schnitte 
die Spindel von der Polseite, so erkennt man in der Mitte das 
gut entwickelte Centrosoma (Fig. 5), um dasselbe herum befindet 


138 Gustav Platner: 


sieh ein hellerer Hof und an dessen Peripherie schliessen sich 
einmal die Hauptstrahlen, die dem Nebenkern entstammen, an und 
sodann die aus dem Protoplasma gebildeten secundären Strahlungen. 

Die erstern bestehn aus sechs radienförmig, mit grosser Regel- 
mässigkeit gelagerten kurzen Doppelstäbchen, also in Summa 12 
Elementen. Die geringe Grösse derselben ist mir ein neuer Be- 
weis dafür, dass der grössere Theil des Nebenkerns in die Bil- 
dung der eigentlichen Spindelfasern übergegangen ist. Die Haupt- 
strahlen entsprechen den Strahlen, welche van Beneden als an 
der Oberfläche seiner ‚„cönes antipodes“ gelegen beschreibt. 

Er sagt hierüber: „Toutes les fibrilles des asters ne sont pas 
egalement Epaisses; de m&me facon qu’il existe deux cönes diffe- 
renceies diriges vers l’&quateur qui forment ensemble le fuseau 
achromatique, et que nous appelons cönes princeipaux, chaque cöne 
prineipal repondant a un demi fuseau, de m@me il existe des cönes 
antipodes dont les centres repondent aux corpuscules centraux, 
tandisque leurs bases sont dirigees vers les pöles de la cellule en 
voie de division. Les fibrilles qui eonstituent autant de gen6ratri- 
ces de ces surfaces coniques sont plus epaisses que celles qui 
sont plus voisines de l’axle de la figure, et aussi que celles qui 
sont situees plus en dehors“ (l. ec. p. 53). Diese Strahlen bringen 
nach van Beneden da, wo sie an der Oberfläche der Zelle in- 
seriren, eine leichte ringförmige Furche hervor. Nach van Bene- 
den sollen Contraetionen dieser an der Zelloberfläche befestigten 
Strahlen die Theilung bewirken. Ich muss dem gegenüberstellen, 
dass bei meinen Objekten die Hauptstrahlen gar nicht bis an die 
Zelloberfläche reichen, zumal bei Helix, dass sie ferner nicht wie 
eine Fortsetzung der Spindelfasern in derselben Richtung erschienen, 
sondern im gleichen Sinne nur unter einem stumpferen Winkel 
nach den Polen convergirten, wenigstens in dem Stadium, wo die 
Metakinese beginnt. Es scheinen mir ferner jene zuweilen vor- 
kommenden Sförmigen Spindeln, wie sie Carnoy beschreibt, wie 
ich sie selbst gefunden und wie sie neuerdings wieder Vejdovsky 
abbildet, absolut unvereinbar mit einer solchen Annahme, die übri- 
gens auch von Boveri (4) getheilt wird. 

Um nun auf unser Objekt wieder zurückzukommen, so ver- 
läuft der Prozess der Spindelbildung bei Helix ebenso wie bei 
Limax, wie es ja auch bei so nahe verwandten Thieren nicht 
anders zu erwarten ist. Dass der Nebenkern sich an der Polseite 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 139 


der Tochterkerne wieder entwickelt, habe ich früher schon be- 
schrieben, nur konnte ich damals die ersten Stadien nicht erkennen. 
Man sieht zu Anfang noch deutlich das Centrosoma zwischen den 
dunklen, sich wieder zu einem zusammenhängenden Gebilde ver- 
einigenden Hauptstrahlen hervortreten (Fig. 6). Später wird es 
von den Windungen des Nebenkerns völlig verdeckt. 

Was den Theilungsmodus anbetrifft, welcher bei der letzten 
Theilung der Spermatocyten innegehalten wird, so zeigt derselbe 
folgende wesentliche Differenzen gegenüber den früheren Zellgene- 
rationen. Die ehromatische Substanz geht nicht die gewöhnlichen 
Anaphasen ein, sondern zerfällt direkt wieder in Chromosomen, 
das Polkörperchen theilt sich und die Hauptstrahlen gruppiren sich 
in zwei Gruppen um jedes der Theilungsprodukte. Damit beginnt 
die Bildung der neuen Spindel in schon beschriebener Weise, in 
deren Aequator die Chromosomen aufgenommen werden. Die 
Zahlder letzteren zeigt sich nur auf die Hälfte 
reducirt. 

Das wird durch Folgendes bewiesen. Zählt man (Limax) die 
Elemente der Aequatorialplatte bei der letzten Theilung am Quer- 
schnitt, so bemerkt man 16 kreisförmige Durchschnitte, von denen 
immer zwei ganz nahe beisammen liegen. Vergleicht man den 
Durchmesser eines solchen quergetroffenen Elements mit dem eines 
Tochterstäbehens, wie sie sich von der Seite in spätern Theilungs- 
phasen präsentiren, so stimmen beide völlig überein. Bei den 
frühern Theilungen zeigten meine gut gehärteten Präparate stets 
die 16 Chromosomen auf dem Durchschnitte als Doppelkügelchen, 
bei der letzten Theilung fand ich immer nur 16 einfache völlig 
kreisförmige Durchschnitte, immer zu je zweien nahe beisammen 
liegend, also 8 Doppelkügelchen bildend. Die je zu einem Paar 
vereinigten Elemente lagen allerdings nicht so fest bei einander 
wie früher. Ich muss demnach die Behauptung aufstellen, dass 
diese Elemente bereits die segmentirten Chromosomen sind, deren 
also nur 8 vorhanden wären. Diese entsprechen in ihren Dimen- | 
sionen völlig denen der vorhergehenden Theilung. 

Das Resultat dieser Erwägungen lässt sich nun also formuliren. 
Beider letzten Theilung der Spermatocyten findet 
eine Reduktion der Chromosomen aufdie Hälfte 
ihrer Zahl statt. Diese wird dadurch bewirkt, dass das 
Ruhestadium nach der vorhergehenden Theilung übersprungen 


140 - Gustav Platner: 


wird. Ich habe dieses übereinstimmend bei allen seither von mir 
untersuchten Objekten gefunden und zwar zuerst bei den Lepidop- 
teren. Genau der gleiche Prozess findet sich aber auch bei der 
Theilung der zweiten Richtungsspindel, wo besonders Boveri (3) 
diese Verhältnisse klar gestellt hat. Man muss demnach die letzte 
Theilung der Spermatocyten der Theilung der zweiten Richtungs- 
spindel in ihren Folgen und ihrer Bedeutung völlig gleichsetzen, 
zunächst wird damit eine weitere Theilung einstweilen inhibirt. 
Ich verlasse damit das Gebiet der Zelltheilung, wohl wissend, dass 
noch viel nachzutragen und genauer festzustellen ist, wozu sich im 
weitern Verlauf meiner Beiträge noch Gelegenheit finden wird, 
und wende mich zur Spermatogenese. 


Samenbildung. 


Die Spermatogenese der Paludina vivipara ist zuletzt von M. 
v. Brunn (5) eingehender untersucht worden. Da dieser Autor eine 
sorgfältige und ausführliche Zusammenstellung der über diesen 
Gegenstand erschienenen Literatur gegeben hat, so brauche ich 
mich mit der Erörterung des historischen Theils nicht länger auf- 
zuhalten und muss in dieser Beziehung auf den genannten Forscher 
verweisen. 

Die Darstellung M. v. Brunn’s ist im Allgemeinen eine 
richtige und stimmt zu dem was ich gefunden habe. Nur über 
verschiedene Details ist derselbe sich nicht klar geworden, woran 
zum grössten Theil die Hülfsmittel die Schuld tragen, womit er 
gearbeitet hat. Ein Element hätte er freilich nicht übersehen 
dürfen, das ist der Nebenkern. Dieser ist schon von v. la Valette 
St. George (18) bei nahe stehenden Mollusken gefunden und 
ebenso später von Nussbaum (11). Indessen steht er diesem 
Element gegenüber nicht allein auf dem negativen Standpunkt. 
Gilson (7) ist, obgleich er das ganze Arthropodenreich durchforscht 
hat, nicht darüber hinausgekommen, in dem Nebenkern etwas mehr 
als eine „Vacuole“ (!!) zu erblicken. Die ganz positiven und viel- 
fältigen Angaben unseres besten Kenners der Spermatogenese 
v. la Valette St. George’s hätten ihn doch mit etwas Miss- 
trauen gegen seine Methodik erfüllen sollen. Mit M. v. Brunn’s 
Angaben hat es num’aber’eine andere Bewandtniss. Derselbe leug- 
net zwar den Nebenkern ab, in seinen Abbildungen aber hat er 
ihn mit allen seinen Veränderungen ziemlich getreu wiedergegeben 


# 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. _141 


und dieselben auch beschrieben. Der Nebenkern in den Hodenzellen 
von Paludina ist eine höchst interessante Erscheinung. Es finden 
sich nämlich hier die beiden Modifikationen, in welchen er sich 
an der Spermatogenese betheiligt, neben einander in den beiden 
verschiedenen Samenkörpern, welche diesen Prosobranchier aus- 
zeichnen. Bei der Bildung der kleinen Samenkörper betheiligt 
sich der Nebenkern an der Bildung des Schwanzes in gleicher 
Weise, wie es durch v. la Valette St. George für die Arthro- 
poden festgestellt ist. Bei der Entstehung der grössern Samen- 
elemente sieht man ihn sich so verhalten, wie es durch Nussbaum 
(11) und später von mir für die Pulmonaten beschrieben ist. 

Ich beginne mit der Beschreibung der Spermatogenese bei 
den kleinen Spermatosomen. Die Endstadien der letzten Theilung 
der Spermatocyten lassen an den Polen ein wohlausgebildetes 
grosses Uentrosoma erkennen. Umgeben wird dasselbe von einigen 
dunklen kleinen Stäbchen, den Hauptstrahlen (Fig. 8). Nach der 
Durehsehnürung im Aequator bildet sich aus der Tochterkernplatte 
der Kern der Spermatide, aus den Spindelfasern der Nebenkern. 
Um Missverständnissen vorzubeugen, muss ich hier nochmals be- 
tonen, wie ich dies schon früher gethan, dass ein direktes Hervor- 
gehen des Nebenkerns aus den Spindelfasern nur dann sich kon- 
statiren lässt, wenn die Durchschnürung im Aequator sich verzö- 
gert. Die Spindelfasern bleiben dann im Zusammenhang und 
werden verhindert auseinander zu fahren, wie es bei zeitiger Tren- 
nung geschieht. In dem letztern Fall sind sie dann natürlich im 
Protoplasma schwer zu finden und von ihm kaum zu unterscheiden. 
Bleiben sie also noch längere Zeit im Zusammenhang, so lässt sich 
auch ihre Umwandlung zum Nebenkern, mit dem weitern Fortschritt 
der Ausbildung der Spermatide Schritt haltend, gut verfolgen. Solche 
Fälle sind aber, wie leicht begreiflich, nicht häufig, sondern müssen 
gesucht werden. Wenn Prenant sie nicht gefunden hat, so muss 
ich das sehr bedauern, kann mich aber durch seinen Widerspruch 
nicht in meinen auf positiven Befunden beruhenden Auffassungen 
beirren lassen. Im Prineip stimmen wir ja doch überein, da er 
im Anschluss an v. la Valette St. George (9) einen indirekten 
Zusammenhang zwischen Spindelfasern und Nebenkern zugiebt. 
Der Nebenkern liegt dem Kern von Anfang an dicht an, was da- 
durch bedingt wird, dass das Protoplasma nur sehr schwach ent- 
wickelt ist, so dass wenig Raum für ihn bleibt. Derselbe zeigt 


142 Gustav Platner: 


sich aus vier kurzen dicht aneinander liegenden parallelen Stäb- 
chen zusammengesetzt, welche senkrecht auf die Kernoberfläche 
gerichtet sind, oder gegen einen auf ihr gelegenen Punkt hin kon- 
vergiren. Deutlich erkennt man ihre Zahl, sobald man die Zelle 
von unten zu Gesicht bekommt (Fig. 9e). M. v. Brunn hat diese 
Elemente deutlich gesehen und auch ihre weiteren Veränderungen 
verfolgt, er sagt hierüber: „Im nächsten Stadium besitzt die Zelle 
schon einen ausserordentlich zarten Faden, zugleich zeigen sich an 
der Austrittsstelle desselben einige stark glänzende Körnchen. Sie 
bilden die vier Ecken eines winzigen Quadrats, aus dessen Mitte 
der Faden hervortritt.“ Der Faden tritt in der That in der Mitte 
der vier kurzen Stäbehen des Nebenkerns hervor. Er wird zum 
Axenfaden und von den sich verlängernden Stäbchen, sowie mit 
dem sich streckenden Protoplasma umhüllt. Ausser diesen den 
Nebenkern konstituirenden Gebilden bemerkt man noch dem Kern, 
dessen Chromatin sich mehr und mehr peripher gelagert hat, dicht 
anliegend das Centrosoma, anfangs noch umgeben von einer dunklen, 
den Hauptstrahlen entstammenden Substanz, die sich der Kernmem- 
bran anlagert (Fig. 9). Das Centrosoma liegt meist seitlich vom 
Kern, also nicht dem Nebenkern diametral gegenüber, sondern um 
ein Viertel oder ein Drittel der Kernperipherie von ihm getrennt. 
Erstere Lage nimmt es erst später an. In den meisten Fällen 
wird man es innerhalb der kreisförmigen Begrenzungskontour des 
Kerns gewahren. Es liegt ihm aber nur an, nicht in demselben, 
wie geeignete Bilder zeigen. Es tritt aber im ersten Fall auf dem 
hellen Kerninnenraum sehr deutlich als grosses glänzendes, auch 
mit Hämotoxylin sich nicht färbendes kugeliges Element hervor, so 
dass es gar nicht zu übersehen ist. Während nun die Stäbchen 
des Nebenkerns sich in die Länge ziehen, rückt das Centrosoma 
an die Spitze des Kerns, dem letzteren gegenüber das vordere 
Ende des Spermatozoenkopfes bildend. Der Kern wird mehr und 
mehr homogen und streckt sich, wobei er auch seine bohrerför- 
mige Gestalt annimmt. Nebenkern und Protoplasma vollenden die 
Umhüllung des Axenfadens. Die Details der letzteren Vorgänge 
hat M. v. Brunn genau geschildert. Ich lasse mich daher hier 
nicht weiter darauf ein, zumal da sie für die hier interessirenden 
Verhältnisse nicht von Wichtigkeit sind. 

Der Kopf des ausgebildeten Spermatosoms zeigt etwas über fünf 
Windungen. Färbt man mit Alauncarmin und sodann mit Bleu 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 143 


de Lyon, so zeigt die erste Windung einen schwach blauen Ton. 


"Sie entspricht dem Centrosoma, dem sie ihren Ursprung verdankt. 


Die vier folgenden sind intensiv roth gefärbt und grenzen sich 
gegen die erste dadurch in charakteristischer Weise ab. Man muss 
demnach an dem Kopfe einen Spitzentheil (Centrosoma) und einen 
Kerntheil unterscheiden. Letzterer trägt wohl noch eine Umhüllung, 
die aus der Substanz der Hauptstrahlen stammt. Diese lässt sich 
aber am entwickelten Spermatosom als,solche nicht darstellen durch 
Reagentien. Die Darstellung ergiebt also ein völlig übereinstim- 
mendes Verhalten des Nebenkerns hier und bei den Arthropoden, 
wo v. la Valette St. George (9) sein Schicksal genauer verfolgt 
hat. Nur sind hier an Stelle von zwei Elementen, in welche sich 
der Nebenkern z. B. bei Blatta theilt, deren vier vorhanden. 

Ich komme jetzt zur Bildung der grossen Spermatosomen. 
Meine Untersuchungen über die Entstehung der Spermatiden, aus 
welchen diese hervorgehen, sind noch nicht abgeschlossen. Ich 
beginne daher mit einem spätern Stadium. Die Spermatide zeigt 
ein ausserordentlich entwickeltes Protoplasma. In diesem findet 
sich ein verhältnissmässig kleiner Kern, dessen Chromatin peripher 
gelegen ist und zwar besonders an dem vordern Ende sich weiter- 
hin anhäuft, wobei sich der ganze Kern mehr und mehr in die 
Länge streckt, so dass er stäbehenförmig wird. Ausserdem enthält 
die Zelle noch einen dunklen, rosettenförmig gestalteten Körper, 
den Nebenkern, sowie endlich das Centrosoma, das dem Kern dicht 
anliegt und bei seiner Streckung sich an die Spitze begiebt, wäh- 
rend am entgegengesetzten Pol des Kerns der Axenfaden sich an- 
setzt. Meist gewahrt man im Protoplasma noch eine Anzahl un- 
regelmässiger Granulationen. Der stäbchenförmige Kern rückt nun 
mehr und mehr gegen die Spitze der Zelle, die er schliesslich nach 
aussen vorstülpt. Das Protoplasma zieht sich dabei an dem Axen- 
faden immer weiter herunter, ihn so mit einer Hülle umkleidend. 
In diesem Protoplasmarest gewahrt man noch lange den rosetten- 
förmigen Nebenkern, bis er sich schliesslich allmählich auflöst. 
M. v. Brunn giebt hiervon ganz richtige Abbildungen, so ist na- 
mentlich in seiner Fig. 11 der rosettenförmige Nebenkern ganz 
charakteristisch wiedergegeben. Das Verhalten desselben stimmt 
also überein mit den von Nussbaum und mir bei den Pulmonaten 
gemachten Beobachtungen. Das ausgebildete Spermatosom zeigt 
nach Färbung mit Alauncarmin und Bleu de Lyon folgende Ab- 


144 Gustav Platner: 


theilungen. Das vorderste Ende des Kopfes ist schwach blau ge- 
färbt und setzt sich dadurch deutlich gegen den daran sich an- 
schliessenden, stäbehenförmigen, roth tingirten Theil ab. Es ent- 
spricht dem Centrosoma, der darauf folgende Theil des Kopfes 
hingegen dem Kern. Letzterer geht durch eine schmale blasse 
Uebergangsstelle, die man als Hals bezeichnen könnte, über in den 
langen Schwanz, der in das bekannte Wimperbüschel ausläuft. Im 
Innern des Schwanzes erkennt man schon an frischen Spermatozoen 
deutlich den Axenfaden. Die Abweichungen, welche die vorstehende 
Schilderung von der M. v. Brunns zeigt, sind, wie man sieht, 
nur geringe; sie bestehen in der Hauptsache nur in der etwas ab- 
weichenden Deutung einzelner Elemente und sodann in der ge- 
nauern Verfolgung des Centrosomas. Ich habe mich dementspre- 
chend, nachdem ich mich von der Richtigkeit der Beobachtungen 
dieses Autors überzeugt hatte, auf das Nothwendigste in meiner 
Darstellung beschränkt. Damit will ich meine zweite Mittheilung 
abschliessen und die Hauptergebnisse der Untersuchungen noch- 
mals in gedrängter Form recapituliren. 


Resultate. 


1) Sämmtliche Bestandtheile der samenbildenden Zellen sind 
nach dem Centrosoma orientirt, welches im Nebenkern enthalten ist. 

2) Bei der Zelltheilung geht aus dem Nebenkern einmal die 
achromatische Spindel und sodann die Centrosomas sammt den 
Hauptstrahlen der polaren Strahlenfiguren hervor. 

3) Die Hauptstrablen der Polaster stehen in einem bestimmten 


numerischen Verhältniss zu den Chromosomen, indem die Anzahl 


der letzteren doppelt so gross ist als die der ersteren. 

4) Nach der Theilung bildet sich aus den Polelementen, d.h. 
dem Centrosoma und den Hauptstrahlen der Nebenkern, in den 
wahrscheinlich auch die Substanz der Spindelfasern wieder übergeht. 

5) Aus dem Centrosoma wird das Spitzenstück des Sperma- 
tozoenkopfes. 

6) Der aus den Spindelfasern nach der letzten Theilung der 
Spermatoeyten hervorgehende Nebenkern betheiligt sich direkt oder 
indirekt an der Bildung der Hülle des Axenfadens. 

7) Die letzte Theilung der Spermatocyten ist eine Reduktions- 
theilung, indem sie ohne eingeschaltetes Ruhestadium sich direkt 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 145 


an die vorhergehende anschliesst. Sie entspricht der Theilung der 
zweiten Richtungsspindel. Die Zahl der chromatischen Elemente 
sinkt dabei auf die Hälfte herab. 


111. Die direkte Kerntheilung in den Malpighi’schen 6efässen 
der Insekten. 


Ich habe lange Zeit zu denen gehört, welche an eine direkte 
Kerntheilung nicht recht glauben wollen. Nicht als ob ich an den 
Mittheilungen, welche hierüber von bewährten Forschern vorliegen, 
gezweifelt hätte, ich legte mir nur immer die Frage vor: sind nicht 
ihrem Blick für das Verständniss wichtige Details entgangen, zumal bei 
der meist wenig für solche Studien günstigen Wahl ihrer Objekte ; 
ist ferner die Deutung der gemachten Beobachtungen immer die 
richtige gewesen? Um so angenehmer war es mir, als mir ein 
Objekt in die Hände fiel, wie es günstiger für die Lösung dieser 
Fragen nicht gedacht werden kann. Es sind dies die Malpighi- 
schen Gefässe der Insekten. Die Zellen dieser Organe werden 
an Grösse nur noch von den Eiern übertroffen. Der Kern über- 
trifft den der Salamanderzellen oft um das Dreifache und mehr an 
Durchmesser, und dabei findet sich trotz, regster Zellvermehrung, 
wie es der Verbrauch bei der Funktion erheischt, keine Mitose. 

Ein in unsern Tümpeln häufiger Käfer Dytiscus marginalis 
lieferte mir das nöthige Material. Dieses Insekt hat im Herbst 
seine Metamorphose meist vollendet und überwintert dann, um sich 
im Frühjahr fortzupflanzen. Einige Thiere bringen wohl auch den 
Winter in Larvenform zu. In meinen Aquarien hielten sich die- 
selben recht gut, ja begatteten sich sogar. Unter den darin be- 
findlichen Wasserschnecken richteten sie grosse Verheerungen an. 
An Nahrung gebrach es demnach den übrigens mit allem vorlieb 
nehmenden Insekten nieht. Es konnte somit eine regelmässige 
Funktion der Drüsen angenommen werden. Der Durchmesser des 
schlauchförmigen Organs fasst meist nur zwei der grössern Zellen. 
Somit konnten «lie Präparate ohne weitere Zerkleineruug unter 
das Mikroskop gebracht werden. Zur Härtung verwendete ich die 
Kleinenberg’sche Pierin-Schwefelsäure, weil durch diese die 
den ganzen Zellleib durchsetzenden dunkelbraunen Körnchen am 

Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 10 


; F 


146 Gustav Platner: 


sichersten entfärbt werden. Es wird durch diese sonst ein sicherer 
„Einblick in das Innere der Zelle verhindert. Die anfänglich tief 
dunkle Färbung des Organs geht in dem Reagens bald in eine 
helle über. Boraxkarmin und Nachbehandlung mit saurem Alkohol 
giebt eine schöne Färbung. 

Die Zellen sitzen mit breiter Basis der Wand der schlauch- 
förmigen Drüse auf. Umgrenzt wird jede von einem ziemlich 
breiten hyalinen Saum, der als Membran zu deuten ist. Zwischen 
den einzelnen Zellen bleibt ein schmaler Zwischenraum zum Ab- 
fluss des Sekrets; nur an einigen Stellen, wo auch der hyaline 
Saum eine Unterbrechung zeigt und direkt von einer Zelle zur 
andern übergeht, stehen sie durch Verbindungsbrücken mit einan- 
der im Zusammenhang. Das braune Pigment ist hauptsächlich um 
den Kern und zwar an einzelnen Stellen mehr als anderswo an- 
gehäuft. Im Kern erkennt man schon am frischen Präparat eine 
körnige Beschaffenheit des Inhalts. Die Zellen sind im funktio- 
nirenden Organ von ganz verschiedener Grösse, scheinen aber im 
Hungerzustand alle auf dieselben, wie erwähnt riesigen Dimen- 
sionen heranzuwachsen. 

Die in Funktion befindliche Drüse zeigt nun folgendes Bild. 
Die Zellen sind in den verschiedensten Grössen anzutreffen, wobei 
die kleinsten aber immer noch etwa die Grösse einer Salamander- 
zelle besitzen. Die grossen Zellen enthalten nun einen grossen 
Kern oder zwei kleinere oder 3, 4, 5, wobei die Dimensionen im 
umgekehrten Verhältniss zur Zahl stehen. Die Kerne selbst trifft 
man in allen Stadien der direkten Theilung. Dieselben sind um- 
geben von einer kaum bemerkbaren feinen Membran. Ihr Inhalt 
zeigt zunächst gleichmässig aber ohne Regel vertheilte Körnchen 
von meist gleichen Dimensionen, einzelne grössere finden sich aber 
meist dazwischen. Sodann erkennt man aber noch ein oder mehrere 
Elemente, die sich vor den übrigen durch ihre beträchtliche Grösse 
auszeichnen und an gefärbten Präparaten mit dunklelrother Farbe 
hervorleuchten. Ich bezeichne dieselben als Nucleolen, wobei ich sie 
aber nicht mit den gewöhnlich so genannten Gebilden identifiziren 
möchte. Ihr Verhalten weist eher darauf hin, dass man es hier 
mit Elementen besonderer Art zu thun hat. Ein soleher Nucleolus 
zeigt eine runde oder ovale Form, die jedoch von keiner glatten 
Contour begrenzt ist, sondern unregelmässige Höcker und Vor- 
sprünge zeigt, ebensolche präsentiren sich auf der dem Beschauer 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 147 


zugewandten Fläche als dunklere und hellere Stellen. Meist, aber 
nicht immer liegt um jeden Nucleolus ein hellerer Hof, welcher 
aussen von einer Anzahl grösserer unregelmässiger Chromatinbrocken 
eingefasst wird. Die Vermehrung der Nucleolen geht nun stets 
der Kerntheilung voran, wobei letztere aber nicht unmittelbar da- 
rauf zu folgen braucht. Der Kern enthält dann mehrere dieser 
Elemente. Ich zählte häufig deren vier Stück. Die Theilung ver- 
läuft nun nicht als eine einfache Verlängerung und Durchschnürung, 
sondern ist etwas verwickelterer Art. Der anfangs mehr runde 
Nucleolus zeigt eine Abplattung zur Scheibe, welche der umgebende 
Hof mitmacht. Zugleich tritt in der Richtung seiner kürzern Durch- 
messer eine Streiftung an demselben auf, als wenn er aus einer 
Anzahl nebeneinander liegender schmaler Elemente zusammengesetzt 
wäre (Fig. 12). Hierauf folgt wieder eine Zunahme der Höhe der 
Scheibe. Weiterhin tritt eine Spaltung in der Richtung des läng- 
sten Durchmessers auf, wobei man alle Stadien von dem Auftreten 
eines schmalen Zwischenraumes bis zur Bildung einer breiten hellen 
Trennungsschicht verfolgen kann. Die auf diese Weise entstehen- 
den beiden Tochterplatten zeigen an den einander zugewandten 
Seiten spitze Hervorragungen, an den abgekehrten Flächen da- 
gegen mehr abgerundete Erhabenheiten. Beide besitzen wieder 
eine längsstreifige Struktur, als seien sie aus parallelen Stäbchen 
zusammengefügt (Fig. 13). Oft bemerkt man auch eine mehrfache 
Unterbrechung in der Continuität als deutlichen Beweis, dass sie 
eine zusammengesetztere Struktur besitzen (Fig. 14). Die bei ihrer 
Bildung stattfindenden, wahrscheinlich complieirteren Vorgänge 
haben sich bis jetzt noch meiner Beobachtung entzogen. Den 
auseinander weichenden Tochterplatten passt sich der helle, um- 
gebende Hof an, der also in der Richtung dieser Bewegung sich 
verlängert. Indem er weiterhin um jede derselben sich zu einem 
zusammenhängenden Ringe schliesst, vollendet er die Theilung des 
Nucleolus. 

Die Kerntheilung braucht hierauf nun nicht zu folgen, wie 
erwähnt. Geschieht dies aber, so verläuft sie in der Form einer 
einfachen Durchschnürung (Fig. 17, 18). Sind vier Nucleolen im 
Kern vorhanden, so erhält ein jedes Theilungsprodukt desselben 
deren zwei (Fig. 18). 

Auf diese Weise können die in einer Zelle vorhandenen Kerne 
bis auf sechs, mehr habe ich nicht gezählt, vermehrt werden. Die 


148 Gustav Platner: 


Zelltbeilung selbst, welche sich früher oder später daran anschliesst, 
kommt dadurch zu Stande, dass sich um jeden Kern Zellterritorien 
abgrenzen, in dem die erwähnten hyalinen Säume auftreten. 

Fragt man nach der Bedeutung der erwähnten Erscheinungen, 
so habe ich mir folgende Vorstellung gemacht. Im Kern sind 
chromatische Substanzen verschiedener Dignität vorhanden. Näm- 
lich eine von höherer differenter und eine solche von geringerer 
gleicher Qualität. Erstere wird wahrscheinlich durch den erwähn- 
ten Mechanismus möglichst gleichmässig halbirt, während letztere 
nur grob getheilt wird, indem die Differenzen durch nachträgliches 
Wachsthum ja leicht wieder ausgeglichen werden können. 

Es scheinen mir hierauf hinzuweisen zunächst die Beobach- 
tungen von O. Schultze (19), welcher fand, dass bei der Bildung 
der Richtungsspindel im Amphibieneie ein Theil der chromatischen 


Substanz nicht zur Verwendung kommt, sondern aufgelöst wird. 


Ausserdem berichtet Boveri (2) über einen völlig entsprechenden 
Fall. Von den vier ersten Furchungskernen bei Ascaris megalo- 
cephala theilt sich nur einer in der frühern Art und Weise fort. 
Bei den andern bemerkt man, wie die Enden der chromatischen 
Schleifen in Brocken zerfallen, die im Zellleib sich auflösen, wäh- 
rend die mittleren Theile der Schleifen in feine Körnchen sich auf- 
lösen, die in die Bildung der Aequatorialplatte der nächsten Spin- 
del eingehen. Ich finde in diesen Thatsachen eine starke Stütze 
für die erwähnte Auffassung. 

Was die Literatur über die direkte Theilung anlangt, so liegen 
eine hinreichende Anzahl positiver Beobachtungen vor, die einen 
berechtigten Zweifel nicht mehr gestatten. Manche Fälle haben 
sich freilich später als Mitosen erwiesen. Ich möchte nur auf die 
Resultate hinweisen, welche F. E. Schulze bei Infusorien einst 
in dieser Art erlangt hat. Auch hier wird ein beller Hof um den 
Nucleolus erwähnt, eine Beobachtung, welche Waldeyer bestätigt. 
Der letztere Autor hat sich mit seiner lichtvollen und übersicht- 
lichen Darstellung der Zelltheilungserscheinungen übrigens alle 
Forscher, welche auf diesem Gebiete arbeiten, zu hohem Danke 
verpflichtet. Ich möchte noch das von v. la Valette St. George 
und Nussbaum erwähnte Vorkommen der maulbeerförmigen Kern- 
theilung der Hodenzellen erwähnen und kann ausserdem wohl für 
einstweilen auf die eitirte Abhandlung von Waldeyer (21) hin- 
sichtlich der weiter vorliegenden Angaben verweisen. 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 149 


Der an meinem Objekt mit der grössten Sicherheit zu führende 
Nachweis einer direkten Kerntheilung in einem drüsigen Organ ist 
nun von der grössten Bedeutung für die Beurtheilung der Sekre- 
tionsvorgänge überhaupt. Die Abwesenheit der Mitosen als Grund 
geltend zu machen gegen die Ansichten derjenigen, welche bei der 
Sekretion einen Untergang von Zellen und hauptsächlich auch von 
Kernen annehmen, geht nicht mehr an. Ich möchte hiermit haupt- 
sächlich die Befunde, zu welchen Heidenhain gelangt ist und 
die noch in letzterer Zeit wieder in einer aus seinem Laboratorium 
hervorgegangenen Arbeit von Nissen (10) vertreten werden, ver- 
theidigen. 

Ueberhaupt möchte ich den Physiologen, welche sich mit den 
Veränderungen der Zellen während der Sekretion beschäftigen, das 
mir vorliegende Objekt warm empfehlen. Die kleinen Zellen der 
Wirbelthiere, die zum Theil schon womöglich durch die Abkühlung 
uncontrollirbare Veränderungen erleiden, sind hierzu nicht geeignet. 
An den Zellen der Malpighi’schen Gefässe, deren Kerne die der 
Salamanderzellen fast um das Vierfache im Durchmesser übertreffen, 
an diesen kann man die Veränderungen bei der Sekretion studiren 
und klar legen! 

Ich werde einiges selbst Beobachtete gelegentlich meiner Be- 
sprechung der Nebenkerne im Pankreas erwähnen. Letztere Ele- 
mente haben übrigens mit den gleichbenannten Körpern in den 
samenbildenden Zellen nichts gemein, wie ich hier schon erwähnen 
möchte, sondern sind ein Produkt der Sekretion und stammen di- 
rekt vom Kern ab. 


Literatur. 


1) Van Beneden et A. -Neyt, Nouvelles recherches sur la fecondation 
et la division mitosique chez l’Ascaride me&galocephale. Bulletins de l’Acad. 
royale de Belgique, 3me Serie, T. XIV, Nr. 8, 1887. 

2) Boveri, Th., Ueber Differenzirung der Zellkerne während der Fur- 
chung des Eies von Ascaris megalocephala. Anatom. Anz. Nr. 22. p. 688—69. 

3) Boveri, Th., Zellenstudien I. Die Bildung der Richtungskörper 
bei Ascaris megalocephala und Ascaris lumbricoides. Jenaische Zeitschrift f. 
Naturwiss. Bd. XXI. p. 423—515. 1887. 

4) Boveri, Th., Zellstudien II. Die Befruchtung und Theilung des 
Eies von Ascaris megalocephala. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXII. 1888, 


150 Gustav Platner: 


5) M. v. Brunn, Untersuchungen über die doppelte Form der Samen- 
körper von Paludina vivipara. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI. Taf. XXI 
und XXII. p. 413—500. 1884. 

6) Carnoy, J. B., La Cytodierese chez les arthropodes. La Cellule. 
T. I. 1884. 

7) Gilson, G., Etude comparee de la spermatogenese chez les arthro- 
podes. Troisieme partie. La Cellule. T. IV. 1. Fasc. 1888. 

8) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper II. 
Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. Ill. p. 263—274. Taf. XIV. 1867. 

9) v. la Valette St. George, Spermatologische Beiträge. Zweite 
Mittheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVII. p. 1—13. Taf. I u. II. 1886. 

10) Nissen, F., Ueber das Verhalten der Kerne in den Milchdrüsen 
bei der Absonderung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 337-343. 
Taf x11. '1886. 

11) Nussbaum, M., Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte 
bis zur Eifurchung. Ein Beitrag zur Lehre vou der Vererbung. Arch. f. 
mikrosk. Anat. Bd. XXI. p. 155— 214. Taf. IX—XI. 1884. 

12) Platner, G., Ueber die Spermatogenese bei den Pulmonaten. Arch. 
f. mikrosk. Anat. Bd. XXV. p. 564—581. Taf. XXIII. 1885. 

13) Platner, G., Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine Be- 
ziehung zur Kerntheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 3435—369. 
Taf. XIV. 1886. 

14) Platner, G., Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pul- 
monaten. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 599— 621. Taf. XXIX. 1886. 

15) Platner, G.,.Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage 
für eine Theorie der Zelltheilung. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Hist. 
Bd. TIL. H. X. ,1886. 

16) Prenant, A., Observations cytologiques sur les &l&ments seminaux 
des Gasteropodes pulmones. La Cellule. T. IV. 1. fascieule. 1888. - 

17) Rabl, K., Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb. Bd. X. p. 214— 
330. 1885. 

18) Schulze, F. E., Rhizopodenstudien V. Arch. f. mikrosk. Anat. 
Bd. XI. p. 583. 1875. 

19) Schultze, O., Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung 
des Amphibieneies I. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. XLV. p. 177—227. 
Taf. XI—XII. 1887. 

20) Vejdovsky, Fr., Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen I. 
Reifung, Befruchtung und erste Furchungsvorgänge des Rhynchelmis-Eies. 
Prag 1888. 

21) Waldeyer, Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Be- 
fruchtungsvorgängen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXI. p. 1—123. 1888. 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserscheinungen. 151 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII und IX. 


Tafel VIII. 


Vergrösserung: Zeiss homogene Immersion !/;s mit verschiedenen 
Ocularen. 


Fig. 1. 


Fig. 
Fig. 


2. 
3. 


Fig. 1—7 Zelltheilung; Fig. 8—14 Spermatogenese. 
Zerfall des Nebenkerns in 8 Stäbchen. Gruppirung derselben um 
2 helle Centra. Längsspaltung der Stäbchen. 
Auseinanderweichen der beiden Stäbchengruppen. 
Schwund der Kernmembran. Die Spindel tritt deutlich hervor. Ihre 
Fasern treten zum Theil mit den chromatischen Elementen in Ver- 
bindung. 


. 4 und 5. Weitere Stadien der Spindelbildung. 


SB: 


Fig. 


> g2 1 


Querschnitt der Zelle im Spindelstadium. Man zählt 16 Doppel- 
stäbchen. 

Endstadium der Theilung. Neubildung der Aster für die folgende 
Theilung. x 

Bildung der Spermatide. Der Nebenkern bildet sich aus den Spindel- 
fasern. Die Elemente des Spindelpoles am Rande der Kernvacuole. 
Kern der Spermatide und Nebenkern ausgebildet. Polelemente noch 
vom Kern getrennt. 

Polelemente dem Kern aufsitzend, zum Spitzenknopf sich ausbildend. 


. Das Chromatin des Kerns concentrirt sich in Form eines Halbmonds 


nach der einen Seite des Kerns. 
Der Axenfaden aus Körnchen bestehend ist aufgetreten. Spitzen- 
knopf noch aus Körnchen zusammengesetzt. 


. Kern eingestülpt. Axenfaden homogen. 


Kern sich zuspitzend, Spitzenknopf homogen. 


Tafel IX. 


Spermatocyte von Paludina vivipara. Die Fäden des Kerns, des 
Nebenkerns und des Protoplasmas sind nach dem im Nebenkern 
ruhenden Centrosoma orientirt. 


2—5. Eigenthümliche Formen des Nebenkerns (Helix pomatia). 
Nebenkern mit zwei freien Enden. 

Nebenkern spiralig, ein freies Ende sichtbar. 

Nebenkern aus zwei Schleifen bestehend. Die beiden Centrosomas 
sichtbar, ausserdem noch feine Fäden von unbekannter Bedeutung. 
Ansicht des Spindelpols (Helix pom.). In der Mitte des Centrosoma 
umgeben von einem hellen Hof, daran anschliessend die paarweise 
geordneten 12 Hauptstrahlen, sowie die Cytoplasmastrahlen, 


152 Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle etc. 


Fig. 6. Bildung des Nebenkerns am Tochterknäuel aus den Polelementen, 
Centrosoma und Hauptstrahlen. 

Fig. 7a—d. Stadien aus der Spermatogenese von Helix pomatia. Centro- 
soma zum Spitzenknopf werdend. 

Fig. 8. Letzte Theilung der Spermatocyten von Paludina vivipara. An jedem 
Pol ein grosses Centrosoma. 

Fig 9a-f. Stadien aus der Spermatogenese der kleinen Samenkörper von 
Paludina vivipara. Centrosoma zum Spitzenknopf werdend; der vier- 
fach getheilte Nebenkern (c) wird zur Hülle des Axenfadens. 

Fig. 10 a—d. Spermatogenese der grossen Samenkörper von Paludina vivi- 
para. Nebenkern rosettenförmig. Kern stäbchenförmig werdend. 
Centrosoma als Spitzenknopf. 

Fig. 11 aundb. Samenkörper von Paludina vivipara, vorderes Ende. a) kleines, 
b) grosses Spermatosom. Centrosoma als Spitzenstück. 


Fig. 12—18. Kerne aus den Zellen der Malpighi’schen Gefässe von 
Dytiscus marginalis in direkter Theilung. 


Fig. 12. Nucleolus scheibenförmig geworden, längsstreifig um ihn ein heller 
Hof von grössern Chromatinkörnchen eingefasst. 

Fig. 13. Nucleus in zwei Tochterplatten gespalten, beide Streifen zeigend. 

Fig. 14. Beide Tochterplatten zeigen Trennungen’ der Continuität. 

Fig. 15. Um jede Tochterplatte hat sich ein gesonderter heller Hof gebildet. 
Beginn der Abrundung. 

Fig. 16. Beide Tochter-Nucleoli abgerundet. 

Fig. 17. Kerntheilung, in jedem Tochterkern ein Nucleolus. 

Fig. 18. Kerntheilung, in jeden Tochterkern zwei Nucleoli übergehend. 


Dr. A. Peters: Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 153 


(Aus dem anatomischen Institute in Bonn.) 


Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 


Von 
Dr. A. Peters, Augenarzt in Bonn. 


Nebst 2 Holzschnitten. 


In meiner Dissertation!) über die „Regeneration des Epithels 
der Cornea“ habe ich Beobachtungen über das Verhältniss des in- 
direeten Kerntheilungsprocesses zu den Regenerationsvorgängen 
nach Entfernung eines Theiles des Cornealepithels mitgetheilt. Es 
zeigte sich, dass ein solcher Defeet zunächst gedeckt wird durch 
eine einschichtige Epithellage, und zwar gelangen diese Zellen in 
den Defecet durch amöboide, also active Bewegung. Nachdem der 
Defeet auf diese Weise sozusagen provisorisch gedeckt ist, treten 
erst indireete Kerntheilungen auf zunächst in reichlicher Anzahl, 
die später allmählich abnimmt. Es war somit constatirt, dass der 
Defect zunächst von dem vorhandenen Zellenmaterial durch ein- 
fache Verlagerung der Elemente und dann erst durch Neubildung 
gedeckt wird. 

Das sind im Grossen und Ganzen die Vorgänge bei der Re- 
generation des mehrschichtigen Epithels. Es blieb nun noch die 
Frage offen, wie sich das einschichtige Endothel der Membrana 
Descemetii zu derartigen Defecten nach Verletzungen verhält. Ich 
stellte daher auf Anregung meines hochverehrten Lehrers Prof. 
Nussbaum Untersuchungen über diese Frage an. 

Zunächst sei mir gestattet, kurz über die einschlägige neuere 
Litteratur zu berichten. Neese?) bespricht das Verhalten des Horn- 
hautepithels bei der Heilung von Linear- und Lanzenmesserwunden 
der Hornhaut. Es zeigte sich, dass im Verlaufe des Wundheilungs- 

1) Inaug.-Dissert. Bonn 1855. 

2) v. Graefe’s Archiv für Ophthalmologie. Bd. 33. p. Lft. 


154 Dr. A. Peters: 


processes schon bald eine Wanderung der Epithelzellen nach der 
Wunde zu eintritt. Nur schreibt Neese der auch bald nachher 
auftretenden Karyokinese die Hauptrolle bei der Deckung des so 
erzeugten Defectes zu, indem er annimmt, dass durch die vis a 
tergo der durch reichliche indireete Theilungen entstandenen Zellen 
die nach der Wunde zu gelegenen in diese selbst hineingedrängt 
würden. Mir erscheint die Annahme ungezwungener, dass eine 
Unterbrechung der Continuität des Epithellagers ausgeglichen wird 
durch active Wanderung der der Wunde zunächst gelegenen Zellen, 
besonders da in den ersten Stunden nach der Verletzung mehr 
Zellen in die Wunde gelangt sind, als peripher von derselben durch 
indirecte Kerntheilung entstehen. Kurz vor Beendigung meiner 
Versuche erschien die Arbeit von Schottländer!) über die „Kern- 
und Zelltheilungsvorgänge in dem Endothel der entzündeten Horn- 
haut“. Es findet sich hier eine so vollständige Uebersicht über 
die früheren Arbeiten über die Regeneration des Cornealendothels, 
dass ich davon absehen kann, dieselben hier wieder anzuführen. 
Schottländer bespricht die Arbeiten von Arnold, Mayzel, 
v. Ewetzki, Eberth u. A. und theilt dann die Resultate mit, 
welche er nach Application von Chlorzink auf die Froschcornea 
in Bezug auf die Proliferations-Vorgänge im Endothel erhalten hat. 
Dabei wird die Frage nach der Regeneration nur gestreift und eine 
Vermuthung ausgesprochen, die in Uebereinstimmung ist mit 
den Resultaten meiner Untersuchungen. Ueberhaupt finden sich 
trotz der abweichenden Technik des Untersuchungsverfahrens eine 
Anzahl übereinstimmender Punkte, weshalb ich hier nochmals auf 
die erwähnte Arbeit verweise, um sie nicht im Folgenden des 
Oefteren erwähnen zu müssen. Kurz darauf erschien eine Arbeit 
von Wagenmann?) zur Frage der Keratoplastik. Nachdem die 
fundamentalen Versuche Leber’s?) über die Bedeutung des Endo- 
thels für die Durchsichtigkeit der Cornea bei der durch v. Hippel?) 
jetzt im Prineip entschiedenen Frage der Keratoplastik eine er- 
höhte Bedeutung gewonnen hatten, stellte Wagenmann eine Reihe 
von Untersuchungen über die Heilungsvorgänge nach dieser Ope- 


1) Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XXXI. 

2) Graefe’s Archiv für Ophthalmol. Bd. XXXIV, 1. 
3) ibid. Bd. XIX, 2. 

4) ibid. Bd. XXXIV, 1. 


Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 155 


ration, u. A. auch über die Trübung der Hornhaut nach Entfernung 
des Endothels an und kommt dabei zu dem von Leber abweichen- 
den Resultate, dass die durch ausgedehnte Zerstörung des Endo- 
thels gesetzte Hornhauttrübung stationär bleibt. Auch hier wird 
die Frage nach der Regeneration des Endothbels nur oberflächlich 
berührt. 

Bevor ich nun die Ergebnisse meiner Untersuchungen anführe, 
muss ich auf die Technik des Verfahrens etwas näher eingehen. 
Wie bei meinen früheren Versuchen mussten die Defeete möglichst 
in gleicher Ausdehnung angelegt werden, um über die Dauer der 
Regeneration einigermaassen in’s Klare zu kommen. Ferner musste 
es möglich sein, das Endothel für sich zu entfernen, ohne das 
Hornhautgebe schwerer zu lädiren. Ich erreichte meinen Zweck 
durch Construction eines kleinen Instrumentes nach Art einer Lan- 
zette. Dasselbe ist mässig spitz und verbreitert sich von der 
Spitze an allmählich nach einer Seite. Die so entstehende Schneide 
ist ca. 1 mm lang und gekrümmt und zwar entspricht die Krüm- 
mung ungeführ der Wölbung der Cornea. 

Als Versuchsobjeete dienten mir ausschliesslich Frösche und 
zwar wie früher unsere einheimischen Arten, da mir die grösseren, 
ungarischen Frösche schon früher weniger brauchbar erschienen 
waren. Die Thiere wurden bei Zimmertemperatur aufbewahrt und 
während der Wintermonate 2—3 Tage vor der Operation gefüttert. 
Die Gefässe, in welchen die Thiere aufbewahrt wurden, wurden 
öfters gereinigt und mit frischem Wasser versehen. Ich muss hier- 
bei erwähnen, dass mir nicht ein Exemplar den Complex der Er- 
scheinungen darbot, den Schottländer als Panophthalmitis be- 
zeichnet, so dass sämmtliche Hornhäute für meine Zwecke brauch- 
bar waren. 

Die Anlegung des Defectes geschah folgendermaassen. Die 
Niekhaut wird mit dem Daumen heruntergedrückt und das Instru- 
ment peripher eingestochen, mit der Fläche parallel der Irisebene. 
Sodann wird die gekrümmte Schneide durch drehende Bewegungen 
des Instrumentes um seine Längsaxe zweimal an der Hinterwand 
der Cornea vorbeigeführt und dann rasch herausgezogen. Das 
Kammerwasser fliesst nicht allzu rasch ab und es gelingt so bei 
einiger Uebung, die Defeete in der sich nur wenig faltenden Cornea 
ziemlich in gleicher Grösse anzulegen. Der so entstandene Defect 
hat, wie ich mich durch zahlreiche Versuche überzeugt habe, Tonnen- 


156 Dr. A. Peters: 


form und ca. 11/; mm als längsten Durchmesser und wurde mög- 
lichst central angelegt. In bestimmten Zeitintervallen wurden nun 
die Thiere getödtet und dabei darauf geachtet, dass die Nickhaut 
die Cornea nicht überlagerte.. Zum Abtödten des Gewebes bediente 
ich mich zuerst der Flemmin g’schen Lösung, nachfolgender Al- 
koholhärtung und späterer Färbung mit Hämatoxylin. Von Färbe- 
mitteln habe ich verschiedene ohne Erfolg angewandt, so das von 
Platner empfohlene Kernschwarz, Lustgarten’s Victoriablau. 
Da das genauere Studium des indireeten Kerntheilungsprocesses 
ausserhalb des Rahmens vorliegender Arbeit lag, so konnte ich 
mich in den meisten Fällen mit der Hämatoxylinfärbung begnügen. 
Da aber Saffranin nicht nur die Mitosen ausgezeichnet präsentirt, 
sondern auch die Zellgrenzen deutlich erkennen lässt, welchen 
Vorzug Hämatoxylin in viel geringerem Grade besitzt, so habe ich 
mich in der letzten Zeit auschliesslich des Saffranins bedient. Sehr 
schöne Bilder erhielt ich auch auf diese Weise nach vorheriger 
Anwendung der von Schottländer erwähnten Chromameisen- 
säure-Härtung. 

Nach längerem Entwässern der Präparate in fliessendem 
Wasser wurde zunächst das Epithel abgeschabt, was besonders bei 
Chromameisensäure-Härtung ausserordentlich leicht gelingt, dann 
die Cornea mit einem scharfen Messer eireulär abgetrennt und in 
Alkohol von dem peripher anhaftenden Irisgewebe sorgfältig befreit. 
Nach allmählicher Härtung in 50%,, 75%,, 90%, und schliesslich abso- 
lutem Alkohol wurden die Hornhäute gefärbt und vor der Einbettung 
verschiedene radiäre Einschnitte mit der Scheere gemacht, um die 
Ausbreitung zu erleichtern. Die mit dem Endothel nach oben ge- 
kehrten Präparate wurden sodann in Glycerin oder nach Aufhel- 
lung in Nelkenöl in Damarlack eingeschlossen. 

Dem operativen Eingriff folgt regelmässig eine Veränderung 
in der Transparenz des Cornealgewebes. Nach kurzer Zeit ist be- 
reits die vordere Kammer wieder hergestellt und um die Einstich- 
öffnung eine leichte Trübung und Auflockerung des Cornealgewebes 
sichtbar. Nach Verlauf von 24 Stunden erscheint die Cornea in 
den tieferen Schiehten diffus getrübt, so dass nur eine schmale 
Randzone durchsichtig bleibt. Mit Hülfe der focalen Beleuchtung 
kann man constatiren, dass diese Trübung allmählich abblasst und an 
Ausdehnung verliert, bis anı 8. bis 10. Tage öfters keine Spur dersel- 
ben mehr wahrnehmbar ist, jedoch konnte in einer Anzahl von Fällen 


Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 157 


das Vorhandensein einer kleinen centralen Trübung der tieferen 
Hornhautschichten noch nach 4 Wochen bemerkt werden. War 
man ausser Stande, mit blossem Auge oder mit Hülfe der focalen 
Beleuchtung irgend eine Trübung zu erkennen, so konnte das Vor- 
handensein einer solchen noch bis zu 5 Wochen nach dem opera- 
tiven Eingriff regelmässig constatirt werden, wenn man die unge- 
färbte, gehärtete, mit dem Endothel nach ohen gekehrte Hornliaut 
bei auffallendem Lichte auf dunklem Untergrunde betrachtete. 
Es war dann stets die Einstichöffnung an der Peripherie erkennbar 
als grauweisse punktförmige Trübung oder bei eingeklemmter Iris 
als schwarzes Pünktchen. Die Gegend des Defeetes erschien in 
mattgrauem Farbentone und ziemlich scharf abgegrenzt gegen das 
übrige, vollkommen klare Hornhautgewebe. In einer Reihe von 
Fällen hellte sich die anfangs diffuse Trübung derartig auf, dass 
dieselbe nach Verlauf von ca. 14 Tagen auf zwei kleine punkt- 
föormige Heerde beschränkt war, eine Erscheinung, die sich aus der 
Art der Anlegung des Defeetes erklären lässt, indem durch das 
zweimalige Vorbeiführen des Instrumentes an der hinteren Wand 
der Cornea die Descemet’sche Membran nach beiden Seiten um- 
gerollt wurde, was später durch mikroskopische Untersuchung in 
einer Reihe von Fällen direet bestätigt wurde. Mochte nun die 
Descemet’sche Membran von dem Eingriff betroffen sein oder 
nicht, eine Trübung des Hornhautparenchyms war noch 5 Wochen 
nach demselben mit Sicherheit zu constatiren, wenn auch die In- 
tensität eine verschiedene war. 

Leider sind die Versuche über das endgültige Schicksal dieser 
Hornhauttrübungen noch nicht zum Abschluss gelangt, so dass ich 
mich darauf beschränken muss, hervorzuheben, dass dieselben noch 
5 Wochen nach dem operativen Eingriff vorhanden waren und die 
Regenerationsvorgänge bei Weitem überdauerten. 

Eine andere Erscheinung mag hier noch Erwähnung finden, 
die mir öfters begegnete, als ich mich noch der Flemming’schen 
Lösung mit nachfolgender Alcoholhärtung bediente, während die- 
selbe bei reiner Chromsäure- oder Chromameisensäurehärtung stets 
vermisst wurde. Es fand sich nämlich noch nach Verlauf von 
8—10 Tagen nach der Operation in der vorderen Kammer eine 
exsudatähnliche Masse, die sich bei mikroskopischer Prüfung als 
aus feinen Fäden und weissen Blutkörperchen bestehend erwies 
und der Cornea lose anhaftete. Eine Störung der Regenerations- 


158 Dr. A. Peters: 


vorgänge wurde dabei nicht beobachtet und ich möchte es unent- 
schieden lassen, ob die Erscheinung der Härtungsmethode zur Last 
gelegt werden muss. Jedenfalls ist es auffallend, dass sie bei an- 
deren Methoden vermisst wurde, ferner dass vorher ausser der 
regelmässig vorhandenen Trübung nichts Abnormes an dem Auge 
äusserlich wahrnehmbar war, vor allen Dingen niemals Hypopyon 
‘oder Infiltrationen des Cornealgewebes beobachtet wurden. 

Bei Besprechung der mikroskopischen Verhältnisse mögen zu- 
nächst die Veränderungen geschildert werden, die das Hornhaut- 
parenchym erlitten hat. Die bei auffallendem Lichte stets deutlich 
erkennbare Trübung erwies sich bei der mikroskopischen Unter- 
suchung nach vorausgegangener Färbung regelmässig intensiver 
gefärbt, als das übrige Hornhautgewebe und zwar dieses in gleicher 
Weise wie das Endothel. Besonders bei Saffraninfärbung trat dies 
deutlich hervor, namentlich an den Stellen, wo die Deseemet’sche 
Membran verletzt war. Diese vermehrte Tinetionsfähigkeit der 
Defeetstelle ist noch nach 4 Wochen, wenn auch weniger ausge- 
prägt, vorhanden, so dass ich allein schon aus diesem Merkmale 
stets den Schluss ziehen konnte, dass ein Defect wirklich vorhan- 
den gewesen war. Im Bereiche der Trübung sind ferner die Horn- 
hautkörperchen dichter gelagert und an Zahl vermehrt; auch fan- 
den sich hin und wieder deutliche Kerntheilungsfiguren, ein Um- 
stand, der es wahrscheinlich macht, dass es sich um Proliferations- 
vorgänge handelt, dass somit die Veränderungen, welche das 
Hornhautgewebe hier erfahren hat, bis zu gewissem Grade keine 
dauernden sind. Wodurch die Trübung verursacht wird, konnte 
mit Sicherheit nicht entschieden werden, da Froschaugen sich zu 
diesem Zwecke weniger eignen, als etwa die von Meerschweinchen, 
die daraufhin noch näher untersucht werden sollen. Dieser ver- 
mehrten Tinctionsfähigkeit der Zellsubstanzen im Bereiche der Trü- 
bung entspricht eine deutlich wahrnehmbare Quellung der Hornhaut- 
substanz, die den Trübungsbezirk in der Regel etwas überschreitet. 
Mit der Abnahme der Tinetionsfähigkeit schwindet auch die Quel- 
lung, wobei bemerkt werden muss, dass dieselbe, wenn auch nur 
in geringerem Grade, noch vorhanden ist, wenn die Endothelschicht 
wieder vollständig regenerirt ist. 

Die Desecemet’sche Membran erlitt durch die Operation in 
vielen Fällen eine Läsion, wie oben ausgeführt wurde. Während 
die unverletzte Membran unsichtbar bleibt, ist sie in jenen Fällen 


Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 159 


deutlich erkennbar. Sie erscheint dann öfters fein gefasert, ge- 
faltet und umgeklappt, wodurch dunkle Streifen, mehr oder weniger 
wellig und doppelt contourirt sichtbar werden. Nicht zu verwech- 
seln mit dieser Erscheinung sind Streifenbildungen in der Horn- 
haut, welche auftreten beim Ausbreiten derselben auf dem Object- 
träger, wenn die radiären Einschnitte zu kurz sind. Diese Streifen 
sind stets von Endothel überzogen und deutlich als durch Faltung 
der ganzen Hornhaut bedingt erkennbar. 

Abgesehen von den oben geschilderten Veränderungen zeigt 
die Stelle des frisch gedeckten Defectes stets folgende Eigenthüm- 
lichkeiten in der Form, Zahl und Anordnung der Endothelzellen 
resp. ihrer Kerne. Die in- 
tensiver gefärbte Stelle zeigt 
eine ganz auffallende An- 
häufung von Zellen und zwar 
sind die Zellgrenzen ver- 
wischt. Die Kerne erschei- 
nen in den verschiedensten 
Formen, bald spindelförmig, 
bald bisquitförmig einge- 
schnürt, bald sichelförmig, 
bald vollkommen rund. Wo 
die Zellgrenzen deutlicher Fig. 1 (am 8. Tage nach Anlegung 
werden, sind öfters kleinere des Defectes). 

Nebenkerne und Vacuolen sichtbar. Die so unregelmässig gelager- 
ten und geformten Kerne liegen in einem fein gekörnten Proto- 
plasma. In einiger Entfernung von der Defectstelle erscheinen die 
Zellgrenzen wieder deutlicher, während die typische polygonale 
Form der Zellen erst nach der Peripherie hin wieder auftritt. 
Dieses so geschilderte Bild hat eine auffallende Aehnlichkeit mit 
den früher bei der Regeneration von Epitheldefeeten beschriebenen. 
Auch ist die Darstellung Schottländer’s eine solche, dass die 
Regelmässigkeit dieser Erscheinungen nicht bezweifelt werden kann. 

Ist der Defeet noch nicht ganz gedeckt, wie Fig. 2 zeigt, wo 
gleichzeitig eine Läsion der Membrana Descemetii stattgefunden 
hatte, so ist auch hier in der Defeetgegend eine Anhäufung der 
Endothelzellen wahrnehmbar; die Zellgrenzen sind verwischt, die 
Kerne dichter aneinander gelagert. Auffallend ist diese Anhäufung 
der Kerne vor einem Walle, der durch die gefaltete resp. umge- 


160 Dr. A. Peters: 


klappte Descemet’sche Membran gebildet wird. Die kleineren 
Kerne sind dann öfters mit ihrer Längsaxe parallel zu diesem 
Walle gestellt, so dass man unwillkürlich an eine amöboide Wan- 
derung der Zellen denken muss. 

Bestärkt wird man in dieser Ansicht, wenn man sieht, dass öfters 
auf der Seite des Defeetes, wo dieser Wall nicht vorhanden ist, die 
Endothelien weniger dicht 
gedrängt und die Zellgrenzen 
etwas deutlicher sind. Ge- 
wöhnlich stellt diese Faltung 
der Descemet’schen Mem- 
bran kein Hinderniss dar für 
die Regeneration, indem die 
schon wieder mit deutlichen 
Contouren versehenen Endo- 
thelzellen ohne Unterbre- 
chung darüber hinwegziehen; 
ist sie aber stark ausgeprägt, 
so ist eine Anhäufung der 
Kerne und Verwischung der 
Zellgrenzen an der Falte unverkennbar. 

Ein anderer Umstand, der dafür spricht, dass diese proviso- 
rische Deckung derartiger Defecte durch active Wanderung der 
Zellen erfolgt, ist der, dass dieser Anhäufung der Kerne in der 
Defectstelle eine Verminderung derselben in der Peripherie ent- 
spricht, wie dies durch Messung bestätigt werden konnte. So be- 
trug beispielsweise der durchschnittliche Durchmesser einer Endo-' 
thelzelle der normalen Cornea 20--25 Theilstriche!), während an 
der Peripherie einer mit 8 Tage altem Defeete versehenen Cornea 
der Durchmesser 35—40 Theilstriehe zählte. Diesen grösseren 
Zellen entspricht ein grösserer Kern, dessen längster Durchmesser 
20 Theilstriche gegen 10 bei den dichter gelagerten beträgt, wäh- 
rend der Kern einer Endothelzelle einer normalen Cornea durch- 
schnittlich eine Länge von 15 Theilstrichen hatte. Wir sehen also 
die peripher gelegenen Zellen grösser werden, damit das so ge- 
wonnene Material an Zellen die provisorische Deckung des Defeetes 
besorgen kann. 


Fig. 2 (am 4. Tage nach Anlegung des 
Defectes). 


1) Theilstrich bei Zeiss F. Oc. II = 1,86 u. 


Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 161 


Die Zeitdauer der Regeneration ist eine verschiedene. Klei- 
nere Defeete waren nach 3—4 Tagen vollständig gedeckt, grössere 
beanspruchten mitunter einen Zeitraum von 7 Tagen. In allen 
Fällen überdauerte die intensivere Färbung der Defectstelle, eben- 
so die oben geschilderte Trübung die Regeneration der Endothel- 
schicht um mehrere Wochen. So konnte ich beispielsweise nach 
5 Wochen an der Defectstelle einzelne intensiver gefärbte Kerne, 
die diehter gelagert und in körnigem Protoplasma eingebettet 
waren, auffinden und in unmittelbarer Nähe wieder Endothelien 
von normaler Grösse und scharfen Contouren. 

Es mag hier noch bemerkt werden, dass der durch die Ein- 
stichöffnung in der Cornea gesetzte Defeet ganz dieselben Eigen- 
thümlichkeiten in Bezug auf Zahl, Form und Anordnung der En- 
dothelien zeigt. 

Es bleibt nun noch übrig, die Beziehungen der indirecten 
Kerntheilung zu der Regeneration zu besprechen. Das Endothel 
einer normalen Cornea zeigt mitunter nirgends eine Mitose; treten 
solche auf, so sind sie stets in spärlicher Anzahl vorhanden. Auf- 
fallend ist es, dass bei Defeeten bis zum 6. Tage auch nicht eine 
einzige Kerntheilungsfigur gefunden wurde. Bis zum 8. oder 9. 
Tage ist ihre Zahl eine sehr geringe und erst später begegnet man 
denselben öfters. Dabei treten dieselben stets in einiger Entfer- 
nung vom Centrum des Defectes auf, wo die Zellgrenzen deutlich 
erkennbar sind, niemals inmitten der dichter gelagerten Kerne. 
Es kamen dabei die verschiedensten Phasen der Theilung vor. 
Da die provisorische Deckung der Defecte bis zum 7. Tage fast 
regelmässig erfolgt war und bis 6. zum Tage niemals Kerntheilungs- 
processe beobachtet wurden, so ist es auszuschliessen, dass die- 
selben als die alleinige Ursache der Regeneration der Endothel- 
schicht anzusehen sind. 

Wir müssen also aus unseren Versuchen den Schluss ziehen, 
dass die Regeneration eines derartigen Defectes im Endothel aus- 
geglichen wird zunächst dadurch, dass das vorhandene Zellenmaterial 
dazu verwandt wird, die Lücke auszufüllen. Erst wenn dies in 
mehr oder weniger vollständigem Maasse erfolgt ist, treten Kern- 
theilungsfiguren als Ausdruck der Neubildung von Zellen auf und 
zwar in einer Anzahl, die mir in gewisser Beziehung zu der An- 
zahl der durch die Operation entfernten Zellen zu stehen scheint. 
Dass erst nach dem 6. Tage Kerntheilungsfiguren auftreten, hat viel- 

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 10* 


162 Dr. A. Peters: Ueber die Regeneration des Endothels der Cornea. 


_ leicht seinen Grund darin, dass die Theilungsprocesse durch die 
active Bewegung der Endothelzellen gestört resp. aufgehalten wer- 
den. Wir sehen also auch hier, dass analog der Regeneration des 
Hornhautepithels die mechanische Verlagerung der Zellen durch 
active Bewegung der Neubildung durch indirecte Kerntheilung 
vorausgeht, diese letztere daher nur zur Vervollständigung der Re- 
generation dient. 

Es liegt kein Grund vor, der uns hindert, für die hier geschil- 
derten Verhältnisse, die an dem ein- und mehrschichtigen Epithel 
der Cornea beobachtet wurden, allgemeinere Verbreitung anzu- 
nehmen. Wir hätten demnach bei jeder Regeneration, sowohl der 
einfachen wie der geschichteten Epithelien zwei Processe zu unter- 
scheiden, die einander folgen. Der erste bezweckt die provisorische 
Deckung durch Umlagerung der alten Elemente, der zweite, in der 
Form der indirecten Kerntheilung, den Ersatz der verloren ge- 
gangenen. Die durch den ®rsten Process bedingten Erscheinungen 
nehmen ab mit dem Vorschreiten des zweiten Processes, so dass 
allmählich das normale Verhalten wiederhergestellt wird. 


u 


Xee+ 477 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffii. 


Von 
Dr. v. Linstow in Göttingen. 


Hierzu Tafel X. und XI. 


Phylline Hendorffii n. sp. ist ein Eetoparasit, an den Schup- 
pen, besonders am Bauche von Coryphaena hippurus lebend, der 
bei Caleta buena (Chile) unter 199 55° südl. Br. und 70° 9° west. L. 
gefangen wurde. 

Der Körper ist eiförmig, durchschnittlich 8,7 mm lang und 
5,2 mm breit und löffelförmig gekrümmt; am Vorderende stehen 
zwei schüsselförmige Saugnäpfe nebeneinander und am Hinterende 
ein sehr grosser, die in Zukunft als Kopf- und Schwanzscheiben 
bezeichnet werden sollen; der nach der Bauchfläche zu eoncave 
Leib ist verhältnissmässig dünn und beträgt die grösste Körper- 
dieke nur 0,46 mm. Die Farbe der in Spiritus und Glycerin con- 
servirten Thiere ist eine gleichmässig schmutzig-graue. Bei weitem 
die auffälligsten Organe sind die drei uhrglasartig gekrümmten 
Saugscheiben. Die beiden Kopfscheiben stehen nebeneinander 
und lassen einen Raum von 0,096 mm frei; sie sind kreisförmig 
und messen 1,1 mm; dem Körper sind sie angeheftet mit einer 
birnförmigen Fläche, deren Spitze nach vorn gekehrt ist, so dass 
der Hinter- und Seitenrand frei bleibt; mitunter ist ihr Längen- 
durehmesser etwas grösser als ihre Breite; die grösste Dicke be- 
trägt 0,14 mm. Die Schwanzscheibe ist 2,3 mm lang und 3,1 mm 
breit und führt drei Paar Haken, welche später beschrieben werden 
sollen; mit dem Körper verwachsen ist sie durch eine ziemlich 


1) Die Gelegenheit zur Untersuchung des hier geschilderten merkwür- 
digen Trematoden verdanke ich der Güte des Herrn A. Poppe in Vege- 
sack, welcher denselben von Herrn Kapitain J. Hendorff erhielt; letzterer 
ist auf seinen Reisen ein ebenso unermüdlicher wie geschickter Sammler, dem 
die Wissenschaft schon manchen interessanten Fund verdankt und habe ich 
mir erlaubt, die neue Art nach ihm zu benennen. 

Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 33, 11 


164 Dr. v. Linstow: 


kleine Fläche, welche in der vorderen Hälfte der Scheibe liegt 
und durch eine von einer Seite zur andern gehende nach vorn 
convexe Linie an ihrem vorderen Rande und eine andere weniger 
gekrümmte nach hinten begrenzt wird. Merkwürdig sind 2 derbe 
Verstärkungslamellen, welche der Körperwand da eingefügt sind, 
wo sie in die Rüickenwand der Schwanzscheibe übergeht (Fig. 23 e), 
und offenbar ein Abreissen verhindern sollen: sie scheinen von 
sehnigem Gefüge und zeigen auf Querschnitten regelmässige Quer- 
linien. Ein breiter, wellig begrenzter Rand umfasst die Scheibe 
in eigenthümlicher Weise; er ist muskulöser Natur und der Rück- 
wand derselben etwas vom Rande entfernt mit schmaler Wurzel 
angeheftet (Fig. 23 a), und zwar entspringt er aus der Cuticula 
der Scheibe: die Dieke beträgt 0,38 mm; im Gegensatz zu Phylline 
Hippoglossi und Sciaenae, den einzigen bis jetzt bekannten üb- 
rigen Arten, welche das Genus bilden, fehlen Papillen an der 
Bauchfläche der Schwanzscheibe gänzlich. 

Alle drei Saugscheiben bestehen aus einer Cuticula, welche 
an der Rückenfläche viel stärker ist als an der Bauchfläche, und 
einer mächtigen dorsoventralen Muskelmasse, in die einzelne Zellen 
eingebettet sind; sie sind 0,049 mm gross, ihr Kern 0,02 mm und 
das Kernkörperchen 0,013 mm; der Rand der Schwanzscheibe, 
welcher am Vorderrande am mächtigsten ist und sich nach dem 
Hinterrande zu allmählich verliert, besteht ebenfalls nur aus Cuti- 
cula und einer dorsoventralen Muskulatur. Das sehr spärlich ver- 
tretene Parenchym der Saugscheiben ist faserig und enthält keine 
Kerne. 

Auf der glatten und mit sehlüpfrigem Schleim bedeckten 
Fläche, welche das Thier bewohnt, bedarf es, besonders mit Rück- 
sicht auf die oft sehr heftigen Bewegungen des Fisches, sehr kräf- 
tiger Haftapparate, und die sind ihm in den geschilderten Haft- 
scheiben gegeben. In der Mitte haben diese einen wohl doppelt 
so grossen Durchmesser wie am Rande, und da die Cutieula des 
Rückens derbe und wenig nachgiebig, die der Bauchfläche zart 
und weich ist, so wird eine gleichmässige Contraction der Mus- 
kulatur die Bauchfläche der Rückenfläche nähern; hierdurch ent- 
steht ein luftverdünnter Raum und ein festes Ansaugen der Scheibe 
an die Unterlage. Noch im Tode sind die drei Saugscheiben höchst 
wirksame Haftorgane, denn wenn man ein Thier mit der Bauch- 
fläche auf eine Glasscheibe legt und nun das Thier, es-mit einer 


 — 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 168 


Pineette um die Mitte des Leibes fassend, aufzuheben sucht, so 
erzeugt man dadurch, dass man die mit dem Körper verwachsene 
Rückenfläche der Scheibe von dem Glase zu entfernen sucht, auch 
so einen luftverdünnten Raum unter der ersteren, und man muss 
eine verhältnissmässig grosse Kraft anwenden, um das Thier von 
dem Glase loszureissen. 

Was die Function des Saums der Schwanzscheibe betrifft, der 
den Kopfscheiben fehlt, so besteht sie offenbar darin, sich in et- 
waige Lücken zu legen, welche die Fischschuppen zwischen sich 
lassen, um so auch auf einer nicht ganz ebenen Basis einen luft- 
dichten Verschluss herzustellen. 

Die drei Hakenpaare der Schwanzscheibe (Fig. 4) sind sehr 
verschieden gebildet; das vordere Paar ist 0,48 mm lang und mit 
der Spitze nach vorn gerichtet; die Haken liegen in einer ovalen 
Grube, sie gleichen einer Lanzenspitze und sehen mit ihrem vor- 
deren Drittel ans der Cutieula heraus in’s Freie; die mittleren 
haben die gewöhnliche Hakenform; ihre Länge beträgt 0,62 mm; 
das freie Ende ist nach hinten gerichtet und nur das äusserste, 
umgebogene Ende sieht aus der Cuticula heraus; die kleinsten, 
hinter den letztgenannten liegend, sind gerade mit umgebogenem 
Ende und messen nur 0,13 mm; sie sind sehr fein und leicht zu 
übersehen. 

Zwei Sehnen umfassen, die eine von rechts, die andere von 
links die vorderen Haken (Fig. 4, d e) an ihrer Wurzel; sie ent- 
springen vor denselben, verlaufen von vorn nach hinten und an 
der Hakenwurzel wendet sich im rechten Winkel die innere nach 
aussen und die äussere nach innen; sie liegen in einer Scheide, 
in der sie hin- und hergleiten können. 

Während die Haken der Trematoden und Cestoden sonst 
Apparate sind, welche zur Befestigung dienen, sind die der Schwanz- 
scheibe hier offenbar Organe, die zur Loslösung von dem Orte des 
Sitzes bestimmt sind. Die mittleren, langen Haken werden den 
Zweck haben, mit ihren gekrümmten Enden den freien Rand einer 
Fischschuppe zu umfassen; will das Thier nun seinen Platz wech- 
seln, so gilt es zunächst, die grosse, festgesogene Schwanzscheibe 
zu lösen, was in der Weise geschehen wird, dass die vier Sehnen, 
welche die beiden vorderen, mit ihren Spitzen nach vorn gerichteten 
Haken an ihrer Wurzel umfassen, durch die Körpermuskulatur an 
ihren Vorderenden nach vorn gezogen werden; dadurch richten 


166 Dr. v. Linstow: 


sich die Haken auf, so dass sie senkrecht gegen die Fläche der 
Saugscheibe gestellt werden und lösen die Scheibe auf diese Weise 
von ihrer Unterlage, an die sie angesogen war; den Gegenhalt 
bieten die mittleren, langen Haken, welche ein Fortgleiten nach 
vorn verhindern. 

Die Haken der Schwanzscheibe färben sich mit Piero-Lithion- 
Carmin intensiv gelb, während alle übrigen Organe des Thieres 
roth gefärbt werden oder farblos bleiben, sie sind also horniger 
Natur. 

Der Gang wird bei abwechselndem Loslassen der Schwanz- 
scheibe, Krümmung des Körpers und Wiederansaugen der ersteren 
ähnlich dem der Spannerraupen sein, wie van Beneden ihn in 
der That bei Phylline Hippoglossi beobachtete. 

Die Cuticula, die Subeuticula und die unter letzterer liegen- 
den Muskeln bilden die Rindenschicht, welehe an der Rücken- 
seite viel mächtiger ist als an der Bauchseite, an ersterer erreicht 
sie die Dieke von 0,079 mm. Die Cutiecula besteht aus einem 
maschigen Grundgewebe (Fig. 5 c), und die Lücken desselben aus- 
füllenden, senkrecht auf die Körperoberfläche gestellten Stäbchen, 
die, besonders an der Rückenseite, von verschiedener Länge sind 
und so der Oberfläche ein zottiges Ansehen verleihen; in der Outi- 
eula der Rückenfläche liegen nun ausserdem zahlreiche rundliche 
Drüsen, meistens napfförmig gekrümmt und von den verschieden- 
sten Contouren, bald rundlich, bald nierenförmig, bald mit Ausläu- 
fern, und erkennt man ihre Form am besten an Flächenschnitten 
(Fig. 5 a). Die Subeutieula (Fig. 7 b) hat eine ebene Grundfläche 
und dringt mit spitzen, kegelförmigen Erhabenheiten überall von 
innen nach aussen in die Cuticula hinein; sie ist von faserigem Bau. 
Die Drüsen der Cuticula, welche der Bauchfläche ganz fehlen, 
werden vermuthlich Schleim secerniren. 

Die Muskeln der Rindenschicht müssen von den Parenchym- 
muskeln unterschieden werden; erstere verlaufen in vier Richtungen, 
man sieht Längs-, Ring- und Diagonalmuskeln, welche letzteren 
sich in einem Winkel von etwa 60° kreuzen; die Längsmuskeln 
sind die stärkeren und liegen nach aussen von den übrigen, die 
in derselben Ebene verlaufen (Fig. 7 d). Ungemein stark sind 
die Parenchymmuskeln entwickelt, welche nur in dorsoventraler 
Richtung verlaufen und das Eigenthümliche haben, dass sie mitten 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorfhi. 167 


durch die Hoden, das Ovarium und die Schalendrüse dringen 
(Fig. 21, 22). 

Als Mund muss ein grosses, annähernd kugelförmiges Organ 
von 0,73 mm Durchmesser bezeichnet werden, welches 1,3 mm vom 
Vorderrande des Körpers entfernt liegt; nach der Bauchfläche zu 
mündet es mit einer quer verlaufenden Oeffnung und zwar nicht 
direet in’s Freie, sondern in eine Tasche, welche, wie man auf 
Sagittalschnitten sieht (Fig. 8), die Bauchfläche bedeckt; eine Reihe 
von grossen Papillen begrenzt die Mundöffnung (Fig. 11 ec); in die 
sehr complieirt geschiehteten, starken Muskelmassen sind zahlreiche, 
grosse, kugelförmige Zellen eingelagert, welche 0,026 mm gross 
sind und einen 0,015 mm grossen Kern einschliessen; die Tasche 
wird gebildet von einer Duplicatur der Cutieula und eine elliptische, 
querliegende Oeffnung führt von der Tasche nach aussen; der Mund 
ist von einer körnigen Schicht rings eingeschlossen. 

Im Gegensatz zu dem mächtig entwickelten Munde ist der 
Darm sehr schwach entwickelt; er entspringt vom Hinterende des 
Mundes und theilt sich sofort, ohne einen unpaaren Mittelstamm 
zu bilden, in zwei nach links und rechts verlaufende Schenkel, 
die an der Bauchseite verlaufen, und zwar folgt jeder Schenkel 
fast genau dem Verlauf des gleich zu schildernden inneren Bauch- 
nervenstamms, auf Querschnitten (Fig. 21—22 b) liegt er oft un- 
mittelbar an der Rückenseite des Nerven, mitunter etwas nach 
aussen, mitunter etwas nach innen, und zeigt er eine verschiedene 
Grösse, je nach den Contraetionszuständen der Darmwandung; 
dicht vor dem Vorderende der Bauchscheibe gehen beide Schenkel 
in einander über; dendritisch verzweigte Divertikel, wie der Darm 
von Phylline Hippoglossi sie nach van Beneden’s Schilderung 
zeigt, fehlen hier. 

Nach der. Muskulatur des kräftigen Mundes und des zarten 
Darms zu urtheilen muss die Aufnahme der Nahrung einen viel 
grösseren Kraftaufwand erfordern, als die Weiterbewegung und die 
Resorption; vermuthlieh kann die Tasche beliebig geöffnet und ge- 
schlossen werden, und zunächst mit Nahrung, die wohl nur in dem 
die Fischschuppen bedeekenden Schleim bestehen kann, gefüllt 
und dann geschlossen werden; diese Nahrung muss, wie man aus 
der geringen Entwickelung des Darms schliessen kann, eine dem 
Körper sehr adäquate sein. 

Ein reiches Gefässsystem durchzieht den ganzen Körper mit 


168 Dr. v. Linstow: 


Ausnahme der vorderen Saugscheiben (Fig. 2); es liegt gleichweit 
von der Rücken- und Bauchfläsche entfernt und wird gebildet von 
2 grossen Längsstämmen, welche den Körper ungefähr in 3 gleiche 
Drittel theilen; hinten vereinigen sie sich zu einer eylindrischen, 
von der Schwanzscheibe verdeckten Vesicula pulsatoria, die in dem 
Theil, welche der Schwanzscheibe zur Anheftung dient, in ein 
Foramen caudale ausmündet; vorn, dieht hinter und neben dem 
Munde, erweitern sie sich zu grossen Blasen, welche einen sehr 
verschiedenen Contractionszustand zeigen; fast immer ist die eine 
weit grösser als die andere und beide münden etwa in der Höhe 
des Hinterrandes des Mundes durch einen kleinen Spalt nach 
aussen; nach dem äusseren Körperrande treten aus den Hauptge- 
fässstämmen Nebenstämme hervor, die zum Theil nach vorn um- 
biegen und dem Hauptstamme eine Strecke parallel laufen; alle 
Stämme bilden Anastomosen mit einander, wie auch die beiden 
Hauptstämme vor dem Munde bogenförmig in einander übergehen. 
Auf Querschnitten erscheinen die Gefässe rund und zeigen eine starke 
Wandung, die innen ein Cylinderepithel trägt, das in den grossen 
Erweiterungen sehr auffallend ist, und hier 0,02 mm hoch wird 
(Fig. 10 a). 

Eine nierenförmig gekrümmte Gruppe von Ganglienzellen, die 
als Gehirn bezeichnet werden muss, liegt dicht vor dem Munde 
und in ihr bemerkt man vier Ocellen; eine zweite Gruppe liegt 
dieht hinter dem Munde und kann Schlundganglion genannt wer- 
den; die letztere ist es, welche sonst in der Regel als das Gehirn 
der Trematoden angesprochen wird; weil bei ihnen aber in der 
Regel der Mundsaugnapf den vordersten Theil im Körper einnimmt, 
so kann vor demselben keine Ganglienzellengruppe liegen. Die 
‚Ganglienzellen sind kugelförmig mit einem Durchmesser von 
0,013 mm und mehreren glänzenden Kügelchen im Innern. Vom 
Gehirn gehen 4—6 Nerven nach vorn, um sich im Kopftheil und 
den Koptscheiben zu verlieren; ein sehr starker Nervenstamm um- 
kreist links und rechts den Mund, giebt einen Ast an das Schlund- 
ganglion ab (Fig. 3) und zieht weiter nach hinten bis in die 
Schwanzscheibe, einen ähnlichen Verlauf nimmt ein anderer Stamm, 
der nach aussen von ihm verläuft; diese 4 Nerven verlaufen an 
der Bauchseite, der Rindenschicht unmittelbar anliegend (Fig. 21 
und 22c); wenn man sich den Körper durch 5 gleich weit von 
einander verlaufende Linien der Länge nach getheilt denkt, so ist 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffhi. 169 


die Lage dieser Bauchnerven so, dass sie den Linien 1, 2, 4 und 
5 entsprechen würden; die Nerven sind auf gefärbten Querschnitten 
sehr leicht zu erkennen; sie haben in der Regel einen spindel- 
förmigen Querschnitt, der mit seinem langen Durchmesser senk- 
recht auf die Ebene der Rindenschicht gestellt ist; man erkennt 
deutlich die dieht an einander gelagerten Nervenfasern, welche 
stets etwas seitlich plattgedrückt erscheinen; Picro-Lithion-Carmin 
lässt die Nerven ganz ungefärbt. Ein drittes Nervenpaar, viel 
dünner als die Bauchnerven, verläuft an der Rückenseite; die 
Stämme liegen nach innen von den inneren Bauchnerven; ihr Quer- 
schnitt ist ebenfalls meistens nicht rund, der längere Durchmesser 
liegt hier aber der Fläche der Rindenschicht parallel, der sie eben- 
falls dicht anliegen. Aehnliche Verhältnisse fand Lang bei Tri- 
stomum (Fig. 21 und 22.d). 


Mitten im Gehirn liegen vier Augen oder richtiger Ocellen, 
welche ein Viereck bilden in der Weise, dass die beiden vorderen, 
welche kleiner sind, näher bei einander liegen als die grösseren 
hinteren; sie bestehen aus einer kugelförmigen Linse, welche von 
einer Pigmentschale eingefasst wird, wie die Eichel von ihrem 
Kelch; dieselbe umfasst die Linse der kleineren Ocellen vorn und 
aussen, die der grössern aussen und hinten; an der freien Seite jeder 
Linse liegt constant ein kleines stark lichtbrechendes Kügelchen 
(Fig. 9c), welches vielleicht wie der Condensor eines Mikroskops 
wirkt. Merkwürdig ist, dass die vier Ocellen, wie man an Sagittal- 
schnitten (Fig. 8b) sieht, nieht in der Cuticula der Rückenseite, 
sondern mitten im Körper, im Centrum des Gehirns liegen, so dass 
sie nach aussen von einer 0,l4mm dicken Sehicht des Körpers 
bedeckt werden; sie können daher nicht die Funktion haben, Bilder 
erkennen zu lassen, sondern können nur zum Empfinden von Licht, 
also zum Unterscheiden von Hell und Dunkel dienen, ähnlich wie 
die von Haut überzogenen Augen mancher Wirbelthiere, so von 
Spalax typhlus, von Typhlops und Rhinopis, von Typhlosaurus 
Cuvieri, Amblyopsis spelaeus und Myxine glutinosa, unterirdisch 
oder an anderen finstern Orten lebenden Thieren; mitten im Ge- 
hirn liegende Augen sind aber meines Wissens noch bei keinem 
Thiere beobachtet, im Körperparenchym liegende bei Turbellarien. 
Ocellen oder Augenflecken, bei Trematodenlarven häufig, kommen 
bei geschlechtsreifen Formen nur selten vor; die Genera Dacty- 


170 Dr. v. Linstow: 


logyrus und Tetraonchus führen sie, v. Willemoes-Suhm!) 
beobachtete sie bei Polysiomum ocellatum und Zeller?) bei Poly- 
stomum integerrimum. Wenn bei dem letztgenannten Genus auch 
solche Ocellen vorhanden sind, so muss daran erinnert werden, 
dass das in der Harnblase des Frosches, also im Dunkeln lebende 
Polystomum integerrimum nach den höchst interessanten Beob- 
achtungen von Zeller im erwachsenen, geschlechtsreifen Zustande 
nicht beständig im Finstern wohnt, wo das lichtempfindende Organ 
nutzlos wäre, sondern gelegentlich den vorderen Körpertheil mit 
den Geschlechtsöffnungen aus der Blasenmündung in’s Freie und 
Helle schiebt, um die Eier in’s Wasser fallen zu lassen, so dass 
es das Unterscheidungsvermögen für Hell und Dunkel sehr wohl 
gebrauchen kann; Polystomum ocellatum aber lebt im Schlunde 
von Emys lutraria, wo.es auch gelegentlich hell wird. Bei Tri- 
stomum Molae wurden von Taschenberg?) auch 4 Ocellen ge- 
funden, desgleichen von Lang, ferner von van Beneden und 
Hesse bei Phyllonella, Plaeunella, Trochopus und Dipleetamum. 

Das Körperparenchym, welches sich schwach färbt, ist 
nicht von zelligem Bau, sondern besteht aus einer feinfaserigen 
Grundsubstanz, der zahlreiche, bis zu 0,02 mm grosse, rundliche 
oder eckige Kerne, welche die verschiedensten Gestalten haben 
können und stellenweise sehr dicht gedrängt stehen, eingefügt sind. 

Etwas vor der Mitte des Körpers liegen drei runde Körper, 
einer vorn und zwei neben einander dahinter; ersterer ist das 
Ovarium und die beiden letzteren die Hoden; von ihrem Hinter- 
rande bis zum Vorderrand der Schwanzscheibe ist ein Raum von 
17mm. Die Hoden, von einer derben Membran rings um- 
schlossen, werden von starken Dorsoventralmuskeln durchzogen 
(Fig. 22); die Zellen des Hodens sind rundlich und 0,02 mm gross; 
sie sind Mutterzellen und enthalten als Tochterzellen diejenigen, 
welche die Samenelemente bilden; jede Mutterzelle sitzt am Ende 
eines Aestehens des Vas deferens wie die Frucht an einem Baum- 
ast (Fig. 12). Zunächst erscheint die Mutterzelle, die man auch 
als Hodenbläschen bezeichnen könnte, als einfache, mit einem grossen 
Kern versehene Zelle; dann theilt sich der Kern (Fig. 12) in zwei 


1)-Zeitschr. für wissensch. Zoolog. Bd. XXII pag. 29. 
2) Ibid. Bd. XXVII pag. 240. 
3) O0. Taschenberg, Zoolog. Anz. 1880, pag. 17. 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 171 


und mehrere, hierauf auch der Zellleib wie bei der Dotterfurchung; 
in der weiteren Entwicklung bilden sich so etwa S—12 gekernte 
Tochterzellen, deren langgestreckte Kerne alle nach dem Centrum 
der Mutterzelle gerichtet sind; nun lösen sich die Tochterzellen, 
die erst eiförmig und dann rundlich werden, von einander und 
jede bildet in ihrem Innern einen Samenfaden aus, der nach Ber- 
stung der Zellmembran frei wird. 

Der so entstandene Same gelangt in das Vas deferens, das 
sich zusammensetzt aus den Ausführungsgängen der beiden Hoden ; 
dieht hinter dem Ovarium schwillt es zu einer kleinen kugel- 
förmigen Erweiterung an (Fig. 11f), geht dann links von dem- 
selben nach vorn, macht vor dem Dottersack und links vom Ootyp 
viele Windungen, verläuft bis etwa zur Mitte des Cirrus an dessen 
linken Seite und biegt nun plötzlich nach rechts um, verläuft schräg 
nach hinten unter dem Cirrus her, um dann in das Vorderende 
der Samenblase, dicht beim Ursprung des Vas efferens, einzu- 
münden. 

Die sehr starkwandige Samenblase ist stets von Sperma 
gefüllt und liegt als dunkler Körper schon für eine Lupenver- 
grösserung sichtbar, nicht weit hinter dem Munde (Fig. 118). 

Das Vas efferens ist der kurze, stark geschlängelte Canal 
zwischen dem Vorderrande der Samenblase und dem Hinterende 
des Cirrus; er liegt in einer .breiten, hyalinen Hülle, welche eine 
beträchtliche Anzahl Zellen enthält und wohl als Prostata zu be- 
zeichnen ist; die Zellen sind 0,02 mm gross und ihre Kerne 0,0066 mm; 
das Vas efferens selbst besteht aus einer Tunica intima, die mit 
vielen glänzenden Erhabenheiten besetzt ist und an ihrer Aussen- 
fläche eine starke Ringmuskelschicht trägt (Fig. 13); die Prostata- 
zellen sind in der Regel mehrkernig. 

Aus dem Vas efferens gelangt das Sperma in den grossen, 
spindelförmigen Cirrus, welcher unmittelbar links neben dem 
Munde liegt und mit seinem Vorderende nach dem Aussenrande 
der linken Kopfscheibe gerichtet ist; der samenleitende Canal 
durchzieht ihn geschlängelt seiner ganzen Länge nach; er besteht 
aus einer Masse von Ringmuskelun und ist gelagert in eine aus 
Längsmuskeln bestehende Scheide, in der er vermuthlich hin- und 
hergleiten, also wahrscheinlich herausgestreckt werden kann; von 
dem Vorderende des Cirrus bis zur männlichen Geschlechtsöffnung 
ist nur noch eine kurze Strecke (Fig. 11h). 


172 Dr. v. Linstow: 


Das dicht vor den Hoden gelegene runde Ovarium ist, wie 
die Hoden, 0,66 mm gross und vom Hinterrande des Mundes durch 
einen 0,9 mm grossen Zwischenraum geschieden; die gekernten, 
rundlichen Zellen haben ein granulirtes Plasma und ihr Kern liegt 
in einem hellen Hofe; ihre Grösse beträgt durchschnittlich 0,016— 
0,025 mm; das Ovarium liegt, wie die Hoden, eingeschlossen in 
einer starken Hülle (Fig. 21), ist, wie jene von kräftigen Dorso- 
ventralmuskeln durchzogen und füllt, wie auch die Hoden, den 
ganzen Raum zwischen der dorsalen und ventralen Rindenschicht 
aus. Ovarium und Hoden sind, oberflächlich betrachtet, einander 
sehr ähnlich gebildet; auch ihre Zellen gleichen einander, jedoch 
besteht zwischen ihnen der grosse Unterschied, dass die Zellen des 
Ovariums die Eizellen selber darstellen, während die des Hodens die 
Mutterzellen der samenbildenden Zellen sind. Die Zellen des Ova- 
riums liegen durch einen kleinen Zwischenraum von einander ge- 
trennt und die kellen Flecke im Ovarium (Fig. 11k) sind die 
optischen Querschnitte der Gänge, welche die Eizellen nach aussen 
gelangen lassen. Die Körper, welche wir Zellen des Ovariums ge- 
nannt haben, bilden die späteren „Eikerne“, von denen jedes Ei 
nur einen enthält; die Bezeichnung „Kern“ müssten sie nach den 
neueren Beobachtungen über Karyokinese bei den Befruchtungs- 
vorgängen und Furchungsprocessen der Nematodeneier führen, 
während ein unbefangener Beobachter sie nur für gekernte Zellen 
halten kann; die frühere Bezeichnung „Keimbläschen“ liess beide 
Deutungen zu. Im Ovarium sind sie oft polygonal gegen einander 
abgeplattet (Fig. 14); im Ei dehnt sich die Zelle und wird eiförmig, 
bis zu 0,039 mm gross, der Kern oder nach anderer Auffassung 
das Kernkörperchen misst 0,01 mm (Fig. 17a). 

Die Dotterstöcke sind sehr weit im Körper verbreitet in 
zwei der Rücken- und Bauchseite an der Rindenschicht liegenden 
Ebenen; frei von ihnen sind nur die Saugscheiben, ein schmaler 
Saum am Rande des Körpers, die Mitte vom Munde bis zu den 
Hoden und ein vom Munde schräg nach vorn und links verlaufen- 
der Streif, in dem die Geschlechtsausmündungsgänge liegen. Die 
Dotterdrüsen sind Mutterzellen von rundlichem Bau, welche die 
dotterbildenden Zellen als Tochterzellen enthalten. 

Die Dotterelemente liegen im Dottersack zu polygonal con- 
tourirten Körpern an einander gedrückt; frei sind sie regelmässig 
gebildete, eiförmige Körper von 0,026 mm Länge und 0,016 mm 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 173 


Breite; sie sind mit glänzenden Körnchen gefüllt und enthalten 
einen 0,0049 mm grossen Kern (Fig. 15); durch Piero-Lithion- Carmin 
wird der Inhalt schwach bräunlich, der Kern aber schön rosenroth 
gefärbt, so dass ich auch diese Körper für wahre Zellen halten 
muss. In zwei grossen Längsstämmen, welche dicht ausserhalb 
des Mundes, des Cirrus und der Samenblase, des Ovariums und 
der Hoden in der Mittelschieht des Körpers verlaufen, sammelt 
sich die Dottermasse und aus ihnen treten nahe vor dem Ovarium 
im rechten Winkel zwei Stämme nach innen, welche in den Dotter- 
sack münden, eine dem linken Vorderrande des Ovariums eng an- 
liegende Blase (Fig. 11, 1), die mit Dottermasse gefüllt ist; in ihr 
rechtes Ende mündet mit trichterförmiger Oeffnung das Ausfluss- 
rohr, das Ovarium und dessen Verlängerung nach vorn führt in 
den Eibildungsraum, das Ootyp; in den Winkel, welche der An- 
fangstheil dieses Organs mit dem rechten Hauptdottergang bildet, 
tritt die Oeffnung einer kleinen Blase, des Receptaculum 
seminis (Fig. 11 m). 

Das Ootyp, wie van Beneden das Organ nennt, ist spindel- 
förmig (Fig. 11 0); in ihm findet sich stets nur ein Ei, entweder in 
vollkommener Form oder erst in Bildung begriffen, wo dann die 
Masse, aus welcher die Schale entstehen soll, in Form bräunlicher 
Tropfen das Ei umlagert; die Verlängerung des Ootyp verläuft 
dem Cirrus parallel und das Ende des Rohrs, die Vulva, liegt 
dicht neben der männlichen Geschlechtsöffnung (Fig. 11, p). 

Die Schalendrüse hat einen sehr grossen Umfang; sie er- 
streckt sich vom Hinterrande des Schlundganglions bis zum Vorder- 
rande des Ovariums und wird seitlich etwa von den beiden Haupt- 
längsstämmen der Dottergänge begrenzt; sie besteht aus sehr zahl- 
reichen, birnförmigen Drüsen mit langen Ausführungsgängen, die 
0,023 mm lang und 0,0098 mm breit sind und einen bläschenar- 
tigen Kern mit scharf dunklem Kernkörperchen haben (Fig. 15); 
sie secerniren die Substanz, aus welcher die Eischale gebildet 
wird und führen dieselbe in das Ootyp. 

Die Eibildung kommt nun so zu Stande, dass ein im Ovarium 
gebildetes Keimbläschen durch den triehterförmigen Gang austritt, 
durch Sperma aus dem Receptaculum seminis befruchtet wird und 
hierauf vom Dottersack aus mit Dottermasse umgeben wird, worauf 
im Ootyp die Umlagerung der Schalensubstanz erfolgt. 

Die Eier haben bald eine rhombische Form, bald die eines 


. 


174 Dr. v. Linstow: 


unregelmässigen, bald eines regelmässigen Dreiecks; sie sind 
0,157mm lang und breit; im Centrum liegt das Keimbläschen 
(Fig. 17), den übrigen Raum füllen die diehtgedrängten Dotter- 
kügelchen aus, welche einen deutlichen Kern zeigen und nun nicht 
mehr granulirt erscheinen; am Hinterende bemerkt man einen 
mehr oder weniger langen, fadenförmigen Anhang. Sobald ein 
Ei vollendet ist, wird es ausgestossen und vermuthlich haftet es 
mittels des langen Fadens an den Schuppen des Fisches, welchen 
der Parasit bewohnt; van Beneden!) wenigstens schildert, wie 
die Eier von Phylline Hippoglossi mittels ihrer sehr langen Fäden 
in der Nähe des Thieres der Körperoberfläche des Fisches in Grup- 
pen anhaften. 

An der Stelle, wo der Cirrus, der Eiergang und der linke 
Hauptdottergang sich kreuzen (Fig. 11), liegt letzterer der Rücken- 
fläche zunächst, dann folgt der männliche, dann der weibliche 
Ausführungsgang. Die männliche und weibliche Geschlechtsöff- 
nung liegt dieht am Rande der linken Kopfscheibe an ihrer Aussen- 
seite; beide sind triehterförmig und werden die Oeflnungen von 
einem rundlichen Lappen umgeben, dessen Aussenrand. nach der 
Bauchseite umgeschlagen ist; vielleieht kann, wenn Selbstbefruch- 
tung stattfindet, hierdurch ein Abschluss bewirkt werden (Fig. 111,p), 
so dass auf diese Weise der Same in die weibliche Geschlechts- 
röhre gelangt. Etwas nach aussen von den Mündungen steht ein 
kleiner, pilzförmiger Körper, vermuthlich eine Tastpapille (Fig. 11.q). 

Ein Laurer’scher Canal ist nicht vorhanden. Mit Bestimmt- 
heit glaubte ich einen solchen finden zu müssen, da er bei ver- 
schiedenen verwandten Gattungen, wie Tristomum, Onchoeotyle, 
Sphyranura, Diplozoon beschrieben ist, allein weder bei dem un- 
verletzten Thier, noch an Sehnittbildern aller Richtungen bekommt 
man etwas von einem solchen Organ zu Gesicht. van Bene- 
den?) schildert bei Phylline Hippoglossi ein drüsiges Organ, von 
dem er anfangs glaubte, dass es mit den Geschlechtsorganen im 
Zusammenhang stehe, was aber später als nicht richtig erkannt 
wurde; ein ähnliches Organ wurde auch bei Phylline Seiaenae®) 


1) M&moire sur les vers intestinaux. Comptes rend. Acad. sc. Paris, 
suppl. t. II, Paris 1861, pag. 85—34, plche. III Fig. 8. 

2) l. c. pag. 34 und 353, plche. III, Fig. 1, z. 

3) 1. e. pag. 36. Bullet. Acad. roy. sc. lettres et beaux-arts de Belgique, 
t. XXIII, Bruxelles 1855, Nr. 10, pag. 502—508, av. plche. 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorfhi. 175 


gefunden; etwas ähnliches aber sieht man bei Phylline Hendorffii 
auch, hier aber ist es ein langer schmaler Theil der Schalendrüse, 
welche längs der linken oder Aussenseite des Ootyp verläuft, und 
das Vorhandensein einer Schalendrüse ist van Beneden hier 
entgangen. 

Bekanntlich sind die Trematoden und die einzelnen Proglot- 
tiden der Cestoden im Grossen 'und Ganzen nach einem einheit- 
lichen Plan gebaut; eine männliche und eine weibliche Geschlechts- 
öffnung pflegen unmittelbar neben einander zu liegen; aus ersterer 
ergiesst sich das Sperma, letztere lässt die Eier austreten; nur 
einzelne Bothriocephalen mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen 
haben eine besondere Uterus-Mündung, welche die Eier austreten 
lässt und bei Taenia gelangen die Eier erst durch Bersten des 
Uterus in’s Freie. Viele Trematoden führen nun noch andere Oefl- 
nungen der Geschlechtsorgane, denen man, aber sehr mit Unrecht, 
einen gemeinschaftlichen Namen, den eines Laurer’schen Canals, 
gegeben hat. 

Zwei solcher Gänge, welche, wie alle hier zu erwähnenden 
Organe in den Vereinigungspunkt der weiblichen Sexualorgane 
münden, wenn nicht ein anderer Punkt angegeben ist, führt Wier- 
zejski!) bei Calicotyle Kroyeri an, welche an der Bauchseite 
münden und Begattungsgänge genannt werden. Bei Pseudocotyle 
ist der Canal ebenfalls doppelt, er mündet beiderseits neben der 
Mittellinie nach Taschenberg?), welcher ihn Laurer’schen 
Canal nennt. Doppelte, seitlich ausmündende Canäle hat nach 
Zeller?) Polystomum integerrimum, welche Begattungsorgane 
genannt werden. Einen Gang finden wir bei Distomum, wo er 
als Auhang oft ein Receptaculum seminis trägt und nach kurzem 
Verlauf mitten in der Rückenfläche mündet, so bei Distomum hepa- 
ticum (Sommer, Mac&), D. Westermani (Kerbert), D. robustum 
(v. Lorenz), D. erassicolle (Minot), D. eygnoides (Pachinger), 
D. palliatum und D. trigonocephalum (Looss); das Organ wurde 
mitunter mit Sperma gefüllt gefunden und wird oft als Vagina 
bezeichnet; ein seitlich ausmündendes Organ fand Taschenberg 


1) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XXIX, pag. 550. 

2) Weitere Beiträge zur Kenntniss ectoparas. mariner Trematoden. 
Festschr. d. naturf. Gesellsch. Halle 1880. 

3) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. XXVII, pag. 248. 


176 F Dr. v. Linstow: 


bei Tristomum und Onchocotyle; es steht mit dem Receptaculum 
seminis in Verbindung und bei Onchocotyle wie bei Gasterosto- 
mum (Ziegler) ist die Innenwand mit Wimperzellen versehen; 
bei letzterer Form findet sich die Mündung am Rücken. Axine 
hat nach v. Lorenz eine Vagina and einen Laurer’schen Canal 
daneben; bei Diplostomum siamense und pseudostomum findet 
sich die Mündung an der Rückenfläche; bei Diplozoon paradoxum 
wird von Zeller!) ein Gang als Laurer’'scher Canal bezeichnet, 
welcher von dem Vereinigungspunkt der weiblichen Geschlechts- 
organe zu der Geburtswarze des anderen Thieres führt, sich direet 
an die Samenleitermündung desselben legt und Sperma enthält. 
Bei Opisthotrema cochleare steht der Canal ebenfalls mit dem 
Receptaculum seminis in Verbindung und mündet nach Fischer 
nach aussen; bei Sphyranura Osleri mündet nach Ramsay Wright 
und Macallum ein solcher Canal in den Darm, während Ijima 
angibt, dass diese Verbindung mit dem Darm auch bei Diplozoon 
und Polystomum vorhanden ist. Die zweigeschlechtliche Bilharzia 
haematobia soll nach Fritsch auch einen Laurer'schen Canal 
haben; Dipleetanum besitzt nach Vogt einen besonderen Be- 
gattungsgang. Als Inhalt dieses Canals wurde bald nichts gefun- 
den, bald Sperma, Dotterballen und Primordialeier. 

Ohne einen solchen Canal sind bei den Trematoden nach 
Vogt die Gattungen Udonella, Phyllonella, Epibdedella, Dactycotyle, 
Microcotyle, übrigens aber die sämmtlichen Cestoden. 

Es wird somit sicher sein, dass mit dem Worte „Laurer’scher 
Canal“ Organe von verschiedener Bedeutung bezeichnet sind. Wenn 
nun viele Plattwürmer nur zwei Geschlechtsöffnungen haben, so 
ist es zweifellos, dass die weibliche sowohl die Function einer 
Vagina haben, welche das Sperma aufnimmt, als auch als Geburts- 
öffnung der Eier dienen muss. Die Speculationen über die Be- 
deutung des Laurer’schen Canals aber müssen den directen Beob- 
achtungen weichen, deren wir folgende haben: Bei Distomum cir- 
rigerum beobachtete Zaddach eine Selbstbefruchtung; der eri- 
girte Cirrus drang aus dem Cirrusbeutel hervor in die neben ihm 
liegende weibliche Geschlechtsöffnung, zog sich dann wieder zurück 
und drang tiefer hinein, wobei jedesmal Samenergiessungen statt- 
fanden, was mehrere Stunden dauerte, bis die Samenblase halb 


1) Zeitsch. für wissensch. Zoolog. XLVI, pag. 236, 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 177 


geleert war. Looss beobachtete zweimal eine gegenseitige Begat- 
tung bei Distomum elavigerum; die Thiere waren mit den Bauch- 
flächen an einander festgesogen und der Cirrus des einen Exem- 
plars drang in die Vulva des andern hinein und umgekehrt; das- 
selbe sah Cobbold bei Distomum conjunetum aus Canis fulvus. 
Bei Taenia echinococeus sah Leuekart ein Eindringen des Cirrus 
in die daneben liegende weibliche Geschlechtsöffnung und Riehm 
fand bei Dipylidium latissimum ein Eindringen des Cirrus der 
einen Seite in die Vulva der anderen, wobei die breiten Proglot- 
tiden röhrenförmig zusammengebogen waren. 

Es findet also eine Selbstbefruchtung wie auch eine wechsel- 
seitige Begattung statt, immer aber ist es die neben der männ- 
lichen liegende weibliche Oeffnung, in welche das Sperma einge- 
führt wird. Der Laurer’scher Canal aber, der bei Distomum, Di- 
plostomum (Poirier), Amphistomum (Laurer, Stieda), Holosto- 
mum (Verf., Brandes) und anderen Gattungen am Rücken mündet, 
welcher bald Sperma, bald Dotterkügelchen, bald Eierstockseier. 
enthält, welcher bald an der Innenwand flimmert, bald nicht, 
welcher mitunter in den Darm mündet, welcher endlich oft ganz 
fehlt, kann nicht als Vagina bezeichnet werden und wenn bei vor- 
handenem Laurer’schen Canal thatsächlich die neben dem Cirrus 
liegende Oeffnung als Vagina dient, so hat ersterer einen anderen 
Zweck. 

Die Entwicklung von Phylline Hendorffii ist ebenso unbe- 
kannt wie bei den beiden anderen Arten; sie wird eine monogene- 
tische sein und vermutblich werden die Embryonen ein Flimmer- 
kleid besitzen, mit dem sie im Wasser umherschwimmen, da sonst 
eine Neubesiedelung junger Fische nicht gut erklärlich wäre. 

Die drei Arten, Ph. Hendorffii, Hippoglossi und Sei- 
aenae, welche das Genus bilden, sind leicht zu unterscheiden. 
Die Kopfscheiben sind bei Hippoglossi kleiner, bei Seiaenae viel 
kleiner als bei unserer Art, die bei Sciaenae eine strahlige Zeich- 
nung führen. Die Farbe ist bei Sciaenae weisslich mit rothen 
Pigmentflecken, während die beiden anderen Arten farblos sind; 
Hippoglossi und Sciaenae werden bis zu 24, unsere Art nur bis 
gegen Imm lang, bei einer Breite von 12 und resp. 5mm. Die 
Bewaffnung der Schwanzscheibe ist bei den drei Arten sehr ver- 
schieden; bei Hippoglossi ist der mittlere Haken der grösste und 
angelhakenförmig gebogen; der vordere ist nur halb so gross und 


178 Dr. v. Linstow: 


schwach gekrümmt, der hintere sehr klein; bei Sciaenae findet 
man den vorderen Haken als den stärksten, van Beneden ver- 
gleicht ihn mit einem Hundszahn; die beiden hinteren sind etwa 
‘so lang wie der vordere und liegen parallel neben einander als 
zwei gerade Stäbchen. Bei Hippoglossi erstreckt sich eine Aus- 
buchtung der Samenblase in die Cirrusscheide hinein und die Pa- 
pillen der Schwanzscheibe jener beiden Arten fehlen der unsrigen. 

Gefunden wurde Ph. Hippoglossi an den Schuppen von Pleuro- 
neetes hippoglossus oder Hippoglossus maximus und Hipp. gigas 
in der Nord- und Ostsee, Ph. Seiaenae an Sciaenae aquila in der 
Nordsee, unsere, ganz nach demselben Typus gebaute Art aber 
an Coryphaena hippurus an der Küste von Chile. 

Was den Gattungsnamen betrifft, so wurde Hippoglossi 
von Baster in seinem 1759—65 zu Haarlem erschienenen Werke 
Opuscula subseeiva unter dem Namen pedieulorum species zuerst 
beschrieben, O. Müller nannte sie in seiner Zoologia danica Vol. I. 
pag. 18—19, Tab. 54, Fig. 1—4 Havniae 1788, ebenso auch O. Fa- 
brieius in der Fauna groenlandica, Havniae 1780 und €. Linng, 
Systema naturae, ed. XIII, Lipsiae 1788 Hirudo Hippoglossi, welcher 
Name natürlich nicht bleiben kann. Oken bezeichnet die Art in 
seinem Lehrbuch der nat. Geschichte, Leipzig 1515—16, mit Phyl- 
line Hippoglossi, und wenn auch von ihm andere, jetzt in das 
Genus Tristomum gestellte Arten mit zu Phylline gerechnet 
wurden, so kann das doch kein Grund sein, den Namen ganz 
za verlassen und durch die späteren Epibdella, Nitzschia und 
Benedenia zu ersetzen. Der Name Epibdella wurde von de Blain- 
ville in dem Dict. des sc. natur. Vol. XLVII, Paris 1827, pag. 269 
aufgestellt, Diesing’s Genus Benedenia, in welches die Art 
Sciaenae unter dem Namen Benedenia elegans, neben Phylline 
Hippoglossi gestellt wird, ist ganz ungerechtfertigt. 

Die Gattungs-Öharaktere von Phylline sind: Körper von löffel- 
förmiger Gestalt und eiförmigem Umriss, die Bauchfläche concav, 
vorn neben einander zwei kleine, hinten eine grosse Saugscheibe, 
letztere mit drei Paar Haken; hinter der Kopfscheibe ein grosser, 
muskulöser Mund, davor (wenigstens bei Hendorffii) ein Gehirn 
mit vier Ocellen, Darm eine fortlaufende Schlinge bildend; etwa 
in der Mitte des Körpers liegt das Ovarium, dahinter neben ein- 
ander die beiden Haken; vor dem Ovarium etwas links liegt der 
Dottersack, weiter nach vorn links das Ootyp, rechts daneben die 


Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorfhi. 179 


Samenblase, links vom Munde der Cirrus; die Geschleehtsöffnungen 
stehen vorn am Körper links, am Aussenrande der linken Kopf- 
scheibe; das Gefässsystem hat zwei grosse Erweiterungen nach 
hinten und seitlich vom Munde und mündet in eine Oeffnung am 
Hinterende des Körpers; vier starke Bauch- und zwei feinere 
Rückennerven (bei Hendorffii) durchziehen den Körper der Länge 
nach. Die Arten leben an den Schuppen von Meerfischen. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel X und XI. 


Fig. 1. Thier in natürlicher Grösse. 

Fig. Von der Bauchfläche; die blaue Zeichnung giebt das Gefässsystem 
wieder. a linke Kopfscheibe, b Schwanzscheibe, ce Gehirn, d Schlund- 
ganglion, e Mund, f Darm, g Ovarium, h Samenblase, i Hoden, 


18) 


k Dotterblase, 1 Gefässerweiterung, m Porus excretorius. 

Fig. 3. Von der Bauchfläche; die rothe Zeichnung stellt das Nervensystem, 
die Schattirung die Ausbreitung der Dotterstöcke dar. a Gehirn, 
b Schlundganglion, e Dotterblase, d Tastpapille. 

Fig. 4 Haken der Schwanzscheibe, a vordere, b mittlere, c hintere, d und 

e Sehnen. 

Cuticula, Flächenschnitt aus der Rückenfläche, a Drüsen, b Balken- 

gerüst, c Stäbchen. 

Fig. 6. Cuticula, Querschnitt, a Drüsen, b Stäbchen. 

Rindenschicht, Querschnitt aus der Bauchfläche; a Cuticula (Stäb- 

chen), b Subeuticula, e Längsmuskeln, d Ring- und Diagonalmuskeln, 

e Drüsen, f Dotterdrüsen, & Nerv, h Darm. 

Fig. 8. Längs-Sagittalschnitt, etwas seitlich von der Mittellinie; a Mund, 
b Gehirn mit 2 Ocellen, ce Schlundganglion. 

Fig. 9. 2 Ocellen; a Linse, b Pigmentbecher, c glänzendes Kügelchen. 

Fig. 10. Schnitt durch die Wand einer Gefässerweiterung; a Epithel. 

Fig. 11. Die Sexualorgane in ihrem Zusammenhange,;, a Gehirn mit den 
Ocellen, b Schlundganglion, e Mund, d Darm, e Kopfscheibe, f Er- 
weiterung des Vas deferens, g Samenblase, h Cirrus, i männliche 
Geschlechtsöffnung, k Ovarium, 1 Dotterblase, m Receptaculum se- 
minis, n Schalendrüse, o Ootyp, p weibliche Geschlechtsöffnung, 
q Tastpapille. 

Fig. 12. Gruppe von Hodenbläschen; die Buchstaben geben die Reihenfolge 
der Samenentwicklung an. 

Fig. 13. Theil des Vas efferens; a Prostata-Zelle. 

Fig. 14. Primordialeier oder Zellen aus dem Ovarium. 


= 
(er 

os 
ei! 


= 
a 
1 


Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 12 


180 Dr. v. Linstow: Beitrag zur Anatomie von Phylline Hendorffi. 


Fig. 15. Dotterzellen. 
Fig. 16. Zellen der Schalendrüse, 
Fig. 17. Ein Ei; a Keimzelle, b Dotterzellen, e Secret der Schalendrüse. 
Fig. 15. Längs-Sagittalschnitt, links von der Mittellinie; die Gefässe sind blau 
gezeichnet. a linke Kopfscheibe, b Schwanzscheibe, ce Sehne, d Ge- 
fässerweiterung, e Vas deferens, f Dotterdrüsen, & linker Hoden. 
Fig. 19—25. Querschnitte; die Nerven sind roth, die Gefässe blau ein- 
getragen. 
Fig. 19. Durch die Kopfscheiben. 
Fig. 20. Durch den Mund; a Cirrus, b Eiergang, e Dottergang. 
Fig. 21. Durch das Ovarium; a Vas deferens, b Darm, ce Bauch-, d Rücken- 
nerven. 
Fig. 22. Durch die Hoden; a Vas deferens. 
Fig. 23. Durch die Wurzel der Schwanzscheibe; a Rand, b Sehne, c Ver- 
stärkungslamelle. 
Fig. 24. Durch die vorderen Haken der Schwanzscheibe; a Haken. 
Fig. 25. Durch die mittlereu Haken der Schwanzscheibe; a Haken. 


(Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer 
Theilung. 


Von 
Gustav Plainer. 


IV. Die Entstehung und Bedeutung der Nebenkerne im Pan- 
kreas, ein Beitrag zur Lehre von der Sekretion. 


Hierzu Tafel X. 


In den folgenden Zeilen theile ich die Resultate von Unter- 
suchungen mit, die mich schon seit längerer Zeit beschäftigen. 
Diese Beobachtungen sind von solch eigenartiger Beschaffenheit, 
dass man meine Bedenken, welche ich gegen eine allzurasche 
Publikation derselben trug, gerechtfertigt finden wird. Nachdem 
ich jedoch an einer grossen Anzahl von Amphibien und Reptilien 
übereinstimmende Befunde erhalten, nachdem ich sogar die hier 
im Pankreas sich abspielenden Vorgänge in ganz analoger Weise 


Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 181 


in den Malpighi’schen Gefässen der Insekten konstatirt hatte, 
habe ich es um so mehr für meine Pflicht gehalten, meinen früher 
an einigen Stellen gemachten Andeutungen hier eine ausführliche 
Beschreibung folgen zu lassen, als die Art und Weise, wie die 
fraglichen Elemente von Gaule und seinen Schülern zu weitgehen- 
den Spekulationen benutzt werden, es erheischt, einmal eine sorg- 
fältige Kritik zu üben. Eine abschliessende kann diese aber an 
dieser Stelle nicht werden, da ich zunächst noch einen andern 
Abschnitt zu behandeln habe, welcher von den regressiven Meta- 
morphosen des Kerns und des Protoplasmas berichten wird. Das 
Durcheinanderwerfen progressiver und regressiver Prozesse hat 
es Gaule und seinen Anhängern möglich gemacht, eine Verwirrung 
anzurichten, in die es schwer hält Ordnung zu bringen. Zellpara- 
siten in der Form von Hämatozoen und Coceidien spielen auch 
eine Rolle dabei (vergl. 1 und 8) und machen die Verwirrung noch 
grösser. Endlich ist die Einwanderung von Leukocyten noch ein 
Faktor, der”in Betracht gezogen sein will. Die Aufgabe, welche 
ich mir stellte, als ich an die Bearbeitung dieses Themas herantrat, 
war demnach keine leichte. Zudem fielen meine ersten Beobach- 
tungen in eine Zeit, wo unter dem Eindruck der epochemachen- 
den Entdeckungen W. Flemming’s gegen alle Art von Zelltheilung, 
welche nicht unter das von ihm aufgestellte Schema fiel, man nur 
zu leicht geneigt war, grosses Misstrauen zu hegen. In letzterer 
Beziehung ist erfreulicher Weise ein Umschwung eingetreten und 
auch von anderer Seite ist der Boden geebnet, auf dem ich mich 
zu bewegen habe und manches Hinderniss hinweggeräumt. Ich 
bin seit fünf Jahren mit dem Studium der Zelle und ihrer Bestand- 
theile beschäftigt und kann nichts anderes sagen, als wir sind noch 
weit entfernt von einer auch nur oberflächlichen Kenntniss derselben. 
Ich habe mich immer wieder von der Wahrheit des alten Satzes 
des Aristoteles überzeugen müssen: „Man muss der Beobachtung 
mehr Glauben schenken als der Theorie, und dieser letztern nur 
dann glauben, wenn sie zu den gleichen Resultaten führt wie die 
Erfahrung.“ Allen denen, welche im Schema ihr Heil suchen, 
möchte ich diesen Grundsatz des alten griechischen Forschers ein- 
dringlich vorhalten. Ich bin überzeugt, dass ich mit meinen An- 
gaben vielfachen Widerspruch erfahren werde. Hier kann ich 
nur den einen Rath geben: nachzuuntersuchen und zwar an geeig- 
neten Objekten, wie ich sie unten namhaft machen werde. 


182 Gustav Platner: 


Die besten und klarsten Resultate geben hier wieder die 
wirbellosen Thiere und doch werden diese bei derartigen Fragen 
mit einer Constanz vermieden, die Erstaunen erregt. Man quält 
sich mit den kleinsten Zellen, mit den schwierigsten Objekten, 
sieht einiges, übersieht das Meiste und stellt in die Lücken kühne 
Combinationen, die dann das Fehlende ersetzen müssen. 

Was nun zunächst meine Methode anlangt, so verwendete 
ich zur Härtung die oft bewährte stärkere Chrom-Osmium-Essig- 
säure-Mischung (Flemming), sowie Kleinenberg’sche Pikrin- 
schwefelsäure z. Th. mit Zusatz von Chromsäure. Gefärbt wurde 
mit Safranin, Hämatoxylin, Alauncarmin, Boraxcarmin, sowie end- 
lich mit dem von mir als Kernschwarz (13) beschriebenen Farb- 
stoffe. Ich gebrauchte stets nur eine Tinktion für sich. Die kom- 
binirte Färbung, wie sie die Methode von Gaule erheischt, halte 
ich für völlig überflüssig. 

Es kamen zur Untersuchung das Pankreas von I Chelonia: 
Emys europaea, Testudo graeca; II Sauria: Lacerta vivipara, An- 
suis fragilis; III Ophidia: Tropidonotus natrix, Coronella laevis. 
IV Anura: Rana esculenta, R. arvalis, R. fusca, Alytes obstetricans, 
Pelobates fusecus, Bombinator igneus, Bufo ceinereus; V Urodela: 
Triton taeniatus, Salamandra maculata, Siredon pisciformis. 

Bei sämmtlichen Thieren konnten die Nebenkerne in grösserer 
oder geringerer Anzahl nachgewiesen werden. Die grosse Zahl 
verschiedener Vertreter der meisten Klassen der Amphibien und 
Reptilien, welche ich durchforschte, gestattet demnach wohl den 
Schluss, dass die Nebenkerne im Pankreas von Amphibien und 
Reptilien ein regelmässiges Vorkommniss bilden. Die Malpighi- 
schen Gefässe von Hydrophilus piceus und Dytiscus marginalis 
zeigten analoge, wenn auch in einzelnen noch näher zu erörternden 
Punkten abweichende Verhältnisse. Bei ihnen sowie bei dem 
Salamander habe ich nun /die Entstehung und Bedeutung der 
Nebenkerne näher untersucht. Die Gründe hierfür liegen in der 
ausgezeichneten Beschaffenheit der Zellen dieser Thiere für solche 
Zwecke. Die Zellen der Malpighi’schen Gefässe übertreffen die 
des Salamanders beinahe noch um das Vierfache, sind also ein 
ausgezeichnetes Objekt. Dabei bedürfen sie nur einer einfachen 
Vorbereitung, da man die Schläuche ohne weitere Zerkleinerung 
direkt untersuchen kann. Ihr Durchmesser fasst nur zwei Zellen. 
Man hat die letzteren also in toto vor sich, braucht nicht zu 


Oo 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 183 


fürchten, dass durch das Schneiden Verletzungen entstehen oder 
wesentliche Theile der Beobachtung, indem sie auf verschiedene 
Schnitte fallen, entzogen werden. 


Im Hüngerzustande sind diese Zellen nahezu gleich gross. 
Sie zeigen einen hyalinen, ziemlich breiten Saum als äussere Be- 
srenzung, der nur an der breiten Basis, wo sie der Drüsenwand 
aufsitzen, und an den Stellen, wo zwei benachbarte mit einander 
zusammenhängen, fehlt. Das Protoplasma ist von einem braunen 
körnigen Pigment durchsetzt, das um den grossen ovalen Kern 
unregelmässig angehäuft erscheint. Der letztere ist körnig, trägt 
ein oder mehrere Nukleolen und einige grössere Chromatinbrocken. 
Eingefasst wird derselbe von einer zarten Membran. Die nähern 
Details so wie die Art seiner Theilung habe ich in meinem vorigen 
Beitrag genauer beschrieben, worauf ich hier verweisen möchte. 
Die Sekretion wird nun damit eingeleitet, dass sich im respektive 
aus dem Protoplasma eine grössere Anzahl kugeliger Elemente, 
Sekrettropfen bilden. Die Zelle besitzt im Allgemeinen die Gestalt 
eines abgestumpften Kegels mit breiter Basis. Das obere Ende 
dieses Kegels würde dasjenige sein, wo dieser Prozess sich zu- 
erst markirt. Diese Sekrettropfen entsprechen völlig den Elementen, 
die sich in den Leberzellen der Mollusken finden. Auf dieses 
besser bekannte Objekt, das auch ich oft gesehen habe, kann ich 
mich also bei meinen Vergleichen beziehen. Wie bei diesem tritt 
schliesslich ein Schwund der Kernmembran an dem in das Drüsen- 
lumen hineinragenden Theil der Zelle auf. Die Sekrettropfen 
kommen damit in dieses zu liegen. 

Die Beschaffenheit der Sekrettropfen, hinsichtlich derer auch 
Frenzel (5, 6) für den Mitteldarm der Insekten genauere Angaben 
macht, ist nun folgende: Dieselben sind meist völlig kugelig, von 
wechselnder Grösse und glänzend. Kernfarbstoffe nehmen sie bis 
zu einem gewissen, jedoch wechselnden Grade etwas an. Im Innern 
erkennt man zuweilen eine netzförmige oder körnige Struktur, die 
ich aber für eine Reagentienwirkung zu halten geneigt bin. Diese 
Sekrettropfen gelangen nun durch Schwund der Kernmembran in 
das Lumen der Drüse. Dass hierbei die ganze Zelle häufig zu 
Grunde geht, scheint sicher. Ich stimme also Frenzel bei, wenn 
er in ähnlicher Weise von den Zellen des Mitteldarms sich äussert: 
„Sie müssen demnach, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, die 


184 Gustav Platner: 


von ihnen gebildeten und zur Verdauung nöthigen Stoffe aus- 
scheiden. 

Wie dies nun geschieht mag nicht in allen Fällen gleich sein. 
Wo aber mehr oder minder grosse, geformte und feste Sekretmassen 
sich angehäuft haben, was ja, wie wir gesehen haben, am häufig- 
sten der Fall ist, können diese nicht anders frei werden, als in- 
dem sie den vor ihnen liegenden Theil der Zelle zerstören; und 
da nicht selten der ganze Zellleib diebt von ihnen angefüllt wird, 
wie bei vielen Käfern, Hymenopteren, Raupen u. Ss. w., so muss 
man zu dem Schluss gelangen, dass die ganze Zelle bei dieser 
Sekretion zu Grunde geht“ (l. ec. p. 301.) So ganz einfach ist nun 
aber der Verlauf der Sekretion nicht. Ausser dem Protoplasma 
betheiligt sieh auch noch der Kern daran. Der Bildung der Sekret- 
tropfen vorausgehend oder noch mit ihr zusammenfallend, bemerkt 
man eigenthümliche Veränderungen an ihm, die auch Frenzel 
nicht entgangen sind und von ihm als „Kernsprossung“ (l. ce. p. 181) 
bezeichnet werden. Er hat dieses bei Astacus beobachtet. Es ist 
mir sehr angenehm, wenigstens in der Feststellung einiger Punkte, 
hier einen Vorgänger zu haben. Dieses erwähnte sonderbare Phä- 
nomen ist nun streng von der direkten Kerntheilung zu trennen. 
Das abgeschnürte Kernstück bildet sich nicht zum selbständigen 
neuen Kern um, sondern wird ein Sekretstoff. Die direkte Kern- 
theilung, die auch von Frenzel genau beobachtet ist, führt meist 
zu zwei für das Augenmaass an Grösse gleichen Kernen. Die Kern- 
sprossung — ich adoptire gern diesen Ausdruck Frenzel’s — 
führt hingegen zur Bildung des Nebenkerns. 

Was nun die Bedeutung dieses Elementes anlangt, so könnte 
die von Nussbaum gefundene Thatsache, dass derselbe beson- 
ders nach einer längern reichlichen Fütterung in der darauf folgen- 
den Carenzzeit und zwar, wie der genannte Forscher mittheilt, 
etwa am vierten Tage sich reichlich findet, während längere Zeit 
hungernde Thiere ihn nur selten zeigen, zu der Ansicht verleiten, 
man habe es hier mit einer Erscheinung zu thun, welche der Aus- 
fluss einer überreichen Ernährung der Thiere sei. Es wäre ja 
möglich, dass der Kern sich des ihm in Fülle dargebotenen und 
assimilirten Materials in dieser Form wieder entledige. Das Auf- 
treten von sogar diffus im Kernsaft vertheiltem Chromatin spricht 
sehr für eine Vermehrung der specifischen Kernsubstanz. Eine 
solche findet also zweifellos statt. In wie weit die Nebenkern- 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 185 


bildung dazu dient, diesen Ueberfluss wieder zu eliminiren, darüber 
vermag jedoch das Experiment Aufschluss zu geben, welches Ogata 
machte (12). Dieser zeigte, dass Pilocarpineinspritzung eine be- 
trächtliche Vermehrung der Nebenkerne zur Folge hatte. Ich fand 
auch bei frisch eingefangenen Thieren oft eine grosse Menge Neben- 
kerne und bin daher der Meinung, dass man es hier mit einem 
Produkt der Sekretion zu thun hat, wenn ich auch anerkennen muss, 
dass weitere Beobachtungen und Experimente zur definitiven Fest- 
stellung dieser Sache noch recht erwünscht scheinen. 

» Nach seiner Abstossung vom Kern lässt sich unter den Sekret- 
massen der Malpighi’schen Gefässzellen der Nebenkern nur schlecht 
verfolgen, um so besser gelingt es im Pankreas. Da der Process 
der Kernsprossung jedoch hier genau gleicher Weise verläuft, wie 
in den Zellen der Malpighi’schen Gefässe, so können beide Ob- 
jekte gemeinsam abgehandelt werden. In den zur Erläuterung 
dienenden Abbildungen habe ich nun mit peinlichster Genauigkeit 
unter steter Zuhülfenahme des Prismas diese Vorgänge der Natur 
getreu zu kopiren mich bemüht, wie es die Wichtigkeit dieses 
Gegenstandes verlangt. 

Der Nebenkern im Pankreas wurde bei Salamandra maculata, 
ebenso im Hepatopankreas von Astacus von Nussbaum (10) 
entdeckt. Die historischen Data hierüber habe ich schon früher (13) 
zusammengestellt, worauf ich hier verweisen kann. Etwas später 
fand den Nebenkern Gaule (7) beim Frosch und andern Amphi- 
bien in demselben Organ. Meine ersten Beobachtungen darüber 
machte ich bei Anguis fragilis (13). 

Die besten Bilder des Nebenkerns und seiner Bildung liefert 
unstreitig das Pankreas von Salamandra maculata. Der Axolotl 
steht auf gleicher Stufe, ist aber zu kostspielig als Untersuchungs- 
material. Die Bildung des Nebenkerns kann ferner in ausgezeich- 
neter Form an den grossen Kernen der Malpighi’schen Gefässe 
wahrgenommen werden. 

Wenn hinsichtlich des Termins des Auftretens”der Nebenkerne 
nach der letzten Fütterung ein Unterschied zwischen meinen Re- 
sultaten und denen Nussbaum’s sich ergeben hat, so ist folgen- 
der Umstand zu beachten. Ich habe meine Salamander stets ’mit 
Insekten, wie Käfern, Asseln, grossen Fliegen, denen ich die Flügel 
abgeschnitten hatte, ete. gefüttert. Dieselben zeigten einen grossen 
Appetit und frassen soviel sie erhaschen konnten. Ich wollte ein- 


186 Gustav Platner: 


mal die natürlichen Bedingungen möglichst herstellen und sodann 
dachte ich mir, dass die schwer verdaulichen Chitinhüllen der ge- 
nannten Kerfe vielleicht auch noch durch mechanische Reizung die 
Sekretion befördern könnten. Ich fand oft nach vier Tagen noch die 
genossene Nahrung zum Theil im Magen vor. Nussbaum hat, 
so viel ich aus persönlicher Mittheilung weiss, mit Fleisch seine 
Salamander gefüttert; das wird natürlich rascher verdaut, worauf 
wohl seine kürzern Zeitangaben beruhen. 

Ich beginne die Schilderung meiner Beobachtungen mit dem 
Stadium der erschöpften Drüsenzellen. Diese letzteren zeichnen sich 
aus durch ein sehr spärliches Protoplasma. Die äussern Contouren 
der Zelle sind unregelmässig. Die sonst so schön hervortretende 
regelmässige Anordnung in den Alveolen ist völlig verwischt. Auch 
der Kern zeigt eine wechselnde unregelmässige Form, er ist wie 
zusammengefallen mit Einbuchtungen und Höckern versehen. Das 
Nächste was an ihm zu bemerken ist, ist eine ausserordentliche 
Steigerung der Tinktionsfähigkeit des Kernsaftes, wodurch das Ge- 
rüstwerk undeutlich gemacht wird. Derartige Kerne leuchten in 
den mit Safranin gefärbten Präparaten mit dunkelrother Farbe 
hervor und zeichnen sich dadurch vor den andern Kernen, da 
stets die Alveolen verschiedene Stadien erkennen lassen, charakte- 
ristisch aus. Nach diesen unregelmässigen intensiv gefärbten und 
wegen des geringen Protoplasmas in Haufen nahe beisammen- 
liegenden Kernen gilt es vor allen Dingen zu suchen, wenn man 
die Entwicklung des Nebenkerns beobachten will. An einem sol- 
chen Kern nimmt, während die andern Höcker verschwinden, eine 
Hervorragung alsbald eine besondere Form an. Das ganze im 
Kernsaft aufgestapelte Chromatin wandert in sie hinein, so dass 
sie als dunkelrothe Knospe dem mehr und mehr zur normalen 
Beschaffenheit zurückkehrenden, das heisst einen unfärbbareu Kern- 
saft zeigenden übrigen Theil des Kerns aufsitzt. Dieser Prozess 
findet sich genau in der gleichen Weise, wenn auch etwas kürzer, 
von Davidoff beschrieben für die Zellen des Darmepithels, scheint 
sich also auch hier zu finden (2). 

Diese Knospe des Kerns hat eine mannigfaltige, von Zelle 
zu Zelle wechselnde Form. Sie ist grösser oder kleiner, bald ein- 
fach abgerundet, bald zwei- oder dreizackig, kleeblattförmig ete. 
Die Kernmembran überzieht dieselbe meist noch. Oft erscheint 
dieselbe aber auch geschwunden und der Inhalt der Kernsprosse 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 137 


liegt als fadiges oder gewundenes, oft zum Theil in Körner auf- 
gelöstes, aber zunächst noch gefärbtes Element direkt im Proto- 
plasma (Fig. 1, Taf. XII). Die Gerüstfäden des Kerns erscheinen 
in diesen Auswuchs wie hineingezehrt, so dass sie strahlig nach 
dem sich mehr und mehr einschnürenden Stiel desselben zusammen- 
laufen (Fig. 1u.7). Weiterhin trennt sich das sonderbare Gebilde 
vom Kern und verliert alsbald auch seine Tinktionsfähigkeit. 
Dies scheint nicht sofort in ganzer Ausdehnung zu geschehen. 
Ich habe solche Nebenkerne, wie man sie jetzt nennen kann, zum 
Theil noch gefärbt, zum Theil blass gefunden (Fig. 4). Nur Häma- 
toxylin und Kernsehwarz verleihen ihnen auch jetzt noch eine dunkle 
Färbung. Hand in Hand gehend mit diesen Veränderungen hat sich 
auch das Protoplasma der Zelle wieder vermehrt und gewinnt letztere 
ihr früheres Volumen allmählich wieder. Die beschriebenen Ver- 
änderungen des Kerns finden sich nie vereinzelt, sondern stets bei 
einer grössern Anzahl beisammenliegender Zellen zugleich, doch oft 
nicht genau auf demselben Stadium. Sehr schöne Bilder ergeben 
auch die Malpighi’schen Gefässe. Auch hier bemerkt man die 
wechselvollen Formen, die intensive Anhäufung von gelöstem Chro- 
matin an diesen Elementen. Diese entwickeln sich hier meist nach 
dem in das Lumen der Drüse hineinragenden Ende der Zelle hin. 
Im Pankreas findet man die geschilderten Verhältnisse am häufigsten 
gegen den 7. bis 8. Tag nach der letzten Fütterung, selbstverständ- 
lich nur in einer beschränkten Anzahl von Alveolis, da die ein- 
zelnen Drüsenabsehnitte beträchtliche zeitliche Schwankungen in 
ihrer Funktion und Entwicklung zeigen und anderseits das be- 
schriebene Phänomen rasch vorüber zu gehen scheint. Am 10. bis 
11. Tage kann man sicher sein, nahezu in jeder Zelle einen auf 
diese Weise gebildeten Nebenkern zu treffen, da dieselben sich 
auch in den nicht völlig erschöpften Zellen entwickeln, andere 
solche sie von früherher noch besitzen. 

Bei den Anuren und Reptilien wird die Beobachtung dadurch 
erschwert, dass wegen des beschränkten Raumes in der Zelle 
die sich bildenden Nebenkerne sich kappenförmig dem Kern auf- 
lagern, so dass ich bei Anguis früher zu der Ansicht gelangen 
konnte, es seien durch Scheidewandbildung abgetrennte Kern- 
theile, doch gelang es mir auch hier das geschilderte Verhalten 
festzustellen. | 

Im ausgebildeten Zustande liegen nun die Nebenkerne stets 


188 Gustav Platner: 


in dem der Alveolenwand benachbarten Theil der Zelle, wie dies 
auch schon Nussbaum beschreibt. Die Zellen zeigen auf diesem 
Stadium etwas unter mittlerer Grösse. Zymogenkörnchen sind in 
ihnen nur spärlich oder gar nicht vorhanden. Die Form der 
Alveolen mit ihrem centralen Lumen fängt wieder an sich schärfer 
auszubilden. Die regressive Metamorphose des Nebenkerns und 
das stärkere Auftreten von Zymogenkörnchen schreiten nun gleich- 
mässig fort. Bevor ich näher hierauf eingehe, möchte ich die 
Form und Zahl der Nebenkerne erst noch kurz besprechen. Meist 
findet sich in der Zelle nur eines dieser Elemente, häufig trifft 
man deren auch zwei, drei oder noch mehrere, die dann etwa zu- 
sammen dem Volumen eines einzelnen entsprechen. Sie sind ge- 
baut wie der solitäre Nebenkern, blätterig oder lockig gewunden, 
breit oder schmal, abgerundet oder länglich, von wechselnden 
äusseren Umrissen, wie dies auch schon Nussbaum erkannt hat. 
Bei den Anuren und Reptilien sind die Nebenkerne meist halb- 
mondförmig, der dem Drüsenlumen abgewendeten Seite des Kerns 
kappenförmig aufsitzend. Kernschwarz und Hämatoxylin verleiht 
ihnen insgemein eine dunkle Färbung (Fig. 8—10). 

Mit dem stärkern Auftreten der Zymogenkörnchen in dem in 
Bezug auf den Alveolus centralen Theil der Zelle nimmt das Vo- 
lumen der letzteren mehr und mehr zu. Die Tinktionsfähigkeit 
des Kerns wird eine geringere, er erscheint blass und nur die 
stärkern Chromatinkörner des Gerüstes treten deutlich noch hervor. 
Auffallend ist im Gegensatz dazu die oft ziemlich intensive Fär- 
bung der Zymogenkörner mit Safranin. Der Nebenkern wird blasser 
bei Hämatoxylinfärbung, sein Volumen geringer; schliesslich scheint 
er ganz geschwunden und nur unter den Zymogenkörnern des 
centralen Theils nimmt man noch zuweilen einige fädige Reste 
desselben wahr. Er ist also in diesen Zelltheil hineingerückt. 
Weiterhin sind auch diese Spuren verschwunden. Die Zelle ist 
mit Zymogenkörnern stark gefüllt, ihre Ausdehnung hat ihr Maxi- 
mum erreicht. 

Der Kern ist blass tingirt, wenig hervortretend. Die Zellen 
sind jetzt zur Funktion reif, tritt diese ein, so schrumpfen sie 
wieder zusammen auf das anfangs beschriebene Volumen. Diese 
Betheiligung an der Sekretion macht es erklärlich, dass man den 
Nebenkern bei längere Zeit hungernden Thieren, wie auch schon 
Nussbaum ermittelt hat, selten trifft, dass er sich am zahl- 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 189 


reichsten nach einer vorangegangenen guten Fütterung findet. Frei- 
lich sind nicht alle Alveoli auf dem gleichen Stadium zu treffen, 
sie zeigen vielmehr ein recht wechselndes Verhalten. 


In den Malphighi’schen Gefässen lässt sich der Nebenkern 
schlecht verfolgen; da sein Uebergang unter die aus der Zelle aus- 
tretenden grossen Sekretkugeln seine Auffindung sehr erschwert. 
Ich hoffe aber an Schnittpräparaten auch hier in sein Verhalten 
noch näher eindringen zu können. Von den in diesen Organen 
vorkommenden direkten Theilungen mit ungleichen Hälften, die 
sich wenn auch selten finden, ist der Sprossungsprozess, der den 
Nebenkern liefert, leicht zu trennen. Die Theilungsprodukte der 
Kerndurchschnürung sind, abgesehen von der Grösse und der dieser 
entsprechenden Nucleolenzahl, einander völlig gleich in Tinktions- 
fähigkeit und äusserm Habitus, dabei stets abgerundet, nie lappig 
oder gezackt, fallen ausserdem immer in die Pause nach der 
Sekretion, wo die Regeneration auftritt. 

Im Pankreas des Salamanders findet der Ersatz der zu Grunde 
gehenden Zellen durch reguläre Mitosen statt, die ich oft in vor- 
züglich konservirtem Zustande vorfand. 

Einen Punkt möchte ich der Vollständigkeit halber hier noch 
kurz erörtern. Bei der starken Inanspruchnahme der Zellen ist 
es erklärlich, dass sie rasch abgenutzt werden und dann absterben. 
Es weisen hierauf auch die zahlreich sich findenden Mitosen hin, 
welche einen Ersatz schaffen. Ich musste demnach auch darauf 
gefasst sein, regressiven Metamorphosen der Zellen zu begegnen. 
Dies ist in der That der Fall und sie sind interessant genug, um 
ihnen, abgesehen davon, dass ich diesem Thema ein besonderes 
Kapitel widmen werde, hier einen kleinen Platz zu gönnen. 


Flemming hat den regressiven Kernveränderungen den 
Namen „Chromatolyse“ gegeben und ihrer auch in seiner letzten 
Abhandlung wieder erwähnt (4). 


Der Prozess führt zunächst zur Bildung meist kugeliger 
grösserer und kleinerer Elemente, die zunächst sich noch färben, 
später aber die Aufnahme des Safranins verweigern. Dieser 
Schwund der Tinktionsfähigkeit ist nun ein zunächst lokalbe- 
schränkter und äusserst wechselvolle bizarre Figuren hervorbrin- 
gender Prozess. Eine Anzahl derselben habe ich in den beige- 
fügten Figuren wiedergegeben. Wer nach mehr verlangt findet 


190 Gustav Platner: 


bei Lukjanow (9) eine vollständigere Aufzählung und Beschrei- 
bung derselben. 

Höchst auffallender Weise kann dieser regressive Prozess zu- 
nächst nur einen Theil des Kerns befallen, was ich als partielle 
Chromatolyse bezeichnen möchte. Flemming (3) nennt die jetzt 
zu beschreibenden Elemente: „tingible Körper“. Der Kern zeigt 
von scharfen Rändern begrenzte, wie mit einem Locheisen ausge- 
schlagene und der Membran zunächst entbehrende Lücken, in 
welchen die kugeligen Elemente der Chromatolyse liegen. Weiter- 
hin kann wieder eine Abrundung des Kerns und Neubildung seiner 
Membran stattfinden. Ob er sich aber auf die Dauer erhalten 
kann, möchte ich stark bezweifeln. In wie weit ferner an der 
Bildung der in Rede stehenden eigenthümlichen Elemente einge- 
wanderte weisse Blutkörperchen einen Antheil haben, konnte ich 
nicht feststellen. Heidenhain (8) hat neuerdings über derartige 
Fälle in den Darmepithelien des Salamanders berichtet. Derselbe 
Autor hat ebenfalls die höchst eigenthümlichen Bilder beschrieben, 
welche die Gegenwart eines Parasiten, eines Coceidiums in den 
Kernen hervorruft. Ueber die von Gaule (7) beobachteten Häma- 
tozoön, die dieser den Nebenkernen einreihte und Cytozo@n nannte, 
haben die Arbeiten Danilewsky’s (1) Aufschluss gebracht. 

Was nun noch schliesslich das Auswandern des Kernkörper- 
chens aus dem Kern anlangt, wie es Ogata (12) beschreibt, so habe 
ich dergleichen. Bilder auch erhalten, aber merkwürdiger Weise nur an 
Paraffinschnitten, der bekannten Methode Gaule’s. Bei Celloidin- 
einbettung fehlten sie. Als ich später die Ovarien von Aulosto- 
mum in Paraffin schnitt, habe ich sehr häufig den Keimfleck durch 
eine Lücke der Kernmembran ausgetreten gesehen, mich aber 
auch überzeugt, dass ihn das Messer herausgerissen hatte und das 
Gleiche gilt auch von dem obigen Befund. Derselbe ist also ein 
Artefakt. 

Dass die Produkte der Chromatolyse, die ich hier nur vor- 
läufig abgehandelt habe, natürlich bei ihrer weitern Veränderung 
gegen Farbstoffe in der verschiedensten Weise reagiren, dürfte 
leicht verständlich sein; deshalb aber in ihnen Dinge besonderer 
Art erkennen zu wollen und mit besondern Namen zu belegen, 
wie es Lukjanow gethan hat, halte ich für verfehlt und kann 
mich daher auch nicht für die von diesem Autor verwandte Fär- 
bung begeistern. In wie weit die Chromatolyse bei der Sekretion 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. ° 191 


eine Rolle spielt, lässt sich noch nicht entscheiden. Im Pankreas 
dürfte sie bei ihrem spärlichen Vorkommen dies nur in unterge- 
ordnetem Maasse thun. 

Zum Schlusse möchte ich noch bemerken, dass in den Details 
meiner Untersuchungen wohl Vieles wird nachzutragen sein. Für 
mich hat es sich zunächst nur darum gehandelt, über die an der 
Zelle und ihrem Kern wahrnehmbaren Veränderungen eine Ueber- 
sicht zu gewinnen. Dabei mussten hauptsächlich die Geschlechts- 
zellen und die Drüsenzellen in Betracht kommen; da bei den 
andern Geweben die Verhältnisse weit einfacher liegen. Mit den 
genannten Elementen habe ich mich daher auch bisher am ein- 
gehendsten befasst und wünsche nichts mehr, als dass sich mög- 
lichst bald Jemand finden möge, der die gewonnenen Resultate 
einer Prüfung werth erachtet. Ich habe mich bemüht, überali die 
günstigsten Objekte ausfindig zu machen und die Methode zu einer 
möglichst sichern zu gestalten. Möge man nicht vergessen, dass 
die Pionierarbeit in einem neuentdeckten Gebiet eine mühselige 
ist. Der Nachuntersucher hat es weit leichter. 


Literatur. 


1) Danilewsky, B., Die Hämatozoön der Kaltblüter. Arch. f. 
mikrosk. Anat. Bd. XXIV, p. 583—599. Taf. XXVIIA. 1885. 

2) Davidoff, M.v., Untersuchungen über die Beziehungen des Darm- 
epithels zum Iymphoiden Gewebe. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIX, p. 495 
bis 525, Taf. XXX und XXXI. 1887. 

3) Flemming, W., Studien über Regeneration der Gewebe. I. Arch. 
f. mikrosk. Anat. Bd. XXIV. p. 50—92. Taf. IV. 1885. 

4) Flemming, W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. 
f. mikrosk. Anat. Bd. XXIX. p. 3539—464. Taf. XXIII—XXVI. 1887. 

5) Frenzel, J., Ueber den Darmkanal der Crustaceen nebst Bemer- 
kungen zur Epithelregeneration. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXV. p. 157—191. 
Taf. VIII und IX. 1885. 

6) Frenzel, J., Einiges über den Mitteldarm der Insekten, sowie 
über Epithelregeneration. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 229—307. 
Taf. VI—IX. 1886. 

7) Gaule, Kerne, Nebenkerne und Cytozo@ön. Centralblatt f. d. medic. 
Wissenschaften. Nr. 31. 1881. 


192 Gustav Platner: 


8) Heidenhain, Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünn - 
darmschleimhaut. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiologie. Bd. XLII. 
. Supplementheft. 1888. 

9) Lukjanow, S. M., Beiträge zur Morphologie der Zelle. Arch. f. 
Anat. und Phys. Suppl.-Bd. p. 66—90. 1887. 

10) Nussbaum, Sitzungsberichte der niederrh. Gesellschaft für Natur- 
und Heilkunde. p. 183. 1881. 

11) Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. 
Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI. p. 343. 1882. 

12) Ogata, Masanori, Die Veränderungen der Pankreaszellen bei 
der Sekretion. Arch. f. Anat. und Physiol. Phys. Abth. p. 405—437. 1883. 

13) Platner, G., Ueber die Entstehung des Nebenkerns und seine 
Beziehung zur Kerntheilung. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXVI. p. 343— 
369. Taf. XIV. 1886. 

14) Platner, G., Mittheilungen zur histologisehen Technik. Zeitschr. 
f. wiss. Mikrosk. ete. Bd. IV. p. 349—452. 1887. 


V. Samenbildung und Zelltheilung im Hoden der 
Schmetterlinge. 


Hierzu Tafel XII. 


Die vorliegende Mittheilung über die Spermatogenese bei den 
Lepidopteren kann nicht beanspruchen, dieses Thema erschöpfend 
zu behandeln. Die Resultate wurden ausschliesslich an Schnitten 
gewonnen und bedürfen noch der Ergänzung durch Beobachtungen 
an Dissociationspräparaten. Die principiell wichtigen Punkte, auf 
deren Feststellung es mir am meisten ankam, lassen sich jedoch 
durch erstere Methode mit genügender Vollständigkeit eruiren. Es 
liess sich dreierlei als sicher nachweisen: erstlich, dass das Centro- 
soma zum Spitzentheil des Spermatosoms wird; sodann, dass der 
Rest des Kopfes lediglich aus dem Chromatin des Kerns der Sper- 
matide hervorgeht; endlich, dass der aus der Substanz der Spindel- 
fasern hervorgehende Nebenkern zur Umhüllung des Axenfadens 
verwandt wird. 

Bevor ich auf die Details näher eingehe, möchte ich zur 
besseren Orientirung einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken. 
Ich habe mich bei meinen Untersuchungen mehr und mehr davon 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 193 


überzeugt, dass bestimmte Generationen der samenbildenden Zellen 
sich durch charakteristische Merkmale sowohl in ihrer Form, als 
auch besonders in dem Modus ihrer Theilung streng von den übri- 
gen unterscheiden. Die von v. la Valette St. George einge- 
führte sehr brauchbare und auch allgemein angenommene Nomen- 
klatur liefert eine genügende Anzahl von Bezeichnungen, die ich 
nur an bestimmte Generationen der Zellen geknüpft wissen möchte 
und zwar nach folgendem Schema: 

1) Letzte Zellgeneration: Spermatiden, Samenausbildungszellen, 

2) vorletzte Zellgeneration ) Spermatocyten II. Ordnung. 


drittletzte j Samenvermehrungszellen I. Ord- 
nung. 
3) frühere Zellgenerationen: Spermatogonien. Stammsamen- 
zellen. 


Die Spermatocyten entsprechen den Eiern. Die zwei Thei- 
lungen, welche sie noch eingehen, denen der beiden Richtungs- 
spindeln. In beiden Fällen findet eine Reduktion der chromatischen 
Substanz auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Quantität statt, in- 
dem die zweite Theilung ohne eingeschaltetes Ruhestadium sofort 
-an die vorhergehende sich anschliesst. Was nun die Kennzeichen 
anlangt, welche die Spermatocyten von den Spermatogonien zu 
unterscheiden gestatten, so sind dies folgende. Zunächst zeichnen 
sich die Spermatocyten durch ihre beträchtliche Grösse aus, be- 
sonders ist auch noch das Protoplasma im Verhältniss zum Kern 
sehr vermehrt. Diese Differenzen sind bei den von mir unter- 
suchten Lepidopteren so bedeutende, dass sie allein schon genügen, 
um die betreffende Zellart sofort erkennen zu lassen. Da bei diesen 
Thieren das Auftreten der grossen Spermatocyten mit dem Beginn 
der wärmeren Jahreszeit zusammenfällt, so könnte man hierin eine 
Ursache für dieses plötzliche starke Zellwachsthum erblieken, in- 
dessen müssten dann alle Spermatogonien zugleich diese Verände- 
rung eingehen, was, wie ich früher gezeigt habe, nicht der Fall 
ist. Als bedingendes Moment kann man immerhin das Steigen der 
Temperatur gelten lassen. Bei den Pulmonaten findet der Ueber- 
gang mehr allmählich statt. Die Unterscheidung der einzelnen 
Zellgenerationen wird dadurch eine viel schwierigere. Hier muss 
ein anderes Merkmal bei der Beurtheilung mehr berücksichtigt 
werden. Es ist dies die Differenz in dem Theilungsmodus der 
Spermatocyten und Spermatogonien. Bei den Lepidopteren lässt 


194 Gustav Platner: 


sich ohne Mühe bei der Theilung der letzteren Zellen das Vor- 
kommen regulärer Knäuel und Schleifen feststellen, die, wie meine 
’frühern Untersuchungen ergeben haben, bei der Theilung der 
Spermatocyten völlig fehlen. 

Es ist mir wie Prenant (11) völlig unmöglich gewesen, die 
in der Zwitterdrüse der Pulmonaten sich findenden Theilungsphasen 
in eine einzige Reihe zu bringen. Mit Leichtigkeit gelingt dieses 
aber, wenn man mit Rücksicht auf die leicht festzustellenden 
Verhältnisse bei den Lepidopteren den Spermatogonien einen an- 
dern Theilungsmodus zuschreibt als den Spermatocyten. Man 
kommt damit zur Aufstellung zweier verschiedener Theilungsreihen, 
wie dies auch Prenant schon gethan hat. Hat man auf diesem 
Wege aber erst einmal den ersten Schritt gethan, so gelingt es 
leicht, auch noch weitere Merkmale aufzufinden, welche die Be- 
rechtigung einer solchen Scheidung dokumentiren. 

Ich kann mich hier noch nicht näher darauf einlassen, diese 
Verhältnisse eingehender zu behandeln, sondern werde in einer 
speziellen Abhandlung darauf zurückkommen. Hier mag es genügen 
zu betonen, dass Spermatogonien und Spermatocyten wesentliche 
Differenzen auch bei den Pulmonaten zeigen und in dieser Be-: 
ziehung eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen diesen Thieren 
und den Lepidopteren herrscht. 

Von grosser Bedeutung ist mir ferner der Umstand erschienen, 
dass die Prophasen der Spermatocytentheilung bei den Lepidop- 
teren eine auffallende Uebereinstimmung zeigen mit den Phänomenen, 
welche die Bildung der ersten Richtungsspindel bei Aulastomum 
gulo begleiten. Einige Punkte lassen sich hier noch genauer fest- 
stellen, so z. B. der Verbleib der Kernmembran. 

Ebenso wie die Theilung der Spermatocyten ist die der Rich- 
tungsspindeln ausgezeichnet durch den Mangel eines typischen Kern- 
knäuels sowie der Chromatinschleifen. Es treten nur kurze Stäb- 
chen auf bei den meisten bisher hierauf näher untersuchten Objeeten 
oder doch eine starke Reduktion der Schleifen. Einen Unterschied 
möchte ich indessen nicht zu erwähnen vergessen. Während die 
beiden Theilungen der Spermatocyten stets senkrecht auf einander 
erfolgen, geschehen die der beiden Richtungsspindeln in derselben 
Richtung. Es mag dies vielleicht nur in der besondern Grösse der 
Eier und der Anordnung des Dottermaterials seinen Grund haben, 
was ich für das Wahrscheinlichste halte, indessen könnte diesem 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 195 


Umstand doch auch noch eine tieferer Bedeutung inne wohnen. 
Da die erste Richtungsspindel bei Aulastomum an jedem Pol ein 
schönes Centrosoma trägt (Fig. 1, Taf. XIII), so wäre es interessant 
zu erfahren, wo das Üentrosoma am pheripheren Pol der zweiten 
Richtungsspindel herrührt, oder sollte sich etwa hier dann keines 
finden? Ich hoffe, dass die Fortsetzung meiner Untersuchungen bei 
Hirudineen den erwünschten Aufschluss bringen wird. Noch andere 
wichtige Fragen harren der Entscheidung; so ist das Verhalten 
des vom Eikern und des vom Spermakern herrührenden Centro- 
somas näher zu erforschen, worauf auch Rabl (12) neuerdings auf- 
merksam gemacht hat. Bleiben beide Elemente isolirt oder findet 
eine Vereinigung derselben statt? 

Eine andere Frage dürfte schon jetzt zu entscheiden sein. 
Diese betrifft die Bedeutung der Richtungskörperchen. Der Zweck 
- ihrer Bildung ist die Hervorbringung eines kopulationsfähigen 
Kerns, also eines Halbkerns. Um dieses zu erreichen, werden 
zwei Theilungen sich unmittelbar einander folgen müssen. Eine 
einzige Theilung würde zwei Kerne liefern, die zwar zunächst an 
Masse nur halb so gross wären als der Mutterkern, im Uebrigen 
aber diesem völlig gleichwerthig sein würden. Werden dieselben 
aber nun sofort noch einmal getheilt, so hat jeder der jetzt ent- 
stehenden Kerne den Werth nur eines halben Kerns, was sich auch 
darin zeigt, dass die Zahl der chromatischen Elemente um die 
Hälfte vermindert ist. Die erste Theilung hat daher nur den Werth 
eines vorbereitenden, aber damit der Zweck erreicht wird, unbe- 
dingt nothwendigen Aktes. Die unabweisbare Consequenz hiervon 
ist nun, dass, wenn die zweite Theilung der Spermatocyten der 
der zweiten Richtungsspindel entspricht, die erste Theilung der- 
selben der der ersten Richtungsspindel homolog ist. Alles was 
demnach für die Theilungsprodukte dieser letzteren gilt, muss auch 
auf die aus der ersten Theilung der Spermatocyten hervorgehenden 
Zellen angewendet werden können. Ich möchte nun wissen, was 
daraus werden sollte, wenn in die Kerne der einen Spermatoeyte 
zweiter Ordnung nur das histogene, in die Kerne der andern das 
Keimplasma übergehen wollte, wie es der Theorie Weismanns 
(13) entsprechen würde. 

Wie kommt es nun, dass, während bei der Spermatogenese 
alle aus der Theilung einer Spermatoeyte erster Ordnung hervor- 


gehenden Zellen respektive Kerne benutzt werden, bei den Thei- 
Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bad. 33. 13 


196 Gustav Platner: 


lungen der Richtungsspindeln nur einer der entstehenden Kerne 
zur Verwendung gelangt, die andern aber einfach geopfert werden. 
Ich muss hier wieder etwas vorgreifen und erwähnen, dass, 
das Ei bei Bildung der ersten Richtungsspindel nur das nakte 
Centrosoma enthält ohne jede Spur von Archoplasma. Ein solches 
bildet sich erst bei der Entstehung der Polstrahlungen um jedes 
der Centrosoma. Nun weiss man aber aus den Untersuchungen 
von Boveri (3), dass Centrosoma und Archoplasma für sich allein 
ohne Kern eine Zelltheilung bewirken können. Der Mangel an 
senügendem Archoplasma vermag vielleicht die ungleiche Theilung 
des Protoplasmas bei der Richtungskörperchenbildung zu erklären. 
Sodann mag das Prineip der Natur, ein Individuum möglichst bald 
vermehrungsfähig zu machen, dazu geführt haben, im Ei nur das 
Material für die Entstehung eines Embryo anzuhäufen. Die Eier 
müssten, wenn jeder Richtungskern eine entsprechende Dottermenge - 
erhielt, viermal so gross sein, und es bleibt fraglich, ob sie dann 
noch theilungsfähig wären, wie man in der That bei den dotter- 
reichen Eiern der Insekten keine Zelltheilung auf die Kerntheilung 
folgen sieht. 

Wäre dieser Prozess aber an den Beginn der Eireife gesetzt, 
so würde nichts den Kern hindern können, ebenso wie das Proto- 
plasma sich vermehrt, zu der ursprünglichen Grösse eines theilungs- 
reifen Kerns wieder heranzuwachsen. Alles was von dem Rich- 
tungskörperehenproblem noch übrig bleibt, würde demnach die 
Frage sein, wie wird es möglich, dass hier, was sonst nie geschieht, 
die Ruhestadien zwischen zwei Kerntheilungen ausfallen; dasselbe 
gilt es natürlicb auch für die Theiluug der Spermatocyten zu 
erforschen. 

Der Dimorphismus in der Zelltheilung im Hoden ist eine 
schon öfter beobachtete Thatsache. Ausser den Angaben Carnoy’s 
(4) und meinen frühern (10) liegt auch eine ausführliche Mittheilung 
von Flemming (5) hierüber für Salamandra vor, auf welehe ich 
gelegentlich noch näher einzugehen habe. 

Ich habe nun zunächst die besten von meinen Lepidopteren- 
präparaten mit den mir jetzt zu Gebote stehenden guten Systemen 
nochmals einer genauen Prüfung unterzogen. Da ist es mir denn 
ohne Mühe gelungen, in den Spermatocyten das Centrosoma an 
der Zellspitze an dem Punkt, nach welchem die Protoplasmastränge 
konvergiren, wie ich dies früher beschrieben habe, zu finden. Es 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 197 


liegt hier in der ruhenden Zelle ein runder, stark liehtbrechender 
Körper, umgeben von einem hellen Hof, der wieder von einer 
Reihe dunkler Körnchen eingefasst ist. Ich schlage vor, diesem 
ganzen Gebilde den Namen Nebenkern, mit dem es sein Entdecker 
v. la Valette St. George einst belegt hat, auch ferner zu lassen, 
Man wird unter dieser Bezeichnung daher zu verstehen haben das 
Centrosoma sammt seiner Umgebung, soweit sie sich an der 
Spindelbildung betheitigt. 

Ein solcher Nebenkern findet sich nun auch in den Eiern 
und zwar von den frühsten Entwiekelungsstadien an. Ja er tritt 
in den letzteren am deutlichsten hervor, wie ich mich bei Aula- 
stomum überzeugen konnte (Fig. 2). Sobald erst einmal im Proto- 
plasma die spezifischen Dotterelemente auftreten, wird es unend- 
lich schwer, ihn sicher zu verfolgen. Man ist gar zu leicht Täu- 
schungen ausgesetzt, und es hat mir grosse Mühe gekostet, seine 
Theilung und Betheiligung an der Spindelbildung, die in den 
wegen ihres sehr feinkörnigen Dotters noch am besten sich hierzu 
eignenden Eiern von Aulastomum in genau derselben Weise erfolgt, 
wie in den Spermatocyten der Lepidopteren, sicher festzustellen. 
Ich habe den Nebenkern bei den ersten Entwicklungsstadien der 
Eier von Pulmonaten beschrieben und abgebildet. Die Bezeichnung 
des hier gefundenen Elementes als Nebenkern nach Analogie des 
in den samenbildenden Zellen vorkommenden Körpers war, wie 
die Folge gezeigt hat, eine durchaus korrekte. Ich muss mich 
demnach sehr entschieden gegen die Unterstellung Garnauld’s (6), 
als habe ich Dinge beschrieben, die gar nicht existiren, verwahren. 
Dieser Forscher wird sich ebenso wie meine belgischen Gegner 
wohl noch an die Existenz des Nebenkerns gewöhnen müssen. 
Eine Vergrösserung des Nebenkerns habe ich während des Wachs- 
thums der Eier nicht konstatiren können. Dass ich jetzt übrigens 
über den Ursprung dieses Elements ganz andre Ansichten hege 
wie früher, brauche ich wohl nicht zu betonen. Solange seine 
Bedeutung noch ganz in Dunkel gehüllt war, konnte man über 
die Entstehung den verschiedensten Auffassungen huldigen. Die 
ausgezeichneten Untersuchungen van Beneden’s (1) sowie Bo- 
veri’s (3) lassen keine andere Annahme mehr zu, als dass man 
es hier mit einem jeder Zelle von der ersten Furchung an zukom- 
menden Element zu thun hat, das nur einer nicht immer gleichen 
weitern Ausbildung unterliegt, so dass es besonders in den samen- 


198 Gustav Platner: 


bildenden Zellen eine bedeutende Entwicklung erlangt und daher 
hier auch zuerst beobachtet wurde. Die später im Pankreas auf- 
‚gefundenen Elemente haben eine ganz andre Bedeutung und würde 
es daher sich empfehlen, auch eine andere Bezeichnung für die- 
selben zu wählen. Vielleicht dürfte „Zymoblast“ passend sein. 

Um zu den Spermatoeyten zurückzukehren, so bemerkt man, 
bevor noch im Kern irgend welche wahrnehmbaren Veränderun- 
gen auftreten, eine Streckung des ÖOentrosomas, welche der um- 
sebende Hof mit macht. Hieran schliesst sich die Theilung an, 
so dass man zwei Centrosomas nebeneinander in dem länglichen 
Hofe erhält (Fig. 4). Die dunklen peripheren Körnchen, die zu- 
weilen auch als kurze Stäbchen ersclieinen, häufen sich hierbei 
etwas stärker an den beiden äussersten Enden der hellen Aureole 
an. Endlich theilt sich auch die letztere. Die beiden auf diese 
Weise entstandenen Gebilde rücken weiter aus einander und nähern 
sich dem Kern (Fig. 5), an dem sie schliesslich als zwei knopf- 
förmige Aufsätze, wie ich sie früher beschrieben habe, erscheinen. 
Im Anschluss hieran tritt auch immer deutlicher die Anordnung 
der Protoplasmastrahlen zu polaren Astern hervor. Was die wei- 
teren Vorgänge anlangt, in Bezug auf welche ich nur für die Be- 
schaffenheit der Pole meinen frühern Augaben einige Ergänzungen 
zuzufügen habe, so kann ich hier um so eher darüber hinweggehen, 
als ich dieselben Phänomene bei Besprechung der Bildung der 
Richtungsspindel in den Aulastomumeiern zu beschreiben haben 
werde. Die einzige Abweichung wird durch das eigenthümliche 
Verhalten des Keimflecks bedingt, der erst sehr spät sich allmäh- 
lich auflöst. 

Zu dem Resultate, dass die gesammte Zelle auf das Centro- 
soma centrirt ist, ist nun auch Rabl (12) auf Grund theoretischer 
Schlussfolgerungen gelangt, so dass dieselbe Thatsache zwei For- 
scher völlig unabhängig von einander, der eine auf Grund direkter 
Beobachtung, der andere infolge sorgfältiger Erwägungen, fast zu 
derselben Zeit gefunden haben, gewiss ein schöner Beweis für die 
Richtigkeit und Bedeutung derselben. Wer meine früher gegebe- 
nen Abbildungen kennt (10; Fig. 1 und 3), welche deutlich das 
Zusammenlaufen der Protoplasmastrahlen in einem Punkt zeigen, 
wird sich überhaupt wundern müssen, wie ich das an dieser Stelle 
liegende und jetzt auch mit voller Deutlichkeit dort erkannte Cen- 
trosoma habe übersehen können (Fig. 5). 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 199 


Spermatogenese. 

Pygaera bucephala und Sphinx Euphorbiae sind die Objekte, 
bei welehen die nachfolgenden Beobachtungen angestellt wurden. 
Gegen Ende der letzten Spermatocytentheilung bildet sich um die 
nahe den Polen gelegene chromatische Substanz ein heller Hof (Fig. 6). 
An der polaren Seite desselben befindet sich das noch von einer 
deutlichen Strahlung umgebene Centrosoma. An der aequatorialen 
Seite liegen eine Anzahl runder Körner von wechselnder Grösse, 
aus den benachbarten also polaren Enden der Spindelfasern her- 
vorgegangen. Der Rest der Spindelfasern persistirt noch, wandelt 
sich aber weiterhin in einen runden, undeutlich granulirten Körper 
um, ebenso sammeln sich die erwähnten Körner an einer Stelle 
an und verschmelzen zu einem soliden Element (Fig. 7). Die bei- 
den soeben beschriebenen Gebilde verdanken also den Spindel- 
fasern ihren Ursprung und zwar das grosse dem aequatorialen, 
das kleine dem polaren Abschnitt derselben. Die Spermatide ent- 
hält ausser ihnen noch das Centrosoma, um welches die Asterstrah- 
lung sich inzwischen zurückgebildet hat, sowie die Kernvakuole. 
In letzterer hat das anfangs noch plattenförmig angeordnete Chro- 
matin sich inzwischen zu Körnern aufgelösst, welche sich an die 
Peripherie begeben, wo eine deutliche Kernmembran jetzt auftritt 
(Fig. 8). Ich schlage nun vor, da der Name Nebenkern entschieden 
für den in den Spermatocyten sich findenden Körper geeigneter 
erscheint, für die den Spindelfasern entstammenden Körper einen 
andren Namen, etwa „Mitosoma“, wodurch zugleich ein Hinweis 
auf seine oft fädige Struktur gegeben wäre, zu wählen. Ich werde 
mich wenigstens, um jede Verwirrung zu vermeiden, einstweilen 
desselben bedienen. 

Um das grosse Mitosoma, welches einen undeutlich granu- 
lirten oder mehr fädigen Bau zeigt und an dessen Bildung sich 
wohl auch das Protoplasma mehr oder weniger betheiligen mag, 
bildet sich weiterhin ein oft breiterer, oft nur schmaler heller Saum 
aus, es auf diese Weise scharf gegen die übrige Zellsubstanz ab- 
grenzend. Etwa auf dem gleichen Stadium bemerkt man im In- 
nern desselben die ersten Spuren des Centralfadens des Sperma- 
tosoms, von der Kernmembran ausgehend die Mitte des grossen 
Mitosomas und weiterhin auch das Protoplasma durchsetzend, wel- 
ches bereits eine starke Verlängerung zeigt (Fig. 8). 

Die Lage der Spermatiden in den Alveolen hat sich dahin 


200 Gustav Platner: 


verändert, dass, während früher die Kerne dem Lumen zugewandt 
waren, sie jetzt nach der Alveolenwand hin in den Zellen gelagert 
sind, so dass deren Protoplasmafortsätze, welche die Umbildung 
zum Spermatosom einleiten, in den Hohlraum der Alveolen sich 
erstreeken. Die einzelnen Bestandtheile einer Spermatide für sich 
betrachtet zeigen folgendes Verhalten. Der Kern enthält die chro- 
matische Substanz nur an der Peripherie vertheilt und der Mem- 
bran angelagert, so dass sie auf Längs- wie auf Querschnitten in 
der Form eines an einzelnen Stellen durchbrochenen Ringes er- 
scheint (Fig. 8 und 9). Der Innenraum des Kerns zeigt nur den 
homogenen Kernsatt. 

Das Centrosoma liegt der Kernwandung dicht an, bald an 
dem oberen Theil, das heisst, der dem Ansatz des Axenfadens 
entgegengesetzten Seite derselben, bald mehr seitlich. In den 
meisten Fällen wird es dem Beschauer auf der hellen Innenfläche 
des Kerns deutlich entgegentreten (Fig. 10). Geeignete Schnitte 
(Fig. 8 und 9) zeigen aber, dass es draussen liegt. Das kleine 
homogene Mitosoma liegt gleichfalls dem Kern dicht an, an seiner 
untern Seite nahe dem Ansatzpunkt des Axenfadens an der Kern- 
wandung. Das grosse Mitosoma wird in seiner Mitte vom Axen- 
faden durchsetzt und tritt an der Stelle, wo dieser inserirt, gleich- 
falls dicht an“den\,Kern heran. Die Protoplasmastränge zeigen im 
allgemeinen noch eine Richtung parallel dem Längsdurchmesser 
der Zelle, entsprechend ihrer Anordnung bei der letzten Theilung. 
Die nächsten Veränderungen, welche eintreten bestehen darin, dass 
das grosse Mitosoma eine Verlängerung eingeht, wobei es sich 
mehr und mehr an dem Axenfaden herunterzieht, ihn so mit einer 
Hülle umkleidend. Der helle Saum, welcher dasselbe anfangs um- 
gab, wird dabei immer schmäler und entzieht sich auf diese Weise 
schliesslich völlig der Wahrnehmung (Fig. 11). Eine entsprechende 
Verlängerung des Protoplasmas muss natürlich vorausgegangen sein. 
Es hält aber schwer, über ihre Ausdehnung eine bestimmte An- 
schauung zu gewinnen, da die Schnitte ein Spermatosom in seiner 
ganzen Ausdehnung nicht zu verfolgen gestatten. Ein weiterer 
Fortschritt in der Umbildung vollzieht sich dadurch, dass die chro- 
matische Substanz, welehe bisher an der ganzen Peripherie des 
Kerns vertheilt war, sieh nach einem Punkt derselben koncentrirt 
(Fig. 12). Die Kernmembran selbst verfällt weiterhin der Auflösung. 
Indessen markirt sich der helle Kernraum selbst noch lange mit 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 201 


scharfer Grenze gegen die Umgebung. In denselben geräth nun 
das Centrosoma hinein und tritt zu der chromatischen Substanz in 
bestimmte Beziehung. Das Chromatin bildet nämlich einen halb- 
kugeligen oder noch früher schalenförmigen Körper (Fig. 12). In 
der Mitte der äussern konvexen Seite desselben inserirt sich der 
Axenfaden. In der Mitte der konkaven oder planen, nach dem 
Kernraum gewendeten Seite nimmt das Centrosoma seine definitive 
Lage an. Während der chromatische Körper sich mehr und mehr 
in der Richtung des verlängerten Axenfadens streckt und dabei aus 
der halbkugeligen allmählich mehr in eine kugelige, weiterhin 
ovale Form übergeht (Fig. 14—17), hat sich auch das kleine 
Mitosoma aktiv betheiligt. Es nimmt seine definitive Stellung an 
der Stelle, wo der Axenfaden an den chromatischen Kopf inserirt, 
ein, dann ändert es seine ovale Form in eine mehr spindelförmige 
oder, da es der Krümmung der Peripherie des Kernraums hierbei 
folgt, besser gesagt, halbmondförmige um, so dass der ganze vor- 
dere Abschnitt des sich bildenden Spermatosoms in seinem Bereich 
jetzt eine mehr oder weniger ausgedehnte Krümmung zeigt, die 
mit der weiteren Streckung des kleinen Mitosomas noch zunimmt; 
nachdem dieser Prozess aber sein Maximum erreicht hat, sich wieder 
ausgleicht. Dass hierbei der Axenfaden von dem kleinen Mitosoma 
nur umkleidet, nicht aber etwa vom Kopf getrennt wird, erscheint 
wohl zweifellos. Es gelang mir freilich nicht mit Sicherheit, den- 
selben innerhalb der Substanz des Mitosomas nachzuweisen, was 
aber wohl an frischen Dissociationspräparaten nicht schwierig sein 
dürfte. Das Spermatosom zeigt jetzt einen ovalen oder birnför- 
migen Kopf, der lediglich aus Chromatin besteht und nur an seinem 
vordern Ende das z. Th. etwas in ihn eingesenkte Centrosoma trägt 
(Fig. 17). Der Faden des Spermatosoms enthält den Axenfaden 
sowie eine Umhüllung, welche von den Mitosomas (Nebenkern), also 
in letzter Linie von der Substanz der Spindelfasern herrührt. In- 
wieweit noch das Protoplasma dabei betheiligt ist, lässt sich nicht 
feststellen. Der Kopf braucht sich jetzt nur noch etwas zu ver- 
längern und zuzuspitzen, um seine definitive Form anzunehmen. 
Das fertige Spermatosom dürfte wohl am besten an frischen Prä- 
paraten zu untersuchen sein, was ich bei der nächsten Gelegenheit 
nachzuholen nicht verabsäumen werde. Für das Verständniss der 
nach dem Eindringen in das Ei an dem Spermatosom sich ab- 
spielenden Veränderungen genügen die mitgetheilten Beobachtungen. 


202 Gustav Platner: 

Lediglich zu diesem Zweck habe ich dieselben auch hier erörtert, 
da meine Untersuchungen über die erste Entwickelung befruchteter 
und parthenogenetischer Eier von Liparis dispar, über die ich schon 
vorläufig berichtet habe, bald in diesem Archiv in ausführlicher 
Darstellung erscheinen sollen. 

Die Mittheilungen, welche Gilson (7) über die Spermatogenese 
bei den Lepidopteren macht, enthalten von den soeben geschilderten 
Details fast nichts, so dass ich keine Veranlassung habe, hier 
näher auf dieselben einzugehen. 

Eine weitgehende Uebereinstimmung mit den von v.la Valette 
St. George (8) bei andern Arthropoden erhaltenen Resultaten 
lässt sich nicht verkennen. 

Das Hervorgehen des Nebenkerns (Mitosoma) aus den Spin- 
delfasern, die Betheiligung desselben an der Umhüllung des Axen- 
fadens sind von diesem Forscher schon bei andern Insekten fest- 
gestellte Thatsachen. Dass im vorliegenden Falle zwei Nebenkerne 
(Mitosoma)’auftreten, dürfte wohl nur in der besondern Beschaffen- 
heit der achromatischen Spindel begründet sein. 

Eine Vermuthung möchte ich hier noch äussern. Es hat mir 
oft den Anschein gehabt, als ob auch der Axenfaden nicht sowohl 
ein Produkt des Zellprotoplasmas sei, als vielmehr gleichfalls irgend 
welchen Residuen der Spindelfasern entstamme; leider bin ich 
noch zu keinem positiven Ergebniss in dieser Beziehung gelangt. 

Im allgemeinen kann man wohl sagen, ein Spermatosom ent- 
spricht der Anordnung seiner Substanzen nach einer Tochterzelle 
gegen Schluss der Theilung. Es befindet sich nämlich in beiden 
Fällen an der Spitze das Centrosoma, auf dasselbe folgt das Chro- 
matin und hieran schliesst sich die Substanz der Spindelfasern. 
‘Nur ist bei dem Spermatosom alles stark in die Länge gezogen. 
In dieser Form dringt dasselbe in das Ei ein. Die Ansicht Nuss- 
baum’s (9), dass es sich bei der Befruchtung um die Vereinigung 
homologer Zellen handle, hat demnach entschieden mehr für sich, 
als das entgegengesetzte Extrem, nämlich einzig dem Kern hierbei 
eine Rolle zuzuschreiben. Ein spezifischer Zellbestandtheil wird 
jedenfalls allem andern voran dem Eikörper einverleibt, das ist 
das Centrosoma. Es löst sich im Ei wieder vom Kopf des Samen- 
fadens los und ist bei Liparis von einer freilich nur wenig hervor- 
tretenden Strahlung umgeben. Damit stimmen auch die Angaben 
verschiedener Beobachter, welche die um den Spermakern sich 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 203 


bildende Strahlenfigur nicht auf diesen selbst, sondern auf einen 
neben denselben gelegenen Punkt orientirt sein lassen, wie dies 
neuerdings wieder A. A. Böhm (2) für das Ei von Petromyzon 
beschrieben hat. 


Literatur. 


1) Van Beneden et A. Neyt, Nouvelles recherches sur la fecondation 
et la division mitosique chez l’Ascaride megalocephale. Bulletin de !’Acad. 
royale de Belgique, 3me Serie T. XIV. Nr. 8, 1887. 

2) Böhm, A. A., Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petro- 
myzon Planeri. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXIH. p. 613—671. 18898. 

3) Boveri, Th., Zellstudien II. Die Befruchtung und Theilung des 
Eies von Ascaris megalocephala. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXII. 1888, 

4) Carnoy, J. B., La Cytodierese chez les arthropodes. La Cellule. 
P. I. 1884. 

5) Flemming, W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. 
mikrosk. Anat. Bd. XXIX. p. 389—464. 1887. 

6) Garnauld, P., Sur les phönom£nes de la fecondation chez !’Helix 
aspersa et l’Arion empiricorum. Communication preliminaire. Zool. Anz, 
Nr. 296—298, 1888, 1889. 

7) Gilson, Etude comparse de la Spermatogenöse chez les arthropodes. 
La Cellule. T. I. 1884. 

8) v.la Valette St. George, Spermatologische Beiträge. Zweite 
Mittheilung. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. XXVII. p. 1-13. Taf. I u. II. 1886. 

9) Nussbaum, M., Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte 
bis zur Eifurchung. Ein Beitrag zur Lehre von der Vererbung. Arch. f. 
mikrosk. Anat. Bd. XXIII. p. 155—214. 1854. 

10) Platner, G., Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage 
für eine Theorie der Zelltheilung. Internat. Monatsschr für Anat. und Hist. 
Bd. Ill. Heft X. 1886. „ 

11) Prenaut, A., Observations cytologiques sur les öl&ments seminaux 
des Gasteropodes pulmones. La Cellule. T. IV. I. fasc. 1888. 

12) Rabl, C., Ueber Zelltheilung. Briefliche Mittheilung an Herrn Ge- 
heimrath von Kölliker. Mit 2 Abb. Anat. Anz. IV. Jahrg. Nr. 1. 1889. 

13) Weismann, A., Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage 
einer Theorie der Vererbung. Jena 1885. 


204 Gustav Platner: 


VI. Die Bildung der ersten Richtungsspindel im Ei von 
Aulastomum gulo. 


Hierzu Tafel XIV. 


Die Eier der Blutigel haben schon Bütschli und ©. Hert- 
wig (3, 4) bei ihren bahnbrechenden Untersuchungen gute Dienste 
geleistet. Es erschien mir daher angebracht, eine den Anforderungen 
der Neuzeit entsprechende neue Untersuchungsreibe an denselben 
anzustellen. 

Hierbei habe ich vor allem dem Verhalten der sogenannten 
achromatischen Substanzen ein besonderes Studium gewidmet. Die 
zu diesem Zweck angewendeten Methoden gestatteten leider kein 
gleich genaues Verfolgen der chromatischen Bestandtheile des 
Keimbläschens. Wenn daher in dieser Beziehung meine Angaben 
etwas lückenhaft ausgefallen sind, so muss ich dies mit Rücksicht 
auf das Ziel, welches ich im Auge hatte, zu entschuldigen bitten. 

Die Eier wurden nach der im ersten meiner Beiträge ange- 
gebenen Methode behandelt. Ich habe auf diese Weise eine grosse 
Anzahl von Ovarien in lückenlose Serien zerlegt, habe es aber 
doch bedauert, dass der von mir gesammelte beträchtliche Vorrath 
dieser Organe nicht noch grösser war. Eine Anzahl von Schnitten 
wurden auch mit Safranin gefärbt, um wenigstens zu einer allge- 
meinen Orientirung über das Verhalten des Chromatins zu dienen. 
Ebenso wurden Untersuchungen am frischen Material vorgenommen. 

Die Eier zeichnen sich durch einen sehr feinkörnigen Dotter 
aus. Dieser Umstand ist für die Untersuchung von ausserordent- 
lichem Werth. Das Centrosoma z. B. übertrifft die Dotterkörnchen 

er wsbeinahe um das Fünffache im Durchmesser; dadurch allein wird 
es möglich, dasselbe aufzufinden und von der Umgebung zu unter- 
scheiden. Eines ist freilich hierfür eine unerlässliche Bedingung, 
das ist die gute Conservirung des Materials. Ein gut gehärtetes 
Ei zeigt ebenso wie das frische gleichmässig vertheilte, nahezu 
gleich grosse feine Körnchen, die nach der Eiperipherie zu an 
Grösse noch abnehmen, so dass hier eine fast homogen erscheinende 
Schicht derselben lagert, und zwar dicht unter der mit doppelten 
Kontouren scharf hervortretenden Membran. Eine geformte Zwi- 
schensubstanz fehlt, auch sind die Körnchen völlig isolirt von ein- 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 205 


ander. Ungenügende Fixirung zeigt dieselben freilich zu unregel- 
mässigen Strängen vereinigt oder zu grössern Körnern und Klumpen 
zusammengeballt. Ein solcher Zustand entspricht aber keineswegs 
der Natur, was auch dadurch bewiesen wird, dass in solchen Fällen 
der Dotter oft mehr oder weniger weit an einzelnen Stellen sich 
von der Eimembran retrahirt hat. Durch die hellen Zwischenräume 
sind dann dünne Fäden ausgespannt. Eine übermässige Schrum- 
pfung des Keimbläschens ist ein weiteres an solchen Präparaten 
erscheinendes Kunstprodukt. Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, 
dass solche Eier von vornherein von der Untersuchung auszu- 
schliessen sind. 

Indessen trifft man auch in völlig kunstgerecht konservirten 
Ovarien noch eine grosse Anzahl für die Beobachtung ungeeignete 
Eier. Es sind dies solche, welche in einer regressiven Metamor- 
phose befindlich sind. Da diese sich stets auch bei sofort nach 
der Gefangennahme der Thiere herausgenommenen und eingelegten 
Ovarien finden, so muss man es als einen natürlichen Vorgang be- 
trachten, dass eine grössere Anzahl der Eier auf verschiedenen 
Entwicklungsstufen zu Grunde geht. Ich werde bei einer andern 
Gelegenheit auf diese regressiven Metamorphosen noch näher ein- 
zugehen haben. Hier mag es genügen, ihr regelmässiges Vorkommen 
konstatirt zu haben. 

Die Ovarien enthalten nun Eier von den frühsten Entwick- 
lungsstadien bis zur völligen Ausbildung der ersten Richtungsspindel. 
Die kleinsten derselben zeigen noch ein Keimbläschen mit deut- 
lichem Kerngerüst sowie mit einem grossen Keimfleck. Je weiter 
das Wachsthum fortschreitet, um so mehr schwinden die Stränge 
im Kern und zeigt sieh sein Inhalt nur aus Keimfleck und einer 
Anzahl runder Körner von verschiedener Grösse, die in dem homo- 
genen Kernsaft unregelmässig vertheilt sind, zusammengesetzt. Be" WW. 
weisend dafür, dass dieser Zustand wirklich der Natur entspricht, 
ist hier wieder die Untersuchung frischer Objekte. Dieses Ver- 
halten zeigt sich schon deutlich ausgeprägt in Eiern, die etwa halb 
so gross sind als die völlig entwickelten (Fig. 1 Taf XIV), ist also 
keine Reifeerscheinung oder eine die Spindelbildung einleitende 
Veränderung. 

Der Keimfleck ist rund, gross, im Keimbläschen excentrisch 
gelegen und trägt in seinem Innern eine grosse oder mehrere kleine 
Vakuolen (Schrön’sche Kömer). Die übrigen mit Safranin färb- 


206 Gustav Platner: 


baren, also chromatischen Körner sind beträchtlich kleiner als der 
Keimfleck, völlig rund und von wechselnder Grösse. Die Membran 
des Keimbläschens ist deutlich, oval oder rundlich, häufig mit 
leichten Einbiegungen und Runzeln. Die letzteren treten gegen 
Ende der Eireife etwas stärker hervor, halten sich aber immer 
noch innerhalb mässiger Grenzen. Jede stärkere Schrumpfung des 
Keimbläschens ist ein Kunstprodukt und sofort daran kenntlich, 
dass helle, das heisst von Dotterkörnchen freie Räume hier und 
da um dasselbe auftreten. Die normalen Einfaltungen der Mem- 
bran desselben werden stets vom Dottermaterial ausgefüllt. Es 
lässt sich freilich nieht verkennen, dass im reifen Ei die Membran 
des Keimbläschens eine mehr als gewöhnliche Neigung zu schrum- 
pfen besitzt und dies auch bei sonst verhältnissmässig guter Con- 
servirung leicht thut. Derselben anliegend oder meist in geringer 
Entfernung von ihr bemerkt man an günstigen Schnitten ein run- 
des Element, das durch sein stärkeres Lichtbrechungsvermögen 
so wie seine beträchtlichere Grösse sich vor den Dotterkörnchen 
in charakteristischer Weise auszeichnet. Tadellos konservirte, das 
heisst von allen gröberen Gerinnungsprodukten freie Eier, so wie 
ein geübter Blick gehören freilich dazu, um seine Gegenwart als 
die eines spezifischen Körpers zu erkennen. 

Dieses im Durchmesser fast fünfmal die Dotterkörner über- 
treffende, stets völlig kreisrunde, scharf begrenzte und etwas glän- 
zende Element ist das Centrosoma. Einzig und allein die geringe 
Grösse der Dotterelemente macht es überhaupt möglich, dasselbe 
zu finden, da kein einziges Anzeichen existirt, welches auf seine 
Gegenwart hinwiese. Es sind weder die Dotterkörnchen in beson- 
derer Weise um dasselbe angeordnet, noch ist eine besonders be- 
schaffene Substanz, Archoplasma oder etwas Aehnliches vorhanden, 

welche dasselbe umgiebt. Ein schmaler heller Hof, welcher das- 
selbe zu umgeben scheint, kann nicht anders als eine optische 
Erscheinung gedeutet werden. Es hat mir daher auch keine ge- 
ringe Mühe gekostet, diesen wichtigen Bestandtheil des Eikörpers 
aufzufinden. Es ist mir dies nur auf die Weise gelungen, dass 
ich von der ausgebildeten Spindel aus die Stadien rückwärts ver- 
folgt habe, ein Verfahren, welches hier um so leichter durchzuführen 
ist, als man eben nur die Prophasen der ersten Richtungsspindel 
vor sich hat. Die frühsten Stadien, bis zu welchen ich auf diese 
Weise gekommen war, hatten mir die beiden Centrosomas voll- 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 207 


kommen frei von jeder Begleitung oder Umhüllung, der Membran 
des Keimbläschens dicht anliegend, etwa um ein Viertel der Peri- 
pherie desselben von einander entfernt, jedes als das Centrum 
einer deutlichen strahligen Anordnung der Dotterkörnchen gezeigt 
(Fig. 3). Nachdem ich auf diese Weise erst einmal mit ihrer Er- 
scheinung mich vertraut gemacht hatte und mein Blick durch die 
längere Beobachtung genügend geschärft war, gelang es mir auch 
ohne Mühe, die weiter zurückliegenden Stadien mit Sicherheit zu 
erkennen. Dass das Centrosoma also ein konstanter Bestandtheil 
der Zelle ist, darüber erkläre ich mich mit van Beneden (l) 
einverstanden, hingegen kann ich die „spheres attractives“ nicht 
als nothwendige Umhüllung desselben betrachten. Das reife Bi 
enthält nur das nackte Centrosoma. Ob das Archoplasma 
nieht doch etwa in diffuser Vertheilung vorhanden ist, lässt sich 
natürlich nicht entscheiden. 

Sobald das Ei seine völlige Reife erlangt hat, beginnt die 
Bildung der ersten Richtungsspindel. Eingeleitet wird dieselbe 
durch die Theilung des Centrosomas (Fig. 2). Weder im Keim- 
bläschens noch im Dotter sind ausserdem während dieser Zeit 
irgend welche merkbaren Veränderungen zu erkennen. Die beiden 
Centrosomas rücken auf der Membran des Keimbläschens ausein- 
ander und es bildet sich allmählich eine strahlige Anordnung der 
Dotterkörnchen um dieselben aus. Mit voller Deutlichkeit tritt 
dieselbe aber erst hervor, wenn die Centrosomas etwa um ein 
Viertel oder mehr der Peripherie des Keimbläschens von einander 
entfernt sind (Fig. 3). In diesem wichtigen Stadium bemerkt man, 
wie jedes Centrosoma dem Keimbläschen dicht anliegend als völlig 
kugeliges, stark lichtbrechendes Körperchen erscheint. 

Die strahlig angeordneten Dotterkörnchen treten bis dicht an 
dasselbe heran, lassen also keinen Raum für irgend welche andere 
Substanz frei. 

Die beiden Centrosomas entfernen sich, begleitet von ihrer 
Strahlenkrone, immer weiter von einander. Zwischen jedem der- 
selben und der Kernmembran sammelt sich hierbei eine kegelförmig 
gestaltete Masse von Substanz an, welche die Kernmembran nach 
innen drückt und einstülpt, die Distanz zwischen ihr und dem 
Centrosoma auf diese Weise vergrössernd. 

Ein soleher Polkegel (Fig. 4 und 5), wie ich ihn sehon früher 
(5) genannt habe, zeigt folgende Beschaffenheit: Die Basis, mit 


908 Gustav Platner: 


welcher er der Membran des Keimbläschens aufsitzt, ist breit, den 
Falten und Runzeln der letzteren angepasst. Die Spitze ist abge- 
rundet. In ihr liegt das Centrosoma, welches den Mittelpunkt 
einer radiären Streifung des Polkegels einnimmt. Die Tinktions- 
fähigkeit nimmt von der Basis gegen die Spitze hin immer mehr 
zu, so dass an letzterer Stelle ein stark dunkel gefärbter Halbmond 
auftritt, in dessen Concavität das Centrosoma ruht. Alle diese 
Differenzirungen entstehen allmählich, mit dem Wachsthum der 
Polkegel Schritt haltend, und bilden sich immer schärfer aus. Die 
an Höhe zunehmenden Polkegel stülpen die Membran des Keim- 
bläschens immer mehr nach innen ein, wobei sich dieselbe mehr- 
fach in Falten legt (Fig. 5 und 6). Auf der Höhe ihrer Ausbildung 
zeigen die Polkegel folgendes Bild: 


Der Winkel, unter welchem die seitlichen Begrenzungslinien 
an der Spitze zusammenstossen, beträgt etwa 60%. Das Centrosoma 
liegt jetzt genau an diesem Convergenzpunkt, nach welchem die 
Strahlen der Polkegel orientirt sind. Der dunkle, früher halbmond- 
förmige Aufsatz hat sich um das Centrosoma zu einem geschlossenen 
Ring vervollständigt, in dessen Centrum dieser Körper liegt. Ich 
muss hier bemerken, dass ich hierbei kein körperliches, scharf be- 
srenztes Gebilde beschreibe, sondern nur Färbungsdifferenzen, wie 
sie bei der von mir angewendeten Hämatoxylintinktion in charak- 
teristischer Weise hervortreten. Dieselben gehen natürlich in die 
Umgebung ohne scharfe Grenzen über. Ich will hier noch er- 
wähnen, dass dieser dunkle Hof, in dessen Mitte das Centrosoma 
liegt, sich weiter hin im Innern allmählich wieder aufhellt und in- 
dem er zugleich nach aussen sich weiter ausbreitet, zu einem dunklen 
Ringe wird, in welchem das Centrosoma etwas excentrisch polar- 
wärts gelagert ist. 

Was die eigentlichen Polstrahlen anbetrifft, so habe ich schon 
erwähnt, wie zu Anfang die Dotterkörnchen sich radienförmig um 
jedes Centrosoma anordnen. Es lässt sich nun ohne Mühe fest- 
stellen, dass mit der weitern Ausbildung der polaren Sonnenfiguren 
die Körnehen sich allmählich zu homogenen Strängen vereinigen. 
Am frischen Präparat erkennt man an jedem Pol einen homogenen 
hellen Fleck, der an der Peripherie in ebensolche Strahlen aus- 
läuft, zwischen welehe die Dotterkörnchen in der Form schmaler 
Sektoren hineinragen. Diese beiden Flecke mit der durch die 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 209 


Spindelfasern gebildeten hellen Verbindungsbrücke stellen in schöner 
Form die „karyolytische Figur“ Auerbachs dar. 

Die Veränderungen der chromatischen Substanz sind folgende: 
Der Keimfleck bleibt zunächst unverändert. Die cehromatischen 
Kügelehen zeigen einen Zerfall in immer kleinere Elemente, die 
auf dem Stadium der höchsten Ausbildung der Polkegel eine An- 
ordnung zu einer Art von Knäuel erkennen lassen, dessen Win- 
dungen sich mehr und mehr parallel der Achse der Spindelanlage 
ordnen (Fig. 6). Was weiterhin geschieht, vermag ich nicht an- 
zugeben. Es erfolgt nämlich in diesem Moment der Eintritt der 
Spindelfasern in den Kernraum. Die dunkle Färbung derselben, 
welche meine Methode bedingt, macht es aber unmöglich, die feinen 
chromatischen Mikrosomen zu erkennen. Die mit Safranin gefärbten 
Präparate enthielten leider keine Bier dieses, wie es scheint, rasch 
vorübergehenden Stadiums. Erst wenn sich das Chromatin wieder 
mehr concentrirt hat, gelingt es, dasselbe weiter zu verfolgen. 
Man sieht dann in der Nähe des Aequators und in diesem selbst, 
eine grössere Anzahl feiner Stäbchen (Fig. 7), die sich weiterhin 
paarweise zu einer regulären Aequatorialplatte anordnen. Die- 
selben nehmen nur den centralen Theil der Spindelmitte ein. Es 
bleibt also um dieselben ein von ihnen freier, am Querschnitt ring- 
förmig erscheinender Raum, welcher von direkt von Pol zu Pol 
ziehenden Spindelfasern eingenommen wird. Die Stäbchen sind 
in der Aequatorialplatte diffus vertheilt. Der Keimfleck bleibt 
noch lange Zeit neben denselben bestehen. Er wird hierbei immer 
kleiner und liegt, von einem hellen Hof umgeben, dicht neben 
oder etwas entfernt von der Spindel (Fig. 9 und 10). 

Ein hohes Interesse beanspruchen die Veränderungen, welche 
die Membran des Keimbläschens erleidet, da sie vielleicht wichtige 
Anhaltspunkte für das Verständniss des Mechanismus der Spindel- 
bildung bieten können. Bei der Bildung der Polstrahlen erkennt 
man, wie eine beträchtliche Anzahl derselben sich auch auf der 
Membran des Keimbläschens entlang erstreckt. Diese gehen hier- 
bei eine innige Verbindung mit der Substanz derselben ein, die an 
ihnen haften bleibt, auf diese Weise eine Verdickung derselben 
bildend. Deutlich erkennt man dieses Phänomen an einem Quer- 
oder Schiefsehnitt dieses Stadiums (Fig. 11). Die Polstrahlen zeigen 
im Bereich der Membran und mit der Grenze dieser scharf ab- 
schneidend eine deutliche Verstärkung. Dieselben liegen demnach 


310 Gustav Platner: 


zu Anfang im Mantel eines Kegels, dessen Spitze im Pol ruht und 
dessen Basis der Aequatorialebene parallel verläuft. Derselbe 
bildet auf dem Längsschnitt ein ungleichschenkliges Dreieck, da 
‘die Spindel nie in der genauen Längsachse des Keimbläschens, 
sondern excentrisch, seitlich von derselben angelegt wird (Fig. 7). 
Die Kernmembran liegt daher auch ungleichmässig zu beiden 
Seiten derselben vertheilt, so dass auch die erwähnte Verdiekung 
der Polstrahlen ungleich an Masse ausfallen muss. Die letzteren 
zeigen nun weiterhin eine eigenthümliche Lageveränderung und 
zwar in der Richtung eines Uhrzeigers von der Aequatorialebene 
weg. Die Kernmembran verliert hierbei im Aequator ihre Conti- 
nuität (Fig. 8) oder dieselbe kann sich noch eine Zeitlang erhalten 
(Fig. 9), wobei dann natürlich eine gewisse Dehnung stattfinden 
muss. Das nächste Stadium zeigt die verdickten Fibrillen in der 
Ebene eines Kreises gelegen, dessen Centrum das Centrosoma ein- 
nimmt (Fig. 8). In der Seitenansicht (Fig. 12) erscheinen dieselben 
als eigenthümlich gefalteter verstärkter Saum. Die Bewegung in 
der angedeuteten Richtung geht aber noch weiter. Eine bereits 
an der Eiperipherie gelegene Spindel zeigt die verdickten Strahlen 
in der Oberfläche eines Kegels gelegen, dessen Basis auf der dem 
Aequator entgegengesetzten Seite des Poles sich befindet. Ich habe 
sie hier nur am innern Pol noch getroffen (Fig. 10). Weiterhin 
scheinen sie spurlos zu verschwinden. Sollten dieselben etwa den 
an der Oberfläche der „cönes antipodes“ van Beneden’s (1) ge- 
legenen verstärkten Fibrillen entsprechen? Die geschilderten Er- 
scheinungen treten nicht immer mit gleicher Deutlichkeit hervor. 
Spuren davon lassen sich aber stets erkennen. 

Ein anderer Theil der Keimbläschenmembran scheint länger 
zu persistiren. Ich habe aus meinen Untersuchungen die Ueber- 
zeugung gewonnen, dass die verstärkte und daher auch dunkler 
sich färbende Partie, mit welcher der äquatoriale Abschnitt der 
Spindelfasern sich gegen die polaren Theile absetzt, auf einer Ver- 
stärkung der Spindelfasern durch Auflagerung des hier gelegenen 
Theils der Membran des Keimbläschens auf dieselben bewirkt wird. 
Demonstriren lässt sich das natürlich nicht direkt. 

Was die Veränderungen der chromatischen Bestandtheile des 
Keimbläschens anlangt, so habe ich zunächst die Uebereinstim- 
mung zu erwähnen, die sich zwischen meinen Befunden und denen 
O0. Sehultze’s (6) bei Amphibieneiern ergeben hat. Auch dieser 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 21 


Autor fand den Inhalt des Keimbläschens nur aus Kernsaft und 
Keimkörperchen bestehend. Derselbe beschreibt ebenso eine all- 
mähliche Theilung der Keimkörperchen in immer kleinere Elemente, 
aus denen schliesslich der Knäuel hervorgeht: „Man überzeugt 
sich, dass die Körnchen, die ich jetzt wohl Mikrosomen nennen 
darf, allmählich zur Erzeugung eines Fadenknäuels zusammentreten, 
der also nicht aus einem präformirten Kerngerüst entsteht, sondern 
sich direkt aus den winzigen Keimkörperchen herausbildet“ (l. e. 
p. 198). Die weitern Veränderungen des Kernknäuels dürften bei 
meinen Objekten in typischer Weise ablaufen durch Segmentirung 
desselben und Reduktion der Segmente zu kurzen Stäbchen. Die 
Rolle, welche der Keimfleck selbst spielt, findet ihr Analogon in 
der Auflösung eines Theils der Keimkörperchen oder Nukleolen 
beim Amphibieneie. In beiden Fällen geht ein Theil der chroma- 
Substanz verloren ohne für die Knäuelbildung verwerthet zu werden. 

Die Konstatirung eines Centrosomas im Eie, sowie die all- 
mähliche Ausbildung zweier typischen Archoplasmakugeln um die 
beiden Tochterecentrosoma, wie ich sie beschrieben habe, ist ein 
wichtiges Phänomen, welches die theoretischen Schlussfolgerungen, 
zu welchen Boveri (2) gekommen ist, ohne Weiteres auszuschliessen 
berechtigt. Dieser Autor war auf Grund seiner Beobachtungen 
bei Ascaris zu folgender Vorstellung gelangt: „Das reife Ei besitzt 
alle zur Theilung nothwendigen Organe und Qualitäten, mit Aus- 
nahme des Centrosomas, welches die Theilung einleiten könnte. 
Das Spermatozoon umgekehrt ist mit einem solchen Centralkörper- 
chen ausgestattet, ihm fehlt aber die Substanz, speziell das Archo- 
plasma, in welcher dieses Theilungsorgan seine Thätigkeit zu ent- 
falten im Stande wäre. Durch die Verschmelzung beider Zellen 
im Befruchtungsakt werden alle für die Theilung nöthigen Zellen- 
organe zusammengeführt, das Ei erhält ein Centrosoma, das nun 
durch seine Theilung die Embryonal-Entwicklung einleitet.“ Diese 
Hypothese hat viel Ansprechendes, die Thatsachen widersprechen 
ihr aber und damit muss sie fallen. Spermatosom und Ei 
sind, was Kern und Theilungscentra anlangt, gleich- 
werthig bei der Bildung der ersten Furchungsspindel. 

Ein Vergleich der Erscheinungen, welche die Bildung der 
ersten ‚Richtungsspindel bei Aulastomum begleiten, mit den Pro- 
phasen der ersten Spermatoeytentheilung im Hoden der Lepidop- 
teren, wie ich sie früher (5) und in dem vorhergehenden dieser 

Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33. 14 


212 Gustav Platner: 


Beiträge geschildert habe, zeigt eine weitgehende bis in die De- 
tails sich erstreckende Uebereinstimmung. In beiden Fällen ent- 
‚steht aus dem Kerngerüst zunächst eine Anzahl chromatischer 
Körner, die sich in kleinere Elemente, die Mikrosomen theilen. 
Aus diesen konstruirt sich eine Art Knäuel, der durch Segmen- 
tirung und Verkürzung der Segmente zur Bildung von kurzen 
Stäbchen führt. Diese letzteren Prozesse sind aber entschieden 
stark abgekürzt und auf einen kurzen Zeitraum zusammengedrängt, 
so dass sie selten zur Beobachtung kommen. 

Eine weitere Uebereinstimmung dokumentirt sich in dem Ver- 
halten der achromatischen Substanz. Die Theilung des Centrosomas 
die Bildung der Polkegel, die Zusammensetzung der Spindel aus 
einem äquatorialen Abschnitt und zwei polaren Aufsätzen sind in 
beiden Fällen typisch wiederkehrende Erscheinungen. Ich glaube 
daher, dass die Gleichstellung beider Prozesse auch ihrer Bedeutung 
nach durchaus gerechtfertigt ist. Die erste Theilung der Sperma- 
tocyten entspricht der Theilung der ersten Riehtungsspindel, ebenso 
wie ich schon früher gezeigt habe, dass zweite Richtungsspindel 
und zweite Spindel der Spermatocyten einander völlig gleichstehen. 

Zum Schluss möchte ich die fertige Richtungsspindel noch 
mit einigen Worten charakterisiren. Dieselbe zeigt folgende Theile. 
Zunächst treten die mächtig entwickelten beiden polaren Sonnen- 
figuren stark hervor. Im Centrum derselben liegt das Centrosoma. 
Ein heller Hof, der dasselbe umgiebt, mag zum Theil eine optische 
Erscheinung sein. Die kleinen Körnehen, die denselben zuweilen 
umsäumen, haben sich mir nicht als konstant erwiesen. Der Raum, 
welcher von den eigentlichen Polstrahlen eingenommen wird, zeigt 
zwei Abtheilungen, die ich im Anschluss an van Beneden als 
Markschicht und Rindenschicht bezeichnen will. Der Durchmesser 
der letzteren übertrifft den Radius der Markschicht um das Doppelte 
und mehr. Die Grenze beider Schichten wird durch einen dunkler 
gefärbten Ring gebildet. Innerhalb der Markschicht ist eine radiäre 
Faserung nur schwer zu erkennen. In der Rindenschicht sind die 
Fibrillen der Polsonnen schon deutlicher sichtbar. Sie verlaufen 
im innern Aster gradlinig, im äussern der Eiperipherie anliegenden 
leicht gebogen, und zwar sieht die Concavität ihrer Krümmung 
nach der Aequatorialebene hin. Die einzelnen Strahlen sind nicht 
alle gleich diek, ebenso wird die Peripherie der Rindenschicht 
nur von einer beschränkten Anzahl derselben erreicht, kurz, die 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 213 


Verhältnisse sind dieselben, wie sie von van Beneden für die 
erste Furchungsspindel des Askarideneies beschrieben worden sind. 
An der Stelle, wo die Spindel der Eiperipherie anliegt, zeigt diese 
eine deutliche Einsenkung (Fig. 10). Der äussere Polaster zeigt 
mit seinen Abtheilungen eine leichte Abplattung. 

Der Theil der Spindelfasern, welcher nicht in den Bereich 
der Markschicht der Polsonnen fällt und die chromatischen Ele- 
mente trägt, zeigt eine beträchtliche Verstärkung und eine hier- 
durch bedingte intensivere Färbung. Namentlich treten die Säume, 
mit welchen er sich gegen die polaren Abschnitte abgrenzt, durch 
dunkles Colorit hervor. Von den Fasern selbst tragen nur die 
innern die Chromosomen in ihrer Mitte. Die äussern verlaufen 
ohne Unterbrechung von Pol zu Pol. Lateral von denselben be- 
merkt man noch in der Aequatorialebene eine auf dem Querschnitt 
ringförmige Fläche, in welcher sich die von den polaren Strahlen 
beschriebenen kugelförmigen Räume schneiden. 

Bis soweit geht die Metamorphose des Blutigeleies im Ova- 
rium selbst vor sich. Die weiterhin sich daran anschliessenden Ver- 
änderungen, welche die Ausstossung der Richtungskörperchen und 
die Befruchtung selbst begleiten, kann ich erst, wenn der Sommer 
das zur Ergänzung meiner Beobachtungen nöthige Material geliefert 
hat, genauer beschreiben. 


Litteratur. 


1) Van Beneden et A. Neyt, Nouvelles recherches sur la fecondation 
et la division mitosique chez l’Ascaride megalocephale. Bulletins de l’Acad. 
royale de Belgique, 3me Serie T. XIV. Nr. 8, 1887. 

2) Boveri, Ueber den Antheil des Spermatozoon an der Theilung 
des Eies. Sitz.-Ber. der Ges. für Morph. und Phys. zu München, 1887. 

3) Bütschli, O., Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der 
Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Abh. der Senken- 
berg. naturf. Gesellschaft, Bd. X. 

4) Hertwig, O., Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und 
Theilung des thierischen Eies. IJ. Theil. Morph. Jahrb. Bd. III. p. 1—87, 1877. 

5) Platner, G. Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage 
für eine Theorie der Zelltheilung. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Hist. 
Bd. III. Heft X. 1886. 

6) Schultze. O., Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung 
des Amphibieneies. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. XLV. 1887. 


214 


Gustav Platner: 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII bis XIV. 


Tafel XI. 


Vergrösserung: homogene Immersion 1/s (Zeiss) unter Verwendung 


des Prismas. Härtung: Chrom-Osmium-Essigsäure. Färbung: Safranin oder 


Kernschwarz. 


Fig. 


Fig. 1—13. Pankreaszellen von Salamandra maculata. 


. 1—7. Abschnürung des Nebenkerns vom Kern (Kernsprossung) ; in Fig. 4 


Nebenkern abgeschnürt, nur noch theilweise gefärbt. Safraninfärbung. 


. 8 und 9. Solitärer Nebenkern. Kernschwarzfärbung. 

. 10. Multipler Nebenkern. Kernschwarzfärbung. 

. 11—13. Chromatolytische Metamorphose. Safraninfärbung. 

g. 12. a) Totale Chromatolyse. b) Tingibler Körper in Halbmondform, 


Produkt der Chromatolyse. 


. 11 und 13. Partielle Chromatolyse; in Fig. 11 Kern schon wieder ab- 


gerundet. 


. 14. Pankreaszelle von Rana esculenta. Nebenkern im Schwinden; im 


Protoplasma zahlreiche Zymogenkörner. Kernschwarzfärbung. 


Tafel XIII. 


Vergrösserung: Zeiss, homogene Imm. Y/;; mit verschiedenen Okularen. 


ig. 1. Erste Richtungsspindel aus einem Ei von Aulastomum gulo (Hirud.). 


Die Polsonnen zeigen folgende Abtheilungen: Im Centrum das Uen- 
trosoma, um dasselbe ein heller Hof von Körnchen eingefasst. Die 
Strahlen zeigen zwei Zonen, die centrale wird von der peripheren 
durch einen matten Ring getrennt. Die Peripherie der äussersten 
Zone wird nur von einer beschränkten Anzahl Strahlen erreicht. 
Die der Eiperipherie benachbarte Sonne zeigt eine Abplattung sämmt- 
licher Theile und eine leichte Biegung der Strahlen. In einer zu 
beiden Seiten des Aequators sich etwas erstreckenden Linien schnei- 
den sich die beiden von den Polsonnen beschriebenen Kreisflächen. 
Die eigentlichen Spindelfasern zeigen einen äquatorialen verstärkten 
Abschnitt, sowie zwei polare schwächere kegelförmige Aufsätze. Das 
Chromatin ist zu Stäbchen geordnet. 


.2. Ei von Aulastomum, frühes Entwicklungsstadium. NK Nebenkern 


mit Centrosoma. 


. 9—5. Spermatocyten von Pygaera bucephala. Protoplasmastränge auf 


den Nebenkern (NK) orientirt. Theilung des Centrosomas und des 
Nebenkerns. Im Protoplasma ein eigenthümlicher dunkler, von einem 
hellen Hof umsäumter Körper, der in Fig. 4 eine Verbindungsbrücke 
zwischen zwei benachbarten Zellen bildet. 

6—17. Spermatiden von Pygaera bucephala in ihrer Umbildung zum 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 215 


Spermatosom. Es bedeutet: © = Centrosoma. M’ = kleines Mitosoma 
(Nebenkern); M‘ = grosses Mitosoma (Nebenkern). 

6. Ende der letzten Theilung der Spermatocyte. Um die Tochterkern- 
platte ein heller Hof. Von den polaren Enden der Spindelfasern 
lösen sich kleine Körner ab. 

7. Die erwähnten Körner sammeln sich und vereinigen sich zum kleinen 
Mitosoma. Aus dem äquatorialen Theil der Spindelfasern hat sich 
das grosse Mitosoma gebildet. Chromatin zu Körnern aufgelöst. 

8. Chromatin peripher an der neu entstandenen Kernmembran gelagert. 
Protoplasma bereits in die Länge gestreckt. Grosses Mitosoma von 
einem hellen Saum umgeben, in der Mitte desselben der Axenfaden. 
Centrosoma dem Kern anliegend. 

9. Querschnitt desselben Stadiums. 


g. 10 wie Fig. 8. Centrosoma auf dem hellen Kernraum sich markirend. 
g. 11. Das grosse Mitosoma streckt sich in die Länge, den Axenfaden um- 


hüllend. Der helle Raum desselben ist verschwunden. 


. 12—14. Das Chromatin schalenförmig nach einer Seite des Kerns sich 


concentrirend. In der Mitte der convexen Seite inserirt der Axen- 
faden; in die Mitte der concaven Fläche begiebt sich das Centrosoma 
Grosses Mitosoma sich immer mehr streckend. 

15—17. Auch das kleine Mitosoma zieht sich in die Länge. Das Chro- 
matin kugelig, weiterhin oval, an seiner vordern Spitze das Oentrosoma. 


Tafel XIV. 


Vergrösserung: Zeis, homogene Imm. !/;s mit verschiedenen Okularen. 


. 1. Junges Ei von Aulastomum gulo, mediale Partie. Im Keimbläschen 


nur der Keimfleck und chromatische Körner. Im feinkörnigen Dotter 
das Centrosoma. 


2. Theilung des Centrosomas. 

3. Bildung der Aster um die beiden Centrosoma, welche etwa um ein 
Viertel der Peripherie des Keimbläschens sich von einander entfernt 
haben. 

.4. Die Entfernung der Centrosoma hat zugenommen. Auftreten der 


Polkegel. 


.5. Polkegel und Polsonnen stärker entwickelt. Die Membran des Keim- 


bläschens durch die Polkegel nach innen eingestülpt. 


6. Dieselben Erscheinungen weiter ausgebildet. Die Attraktionssphären 
beginnen sich zu entfalten. Die Chromatinkörner in Mikrosomen 
zerfallen, die zu einem Knäuel geordnet sind. 

7. Attraktionssphären ausgebildet. Spindel entwickelt, die chroma- 


tischen Stäbehen sich im Aequator sammelnd. Membran des Keim- 
bläschens mit den Polstrahlen in Verbindung, eine lokale Verdickung 
derselben bewirkend. 

8. Die den Polstrahlen aufgelagerten Reste der Keimbläschenmembran 


9216 Gustav Platner: Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. 


in einer Zeigerbewegung sich vom Aequator entfernend. Keimfleck 
in einem hellen Hof neben der Spindel sich allmählich auflösend. 

Fig. 9. Die Membran des Keimbläschens hat bei der soeben beschriebenen 

r Bewegung noch ihren Zusammenhang bewahrt. Spindel excentrisch 
in derselben liegend. In einiger Entfernung davon der Keimfleck 
mit hellem Hof. 

Fig. 10. Spindel ausgebildet. Die äussere Attraktionssphäre etwas abgeplattet. 
Die Eiperipherie darüber eingesunken, am innern Pol die letzten 
Reste der Membran des Keimbläschens. 

Fig. 11. Polansicht zu Fig 7. 

Fig. 12. Seitenansicht des einen Pols von Fig. 8. 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarm- 
kanals und die Beziehungen ihres Epithels zu dem 
Oberflächenepithel der Schleimhaut. 


Erste Mittheilung. 
Von 


Professor Giulio Bizzozero 
in Turin. 


Auszug aus den „Atti della R. Academia delle Scienze di Torino“, 
Vol. XXIV, Sitzung vom 2. Dezember 1888. 


Hierzu Tafel XV. 

In einigen meiner früheren Arbeiten !) bin ich durch die Be- 
obaehtung, dass die in karyokinetischer Theilung begriffenen Epi- 
thelzellen in den schlauchförmigen Drüsen des Darms und in den 
Magengrübchen so zahlreich sind, während sie in dem Oberflächen- 
epithel der entsprechenden Schleimhaut vollständig fehlen, auf die 
Vermuthung gekommen, dass diese Mitosen dazu dienten, nicht so- 
wohl einen durch ihre functionelle Thätigkeit bedingten Verbrauch 
an Zellen zu compensiren, als vielmehr die beständig desquamirenden 


1) Bizzozero e Vassale, Archivio per le Scienze med., vol. XI, 1887, 
p. 248. — Bizzozero, Atti del Congresso medico di Pavia, 1887, vol. I, p. 134. 
— Gazzetta degli Ospitali, 1889, n. 56. 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 217 


Zellen des Oberflächenepithels zu ersetzen. Die Regeneration dieses 
Epithels würde also nicht in dem Epithel selbst stattfinden, sondern 
in den schlauchförmigen Drüsen (beziehungsweise den Galeati’schen 
Drüsen!) und den Magengrübchen). Bis dahin hatte ich Thatsachen 
gesammelt, welche meine Vermuthung zu bestätigen vermochten. — 
Nachdem habe ieh meine Untersuchungen fortgesetzt und auf ähn- 
liche Drüsenarten ausgedehnt. Da nun die erhaltenen Resultate 
vollständig miteinander übereinstimmen und andererseits einige neue 
Besonderheiten der chemischen und histologischen Zusammen- 
setzung dieser Drüsen zu Tage getreten sind, halte ich es jetzt 
für passend, über meine Studien in einigen Mittheilungen Bericht 
zu erstatten. In vorliegender Arbeit werde ich damit anfangen, 
die schlauchförmigen Drüsen des Reetum und des Colon vom Ka- 
ninchen zu beschreiben. — Am Schlusse werde ich!kurz von den 
in Anwendung gezogenen Methoden sprechen und einige allge- 
gemeine Betrachtungen über den Gegenstand anstellen. 


I. Recetumdrüsen des Kaninchen». 


In der Schleimhaut des Reetums sind die Drüsen kurz, alle 
beinahe von gleicher Länge, palissadenförmig angeordnet und en- 
digen meist in einem einzigen Blindsack. Sie sind dicht anein- 
ander gelagert, sodass auch ihre Mündungen sehr nahe aneinander 
liegen und in Folge dessen die freie Oberfläche der Mastdarm- 
schleimhaut sehr klein ist und die Configuration eines Netzes be- 
sitzt, dessen Maschen gerade von den Drüsenmündungen gebildet 
werden. 

Das Epithel der freien Oberfläche zeigt bei der Unter- 
suchung von Vertikalschnitten gehärteter Präparate eine einzige 
Schieht hoher Cylinderzellen, welche an dem®Ende, welches in 
das Darmlumen schaut, mit einem glänzenden, fein gestrichelten 
Saum endigen, welcher demjenigen der Dünndarmzellen ähnlich, 
aber dünner als dieser ist. Das andere Ende dieser Zellen ist 
auch scharf abgeschnitten und sitzt auf der Mucosa auf. Die 
Grenzlinie der Zellen gegen die Mucosa ist scharf und deutlich 
und schliesst jeden Gedanken an ein Eindringen von Fortsätzen 
derselben in das Innere der letzteren aus. Das erhellt besonders 
aus Präparaten, welche in Alkohol gehärtet und mit Pikrocarmin 


1) Lieberkühn’schen Drüsen. (Anm. der Red.) 


218 Giulio Bizzozero: 


gefärbt wurden, da man_bei diesen das blassgelbe körnige Proto- 
plasma des Epithels gegen die Schleimhaut, welche ihrerseits, da 
sie aus einem sehr zarten, netzförmigen und schwammigen Binde- 
gewebe besteht, ungefärbt und durchscheinend ist, scharf aufhören 
sieht. -— Der Kern ist oval, in derselben Richtung wie die Zelle 
verlängert und liegt dem freien Ende etwas näher als dem andern, 
mit welchem die Zelle auf der Mucosa aufsitz. Manchmal beob- 
achtet man Zellen, welche 2, oder auch 3, aneinandergelagerte 
Kerne enthalten. — Ferner bemerkt man in einigen Zellen im 
Protoplasma zerstreut blasse rundliche Körnchen von verschiedener 
Grösse (von weniger als 1 « bis zu 2 « und mehr) welche von 
Stoffen, durch welche das Kernchromatin gefärbt wird, intensiv durch- 
tränkt werden. Diese Körnchen stehen, wie wir später sehen wer- 
den, in Beziehung mit der Zerstörung eines Theiles jener amöboiden 
Zellen, welche innerhalb der Epithelschiceht liegen und in der- 
selben gerade so zahlreich sind, wie in den oberflächlichen Lagen 
der Mucosa. Im ganzen Magendarmkanal sieht man diese amö- 
boiden Zellen im Epithel. Was mir das Epithel des Reetums vom 
Kaninchen besonders zu charakterisiren scheint, ist die grosse 
Zahl der amöboiden Zellen mit reichlichem Protoplasma und läng- 
lichem, wurstförmigen Kern. Es könnte Niemand von diesen 
Zellen, weil sie sich in der Dicke der Epithelschicht finden, glauben, 
dass sie Ersatzzellen wären, so leicht ist es aus der Gestalt ihres 
Kerns ihre wahre Natur zu erkennen. 

Unter den eylindrischen Protoplasmazellen finden sich ziem- 
lich zahlreiche schleimhaltige Zellen. Mit diesen werden wir uns 
jedoch erst später befassen. 

Im Oberflächenepithel des Mastdarms habe ich niemals, so 
viel ich auch die Untersuchungsmethoden variirte, irgend ein An- 
zeichen einer Theilung durch Karyokinese gefunden. — Ich muss 
die beiden einzigen Zellen mit Mitosen, welche ich im langen Verlauf 
meiner Untersuchungen hier beobachtete, als ganz besondere Aus- 
nahme betrachten. 

Und doch findet überall auch normaler Weise, bei den ein- 
zelnen Thierarten in verschiedenem Maasse, eine Abstossung von 
Zellen statt. Wie wird nun für den Ersatz dieser Zellen ge- 
sorgt? Die Antwort wird sich aus dem Studium der Drüsen er- 
geben. — 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 219 


G. Klose), ein Schüler von Heidenhain, hat das Ver- 
dienst, die beträchtliche Verschiedenheit, welche zwischen den 
schlauchförmigen Drüsen des Dünndarms und denen des Mastdarms 
besteht, an’s Licht gezogen zu haben. Diese unterscheiden sich 
von jenen sowohl durch die Natur ihres Secrets, welches vorwie- 
gend schleimig ist, als durch die Zusammensetzung ihres Epithels, 
in welchem die schleimbereitenden Zellen vorherrschen ; beim Ka- 
ninchen dürften sich sogar fast nur die letzteren finden, während 
beim Hunde die schleimbereitenden Zellen mit den Protoplasma- 
zellen abwechseln ?). 

Es ist leicht, sich von der Richtigkeit der Beobachtungen 
Klose’s zu überzeugen. Andererseits ist es jedoch, wenn man für 
die Beobachtung die neu in die Wissenschaft eingeführten Unter- 
suchungsmethoden in Anwendung zieht, auch nicht schwer zu er- 
kennen, dass andere Thatsachen seiner genauen Beobachtung ent- 
gangen sind. 

Vor Allem kann man in den mit Hämatoxylin ?) gefärbten 
Präparaten feststellen, dass die Mastdarmdrüsen des Kaninchens 
eine gewisse Zahl in Karyokinese begriffener Epithelzellen ent- 
halten. Sie sind nicht sehr zahlreich, da man ihrer ungefähr eine 
in jeder zweiten oder dritten Drüse findet, aber sie sind constant 
auch bei ausgewachsenen und alten Thieren zu finden. Die Mi- 
tosen stehen mit Vorliebe an zwei Stellen: im Blindsack und in 
geringer Entfernung von der Drüsenmündung; sie fehlen jedoch 
auch nicht im übrigen Theil des Drüsenschlauches. — Die in Mi- 
tosis begriffenen Kerne finden sich in diesen, gerade wie in den 
anderen Drüsen, dem Lumen der Drüse näher liegend als die in 
Ruhe befindlichen Kerne. | 

Ein zweiter Punkt, welchen ich als nicht im Einklang mit 
der Beschreibung Klose’s stehend erwähnen muss, ist der, dass 
sich die Drüsenzellen bei der Behandlung der Präparate mit ge- 
wissen Färbemitteln nicht alle in der gleichen Weise verhalten. 

1) Klose, Beitrag zur Kenntniss der tubulösen Darmdrüsen. Diss. 
Inaug. Breslau 1880. 

2) Klose, 1. c. Seite 17. 

3) Man muss dem Hämatoxylin den Vorzug geben vor den übrigen 
die in Mitosis befindlichen Kerne färbenden Substanzen, weil diese letzteren, 


wie man sehen wird, den Schleim ziemlich stark färben und daher nicht leicht 
die Mitosen entdecken lassen. 


220 Giulio Bizzozero: 


Dies ist Klose entgangen, weil er nur mit Pikrocarmin, Häma- 
toxylin und Alauncarmin (l. e. Seite 18) zu färben pflegte, d. h. 
‚mit Farbstoffen, welche die Thatsache, von der ich hier spreche, 
wenig deutlich oder gar nicht hervortreten lassen. — Wenn man da- 
gegen einen vorher in absolutem Alkohol gehärteten Vertikal- 
schnitt der Mastdarmschleimhaut mit Vesuvin färbt, darauf, nachdem 
man ihn einige Minuten lang in absolutem Alkohol ausgewaschen 
hat, in Nelkenöl bringt und dann in Damarharz einschliesst, so 
bemerkt man (Fig. 1), dass das Drüsenepithel von zwei Zellformen 
gebildet wird, welche von einem Ende der Drüse bis zum andern 
mit einander abwechseln; bei der einen Zellenart ist der Körper 
der Zelle stark gefärbt, bei der anderen ist er ungefärbt geblieben. 
Diese Verschiedenheit ist mehr als anderswo um die Mitte des 
Drüsenschlauches deutlich; dort erscheinen die gefärbten Zellen 
(trotzdem die Drüse parallel zu ihrer Längsachse getroffen worden 
ist) in der Gestalt von Pyramiden, deren Basis nach der Periphe- 
rie gerichtet ist und deren leicht abgestumpfte Spitze das Lumen 
der Drüse begrenzt. Ihr Kern ist oval, etwas abgeplattet und nach 
Aussen gegen die Drüsenmembran gerückt. Der Zellkörper wird 
ganz von der gefärbten Substanz eingenommen, in welcher zahl- 
reiche Vacuolen zu bemerken sind, sodass die Substanz selbst das 
Ansehen eines aus groben Bälkchen bestehenden Netzwerks ge- 
winnt!). Von sehr vielen Zellen lässt sich ferner feststellen, dass 
sie wirklich absondernde Schleimzellen sind; in der That bemerkt 
man im Lumen der Drüse einen unregelmässigen Streifen, welcher 
dieselben Reactionen giebt wie der Inhalt der vorhin beschriebenen 
Zellen (ausgeschiedenes Schleimmaterial, welches von den zur 
Härtung dienenden Flüssigkeiten zum Schrumpfen gebracht wurde) 
und welcher mit diesen Zellen vermittelst eines aus Substanz der- 
selben Natur bestehenden Fädchens in Verbindung steht (Fig. 1). 

Die hellen Zellen nehmen den ganzen Raum, welchen die 
vorigen freilassen, ein und besitzen einen ovalen, gegen die Peri- 
pherie gedrängten Kern. Die Substanz, welche ihren Zellkörper 
bildet, zeichnet sich ausser durch ihre geringe oder ganz fehlende 


1) Ich glaube darauf aufmerksam machen zu sollen, dass dieses netz- 
förmige Gefüge bei in Alkohol gehärteten Präparaten zur Beobachtung kommt. 
Im frischen Zustand ist der Körper der in Rede stehenden Zellen grosskörnig, 
wie bei so vielen anderen schleimbereitenden Zellen. 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 221 


Verwandtschaft zu dem Vesuvin dadurch aus, dass sie blass, ho- 
mogen und in ihrer ganzen Dicke von einem feinen Netzwerk 
durchzogen ist. 

Eine eben so schöne Farbenverschiedenheit wie durch das 
Vesuvin erhält man vermittelst des Methylengrüns, wenn man die 
Präparate nachher in Glycerin aufhebt. Man erhält sie auch, aber 
weniger deutlich, mittelst der Chromsäuremethode?), mittelst Fuch- 
sins, Safranins und endlich mittelst Hämatoxylins, welches nach der 
von mir in meinem Handbuchder klinischen Mikroskopie?) 
gegebenen Formel bereitet wird, während das nach Stöhr’s Formel 
bereitete den Zellkörper weniger und die Kerne mehr färbt?). 

Uebrigens bedarf man der Färbung nicht, um den Unterschied 
deutlich zu machen, welcher zwischen diesen beiden Arten von 
Drüsenzellen besteht. Man kann dasselbe Ziel erreichen, wenn 
man die Schnitte ungefärbt in absolutem Alkohol untersucht. Man 
macht mit dem Mikrotom äusserst feine Schnitte von der in 
Paraffin eingeschlossenen Schleimhaut und bringt sie, um sie von 
dem Paraffin zu befreien in einige Tropfen Terpentin. Darnach 
wäscht man sie in absolutem Alkohol aus und untersucht sie auch 
in einem Tropfen Alkohol. Beide Arten von Zellen treten schön 
hervor; die einen sind hell, blass und von einem feinen Netzwerk 
durchzogen, die anderen pyramidenförmig, mit einem farblosen aber 
glänzenden und von Vacuolen durchsetzten Zellkörper. Wenn man 
nun an eine Seite des Deckgläschens einen Tropfen Wasser oder 
Pikrocarminlösung bringt, so sieht man, dass, während die Flüssig- 
keit allmählich eindringt, alle beide Zellenarten aufquellen und dass 
dabei die glänzenden Schleimzellen zuerst homogen werden, dann 
stark abblassen und ein aus feinen Fäden bestehendes Netz- 
werk erkennen lassen, welches ihren Zellkörper durchzieht. Auf 
diese Weise werden sie den blassen Zellen sehr ähnlich, sodass 
nur ein Auge, welches diese ihre Umwandlung genau verfolgt, sie 
noch von diesen auseinanderhalten kann, da sie immerhin noch 


1) Bizzozero, Zeitschrift f. wissensch. Mikrosk., Band III, 1886, p. 24. 
2) 3°. italienische Ausgabe, pag. 36. — 2®. deutsche Ausgabe, Seite 31. 
3) Die nach verschiedenen Formeln bereiteten Hämatoxylinlösungen 
haben eine verschiedene Affinität zum Schleim. Das erklärt, wie Klein die 
becherförmigen Zellen mit Hämatoxylin färben konnte, während Klose (I. c.) 
sich darüber wundert und sagt, dass er sie immer „hell und ungefärbt“ erhält. 


222 Giulio Bizzozero: 


eine gewisse Andeutung ihres ursprünglichen Lichtbrechungsver- 
mögens beibehalten. Diese Umwandlungen sind allein dadurch be- 
.dingt, dass die chromatophile Schleimsubstanz, weiche in den Zellen 
enthalten ist, bei der Berührung mit Wasser oder wässrigen Lö- 
sungen aufquillt und blass wird; sie ist durchaus nicht die Folge 
einer chemischen Veränderung. Denn, wenn man bei einem so 
behandelten Präparat von Neuem das Wasser durch einen Tropfen 
Alkohol ersetzt, bekommt das Präparat in dem Maasse, als das 
erste durch den zweiten verdrängt wird, das ursprüngliche Aus- 
sehen wieder und wird die Verschiedenheit der beiden Zellenarten 
wieder sehr deutlich. Auf diese Weise kann man das Spiel sich 
mehrere Male wiederholen lassen. 

Ausser bei der Behandlung mit Alkohol tritt die Verschieden- 
heit der beiden Zellenarten auch bei der Behandlung mit Essig- 
säure hervor. Während dieselbe bei der Einwirkung in starker 
Concentration die hellen Zellen und im Allgemeinen alle anderen 
Elemente des Präparats blass und nach und nach unsichtbar macht 
und während sie die Kerne der Schleimzellen blass und beinahe 
unsichtbar werden lässt, ändert sie die in den letzteren enthaltene 
slänzende Substanz gar nicht ; dieselbe erscheint sogar im Gegen- 
satz zu dem übrigen abgeblassten Gewebe noch glänzender und 
deutlicher. — Diese Reaction der Essigsäure ist von grosser Wich- 
tigkeit, weil sie uns zeigt, dass der Inhalt der glänzenden Zellen 
von wirklicher Schleimsubstanz gebildet wird, gerade wie auch 
die chromatophile Substanz im Lumen der Drüsen wirklicher Schleim 
ist; die ungefärbten Zellen geben dagegen keine Spur von Muein- 
reaction. 

Was ich bisher von dem Drüsenepithel gesagt habe, bezieht 
sich besonders auf das, was man in der Gegend des 
mittleren Drittels der Drüse beobachtet; im äusseren und 
im inneren Drittel machen sich Verschiedenheiten bemerkbar, denen 
Rechnung zu tragen sehr wichtig ist, wenn man das Leben der Drüsen- 
zellen mit deren Untersuchung wir uns beschäftigen, genau kennen 
lernen will. 

Im tieferenDrittel, d. h. im Blindsack haben die hellen 
Zellen beinahe dasselbe Aussehen, wie in dem mittleren Drittel, 
während die ehromatophilen Zellen sich von den entsprechenden 
des mittleren Drittels durch ihre geringere Verwandtschaft zu den 
Färbemitteln unterscheiden. Wenn wir z. B. ein Vesuvinpräparat 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 223 


untersuchen, werden wir sehen, dass die chromatophilen Zeilen 
zwar alle gefärbt sind, aber um so weniger intensiv, als sie der 
Spitze des Blindsackes näher stehen. Wenn aber das Präparat mit 
Methylgrün (Fig. 3) gefärbt wird, dann vermindert sich die 
Färbung derart, dass sie im Grunde des Blindsacks kaum wahr- 
nehmbar ist, sodass sich hier die chromatophilen Zellen von den 
ungefärbten kaum unterscheiden. Und in gleicher Weise werden 
wir die chromatophilen Zellen, wenn wir ein Präparat mit Alkohol 
oder auch mit Essigsäure behandeln in dem Maasse, als wir uns 
der Spitze des Blindsackes nähern, immer weniger glänzend finden. 
Uebereinstimmende Resultate geben auch die anderen, bereits er- 
wähnten, schleimfärbenden Mittel. — Daraus ergibt sich deutlich, 
dass die chromatophilen Zellen, je mehr sie von dem blinden 
Ende des Schlauches gegen das mittlere Drittel der Drüse vor- 
rücken, allmählich reicher an jener Schleimsubstanz werden, 
welche der Essigsäure widersteht, und der sie ihre grosse Färb- 
barkeit verdanken. 

In dem tiefen Drittel finden sich die Mitosen, wie ich bereits 
sagte, in verhältnissmässig grosser Anzahl. Man sieht deren in 
allen Stadien. Die faserige Kernmasse ist verhältnissmässig klein, 
der Zellkörper wird von einer blassen und homogenen Substanz 
gebildet, welche aus einem von feinen Bälkchen gebildeten Netz- 
werk durchzogen ist (Fig. 2). Bei der geringen Verschiedenheit, 
welche hier zwischen den beiden Zellformen besteht, würde es sich 
nicht entscheiden lassen, ob die Mitosen den hellen Zellen oder 
den Schleimzellen oder beiden angehören. — 

Die Zellen, welche das oberflächlicehe Drittel der 
Drüsen auskleiden, setzen einerseits diejenigen des mittleren Drit- 
tels fort, andererseits gehen sie in das Oberflächenepithel über. 
Weder nach der einen noch nach der andern Seite finden wir eine 
bestimmte Grenze. Die Elemente modifieciren sich stufenweise 
und die Modificationen finden in beiden Arten von Zellen statt. 

In der That sieht man bei der Untersuchung der ehromato- 
philen Zellen in Präparaten, welche in Alkohol gehärtet, in Paraffin 
geschnitten, mit Methylgrün gefärbt und in Glycerin eingeschlossen 
sind (Fig. 4), dass die pyramidenförmige Schleimmasse, welche 
diese Zellen im mittleren Drittel der Drüse ausfüllt (Fig. 4a), je 
mehr man gegen die Mündung vorschreitet, kleiner wird, sich von 
dem Kerne entfernt und sich mehr und mehr dem innern Ende 


224 Giulio Bizzozero: 


der Zelle zu bewegt (b); mit anderen Worten, die Zelle arbeitet 
beständig daran, Schleim aus sich hinaus zu.befördern, ohne neuen 
.hervorzubringen. Solchen Zellen begegnet man auch an der Drü- 
senmündung und in ihrer Umgebung im Oberflächenepithel des 
Darmes, aber hier sind sie sehr verwandelt; sie sind länglich von den 
benachbarten Zellen zusammengedrückt (c); der nun nicht melır 
von dem Schleimtropfen gedrückte Kern hat sich ein wenig mehr 
in die Mitte der Zelle begeben, wo er von körnigem Protoplasma 
umgeben ist; die Schleimmasse endlich, welche beträchtlich an 
Volumen abgenommen hat, nimmt zum Theil das freie Ende der 
Zelle ein, zum Theil ragt sie über dasselbe hervor und befindet 
sich auf diese Weise frei an der Oberfläche der Schleimhaut. Auf 
diese Art erhält die Schleimmasse die Gestalt einer 8 und die 
Einschnürungszelle der 8 entspricht der engen Oeffnung der Zelle, 
durch welche der Schleim auszutreten im Begriffe ist. Die Zelle 
ist auf diese Weise eine Becherzelle des Oberflächenepithels ge- 
worden. In einem letzten Stadium, welches erst erreicht wird, 
wenn die Zellen bereits einen Bestandtheil des Epithels der Darm- 
oberfläche bilden, können sich die Zellen sämmtlichen Schleims 
entledigen und sie werden dann sowohl bezüglich des Kerns als 
bezüglich des Körpers gewöhnlichen Epithelzellen ähnlich, nur 
fehlt ihnen der helle Saum. Ich habe nicht sicher feststellen kön- 
nen, ob nicht eine gewisse Zahl derselben auch diesen Saum be- 
kommt und sich vollständig in Protoplasmazellen umwandelt. 

Sehr belehrende Figuren von diesem Evolutionsprocess der 
schleimbereitenden Zellen erhält man auch von in Flemming- 
scher Lösung gehärteten, in Paraffin zu feinsten Schnitten 
verarbeiteten Stücken, welche nachher in Safranin gefärbt und in 
 Damarharz eingeschlossen werden. Mit dieser Methode bekommt 
man die Figur 5, welche eine Drüsenmündung darstellt. Die Schleim- 
substanz tritt sehr deutlich hervor, weil sie von dem Safranin 
stark gefärbt wird; nicht deutlich zeigt sich jedoch die Netzstructur, 
welche hervor tritt, wie schon erwähnt wurde, wenn in Alkohol 
gehärtet wird. Die Flemming’sche Lösung verschafft ihr ein homo- 
senes Aussehen ; nur mit den besten Objectiven kann man wahr- 
nehmen, dass sie von einem feinen Netzwerk durchzogen ist. 

In der Figur ist ein Theil des oberflächlichen Drittels der 
Drüse abgebildet. In ihrem unteren Theile sieht man, dass die 
Zellen noch die Pyramidengestalt haben und dass sie an ihrer in 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 225 


das Drüsenlumen gehenden Mündung einen kleinen intensiver ge- 
färbten Schleimzapfen zeigen. Gegen die Mündung der Drüse hin 
werden die Zellen etwas kleiner und neigen sie dazu kugelförmig 
zu werden; der Kern ist immer gegen die Peripherie hin gedrängt. 
In einem weiter vorgeschrittenen Stadium verkleinert sich die Zelle 
noch mehr, und sucht der Theil, in welchem der Kern liegt, von 
der Schnittfläche gesehen eine dreieckige Gestalt anzunehmen, 
während er stark von dem Farbemittel durchtränkt wird. — An 
der Drüsenmündung haben die Zellen offenbar in Folge des starken 
Drucks, welchen sie in ihrer auf der Mucosa festsitzenden 
Hälfte zu erleiden haben, bereits die Becherform angenommen; 
der Schleim bildet nämlich in der oberflächlichen Hälfte der Zelle 
eine Kugel und ragt zum Theil aus derselben hervor. Die tiefere 
Hälfte des Elementes dagegen ist abgeplattet, stark mit Safranin 
gefärbt und enthält noch einen abgeplatteten und intensiver ge- 
färbten Kern. — In einer späteren Periode schicken sich die Zellen 
an, ein Bestandtheil des Darmepithels zu werden und unterscheiden 
sie sich von den vorhergehenden nur dadurch, dass die Schleim- 
kugel, welche sie enthalten, sich noch mehr verkleinert hat. 

Bei dem Studium der Formveränderungen, welche die tiefere 
Hälfte der Zellen zeigt, muss man sich gegenwärtig halten, dass 
der Druck, welcher dieselben bedingt, nicht in allen Richtungen 
ausgeübt wird. Der Druck wird von Seiten der Zellen, welche 
um das Lumen der Drüsen herum stehen, gegen die Zellen des 
Oberflächenpithels hin ausgeübt, d. h. also in der Richtung, welche 
die Verlängerung der Längsachse der Drüse annehmen würde, 
wenn sie sich so umböge, dass sie parallel mit der Oberfläche des 
Darms verliefe. Daraus folgt, dass die tiefere Hälfte der Becher- 
zellen abgeplattet wird; so kommt es, dass sie von der Schnitt- 
fläche gesehen schmal und mit länglichem Kern versehen erscheint, 
während sie in der Frontalansicht breit ist und einen Kern von 
ovaler Gestalt zeigt. Es folgt daraus auch, dass man Bilder von 
der Medianebene der Zellen nur an den Stellen des Schnitts be- 
kommt, an welchen derselbe längs in der Medianebene der Drüsen 
verläuft (wie im grössten Theil der Zellen der Figur 5), während 
man an anderen Stellen Bilder von einer schiefen oder Frontal- 
ansicht erhält (a der Figur 5). 

Wir wollen beiläufig erwähnen, dass (wie aus derselben Figur 
hervorgeht) in den mit Flemming’scher Lösung gehärteten und 


996 Giulio Bizzozero: 


mit Safranin gefärbten Präparaten die Intensität der Färbung stu- 
fenweise abnimmt, je mehr man von den Drüsenzellen ausgehend 
.den Becherzellen des Oberflächenepithels näher kommt. In den 
letzteren bemerkt man ferner im Innern des Schleims runde oder 
ovale intensiv gefärbte Körperchen. Wir wollen auch noch be- 
merken, dass auch in den in Flemming’scher Lösung gehärteten 
Präparaten die Schleimzellen intensiv mit Vesuvin durchtränkt 
werden; dieses letztere ist dem Safranin vorzuziehen, wenn 
man die becherförmigen Zellen des Oberflächenepithels deutlich 
machen will. 

Auch die hellen Zellen erleiden Umwandlungen im Vorrücken 
gegen die Drüsenmündung. Schon in einer beträchtlichen Entfer- 
nung von derselben beginnt das Netzwerk, welches den Zellkörper 
durchsetzt, immer dichter zu werden, während die homogene Masse, 
welche sich in ihren Maschen befindet, beständig geringer wird. 
Die Zelle verkleinert sich etwas und bekommt durch das bestän- 
dige Kleinerwerden der Maschen des Netzwerks zuletzt ein kör- 
niges Aussehen ähnlich demjenigen des Oberflächenepithels; gleich- 
zeitig damit bekommt sie auch die Eigenschaft sich mit Pikro- 
carmin gelb zu färben; während sie sich vorher nicht mit demsel- 
ben färbte. Der zuerst in dem tiefen Ende der Zelle zusammen- 
gedrückte Kern stellt sich mit seiner Längsachse parallel zu der- 
jenigen der Zelle und rückt so lange vor, bis er sich in der ober- 
flächlichen Hälfte des Zellkörpers befindet. Endlich beginnt in 
geringer Entfernung von der Mündung die anfangs feine und glatte 
Linie, welche die freie Oberfläche der Zellen begrenzt, ein wenig 
breiter und fein gestrichelt zu werden, sodass sie an der Mündung 
der Drüse selbst dahin gelangt, den Anblick jenes glänzenden und 
sestrichelten Saumes darzubieten, welcher dem Oberflächenepithel 
eigen ist. 

Nach dieser Beschreibung, welche ich von dem Epithel der 
Mastdarmdrüsen gegeben habe, scheint mir eine Antwort möglich 
zu sein auf die Frage: wie regenerirt sich das Epithel des Darmes? 
Ich glaube nicht, dass die Antwort eine andere sein kann als 
diese: Es regenerirt sich nicht durch Vermehrung seiner eigenen 
Elemente; seine Continuität wird erhalten durch die allmähliche 
und proportionale Umwandlung der die Drüsenschläuche ausklei- 
denden Zellen in oberflächliche Epithelzellen. — Denn 1) sind in 
dem Oberflächenepithel keine Zellen mit Mitosen zu finden, während 


ni 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete.e. 297 


sie beständig in dem Epithel der Drüsen vorhanden sind; 2) be- 
steht zwischen dem einen und dem anderen Epithel keine be- 
stimmte Grenze; es findet stufenweise ein Uebergang von dem 
Drüsenepithel zu dem Epithel der freien Oberfläche statt; 3) da 
es sich um ausgewachsene Drüsen handelt, müssten die Mi- 
tosen ihres Epithels, wenn sie nicht zur Erhaltung des Ober- 
flächenepithels dienen würden, nothwendigerweise dazu dienen, die 
während der Seeretion der Zerstörung anheimfallenden Zellen zu 
ersetzen. Nun habe ich in keinem einzigen meiner sehr zahlrei- 
chen Präparate die Spur von in Zerstörung begriffenen Elemen- 
ten, weder im secernirenden Epithel noch im Lumen der Drüse 
gefunden; da dieses Lumen bekanntlich klein ist, würde die Con- 
statirung ihres Vorhandenseins sehr leicht sein; 4) die Verschie- 
denheit des Aussehens der Schleinizellen je nach der Stelle der 
Drüsen, an welcher man sie beobachtet, beweist, dass nicht nur 
die der Mündung nahe stehenden, sondern auch die im Grunde 
des Blindsackes liegenden Mitosen dazu beitragen, das Oberflächen- 
epithel in seinem Bestande zu erhalten. Wir haben in der That 
gesehen, dass einige dieser Zellen von einer grossen Menge nur 
wenig färbbaren Schleims, andere von einer pyramidenförmigen 
Masse stark färbbaren Schleims ausgedehnt sind, bei andern end- 
lich ist ein grosser Theil ihres Körpers protoplasmatischer Natur 
und sie enthalten nur noch einen kleinen Schleimklumpen, dessen 
sie sich vollständig zu entledigen im Begriff sind. Nun kann 
dieses verschiedenartige Aussehen der chromatophilen Zellen nicht 
wohl verschiedenen Stadien ihrer functionellen Thätigkeit ent- 
sprechen, da sich, wenn dem so wäre, Zellen von dem einen wie 
dem anderen Aussehen an jeder beliebigen Stelle der Drüse ohne 
Unterschied finden müssten; allein man beobachtet etwas derar- 
tiges niemals, es befinden sich vielmehr, wie ich bereits angab, die 
Zellen mit schwer färbbarem Schleim sämmtlich im tiefen Drittel, 
die-pyramidenförmigen Zellen im mittleren Drittel und die becher- 
förmigen Zellen im oberflächlichen Drittel der Drüse. Man kann 
doch wohl nicht die Annahme machen, dass jede Drüse aus drei 
Theilen zusammengesetzt ist, von denen jeder besondere und eigen- 
thümliche Schleimzellen besitzen würde, da man ja, worauf ich 
schon aufmerksam gemacht habe, von den Schleimzellen mit bei- 
nahe nicht färbbarem Schleim, welche im Grunde des Blindsackes 
stehen, durch eine abgestufte Reihe von Zellen mit immer mehr 
Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 15 


398 Giulio Bizzozero: 


färbbarem Schleim zu den pyramidenförmigen, intensiv gefärbten 
Zellen des mittleren Drittels gelangt und von diesen ebenfalls in 
allmählicher Stufenfolge zu den Zellen, welche im Begriffe stehen 
sich ihres Schleims vollständig zu entledigen und an der Drüsen- 
mündung und in dem dieselbe umgebenden Darmepithel ihren 
Platz haben. Alles dies lässt sich nicht erklären, als wenn man 
annimmt: 1) dass das verschiedene Aussehen der chromatophilen 
Zellen verschiedenen Stufen ihres Lebens entspricht; 2) dass die 
Jüngeren chromatophilen Zellen im Grunde des Blindsackes stehen, 
während die älteren an der Mündung der Drüsen und im Ober- 
flächenepithel des Darms ihren Sitz haben. Wenn man dies an- 
nimmt, darf man darin die Annahme einschliessen, dass die tie- 
teren Zellen der Drüsen stufenweise aus der Tiefe in die Höhe 
emporsteigen und zuletzt dahin gelangen, einen Theil des Ober- 
flächenepithels des Darms zu bilden. — 

Ich habe mich auch damit beschäftigt, die Beziehungen zu 
erforschen, welche zwischen den chromatophilen und den hellen 
Zellen bestehen. Sollte ihre verschiedene Constitution und ihr 
verschiedenes Aussehen vielleicht auf der Thatsache beruhen, dass 
sie zwar ihrer Natur nach vollständig gleich, aber in verschiede- 
nen Stadien ihrer functionellen Thätigkeit sind? Die helle Zelle 
ist vielleicht eine solche, welche sich ihres schleimigen Secrets 
bereits entledigt hat, während die chromatophile Zelle, welche 
neben ihr steht, noch mit Schleim beladen ist; sodass in dieser 
Weise in einer unmittelbar darauf folgenden Periode eine der 
ersteren durch Production neuen Schleims zu einer chromatophilen 
werden könnte, während eine der letzteren, dadurch dass sie sich 
des ihrigen entledigt, als helle Zelle erscheinen könnte, und so 
weiter? Ich muss gestehen, dass dies meine erste Vermuthung 
war, dass es aber die Thatsachen waren, welche mich bewogen, 
die Sache in einer anderen Weise aufzufassen. 

Wenn diese Vermuthung richtig wäre, so müssten wir sämmt- 
liche Uebergangsformen zwischen der einen und der anderen Zel- 
lenart finden, wie wir sie in allen jenen Drüsen finden (Speichel-, 
Magen-, Pancreas-Drüsen etc.), in welchen die anatomische Beob- 
achtung histologische Umwandlungen der Zellen nachweist, welche 
den verschiedenen Stadien ihrer functionellen Thätigkeit entspre- 
chen. Wir müssten sonach helle Zellen mit wenig Schleim, andere, 
welche mehr von demselben enthielten, und so weiter fortschrei- 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 229 


tend andere, in welehem der Schleim beinahe die ganze Zelle ein- 
nimmt, sehen, bis man schliesslich zu den typischen chromatophi- 
len Zellen gelangte. Allein Nichts von alledem! Wenn wir einen 
Abschnitt des Drüsenschlauches betrachten, in welchem diese bei- 
den Zellenarten in ihrer vollen Entwickelung sind, d. h. also das 
mittlere Drittel der Drüse, so sehen wir, dass die chromatophilen 
Zellen immer sehr stark von Schleim ausgedehnt sind, während 
die hellen Zellen nie eine Spur von dieser Substanz zeigen. Zwi- 
schen diesen und jenen Zellen findet immer ein deutlicher und 
lebhafter Gegensatz statt. Die beiden Zellformen müssen also als 
zwei unterschiedlichen Arten von Elementen angehörig betrachtet 
werden. 

Ich stimme hierin nicht mit den von Klose!) erhaltenen und 
von Heidenhain?) bestätigten Resultaten überein. Als sie Ka- 
ninchen der Einwirkung des Pilocarpins unterwarfen, um die ab- 
sondernde Thätigkeit des Darmes stark zu erregen, sahen sie tief- 
sehende Veränderungen der Schleimzellen der schlauchförmigen 
Drüsen des Kaninchens auftreten. In der That kommt der Schleim 
zum Austritt, sodass zuletzt keine Spur mehr davon in der Zelle 
zurückbleibt; der Kern wird rundlich und entfernt sich von dem 
Ende der Zelle, indem er sich nach der Mitte derselben begibt. 
Der ausgetretene Schleim wird durch eine körnige Substanz er- 
setzt, welche reich an Albumin ist und sich mit Carmin intensiv 
roth färben lässt. Kurz gesagt, die Zellen werden „vollkommen 
ähnlich den Zellformen, welche die typische Auskleidung der Dünn- 
darmdrüsen bilden“°). Nach diesen Beobachtern könnten also die 
Schleimzellen nach einer Periode angestrengter Thätigkeit die 
Charaktere von Protoplasmazellen wiedergewinnen. 

Diese Resultate haben mich bewogen zu untersuchen, ob sich 
auf diesem Wege die chromatophilen Zellen in der Weise ver- 
ändern liessen, dass sie den hellen Zellen vollständig gleich wür- 
den. Klose und Heidenhain konnten daran nicht denken, weil 
sie in den Drüsen nur eine Art von Zellen kannten. Nachdem 
aber einmal durch meine Untersuchungen festgestellt worden war, 
dass die Zellen in zwei Gestalten auftreten, war es eine logisch 


1 RS 
2) L. &°8. 166. 
3) Heidenhain |. ce. Seite 166, 


230 Giulio Bizzozero: 


gerechtfertigte Vermuthung, dass der zwischen ihnen bestehende 
Unterschied daher rühre, dass die eine mit Schleim beladen, die 
andere leer davon ist und eine logisch gerechtfertigte Vermuthung, 
dass jeder Unterschied verschwinden müsse, wenn mittelst des 
Pilocarpins auch die chromatophilen Zellen von ihrer Secretmasse 
befreit würden. 

Zu diesem Zwecke brachte ich bei erwachsenen Kaninchen 
von 1800—2000 gr Gewicht eine profuse und lange Secretion der 
Drüsen hervor, indem ich ihnen in drei Stunden 4 Spritzen einer 
Lösung von Pilocarpinum hydrochlorieum unter die Haut spritzte, 
in der Menge, dass sie im Ganzen 0,03 des Salzes bekamen, und 
tödtete dieselben nach der letzten Injection. Die Injectionen muss- 
ten so oft wiederholt werden, weil ihre Wirkung zwar intensiv 
aber vorübergehend ist. Die Mastdarmschleimhaut wurde theils 
in Alkohol, theils in Flemming’scher Lösung gehärtet. 

Die Schnitte der gehärteten Stücke zeigen schon bei einer 
oberflächlichen Untersuchung beträchtliche Modificationen. Vor 
Allem sind die Drüsen etwas dünner als die normalen Drüsen. 
In der That findet man, wenn man diese mit jenen in Stücken, 
welche durch denselben Process in Flemming’scher Lösung ge- 
härtet wurden, vergleicht, dass die ersteren in der Mitte ihrer 
Länge eine mittlere Dieke von 44,25 u besitzen, während die 
letzteren 52 u messen. Diese kleine Verminderung ist besonders 
dem Drüsenepithel zuzuschreiben, da es mir nicht scheint, als 
wenn das Lumen nennenswerth verkleinert werden würde. Noch 
bemerkenswerther ist die Modification der schleimbereitenden 
Zellen. Die chromatophile Substanz, welche sie enthalten, ist bei 
einigen (und das sind die zahlreichsten) vollständig verschwunden, 
bei andern ist sie im Verschwinden begriffen. In den in Alkohol 
sehärteten und mit Vesuvin gefärbten Präparaten kann man leicht 
sehen, wie dies geschieht: Die Bälkchen des Netzwerks, welche 
von der chromatophilen Substanz gebildet werden (Fig. 7), werden 
immer dünner, verlieren dann ihren Zusammenhang und entziehen 
sich zuletzt dem Blick voilständig. Der Körper der Zelle ver- 
kleinert sich jedoch, wie schon gesagt, nur wenig, indem die Stelle 
der verschwundenen Bälkchen durch die Zunahme der ungefärbten 
Substanz, welche die Vacuolen füllte, wieder ausgefüllt wird. 
Wie zu vermuthen war, verschwindet die chromatophile Substanz 
an der Stelle zuletzt, wo sie ursprünglich in grösster Menge vor- 


Ueber die schlauchformigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 231 


handen waf, d. h. in der Mitte der Drüsenlänge. Ich will vor- 
übergehend bemerken, dass der Zellkern, wie schon Klose und 
Heidenhain beobachtet hatten, rund wird und sich in die Mitte 
der Zelle begibt. Ich will hinzufügen, dass auch in den höchsten 
Graden der Pilocarpinisation die Drüsen Mitosen in einer, wie 
mir scheint, von der normalen nicht abweichenden Zahl aufweisen. 

Bei einer oberflächlichen Untersuchung könnte man zu dem 
Glauben gelangen, dass nach dem Verschwinden der chromatophilen 
Substanz zwischen den beiden Arten der Drüsenzellen kein Unter- 
schied mehr bestehe; aber in Wirklichkeit verhält sich die Sache 
nicht so. Der Körper der chromatophilen Zellen, sowohl in den 
mit Alkohol, als in den mit Flemming’scher Lösung gehärteten 
und sei es mit Vesuvin oder mit Safranin behandelten Präparaten 
färbt sich noch, wenn auch nur ziemlich leicht und in diffuser Weise; 
die Zellen der anderen Art bleiben dagegen ungefärbt. Diesen 
Unterschied nimmt man in der Mitte der Drüse deutlich wahr, im 
blinden Ende des Schlauches dagegen ist er wenig deutlich. 
Ausserdem behalten die chromatophilen Zellen ihre Pyramiden- 
gestalt und ihre regelmässige Basis, mit welcher sie auf der 
Drüsenmembran aufsitzen, bei, während die farblosen Zellen, gerade 
wie im normalen Zustande, gezwungen sind, die von jenen gelassenen 
Zwischenräume einzunehmen und daher eine durchaus unregel- 
mässige Gestalt haben. Dies tritt deutlich hervor, wenn man bei 
der Untersuchung einer Drüse den Brennpunkt des Objektivs nicht 
auf die Medianebene derselben, sondern auf eine tangentiale Ebene 
einstellt in einer Weise, dass man die Umrisse der Fläche, mit 
welcher die Zellen auf der Drüsenmembran aufsitzen, sieht, wie 
das in der Figur 6 dargestellt wird. In derselben sind a a die 
schleimbereitenden Zellen, welche sich ihres Schleims entledigt 
haben, b die dazwischenliegenden hellen Zellen. Der Schleim- 
klumpen war in den Zellen a’ a’ noch nicht vollständig verschwun- 
den und wurde von Vesuvin braun gefärbt; er erscheint in der 
Figur mit verschwommenen Umrissen, weil er sich in der Spitze 
der Zelle und in einer tieferen Ebene befindet als diejenige ist, 
in welcher der Kern liegt, und desshalb nicht im Brennpunkt des 
Objectivs steht. 

Es ist auch interessant die Veränderungen der Elemente im 
Öberflächenepithel zu studiren. Die protoplasmatischen Cylinder- 
zellen erscheinen hier mit einem deutlichen glänzenden Saum ver- 


232 Giulio Bizzozero: 


sehen, etwas geschwollen, hell, gleichsam als wenn ste leicht mit 
einer serösen Flüssigkeit infiltrirt wären. Wie schon Klose be- 
merkt hat, sind ihre Kerne gegen das freie Ende der Zelle hin- 
gedrängt, sodass sie manchmal fast den glänzenden Saum berühren. 
Was die schleimbereitenden Zellen angeht, kann ich, soweit das 
Reetum in Betracht kommt, die Ansicht Klose’s (l. c. Seite 27) 
nicht unterschreiben, dass nämlich bei den pilocarpinisirten Kanin- 
chen die Schleimzellen vollständig verschwinden. Vielleicht lassen 
sie sich mit den von ihm angewendeten Methoden nicht nachweisen. 
Wenn man dagegen den Darm in Flemming’scher Lösung härtet 
und die Schnitte in Glycerin oder auch, nachdem man sie mit für 
die Schleimzellen passenden Reagentien, wie mit Safranin oder 
noch besser mit Vesuvin gefärbt hat, untersucht, dann kostet es 
keine Mühe sie zu erkennen. Sehr wenige jedoch von ihnen ent- 
halten noch einen kleinen Schleimtropfen und bewahren noch die 
charakteristische Bechergestalt (Fig. 8, a). In dem grössten Theil 
derselben ist das Schleimtröpfehen verschwunden und der Körper 
der Zelle geschrumpft und stark abgeplattet, sodass er blass und 
breit erscheint, wenn er von vorn gesehen wird (c), dagegen 
schmal und stärker gefärbt, wenn er im Profil gesehen wird (d). 
Er färbt sich ziemlich intensiv mit Safranin und Vesuvin und 
scheint aus einer mit Vacuolen versehenen Substanz zu bestehen 
(sehr deutlich in Fig. b). Der Kern der Zellen ist auch stark ab- 
geplattet und unterscheidet sich auf den ersten Blick von jenem 
der gewöhnlichen Epithelzellen und zwar nicht nur durch diese, 
seine Form und seine intensive Färbung, sondern auch dadurch, 
dass er in dem tiefen Theil der Zelle gelagert ist. Folglich haben 
wir Elemente vor uns, welche in Folge der durch das Pilocarpin 
bewirkten gesteigerten Seeretion geschrumpft sind. 

Wenn wir diese Resultate zur Lösung der Frage verwerthen, 
welche wir uns gestellt haben, und uns besonders daran erinnern, 
dass die schleimbereitenden Zellen auch dann, wenn sie ihre 
Schleimtropfen vollständig verloren haben, keineswegs den zwischen- 
liegenden hellen Zellen gleich sind, dann haben wir einen neuen 
Beweis in der Hand für die Annahme, dass die beiden Zellen- 
formen wirklich verschiedene Arten uud nicht nur zwei ver- 
schiedene functionelle Stadien ein und desselben Elementes dar- 
stellen. Das gilt für die Elemente, welche ihr Wachsthum vollendet 
haben, d. h. für diejenigen, welche wir in der Mitte der Drüse 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 233 


finden. Ich würde nicht zu sagen wagen, dass es auch für die 
Elemente des blinden Endes gälte; denn hier zeigen die Schleim 
absondernden Zellen ihre eigenthümliche Charaktere weniger deut- 
lich ; sie enthalten wenig Schleim, halten die Färbemittel weniger 
lebhaft zurück, in einem Wort, sie gleichen mehr den hellen Zellen, 
welche sie umgeben. Diese geringere Differenz kann die Ver- 
muthung entstehen lassen, dass manche der in diesem Abschnitt 
der Drüse enthaltenen Zellen gleichsam indifferente Elemente 
darstellen, welche sich im weiteren Verlauf der Entwickelung in 
zwei auseinandergehenden Richtungen ausbilden, an deren Enden 
einerseits die hellen Zellen, andererseits die schleimbereitenden 
Zellen stehen. Ich überlasse die Lösung der Frage (welehe nicht 
leicht ist, gerade wie auch die Lösung bezüglich der beiden Zellen- 
arten der Drüsen des Magengrundes nicht leicht zu finden ist) 
späteren Untersuchungen. 

Was aus den Forschungen, welche ich bisher auseinander 
gesetzt habe, hervorgeht, ist folgendes: dass man die abgestuften 
Veränderungen der Form und der chemischen Constitution, welche 
man an den schleimbereitenden Drüsen auf dem Wege vom Grunde 
des Blindsacks der Drüse bis zum Oberflächenepithel des Darmes 
beobachtet, nur erklären kann, wenn man eine fort- 
schreitende Evolution und ein Hinaufrücken dieser 
Zellen aus dem blinden Grunde bis zur freien Oberfläche 
der Mucosa annimmt. Im blinden Grunde finden sich also die 
jüngsten der schleimbereitenden Elemente und hier findet ihre 
Vermehrung durch Mitosis statt. Was die hellen Zellen 
angeht, so müssen dieselben natürlich die schleimbereitenden auf 
ihrer Wanderung begleiten; ihre Vermehrung durch indirecte 
Theilung kann aber in der ganzen Länge des Drüsen- 
schlauches stattfinden. In der That sind, wie ich bereits 
sagte, die hellen Zellen mit einem in Mitosis befindlichen Kern bis 
nahe an die Drüsenmündung heran zahlreich zu finden. Dies 
erklärt, wie es kommt, dass sie in dem Epithel der freien Ober- 
fläche viel zahlreicher sind, als die Schleimzellen. 


II. CGolondrüsen des Kaninchens. 


Die Schleimhaut des Colons hat eine kleinhöckerige freie 
Oberfläche in Folge zahlreicher zitzen- oder kegelförmiger Hervor- 


234 Giulio Bizzozero: 


ragungen, welche dieht neben einander angeordnet stehen, Diese 
Hervorragungen oder Papillen haben an ihrer Basis im Anfang des 
Colons eine Breite von 0,6—0,3 mm und im Colon in einer Ent- 
fernung von etwa 20,,cm vom Coecum eine solche von 0,3—0,4 
mm. Man vergesse jedoch”,nicht, dass sie so enge aneinander 
stehen, dass man, ‘wenn man die innere Oberfläche des Darmes 
untersucht, nur ihre Spitze sehen kann, da ja die Seitenfläche 
jeder Papille zum grössten Theil die entsprechenden Seitenflächen 
der Papillen, welche sie unmittelbar umgeben, berührt. 

Die Drüsen des Colons sind schlauchförmig. Da sie nun 
gerade wie diejenigen des Mastdarms palissadenförmig angeordnet 
sind und direet an der Oberfläche der Schleimhaut endigen, so 
folgt daraus, dass sie verschiedene Länge haben (Fig. 9); die 
längsten sind diejenigen, welche an der Spitze der Papillen aus- 
münden, die kürzesten diejenigen, welche in der Tiefe zwischen 
den Papillen ausmünden; was diejenigen Drüsen angeht, welche ihr 
Ende an den Seitenflächen der Papille haben, so sind sie um so 
länger, je näher ihre Mündung der Spitze der Papille liegt. 

Sie durchziehen leicht gewunden die ganze Dicke der Schleim- 
haut und endigen beinahe in unmittelbarer Berührung mit der 
Muscularis mucosae, von welcher sie nur durch eine äusserst 
dünne Lage von Bindegewebe getrennt sind. Häufig theilen sie 
sich in geringer Entfernung von ihrem Ende in zwei Zweige und 
lassen auf diese Weise zwei Blindsäcke entstehen. — Ferner be- 
merkt man hier und da zwischen den blinden Enden und der 
Muscularis mucosae Anhäufungen von Lymphzellen. 

Das Stroma der Mocosa wird von spärlichem, schwammigem, 
netzförmigem Bindegewebe gebildet, das von glatten Muskelfaser- 
zellen durchzogen wird, welche einen mit dem der Drüsen paral- 
lelen Verlauf innehalten und mit ihrem einen Ende oft unmittelbar 
unter das Oberflächenepithel reichen. Im Bindegewebe finden 
sich zahlreiche, zum Theil spindelförmige Zellen, zum Theil (und 
das sind die zahlreichsten) Zellen mit den Charakteren von Leu- 
koeyten. 

Das Oberflächenepithel des Darmes ist dem des Mast- 
darmes ähnlich. Auch in ihnen findet man nicht selten Zellen mit 
2 oder 35Kernen im Ruhezustand, aber Zellen mit Mitosen sieht 
man niemals. Es ist ebenfalls von zahlreichen Leukocyten durch- 
setzt und in seinen Zellen (besonders in denjenigen, welche den 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 235 


Scheitel der Papillen überziehen) sieht man nicht selten jene Körn- 
chen chromatophiler Substanz, welche ich als Kernüberreste von 
Leukoeyten betrachte. — Im Oberflächenepithel des Colons fehlen 
auch die becherförmigen Zellen nicht; es ist bemerkenswerth, dass 
sie nicht gleichmässig vertheilt sind, sondern beträchtliche Ver- 
schiedenheiten zeigen je nach dem Abschnitt der Papille, auf wel- 
chem sie stehen. Sie sind wirklich selten am Scheitel und nehmen 
immer mehr an Zahl zu, je mehr sie auf den Seitenflächen abwärts 
steigen und zwar derart, dass sie an den tiefsten Stellen zwischen 
zwei benachbarten Papillen in einigen Abtheilungen des Colons so 
zahlreich sind, dass sie die Zahl der dazwischenliegenden Proto- 
plasmazellen erreichen oder selbst übertreffen (Fig. 15). — Die 
becherförmigen Zellen sind verhältnissmässig seltener im Anfang 
des Colons als in jener Abtheilung, welche in das Reetum übergeht. 

Untersuchen wir nun die Structur der Drüsen!). In dieser 
Beziehung ist vor allen Dingen zu bemerken, dass dieselbe etwas 
variirt, wie wir sehen werden, je nach der Stelle des Colons, welche 
wir betrachten. Wir wollen daher annehmen, dass die Untersuchung 
an einer Schleimhaut, welche dem ersten Theil des 
Colons, etwa 5em vom Coecum entfernt, entnommen 
wurde, angestellt werde. 

Wenn ein Vertikalschnitt dieses in Alkohol gehärteten Darm- 
abschnitts mit Pikrocarmin gefärbt und in Glycerin untersucht 
wird, scheint die Struetur der Drüse äusserst einfach zu sein. 
Der Drüsenschlauch scheint in seinen beiden tieferen Dritteln von 
einer Schicht sämmtlich einander gleicher Plattenepithelzellen aus- 
gekleidet zu sein; im oberflächlichen Drittel dagegen treten an 
Stelle dieser Zellen nach und nach Cylinderzellen, welche denjeni- 
sen des Oberflächenepithels, in das 'sie an der Drüsenmündung 
übergehen, gleichen. Wenn man dagegen den in Alkohol gehärte- 
ten, oder aber noch besser zuvor mit Flemming’scher Lösung 
fixirten und dann in Alkohol gehärteten Darm mit den gebräuch- 
lichen Anilinfarben färbt, dann treten gewisse bemerkenswerthe 
Eigenthümlichkeiten zum Vorschein. Um die Sache genauer zu 
präcisiren, wollen wir annehmen, dass die Härtung mit Flemming- 
scher Lösung erreicht worden sei. 


1) Die Colondrüsen des Kaninchens sind ein Lieblingssitz von Psorosper- 
mien, welche selbst bis auf ihren Grund gelangen. 


236 Giulio Bizzozero: 


Vor Allem lässt sich feststellen, dass in dem Drüsenepithel 
die Mitosen (Fig. 12 und 13) im Allgemeinen ziemlich zahlreich 
‚sind. Sie sind verhältnissmässig spärlich im unteren Drittel (dem 
Grunde des Blindsackes), verhältnissmässig reichlich im innern 
Drittel (dem Drüsenhalse); hier hat beinahe jede Drüse eine Mi- 
tose und nicht selten sind solche, welche 2, 3 bis zu 5 enthalten. . 
Die Methode mit Ehrlich’scher Lösung für Tuberkelbaeillen und 
Chromsäure, welche ich an anderer Stelle!) beschrieben habe, 
macht diese Unterschiede sehr schön deutlich. — Auch hier stehen 
wie anderswo die in Karyokinese befindlichen Kerne dem Lumen 
der Drüse näher als die in Ruhe befindlichen. | 

In zweiter Linie ist leicht zu erkennen, dass die Drüsenzellen 
zwei verschiedenen Arten angehören welche mit einander abwechseln, 
serade wie in den Mastdarmdrüsen. Das tritt schon in mit Vesu- 
vin und mit Safranin gefärbten Präparaten hervor, weil die eine 
Art von Zellen sich mit mässiger Intensivität färbt, die andere 
aber ungefärbt bleibt; aber es tritt noch deutlicher hervor, wenn 
man die Schnitte, welche sehr fein sein müssen, mit einer wässrigen 
Lösung der von Ehrlieh zur Färbung der Leukocyten empfohle- 
nen Flüssigkeit?) färbt, da bei dieser Behandlung der ganze Kör- 
per der chromatophilen Zellen sich intensiv roth-violett färbt und 
im Innern der hellen Zellen (welche ungefärbt bleiben), der Kern 
hervortritt, welcher in gleicher Weise wie die andern Kerne des 
Präparates orangeroth gefärbt ist. 

Die chromatophilen Zellen sind grosse Elemente von unregel- 
mässig eylindrischer oder pyramidenförmiger Gestalt und stehen 
mit ihrer Längsachse senkrecht auf der Achse der Drüse. Ihr 
Körper ist von einem kleinmaschigen aus feinen Bälkchen beste- 
henden Netzwerk durchzogen und sie besitzen einen stark färb- 


1) Bizzozero, Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie, Band III, 1886, Seite 24. 

2) Hier folgt die Zusammensetzung der Ehrlich’schen Flüssigkeit für 
Leukocyten (Charit&-Annalen IX, 1884. S. 107): Man mischt 125 ccm einer 
gesättigten Lösung von Orange G, und einer gesättigten mässig-alkoholischen 
(20°/, Alkohol) Lösung von Säurefuchsin, fügt 75 cem absoluten Alkohol hinzu 
und dann unter Umrühren nach und nach 125 ccm einer wässrigen Lösung 
von Methylgrün. — Ich pfleste 1 Tropfen dieser Flüssigkeit zu 20 Tropfen 
destillirten Wassers hinzuzusetzen; in dieser Mischung liess ich die Präparate 
10—15 Minuten, wusch sie dann 1 Minute lang in absolutem Alkohol aus, 
klärte sie mit Nelkenöl auf und schloss sie in Damarharz ein. 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 237 


baren Kern, welcher zusammengedrückt und in das Ende der Zelle 
gedrängt ist, welches auf der Membrana propria der Drüse aufsitzt. 

Die hellen Zellen sind durch ihre Einreihung zwischen die 
Zellen der anderen Art verhältnissmässig schmal und lang; nicht 
selten jedoch ist dasjenige Ende, welches nach dem Lumen hin- 
zieht, etwas kolbenförmig verdickt, sei es nun, dass sie sich zwi- 
schen zwei chromatophilen pyramidenförmigen Zellen befindet, sei 
es, dass sie ein wenig frei in das Lumen vorspringt. Ihr Körper 
ist sehr durchscheinend und man bemerkt höchstens eine Andeu- 
tung von Körnchen und kleinen Bälkchen; der Kern ist ziemlich 
lang, oval, fast stäbehenförmig und steht mit seiner Längsachse 
senkrecht auf der grössten Achse der Drüse. Er hat ein bläs- 
chenförmiges Aussehen und deutliche ununterbrochene Umrisse. 

Die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Zell- 
arten sieht man sehr deutlich, wenn man die Zellen im Profil 
(Figur 10) oder von vorn (Fig. 11) untersucht, und bleiben un- 
verändert in den beiden tiefen Dritteln der Drüse. Mit der An- 
näherung an den Drüsenhals verändern sie sich aber sehr schnell 
(Fig. 13). Die hellen Zellen werden ziemlich zahlreich, sodass 
sie die chromatophilen, welchen sie zuerst nicht nur an Volumen, 
sondern auch an Zahl nachstanden, im Drüsenhalse an Zahl über- 
treffen und an Durchmesser erreichen. Sie nehmen eine regel- 
mässige Cylindergestalt an, das Protoplasms wird körnig und 
zeigt etwas mehr Affinität für die Färbemittel, der Kern verkürzt 
sich und wird einfach oval. — Eine gewisse Zahl derselben 
zeigt sich im Process der Karyokinese begriffen. — In 
geringer Entfernung von der Mündung sieht man ihre freie Ober- 
fläche, welche regelmässig abgeschnitten erscheint, im Profil von 
einer Linie begrenzt, welche an Breite zunimmt und zuletzt das 
Aussehen des gestrichelten Saumes der Oberflächenepithelzellen 
bekommt, sodass man in diesem Punkte die hellen Zellen nicht 
mehr von diesen Zellen zu unterscheiden wüsste. 

Beachtenswerth sind auch die Umwandlungen der chroma- 
tophilen Zellen. Schon im mittleren Drittel der Drüse schwillt 
ihr Kern an, wird rundlich und bekommt mehr ein bläschenför- 
miges Aussehen; er wird nämlich begrenzt von einer ununterbro- 
chenen deutlichen und regelmässigen Umrisslinie und zeigt einen 
hellen Inhalt, in welchem 2 oder 3 Kernkörperchen und zahlreiche 
feine Körnchen zu bemerken sind. — Im oberflächlichen Drittel 


238 Giulio Bizzozero: 


werden die Zellen, gedrängt von den sich vermehrenden hellen 
Zellen, schmäler und zeigen die Gestalt eines länglichen Cylinders. 
-Ihr Kern behält noch seine Stelle in dem aufsitzenden Ende bei 
und nimmt eine ovale, im selben Sinne wie die Zelle längliehe 
Gestalt an. Was das Protoplasma angeht, so finden wir hier die- 
selbe Umwandlung wie im Rectum; es theilt sich in zwei Ab- 
schnitte: den körnigen Abschnitt, welcher sich intensiv färbt, den 
Kern umgibt und in das mittlere Drittel der Zelle vorrückt; und 
einen mehr homogenen Abschnitt, welcher sich etwas weniger (aber 
immer noch intensiv) färbt, das oberflächliche Drittel der Zelle 
einnimmt und etwas aus ihrem freien Ende hervorragt. Mit an- 
deren Worten, das Element hat das Aussehen einer becherförmigen 
Zelle angenommen. — Ein weiterer Schritt noch und die Zelle 
wird zu einer Becherzelle des Oberflächenepithels. 

Wenn wir nun die Drüsen des Colons vom Kaninchen, welche 
eben beschrieben worden sind, und die Drüsen des Reetums mit 
einander vergleichen, so finden wir gewisse Verschiedenheiten. 
Wir wollen die minder wichtigen bei Seite lassen und nur die 
beiden folgenden erwähnen. Vor allen Dingen sind die Colon- 
drüsen länger und diese ihre grössere Länge bezieht sich haupt- 
sächlich auf den Theil, welchem wir den Namen eines Drüsenhalses 
gegeben haben. In der That, während im Reetum das Drüsenepithel 
sich sehr schnell in das Oberflächenepithel umwandelt, ist in den 
Colondrüsen der Uebergang ein mehr allmählicher, sodass wir einen 
bestimmten Abschnitt der Drüse haben, welcher von Zellen ausge- 
kleidet ist, die durch ihre Form, durch ihren Kern, ihr Infiltrirtsein 
mit Leucoeyten sehr an diejenigen der freien Oberfläche des Darms 
erinnern. Wenn auch ferner in den Colondrüsen ebenfalls zwei 
Arten von Elementen vorhanden sind, die hellen und die chroma- 
tophilen Zellen, so zeigen die letzteren doch nicht dieselben Re- 
actionen, wie die der Mastdarmdrüsen. — Wir haben ja gesehen, 
dass die chromatophile Zelle in den beiden oberflächlichen Drit- 
teln der Rectumdrüsen einen Klumpen einer Substanz von netz- 
förmigem Ansehen enthält, welche in Alkohol glänzend ist, mit 
Essigsäure noch glänzender wird und sich intensiv mit Methylgrün, 
Vesuvin, Safranin ete. färbt. — Wenn wir aber von einer in Al- 
kohol gehärteten Schleimhaut des Colons einen Schnitt machen 
(die Härtung in anderen Flüssigkeiten beeinträchtigt die Feinheit 
der Reactionen) und sie direet in dieser Flüssigkeit untersuchen, 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 239 


so sehen wir dass der Körper der chromatophilen von einem Netz- 
werk durchzogen ist, dieses Netzwerk aber sehr feine Bälkchen 
hat, sodass die in seinen Maschen liegende homogene Substanz 
verhältnissmässig reichlich ist. Wohl ist es wahr, dass die Zellen 
mit destillirtem Wasser aufquellen gerade wie die der schleimberei- 
tenden Rectumdrüsen ; aber in den Colondrüsen ist diese Quellung 
eine geringere und ausserdem wird beim Zusatz starker Essigsäure 
ihr Netzwerk, statt glänzender zu werden, in dem Maasse blass, 
dass es nur bei den stärksten Vergrösserungen zu sehen ist. End- 
lich sind sie unempfindlich gegen das Methylgrün; denn mit 
diesem Reagens färben sich, auch wenn man seine Wirkung länger 
andauern lässt, nur diejenigen etwas, welche nahe an der Drüsen- 
mündung stehen ; in gleicher Weise verhalten sie sich unempfind- 
lich, oder wenigstens beinahe unempfindlich, gegen das Vesuvin, 
das Safranin und das Hämatoxylin }). 

Trotz dieser Verschiedenheiten trage ich kein Bedenken, die 
chromatophilen Zellen der Colondrüsen den schleimabsondernden 
Zellen zuzurechnen. Der Name Schleim umfasst eine Gruppe von 
Substanzen, deren chemische Natur noch nicht vollständig bestimmt 
ist und deren Charactere noch nicht festgestellt sind. Ich glaube 
wir besitzen keine Reaction, auch nicht die mit Essigsäure, welche 
den schleimigen Substanzen nothwendig und ausschliesslich zu- 
käme. Hiernach genügt die Thatsache, dass die Zellen der Colon- 
drüsen mit Essigsäure blass werden, keineswegs um sie für nicht 
schleimiger Natur zu erklären, weil diese Reaction ja auch anderen 
Schleimarten?) fehlt. Ebenso ist diese Reaetion sowohl, als auch 
die Affinität zu den basischen Anilinfarbstoffen, auch bei den 
Zellen der blinden Enden der Reetumdrüsen wenig ausgesprochen, 
obgleich diese Zellen durch ihren allmählichen Uebergang in die 


1) Ihre Färbung mit Safranin und mit Vesuvin, welche ich früher er- 
wähnte, erzielt man bei inFlemming’scher Lösung gehärteten 
Stücken und ist sie weit davon entfernt, so intensiv zu sein, wie diejenige der 
Rectumdrüsen. — Ich will beiläufig bemerken, dass sich bei der Behandlung 
der in Alkohol gehärteten Colonschleimhaut mit derEhrlich’schen 
Universallösung ausser dem Kern nur noch ihr feines protoplasmatisches Netz- 
werk färbt ; die Substanz, welche in den Maschen desselben liegt, bleibt un- 
gefärbt. 

2) Sie fehlt bei dem des Magens (Heidenhain, Physiologie der Ab- 
sonderungsvorgänge, Seite 94). 


340 Giulio Bizzozero: 


typischen Schleimzellen des mittleren Drittels der Drüse, ihre 
Natur als wahre schleimabsondernde Drüsen beweisen. 

Dazu kommt noch, dass die Zellen der Colondrüsen, gerade 
wie die echten schleimbereitenden Zellen, einen an die Peripherie 
sedrängten Kern und ein den ganzen Zellkörper durchziehendes 
Netzwerk zeigen; dass sie in Wasser aufquellen, und zuletzt, dass 
sie eine sehr homogene Masse absondern, welche auch in Wasser 
aufquillt und das Lumen der Drüse schon von dem im blinden 
Ende stehenden Theil beginnend, ausfällt. 

Eine weitere Bestätigung hierfür liegt in der Art und Weise 
des Verhaltens ihrer Elemente gegen Safranin. Schon Panetht) 
hat angegeben, dass diese Substanz dem Schleim der schleimab- 
sondernden Zellen des Triton und manchmal auch der Ratte eine 
roth-gelbe Farbe ertheile. Ich habe diese Reaction im Anfang 
meiner Untersuchungen über die Drüsen zufällig gefunden und die 
Bedingungen, welche ihr Auftreten begünstigen, studirt. Es schien 
mir das wichtig, weil die Reaction, wenn sie gelingt, sehr schön 
und nützlich ist. Nun habe ich die Bemerkung gemacht, dass die 
Reaction bei vielen Arten von Schleimzellen nicht gelingt und 
zwar nicht sowohl, weil die durch das Safranin bedingte Gelb- 
färbung ausbleibt, als vielmehr, weil dieselbe, obwohl sie hervor- 
gebracht worden war, in Folge der weiteren Behandlung, welcher 
das Präparat unterworfen wird, wieder verschwindet. Dies erfolgt 
schon, wenn man Glycerin zusetzt, um das Präparat darin aufzu- 
heben, oder wenn man den Schnitt mit Alkohol behandelt, um ihm 
das Wasser zu entziehen und in Damarharz aufbeben zu können. 
Mit andern Worten, die durch Safranin bewirkte Gelbfärbung 
widersteht bei einigen Arten von Schleimzellen (z. B. bei denen 
des Magens vom Hunde) der nachfolgenden Einwirkung des Alko- 
hols bezw. des Glycerins, bei andern aber nicht (z. B. bei denen 
des Diekdarms vom Hunde). — Um diesen Unzuträglichkeiten zu 
entgehen, habe ich es für nöthig gefunden die Präparate zu unter- 
suchen während sie sich im Safranin befinden und dann mit dem 
Auge am Mikroskop die Wirkung dieser Substanz direct zu ver- 
folgen. Die Schnitte werden auf dem Objectträger in einen 
Tropfen Alkohol gebracht (da sich auch die feineren Schnitte in 
Alkohol leichter ausbreiten lassen, da ihr Schleim nicht klebrig 


1) Paneth, Arch. f. mikr. Anat. Band 31, Heft 2, Seite 115. 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 241 


ist) und mit einem Deckgläschen bedeckt, welches sehr dünn sein 
muss, damit es leicht von den Flüssigkeiten, welche das Präparat 
umspülen sollen, in die Höhe gehoben werden kann; dann ersetzt 
man den Alkohol durch destillirtes Wasser, welches die schleim- 
bereitenden Elemente zum Aufquellen bringt, und das Wasser 
ersetzt man endlich durch die Safraninlösungt). Durch die Ein- 
wirkung derselben nehmen sämmtliche Kerne des Präparates eine 
rothe, ins Gelbliche spielende Farbe an, das Protoplasma der 
Zellen und der Körper der glatten Muskelfaserzellen bekommt 
eine fuchsinrothe Farbe; die Schleimzellen dagegen zeigen 
ihren Schleim gelb gefärbt. — Die Präparate sind daher 
sehr prächtig. Nur schade, dass sie sich in Glycerin, wie ich schon 
sagte, nicht halten. Eine wässerige Lösung von essigsaurem Kali 
erhält die Gelbfärbung des Schleim wohl sehr gut, schädigt aber das 
Präparat in dem Sinne, dass die fuchsinrothe Farbe des Epithels, 
der Muskeln ete. zu einem abgeblassten schmutzigen Roth wird und 
daher die Lebhaftigkeit des Farbencontrastes eine Einbusse erleidet. 
Ganz gutes leistet dagegen eine syrupdicke Lösung von Rohrzucker. 

Wenn wir nun in der eben beschriebenen Weise einen Schnitt 
von der Rectumschleimhaut mit Safranin behandeln, dann sehen 
wir, dass alle schleimbereitenden Zellen bis zu denen in den 
blinden Enden der Drüsen gelb werden. — Wenn wir dagegen in 
derselben Weise die Colonschleimhaut behandeln, dann sehen wir 
nur die becherförmigen Zellen des Öberflächenepithels und des 
Epithels des Drüsenhalses gelb werden; die chromatophilen Zellen 
der Drüsen dagegen bleiben roth. Auf den ersten Blick könnte es 
also scheinen, dass diese letzteren ganz anderer als schleimiger 
Natur sein müssten. Wenn wir aber das Präparat in eine feuchte 
Kammer bringen und das Safranin längere Zeit einwirken lassen, 
so finden wir, dass nach einigen Stunden die Reaction auch in 
allen chromatophilen Zellen eingetreten ist mit dem einzigen 
Unterschied, dass ihr Gelb ein wenig blasser ist als dasjenige der 
Becherzellen des Drüsenhalses. Es ist überflüssig hinzuzufügen, dass 
auch nach dieser Zeit die Cylinderzellen und die Muskeln ihre 
fuchsinrothe Farbe behalten haben. Das Gelbwerden der chroma- 
tophilen Zellen erfolgt stufenweise; zuerst findet es in den Zellen 
statt, welche den schleimbereitenden Zellen des Drüsenhalses am 


1) Hierzu ist eine ganz bestimmte Concentration nicht nothwendig. Ich 
pflegte 3 Tropfen einer 0,5 %/, Safraninlösung mit 0.5cem Wasser zu mischen. 


242 Giulio Bizzozero: 


nächsten stehen und am meisten gleichen; dann erstreckt es sich 
nach und nach bis auf diejenigen der blinden Enden. 

Ich habe keinen Anhaltspunkt zur Erklärung dieser interes- 
santen Reaction; aber ich habe etwas ausführlicher davon ge- 
sprochen, weil sie, wie mir scheint, die schleimige Natur der 
fraglichen Zellen bestätigt und ausserdem beweist, dass dieselben 
auf ihrem Wege von dem blinden Ende bis zur Mündung der Drüse 
nicht nur anatomisch verändert werden, sondern auch chemisch 
modifieirt und so zu sagen gereift werden. 

Dass übrigens diese doppelte Umwandlung in Wirklichkeit 
stattfindet, wird noch besser durch die Untersuchung der Colon- 
schleimhaut bewiesen, welche dem Rectum etwas näher liegenden 
Stellen, z. B. 20 cm vom Coecum entfernt, entnommen werden. 
Wenn wir Schnitte von dieser mit Schnitten vergleichen, welche 
5cm vom Coecum entfernt entnommen werden (wie die bisher be- 
sehriebenen waren), so finden wir, dass in ersteren die Schleimhaut 
dünner ist (und daher kürzere Drüsen hat) und dass ihre papillären 
Hervorragungen niedriger sind und keine kegelförmige, sondern 
eine mehr rundliche Gestalt haben. Was die Zusammensetzung 
der Drüsen angeht, so finden wir, dass die chromatophilen Zellen, 
wenn man sie in der tieferen Hälfte der Drüsen untersucht, in den 
beiden Schleimhäuten fast vollständig gleich sind. Wenn man sie 
dagegen in der oberflächlichen Hälfte untersucht, findet man be- 
merkenswerthe Unterschiede Während in der S®hleimhaut vom 
Anfang des Colon die chromatophilen Zellen auf dem Wege zum 
Drüsenhalse länger und cylindrisch werden, werden sie in der 
Schleimhaut, welche 20 cm vom Coecum entfernt ist, auf dem Wege 
nach dem Drüsenhalse kugelförmig (Fig. 14), ihr Kern wird stär- 
ker gegen die Peripherie gedrängt, färbt sich intensiver und ver- 
liert das bläschenförmige Aussehen, welches er in den beiden 
tieferen Dritteln der Drüse hatte; der Inhalt der Zellen quillt stark 
mit Wasser und färbt sich intensiv mit Vesuvin, wird mit Safranin- 
lösung sehr schnell gelb und schrumpft und wird glänzender bei 
der Einwirkung von starker Essigsäure; kurz, die Zellen nehmen 
die Charaktere der Schleimzellen an, welche sich in den Rectum- 
drüsen in geringer Entfernung von der Mündung befinden. Wie 
in diesen, werden dann die Zellen an der Drüsenmündung länger 
und dünner und wandeln sich in die becherförmigen Zellen des 
Öberflächenepithels um; und gerade wie in ihnen ist das Lumen 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 243 


des Drüsenhalses von einer beträchtlichen Menge von Schleim 
eingenommen, welcher in seiner Reaction identisch ist mit dem- 
jenigen, der in den Zellen enthalten ist und mit dem man ihn 
auch durch seitliche Fortsätze in direetem Zusammenhang stehen 
sieht. 

Wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, bilden die Colon- 
drüsen aus einer Entfernung von 20 cm vom Coecum ein Ueber- 
gangsstadium von den Drüsen des Colonanfangs zu denjenigen des 
Rectums. Ihre tiefere Hälfte gleicht mehr derjenigen der ersteren, 
die oberflächliche mehr der entsprechenden Hälfte der zweiten; 
ebenso wechselt der secernirte Schleim, wenn man vom Rectum 
nach dem Dünndarm geht, allmählich seine chemische Constitution. 

Wenn wir die an den Colondrüsen gemachten Untersuchungen 
zusammenfassen und die vielen Punkte der Uebereinstimmung her- 
vorheben, welche sie mit den Reetumdrüsen haben, dann müssen 
wir auch für sie die Annahme machen, dass die allmählichen Ver- 
änderungen der Form und der chemischen Constitution, welche wir 
in ihren Schleimzellen auf dem Wege vom blinden Drüsenende 
bis zum ÖOberflächenepithel beobachten, nur so erklärt werden 
können, dass wir eine Evolution und ein Aufwärtsrücken dieser 
Zellen vom blinden Ende der Drüse bis zur freien Oberfläche der 
Schleimhaut annehmen. Im blinden Ende findet hauptsächlich ihre 
Vermehrung durch Mitosis statt (Fig. 12). — Im Drüsenhalse und 
in dem Oberflächenepithel ist das Zahlenverhältniss zwischen den 
hellen Zellen und den schleimbereitenden Zellen ziemlich verschie- 
den von demjenigen, welches in den beiden tieferen Dritteln der 
Drüse bestand, denn dort sind die hellen Zellen sehr viel zahl- 
reicher als die anderen; aber das findet gerade wie im Rectum 
seine Erklärung in den zahlreichen Mitosen, welche in den hellen 
Epithelzellen, die den Drüsenhals auskleiden, beobachtet werden. 


Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd, 33, 16 


244 


Fig. 4. 


Giulio Bizzozero: 


Erklärung der Figuren auf Tafel XV. 


(Die Zeichnungen wurden nach den mit einem Zeiss’schen Mikroskop 


gewonnenen Bildern gemacht). 


Drüse des Mastdarms vom ausgewachsenen Kaninchen. Schleimhaut 
in Alkohol gehärtet und in Paraffin geschnitten. Die Schnitte wur- 
den in Vesuvin gefärbt und in Damarharz aufbewahrt. Man sieht 
die schleimbereitenden Zellen stark gefärbt; die Färbung nimmt in 
denjenigen des blinden Endes stufenweise ab. Am Drüsenhalse wan- 
deln sich die schleimabsondernden Zellen um. — 270 d. (Obj. D, Oe. 
comp. 4.) 

Aus einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen in geringer Ent- 
fernung vom blinden Ende. Man sieht drei schleimbereitende Zellen. 
Eine derselben ist in Mitosis begriffen. Im allen ist das Netzwerk 
des Protoplasmas sichtbar. — Alkohol, Paraffin, Hämatoxylin. — 
Obj. 1/15, homog. Immers. von Reichert, Oc. comp. 4. 

Aus einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen in seiner Mitte. 
Der Schnitt wurde von einem in Alkohol gehärteten Stück genom- 
men, in Methylgrün gefärbt und in Glycerin aufbewahrt. Man sieht 
vier schleimbereitende Zellen mit dazwischen liegenden hellen Zellen. 
Der Körper der ersteren besteht aus Vacuolen, welche in einer Sub- 
stanz liegen, die sich stark grün färbt. Die Intensität der Färbung 
nimmt progressiv zu von den tiefer stehenden nach den höher (nach 


der Drüsenmündung) stehenden Zellen hin. — Apochr. 2 mm, N. 
A. 1,30, Occ. comp. 4 von Zeiss. 
Mündung einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen. — Alkohol, 


Paraffin, Methylgrün; Aufbewahrung in Glycerin. Man sieht wie 
an dem Drüsenhalse die hellen Zellen zahlreicher werden und sich 
in Zellen des Oberflächenepithels umwandeln, und wie die schleim- 
bereitenden Zellen mit ihrem stark grün gefärbten Kerne sich in 
becherförmige Zellen umwandeln. — Apochr. 2 mm, Öc. comp. 4. 
Mündung einer Drüse des Mastdarms vom Kaninchen. Härtung in 
Flemming’scher Lösung, Paraffın, Färbung mit Safranin, Ein- 
schluss in Damarharz. Man sieht die stufenweise erfolgende Um- 
wandlung der schleimabsondernden Drüsenzellen in becherförmige 
Zellen des Oberflächenepithels. In a ist der abgeplattete Fuss der 
Zelle von vorn gesehen. — 500 d. (Obj. E; mit der Camera lucida 
Öberhäuser’s.) 


Fig. 6. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


10. 


11. 


Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 245 


Aus einer Drüse des Mastdarms von einem pilocarpinisirten Kanin- 
chen. Der hier gezeichnete Abschnitt entspricht ziemlich genau der 
Mitte des Drüsenschlauches. Der Brennpunct des Objectivs war 
auf eine gegen den Drüsenschlauch selbst tangential verlaufende 
Ebene eingestellt, sodass man die Grundflächen der Drüsenzellen 
sieht. — Flemming’sche Lösung, Vesuvin, Damarharz. — a 
schleimbereitende Zellen, welche beinahe vollständig ihre chroma- 
tophile Substanz verloren haben; a‘ a‘ schleimbereitende Zellen, 
welche noch Schleim in Form intensiv mit Vesuvin gefärbter 
Klumpen haben, welche mit verschwommenen Umrissen zu sehen 
sind, weil sie sich unter den betreffenden Kernen in einer Ebene 
befinden, welche tiefer als diejenige der Zeichnung liegt; b helle 
Zellen. — Apochr. 2 mm, Camera lucida. 


Zwei Zellen von einer Mastdarmdrüse des pilocarpinisirten Kanin- 
chens der vorhergehenden Figur; in diesem Falle wurde jedoch die 
Schleimhaut in Alkohol gehärtet. Vesuvin, Damarharz. — Die 
Zellen enthalten nur noch wenige Reste des chromatophilen Netz- 
werks. — Obj. apochr. 2 mm, Oc. comp. 4. 

Epithelzellen der freien Oberfläche vom Rectum desselben pilocar- 
pinisirten Kaninchens. — a becherförmige Zelle, welche noch einen 
kleinen Schleimtropfen enthält; b, c, d becherförmige Zellen, welche 
sich der Schleimtropfen, die sie enthielten, entledigt haben. Flem- 
ming’sche Lösung, Safranin, Damarharz; a und b bei ungefähr 
450 d.; e und d gezeichnet bei Apochr. 2 mm und Oc. comp. 4. 


Papillen vom Colon eines ausgewachsenen Kaninchens. Die Schleim- 
haut wurde in einer Entfernung von 5 cm vom Coecum entnommen. 
Alkohol, Ehrlich’sche Flüssigkeit, Damarharz. a Drüsen, von 
denen a’ unten verzweigt ist, b Muscularis mucosae, c Submu- 
cosa. 50 .d. 


Von derselben Schleimhaut, gehärtet in Flemming’scher Lösung 
und mit Ehrlich’scher Flüssigkeit gefärbt. Abschnitt des Drüsen- 
schlauches in der Nähe des blinden Endes. Das Objectiv wurde so 
eingestellt, dass man die Drüsenzellen im Profil sieht. Man sieht 
die schleimbereitenden und die hellen Zellen. In den ersteren wurde 
das Netzwerk nicht gezeichnet. — Im Drüsenlumen sieht man die 
Secretmasse. Obj. apochr. 2 mm, Camera lucida. 


Dasselbe Präparat der vorhergehenden Figur bei derselben Ver- 
grösserung. Man sieht hier jedoch das blinde Ende der Drüse und 
das Objectiv ist so eingestellt, dass die Grundflächen der Drüsen- 
zellen zu sehen sind. 


. Von derselben Schleimhaut, ebenfalls in Flemming’scher Lösung 


gehärtet, aber 24 Stunden lang mit Vesuvin gefärbt; dann Alkohol 
Nelkenöl, Damarharz. Man sieht das blinde Ende einer Drüse mit 


246 


Fig. 13. 


Fig. 14. 


Fig. 15. 


Gıulio Bizzozero: 


schleimbereitenden und hellen Zellen. Eine derselben befindet sich 
in Mitosis. — 500 d. (Obj. E, Camera lucida). 

Von derselben Schleimhaut, in Flemming’scher Lösung gehärtet 
und mit Ehrlich’scher Flüssigkeit gefärbt. Ausmündung einer 
Drüse auf der Seitenfläche einer Papille. a schleimabsondernde 
Drüsenzellen; bb Stadium ihrer Umwandlung in becherförmige Zellen 
ce des Oberflächenepithels; dd Leukocyten im Epithel: e helle 
Zelle in Karyokinesis begriffen. Man sieht, wie sich die hellen 
Zellen stufenweise in Zellen des Öberflächenepithels umwandeln. 
370d. (Obj. D, Camera lucida.) 

Von der Schleimhaut des Colons vom Kaninchen, von einem dem 
Rectum benachbarten Abschnitt. Härtung in Alkohol und Aufbe- 
wahrung in mit Vesuvin gefärbtem Glycerin (bei dieser Behandlung 
bleibt der Schleim ungefärbt). Es wurde ein Abschnitt des Drüsen- 
schlauches gezeichnet, welcher demjenigen Abschnitt des Drüsenhalses 
entspricht, der an das mittlere Drittel der Drüse angrenzt. Man 
sieht 4 schleimabsondernde Zellen, welche ihren Schleim in das 
Drüsenlumen ergiessen; zwischen diesen beobachtet man helle Zellen 
auf dem Wege sich in Zellen des Oberflächenepithels umzuwandeln, 
Obj. apochr. 2 mm, Camera lucida. 

Von der vorhergehenden Schleimhaut in Alkohol gehärtet. Die 
Schnitte wurden mit Pikrocarmin gefärbt und in Glycerin auf- 
gehoben. Die Zeichnung wurde dem Oberflächenepithel entnommen, 
welches der tiefsten Stelle der Einbuchtung zwischen 2 benachbarten 
Papillen entspricht. Man sieht drei schleimabsondernde Zellen 
mit einem gegen die Peripherie zusammengedrückten Kerne und 
zwischen denseiben protoplasmatische Epithelzellen. a Leucocyt, 
welcher in einer Nische der Epithelzellen steht. Object. apochr. 2 
mm, Camera lucida. 


2 Se 


Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 24 


— 


Ueber die Atrophie der Fettzeilen des Knochenmarks. 


Mittheilung 


von 


Professor Giulio Bizzozero 
in Turin. 


Hierzu Tafel XVI. 


Professor Rabl-Rückhard beschrieb in einer Mittheilung, 
welche im August v. J. im Archiv f. mikr. Anatomie (Band 32, 
Heft 1) veröffentlicht worden ist, und welehe ich durch Zufall erst 
sehr spät gesehen habe, gewisse Zellen von eigenthümlicher Form, 
welche er sowohl in dem subeutanen Bindegewebe, als auch be- 
sonders schön in den Markräumen der verschiedenen Schädelknochen 
einer Cobitis barbatula zu beobachten Gelegenheit hatte. Die- 
selben bestehen aus einem Fetttropfen von verschiedener Grösse, 
welcher von einer einen Kern enthaltenden Protoplasmaschicht 
umhüllt ist; das Merkwürdige dabei ist, dass von diesem Proto- 
plasma zahlreiche, manchmal verzweigte Fortsätze ausgehen, welche 
radienförmig von der Zelle ausstrahlen und sich in der durch- 
scheinenden und homogenen Masse, von welcher diese umgeben ist, 
verlieren. — Rabl-Rückhard fasste diese Elemente in richtiger 
Weise als Fettzellen auf und suchte, durch ihre eigenthümliche 
Form angezogen, nach ihnen bei anderen Individuen derselben 
Art. Aber er fand bei diesen statt ihrer Bindegewebszellen, welche 
zwar mit zahlreichen Fortsätzen versehen waren, aber kein 
Fett enthielten. Nach seiner Ansicht sollen diese ebenfalls Fett- 
zellen gewesen sein, deren Fett aber resorbirt worden war, wie 
das bei Fischen im Zustande der Gefangenschaft sehr schnell ein- 
zutreten pflegt. Bei anderen Fischen ist es ihm dann auch nicht 
gelungen, irgend Etwas den oben beschriebenen Gebilden ähnliches 
zu finden, sodass er es für am Platze hielt, ohne Weiteres seine 
Beobachtungen zu veröffentlichen und in folgender Weise zu er- 
klären: „In den gewöhnlichen typischen Fettzellen stellt das Pro- 


248 Giulio Bizzozero: 


toplasma der Bindegewebszelle, aus der erstern hervorgegangen, 
eine dünne Mantelschicht dar, an der bisher keine Anzeichen da- 
. für erkannt werden konnten, dass dieselbe der Sitz spontaner, 
amöboider Bewegungen ist. Die gemästete Fettzelle verharrt ge- 
wissermaassen in träger Ruhe. Anders bei den beschriebenen Zellen 
aus dem Innern der Kopfknochen der Schmerle; hier scheinen 
lebhafte Protoplasmabewegungen in der Hülle der Fettzellen statt- 
zufinden und deren Ausdruck sind jene feinen „Pseudopodien“, 
die, von der Oberfläche des Mantels ausstrahlend, durch das ange- 
wendete Reagens augenblicklich zum Erstarren gebracht wurden.“ 

Diese Mittheilung Rabl-Rückhard’s gibt mir Gelegenheit, 
mich einiger meiner Beobachtungen zu erinnern, welcheseinen Befund 
erklären und für andere Klassen der Wirbelthiere verallgemeinern. 

Schon in meiner ersten Arbeit über das Knochenmark, welche 
i. J. 1869 in der Zeitschrift Morgagni veröffentlicht worden ist, 
habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Fettzellen des 
Knochenmarks beim Menschen, wenn ihr Fett in Resorption be- 
griffen ist, eine Sternform mit mehreren Ausläufern darstellen. Ich 
habe davon Erwähnung gethan (Il. e. Seite 30 u. 31 des Separat- 
abdrucks), indem ich die beiden mit Nr. 3 und 7 bezeichneten 
Beobachtungen anführte, welche einen 5Sjährigen, an allgemeiner 
Carecinosis gestorbenen Mann und eine 25jährige ungeheuer abge- 
magerte, an Syphilis gestorbene Frau betrafen. Ich fand das durch- 
aus natürlich, nachdem durch die Untersuchungen Neumanns 
und meine eigenen nachgewiesen worden war, dass die Fett- 
zellen des Knochenmarks im Unterschied von den gewöhnlichen 
Fettzellen sich aus sternförmigen Bindegewebszellen ent- 
wickeln, welche mit zahlreichen und zierlichen Fortsätzen ver- 
sehen sind, von denen ich in der soeben eitirten Arbeit eine Ab- 
bildung (Fig. 7) gegeben habe. 

Als ich später in Gemeinschaft mit Dr. Torre die Struetur 
und die:Funetionen des Knochenmarks der Vögel studirte!), hatten 
wir auch bei diesen Thieren Gelegenheit, die Resorption des Fettes 
zu”verfolgen. Um deutlichere Bilder der Gefässwände des Knochen- 
marks zu erhalten, hatten wir mehrere Thiere einer schnellen 
Verhungerung unterworfen, wobei sich in dasselbe an Stelle des 
resorbirten Fettes eine gelatinöse, durchscheinende nnd ungefärbte 


1) Bizzozerou. Torre. Moleschott's Untersuchungen Bd. XI, Heft 5/6. 


Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 949 


Masse ergoss, welche die Gefässwände sehr gut erkennen liess. 
Nun haben wir auch bei den Vögeln gesehen !), dass das Knochen- 
mark unter dem Einflusse des Verhungerns aus reichlicher hyaliner 
Gallertsubstanz mit spärlich eingestreuten Leucocyten und völlig 
oder nahezu ihres Fettes beraubten Fettzellen zusammengesetzt ist. 
Letztere bestehen aus einem schönen, ovalen, bläschenförmigen, 
mit Kernkörperchen versehenen Kern, welcher von einer ziemlichen 
Menge körnigen Protoplasmas umgeben ist. Von der Peripherie 
der Zelle gehen in der Regel Protoplasmafortsätze aus, welche 
meist von sehr erheblicher Länge sind und sich allmählich, indem 
sie sich von der Ursprungsstelle entfernen, verzweigen, dünner 
werden und oft entweder in Anastomosen mit Fortsätzen benach- 
barter Zellen oder sich an die Wände des Venennetzes anlegend 
endigen. In dem Protoplasma findet man manchmal einen Rest 
von Fett in Gestalt eines glänzenden Tropfens; dies beobachtet man 
besonders in der Umgebung der grossen Gefässe, sodass man sagen 
darf, dort erfolge die Resorption am langsamsten. 

Wir haben unserer Beschreibung eine Figur beigegeben 
(l. e. Fig. 3) welche einen Schnitt eines solchen Knochenmarks 
bei mässiger Vergrösserung wiedergibt und die Beziehungen zeigt, 
welche die sternförmigen Fettzellen unter sich und mit den Gefäss- 
wänden haben. 

Die Mittheilung von Prof. Rabl-Rückhard beweist mir 
nun, dass es trotz dieser Veröffentlichungen von Nutzen sein kann, 
dass diese Abart der Fettzellen des Knochenmarks besser bekannt 
gemacht werde. Ich finde dieselben nirgends in den Arbeiten, 
welche nach der eben eitirten von mir und Dr. Torre veröffent- 
lichten Arbeit erschienen sind, erwähnt. Desshalb füge ich der 
gegenwärtigen Mittheilung eine Figur (Fig. 1) bei, welche von 
einem meiner Präparate aus dem Februar 1830 bei einer Ver- 
grösserung von 930 d. abgezeichnet worden ist. Das Knochenmark 
stammte aus der Diaphyse der Tibia eines Huhns, welches ge- 
tödtet wurde, nachdem es 17 Tage auf sehr karger Kost gehalten 
worden war, in Folge dessen sein Gewicht von 1068 g auf 562g 
gesunken war. Das Mark erschien als ein gelatinöser Cylinder 
von ziemlicher Consistenz und röthlicher Farbe. Es wurde mittelst 
Müller’scher Flüssigkeit fixirt, in 70—80°/, Alkohol gehärtet, mit 


1) 1. c. S. 16 des Separatabdrucks. 


250 ’ Giulio Bizzozero: 


Gummi imprägnirt und dann wieder von Neuem in Alkohol ge- 
bracht, aus freier Hand geschnitten, mit neutralem Carmin gefärbt 
. und in Glycerin aufbewahrt?!). Man sieht drei Zellen; aus der einen 
ist das Fett vollständig verschwunden und der Körper der Zelle 
erscheint unregelmässig rundlich, mit feinkörnigem Protoplasma 
und einem bläschenförmigen mit Kernkörperchen versehenen Kern 2). 
In den andern ist das Fett noch in Gestalt eines kleinen, glänzen- 
den Tropfens zu sehen. Diese Tropfen waren im frischen Präpa- 
rat intensiv gelb gefärbt. — Ich erwähne diese Färbung, weil in 
den entsprechenden, von Fett ausgedehnten Zellen der gut genähr- 
ten Thiere das Fett so zu sagen farblos ist, sodass also auch hier 
jene gelbe Färbungsverschiedenheit zwischen dem normalen und 
dem in Resorption begriffenen Fett besteht, welche wir in dem 
Fettgewebe deranderen Körpertheile finden. — Um den Fetttropfen 
ist eine Protoplasmaschicht gelagert, in welcher ein Kern zu sehen 
ist. Von sämmtlichen Zellen strahlen nun lange, zuweilen varicöse, 
etwas geschlängelte Protoplasmafortsätze aus, welche, je mehr sie sich 
von der Zelle entfernen, dünner werden und sich mehrere Male 
zweitheilen. 

Die Zellen und ihre Fortsätze sind von einer gelatinösen 
Masse umgeben, welche bei der Behandlung mit etwas verdünnter 
Essigsäure sofort ein gestreiftes Aussehen bekommt, wie der echte 
Schleim. Von diesem unterscheidet sie sich jedoch dadurch, dass 
sie mit starker Essigsäure wieder durchscheinend und hyalin 
wird. Diese Löslichkeit in concentrirter Essigsäure tritt bei 
dieser Substanz sowohl im frischen Zustand als nach der Härtung 
in Alkohol oder aber zuerst in Pikrinsäure und nachher in Alhohol 
hervor 3). 

Die oben beschriebenen Protoplasmafortsätze durchsetzen die 
ganze Schicht der um die Zellen liegenden gelatinösen Substanz 


1) Wenn man zu stark mit Alkohol härtet, schrumpft die schleimige 
Intercellularsubstanz zu sehr und zieht sich von dem Umriss des Protoplasmas 
vieler Zellen zurück, sodass diese letzteren von einem leeren Raume umgeben 
werden, der jedoch von ihren Fortsätzen durchzogen wird. 

2) Die Zellen, welche zwei Kerne enthalten sind nicht selten. 

3) Hie und da sieht man in meinen in Müller’scher Flüssigkeit gehär- 
teten Präparaten, dass in der gelatinösen Substanz ein feines Fibrinnetz aus- 
gefüllt worden ist, dessen Fäden sich mit den Protoplasmafortsätzen der Fett- 
zellen verflechten. 


Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 251 


und endigen in einer Linie, welche die Grenze bezeichnet zwischen 
der gelatinösen Substanz, welche einer Zelle angehört und der- 
jenigen, welche ihrer Nachbarzelle zukommt. Diese Linien bilden 
nun, indem sie sich mit einander kreuzen, gleichsam ein Netz und 
in jeder Masche desselben ist eine atrophische mit ihrer gelatinösen 
Substanz umgebene Fettzelle zu sehen!). Da in dem Fettmark 
der gut genährten Thiere die Fettzellen dicht aneinander gelagert 
sind, ist es klar, dass in dem Knochenmark, dessen Fett in Re- 
sorption begriffen ist, jene Linien der optische Ausdruck von Ebenen 
sind, welehe eine Zelle von der anderen trennen. Auf den ersten 
Blick könnte man glauben, dass die Linien den optischen Quer- 
schnitt einer Zellmembran darstellten. Aber gegen diese Annahme 
muss ich anführen, dass sich die Linien bei starker Vergrösserung 
in Reihen feiner Körnchen auflösen, während man, wenn es sich 
um den optischen Querschnitt einer Membran handelte eine un- 
unterbrochene Linie, ja sogar, entsprechend dem doppelten 
Contour der Zellen des Unterhautfettgewebes, eine doppelte Linie 
erhalten müsste. Ausserdem bewahre ich noch einige Zerzupfungs- 
präparate vom Knochenmark auf, welche nach mehrtägigem Aufent- 
halt in Müller’scher Flüssigkeit hergestellt wurden; in denselben 
sieht man einige vollständig isolirte atrophische Fettzellen, welche 
von ihrer Schieht von Schleimsubstanz umgeben sind (Fig. 2); nun 
kann man um diese letztere herum Nichts bemerken, was an das 
Vorhandensein einer Membran erinnert. 

Im fetten Knochenmark verhungerter Thiere zeigt das Gewebe 
(ausser spärlichen Leukocyten) als seinen alleinigen Bestandtheil 
die oben beschriebenen atrophischen Fettzellen; sie sind es, welche 
den ganzen, zwischen den Blutgefässen freibleibenden Raum ein- 
nehmen und mit den Wänden der letzteren in Verbindung treten; es 
ist kein verbindendes Stroma vorhanden. Dies beobachtet man 
in seiner ganzen Reinheit in der Diaphyse der Tibia. Im untern 
Ende derselben sind die Bilder nicht so deutlich, weil hier das 
Fett nur in unvollständiger Weise resorbirt wird, auch wenn die 
Inanition länger fortgesetzt wurde. Was das obere Ende angeht, 
so wird in demselben das Knochenmark, weil es blutbereitend ist, 


1) Diese Grenzlinien sind sehr deutlich in den mit Pikrinsäure fixirten 
Knochenarten zu sehen, doch erscheinen in denselben sowohl die Zellkörper 
als die Protoplasmafortsätze schlecht erhalten. 


252 Giulio Bizzozero: 


immer reicher an Leukocyten, je mehr wir uns von der Diaphyse 
entfernen. In gleicher Weise ist auch das Mark des Oberschenkel- 
-knochens ein blutbereitendes, sodass auch in ihm bei der Inanition 
die Räume zwischen den Gefässen in hohem Grade von einer 
grossen Menge von Leukocyten eingenommen werden. Zwischen 
denselben bemerkt man jedoch immer Fettzellen und die Umwand- 
lungen, welche diese zeigen, sind identisch mit denen, welche im 
Fettmark beobachtet werden. Sie erscheinen in der Masse der 
Leukocyten wie Inselchen einer schleimigen Substanz, welche 
regelmässig hier und da eingestreut sind und von denen je eins 
einer einzelnen Fettzelle entspricht. Im Centrum eines jeden 
Inselchens sieht man den protoplasmatischen Zellkörper, welcher 
mit einem Kern versehen ist und die gewöhnlichen verzweigten 
Fortsätze aussendet, die sich bis an die Peripherie des Inselchens 
erstrecken. 

Die Fettzellen des Knochenmarks der Säugethiere zeigen 
unter dem Einfluss der Inanition wesentlich dieselben Verände- 
rungen wie die der Vögel. Ich habe schon die von mir im Jahre 
1869 beim Menschen gemachten Beobachtungen berührt!). Aus 
dieser Zeit stammen auch einige Experimente, welche ich an 
Kaninchen anstellte. Am Knochenmark dieser Thiere wird die Stelle 
des unter dem Einfluss der Inanition geschwundenen Fettes zum 
Theil von stark ausgedehnten Blutgefässen, zum Theil von der 
gelatinösen Substanz eingenommen. Ich habe dies in der oben- 
erwähnten Arbeit angeführt, aber zu kurz und ohne Abbildungen, 
sodass ich es für angemessen halte, hier eine Figur hinzufügen, 
welche nach einem der damaligen Präparate gezeichnet worden 
ist (Figur 3). Es ist ein Querschnitt des Marks vom Femur, 
welcher in Müller’scher Flüssigkeit fixirt, in Alkohol gehärtet, 
geschnitten, mit Hämatoxylin gefärbt und in Glycerin aufbewahrt 
wurde. In diesem letzteren sind im Laufe der Jahre die Kerne der 
Zellenelemente, welche zuerst durch das Hämatoxylin violett geworden 
waren, beinahe farblos geworden, während das Zellprotoplasma 
braun geworden ist. Man bemerkt hie und da mit Blutkörperchen 
gefüllte Gefässe, welche dem Venennetz angehören. Die zahllosen 
Leukocyten des Marks sind so angeordnet, dass sie ein Netz mit 
dieken Balken bilden, und jede Masche dieses Netzes ist von 


1) Bizzozero-Morgagni, 1869. 


Ueber die Atrophie der Fettzellen des Knochenmarks. 253 


einem Klumpen gelatinöser Substanz ausgefüllt. Im Mittelpunkt 
dieses Klumpens steht das mit einem Kerne versehene Protoplasma 
der Fettzelle, dessen Fett bereits vollständig resorbirt wurde. Die 
Fettzellen senden von ihrer ganzen Oberfläche mehrere verzweigte 
Fortsätze aus, welche bis an die Peripherie der Schleimklumpen 
reichen. Sie verhalten sich fast gerade so wie diejenigen der 
Vögel, von denen sie sich aber dadurch unterscheiden, dass ihr 
protoplasmatischer Körper nicht eine zum Runden strebende 
Gestalt hat, sondern meist abgeplattet, manchmal dreieckig, wink- 
lich oder polyedrisch ist. Diese grosse Unregelmässigkeit der 
Gestalt wird noch dadurch vermehrt, dass die Fortsätze mit breiter 
Basis von den Zellen ausgehen, sodass jeder Abgangsstelle der- 
selben eine keilförmige Hervorragung des Zellbörpers entspricht. 

Aus alle dem Gesagten ergibt sich, dass, während die Fett- 
zelle des Knochenmarkes im Normalzustande aus einem grossen 
Fetttropfen besteht, welcher von einer dünnen, einen Kern enthal- 
tenden Protoplasmaschicht eingehüllt ist, sie sich bei der Inanitions- 
atrophie gründlich verändert: das Fetttröpfehen wird immer kleiner 
und die Schichte des Protoplasmas folgt ihm bei der Verkleine- 
rung, indem sie ihm immer eng anliegt, sodass der protoplasma- 
tische Zellenleib ebenfalls nach und nach an Grösse abnimmt. 
Das Gesammtvolumen der Zelle vermindert sich jedoch nicht, weil 
in dem Maasse, als das Fett verschwindet, sich nach Aussen von der 
Protoplasmaschichte eine schleimige Substanz ansammelt, welche 
gleichsam eine Corticalschieht des zelligen Elements darstellt. 
Diese Schleimschicht scheint mir nicht als eine Intercellularsub- 
stanz betrachtet werden zu sollen, sondern vielmehr als ein Be- 
standtheil der Zelle; in der That kann man immer eine bestimmte 
Grenze um die Schleimzone einer jeden Zelle nachweisen und ge- 
rade bis an diese Grenze heran reichen die Protoplasmafortsätze, 
welche von dem Zellkörper ausstrahlen!). 


1) Vgl. hierzu die Arbeit von Poljakoff, d. Arch. Bd. 32, S. 123 ff. 
Waldeyer. 


254 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Giulio Bizzozero: Ueber d. Atrophie d. Fettzellen d. Knochenmarks. 


6) 


Erklärung der Figuren auf Tafel XVI. 


Von einem Querschnitt durch das Mark der Tibia, welches von einem 
Huhn in vorgeschrittenem Stadium der Inanition stammt. Einige Tage 
in Müller’scher Flüssigkeit, dann in Alkohol gehärtet, darauf mit 
Gummi imprägnirt und geschnitten; Färbung mit neutralem Carmin; 
Aufbewahrung in Glycerin. Oben sieht man den Querschnitt einer 
Vene, darunter drei Fettzellen ; aus einer derselben ist das Fett voll- 
ständig verschwunden ; in den beiden andern ist es im Verschwinden 
begriffen. — 530 d. 

Von einem Zupfpräparat desselben Marks der vorhergehenden Figur. 
Man sieht eine isolirte Fettzelle, welche sämmtlichen Fettes beraubt 
ist. — 530 d. 

Querschnitt aus dem Mark eines Kaninchenfemurs in vorgerücktem 
Stadium acuter Inanition. — Gehärtet wie das Mark der Figur 1, 
gefärbt mit Hämatoxylin und aufbewahrt in Glycerin. — aa zwei 
mit rothen Blutkörperchen gefüllte Venen; bb weisse Markzellen; 
cc Fettzellen, welche ihr Fett verloren haben und von einer Schleim- 
masse umgeben sind. — 350 d. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 255 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 
Von 
Dr. Philipp Stöhr, 


Professor in Zürich. 


Hierzu Tafel XVII u. XVII. 


Vorliegende Abhandlung bildet eine Fortsetzung meiner Mit- 
tbeilungen über die Lymphknötchen der Mundschleimhaut, die 
Mandeln und Balgdrüsen (40), und zwar vorzugsweise deren Be- 
ziehungen zum Epithel, die trotz der Klarheit, mit welcher sie 
zu Tage liegen, neuerdings Gegenstand irrthümlicher Auffassungen 
geworden sind. Den Grund dieser Irrthümer aufzudecken, die 
Forschung wieder auf den rechten Weg zurückzuführen, ist mein 
Ziel, zu dessen Erreichung ich erneute Untersuchungen über das 
Verhältniss zwischen Darmepithel und adenoidem Gewebe, sowie 
über die meines Wissens noch wenig bekannte Entwicklung der 
Darmlymphknötchen vorgenommen habe. 

Der Schilderung eigner Untersuchung und der Kritik habe 
ich einen geschichtlichen Theil über die Beobachtungen von Leu- 
eoeyten im Cylinderepithel vorangesetzt; wenn es mir, wie ich 
fürchte, nicht gelungen ist, alles hieher Gehörige zu eitiren, so 
bitte ich Nachsicht zu üben in Anbetracht der Schwierigkeit, die 
oft unter fremden Titeln verborgenen Angaben aufzufinden. 


Geschichtlicher Theil. 


Während die Beobachtungen von Leucocyten in geschichtetem 
Plattenepithel in früherer Zeit nur sehr spärlich und zumeist unter 
pathologischen Verhältnissen gemacht wurden, oder wenigstens als 
der Ausdruck soleher Geltung hatten, reichen die Kenntnisse über 
Leucoeyten im Cylinder- speciell im Darm-Epithel viel weiter zurück 
und haben — das gilt noch bis in die neueste Zeit — die 
mannigfaltigsten Deutungen erfahren. 

Die ersten Beobachter!) erklärten die da befindlichen Leuco- 


1) Ob die Angaben über Schleimkörperchen von Valentin (16), 
Vogel (17), Henle (18), Virchow (19), Frey (20) und Kölliker (21) 
Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 33. 17 


256 Philipp Stöhr: 


cyten für Epithelzellen, so E. H. Weber (1), Heidenhain (2), 
Rindfleisch (3) und Lipsky (4). Auch Lambl (5), Remak 
(6), Eberth (7), Eimer (8), Langhans (9), Buhl (10) und 
Kölliker (11) liessen die epitheliale Natur der fraglichen Gebilde 
unangetastet, ein Fortschritt besteht jedoch insofern, als diese 
Forscher in ihnen die künftigen Schleimkörperchen (resp. Eiter- 
körperchen) richtig erkannten. Der erste, welcher sich gegen die 
Abkunft dieser Körper von Epithelzellen aussprach, war Eberth 
(12); ihm schien es wahrscheinlicher, dass sie Elemente seien, 
die von dem Zottenparenchym aus in den Darm wanderten und 
zu Schleimkörperchen werden. Diese wohlin Rücksicht auf die da- 
mals neuen Beobachtungen v. Reeklinghausen’s (13) und auf eine 
Bemerkung von Frey (14) geäusserte Vermuthung fand eine 
kräftige Unterstützung durch Eimer (15), welcher, nach Farbstoff- 
injectionen in die Lymphsäcke von Fröschen, gefärbte Zellen im 
Gewebe der Schleimhaut, in den Becherzellen und im Darmlumen 
(hier nur als Zellenreste mit Farbstoffkörnchen) fand und darin 
den Beweis erblickte, „dass ein Theil der in den Bechern liegen- 
den Zellen zunächst aus den Maschen des Bindegewebes der 
Mucosa in die Becher und von da ins Darmlumen tritt“. Kurz 
zuvor schon hatte Arnstein (22) das Hinaufwandern Iymphoider 
Körperchen zwischen den Epithelzellen, ja sogar das Eindringen 
in die Epithelzellen, beschrieben und beim Frosch den Durch- 
wanderungsakt direet beobachtet (pag. 537). Seit dieser Zeit 
findet sich in der Litteratur eine ganze Reihe von Angaben, 
welche das Vorkommen von Leucocyten im Cylinderepithel sowie 
die Durchwanderung desselben erörtern. Dahin gehören die Be- 
merkungen von Fries (23), Watney (24, 25, 26), Dolkowsky 
(27), Edinger (28), Machate (29), Frankenhäuser (30), 
Rauber (31, 33), von mir (32), Bonnet (34, 36), Toldt (35) 
und Patzelt (57). 

Von all den genannten Autoren haben nur drei die Leucö- 
cyten gerade im Epithel der Lymphknötchen des Darmes beschrieben 
und zwar Lipsky!), Watney und Edinger. Der erstere hat die 


auf Beobachtungen von Zellen im Epithel beruhen, lässt sich nach den (mir 
theilweise nur aus Citaten bekannten) Bemerkungen der genannten Autoren 
nicht entscheiden. 

1) Die Angaben Verson’s (37) stützen sich wohl auf Lipsky’s Be- 
obachtungen, da Verson die Abbildungen des letzteren reprodueirt, 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 257 


Leucoeyten mit Epithelzellen verwechselt (pag. 187), Watney hat 
zwar die Leucocyten erkannt, dieselben aber als Theile eines 
Netzwerkes angesehen, welches mit dem Reticulum des adenoiden 
Gewebes zusammenhängen soll, eine Auffassung, deren Unhaltbar- 
keit sich später ergeben wird. Edinger war der einzige, der 
an der Spiralklappe von Selachiern die massenhafte Durchwan- 
derung von Leucocyten durch das Epithel gesehen und richtig er- 
kannt hat. Ich gebe die Stelle hier wörtlich wieder: „Das Binde- 
gewebe der Mucosa ist reichlich von freien, kleinen Rundzellen 
(Lymphkörperchen) durchsetzt. An einzelnen Stellen ist ihre An- 
häufung sehr stark, man wird hier lebhaft an die Peyer’schen 
Plaques des Säugethierdarmes erinnert, denen diese Zellhaufen 
wohl auch homolog sind. Aus ihnen dringen massenhaft die kleinen 
Zellen herauf, durch das Bindegewebe hindurch, weiter zwischen 
den Leibern der Epithelzellen hindurch, frei in das Darmlumen 
empor. So räthselhaft die physiologische Bedeutung dieses Vor- 
ganges ist, anatomisch lässt er sich ganz sicher eonstatiren“ 
(pag. 676). Auch frei im Darmlumen hat Edinger die Lymph- 
zellen gesehen. Weitere Mittheilungen über dieses Verhalten, 
besonders über das Vorkommen bei anderen Thieren hat Edinger 
nicht gemacht, ich selbst hatte den Passus übersehen und so kam 
es, dass ich bei meinen ersten Mittheilungen über die Beziehungen 
der Follikel zur Durchwanderung (38, 39) die Erwähnung Edin- 
gers unterliess. — Meine Angaben!), denen eine mit Abbildung 
versehene Arbeit über Mandeln und Balgdrüsen (40) folgte, wurden 
von Drews (41), Paulsen (42) und Flemming (43) bestätigt 
und haben auch eine Aufnahme in verschiedene Lehrbücher er- 
fahren?). Seit dieser Zeit war ich — freilich mit langen Unter- 
brechungen — bestrebt, durch Nachweis der weiten Verbreitung 
der massenhaften Durchwanderung eine breite Grundlage zu 


1) Es ist mir schon einige Male, so z. B. von Schäfer (49 p. 16) 
vorgehalten worden, dass die von mir beschriebene Durchwanderung längst 
bekannt sei; das ist eine Verwechslung; was ich neu erbrachte, ist nicht die 
Durchwanderung an sich, sondern das massenhafteDurchtreten von 
LeucoeytendurchdasEpithelder Lymphknötchenkuppen 
(und dessen Constanz bei allen Wirbelthieren), das vor mir nur Edin ger nur 
bei den Selachiern beschrieben hatte. 

2) Vergl. die Lehrbücher von Toldt (1834), Gegenbaur (1855), 
Wiedersheim (1886). 


258 Philipp Stöhr: 


schaffen, auf welche gestützt die schwierige Frage nach der Be- 
deutung des Vorganges in Angriff genommen werden konnte. Ich 
zeigte, dass nicht nur von den Lympknötchen der Mund-, Darm- und 
Bronchialschleimhaut ein Strom von Leucocyten durch das Epithel 
auf die Oberfläche der Schleimhaut sich ergiesse, sondern dass 
auch in der Conjunctiva palpebrarum (44), in der Nasenschleim- 
haut (45) und in der Schleimhaut der Blase (46) ähnliche Vor- 
gänge sich abspielen, dass wir somit wohl berechtigt sind, überall 
da eine massenhafte Durchwanderung von Leucocyten anzunehmen, 
wo Lymphknötehen in Schleimhäuten gelegen sind. 

Unterdessen sind noch verschiedene dieses Capitel berührende 
Abhandlungen erschienen, die ausschliesslich die Vorgänge in der 
Darmschleimhaut berücksichtigend die wandernden Leucocyten zu 
Stützen von Hypothesen über mechanische Aufnahme der Nahrungs- 
mittel (Wiedersheim (47)) und über Resorption (Zawarykin 
(48), Schaefer (49) und Hofmeister (61)) benützt haben. Es 
lag wohl dabei in den jenen Abhandlungen vorgesteckten Zielen, 
dass dabei die Thatsache, dass so viele Leucocyten in das 
Darmlumen hinein wandern, immer weniger Berücksichtigung 
fand!); zuletzt kam es sogar so weit, dass die Wanderung in die 
Darmhöhle gänzlich in Abrede gestellt wurde (v. Davidoff (50)). 
Unter diesen Umständen schien es mir nöthig, die Frage noch 
einmal in Angriff zu nehmen. 


Eigene Untersuchungen. 


Betrachtet man feine, mit irgend einem Kernfärbemittel tingirte 
Vertikalschnitte von Plaques oder Solitarknötehen erwachsener 
Thiere und Menschen, so zeigt sich selbst bei Anwendung schwacher, 
50—100facher, Vergrösserung, dass die epitheliale Decke, welche 
die Kuppen der Knötchen überzieht, in grösserer oder geringerer 
Ausdehnung jener Eigenschaften ent behrt, welche für das Epithel 
der Darmoberfläche charakteristisch sind. Statt der einfachen 


1) Schäfer (49) sucht dieDurchwanderung mit der Bemerkung „But this 
extrusion is much more marked under pathological than under normal con- 
ditions; and it may well be regarded as incedental merely tho the presence 
of those cells in the epithelium, the desquamation of its superficial layers 
being neccessarily accompanied by the liberation of such cells“, auf die Seite 
zu schieben. Das widerspricht einfach den Thatsachen. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 259 


Schieht hoher, mit oblongem Kerne versehener Cylinderzellen 
findet man dortselbst eine Menge meist runder Kerne, die oft so 
dicht angehäuft sind, dass es schwer fällt, die Anwesenheit wirk- 
lichen Darmepithels da festzustellen (Fig. 1). Anwendung stärke- 
rer Vergrösserung ergibt erst mit vollkommener Sicherheit, dass 
auch hier das Epithel nicht fehlt, allein die Form seiner Elemente 
ist keine eylindrische, die Zellen haben vielmehr eine äusserst 
wechselnde Gestalt, oft sind sie nahezu sternförmig und strecken 
nach allen Seiten scheinbar mit Nachbarzeilen anastomosirende 
Ausläufer aus; oft ist nur das basale Ende verästigt, dann ist nicht 
selten die Membrana propria (Basalmembran) streckenweise un- 
sichtbar und die Ausläufer der Epithelzellen scheinen direct in 
das Netzwerk überzugehen, das von den verästelten Zellen der 
Tuniea propria (bindegewebigen Schleimhaut) gebildet wird. Die 
von v. Davidoff (50) gegebenen Abbildungen (Fig. 12 und 13) 
liefern eine naturgetreue Darstellung dieses Verhältnisses. In den 
Maschen des so von Epithel- und Bindegewebszellen gebildeten 
Netzwerkes liegen in verschieden grosser Anzahl rundliche Zellen 
mit ovalen oder runden Kernen. Oft ist ihr Protoplasma nur in 
Form eines schmalen, diese Kerne eben nur umrahmenden Saumes 
entwickelt, oft lässt uns auch die Anwendung stärkerer Objek- 
tive im Zweifel, ob ein soleher Saum vorhanden ist oder nicht. 

Das ist das Bild das zu so weit auseinandergehenden Deu- 
tungen Veranlassung gegeben hat und dessen Erklärung am besten 
durch die Entwieklungsgeschichte gegeben werden kann. Die 
Erörterung der Genese der Darmlymphknötchen, die bisher noch 
nicht Gegenstand genauer Beschreibung gewesen ist, möge einer 
Schilderung der feineren Verhältnisse vorangehen. 


Entwicklung der Darmlymphknötchen. 


Das erste Auftreten der Lymphknötchen des Darmes scheint 
ziemlichen Schwankungen zu unterliegen, es ist wenigstens nicht 
gerade selten, dass Embryonen schon gut ausgebildete Knötchen 
besitzen, während neugeborene oder noch ältere Thiere derselben 
Art gerade nur die ersten Anlagen erkennen lassen. In diesem 
Verhalten liegt auch die Schwierigkeit, sich fortlaufende Reihen 
der sich entwickelnden Knötchen zu verschaffen. 

Das früheste Stadium, das ich sicher als eine Gruppe künf- 
tiger Knötchen, als eine Peyer’sche Platte erkennen konnte, fand 


260 Philipp Stöhr: 


ich bei einer neugeborenen Katze am untern Ende des Ileum (Fig. 2). 
Man sah einen an den Seitenwänden wenig scharf begrenzten Haufen 
von rundlichen Zellen, der sich längs des Grundes der Lieberkühn’- 
“ schen Drüsen ausdehnte und bis in die obersten Schichten der Sub- 
mucosa hineinreichte ). 

Von dieser Anlage aus erstreckten sich Fortsetzungen in 
Schleimhauterhebungen, die auf den ersten Anblick zwar grosse 
Aehnlichkeit mit den Zotten verriethen, sich von diesen jedoch 
durch ihre etwas geringere Grösse, sowie durch die Beschaffen- 
heit des Epithels deutlich unterschieden. Das Epithel besteht 
nämlich fast nur aus Cylinderzellen; Becherzellen, die im Epithel 
der Zotten in grosser Anzahl vorkommen, gehören hier zu den 
Seltenheiten. 

Frühere Stadien, als das hier beschriebene, dürften sich kaum 
mit Sicherheit erkennen lassen; ich vermuthe, dass die ersten 
Vorgänge sich in der Weise abspielen, dass bei ursprünglich 
gleicher Länge der Zotten diejenigen, welche zu Knötchenkuppen 
werden sollen, sich mit Leucocyten füllen, während die andern 
Zotten ihr Längenwachsthum fortsetzen. Für die Richtigkeit dieser 
Vermuthung sprieht die verhältnissmässige Länge und die geringe 
Breite der Knötehenkuppen. Die Differenzen im Epithel, glaube ich, 
erklären sich durch die Ansprüche, welche von Seiten der sich 
mehrenden Leueocyten an die Blutgefässe gestellt werden, dadurch 
wird den Epithelzellen das Material entzogen, das sie in die Lage 
versetzt, Schleim zu bilden, d. h. Becherzellen zu werden?). Schon 
in diesem frühen Stadium?) sieht man vereinzelte Leucoeyten 
zwischen den Epithelzellen der Kuppen sowohl, wie der Zotten 
(Fig. 2), ihre sich lebhaft färbenden Kerne sind leicht von den 
hellen Epithelzellenkernen zu unterscheiden. 

In einem nur wenig weiter vorgeschrittenen Stadium erschei- 
nen die Knötchen im Blinddarm eines 21/,; Tage alten Kaninchens 


1) Eine Muscularis mucosae war hier noch nicht deutlich ausgebildet, 
doch liess sie sich an andern Stellen als eine zarte, dicht am Grunde der 
Lieberkühn’schen Drüsen befindliche Lage wahrnehmen. 

2) Hofmeister (61a) glaubt mit Edinger (28), dass die Becherzellen 
hier desshalb fehlen, weil sie als secernirende Organe den der Resorption 
dienenden Aufgaben der Lymphknötchen hinderlich seien. 

3) Patzelt (57 p. 150) hat schon bei 2, 3 cm langen Schweinsembryonen 
Leucocyten im Dickdarmepithel gefunden. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 261 


(Fig. 3); ein Fortschritt in der Entwicklung ist insofern zu be- 
merken, als die Differenz zwischen Knötchenkuppen und Zotten 
schon eine bedeutendere ist. Der Zellenhaufen tritt bier nicht in 
Form einer diffusen Ausbreitung, sondern als rundliche, isolirte 
‚Ansammlung auf, welehe mit ihrer Basis bis in die Submucosa 
hinabreicht. 

Ueber die Herkunft des Zellenhaufens kann kein Zweifel be- 
stehen; zahlreiche Mitosen (Fig. 3) lehren, dass der Haufen durch 
Theilung der in der Tunica propria befindlichen Zellen entstanden 
ist. Auch im Epithel treffe ich häufig Mitosen; sie liegen fast 
ausschliesslich in oder nahe dem Grunde der Lieberkühn’schen 
Drüsen, also an dem Orte, der schon von Patzelt (57) als die 
Bildungsstätte der Drüsenwände und des Zottenepithels bezeichnet 
worden ist. Im Epithel der Kuppen und der Zotten habe ich da- 
gegen in diesem und in den nächstfolgenden Stadien nicht eine 
einzige Mitose auffinden können. Die Annahme, dass etwa die 
Zellenhaufen auch zum Theil aus Theilungen der Epithelzellen 
hervorgehen könnten, ist unhaltbar, denn sämmtliche Theilungen 
der Epithelzellen folgen in Ebenen, die parallel zur Längsaxe der 
Epithelzellen stehen. 

Bei einem 5 Tage alten Kaninchen ist die Entwicklung schon 
weiter gediehen, das Knötchen hat sich nach unten hin scharf abge- 
srenzt und wird dort von bogig verlaufenden Bindegewebsbündeln um- 
geben (Fig. 4), nach aufwärts setzt es sich allmählich in das Gewebe 
der Kuppe fort, die noch schlank ist und von einem hohen Cylinder- 
epithel überzogen wird. Zahlreiche Mitosen, die vorzugsweise im run- 
den Theil des Knötchens gelegen sind, deuten auf die Bildungsstätte 
der Leucoecyten. 

Im Epithel finden sich in diesem, wie in dem vorhergehenden 
Stadium verhältnissmässig wenig Leucocyten; selbst an den Stellen 
wo sie am dichtesten liegen, ist ihre Anzahl nicht so gross, dass 
sie die Epithelzellen verdeckte oder schwer erkennbar machte. 
Starke Vergrösserungen ergeben mit vollkommener Deutlichkeit, 
dass von genetischen Beziehungen solcher Leucocyten zu den Epi- 
thelzellen keine Rede sein kann; die Kerne der Epithelzellen sind 
hell, arm an chromatischer Substanz und zeigen oft da, wo sich 
Leueocyten vorbeischieben, einen Eindruck: den mechanischen Effect 
der Durchwanderung, der sich ebenso am Kern, wie an der Zell- 
substanz äussert (Fig. 5). 


262 Philipp Stöhr: 


Die weitere Ausbildung des Knötchens geschieht durch wei- 
teres Wachsthum des in der Submucosa gelegenen Abschnittes, 
den wir „Körper“ nennen wollen. Dieser Körper kann eine be- 
“ deutende Grösse erreichen, während der in der Tunica propria 
gelegene Theil, die Kuppe, zwar dicker wird, aber bei Weitem 
nicht die Grösse des Körpers erlangt. Die Figuren 6—9 illustriren 
das Wachsthum der Knötchen der Katze; sechs Wochen alte Katzen 
haben schon Knötchenkörper (Fig. 9), die an Ausdehnung denen 
erwachsener Thiere nichts nachgeben. Das ungleiche Wachsthum 
von Kuppe und Körper bringt es mit sich, dass nicht selten die 
Kuppe nur wie ein kleiner Zapfen!) auf dem mächtigen Körper 
aufsitzt. Es ist leicht einzusehen, dass Schnitte, welche seitlich 
von der Kuppe (in der Richtung der Linie ab in Fig. 8) gefallen 
sind, den Anschein erwecken, als gebe es Knötchen, die nur in 
der Submucosa gelegen sind. Das kommt niemals vor, stets ist 
ein in der Tunica propria gelegener Abschnitt vorhanden, der — 
ausgenommen die unten zu erwähnenden Fälle von Rückbildung 
der Knötehen — gewöhnlich bis dieht unter das Epithel reicht. 
All die gegentheiligen Angaben?) beruhen auf unverstandenen 
Tangentialschnitten. Das Gleiche gilt auch von der sogenannten 
Zweischichtigkeit, nach welcher die Lymphknötehen des Darmes 
zuweilen in zwei übereinander gelegenen Schichten vorkommen 
sollen. Hier handelt es sich um langgezogene Knötchen, die sich 
oberhalb und unterhalb der Museularis mucosae weiter entwickelt 
haben und dadurch wie von der Museularis eingeschnürt erscheinen; 
Randschnitte soleher Einschnürungen geben das Bild zweier über 
einander gelegener Knötchen °). 

So lehrt die Entwieklungsgeschichte, dass die Lymphknöt- 
chen des Darmes in der Tunica propria undin 


1) Zuweilen ist die Kuppenspitze junger Katzen eingekerbt, so dass sie 
zweizackig erscheint; bei erwachsenen Katzen ragen breite epitheliale Röhren 
in das Parenchym des Knötchens, oft tief hinab bis in den in der Submucosa 
gelegenen Körper! Diese Einsenkungen sind bedeutend breiter und länger 
wie Lieberkühn’sche Drüsen und enthalten oft Massen durchgewanderter Leu- 
cocyten. 

2) Vergl. z. B. Frey (51) pag. 259, Anmerkung 2 und Verson (37) 
pag. 404, sowie die Figuren 98, 100 und 106 von Schenk (60). 

3) Schon His (62) betont, dass zwei Follikelreihen über einander nicht 
vorkommen. 


Ueber die Lymphknötehen des Darmes. 263 


# 


denangrenzenden Theilender Submucosa dureh 
mitotische Theilung der dort befindlichen rund- 
lichen Zellen (Leuceocyten) entstehen und dass ihr 
weiteres Wachsthum vorzugsweise sich in dem in der Submueosa 
gelegenen Körper vollzieht. 


Rückbildung von Lymphknötchen Erwachsener. 


Die Annahme, dass während des Lebens ein stetes Werden 
und Vergehen von Lymphknötchen stattfinde, wird wohl nirgends 
auf Widerspruch stossen. Sie wird wahrscheinlich im Hinblick 
auf die Zählungen Passow’s (75), welche ganz ausserordentliche 
Schwankungen in der Zahl der Darmlymphknötchen bei verschie- 
denen Individuen ergeben haben, ferner in Rücksicht auf die Er- 
gebnisse Hofmeister’s (6lb), nach welchem bei Hunger eine 
Verminderung des adenoiden Gewebes des Darmes eintritt, endlich 
bei Berücksichtigung meiner Untersuchungen über Tonsillen bei 
Pyopneumothorax (76), nach welchen bei manchen Krankheiten 
Balgdrüsen und Tonsillen atrophisch werden. Ein directer ana- 
tomischer Nachweis solcher neuentstehenden oder sich zurück- 
bildenden Knötchen ist'meines Wissens bis jetzt noch nicht ge- 
liefert worden. Ich habe nun bei einer seit 3 Tagen hungernden, 
erwachsenen Katze etwas derartiges gefunden: am Rande Peyer- 
scher Platten gelegene Lymphknötchen, die nur in der Tunica 
propria ihren Sitz hatten; das eine derselben nahm noch die ganze 
Breite der Tunica propria ein (Fig. 10*, das es überziehende 
Epithel war auffallend reich an Becherzellen; ein andres stellte 
nur ein kleines am Grunde der Lieberkühn’schen Drüsen 
gelegenes Zellenhäufchen dar (Fig 11*)!); beiden Bildungen fehlte 
der sonst in der Submucosa befindliche Körper vollkommen. Ich 
halte beide für Rückbildungsformen, denn ich habe in ihnen keine 
Mitosen gefunden; zudem stammen sie ja vom hungernden Thiere. 


Der Durchwanderungsvorgang. 


Es erübrigt noch die Aufgabe, die Stadien der Durchwan- 
derung, sowie die dabei zu Tage tretende Veränderung der Um- 
gebung einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Schon oben 


1) Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass die Figuren 10 u. 
11 aus einer fortlaufenden Serie herrühren. 


264 Philipp Stöhr: 


(pag. 260) habe ich darauf hingewiesen, dass mit den ersten Spuren 
eines Knötchens auch die ersten durch’s Epithel wandernden Leu- 
coeyten gefunden werden. Während der ersten Wochen nach der 
Geburt ist die Durchwanderung nicht so stark, dass sie das Er- 
kennen des Epithels erschwerte, späterhin aber wird die Zahl der 
im Epithel befindlichen Leucoeyten eine so ansehnliche, dass von 
einem einschichtigen Cylinderepithel nur schwer etwas zu sehen 
ist. Da sind die Epithelzellen in so eingreifender Weise ver- 
ändert, dass es nicht leicht ist, sie als solche sofort zu diagnostieiren. 
Erst das Studium der succesiven Veränderungen, denen die Epithel- 
zellen dabei unterliegen, kann zu einer sicheren Beurtheilung führen. 
Dieses Studium könnte in zweierlei Weise vorgenommen werden, 
entweder an Präparaten, welche die steigende Durchwanderung 
bei vorschreitender Entwicklung des Thieres zeigen, oder durch 
Musterung des Darmepithels erwachsener Thiere, welches ja be- 
kanntlich an verschiedenen Stellen den Durchwanderungsvorgang 
in verschiedenster Intensität beobachten lässt. Ich wähle letztere 
Methode, weil dadurch die Nachuntersuchung leichter ermöglicht 
wird. 

Beginnen wir zuerst mit Stellen, an denen die Zahl der durch- 
tretenden Leucocyten gering, die hiedurch hervorgerufenen Ver- 
änderungen verhältnissmässig unbedeutend sind. Solche Stellen 
finden sich aller Orten im Epithel der Darmoberfläche sowohl, 
wie in demjenigen der Lieberkühn’schen Krypten. Man erblickt 
da in den einfachsten Fällen den Leucocyten zwischen zwei 
Epithelzellen liegend, welche an der dem Leucoeyten zugekehrten 
Seite einen entsprechenden Eindruck zeigen (Fig. 12). Solche ver- 
einzelte Leucocyten befinden sich in verschiedenen Höhen, bald 
zwischen den basalen Enden der Epithelzellen!), bald näher dem 
Darmlumen, zuweilen dicht an die Oberfläche gerückt, endlich frei 


1) Toldt (35) giebt an, dass er diese Gebilde niemals an der Grenze 
von Epithel- und Bindegewebsschicht, also auf dem Wege aus der einen in 
die andere Schicht getroffen habe (pag. 65). Dieses negative Resultat rührt 
wohl daher, dass Toldt die Kuppen von Lymphknötchen, deren Untersuchung 
seinen Zwecken vollkommen fern lag, nicht gesehen hat; dort sind aus der 
Tunica propria übertretende Zellen nichts seltenes. Man findet übrigens zu- 
weilen auch an anderen Stellen Leucocyten, welche diese Grenze passiren; 
auch v. Davidoff (50) hat in seiner Figur 9 dieses Verhalten abgebildet. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 265 


auf der Oberfläche des Darmes und im Lumen der Lieberkühn- 
schen Krypten (Fig. 13). Nicht selten sah ich an demselben Darme, 
welchem das dieser Figur zu Grunde liegende Präparat entnommen 
ist, helle Strassen (*) im Epithel, die den Eindruck machten, als 
wären sie durch die durchgewanderten Leucocyten hervorgerufene 
Lücken, die sich noch nicht geschlossen haben. An vielen andern 
Präparaten habe ich freilich solche Strassen vermisst; es scheint 
mir indessen doch nicht unwahrscheinlich, dass hier ein normales 
Verhalten vorliegt und zwar aus dem Grunde, weil derartige Lücken - 
bei massenhafter Durehwanderung durchaus nicht zu den Selten- 
heiten gehören. 

Für Untersuchungen über die Veränderungen des Epithels 
unter dem Einfluss stärkerer Durchwanderung ist am besten die 
Epitheldecke der Kuppe der Lymphknötchen im Blinddarm des er- 
wachsenen Kaninchens geeignet, woselbst alle weiteren Grade der 
Veränderung studirt werden können. Sobald die Anzahl der an 
einer Stelle sich durchschiebenden Leueoeyten eine grössere wird, 
werden die Epithelzellen von mehreren Seiten her eingedrückt 
und verschmälert, dadurch wird die Gestalt der Epithelzellen eine 
unregelmässig gezackte, mit mehr oder minder tiefen Einbuchtungen 
‚ versehene; diese Einbuchtungen sind bald auf die untere (basale) 
Hälfte der Zellen beschränkt (Fig. 14), bald erstrecken sie sich 
auf die ganze Höhe des Zellleibes. ‘ In ersterem Falle kann dadurch 
der Anschein erweckt werden, als sässen die Epithelzellen mit 
fein zugespitztem oder verästeltem Basalende auf dem Zottenkörper 
auf!), in letzterem Falle kann die prismatische Form der von allen 
Seiten eingedrückten Epithelzelle vollkommen verloren gehen, statt 
dessen gelangen stark gezackte, eingebuchtete, bis zur unregelmässigen 
Sterngestalt umgebildete Formen zur Beobachtung. Aber nicht nur 
Formveränderungen der einzelnen Zellen sind die Folge intensiver 
Durchwanderung, sondern auch Verschiebungen der Zellen selbst; ein- 
zelne oder mehrere Zellen werden zur Seite gedrängt und stehen 
statt rechtwinklig unter mehr oder weniger spitzem Winkel auf der 
Zottenoberfläche. Nicht selten geht die Grenzhaut zwischen Tunica 
propria und Epithel auf weite Strecken verloren, die veränderten 
Epithelzellen stossen unmittelbar an die fixen Elemente des Zotten- 
stroma’s und scheinen mit diesen in direktem Zusammenhang zustehen. 


1) vergl. Davidoff (50), Fig. 12. 


266 Philipp Stöhr: 


Soweit stimmen die hier beschriebenen Zustände auch mit 
den entsprechenden Verhältnissen anderer Thiere überein. Ich 
‚habe Hunde, Katzen, Igel und Meerschweinchen untersucht und 
nichts von dem oben Beschriebenen wesentlich Abweichendes ge- 
funden. 

Was ich nun in Folgendem zu schildern habe, ist nur dem 
Blinddarm des Kaninchens eigen. 

Während in den bisher beschriebenen Fällen die Durchwan- 
‘ derung der Leucocyten auf ein Sichdurchschieben zwischen den 
Epithelzellen beschränkt war, beobachtet man hier häufig Bilder, 
welche ein Eindringen der Leucocyten in die Epithelzellen glaubhaft 
machen. Man sieht da Zellen, welche in ihrem oberen Theile 
bauchig erweitert sind und dort eine verschieden grosse Anzahl, 
zehn und mehr, den Leucoeyten gleichende Gebilde in sich bergen. 
Das Protoplasma solcher Zellen färbt sich etwas dunkler als das- 
jenige anderer Zellen und enthält einen oft plattgedrückten Kern, 
der indessen auch einzelnen Zellen zu fehlen seheint!). (Fig. 15.) 
Solche Zellen sind mir schon seit langer Zeit bekannt und haben 
mich veranlasst, die Möglichkeit des Eindringens von Leucocyten 
in Epithelzellen hinein zuzugeben ?). Ich möchte aber ausdrücklich 
darauf hinweisen, dass es sich hier um seeundäre Zustände han- 
delt, indem Leueocyten enthaltende Epithelzellen nur bei höheren 
Graden der Durchwanderung, nur bei sehr starker Infiltration des 
Epithels mit Leucocyten gefunden werden. Dass letztere von Aussen 
eingedrungen sind, ergiebt sich aus guten Isolationspräparaten, in 
denen die fraglichen Gebilde stets leer gefunden werden (Fig. 16b): 
die Leucocyten waren wieder herausgefallen. Ich glaube aber nicht, 
dass es sich um Becherzellen handelt, denn erstens zeigen diese 
Zellen nie die für Becherzellen so charakteristischen Farbenreactionen, 
zweitens wäre dann nicht einzusehen, warum nicht auf anderen 


1) Diese Zellen sind offenbar dieselben Gebilde, welche schon vor fast 
30 Jahren unter dem Namen „Schleim- und Eiterkörperchen enthaltende Zellen“ 
(„Becher“) als Stützen für die Lehre von der endogenen Zellenbildung galten 
und von Eberth (7) und Eimer (8) im Anschluss an die Auffassungen 
Buhl’ (10) und Remak’s (6), beschrieben worden sind. Arnstein (22) hat 
diese Formen für durch eingewanderte Leucocyten bedingte Bildungen erklärt. 
S. auch Zawarykin (48) pag. 238. 

2) 40 pag. 229, Anmerk. 2 und 44 pag. 5. 


Ueber die Lymphknötechen des Darmes. 267 


Stellen der Darminnenfläche, an denen es Becherzellen oft in 
Massen gibt, solche Formen vorkommen. Zudem habe ich schon 
oben darauf hingewiesen, dass Becherzellen im Epithel der Knöt- 
chenkuppen zu den seltensten Erscheinungen gehören. Zur Illu- 
stration dieses Verhaltens diene die Figur 17. 

So ist es am wahrscheinlichsten, dass es sich um gewöhnliche 
Cylinderzellen handelt, deren oberer Abschnitt durch das Ein- 
dringen mehrerer Leueoeyten in so eigenthümlicher Weise umge- 
staltet wird; ob eine Vermehrung der eingedrungenen Leucoeyten 
durch Theilung stattfindet, ist mir sehr zweifelhaft, denn es ist 
mir trotz aller dahin gerichteten Bemühungen nicht gelungen, hier 
Theilungserscheinungen irgend welcher Art festzustellen. Im Ge- 
gentheil, die Kerne dieser hier befindlichen Leucocyten waren oft 
hell; auffallend ist, wie oft das Protoplasma derselben deutlich 
zu Tage tritt; die polygonalen Contouren des Zellleibes (Fig. 19*, 
20) sind offenbar durch gegenseitigen Druck entstanden. 

Das weitere Schicksal dieser leucocytenhaltigen Zellen ist 
leicht zu verfolgen; mit zunehmender Zahl der Leucoeyten wird 
die Zelle immer mehr ausgebaucht und löst sich von der Tunica 
propria der Zotte ab, die sehr dünn gewordenen seitlichen Wan- 
dungen zerreissen und öffnen sich in ebenso gestaltete Nachbar- 
zellen oder in sonstige durch die Durchwanderungen entstandene 
Lücken im Epithel. So entstehen auf weite Strecken parallel der 
Epitheloberfläche buchtige Höhlen, welche die dem Darmlumen 
zugekehrten Abschnitte der Cylinderzellen, an denen nur selten 
ein Basalsaum wahrnehmbar ist, von den kernhaltigen Theilen der 
Cylinderzellen vollkommen trennen. Zwischen letzteren sieht man 
die an ihrer dunkleren Färbung noch kenntlichen Reste der ehe- 
dem leueocytenhaltigen Cylinderzellen, die ihren Kern verloren 
haben und in allen Stadien der Rückbildung zu beobachten sind 
(Fig. 18). So geht demnach eine ganze Anzahl von Epithelzellen 
unter dem Einfluss des Durchwanderungsaktes vollkommen verlo- 
ren. Aber auch die übrigen Epithelzellen werden geschädigt und 
verlieren wenigstens Stücke ihres Zellleibes. Die ganzen dem 
Darmlumen zugekehrten Abschnitte, die ihre Verbindung mit den 
kernhaltigen Theilen der Cylinderzellen verloren haben, werden 
nämlich abgestossen und zwar geschieht das in der Weise, dass 
diese zuletzt nur auf einen feinen Saum reducirten Theile (Fig. 19) 
in kleinen Stücken sich lösen und in das Darmlumen gelangen; 


268 Philipp Stöhr: 


damit ist den bisher eingeschlossenen Leucocyten der Weg in die 
Darmhöhle eröffnet (Fig. 20). Ehe noch diese Eröffnung stattfindet, 
fangen die kernhaltigen Abschnitte der Cylinderzellen an in die Länge 
zu wachsen und erreichen allmählich eine Höhe, die hinter der- 
jenigen anderer, nicht von der Durehwanderung betroffener Cylin- 
derzellen kaum zurückbleibt (Fig. 21). Dieses Längenwachsthum 
ist in dem Augenblick ermöglicht, in welchem der Druck, den die 
eingedrungenen Leucocyten auf ihre Umgebung ausüben, nachlässt, 
und dieser Moment tritt ein, sobald der Saum (Fig. 18s) durch 
Reissen der letzten Verbindungsbrücken (v) auf grössere Strecken 
von den kernhaltigen Abschnitten der Cylinderzellen gelöst und in 
das Darmlumen gedrängt wird. 

Der Unterschied zwischen solchen hohen Cylinderzellen und 
dem typischen Cylinderepithel der Darminnenfläche ist nur mehr 
ein sehr geringer; der Ausgleich ‘derselben ist nur ein kleiner 
Schritt, der geschieht, sobald Saum und Leucoeyten in die 
Darmhöhle übergetreten sind. So erklärt es sich, warum wir an 
der Kuppe eines Lymphknötchens Partieen stark veränderter 
Epithelzellen neben Strecken vollkommen unversehrten Epithels 
finden. Letztere sind keineswegs vom Durchwanderungsstrom ver- 
schonte Gebiete, sondern stellen gewissermaassen das letzte Stadium 
des Durchwanderungsprocesses dar. Lange scheint übrigens diese 
Reinheit des Epithels nicht zu währen, denn häufig findet man an 
den Basen der Cylinderzellen aufs Neue eingedrungene Leucoeyten; 
ja es kann sogar geschehen, dass von unten her neue Leucocyten 
hereinwandern, ehe Saum und die diesem zunächst liegenden Haufen 
von Leucocyten in die Darmhöhle getreten sind (Fig. 19). 

Meine Bemühungen, an den anderen Thieren ähnliche Ver- 
hältnisse zu constatiren, sind von keinem rechten Erfolge gekrönt 
worden, nur bei Katzen habe ich Spuren ähnlicher Zellen (Fig. 
22*) gefunden, dieselben waren aber spärlich vorhanden. Der 
ganze Modus der Durchwanderung scheint somit bei Hund, Katze, 
Igel und Meerschweinchen ein einfacherer zu sein, Ablösung von 
Epithelstücken zu fehlen. Dagegen sieht man nicht selten, dass 
die ganze Epitheldecke von den Kuppen der Knötchen sich ab- 
gelöst hat und dass in dem Raum, der zwischen der Unterfläche 
der Decke und der Oberfläche der Knötchen sich befindet, ein 
ganzer Haufen Leucocyten liegt. Heidenhain (68) hat etwas 
Aehnliches (Fig. XI) abgebildet und ist der Meinung, dass hier 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 269 


künstliche Absprengungen, hervorgerufen durch die unter dem 
Einfluss erhärtender Flüssigkeiten entstehende Contraktion der 
Zottenmuskeln, vorliegen. Ich schliesse mich dieser Ansicht an, 
möchte aber nur hervorheben, dass auffallender Weise gerade 
das Epithel der Knötchenkuppen es ist, welches derartige Ab- 
sprengungen aufweist, während ganze Reihen von Nachbarzotten 
völlig unversehrt sind. Sollte sich das an Muskeln meist arme 
Parenchym der Knötchen stärker zusammenziehen, als das der 
Zotten oder deutet die hier stattgehabte Absprengung nicht viel- 
mehr auf eine durch die starke Durchwanderung bedingte Lockerung 
des Verbandes zwischen Epithel und Tunica propria? 


Kritik. 


Um den Zusammenhang meiner Schilderung nicht zu stören, 
habe ich bis jetzt auf Autoren, deren Deutungen mit den meinigen 
nicht in Einklang stehen, keine Rücksicht genommen. Ich hole 
das Versäumte jetzt nach, indem ich gleichzeitig auf benachbarte, 
mit meinen Ausführungen nicht in direktestem Zusammenhange 
stehende Fragen übergreife. Zu diesen letzteren gehört der viel- 
fach ventilirte Satz, dass die Epithelzellen des Darmes mit den 
Bindegewebszellen der Zotte durch lange Ausläufer in Verbindung 
stehen sollen. Heidenhain (2) ist der Erste gewesen, welcher 
diese Vorstellung in die Wissenschaft eingeführt hat, eine ganze 
Reihe von Forschern, wie Wiegandt (58), Eimer (59, 64), v. 
Thanhoffer (65), Gruenhagen (67), v. Davidoff (50a), u.a. 
sind dieser Meinung beigetreten; den deutlichsten bildlichen Aus- 
druck hat aber diese Hypothese in der schematischen Zeichnung 
gefunden, welche Landois (66) in der Figur 68 seines Lehr- 
buches giebt. Vergeblich ist von den verschiedensten Seiten 
dagegen Einspruch erhoben worden, die physiologische Brauch- 
barkeit hielt trotz der mangelhaften anatomischen Nachweise die 
Hypothese über Wasser und All’ denen, die sich von dem Dasein 
dieser hypothetischen Verbindungen nicht zu überzeugen ver- 
mochten, wurde entgegengehalten, dass die Fortsätze der Epithel- 
zellen eben nicht leicht zu beobachten seien. Nun hat aber diese 
Lehre in der jüngsten Zeit einen empfindlichen Stoss erlitten und 
zwar durch ihren Schöpfer selbst. Heidenhain (63) hat sich 
überzeugt, dass er seine „frühere Vorstellung fallen lassen müsse 


270 Philipp Stöhr: 


und dass die Epithelzellen überall an der Oberfläche des Zotten- 
körpers enden, ohne durch Fortsätze mit irgend welchen in der 
.Tiefe befindlichen Elementen in dauerndem Zusammenhange zu 
stehen.“ Es bedarf wohl jetzt nur mehr der Erklärung der Bilder, 
welche der so oft wiederholten Behauptung zu Grunde gelegen 
haben. Die Bilder sind nun sehr vielgestaltig; ein Theil derselben 
ist schon von Heidenhain beschrieben worden. „Wenn beim 
Ausschneiden des Darmes oder beim Einlegen in die conserviren- 
den Flüssigkeiten die Zottenmuskeln sich contrahiren, löst sich 
oft der Zottenkörper vom Epithel und aus den hinteren Enden der 
Epithelzellen ziehen sich dann leicht Fäden einer gerinnbaren 
Substanz heraus, die aber nicht natürliche Ausläufer, sondern 
Kunstprodukte sind.“ Zu dieser Sorte scheint ein Theil der 
Gruenhagen’schen (67) Figuren (z. B. Figur 7) zu gehören, 
nur muss hier bemerkt werden, dass es hier überhaupt schwerfällt, 
aus solchen Bildern einen Zusammenhang zwischen Epithelzellen 
und Zottenstroma herauszulesen, denn abgesehen von der vierten 
Epithelzelle links unten steht kein einziger der „Fortsätze‘‘ mit 
den Epithelzellen in wirklichem Zusammenhang; noch weniger 
gilt das von Figur 8: kein Unbefangener wird in den anhängen- 
den Fäden Fortsätze des Epithels erblicken können. 

Eine weitere Täuschung wird durch Untersuchung von Zotten 
jugendlicher Thiere verursacht. Darauf hat schon Patzelt (57) 
aufmerksam gemacht. Nach seinen Untersuchungen, die neuer- 
dings durch Bizzozero (69) bestätigt worden sind!), stammt der 
epitheliale Ueberzug der Zotten von „Brutzellen“, welche im Grunde 
der jungen Lieberkühn’schen Drüsen gelegen sind. Die dort 
gebildeten, jungen Zellen schieben die älteren Zellen in die Höhe. 
„Dieser Vorgang erklärt auch die merkwürdigen fadenförmigen 
Ausläufer der Zellen, welche Eimer in’s Innere der Zotten ver- 
folgen zu können glaubte: Sie sind de facto nur die in Folge 


1) Heidenhain, dessen Abhandlung (65) vor derjenigen Bizzozero’s 
erschienen ist, erwähnt gleichfalls das Vorkommen zahlreicher Mitosen in 
den Lieberkühn’schen Drüsen. Ganz richtig stellt er die Beziehung dieser 
Erscheinung zu den Absonderungsvorgängen in Abrede und hält es nicht für 
unmöglich, dass die auf der Höhe der Schleimhautfalten (Zotten) zahlreich 
zu Grunde gehenden Zellen durch Nachrücken von Zellen aus der Tiefe der 
Lieberkühn’schen Drüsen ersetzt werden. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 271 


des Hinaufschiebens langausgezogenen Stiele der Zellen. An Schnitten, 
welche nicht durch die Längsaxe der Zotte, sondern dieser pa- 
rallel, nahe der seitlichen Epithelgrenze fallen, hat es vollständig den 
Anschein, als ob diese fadenförmigen Stiele ins Innere der Zotte 
verliefen‘‘!). Ich kann mich diesen Ausführungen Patzelt’s nur an- 
schliessen. Solche Verhältnisse scheinen z. Th. Eimer (59) und 
v. Thanhoffer (65) vorgelegen zu haben. Das „gelungene“ 
Präparat, welches v. Thanhoffer’s Figur 6 zu Grunde liegt, ist 
eine des Epithels theilweise beraubte Zotte, deren sternförmig 
verästelte Bindegewebszellen deutlich sichtbar sind; weiteres, am 
wenigsten aber einen Zusammenhang dieser mit Epithelzellen, 
vermag ich nicht herauszulesen. 

Eine andere Quelle der Täuschung wird wieder durch Hei- 
denhain angegeben: „Mitunter kommt es auch vor, dass Zellen 
des bindegewebigen Netzes des Zottenkörpers mit Ausläufern sich 
an die Zottenoberfläche, entsprechend der Basis einer Epithelzelle 
anlegen, sodass ein continuirlicher Zusammenhang zu bestehen 
scheint.“ In diese Kategorie gehört eine ganze Reihe der Abbil- 
dungen v. Davidoff's (Fig. 8, 9, 11, 17). Dass hier keine Grenz- 
linie zwischen dem Protoplasma der Epithelzelle und jenem der 
Bindegewebszelle sichtbar ist, kann doch kaum schwer in die 
Wagschale fallen; wie oft ist es unmöglich, die seitlichen Grenzen 
neben einander liegender Epithelzellen wahrzunehmen ; daraus 
nimmt doch kein Mensch die Veranlassung, ein Verschmelzen be- 
nachbarter Epithelzellen zu behaupten. 

Endlich können Trugbilder durch die Durchwanderung ver- 


1) Dass die basalen Enden der Darmepithelien oft der Fläche nach 
umgebogen sind, ist übrigens schon seit längerer Zeit bekannt. Neuerdings 
hat v. Davidoff (50) versucht, aus diesem Verhalten eine Zusammensetzung 
der Basalmembran aus den basalen Ausläufern der Epithelzellen abzuleiten. 
Ich kann mich dieser Meinung nicht anschliessen. Die Basalmembran steht 
— das gibt v. D. selbst zu (pag. 505) — durch feine Fäden mit dem adenoiden 
Gewebe in continuirlichem Zusammenhange. Sie isteben, und in dieser Beziehung 
theile ich vollkommen die Anschauung Heidenhain’s, auf dessen weitere 
Ausrührungen (68 pag. 35) ich hiemit verweise, die oberflächlichste Schicht 
des Zottengewebes. Die dieser Schicht aufliegenden basalen Ausläufer der 
Epithelzellen der Basalmembran zuzurechnen, dazu liegt doch nicht die 
geringste Nöthigung vor; dass sie parallel der Basalmembran ziehen, ist 


gewiss kein Grund. 
Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 33, 18 


272 Philipp Stöhr: 


ursacht werden. Ich habe oben (pag. 265) auseinandergesetzt, welche 
Formveränderungen der Epithelzellen unter dem Einfluss starker 
- Durchwanderung eintreten !), wie die Grenzmembran zwischen Epithel 
und Tunica propria auf weite Strecken verloren geht und die Ele- 
mente beider in unmittelbarem Zusammenhang zu stehen scheinen 
(vergl. v. Davidoff's Fig. .12 u. 13). Solche’Bilder haben v. Da- 
vidoffzur Aufstellung einer „intermediären Zone“ veranlasst. „Die 
intermediäre Zone erscheint als ein weitmaschiges Netzwerk pro- 
toplasmatischer Fäden, das von Ausläufern der Epithelzellen ge- 
bildet wird. Breite, lappenförmige und feine pseudopodienartige 
Fortsätze des Protoplasmaleibes der Epithelzellen streben hier ein- 
ander entgegen, verbinden sich und setzen sich dann weiterhin ge- 
gen den Lymphknoten in das Reticulum derselben continuirlich 
fort.“ Ich glaube, nachdem ich oben durch Wort und Bild aus- 
einandergesetzt habe, wie die Epithelzellen zu solcher Gestaltung 
kommen, nichts Thatsächliches mehr zum Nachweis der Irrigkeit 
der Deutung v. Davidoft’s bringen zu müssen. 

Auch diese Stütze der Lehre von dem ununterbrochenen Zu- 
sammenhang zwischen Epithel und Bindegewebe ist unbrauchbar 
und fällt, sobald wir die „Thatsache“ einer unbefangenen, nach 
andern Orts wohleonstatirten Vorgängen gefassten Beurtheilung 
unterziehen. Ich kann nicht umhin, meine Bedenken gegen die 
Leichtigkeit auszusprechen, mit welcher Grundsteine der heutigen 
Geweblehre, wie hier der Lehrsatz von der Speecifieität der Ge- 
webe, bei Seite geschoben werden. Ich denke, bis man sich ent- 
schliesst, etwas über Bord zu werfen, das von unsern Vorgängern 
mühsam festgestellt und durch zahlreiche Nachuntersuchungen 
dergestalt gekräftigt worden ist, dass es bis zur Höhe eines Lehr- 
satzes erhoben wurde, bis dahin muss eine Fülle schwerwiegender 
Thatsachen ins Feld geführt werden, nicht Einzelbeobachtungen, 
die dazu noch andern, nicht gegen die herrschenden Grundlehren 
verstossenden Deutungen zugänglich sind. 

Hier ist der Platz zur Erklärung der Angaben Watney’s (26). 
Dieser hatte das mit Leucocyten durchsetzte veränderte Epithel der 
Lymphknötchenkuppen (und auch anderer Stellen) wohl gesehen 
und abgebildet, die Deutung seiner Befunde weicht aber wesent- 
lich von der meinigen ab. Indem W. das Reticulum der Lymph- 


1) Vergl. auch Schäfer (49) pag. 7. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 273 


knötehen und die zackigen Basalenden der Epithelzellen nicht zu 
unterscheiden wusste, glaubte er ein Netzwerk vor sich zu haben, 
das überall zwischen die Epithelzellen eindringen und bei der 
Resorption eine grosse Rolle spielen sollte. Nachdem einmal der 
erste Irrthum begangen war, galt jeder zwischen den Epithelzellen 
liegende Leueoecyt (und vielleicht ein Streifen Intercellularsubstanz) 
als Ausdruck jenes leucocytenhaltigen Netzwerkes. In diesem 
Sinne lauten auch die Angaben von Klein, unter dessen Leitung 
die Arbeit Watney’s entstanden war. Im Texte seines grossen 
Atlas (70) sagt Klein, dass das adenoide Gewebe der Oberfläche 
der Follikel in das Epithel selbst eindringe. Ich glaube kaum 
bemerken zu müssen, dass ich mit dieser Darstellung nichts weni- 
ger als einverstanden bin. Nach meinen Befunden sind es nur die 
Leucoeyten, welche das adenoide Gewebe verlassen und durch das 
Epithel in die Darmhöhle wandern, nach Watney und Klein ist 
es das Gewebe selbst, Leucocyten und Netzwerk, welches in das 
Epithel nur eindringt. j 

Ich habe oben (pag. 264) angegeben, dass die durchwandern- 
den Leucocyten zwischen den Epithelzellen liegen und komme 
dadurch abermals in Widerspruch mit v. Davidoff, der „solche 
leueocytenähnliche Körper nicht zwischen den Epithelzellen, son- 
dern in denselben“ gefunden hat. Ich könnte nun zur Schlichtung 
dieses Streites eine ganze Reihe von Forschern, wie Eberth (12), 
Watney (26), Edinger (28), Machate (29), Frankenhäuser 
(30), Toldt (35), Bonnet (36), Lortet (52), Arnold (53), 
Colles (54), List (55, 56) u. a. zu Hülfe rufen, welche alle die 
Leueocyten zwischen, nicht in den Epithelzellen gesehen haben. 
Gegentheilige Angaben wie diejenigen von Eberth (7), Remak (6), 
Eimer (8u.15), Arnstein(22)und Frey (51) könnten desswegen 
nicht zur Stütze v. Davidoff’s verwendet werden, weil der grösste 
Theil derselben sich auf die oben (pag. 266) beschriebenen Becher 
bezieht, die v. D., der ja nieht das Kaninchen untersucht hatte, 
unbekannt geblieben waren. Aber es bedarf für mich nicht ein- 
mal dieser Hülfstruppen. Wenn ich v. D. entgegenhalten würde, 
dass seine in den Epithelzellen befindlichen Körper nichts anderes 
sind, als den Epithelzellen aufliegende, in Nischen der Epithel- 
zellen eingelagerte Leucocyten, die von der Fläche gesehen den 
Eindruck machen, als lägen sie in den Epithelzellen, so wfirde 
v. D. an den Präparaten, die er abbildet, schwerlich den Beweis 


274 Philipp Stöhr: 


liefern können, dass dem nicht so ist. Ob es ihm gelingen würde, 
gut isolirte Epithelzellen mit solchen Inhaltskörpern zu demonstri- 
ren, ist mir nach den Misserfolgen, die ich in dieser Richtung zu 
verzeichnen habe, sehr zweifelhaft. Ich kann also das Liegen der 
Leucoeyten in Epithelzellen — die oben erwähnten besonderen 
Fälle ausgenommen — nicht gelten lassen. Aber v. Davidoff 
spricht ja eigentlich nicht von Leucocyten, sondern nur von leuco- 
eytenähnlichen Körpern, die eigentlich Kerne („Secundärkerne“ 
v. D.) sind. In der That, an vielen Präparaten ist es unmöglich, 
nachzuweisen, dass die Körper, die ich so ohne Weiteres Leuco- 
cyten genannt habe, ausser dem Kern auch Protoplasma besitzen. 
Nun weiss man aber doch seit langer Zeit, und das ist gewiss 
v. D. auch bekannt, dass der Zellleib der Leucocyten oft sehr 
klein und in vielen Fällen trotz seines Daseins unsichtbar ist. 
Schon Remak (77) gibt an, dass man, um das Protoplasma der 
Lymphzellen zu sehen, Zuckerlösung zusetzen müsse. So ist es 
denn auch hier, auch diese ‚‚Kerne“ haben einen Protoplasmamantel, 
zum Nachweis desselben bedürfen wir eben nur anderer Methoden. 
Mit Hülfe der von Ranvier angegebenen Goldchlorid-Ameisensäure- 
mischung gelingt es, den Zellenleib der Leucocyten zu schwärzen 
und zu zeigen, dass alle „Sekundärkerne* wirklich das sind, was 
ich sie genannt habe: Leucocyten (Fig. 23). 

So glaube ich die Befunde in einer befriedigerenden Weise er- 
klärt zu haben, als v. Davidoff. Die Herkunft dieser Körper, 
die er nicht als Leucocyten gelten lassen will!), ist ihm nämlich 
dunkel. Auf dem Wege mitotischer Theilung der „Primärkerne“ 
(so nennt v. D. die ächten Kerne der Epithelzellen) sind die Se- 
kundärkerne nicht entstanden, auch die Annahme, dass sie durch 
direkte Kerntheilung von den Primärkernen herzuleiten seien, 
scheint v. D. nicht hinreichend beweisbar zu sein. So bleibt denn 
nichts übrig, als — wenn wir von Kernknospung absehen, für 
welche gleichfalls keine Beweise vorliegen — freie Kernbildung 
anzunehmen. v. D. geht nun nicht so weit, für seine Sekundär- . 
kerne diesen Entstehungsmodus direct in Anspruch zu nehmen, 
dass er ihn aber nicht für unmöglich hält, geht schon aus der 
Stellung hervor, welche der genannte Forscher zur Frage der 


«1) Die Unterschiede an Grösse und Aussehen sind bei den Leucocyten 
bekanntlich sehr bedeutend; dieser Faktor kann demnach nicht gegen die 
Leucocytennatur der fraglichen Körper sprechen. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 275 


freien Kernbildung einnimmt (63). Mit dem Augenblick, in wel- 
chem sich diese Darstellung v. Davidoff’s als unanfechtbar er- 
wiesen hätte, würde für die von einer Position in die andere ge- 
triebene Lehre von der freien Kernbildung im Darmepithel ein neuer 
Unterschlupf geschaffen gewesen sein. Ich hoffe den Leser überzeugt 
zu haben, dass zu einer solehen Annahme keine Nöthigung vorliegt. 

Wie hinsichtlich der Genese, so stehen auch hinsichtlich der 
weiteren Schicksale dieser Leucocyten v. Davidoff’s und meine 
Anschauungen in direetem Gegensatze. Nach v. D. gelangen die 
Secundärkerne in die basalen Fortsätze der Epithelzellen, schnüren 
sich hier von denselben ab und werden so zu Leucocyten. Diese 
abermals mit der Lehre von der Speeifieität der Gewebe!) in di- 
rectem Widerspruch stehende Auffassung sucht v. D. durch Hin- 
weis auf die Entwicklungsgeschichte zu stützen, mit Unrecht, wie 
ich glaube, denn Wanderzellen sind nicht immer Leucocyten ; 
überhaupt scheint es mir doch bedenklich, die Vorgänge am sich 
entwickelnden Organismus so ohne Weiteres auf den fertigen 
Körper zu übertragen?2). Aber nach einer anderen Seite hin ver- 
eint diese Deutung v. D.'s zwei bis dahin in gewissem Gegensatze 
zu einander stehende Hypothesen, welche bald die Epithelzellen, 
bald die Leucocyten als die bei der Fettresorption allein thätigen 
Gebilde hinstellten, in geschickter Weise. Indem der fetthaltige 
Leucoeyt ein Abkömmling der Epithelzellen ist, wird beiden Hy- 
pothesen die Berechtigung zuerkannt. 

Die neuen Untersuchungen Heidenhain’s (68) haben nun 
den Antheil der Leucocyten an der Fettresorption stark reducirt, 
aber auch abgesehen davon, kann ich der Deutung v. D.’s keine 
Geltung zugestehen, denn die „Fortsätze der Epithelzellen* sind 
ja keine epithelialen Gebilde und die „Secundärkerne“, die wirk- 
liche Leucocyten sind, wandern in anderer Richtung, gegen die 
Darmhöhle. Das ist es aber gerade, was v. D. in Abrede stellt. Nie 
sah er sie im cuticularen Saume liegen, wie auch zwischen den 
Epithelzellen in der Nähe ihrer freien Enden. Zu den gleichen 
Resultaten ist auch Paneth (72) gelangt. Ebensowenig ist es v. D. 
gelungen, einen „Secundärkern“ im ‚Darmlumen zu erblicken. Was 
die erstere Angabe betrifft, so ist sie wohl nur das Resultat eines 


1) Vergl. in dieser Beziehung Toldt (71) pag. 37. 
2) Das möchte ich auch Schäfer (49) gegenüber bemerken, der gleich- 
falls aus Epithelzellen Leucocyten entstehen lässt. 


276 Philipp Stöhr: 


unglücklichen Zufalles, denn ich habe auch an diesen Orten Leucoeyten 
gefunden, ebenso wie Heidenhain (68), der vermuthet, dass das 
‚hier verhältnissmässig seltene Vorkommen seinen Grund in der 
Leichtigkeit hat, mit welcher die Leucocyten, einmal so weit 
gelangt, ganz in’s Freie zu schlüpfen im Stande sind. Hinsicht- 
lich des Fehlens im Darmlumen bin ich ebenfalls zu andern Re- 
sultaten gelangt. Das ist aber gar nichts Neues, sondern eine 
längst bekannte, vielmals bestätigte Thatsache ; schon Lehmann 
(73) gibt pag. 362 an, dass ‚„Schleimkörperchen“ auch in den 
festen Exerementen vorkommen. Wo sollen diese Gebilde her- 
kommen? Für veränderte, „abortive“ Epithelzellen wird sie doch 
heutzutage Niemand mehr halten und noch weniger wird man sie 
für aus den Tonsillen stammende Gebilde anzusehen geneigt sein, 
welche den Weg durch den ganzen Darmkanal unversehrt zurück- 
gelegt haben. Wenn v. Davidoff keine „Secundärkerne‘‘ im 
Darmlumen gefunden hat, so liegt das in seiner Methode: indem 
er das Coecum injieirte (pag. 518) spülte er die gesuchten Gebilde 
weg. Legt man Darmstückchen vorsichtig in die Fixirungs- 
flüssigkeit, ohne durch vieles Bewegen die der Innenfläche anhaf- 
tende Schleimschicht zu entfernen, so wird man auch im Darm- 
lumen die vermissten Leucoeyten entdecken. Noch leichter aber 
überzeugt man sich von deren Vorhandensein, wenn man den 
Blinddarm eines Kaninchens öffnet und den Inhalt untersucht; 
oft ist das blinde Ende des Coecum leer, frei von Darminhalt, 
dann liegt daselbst ein kleiner Ballen, von der Grösse einer Linse, 
der nur aus Leucocyten besteht. Ich glaube, wenn v. D. derartiges 
zu Gesicht bekommen hätte, dann würde er mit Garbini (74) 
und mir zu gleichlautender Annahme gelangt sein. 

So gebe ich mich der Hoffnung hin, die „Hypothese“, dass 
überall da, wo adenoide Substanz unmittelbar unter 
dem Epithel sich findet, eine normale Auswanderung 
der Leucoeyten statt hat, für den Darmkanal als eine 
zutreffende erwiesen zu haben, indem ich hier zeigte, 
dass thatsächlich durch das Darmepithel, vorzugsweise 
durch jenes, welehes die Kuppen der Lymphknötchen 
deckt, die Leucoeyten in die Darmhöhle wandern. 

Seit dem Nachweis in resp. durch das Darmepithel wandern- 
der Leucoeyten hat sich das an unbewiesenen Behauptungen so 
reiche Kapitel über die Resorptionsvorgänge im Dünndarm neue 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 277 


Zufügungen gefallen lassen müssen. Hat man doch die Leucocyten 
zwischen die Epithelzellen, ja bis in's Darmlumen hineinwandern, 
sich mit Fett beladen und wieder in die Darmschleimhaut zurück- 
kehren lassen. So weit meine Beobachtungen reichen, finde ich 
für solche Annahme keine Stütze. Von einer eingehenden Be- 
sprechung der in dieses Kapitel schlagenden Abhandlungen glaube 
ich um so eher Abstand nehmen zu können, als dies schon von 
anderer Seite, durch die wichtige Arbeit Heidenhain’s (68) 
geschehen ist. Nur einen Punkt möchte ich noch hervorheben; 
das ist die Unabhängigkeit der Durchwanderung durch Lymph- 
knötchenkuppen von den normalen Thätigkeitszuständen des 
Darmes. Es liegt ja nahe, solche Beziehungen anzunehmen, um 
so näher, als man bei Carnivoren und Nagern beobachtet hat, dass 
die Plaques bei jeder Dünndarmverdauung anschwellen!); offenbar 
waren es solche Beobachtungen, die v. Davidoff (50 pag. 508) 
zur Annahme derartiger Beziehungen veranlasst haben; dem gegen- 
über muss ich auf schon früher von mir Mitgetheiltes verweisen 
(39. pag. 90): im Epithel der Knötchenkuppen sowohl hungernder als 
auch zu verschiedenen Stunden nach der Mahlzeit getödteter Thiere 
finden sich zahlreiche Leucocyten. So habe ich es seitdem immer 
wiedergefunden. Hinsichtlich der Frage nach dem Schicksal der 
ausgewanderten Leucocyten halte ich den Untergang der Aus- 
wanderer immer noch für das wahrscheinlichste; sieht man doch 
nicht selten im Darmlumen oder in dem der Lieberkühn’schen 
Drüsen Leucoeyten, deren Kerne in Stücke zerfallen, deren Proto- 
plasma weniger scharf begrenzt wie in Auflösung begriffen ist 
(vergl. z. B. Fig. 13 rechts oben). Auch andere Autoren haben 
ähnliches gesehen. So hat Heidenhain im Darmepithel Körper 
gefunden, die wahrscheinlich Reste untergegangener Leucoeyten 
sind (pag. 22). Dass auch an anderen Orten ausgewanderte Leu- 
coceyten zu Grunde gehen, beweisen die Mittheilungen Bonnet’s 
(36, pag. 17). Damit ist freilich die Frage nach der Bedeutung der 
Darmlymphknötchen noch nicht erledigt. Zu Beginn meiner Unter- 
suchungen war ich geneigt, die Knötchen nur als Depots für aus- 
zuscheidendes Material zu halten, eine Vermuthung, der ich theils 
nur negative Befunde als Stützen geben konnte. Unterdessen ist 
durch Flemming (45) und seine Schüler der bis dahin fehlende 


1) Vergl. 78, pag. 192. 


278 Philipp Stöhr: 


Nachweis erbracht worden, dass in den Lymphknötchen eine stete 
Neubildung von Leucocyten stattfinde; damit war das Unrichtige 
.meiner Vermuthung dargethan. Zudem habe ich mich überzeugt, 
dass aus den Darmlymphknötehen auch Leucocyten in die um- 
gebenden Lymphgefässe wandern; davon kann man sich am Besten 
bei Katzen, die eine sehr schöne, aus dicht verflochtenen Binde- 
gewebsbündeln bestehende Submucosa haben, überzeugen. (Fig. 
24.) Merkwürdiger Weise erfolgt dieser Uebertritt in die Lymph- 
gefässe nur an den Seitenflächen der Knötchen, dicht unterhalb 
der Muscularis mucosae. In den grossen, am Grunde der Knötchen 
verlaufenden Lymphgefässen dagegen begegnet man nur selten, 
und dann meist nur in geringerer Menge, Leucocyten. Doch das 
ist nicht der einzige der Aufklärung bedürftige Punkt. Wie 
kommt es, dass die mesenterialen Lymphgefässe oft so arm an 
Leuceocyten sind!), wie erklärt es sich, dass zuweilen die grossen 
Darmvenen eine weit grössere Menge von Leucocyten enthalten, 
als die entsprechenden Arterien, an welchen Orten findet diese 
Einwanderung in die Blutgefässe statt und unter welchen Bedin- 
gungen ? 

Wir stehen hier noch vor einer ganzen Reihe offener Fragen, 
deren Beantwortung weiteren Untersuchungen vorbehalten ist. 


1) Nach den Mittheilungen Brücke’s (79, pag. 195) findet man in den 
Lymphgefässen des Mesenterium, welche in das Pankreas Aselii (der Katze) 
hineingehen, fast gar keine Lymphkörperchen. Kölliker (11) gibt (pag. 
421) an, dass die Chylusgefässe, die von den Peyer’schen Haufen kommen, 
entschieden mehr Zellen führen, als die von anderen Stellen des Darmes. 
Doch ist das wohl nur ein relativer Reichthum, denn der Chylus ist in den 
Anfängen auch der Gefässe, die von den Peyer’schen Plaques kommen, sehr 
arm an Chyluskörperchen (78, pag. 191). In dieser Hinsicht verdienen die 
Angaben Schäfer’s (49), nach welchen die in die Chylusgefässe der Zotten 
eingedrungenen Leucocyten zerfallen, alle Beachtung. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 279 


Literatur. 


1. E. H. Weber. Ueber den Mechanismus der Einsaugung des Speise- 
saftes beim Menschen und bei einigen Thieren. Müller’s Archiv 1847 pag. 400. 

2. R. Heidenhain. Die Absorptionswege des Fettes. Moleschott’s 
Untersuchungen zur Naturlehre. Band IV, pag. 251. 1858. 

3. Rindfleisch. In wie fern und auf welche Weise gestattet der Bau 
der verschiedenen Schleimhäute den Durchgang von Blutkörperchen und an- 
dern kleinen Theilen und ihre Aufnahme in die Gefässe. Virchow’s Archiv 
Bd. 22, pag. 261, Fig. 3. 1861. 

4. Lipsky. Beiträge zur Kenntniss des feineren Baues des Darmkanals. 
Wiener Sitzungsberichte, Bd. 55, pag. 183. 1867. 

5. Lambl. Mikroskopische Untersuchung der Darmsecrete. Viertel- 
jahrschrift für die praktische Heilkunde, XVI. Jahrgang, pag. 1. 1859. 

6. Remak. Ueber die endogene Entstehung von Eiter- und Schleim- 
zellen. Virchow’s Archiv. Bd. 20, pag. 198. 1861. 

7. Eberth. Zur Entstehung der Schleimkörper. Virchow’s Archiv. 
Bd. 21, pag. 106. 1861. 

8. Eimer. Zur Fettresorption und zur Entstehung der Schleim- und 
Eiterkörperchen. Virchow’s Archiv. Bd. 38, pag. 428. 1867. 

9. Langhans. Ueber Krebs und Cancroid der Lunge nebst einem 
Anhang. über Corpora amylacea in der Lunge. Virchow’s Archiv. Bd. 38, 
pag. 522. 1867. 

10. Buhl. Ueber die Bildung der Eiterkörperchen. Virchow’s Archiv. 
Bd. 16, pag. 168. 1859. 

11. Kölliker. Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 5. Aufl. 
pag. 414. 1867. 

12. Eberth. Ueber den feineren Bau der Darmschleimhaut. Würz- 
burger naturwissenschaftl. Zeitschr. Bd. 5, pag. 30. 1864. 

13. von Recklinghausen. Ueber Eiter- und Bindegewebskörperchen. 
Virchow’s Archiv. Bd. 28, pag. 157. 1863. 

14. Frey. Ueber die Lymphbahnen der Tonsillen und Zungenbalg- 
drüsen. Vierteljahrschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Bd. 7, 
pag. 410. 1862. 

15. Eimer. Zur Becherfrage. Virchows Archiv. Bd. 40, pag. 282. 1867. 

16. Valentin. Repertorium für Anatomie u. Physiologie pag. 283. 1836. 

17. Vogel. Eiter und Eiterung pag. 88 u. 148. 1838. 

18. Henle. Handbuch der rationellen Pathologie. 2. Bd., pag. 705. 1847. 

19. Virchow. Ueber die Reform der pathologischen und therapeu- 
tischen Anschauungen durch die mikroskopischen Untersuchungen. Virchow’s 
Archiv. Bd. 1, pag. 251. 1847. 

20. Frey. Histologie und Histochemie des Menschen. Leipzig 1859. 


280 Philipp Stöhr: 


21. Kölliker. Handbuch der Gewebelehre. III. Auflage, pag. 428. 1859. 

22. Arnstein. Ueber Becherzellen und ihre Beziehungen zur Fettre- 
sorption und Secretion. Virchow’s Archiv. Bd. 39, pag. 527. 1867. 

23. Fries. Ueber die Fettresorption und die Entstehung von Becher- 

zellen. Virchow’s Archiv. Bd. 40, pag. 522. 1867. 
i 24. Watney. Note on the Minute Anatomy of the Alimentary Canal. 
Proceedings of the Royal Society. Vol. 22, Nr. 152, pag. 293. 1874. 

25. Watney. Zur Kenntniss der feineren Anatomie des Darmkanals. 
Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften, pag. 753. 1874. 

26. Watney. On the Minute Anatomy of the Alimentary Canal. Philo- 
soph. Transactions of the Royal Society. Vol. 166, pag. 451. 1877. 

27. Dolkowsky. Beiträge zur Histologie der Tracheo-Bronchial-Schleim- 
haut. Lemberg. 1875. 

28. Edinger. Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes, nebst Bemer- 
kungen zur Phylogenie der Drüsen des Darmrohres. Archiv f. mikrosk. Ana- 
tomie. Bd. 13, pag. 651. 1877. 

29. Machate. Untersuchungen über den feineren Bau des Darm- 
kanales von Emys europaea. Zeitschrift für wissensch. Zoologie Bd. 32, 
pag. 443. 1878. 

30. Frankenhäuser. Untersuchungen über den Bau der Tracheo- 
Bronchialschleimhaut. (Inaugural.-Diss. Dorpat.) St. Petersburg. 1879. 

31. Rauber. Ueber den Ursprung der Milch und die Ernährung der 
Frucht im Allgemeinen. Leipzig. 1879. 

32. Stöhr. Ueber das Epithel des menschlichen Magens. Verhandl. 
der phys. med. Gesellschaft zu Würzburg. N. F. Bd. 15, pag. 8. 1880. 

33. Rauber. Ueber secundären Dotter in der Keimblase von Säuge- 
thieren. Zoolog. Anzeiger, III. Jahrg., pag. 593. 1880. 

34. Bonnet. Zur Kenntniss der Uterinmilch. Deutsche Zeitschrift 
für Thiermediein und vergl. Pathologie. Bd. VI. 1880. 

35. Toldt. Die Entwicklung und Ausbildung der Drüsen des Magens. 
Wiener Sitzungsberichte. Bd. 82. Abth. III, pag. 57. 1881. 

36. Bonnet. Die Uterinmilch und ihre Bedeutung für die Frucht. 
Jubiläumschrift für v. Bischoff. Stuttgart. 1882. 

37. Verson. Dünndarm. Stricker’s Handbuch der Lehre von den Ge- 
weben, pag. 399. 1871. 

38. Stöhr. Zur Physiologie der Tonsillen. Biolog. Centralblatt. Bd. II, 
pag. 368. 1882, 

39. Stöhr. Ueber die peripheren Lymphdrüsen. Sitzungsberichte der 
phys. med. Gesellschaft zu Würzburg, pag. 86. Jahrgang 1883. 

40. Stöhr. Ueber Mandeln und Balgdrüsen. Virchow’s Archiv. Bd. 97. 
pag. 211. 1884. 

41. Drews. Zellvermehrung in der Tonsilla palatina beim Erwach- 
senen. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 24, pag. 338. 1885. 

42. Paulsen. Zellvermehrung und ihre Begleiterscheinungen in hyper- 


; 
k 
f 


Ueber die Lymphknötchen des Darmee. 281 


plastischen Lymphdrüsen und Tonsillen. Archiv für mikrosk. Anatomie. 
Bd. 24, pag. 345. 1885. 

43. Flemming. Schlussbemerkung über die Zellvermehrung in den 
lymphoiden Drüsen. Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. 24, pag. 355. 1885. 

44. Stöhr. Ueber den Bau der Conjunctiva palpebrarum. Sitzungsber. 
der phys. med. Gesellschaft zu Würzburg. Jahrg. 1885, pag. 31. 

45. Stöhr. Kurze histologische Mittheilungen. Sitzungsber. der phys. 
med. Gesellschaft zu Würzburg. Jahrgang 1886, pag. 16. 

46. Stöhr. Beiträge zur mikroskop, Anatomie des menschl. Körpers. 
Verhandl. der phys. med. Gesellschaft zu Würzburg. N. F. Bd. 20, pag. 1. 1886. 

47. Wiedersheim. Ueber die mechanische Aufnahme der Nahrungs- 
mittel in der Darmschleimhaut. Festschrift der 56. Versammlung deutscher 
Naturforscher und Aerzte zu Freiburg 1883. 

48. Zawarykin. Ueber die Fettresorption im Dünndarm, Pflüger's 
Archiv. Bd. 31, pag. 231. 1883. 

49. Schäfer. On the part played by amoeboid cells in the process of 
intestinal absorption. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Histologie. 
Bd. I, pag. 6. 1865. 

50. v. Davidoff. Untersuchungen über die Beziehungen des Darmepi- 
thels zum Iymphoiden Gewebe. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 29, 
pag. 495. 1887. 

51. Frey. Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen. 
Leipzig 1876. 

52. Lortet. Sur la penetration des leucocytes dans l’interieur des 
membranes organiques. Comptes rendus T. 75, pag. 1714. 1872. 

53. Arnold, J. Ueber die Durchtrittsstellen der Wanderzellen durch 
entzündete seröse Häute. Virchow’s Archiv. Bd. 74, pag. 245. 1878. 

54. Colles. Ueber das Verhalten der Wanderzellen im geschichteten 
Plattenepithel. Virchows Archiv. Bd. 86, pag. 462. 1881. 

55. List. Ueber Wanderzellen im Epithel. Biolog. Centralblatt. Bd. V, 
Nr. 12. 1885/86. 

56. List. Studien an Epithelien. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. 25, 
pag. 267. 1885. 

57. Patzelt. Ueber die Entwicklung der Diekdarmschleimhaut. Wiener 
Sitzungsber. Bd. 86, Heft III, 3. Abth., pag. 145. 1883. 

58. Wiegandt. Untersuchungen über das Dünndarmepithel und dessen 
Verhalten zum Schleimhautstroma. Dorpat. 1860. 

59. Eimer. Die Wege des Fettes in der Darmschleimhaut bei seiner 
Resorption. Virchow’s Archiv. Bd. 48, pag. 149. 1869. 

60. Schenk. Grundriss der normalen Histologie des Menschen. Wien 
und Leipzig. 1885. 

64. Hofmeister. Ueber Resorption und Assimilation der Nährstoffe. 
Archiv für experimentelle Pathologie und Phamarkologie. a) Bd. XX. 1886. 
b) Bd. XXII. 1887. 


282 Philipp Stöhr: 


62. His. Untersuchungen über den Bau der Peyer’schen Drüsen und 
der Darmschleimhaut. Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XI. 1862. 

63. v. Davidoff. Ueber freie Kernbildung in Zellen. Ein Vortrag 
“ gehalten in d. Gesellsch. f. Morphologie und Physiologie zu München. 
München 1887. 

64. Eimer. Neue und alte Mittheilungen über Fettresorption im Dünn- 
darm und Dickdarm. Biolog. Centralblatt. Bd. 4, pag. 580. 1885. 

65. v. Thanhoffer. Beiträge zur Fettresorption und der histologischen 
Structur der Dünndarmzotten. Pflüger’s Archiv. Bd. VII. 1874. 

66. Landois. Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Wien 1880. 

67. Gruenhagen. Fettresorption und Darmepithel. Archiv für mikrosk. 
Anatomie. Bd. 29. 1887. 

68. Heidenhain. Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünn- 
darmschleimhaut. Pflüger’s Archiv. Bd. 43. Supplementheft 1888. 

69. Bizzozero. Ueber die Regeneration der Elemente der schlauch- 
förmigen Drüsen des Epithels des Darmkanals. Anatom. Anzeiger. III. Jahrg., 
Nr. 26. 1888. 

70. Klein. Atlas of Histology. London 1888. 

71. Toldt. Lehrbuch der Gewebelehre. 3. Aufl. 1888. 

72. Paneth. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarmepithels. 
Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 1888. 

73. Lehmann. Lehrbuch der physiologischen Chemie 1850 (pag. 362). 

74. Garbini. Note istiologiche sopra aicune parti dell’ apparecchio di- 
gerente nella Cavia e nel Gatto. Estrado del Vol. LXIII. Serie III. dell’ Aca- 
demia di Agricoltura Asti e Commercio di Verona. 1881. (eitirt nach v. Da- 
vidoff 50.) 

75. Passow. Ueber das quantitative Verhalten der Solitärfollikel und der 
Peyer’schen Haufen des Dünndarmes. Virchows Archiv. Bd. 101, pag. 135. 1885. 

76. Stöhr. Ueber Tonsillen bei Pyopneumothorax. Sitzungsberichte 
der phys. med. Gesellschaft in Würzburg. 1884. 

77. Remak. Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere, 
pag. 109. 1885. 

78. Kölliker. Mikroskopische Anatomie. II. Bd., 2.Hälfte. Leipzig. 1850. 

79. Brücke. Vorlesungen über Physiologie. Bd. I. 1871. 


Erklärung der Figuren auf Tafel XVII u. XVII. 
Sämmtliche Figuren (ausgenommen die von Herrn Rabus gezeichnete 
Figur 17) sind von mir mit Zeichenapparaten, theils mit Hartnack’s 
Embryograph, theils mit der Zeiss’schen Camera nach Abb& entworfen und 
ausgeführt. 
Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch die Kuppe eines Lymphknötchens des 
Dünndarmes eines erwachsenen Hundes. 80 mal vergr. Text pag. 259. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


5. 


Ueber die Lymphknötchen des Darmes. 283 


Senkrechter Schnitt durch die Anlage eines Peyer’schen Haufens 
einer neugeborenen Katze. 140 mal vergr. Text pag. 260. 

Aus einem Querschnitt des Coecum eines 21/; Tage alten Kanin- 
chens. 240 mal vergr. Text pag. 261. 

Aus einem Querschnitt des Coecum eines 5 Tage alten Kaninchens. 
140 mal vergr. Text pag. 261. 

Ebendaher. Stück des epithelialen Ueberzuges einer Knötchenkuppe. 
560 mal vergr. Text pag. 261. 


Fig.6—9. Entwicklung der Knötchen des Katzendarmes. 20mal vergr. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


6. 
4% 
8. 


9 


Text pag. 262. 

Katze 2 Tage alt. 

Katze 9 Tage alt. 

Katze 16 Tage alt. * Knötchen, dessen Kuppe nicht vom Schnitt 
getroffen ist. 

Katze 6 Wochen alt. 


10 u. 11. Rückbildung von Lymphknötchen des Katzendarmes. 20 mal 


12. 


13. 


14. 


vergr. Text pag. 263. 

Aus einem senkrechten Schnitt durch das Coecum eines erwachsenen 
Kaninchens. 560 mal vergr. Zwei Epithelzellen der Darmoberfläche. 
Text pag. 264. 

Längsschnitt des Grundes einer Lieberkühn’schen Drüse des 
Dünndarmes eines erwachsenen Hundes. Text pag. 265. 

Aus einem senkrechten Schnitte durch das Coecum eines erwach- 
senen Kaninchens. Epithel der Kuppe eines Lymphknötchens. 
560 mal vergr. Text pag. 265. 

Desgleichen. 860mal vergr. Text pag. 266. 


. Isolirte Epithelzellen aus dem Coecum eines erwachsenen Kaninchens. 


560 mal vergr. Text pag. 266. 


.„ Aus einem senkrechten Schnitt durch das Coecum eines erwachsenen 


Kaninchens, etwa 40 mal vergr. Der Inhalt der Becherzellen ist 
dunkel gefärbt. Text pag. 267. 

Ebendaher. Epithel der Kuppe eines Lymphknötchens. 210 mal 
vergr. Text pag. 267 u. 268. 


. Desgleichen. ‚560 mal vergr. Text pag. 267 u. 268. 


Desgleichen. 560 mal vergr. Text pag. 267. 


. Desgleichen. 560 mal vergr. Text pag. 268. 


Aus einem senkrechten Schnitt durch ein Lymphknötchen einer er- 
wachsenen Katze. Epithel der Kuppe. 560 mal vergr. Text pag. 268. 


. Aus einem senkrechten Schnitt durch das Coecum eines erwachsenen 


Kaninchens. Darmepithel. 560 mal vergr. Text pag. 274. 

Aus einem senkrechten Schnitt durch eine Peyer’sche Platte einer 
3 Tage hungernden Katze. 560mal vergr. Es ist die Randpartie 
eines Lymphknötchens dicht unterhalb der Muscularis mucosae ge- 
zeichnet. Text pag. 278. 


984 G. Born: 


(Aus dem Anatomischen Institute zu Breslau.) 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säuge- 
thierherzens. 
Von 


Professor &@ Born. 


(Hierzu Tafel XIX—XXIL.) 


Die im Nachfolgenden dargestellten Untersuchungen bezwecken 
die complieirte Entwicklung des zweigetheilten Säugethierherzens 
mit seinen Ostien und Scheidewänden aus der Form eines ein- 
fachen, gewundenen Schlauches klar zu legen; das viel diseutirte 
Thema der ersten Entstehung des Organs soll hier nicht erörtert 
werden. Diejenigen Abschnitte der Arbeit, welche mir das Neueste 
und Wichtigste zu enthalten schienen, habe ich vor dem Anatomen- 
congress zu Würzburg Pfingsten 1888 vorgetragen (Litt. Nr. 11), 
dieser Versammlung von Fachmännern wurden auch die die frag- 
lichen Vorgänge darstellenden Herzmodelle demonstrirt. Die Fertig- 
stellung der Abhandlung hat sich aber noch lange hingezogen, da 
ich durch anderweitige Arbeiten und namentlich durch meine Lehr- 
thätigkeit stark in Anspruch genommen war. Meine Untersuchungen 
knüpfen überall an die von His an, welche dieser Autor in seinem 
ausgezeichneten Werke über die Anatomie menschlicher Embryonen 
niedergelegt bat; ich kann mich in meiner Darstellung vielfach 
auf die von His beziehen, da die von dem Leipziger Anatomen 
nach seinen Befunden gefertigten Modelle in den Ziegler’schen Nach- 
bildungen die weiteste Verbreitung gefunden haben. — Die Un- 
möglichkeit die Bildung des Vorhofseptums, wie sie sich mir an 
einem nach meiner Methode gefertigten Modell darstellte, mit den 
Angaben von His in Uebereinstimmung zu bringen, gab die erste 
Veranlassung zur Bearbeitung des Themas; eine Vergleichung der 
His’schen Anschauung über die Ausgestaltung des Herzens mit 
der von mir gewonnenen folgt nach der Darstellung meiner that- 
sächlichen Befunde. 

Im November 1888, als der grössere Theil dieser Arbeit nieder- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 285 


geschrieben war, wurde mir durch die Güte des Verfassers, des 
Herrn Dr. ©. Roese (Nr. 12) eine Heidelberger Dissertation 
zugänglich, welche ungefähr zu derselben Zeit, als ich meinen 
Vortrag hielt, erschienen ist. Der Autor ist in manchen Punkten 
zu ganz ähnlichen Resultaten gelangt, wieich; in anderen weichen 
wir mehr oder weniger von einander ab. Eine genaue Besprechung 
der fraglichen Punkte folgt unten. 

Die Arbeit gliedert sich in folgende Theile: 

I. Material und Methodik. 
II. Darstellung des thatsächlichen Befundes. 
Ill. Zusammenfassung der Resultate und Vergleich derselben 
mit den Angaben anderer Autoren. 

IV. Vergleichendes, Teratologisches und Physiologisches. 

Ueber die Darstellung des thatsächlichen Befundes habe ich 
noch einige Worte voranzuschicken. Es gab dafür zwei Wege.- 
Ich konnte das Herz jedes Stadiums für sich beschreiben; das 
hätte für den einzelnen Fall immer ein geschlossenes Bild gegeben, 
aber zu endlosen Wiederholungen geführt. Ich zog daher vor, 
mehr oder weniger künstlich einige Entwicklungsstadien abzu- 
grenzen, um innerhalb derselben die Ausbildung der einzelnen 
Herztheile in einem Zuge zu verfolgen. Für die ersten beiden 
Stadien habe ich das Aeussere und Innere des Herzens getrennt 
beschrieben; es wurde dieser Gang, wie die ganze Disposition, 
von mir nicht frei gewählt, sondern mir durch den recht spröden 
Stoff gewissermaassen aufgedrängt. Man beachte, dass ich ein- 
mal das Herzäussere in zwei getrennten Absätzen (0,95—2,5 mm 
Kopflänge und 2,5—6 mm) geschildert habe, während bei der 
Darstellung des Herzinneren beide Stadien zusammengenommen 
sind; es ist dies übrigens durch die vorangestellten Buchstaben 
und Zahlenzeichen angedeutet. 


I. Material und Methodik. 


Als Untersuchungsobjekte dienten in erster Reihe Embryonen 
von Lepus eunieulus, aus dem einfachen Grunde, weil mir es nur 
bei dieser Art möglich war, eine ununterbrochene Reihe ganz nahe 
aufeinander folgender Stadien herzustellen; dies erwies sich aber 
als ein unumgängliches Erforderniss für den Erfolg der Arbeit; 
ein Unterschied in der Kopflänge von 1/; mm gab oft schon ein 


286 : i G. Born: 


ganz anderes Bild. Embryonen von Mus decumanus, Mus museulus 
und Arvicola arvalis, die auch leicht erreichbar waren und von 
denen ich ebenfalls zahlreiche Exemplare untersucht habe, sind 
wegen ihrer Kleinheit namentlich für das Modelliren weniger 
günstig. Von menschlichen Embryonen!) habe ich ziemlich alle 
Stadien in eontinuirlicher Reihenfolge von His Normentafel 7 bis 
13 und die darauf folgenden Stadien mit geringen Unterbrechungen 
untersuchen können; die Abweichungen von dem beim Kaninchen 
Gefundenen sind aber beim Menschen, ebenso wie bei den von 
mir vielfach untersuchten Schweinsembryonen, so geringe, dass ich 
dieselben an den betreffenden Stellen der Darstellung, welche sich 
wesentlich auf das Herz des Kaninchens bezieht, eingeflochten 
habe. Am Schluss des II. Abschnittes habe ich in wenigen 
Worten die jüngeren untersuchten menschlichen Embryonen mit 
Beziehung auf die gleichen Stadien des Kaninchens und auf die 
His’sche Normentafel zusammengestellt. 

Für die Bestimmung des Alters wurde in erster Linie die 
Kopflänge (Kopfl. = Kopftiefe von His) benutzt, gemessen von 
dem am weitesten vorstehenden Punkte am Grosshirn, später von 
der Nase resp. Schnauze bis zu dem am weitesten nach hinten 
vorspringenden Punkte am Mittelhirn. Jedenfalls ist dieses Maass 
zuverlässiger als die Steissscheitellänge, die beim Herausnehmen 
der Embryonen allzu leicht verändert werden kann. Wo ich es 
wusste, habe ich ausserdem das Alter des Embryos gerechnet von 
dem Termin des ersten Belegens des Mutterthieres angegeben und 
in anderen Fällen diese Bestimmung nach Vergleich mit Embryo- 
nen, bei denen mir der Belegtermin bekannt war, zugefügt. Augen- 
fällige Unterschiede von gleichaltrigen Embryonen treten dann 
ein, wenn das Mutterthier einer grossen Lapinrace angehört; dies 
war aber bei meinem Material selten der Fall; es ist dann immer 
besonders vermerkt. Hervorheben will ich, dass in gewissen Sta- 
dien der Herzentwicklung (zwischen 2,5—3,5 mm Kopflänge, 
11-12 Tage nach dem Belegen) ein Altersunterschied von einem 
halben Tage merklich in’s Gewicht fällt. 

Es ist bei Embryonen von 6mm Kopfl. an mit Opferung des 


a an man ann 


1) Ich bin namentlich meinem Freunde Herrn Professor C. Weigert 
in Frankfurt a. M. für die Uebersendung vieler, gut econservirter menschlicher 
Embryonen zu grossem Danke verpflichtet. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 287 


Embryos sehr leicht, das Herz unter der Lupe frei herauszuprä- 
pariren und sich von seiner äusseren Form eine genügende Vor- 
stellung zu verschaffen; in der ausgezeichneten Arbeit von Lindes 
(Nr. XI), die sieh freilich ausschliesslich mit dem Herzen des 
Hühnchens beschäftigt, ist sogar die Bildung des Herzinneren 
allein auf diesem Wege vollkommen richtig klar gelegt worden. 
Für das Innere des Säugethierherzens reicht aber diese einfache 
Methode kaum aus. Für dieses ist man auf die moderne Schnitt- 
serientechnik angewiesen. Ich habe aus den Serien nach meiner 
verbesserten und jüngst wieder ausführlich veröffentlichten Me- 
thode!), auf die ich daher hier nicht näher einzugehen brauche, 
alle wichtigeren Stadien modellirt und hoffe eine Auswahl der- 
selben durch Herrn Dr. A. Ziegler noch in diesem Jahre ver- 
vielfältigen lassen zu können. Auf einen Punkt muss ich aber 
noch besonders aufmerksam machen: Ich habe im Anfang viel 
Zeit und Material verloren, weil ich, wie ich gewohnt war, die 
Embryonen noch lebend aus den Eihäuten herausschnitt und so 
in die Erhärtungsflüssigkeit übertrug; dann pulsirt aber das Herz 
noch eine Zeit lang fort und es fliesst in Folge dessen aus den 
durcehschnittenen Nabel- und Dottergefässen soviel Blut aus, dass 
man die Wände der Vorhöfe, des Sinus und der Venen eingefallen 
und eng an einander liegend findet; die Orientirung wird dadurch 
sehr schwierig, die Reconstruktion beinahe unmöglich gemacht. 
Es ist durchaus nöthig, den Embryo sammt den eröffneten Eihäuten 
ohne Verletzung der Nabel- und Umbilicalgefässe und der Pla- 
centa in die Erhärtungsflüssigkeit zu bringen und ihn erst dann 
abzuschneiden, wenn das Blut in den Gefässen geronnen ist. 
Berücksichtigt man diese Vorschrift, so findet man die Vorhöfe 
und Sinus mehr oder weniger stark gebläht, das Lumen der Ven- 
trikel ist aber oft selbst dann noch ein so enger Spalt, dass die 
Einsicht in ein Modell derselben Schwierigkeiten macht. Der ver- 
schiedene Füllungs- und Contraktionszustand des Herzens im Au- 
senblick des Absterbens beeinflusst natürlich das Aussehen der Bil- 
der und Modelle nicht unbeträchtlich. Ich habe darauf, soweit es mir 
möglich war, bei der speciellen Beschreibung Rücksicht genommen. 

Die Schnittriehtung lief gewöhnlich der Profillinie des Embryos 


1) G. Born. Noch einmal die Plattenmodellirmethode. Zeitschrift für 


wissenschaftl. Mikroskopie. Bd. V, pag. 433. 
Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 19 


988 G. Born: 


zwischen Mittelhirn und Nachhirn parallel. Bei dieser Schnitt- 
richtung wird das Herz in den am meisten interessirenden Stadien 
. quer getroffen; schneidet man dagegen parallel der Profillinie 
zwischen Mittel- und Vorderhirn, so erbält man Längsschnitte des 
Herzens etwa in der Richtung der vorderen Ventrikelfläche; für 
das Modelliren ist das natürlich ganz gleich, für die Orientirung 
in den Schnitten selbst schien mir aber die quere Richtung 
bequemer. Bei Kaninchen- und menschlichen Embryonen von 
über 6 mm Kopflänge habe ich nicht mehr den ganzen Embryo 
sondern die herausgenommenen Brusteingeweide (meist nach Ent- 
fernung der Lungen) mikrotomirt. 

Die jüngeren Embryonen waren fast alle in Kleinenberg- 
scher Pikrinsäure mit Nachbehandlung in Alkohol gehärtet und 
wurden mit Alaunkarmin durchgefärbt; die älteren waren sehr 
verschiedenartig vorbehandelt. Bei letzteren kommt es auch in 
der That nicht sehr darauf an; denn es gelingt bei ihnen fast 
immer leicht, das Blut von den Geweben des Herzens zu differen- 
ziren; schwieriger ist dies bei den jüngeren, hier färben sich auch 
in Alaunkarmin die Kerne der Blutkörperchen so stark, dass es 
stellenweise schwer hält, zu unterscheiden, was Blut und was 
Trabekel oder Endothel ist — namentlich bei den schwachen 
Vergrösserungen und den immerhin etwas undeutlichen Bildern, 
die der Embryograph giebt. Man muss dann die fragliche Stelle 
mit stärkerer Vergrösserung unter dem Mikroskop nachsehen. 
Boraxkarmin und Hämatoxylin nach Heidenhain lieferten keine 
bessere Resultate. Schnittfärbung war durch die Methodik, die 
für das Modelliren nöthig war, ausgeschlossen; eine bessere Stück- 
färbung habe ich nicht auffinden können. 

Da das Herz seine Stellung zu irgend einer Linie des 
Embryos, z. B. zur Rückenlinie im Verlaufe der Entwicklung 
immerfort ändert, schien es mir am besten, der Beschreibung eine 
conventionelle Stellung des Organs, die sich in allen Stadien in 
ungefähr gleicher Weise herstellen liess, zu Grunde zu legen. 
Ich habe dazu diejenige Stellung gewählt, die man dem Modell 
unwillkürlich zu geben geneigt ist und welche auch His in den Ab- 
bildungen seiner Modelle fast immer angenommen hat, nämlich die 
Stellung, bei der die ventrale Fläche der Ventrikel vertikal steht. 
Wenn man ausserdem die Medianebene senkrecht einstellt, so 
lässt sich für die Herzen der verschiedenen Stadien eine annähernd 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 289 


gleichartige Aufstellung erreichen. Natürlich entspricht diese Auf- 
stellung nicht der Lage des Herzens im aufrechtstehenden Menschen; 
bringt man das Herz eines Erwachsenen in die der Beschreibung zu 
Grunde gelegte Stellung, so läuft die Vena cava sup. nicht nach 
oben, sondern nach oben und vorn u.s.w. Man gewinntaber, wenn 
man die eben charakterisirte Einstellung für alle Stadien durch- 
führt, einfache Lagebezeichnungen und vermag die im Laufe der 
Entwicklung eintretenden Lageverschiebungen der verschiedenen 
Herztheile gegeneinander annähernd richtig zu beurtheilen. Die 
Lageverhältnisse zu dem übrigen Körper des Embryos habe ich 
aus der Betrachtung weggelassen. An den Modellen waren meistens 
die Anheftungslinien des Pericards und der Pleura, des Zwerch- 
fells, der Leber- und Lungenanlage markirt; doch sind diese Stellen 
nicht immer in den Figuren wiedergegeben. 

Ich lasse hier kurz ein Verzeichniss der Stadien von Kanin- 
chenembryonen folgen, von denen ich das Herz modellirt habe; 
die Zahl der mikrotomirten Exemplare derselben Art beträgt 
mindestens das Dreifache. 

1) Embryo von 0,95 mm Kopflänge; eirca 9—9!1/, Tage nach 
der Begattung. — Nur die ersten Kiemenfurchen sind am unver- 
sehrten Präparat deutlich sichtbar, doch ergiebt sich aus der 
Schnittserie, dass auch die zweiten Kiementaschen ausgebildet 
sind. — Der allgemeinen Entwicklungshöhe nach ähnlich den 
menschlichen Embryonen auf His’ Normentafeln 3—5. Modell 
60 mal vergrössert. 

2) Kopflänge 1,25 mm (Steissscheitellänge 3,2 mm); eirca 10 
Tage nach der Begattung. — Die zweiten Kiemenfurchen deutlich 
sichtbar, die dritten undeutlich. His’ Normentafel 6. 60mal ver- 
grössert. 

3) Kopflänge 1,7mm (Steissscheitellänge Amm); 10 Tage nach 
der Begattung. — Drei Kiemenfurchen deutlich sichtbar. All- 
gemeine Entwicklungshöhe etwas mehr als His Nr. 6. 60 mal 
vergrössert. 

Bei Embryonen von etwas über 2mm Kopflänge fängt an 
die Nackenbeuge deutlich zu werden. 

4) Kopflänge 2,5 mm (Steissscheitellänge 5,1 mm); ungefähr 
11 Tage nach der Begattung. 4 Kiemenspalten deutlich sichtbar. 
His Nr. 7 und 8. Vergr. 60 mal. 

5) Kopflänge 2,66 mm; 11—12 Tage nach der Begattung 


290 G. Born: 


Die ersten beiden Kiemenbogen (verglichen mit den Verhältnissen 
bei Nr. 4) erheblich höher als die beiden letzten; das vordere 
Ende des dritten Kiemenbogens wird vom zweiten überlagert. His 
Nr. 8. Vergr. 60 mal. 

6) Kopflänge 2,86 mm; 11—12 Tage nach der Begattung. 
Kiemengegend ähnlich wie bei Nr. 5; die vorderen Enden der 
beiden letzten Kiemenbogen noch etwas stärker verdeckt, als bei 
diesem. 

Zwei Modelle der Herzen von Embryonen von ebenfalls bei- 
nahe 3mm Kopflänge führe ich hier nicht specieller an. 

7) Kopflänge 3,4 mm (Steissscheitellänge 6 mm); 121/, Tage 
nach der Begattung. — Die Ueberwachsung der beiden letzten 
Kiemenbogen durch den zweiten ist fortgeschritten, doch ist in der 
dreieckigen Vertiefung, in der dieselben liegen, noch ein Rest der 
dritten Kiemenspalte sichtbar. His Nr. 10. Vergr. 60 mal. 

8) Kopflänge 4,2 mm (Steissscheitellänge 7,3 mm); 13 Tage 
nach der Begattung. Dritter und vierter Kiemenbogen vom zweiten 
vollständig überlagert. His Nr. 12. Vergr. 50 mal. 

9) Kopflänge 5,8 mm (Steissscheitellänge 10,1 mm); 13 Tage 
7 Stunden nach der Begattung. Der ventrale Theil der ersten 
Kiemenfurche vollkommen verstrichen, der Rest (äussere Ohr- 
öffnung) von Wülsten umgeben. His Nr. 14. Vergr. 60 mal. 

Dieser Embryo stammt von einem ausnahmsweise grossen 
Mutterthier (Lapin); seine Kopflänge erscheint daher im Verhältniss 
zu der allgemeinen Entwicklungshöhe verglichen mit den vorher- 
gehenden Stadien zu gross. 

10) Kopflänge 6 mm (Steissscheitellänge 12,1mm); 14 Tage 
nach der Begattung. Das plattenförmige Ende der Anlage der vor- 
deren Extremität mit den Zehen entsprechenden Rand-Vorsprüngen. 
His Nr. 15—16. Vergr. 40 mal. 

11) Kopflänge 7,5 mm (Steissscheitellänge 14 mm); nur die 
Ventrikel mit den Arterien und der Umgebung der Atrioventi- 
cularöffnungen modellirt. His Nr. 20—21 (?). Wergr. 60 mal. 

12) Kopflänge 7,3 mm (Steissscheitelläinge 14mm); nur die 
Ventrikel mit den Arterien und der Umgebung der Atrioventri- 
eularöffnung modellirt. His Nr. 20—21 (?) Vergr. 60 mal. 

13) Kopflänge 9mm (Steissscheitellänge 13mm); etwa 17 
Tage nach der Begattung. Vergr. 50 mal. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 291 


Il. Darstellung des thatsächlichen Befundes. 


l.a)) Aeussere Form des Herzmodells vom jüngsten 
Kaninchen-Embryo (0,95 Kpfl.). 


Das Herzmodell des jüngsten Kaninchenembryo’s (Taf. XIX, 
Fig. 1—5), den ich untersucht habe, lässt die ursprüngliche Schlauch- 
form der Herzanlage noch sehr deutlich erkennen; namentlich der 
Ventrikeltheil (Fig. 1 u. 2, V. e. und V. d.) giebt durchaus das Bild 
eines Schlauchstückes, dessen bis zur Berührung zusammengebo- 
gene vertikale Schenkel durch einen unteren queren Bogen mit 
einander verbunden sind. Das obere Ende des linken Schenkels 
biegt nach hinten und etwas nach links in ein fast horizontal 
verlaufendes Uebergangsstück zum Vorhofsack um (Fig. 1u. 4 Ue.). 
Gegen dieses Uebergangsstück ist der Vorhofsack wieder recht- 
winklig nach unten abgebogen, so dass er sich direct an die hin- 
tere Fläche des Ventrikeltheils anschmiegt. Das Uebergangsstück 
ist jetzt nur durch die rechtwinkelige Abbiegung vom Ventrikel 
und vom Vorhoftheil abgegrenzt. Eine scharfe Absetzung, durch 
welche dasselbe als besonderer Theil, als canalis aurieularis, ge- 
kennzeichnet wird, findet erst später statt. Das obere Ende des 
rechten Schenkels geht ohne äusserlich sichtbare Grenze in den 
Bulbus arteriosus (Fig. 1 u. 2 B.) über und dieser biegt etwas über 
dem Niveau des oberen Endes des linken Ventrikelschenkels im 
rechten Winkel horizontal nach hinten und stark nach links ab, 
um in der Medianebene angelangt aus dem Perikard herauszutre- 
ten und gleichzeitig unter geringer Erweiterung (ventrale Aorten- 
wurzel) in die Aortenbögen zu zerfallen. 

Die ersten beiden Aortenbögen biegen (Fig. 4. Ao. I. und Ao.II.) (bei 
der angenommenen Stellung des Herzens) als relativ breite Stämme senkrecht 
von der horizontalen Richtung des Bulbus nach oben auf, um nach langem, 
wenig divergirenden Verlauf neben der Hypophysis-Anlage in kurzem Bogen in die 
ebenso senkrecht absteigenden Rückenaorten überzugehen. Die 2. Aortenbögen 
sind zwei noch ganz dünne Stämmchen, welche von der Aortenwurzel etwas 
stärker divergirend beinahe horizontal nach hinten zu den Rückenaorten ziehen. 


Das gemeinsame bogenförmige Querstück der beiden Ventrikel- 
schenkel ist kaum !/;, so hoch als die freien, dicht an einander 
gelagerten Enden. Der linke Schenkel ist bei weitem stärker und 
breiter und tritt merklich weiter nach vorne vor, der rechte steht 
deutlich zurück. Auf dem Querschnitt zeigt sich der linke als ein 


292 G. Born: 


Oval, dessen längster Durchmessser von rechts und vorn nach links 
und hinten gerichtet ist. 

Der Vorhoftheil liegt in Form eines dem Ventrikeltheil dicht 
angefügten rundlichen Sackes durchaus hinter dem letzteren (Fig. 3, 
As. und Ad.), sein kürzester Durchmesser ist der sagittale. ‚An 
dem oberen breiten Rande des Vorhofsackes macht das horizontale 
Endstück des Bulbus arteriosus eine seichte Einbuchtung. Der 
unterste Theil der Hinterwand ist entsprechend dem Ansatz des 
Lungengekröses (Fig. 3 Lg.) ebenfalls in der Mitte eingebuchtet, 
so dass man durch diese noch nicht zusammenhängenden medianen 
Einbuchtungen leicht eine rechte und linke Hälfte unterscheiden 
kann. Die Lungenanlage besteht übrigens in diesem Stadium nur 
in einem kielförmigen Vorsprung der ventralen Wand des Vorder- 
darmes, so dass man ebenso gut von einem Darmgekröse des Vor- 
hofs und des Sinus reden könnte. 

Von den beiden Vorhofshälften ist die linke die in allen Di- 
mensionen grössere, sie steigt nach oben, wo sie in das Verbin- 
dungsstück zum entsprechenden Ventrikelschenkel übergeht, beinahe 
eben so hoch, wie dieser empor und ihr linker Rand überragt in 
der Ansicht gerade von vorn sogar den Ventrikelrand ein wenig. 
Nach unten dagegen reicht der ganze Vorhofsack nicht so weit 
wie die Ventrikelspitze. Die rechte Vorhofshälfte erscheint als 
kleiner rundlicher Blindsack, dessen Ränder überall gegen die des 
entsprechenden Ventrikeltheils, hinter dem er liegt, zurückstehen. 

Der unteren Fläche des Vorhofsackes ist beinahe in ihrer ganzen 
Breite der Sinus venosus (Fig. 2—4, Si u. Si*) angefügt. Er stellt 
einen niedrigen Hohlraum dar, welcher nach oben ohne deutliche 
Grenze in die Seitenwand des rechten Vorhoftheils übergeht (Fig. 3), 
während er sonst ringsum, am deutlichsten aber an der linken 
Seite, durch eine horizontale Furche abgesetzt ist. Seine untere 
Fläche ist mit der Zwerchfell- und Leberanlage verwachsen und 
etwas in dieselbe eingesenkt. Die Mitte des Sinus ist von unten 
und hinten her eingedrückt, so dass er auf dem Querschnitt halb- 
mondförmig erscheint; die Enden des Halbmonds sind allseitig er- 
weitert zu denken. Nach unten überragt der Sinus die Ventrikel- 
spitze (vergl. Fig. 2). In die erweiterten Enden des Sinus münden 
jederseits von unten her nebeneinander die venae omphalomes. 
(innen und etwas nach vorn) und die venae umbilicales (aussen 
und etwas nach hinten); vergl. dazu Fig. 2—4. 


 .. n 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 293 


Der Uebergang der Dotter- und Nabelvenen in die Sinusenden 
ist ein so allmählicher, dass man schwer entscheiden kann, ob die- 
selben ein kurzes gemeinsames Endstück besitzen oder nicht. Ueber 
der Einmündung dieser Venen öffnet sich in die hintere Wand des Si- 
nusendes jederseits der noch fast rein sagittal verlaufende, unbedeu- 
tende Ducetus Cuvieri. Die Einmündungsstelle des linken liegt etwas 
höher hinauf am Sinus, als die des rechten. 

Merkwürdigerweise fand ich die Einmündung des linken Ductus Cuvieri 
einigemal durch eine Scheidewand in zwei übereinander liegende Röhrchen 
zerlegt. 

Untersuchen wir nun den Zusammenhang der verschiedenen 
Herztheile unter einander, so finden wir: Hinterwand der Ventrikel 
und Vorhöfe liegen bis auf die Verbindung durch das Uebergangs- 
stück frei an einander, ebenso zieht der horizontale Theil des Bul- 
bus frei über den Vorhof hinweg; der ganze rechte Ventrikelschenkel 
sammt dem kurzen aufsteigenden Anfang des Bulbus ist aber nach 
links hin an die angrenzende Wand des Verbindungsstückes und 
des linken Schenkels durch eine dünne, frontal gestellte (übrigens 
muskulöse) Platte angeheftet; die Anheftung liegt in der Tiefe 
der Interventrikularspalte nahe an der Vorderwand der Vorhöfe. 


.„1.b) Das Herzinnere des jüngsten Kaninchen-Embryos 
(0,95 mm Kopflänge). 


Der Sinus venosus und der Vorhofstheil sind dünnwandige 
Säcke, bei denen der Hohlraum die allgemeine Form des ganzen 
Gebildes wiederholt. Bei dem Ventrikeltheil ist dies schon weni- 
ger der Fall, einmal weil derselbe beträchtlich diekere muskulöse 
Wandungen von wechselnder Stärke besitzt, zweitens weil im Be- 
reich desselben die Endothelauskleidung fast überall, und zwar an 
verschiedenen Stellen verschieden weit, von der Muskellage ab- 
steht. Die Spalte zwischen Endothel und Muscularis erscheint 
von einer hellen Flüssigkeit, in der sich nur wenige Zellen ausge- 
spannt finden, angefüllt zu sein. 

Beim Einblick in den Vorhofstheil (vergl. dazu Fig. 5) sieht 
man, dass der Sinus sich fast in der ganzen Breite seines 
Bodens in ihn öffnet, nur vom linken Seitenrande der linken 
Vorhofshälfte aus schiebt sich eine halbmondförmige Falte etwa 
bis zur Hälfte der Breite der letzteren trennend zwischen beide 
Hohlräume ein. An den übrigen Rändern der Oeffnung fehlt jede 


294 G. Born: 


Spur eines abgrenzenden Vorsprungs oder einer Klappenbildung. 
Ich erinnere daran, dass in diesem Stadium der Sinus vom Vor- 

hofe auch äusserlich namentlich an der linken Seite durch eine 
_ Furche abgegrenzt erschien. An der hintern Wand des Vorhofes 
setzt sich entsprechend dem Ansatz des Lungengekröses ein auf 
seiner Höhe schwach eingefurchter, niedriger Kamm vom Vorhof 
auf den Sinus fort. Das Lungengekröse entsteht dadurch, dass 
sich das mehrsehichtige hohe Epithel der Serosa (Darmfaserplatte) 
von der ventralen Wand des Vorderdarmes (kielförmige Lungen- 
anlage) jederseits neben der Mittellinie auf das Herz überschlägt, 
um direkt in die Muskelschicht und Serosa der Hinterwand des 
Vorhofes und der Sinus überzugehen. Die Umbiegungsstellen in die 
Herzwand springen nach vorn etwas vor; zwischen ihnen bleibt 
eine Vertiefung, wodurch das Bild eines der Länge nach einge- 
furehten, flachen Kammes entsteht. Zwischen die beiden Serosa- 
blätter des hinteren Herzgekröses, wie es auch genannt worden 
ist, drängen sich jetzt noch kaum einige Bindegewebszellen von 
der Mucosa des Vorderdarmes aus herein. 

Nahm die Sinus-Oeffnung den ganzen Boden der rechten Vor- 
hofshälfte und noch die Hälfte des Bodens der linken ein, so findet 
man die Einmündung des Uebergangstheils in den Ventrikel (spä- 
terer eanalis auricularis) in der linken oberen Ecke der ausgedehn- 
ten vertikalen vorderen Wand, mit der der Vorhofsack der hin- 
teren Fläche des Ventrikeltheils direkt angelagert ist. (F. av. c. 
Fig. 5). Die Oeffnung hat die Form eines niedrigen Querspaltes ; 
sie gehört ganz der linken Vorhofshälfte an; doch reicht ihr linkes 
Ende bis nahe an die Mittellinie des Herzens. Sie führt in einen 
flachen, den Uebergangstheil in der Richtung von hinten nach vorn 
und etwas nach rechts durchziehenden Gang, an dessen Wänden 
noch kaum eine Andeutung von den bald darauf auftretenden En- 
docardkissen zu sehen ist. Der Gang mündet vorn am obersten 
Ende der Hinterwand des linken Ventrikelschenkels aus. 

Der Innenraum des Ventrikeltheiles zeigt zwar auch die Form 
einer Schleife mit zwei dicht zusammengelesten, aufsteigenden 
Schenkeln, doch stellt er in Folge des oben erwähnten Abstandes 
des Endothels von der Muscularis einen stark verkleinerten und 
nicht ganz ähnlichen Ausguss der äussern Form dar. Das Lumen 
des rechten Schenkels ist verhältnissmässig noch kleiner im Ver- 
gleich zum linken, als man nach der äussern Form vermuthen 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 295 


würde, weil in ersterem die Abhebung des Endothels eine relativ 
stärkere ist. Nach oben geht der rechte Schenkel ohne besonders 
markirte Grenze in den Bulbus über. An der Stelle, wo letztere 
in die Horizontale umbiegt, findet sich die grösste Enge ; eine scharf 
ausgeprägte Verengerung beim Uebergange des Ventrikels in den 
Bulbus (fretum Halleri) konnte ich nicht finden. Da, wo der Bulbus 
sich beim Austritt aus dem Pericard zur ventralen Aortenwurzel er- 
weitert, verschwindet die Abhebung des Endothels und das Lumen 
erscheint grösser. Die unteren Enden der Binnenräume beider Ven- 
trikelschenkel sind ziemlich allseitig um ein geringes erweitert und 
gehen mittelst einer kreisförmigen Oeffnung (ostium interventri- 
culare) in einander über. Während dieser Uebergang an der hin- 
teren und unteren Wand fast ohne Grenzen stattfindet, springt an 
der oberen und vorderen Wand eine Leiste entsprechend der Ein- 
biegung zwischen den beiden Ventrikelschenkeln in die Oeffnung 
etwas vor. 

Das ostium interventrieulare liegt nach dem Gesagten am 
unteren Ende beider Ventrikelschenkel, die Einmündung des späteren 
canalis aurieularis aber liegt viel höher: am oberen Ende der Hinter- 
wand des linken Schenkels (vergl. dazu Fig. 7, von einem etwas 
älteren Embryo, der aber in dieser Beziehung noch wesentlich 
dieselben Verhältnisse aufweist). R 


2.a). Aeussere Veränderungen bis zum Eintritt der 
Nackenbeuge (bis 2,5 mm Kopflänge). 

Der rechte Ventrikelschenkel nimmt verhältnissmässig mehr 
zu wie der linke, so dass er diesem nunmehr nur noch wenig an 
Breite nachgiebt, ausserdem rückt er weiter vor und steht kaum 
mehr hinter dem linken zurück. Diese Veränderung, welche schon 
bei Embryonen von 1,3—2 mm Kopflänge einsetzt, werde ich erst 
bei Besprechung der folgenden Stadien genauer behandeln. Das 
quere untere gemeinsame Bogenstück ist im Verhältniss zu den 
freien vertikalen Schenkelenden höher geworden (jetzt etwa halbe 
Höhe des ganzen Ventrikeltheils). 

Das Uebergangsstück wird zum scharf charakterisirten canalis 
auricularis (vergl. dazu Fig. 6, 7 u.9 e.a.), indem es am vorderen 
und hinteren Ende deutlich abgesetzt erscheint ; offenbar hat seine 
Ausdehnung mit der Ausdehnung der Herztheile, welche er ver- 
bindet, nicht gleichen Schritt gehalten, er erscheint deshalb von 


296 G. Born: 


oben und von der linken Seite gesehen gegen die ihn überragende 
Endkuppel des linken Ventrikeltheils und des linken Vorhofs wie 
.eingesunken. In wie weit ausserdem diese Einsenkung des canalis 
aurieularis durch die veränderte Lage der Ventrikelschenkel ver- 
anlasst wird, soll unten bei dem nächsten Stadium im Zusammen- 
hang besprochen werden. Der vertikale Anfang des Bulbus arte- 
riosus erscheint jetzt schon weiter nach links verschoben, so dass 
der horizontale Endtheil nur wenig von der sagittalen Richtung 
abzuweichen braucht, um die Mittellinie zu gewinnen. (Fig. 9 B.) 
Der letztere liegt jetzt merklich höher als die obere Endkuppel 
des linken Ventrikels. 

Aus der ventralen Aortenwurzel biegen die ersten Aortenbögen beinahe 
horizontal nach vorn um; sie erreichen die Rückenaorten nicht mehr (dazu 
Fig. 6). Ihre vorderen Enden divergiren deutlich. Die zweiten Aortenbögen 
sind jetzt die mächtigsten. Der Verlauf geht unter starker Divergenz schräg 
nach hinten und oben. Dicht hinter und unter ihnen entspringen die 3. Aor- 
tenbögen, welche schräg nach hinten und aussen und nur wenig nach oben 
verlaufen. Endlich folgen noch als ganz feine, nach hinten und unten ab- 
steigende Stämmchen die ventralen Enden der 4., welche mit den Rücken- 
aorten noch nicht zusammenhängen. Die Richtungsveränderung der 1. und 
2. Aortenbögen, gegenüber dem erstbeschriebenen Stadium kommt wohl we- 
sentlich auf Rechnung des stärkeren Wachsthums der dorsalen Theile des 
spangenförmig zusammengekrümmten Embryos in Vergleich mit den ven- 
tralen. Auch die Entwickelung der Kiemengegend spielte dabei eine Rolle, es 
sind dies aber Erscheinungen, auf die ich weiterhin als ausserhalb des Be- 
reichs meines Themas liegend nicht eingehen werde. 

Der Vorhofsack hat sich viel mächtiger entwickelt als der 
Ventrikelabschnitt, namentlich seine rechte Hälfte ist in ihrer Aus- 
dehnung der linken nachgeeilt, eine Erscheinung, welche offenbar 
mit der stärkeren Entwicklung der rechten Vena umb. zusammen- 
hängt. Die Ausdehnung des Vorhofsackes findet namentlich in 
seinen oberen Theilen statt. Die hintere und die obere Fläche des 
Vorhofsackes erscheinen jetzt in ihrer ganzen Mitte eingebuchtet; 
die Scheidung des ganzen Vorhofsackes in zwei Hälften wird 
dadurch viel deutlicher. (Fig. 9, 11.) In der oberen Hälfte der 
hinteren Fläche verursacht diese Einbuchtung die Lungenanlage, 
obgleich sie dort nicht durch ein Gekröse an die Vorhofswand 
angeheftet ist. (Fig. 11.) Das Lungengekröse am untersten Theile 
der hinteren Vorhofswand und an der hinteren Sinuswand zieht 
bei Embryonen von 1,3—2,5 mm Kopflänge nicht mehr gerade 
nach vorn, sondern sehr ausgeprägt nach rechts und vorn. Die 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 9297 


Insertion desselben an der hinteren Vorhofs- und Sinuswand ent-' 
spricht bei Embryonen von 1,7 mm Kopflänge nicht dem Grunde der 
jetzt tieferen Einbuchtung, welche durch die stärker vorspringende 
Lungenanlage an diesen Wänden hervorgebracht wird, sondern 
dem rechten Abhange dieser Einbuchtung. Wenn man den Grund 
der Einbuchtung als die Grenze der beiden Vorhofshälften ansieht, 
inserirt jetzt das Lungengekröse an der rechten Vorhofshälfte. 
Noch liegt der Vorhofsaeck hinter dem Ventrikeltheil versteckt, nur 
seitlich überragen seine Contouren (bei gutem Füllungszustande) 
die des letzteren ein wenig (Fig. 10), doch bleiben sie auch nach 
oben nur um ein Geringes hinter denen der Ventrikelschenkel zurück. 
Dass der linke Vorhofsaek sich jetzt deutlich von dem canalis 
auricularis absetzt, wurde schon erwähnt. (Fig. 6, 10, 11 Si u. Si*.) 

Der Sinus venosus ist noch immer dem unteren Ende des 
Vorhofsackes angefügt, doch grenzt er sich ringsum durch eine 
deutliche Horizontalfurche ab. Dieselbe ist links und vorn am 
tiefsten, rechts und hinten am seichtesten. Zugleich bemerkt man, 
dass die linke Sinushälfte ganz erheblich gegenüber der rechten 
an Grösse zurückgeblieben ist. Sie liegt ganz unter dem linken 
Vorhof versteckt und wird von diesem namentlich nach vorn und 
seitwärts überragt. An die hintere mittlere Concavität des Sinus 
setzt sich das vom Vorhof herabsteigende Lungengekröse an. An 
seiner vorderen Wand haben sich die bekannten zottenförmigen 
Auswüchse deutlicher ausgebildet. Die stärkere Zunahme der 
rechten Sinushälfte kommt wohl ganz auf Rechnung der hervor- 
ragenden Ausdehnung der rechten vena umbilicalis. Die viel stär- 
ker gewordenen Ductus Cuvieri treten nicht mehr in rein sagittaler, 
sondern in schräg von hinten nach vorn absteigender Richtung in die 
Hinterwand der Sinusenden (Fig. 6); es beginnt der Process der Er- 
hebung der Ductus Cuvieri, der, wieSchmidt und His geschildert 
haben, später zur Abschnürung der Pleuralräume vom Perikard führt. 
Jetzt ist jederseits ein gemeinsames Endstück für die ven. umb. 
und omphalomes. vorhanden (Fig. 10 und 11), das an der Ein- 
mündung in das erweiterte Sinusende durch eine seichte Einschnü- 
rung, namentlich seitlich, deutlich abgegrenzt ist. In Folge der 
Erweiterung der in die Sinusenden sich ergiessenden Venen er- 
scheint das niedrige Mittelstück des Sinus, das von Venenmündungen 
frei ist, relativ verschmälert. Die Venen erscheinen einander näher 
gerückt. 


298 G. Born: 


Untersucht man für dieses Stadium den Zusammenhang der 
Herztheile untereinander, so findet man die dünne Platte, welche 
bei dem jüngsten Embryo den rechten Ventrikelschenkel mit der 
linken Seite des Uebergangsstückes (canalis auricularis) und des 
linken Ventrikels verband, von diesen getrennt; bei Embryonen 
von 1,7 mm Kopflänge steht aber aus der Wand des rechten Schen- 
kels noch ein Rest der Verbindungsplatte — jetzt aber mit freiem 
linkem Rande — heraus; dieser Plattenrest ist ganz charakteristisch 
für die unten zu besprechende Stellungsveränderung der Ventrikel- 
schenkel nicht mehr frontal, sondern nach links und hinten ein- 
gestellt. Nicht zu vergessen ist aber, dass in derselben Zeit der 
breite Zusammenhang, die Verwachsung der Ventrikelschenkel, 
nach oben hin zugenommen hat. 


3.a) Aeussere Veränderungen vom Eintritt der Nacken- 
beuge bis zur Kopflänge von 6mm. 


Für die Schilderung der folgenden Veränderungen muss ich 
von dem bisher innegehaltenen Gange im Interesse der Deutlich- 
keit abweichen. 

Es lässt sich an den verschiedenen Modellen, die mir aus 
diesem Stadium vorliegen, sehr deutlich verfolgen, wie die rechte 
Ventrikelschleife noch weiterhin gegenüber der linken nach vorn 
vorrückt (vergl. Fig. 1 und 9, 2 und 16). Der Process beginnt 
schon bei Embryonen, die wenig grösser sind, als der jüngste be- 
schriebene, er soll aber hier erst im Zusammenhange geschildert 
werden. Es macht den Eindruck, als wenn sich die ganze Ven- 
trikelschleife um den rechten Umfang des Ansatzes des canalis 
aurieularis von rechts nach links drehte. Dadurch kommen folgende 
Veränderungen heraus. Der rechte Schenkel tritt, wie gesagt, 
weiter nach vorn vor, der linke namentlich mit seinem seitlichen 
Umfange zurück. Die breiteste Fläche des letzteren, welche an- 
fänglich mehr nach vorn gerichtet war, wendet sich allmählich 
rein nach links; links neben dem canalis auricularis legt sich der 
linke Ventrikel immer breiter an die Vorderfläche des linken (ent- 
sprechend erweiterten) Vorhoftheiles an; es bildet sich links neben 
dem canalis aurieuläris ein neues Stück Hinterwand des linken 
Ventrikels. Die Spalte zwischen beiden Ventrikelschenkeln, welche 
früher von vorn und rechts nach links und hinten verlief, tritt mehr 
und mehr in die Medianebene ein. Mit dem rechten Ventrikelschenkel 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 299 


tritt auch der vertikale Anfang den Bulbus arteriosus mehr nach 
vorn und links, so dass der von ihm jetzt unter immer stumpferem 
Winkel nach hinten abbiegende Theil des arteriellen Abflussrohres 
nur wenig von der medianen Richtung abweicht. Der canalis 
auricularis liegt an der linken Seitenfläche des Herzens nicht 
mehr wie in Fig. 1 in ganzer Ausdehnug frei, sondern rückt in 
die Tiefe, vom Seitenrande des linken Ventrikels gegen die Mitte 
des Herzens hin, bis sein rechter Rand der Interventrikularfurche 
gegenüber liegt und von dem linken Rande des Bulbus verdeckt 
wird (Fig. 9 und 16). Schliesslich trifft die Ebene der Interven- 
trikularfurche auf den rechten Umfang des canalis auricularis 
selbst; der Kanal gehört dann nicht mehr allein der linken, 
sondern mit seinem rechten Ende auch der rechten Herzhälfte 
(Embryonen von 4—6mm Kopflänge) an. Ausser der Drehung der 
Ventrikel ist dabei eine Erweiterung des Kanals nach rechts hin, 
wie wir bei der Besprechung des Herzinneren hervorzuheben 
haben, von Einfluss. Complieirt wird der Vorgang dadurch, dass 
im Anfang auch eine geringe Drehung des ganzen Herzens in 
der Richtung von rechts nach links stattfindet. 

Für diese wichtige Veränderung, durch die der Zufuhrkanal des Blutes, 
welcher ursprünglich dem linken Ventrikel allein angehörte, beiden Ventrikeln 
zugänglich gemacht wird, lassen sich eine ganze Reihe von Ursachen als mög- 
lich hinstellen; eine Auswahl unter diesen zu treffen, resp. jeden wirkenden 
Faktor quantitativ zu bestimmen, erscheint mir bis jetzt kaum möglich. 
Mir kommt es vorläufig wesentlich auf die Feststellung der Formveränderungen 
selbst an, doch will ich eine Reihe der möglichen Faktoren hier anführen. 
Man könnte an eine hydrodynamische Wirkung des Blutstromes denken, die 
die Drehung der Ventrikelschleife von r. nach 1. herbeiführten, vielleicht 
spielen auch die starke Ausdehnung des rechten Vorhofes und die Entwick- 
lung der Leber dabei eine Rolle; endlich können, und das scheint mir das 
wesentlichste, Wachsthumsverhältnisse in der Ventrikelschleife selbst die ge- 
schilderten Erscheinungen herbeiführen. Solcher liessen sich aber noch eine 
ganze Reihe verschiedener Combinationen mit demselben Endresultat anführen. 


Das gemeinsame untere Querstück des Ventrikeltheiles wächst 
in der Höhenrichtung auch weiterhin stärker als die freien verti- 
kalen Schenkel, ausserdem aber ergiebt sich namentlich aus der 
Betrachtung des Herzinneren eine Verwachsung der einander zu- 
gewandten Seiten der Ventrikelschenkel. Da nun gleichzeitig jede 
Ventrikelhälfte sich für sich ausdehnt, geht die Schlingenform des 
Ventrikeltheils immer mehr verloren und er erscheint als aus 


300 G. Born: 


zwei ovoiden bis kugeligen Hälften zusammengesetzt (vergl. Fig. 
2 und 16), welche mittelst breiter Innenflächen mit einander ver- 
. wachsen sind. Die Interventrikularfurche bezeichnet die ursprüng- 
lich vollständigere Trennung. Neben derselben ragt jede Ven- 
trikelhälfte kuppelförmig nach unten vor. Eine Abgrenzung des 
linken Ventrikelschenkels nach oben gegen den Bulbus ist am 
Herzen des Kaninchenembryos nur selten (in Form einer schwachen 
Furche an der linken Seite) wahrnehmbar. Die Streekung des 
Ventrikelabschnittes findet erst in späteren Stadien statt. 

Die specielle Form des Kammertheils ist natürlich sehr er- 
heblich vom Füllungs- und Contraktionszustande abhängig, doch 
erscheint die (inzwischen frei gewordene) hintere Fläche immer 
flacher als die vordere. Auf die Veränderungen am Bulbus kom- 
men wir weiter unten noch zurück. 

Die zweite für die Gesammtgestaltung des Herzens wichtige 
Veränderung betrifft die Lage des Vorhofes und Sinus im Ver- 
hältniss zum Ventrikel. Bisher lag der Vorhofsack hinter dem 
Ventrikeltheil versteckt, seine vordere Wand stand dabei vertiecal 
und in direkter Berührung mit der hinteren Vertikalfläche (vergl. 
dazu Fig. 2—4, 6, 10—13). Das untere Ventrikelende stieg kaum 
weiter herab als das untere Vorhofsende. 

In der Folgezeit sieht man das Ventrikelende den Vorhof 
immer weiter und weiter nach unten überragen, so dass die 
hintere Fläche der Ventrikel freiliegend erscheint, während sich 
gleichzeitig die Vorhöfe über den unteren Enden der Ventrikel 
erheben (vergl. Fig. 14, 17, 19 u. a.). Man könnte nun denken, 
dies beruhe einfach auf einem gleichzeitigen, relativ stärkeren 
Höhenwachsthum des unteren Ventrikelabschnittes und der oberen 
Vorhofstheile. Es ist keine Frage, dass ein solcher Wachsthums- 
unterschied wirklich stattfindet und die geschilderte Verschiebung 
mit herbeiführen hilft; man bemerkt aber gleichzeitig, dass der 
Sinus venosus von der unteren auf die hintere Fläche des Vorhof- 
sackes rückt, wobei sich seine Enden vertikal aufrichten, so dass 
der Halbmond, mit dem ich ihn oben verglich, nicht mehr horizontal, 
sondern frontal gestellt ist. Da man ausserdem bei der Betrachtung 
des Herzinnern, wie ich hier vorausgreifend bemerken muss, die 
Vorhofsmündung des eanalis auricularis sich nicht nur von links 
nach rechts, sondern auch allmählich vom oberen Rande der vor- 
dern Vorhofswand gegen den untern Rand derselben Wand ver- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 301 


schieben sieht, so bleibt keine andere Erklärung übrig, als dass 
der Vorhofsack gegen den Ventrikeltheil um eine transversale Axe, 
die etwa durch die Vorhofsmündung des canalis auricularis geht, 
nach oben und vorn gedreht, oder, wie ich mich in der vorläufigen 
Mittheilung ausdrückte, umgeklappt wird. 

Der Theil der vorderen Vorhofswand unterhalb der Vorhofs- 
mündung des canalis aurieularis, welcher bisher frontal stand und 
der hinteren Ventrikelwand anlag, entfernt sich dabei von derselben 
und stellt sich horizontal (vergl. Fig. 5, 8 u. 28 mit 23—25). Der 
Winkel, welchen diese Wand mit der nun frei gewordenen hinte- 
ren Ventrikelwand bildet, wird allmählich sogar zu einem stumpfen. 
Dass diese untere Wand des Vorhofsackes sich gleichzeitig in der 
Riehtung von vorn nach hinten ausdehnt, wodurch sich die sagit- 
tale Distanz zwischen der Einmündung des Sinus venosus und der 
Verhofsmündung des can. aur. noch mehr vergrössert, braucht wohl 
ebensowenig hervorgehoben zu werden, wie dass dieselbe Wand 
nicht plan, sondern nach unten gewölbt ist. Bei der Umklappung 
des Vorhofes erhebt sich derselbe natürlich nunmehr über dem Ven- 
trikeltheil. 

Diese Ueberlagerung des Vorhofsackes über die Ventrikel 
wird noch dadurch verstärkt, dass, wie erwähnt, der ganze Vor- 
hofsack vorzugsweise nach oben hin auswächst, wie man daraus 
entnehmen kann, dass sich über dem can. aur. eine ausgedehnte 
vordere Vorhofswand erhebt. Besonders stark ist das Wachsthum 
der seitlichen Theile des Vorhofs, die sich ebenso nach oben wie 
nach vorn hin ausdehnen und so die Anlagen der auriculae cordis 
darstellen; doch sind die Ohranhänge jetzt noch stumpf, erst später 
ziehen sie sich spitz nach vorn aus. Der linke lagert sich breit 
über das obere kuppelförmige Ende des gleichseitigen Ventrikels; 
der rechte schiebt sich ähnlich über den oberen Umfang des rech- 
ten Ventrikels, wo dieser in den Bulbus arteriosus übergeht, hinweg. 
So kommt für den ganzen Vorhofsack die Form einer Zwinge, 
welche von hinten um den Bulbus arter. herumgelegt ist, heraus. 
Dieser letztere hat inzwischen seine Form und seine Stellung zu 
den Ventrikeln verändert. Das horizontal nach hinten abgeknickte 
Ende richtet sich gleichzeitig mit der Aufklappung des Vorhofs 
(Fig. 12—14, 17, 19 B.) — inwieweit durch dieselben veranlasst, 
möge dahingestellt bleiben — mehr und mehr auf, bis schliesslich 


302 G. Born: 


seine vordere Fläche in die gradlinige Verlängerung der Vorder- 
flächen des Ventrikels fällt. 

Es sind dann nicht die obereu Enden des Bulbus, sondern die 
aus denselben hervorgehenden letzten Aortenbögen über die obere 
Wand des Vorhofsackes, dieselbe einbuchtend, hinweggebogen. 
Die Bildung der Aurikeln als besonderer Aussackungen des Vor- 
hofs nach vorn und oben beginnt schon bei Embryonen von 3mm 
Kopflänge, die Aufrichtung des Bulbus arteriosus bei solchen von 
2,6—3 mım Kopflänge. 

Dass der can. aur. vom linken Herzrande sich gegen die 
Herzmitte und zugleich gegen den unteren Rand der Vorhöfe ver- 
schiebt, sei hier noch einmal besonders hervorgehoben. Wir 
kommen auf seine Schicksale noch des Näheren zurück. Er ver- 
schwindet dabei für die äussere Ansicht fast vollkommen. 

Oben wurde schon erwähnt, dass bei der Aufklappung des 
Vorhofes der Sinus an seine hintere Seite rückt; an Herzmodelien 
von Embryonen von 2,5—3mm Kopfl. lassen sich alle Phasen 
dieses Processes verfolgen (Fig. 13, 14, 17 Si, Si*, Ss). Die bisher 
(noch bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. Fig. 13) der hinteren Seite 
der Ventrikel anliegende vordere Fläche des Sinus-Sackes wird 
zur unteren, die bisherige untere Fläche, welche mit der Zwerch- 
fell- und Leberanlage verwachsen ist, zur hinteren ; wie diese Ver- 
bindung mit der Zwerchfell- und Leberanlage sich allmählich ab- 
schnürt, so dass der Sinus schliesslich nur noch durch das Ende 
der vena cava inferior mit den genannten Theilen zusammenhängt 
(Embryonen von 3,4 mm Kopfl.), soll im Zusammenhange mit den 
Verhältnissen der Venen beim Herzinnern besprochen werden. Her- 
vorgehoben sei hier aber noch, dass die Enden des Sinus, welche die 
Venen aufnehmen, viel stärker nach hinten hinaufgeschoben werden 
als das Mittelstück. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Sei- 
tentheile des Vorhofes im Vergleich zum mittleren Theil desselben. 
Der Sinus nimmt in Folge dessen die Form eines mehr und mehr 
vertikal gestellten Hufeisens an (Fig. 15, 18 u. 20), dessen freie 
Schenkel oder Hörner von dem unteren Mittelstück aus an den 
hinteren Wänden der beiden Vorhofshälften hinaufziehen und das 
Lungengekröse zwischen sich fassen ; wie sich dabei der Zusam- 
menhang des Hohlraumes des Sinus mit dem des Vorhofs ändert, 
wird unten besprochen werden. Zugleich bleibt der Sinus immer 
mehr im Wachsthum hinter dem Vorhofsack zurück, namentlich in 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 303 


der queren Dimension ist dies augenfällig; er liegt jetzt ganz 
hinter dem Vorhofsack versteckt (vergl. Fig. 11 mit 20). Bei 
einem Embryo von 6mm Kopfl. erschien der Sinus kaum mehr 
die Hälfte so breit wie der Vorhof, doch hängt dies im speeiellen 
Falle natürlich sehr vom Füllungszustande der verschiedenen Herz- 
theile ab. Das rechte Horn des Sinus ist auch beim Kaninchen 
das stärkere. Beim Menschen tritt, wie unten zu besprechen, eine 
frühzeitige Reduktion des linken Hornes und des Querstücks des 
Sinus ein. 

Mit der Aufrichtung der Sinushörner werden auch die Ein- 
mündungsstellen der Ductus Cuvieri nach hinten und oben ver- 
schoben; während die Einmündungsstellen bei einem Embryo 
von 2,5 mm Kopfl. (Fig 13. Ve. C. d.) noch ganz unterhalb des 
unteren Vorhofendes liegen, erscheinen dieselben bei einem nur 
wenig älteren Embryo von 2,66 mm Kopfl. (Fig. 14. Ve. C.d.), bei 
dem aber die Aufklappung der Vorhöfe und des Sinus begonnen 
hat, weit über das untere Vorhofende an der hinteren Wand des 
Vorhofes hinaufgeschoben. Dabei macht sich zeitweilig zwischen 
rechts und links ein Unterschied geltend. Der linke Ductus Cu- 
vieri (Fig. 15. Ve. ©. s.) tritt von vornherein in das obere Ende 
des Sinushornes; rechts überragt bei Embryonen von 2,66 mm Kopfl. 
das obere Ende des Sinushornes blindsaekförmig die Einmündungs- 
stelle des Duct. Cuv. (Sd. Fig. 15). Bei Embryonen von 2,86 mm 
Kopfl. hat sich dieser Unterschied ausgeglichen (Fig. 18. Ve. C. 
D u. S. d.). Es rührt dies daher, dass beide Duetus Cuvieri aus 
ihrer ursprünglich horizontalen Richtung (bei gleichzeitiger Verlän- 
gerung) mehr und mehr in eine vertikale übergehen und sich damit 
in die Verlängerung des Sinushornes der entsprechenden Seite ein- 
stellen. Bei dieser Aufrichtung der Ductus Cuvieri wird rechts die 
obere Kuppel des Sinushornes in die Einmündungsstelle einbezogen. 
Man kann an den Modellen diesen Vorgang in allen seinen ein- 
zelnen Phasen verfolgen. Bei Embryonen von 6‘mm Kopfl. steigen 
die Duct. Cuv. in direkter Verlängerung der Sinushörner auf. 
Ihre weiteren Schicksale werden wir unten zu verfolgen haben. 
Dass mit der Aufrichtung der Duct. Cuv. die Scheidung der Pleu- 
rahöhlen von der Pericardialhöhle zusammenhängt, ist bekannt; 
es greifen dabei übrigens noch andere (Verlöthungs-) Processe ein 
— die genauere Darstellung des Vorgangs liegt ausser dem Bereiche 


meines Themas. / 
Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd. 33, 20 


304 G. Born: 


Statt der beiden Stämme, welche an jeder Seite das Blut der 
v. umb. und v. omph. mes. in die untere Seite des erweiterten 
. Sinusendes führten, bildet sich bei Embryonen von ungefähr 3mm 
Kopfl. ein Stamm heraus, durch welchen sich das Blut der Venen 
beider Seiten in die hintere Wand des unteren Endes des rechten . 
Sinushornes ergiesst, die Vena cava inferior (vgl. Fig. 15 mit 20). Wie 
diese Umbildung vor sich geht, kann erst bei der Darstellung des 
Herzinnern besprochen werden. Es sei aber hier sogleich betont, 
dass die Einmündungsstelle der v. c. inf. in das untere Ende des 
rechten Sinushornes sich von vornherein über der Verbindung dieses 
rechten Sinushornes mit dem unteren Sinusquerstück befindet. 


2 u. 3b) Das Herzinnere bis zur Kopflänge von 6 mm. 


Die erste wichtige Veränderung im Vorhofsabschnitt besteht 
in der Verkleinerung und Verschiebung der Sinus-Einmündung. 
Schon bei Embryonen von 1,25 mm Kopflänge hat sich die von 
der linken Seite her vorspringende Trennungsfalte so weit nach 
rechts vorgeschoben, dass die ganze linke Vorhofshälfte einen 
Boden und demgemäss die linke Hälfte des Sinus eine vollständige 
Decke besitzt. Bei Embryonen von 1,7 mm Kopflänge (vgl. Fig. 8) 
verlängert sich die Trennungsfalte auf den linken Umfang und 
die vordere Seite des rechten Vorhofsackes, sodass die Sinus- 
Mündung jetzt ein kreisrundes Loch am Boden der rechten Vor- 
hofshälfte darstellt, welches nur an der hinteren Wand ohne 
leistenförmige Begrenzung in die darunterliegende rechte Sinus- 
Hälfte überführt. Es sei daran erinnert, dass entsprechend der 
inneren Abgrenzung die äussere Abfurchung des Sinus vom Vor- 
hofe ringsum fortschreitet. 

Bei Embryonen von 23,5 mm Kopflänge setzt endlich die Ver- 
änderung ein, die ich bei der äusseren Betrachtung des Herzens 
als Umklappung des Vorhofsackes nach hinten und oben beschrie- 
ben habe. Die Sinus-Mündung wird dabei von der unteren Wand 
des rechten Vorhofsackes allmählich auf die hintere verschoben. 
Gleichzeitig wird die Oeffnung immer mehr seitlich eingeengt, 
indem sich auch an ihrem rechten Umfang entsprechend einer 
äusseren Furche ein leistenartiger Vorsprung ausbildet (vgl. Fig. 28). 

Ist mit der Umklappung des Vorhofes der Sinus an dessen 
hintere Seite gerückt (wie oben beschrieben), so präsentirt sich die 
Sinus-Mündung je nach der Füllung des Herzens als eine schmalere 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 305 


oder breitere Spalte, welche an dem unteren Theile der hinteren 
Wand der rechten Vorhofshälfte etwas schräg von rechts oben nach 
links unten herabzieht (Fig. 23A—SM). Dieselbe führt nach hinten 
in das nun beinahe vertikal gestellte rechte Sinus-Horn. 

Die Ränder der Spalte springen entsprechend den Furchen, 
durch die sich das rechte Sinus-Horn äusserlich von der hintern 
Vorhofswand abgrenzt, leistenartig in’s Vorhofslumen vor. Es wie- 
derholt sieh dann (bei Embryonen von 2,5—3 mm Kopflänge) der 
am Herzen überall zu beobachtende Vorgang: diese Randleisten 
der Sinus-Mündung, welche anfänglich als Einfaltungen der ganzen 
Herzwand erschienen, gewinnen ein selbständiges Wachsthum und 
treten als klappenartige Gebilde viel stärker, als man es nach den 
äusseren Furchen vermuthen würde, in die Vorhotsliehtung vor. So 
findet man dann (bei Embryonen von nahezu 3 mm Kopflänge) die 
Sinusmündung von 2 ihrem schrägen Verlauf an der hinteren Wand 
der rechten Vorhofshälfte folgenden Klappen begrenzt, der valvula 
venosa dextra et sinistra. (Fig. 23A, 24, 26, V. v. d. und V. v. s.) 

Ich möchte in Betreff dieser Bezeichnungen hervorheben, dass dieselben 
wohl für die späteren Stadien, nicht aber für die vorliegenden passend er- 
scheinen. Später werden es wirkliche Venenklappen, jetzt sind es Sinusklappen. 

Die valvula v. dext. tritt zeitiger auf und bleibt auch in der 
Folgezeit die höhere. Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. ist die- 
selbe schon recht deutlich, während die linke nur neben dem 
oberen Theile der Sinusmündung ein wenig-heraustritt. Das Bild, 
welches beide Klappen geben, hängt bei ihrem ersten Auftreten 
sehr erheblieh vom Füllungszustande des Herzens ab. Sind die 
Vorhöfe und der Sinus leer, so erscheint die Sinusmündung als 
ganz schmaler Spalt und die dieselbe begrenzenden Klappen treten 
beinahe senkrecht aus der Sinuswand in das Lumen des Vor- 
hofes vor. Sind die Hohlräume mehr gefüllt, so kann die Sinus- 
mündung immer noch spaltförmig sein, die Klappen liegen aber 
in der Flucht der Vorhofswände und berühren sich nur mit ihren 
Rändern. Ist endlich die Füllung eine besonders starke, so stehen 
die, wie bei mittlerer Füllung eingestellten, Klappen nach unten zu 
weit auseinander, während sie nach oben unter ganz stumpfem 
Winkel zusammenlaufen (so in dem Modell, nach dem Fig. 28 
gezeichnet ist). — Gemäss der schrägen Richtung der Sinusmündung 
reichen die unteren Enden der Klappen weiter nach links, als die 
oberen, die ersteren laufen an dem inzwischen gebildeten SI aus 


306 G. Born: 


(vergl. Fig. 23 u. 24). So lange die valv. ven. sin. nur neben 
dem oberen Ende der Sinusmündung ausgebildet (etwa 2,5 mm 
. Kopf.) ist, grenzt die untere Hälfte der Sinusmündung direkt an 
das hintere Ende des SI. 

Noch ehe der Sinus an die hintere Seite des Vorhofsackes 
zu rücken beginnt, zieht sich von der Stelle, wo die seine rechte 
Hälfte seitlich begrenzenden Furchen oben zusammenstossen, eine 
bisher nieht erwähnte Furche an der Hinterwand des rechten Vor- 
hofes hinauf (Fig. 13 zwischen Ad und Sp. i.).. Wenn dann der 
Sinus bei der Umklappung der Vorhöfe an deren hintere Seite 
tritt, während seine Enden sich zu vertikalen Hörnern ausziehen, 
tritt diese Furche, welche von der oberen Begrenzungsfurche des 
rechten Hornes ausgeht, noch viel schärfer hervor; natürlich rückt 
ihr Anfang, wie der Vergleich von Fig. 17 und 19 lehrt, ent- 
sprechend der Verschiebung des Sinus an der hinteren Seite 
des rechten Vorhofes immer weiter hinauf. Wenn die Furche 
vollständig ausgebildet ist, so zieht sie über die obere Hälfte der 
Hinterwand und über die obere Wand des rechten Vorhofes etwas 
schräg nach links hinweg, so dass sie vorn schliesslich in der 
Grenzfurche zwischen den beiden Vorhofshälften ausläuft. Genau 
entsprechend dieser äusseren Furche springt nach innen eine 
Leiste vor, in die sich am oberen Ende der Sinusmündung die 
beiden valv. ven. zusammen fortsetzen. Die Leiste gewinnt bald 
ein rasches selbständiges Höhenwachsthum; ich werde sie mit 
His als septum spurium bezeichnen (Fig. 23A—25, 25 Ps.). Das 
sept. spur. ist also eine obere unpaare Fortsetzung der valvulae 
venosae, welche an der vorderen Vorhofswand neben dem inzwischen 
gebildeten septum primum endigt. Der Raum, welcher zwischen 
den valv. ven. und dem sept. spur. einerseits und dem S I anderer- 
seits (resp. den diesen Vorsprüngen an der äusseren Oberfläche 
entsprechenden Furchen) gelegen ist, tritt bei Embryonen von 2,5 
mm Kopflänge erst sehr schwach nach aussen hervor, er liegt hier 
an der hinteren Wand des rechten Vorhofsackes, ohne denselben 
zu überragen, und ist nach hinten ausgedehnt. Bei Embryonen 
von 2,66—2,8—3,4 bis etwa 5 mm Kopflänge stellt er eine immer 
stärker nach hinten und oben heraustretende Aussackung dar, 
welche von dem übrigen Theil des rechten Vorhofes scharf ab- 
gesetzt, denselben kuppelförmig überragt. Man sieht vielleicht 
an keinem Theil des Herzens die durch die Aufrichtung der Vor- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 307 


höfe gesetzte Lageverschiebung so gut wie an diesem. Ich werde 
denselben als pars interseptalis sive intervalvularis des rechten 
Vorhofs bezeichnen und den dieser Aussackung entsprechenden 
inneren Abschnitt als spatium interseptale sive intervalvulare (Sp. i. 
in Fig. 13—15, 17—19 u. a.). 

Ehe wir die weiteren Schicksale dieser Bildungen betrachten, 
wird es angebracht sein, erst die Verschiebung der Mündung des 
canalis auricularis und die Bildung des septum primum bei den- 
selben Stadien zu verfolgen. 

Durch die Umklappung des Vorhofes nach oben wird die Vor- 
hofsmündung des canalis aurieularis, oder wie wir sie von jetzt 
an kurzweg vorausgreifend nennen wollen, das ostinm atrioventri- 
eulare nach unten verschoben, während oberhalb desselben eine neue 
vordere Wand theils aufgerichtet wird, theils auswächst (vergl. 
F. av. ce. in Fig. 28 und Fig. 23A—25). Diese Verschiebung des 
Ostiums gegen den unteren Rand der vorderen Wand bietet dem- 
nach für das Verständniss keine besonderen Schwierigkeiten. Schwie- 
riger ist die gleichzeitige Verschiebung des Ostiums nach rechts hin- 
über bis zur Mittellinie des Herzens hin zu erklären. Während die 
Oeffnung im Anfangsstadium in der linken oberen Ecke der vorderen 
Wand lag und vollständig in den Bereich der linken Vorhofshälfte 
fiel (vergl. Fig. 8), ist sie bei Embryonen von etwa 4 mm Kopfl. 
schon so weit nach rechts verschoben, dass die Ebene des inzwischen 
gebildeten SI, welches an der Grenze zwischen beiden Vorhofs- 
hälften entsteht, auf die Mitte des Ostiums trifft (vergl. Fig. 26 u. a.). 

Eine relative Verschiebung der Oeffnung vom linken Seiten- 
rande der Vorderwand gegen deren Mitte ergiebt sich einfach 
daraus, dass der Vorhof sich am linken Rande des canalis auri- 
eularis verbreitert und mit dem so gebildeten neuen vorderen 
Wandstück an die ebenfalls neue Hinterwand des Ventrikels an 
der linken Seite der Kammermündung des can. aur. anlegt. Während- 
dem bleibt der rechte Rand der Vorhofsmündung des Kanals in 
seiner ursprünglichen Stellung, d. h. er reicht bis an die Ebene, 
welche entsprechend der äusseren Einbuchtung den Vorhof in seine 
beiden Hälften zerlegt. Schon bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. 
überschreitet aber der Rand der Oeffnung diese Ebene nach rechts 
hin, so dass das Ende der Oeffnung in die rechte Vorhofshälfte 
hineinragt (Fig. 28). Der Process schreitet allmählich fort, so dass 
bei Embryonen von etwa 4mm Kopflänge die volle Hälfte der 


308 G. Born: 


Oeffnung dem rechten Vorhofe angehört. Bei dieser Verschiebung 
der Mitte der Oeffnung bis zur Theilungsebene zwischen den beiden 
_ Vorhöfen spielt sicherlich die leicht nachweisbare Verbreiterung 
derselben in der Quere die erste Rolle. Bei Embryonen von Amm 
Kopfl. ist die Liehtung des Kanals mehr als doppelt so breit, als 
bei solchen von 2,5mm Kopflänge. Diese Verbreiterung geschieht 
offenbar lediglich an der rechten Seite, während das linke Ende 
des Kanals vielleicht sogar eingeengt wird. Bildet sich nun, wie 
gleich näher zu beschreiben, bei Embryonen von 2,5 mm Kopf- 
länge zwischen beiden Vorhofshälften das SI, so ist die Ebene 
desselben zuerst auf das rechte Ende der Mündung des Kanals 
gerichtet; während dieses Septum aber allmählich von der hinteren 
und oberen Vorhofswand herabwächst, trifft die Ebene desselben 
immer näher an die Mitte der Oeffnung, bis schliesslich bei Embryonen 
von 4mm Kopfl. sein freier, der Kanalöffnung stark genäherter 
Rand der Mitte derselben grade gegenüber steht. Dass auch der 
Ansatz des SI durch die starke Ausdehnung des rechten Vorhofes, 
namentlich aber des diesem SI anliegenden spatium interseptale, im 
Verhältniss zur Vorhofsmündung des canalis aurieularis nach 
links verschoben wird, ist mir sehr wahrscheinlich; es spricht 
dafür, dass das Lungengekröse, welches bei Embryonen bis 2,5 mm 
Kopfl. deutlich nach rechts gewendet verlief, sich allmählich gerade 
stellt. Auch geht der Ansatz des SI bei älteren Embryonen ober- 
halb des Lungengekröses nicht mehr von der Mitte der Einbuchtung, 
welche die Trachealanlage an der hinteren Herzwand macht, aus, 
sondern etwas links von dieser Mitte. 

Die Vorhofsmündung des ost. atr. v. wächst übrigens mit der 
Ausdehnung der Vorhöfe ohne die Form eines Querspaltes zu ver- 
lieren. Die Entwicklung der Endocardkissen in derselben und 
ihre weiteren Veränderungen werden unten besprochen werden. 

Es ist nun die Bildung des SI, welches wir vorausgreifend 
schon öfters erwähnen mussten, nachzuholen. Bei Embryonen von 
1—1,7mm Kopfl. bildete sich, wie beschrieben, an der Grenze 
beider Vorhofshälften an der oberen und hinteren Wand ent- 
sprechend dem horizontalen Theile des Bulbus und der vordringen- 
den Tracheal- und Lungenanlage eine zusammenhängende flache 
Einbuchtung. Am unteren Ende der hinteren Wand, entsprechend 
dem Ansatze des Lungengekröses, wo die Einbuchtung auch schon 
bei dem jüngsten der untersuchten Embryonen zu sehen war, ist 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 309 


dieselbe am tiefsten. Hier entspricht das äussere Relief genan 
dem Innern; ein abgerundeter Vorsprung deutet am unteren Ende 
der hinteren Vorhofswand die Trennung der beiden Vorhofshälften 
an, derselbe zieht sich, wie Fig. 3 zeigt, neben der Sinusmündung 
auch noch auf die untere Vorhofswand herab. Dass das Lungen- 
gekröse nicht im Grunde der äusseren Einbuchtung, sondern an 
deren rechtem Abhang inserirt, wurde oben schon erwähnt. Wenn 
man nun an der hinteren Wand über den Ansatz des Lungenge- 
kröses hinaufgeht, nimmt die Tiefe der äusseren Einbuchtung ge- 
mäss der geringeren Entwicklung der Trachealanlage ab. Die 
der äusseren Einbuchtung entsprechende Hervorragung an der 
inneren Wand aber zeigt eine stärkere, selbständige Entwickelung. 
Auf dem Kamme derselben ist das Endocard stärker, die Museu- 
laris schwächer verdickt; am seitlichen Abfall der Hervorragung 
verschwindet die Verdieckung allmählich. Eine ebensolche schwache 
Hervorragung zieht sich über die obere Wand, entsprechend der 
durch den horizontalen Theil des Bulbus verursachten äusseren 
Einbuchtung hin bis zum rechten Umfang der Vorhofsmündung des 
Canalis auricularis und geht hier in den etwas in den Vorhof vor- 
geschobenen Seitenrand dieser Oeffnung über (vgl. Fig. 8, wo die 
Hervorragung aber etwas zu weit nach abwärts verlängert ist). 
Diese Hervorragung ist die erste Anlage der Vorhofsscheidewand, 
die ich als SI bezeichnet habe. 

Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. zeigt sich dasselbe schon 
viel deutlicher entwickelt (vgl. Fig. 23 SI); namentlich an der 
hinteren Vorhofswand oberhalb des Ansatzes des Lungengekröses 
springt ein ziemlich hoher, aber immer noch breiter Fortsatz der 
Museularis, der am freien Rande eine wulstartige Endocardver- 
diekung trägt, an der Grenze beider Vorhofshälften nach vorn in 
das Lumen vor; derselbe setzt sich schwächer und breiter auch 
über die obere, durch den horizontalen Bulbustheil eingebuchtete 
Vorhofswand fort und endigt über der Vorhofsmündung des cana- 
lis aurieularis, welche in diesem Stadium zwar schon stark gegen 
die Mitte der Vorderwand des Vorhofes verschoben ist, aber noch 
hoch oben an dieser sitzt. Unten verliert sich der Kamm (ent- 
sprechend dem Ansatze des Lungengekröses) neben dem linken 
Rande der Sinusmündung am Uebergang zur unteren Vorhofswand. 
Bei Embryonen von 2,5—2,7 mm Kopfl. erreicht das SI seine 
volle Ausbildung. Die äussere, durch die Tracheal- und Lungen- 


310 G. Born: 


anlage und den horizontalen Theil des Bulbus an der hinteren und 
oberen Vorhofswand veranlassten Einbuchtung ist flach geblieben, 
das SI aber, welches von der Mitte des durch die äussere Ein- 
 buchtung veranlassten inneren Vorsprungs ausgeht, ist zu einem 
dünneren, aber hohen halbmondförmigen Kamme ausgewachsen 
(Fig. 30 SD), dessen Ansatzlinie sich von dem oberen Theile der 
vorderen Wand über die obere hinweg bis zum unteren Ende der 
hinteren Wand hinwegzieht. Der freie Rand des Kammes ist nach 
wie vor von einer kolbigen Endocardverdickung eingenommen, in 
welche die dünne Muskelplatte mit dem freien Ende eingesenkt 
erscheint. 

Die ovale Oeffnung, welche zwischen dem freien Rande des 
SI und dem ost. atr. v. beide Vorhotshälften verbindet, habe ich 
als OI bezeichnet. 

Beim weiteren Vorwachsen des SI greifen die Ansatzlinien 
desselben allmählich auf die untere und vordere Wand des Vor- 
hofsackes über (Fig. 23A—SD. Die niedrigen Enden, in welche 
der Halbmond dann an der vorderen und unteren Wand ausläuft, 
werden fast ausschliesslich von der Endocardverdickung gebildet. 
Die unteren Verdiekungen sind stärker. Schon bei Embryonen 
von noch nicht 3mm Kopfl. erreichen die Enden des SI die Endo- 
cardverdickungen, welche sich, wie weiterhin zu besprechen, von den 
Endocardkissen des canalis auricularis aus in die untere und vordere 
Vorhofswand hineinerstrecken und verschmelzen mit diesen, so 
dass dann das OI mit Ausnahme des Schlitzes zwischen den 
beiden Endocardkissen ringsum von verdickten Endocardrändern 
begrenzt ist (Fig. 283). 

Die nach links gerichteten unteren Enden der valvulae ve- 
nosae laufen an dem unteren Theile des SI aus. Aehnlich verhält 
sich oben das septum spurium. 

Gehen wir nun zu Embryonen von fast 3—31/; mm Kopfl. 
über, so sieht man, dass das SI nicht nur seine Ansatzenden weiter 
gegen die Atrioventrikularöffnung hin vorgeschoben, sondern auch in 
seiner Mitte erheblich an Höhe zugenommen hat. Das O1 erscheint 
in Folge dessen nicht blos relativ, sondern auch absolut kleiner, 
als bei Embryonen von 3 mm Kopfl. Die Oeffnung nimmt kaum 
mehr 1/, der Fläche eines mittleren Sagittalschnittes zwischen beiden 
Vorhofshälften ein (Fig. 23A und 24 O]). Grade aber in diesem 
Stadium bemerkt man die Bildung einer neuen Oeffnung zwischen 


schade, 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 311 


beiden Vorhöfen und zwar in der Mitte des Ansatzes des SI an 
der Vorhofswand, da wo die hintere Vorhofswand in die obere um- 
biegt. Anfänglich ist dieses ostium secundum (O II), wie ich es 
benannt habe, noch klein, vgl. Fig. 23 A, 24 und 31. Je weiter 
aber in der Folgezeit das SI gegen die Atrioventrikularöffnung 
vorrückt, je mehr demgemäss die Weite von OI abnimmt, um so 
grösser wird diese neue Oeffnung OII (Fig. 25 und 31). So lange 
diese beiden Oeffnungen zugleich vorhanden sind, bei Embryonen 
von 3—5,5 mm Kopfl., besitzt die Vorhofsscheidewand die merk- 
würdige Form eines Bandes mit 2 freien Rändern, einem oberen 
hinteren und einem vorderen unteren. Das Band ist demnach vom 
hinteren unteren zum vorderen oberen Umfange des Vorhofes in 
der Mittellinie ausgespannt (SI in Fig. 23A—25 und 27). Bei 
Embryonen von 4,2 mm Kopfl. sind beide Oeffnungen ungefähr gleich 
sross, beide von abgerundet dreieckigem Umriss. 

Während nun durch die Bildung von OlI das SI seinen 
Ansatz am hinteren oberen Umfang der Vorhofswand immer mehr 
verliert, greifen seine Ansatzlinien, natürlich unter Verkürzung 
seines unteren freien Randes, immer ausgiebiger auf die vordere 
und untere Wand über; es ist, als senkte sich das Band von: hin- 
ten und oben nach unten und vorn herab, oder mit andern Worten, 
das Band folgt der Ausdehnung des Vorhofes am hinteren oberen 
Umfang nicht, sondern wächst nach unten und vorn aus. 

Bei Embryonen von 4,5--5,5 mm Kopfl. wird OI kleiner wie 
Oll. Der verkürzte untere freie Rand des SI rückt der Atrio- 
ventrikularöffnung immer näher (Fig. 25), seine mit Endocardver- 
bindungen versehenen Enden verschmelzen mit den der Vorhofs- 
lichtung zugewandten Flächen der Endocardkissen und schliesslich 
(bei Embryonen von 5,5—6 mm Kopfl.) ist O I verschwunden und 
der untere Rand von SI steht nur noch in der Spalte zwischen 
den Endocardkissen frei an. Das entsprechend vergrösserte O1I 
bildet dann die einzige Communication zwischen beiden Vorhofs- 
hälften (vgl. die Schemata A, B, C). SI, welches im Anfang am 
hinteren oberen Umfang des Vorhofsackes angewachsen, seinen 
freien Rand nach vorn und unten wandte, ist jetzt am vorderen 
unteren Umfang des Vorhofsackes befestigt und wendet seinen 
freien Rand nach hinten und oben. 

Die Mitte der Ansatzlinie von SI theilt jetzt das ost. atr. v. 
in zwei Oeffnungen, von denen jede nur mit der entsprechenden 


312 G. Born: 


Vorhofshälfte communieirt. Die Scheidung der rechten und linken 
Atrioventrieularöffnung wird fast gleichzeitig, wie noch unten zu 
besprechen, dadurch vervollständigt, dass, während der untere 
Rand desSI sich zwischen die Endocardkissen einsenkt, dieselben 
an den einander zugewandten Flächen breit verschmelzen. OII 
ist nichts anders als das spätere foramen ovale. SI liefert die 
valvula foraminis ovalis. Die folgenden Stellungsveränderungen 
des letzteren werden wir bei der definitiven Ausbildung des Her- 
zens zu besprechen haben. 

Die zweite Klappe, welche das foramen ovale umrahmt, tritt 
relativ sehr spät auf, erst bei Embryonen von etwa 5mm Kopf- 
länge bildet sich von der oberen und dem oberen Theile der hin- 
teren Wand aus eine neue halbmondförmige Leiste, die ich in der 
vorläufigen Mittheilung als SII bezeichnet habe (Fig. -25). Die An- 
satzlinie derselben liegt etwas rechts von der Ebene des SI, greift 
also ein wenig in das spatium intervalvulare hinein. Diese Leiste, 
welche von Anfang an dicker als das SI erscheint, aber ein viel 
geringeres Höhenwachsthum zeigt, liefert den Haupttheil des Lim- 
bus Vieussenii; da beide Leisten, das SI und SII, nicht in der- 
selben Ebene liegen, laufen ihre niedrigen Enden aneinander 
vorbei resp. greifen übereinander über. Die Stellungsveränderung 
des Limbus, durch welche er vom oberen auf den vorderen Umfang 
des foramen ovale verschoben wird, kann auch erst später be- 
sprochen werden. 

Wenn man bei Embryonen von 3,5 mm Kopfl. vom rechten 
Sinushorn zwischen den schräg gestellten valv. ven. hindurch in 
den Vorhof dringt, führt die gerade Verlängerung dieses Weges 
auf den hinteren Umfang desO I; später, wenn sich das SI weiter 
herabgesenkt hat (Embryonen von 4,2 mm Kopfl.) auf den hinteren 
Rand dieses Septums selbst. Ist aber das SI ganz herabgewachsen, 
und hat sich das OII entsprechend vergrössert, so führt der Weg 
zwischen den beiden valv. ven. hindurch direkt auf den unteren 
Umfang dieser Oeffnung. Die dazu nöthige Wendung nach oben 
wird dadurch herbeigeführt, dass bei dem schon früher erwähnten 
vorwiegenden Wachsthum der oberen Vorhofstheile die Sinus- 
mündung an der hinteren Wand relativ immer weiter herabrückt. 

Dieses vorwiegende Wachsthum der oberen Vorhofstheile prägt 
sich ausserdem in der unverhältnissmässigen Ausbildung der oberen 
unpaaren Verlängerung der valv. ven. d. i. des septum spurium 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 313 


bei Embryonen von 3,5—6mm Kopflänge aus. Es gewinnt nicht 
nur an Höhe, sondern seine Ansatzlinie greift auch bis auf die 
vordere Wand über (vgl. Fig. 25). Es ist so hoch, dass, wenn 
man rein von rechts durch eine entsprechende Oeffnung in den 
rechten Vorhof hineinsieht, es mit den valv. ven. zusammen das 
SI beinahe ganz zudeckt. Vom OIl ist dann natürlich garnichts 
zu sehen. 

In den Figuren 23A—25, welche das letztere zeigen sollen, 
ist daher die Decke der Vorhöfe abgehoben und die Einsicht von 
rechts hinten und etwas von oben genommen. Schon bei einigen 
jüngeren Embryonen fand ich den Wandansatz des Sept. spur. 
etwa in der Mitte seiner Ausdehnung durchbrochen, z.B. in Fig. 25. 
Je stärker rechts die valv. ven. mit dem s. spur., links das SI 
nach vorn und unten heraustreten, um so tiefer wird der zwischen 
ihnen gelegene Theil des rechten Vorhofs, den ich als Spatium 
interseptale bezeichnet habe, nur dass derselbe nach links durch 
das inzwischen erweiterte O II immer breiter mit dem linken Vor- 
hof communieirt. Ueber die funetionelle Bedeutung des Sept. spur. 
wird später gesprochen werden. 

Das Lungengekröse (mesent. cordis post.), welches bei Em- 
bryonen zwischen 1—2 mm Kopfl. schräg nach rechts und vorn 
z0g, stellt sich bei älteren von 2—3 mm wieder gerade nach vorn 
ein. Der Zwischenraum zwischen den beiden Umschlagsblättern, 
mit denen die Serosa von der Lungenanlage auf’s Herz übergeht, 
füllt sich im Zusammenhang mit der reichlichen Mesoderment- 
wiekelung der Lungenanlage mit Bindegewebe. Der längsge- 
furchte Vorsprung, den im jüngsten Stadium die Umschlagsblätter 
der Serosa an der hinteren Vorhofswand verursachen, wird in 
das untere Ende des SI einbezogen, indem die Umschlagskanten 
miteinander verwachsen und in Muskelsubstanz übergehen, wäh- 
rend das Endocard über denselben eine Verdickung bildet. Nur 
an einem Punkte erhält sich ein Rest der Rinne zwischen den 
ursprünglichen Umschlagskanten in Form eines schmalen Spaltes 
am linken Rande der Basis des SI, grade da, wo die hintere in 
die untere Wand des linken Vorhofs umbiegt. Bei Embryonen von 
2,85 mm Kopfl. sieht man nun von dieser Stelle aus ein kapillares 
Gefäss in das Lungengekröse und von da in die Lunge eindringen; 
dieses Gefäss ist weiter nichts als die vena pulmonalis. Dieselbe mün- 
det also von Anfang an der linken Seite des SI, also in den linken 


314 G. Born: 


Vorhof. Das Gefässchen bleibt noch lange sehr fein, die Ein- 
mündungsstelle behält auch noch lange die Form eines schmalen, 
die Wand schräg durchsetzenden Schlitzes und die typische La- 
gerung dicht an der Basis des SI, wo untere und hintere Wand 
des linken Vorhofes in einander übergehen (Ve. p. Fig. 26). Auf 
die späteren Umbildungen werden wir unten einzugehen haben. 

Die Veränderungen des Sinus venosus sind zum grossen Theil 
schon bei der Betrachtung des Aeusseren des Herzens abgehandelt 
worden. Hier sei Folgendes zugefügt. 

Es ist schon beschrieben, wie der Sinus mit der Umklappung 
der Vorhöfe an deren hintere Wand zu liegen kommt, wie der- 
selbe ausgeprägte Hufeisenform annimmt und sich hinter den viel 
rascher wachsenden Vorhöfen verbirgt. In die vertikalen aufstei- 
genden Schenkel des Hufeneisens münden an den oberen Enden 
in immer stumpferem Winkel die Ductus Cuvieri, bis dieselben bei 
Embryonen von 6mm Kopfl. in der direkten Verlängerung der 
Sinusenden stehen. Das rechte Sinushorn öffnet sich nach vorne 
zwischen der valvulae venosae hindurch in den rechten Vorhof. 

Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. mündeten die venae um- 
bilice. und omphal. mes. jeder Seite für sich in die untere Fläche 
des entsprechenden Sinushornes; bei Embryonen, deren Kopf nur 
l mm länger ist, findet man dagegen nur einen unteren Körper- 
Venenstamm, welcher in die hintere Wand des unteren Endes des 
rechten Sinushornes da einmündet, wo dieses in den Querschenkel 
des hufeisenförmigen Sinus umbiegt. In der Zwischenzeit ist die 
Umklappung der Vorhöfe eingetreten und der Sinus vertikal auf- 
gerichtet. Die Veränderung an den Venen hängt auf’s Innigste mit 
der Ausbildung der Leberanlage zusammen, welche auch zu der Um- 
klappung der Vorhöfe und des Sinus in offenbarer Beziehung steht. 
Dieses bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. sich massig entwickelnde 
Organ schiebt sich nach oben zwischen die Ventrikel einerseits 
und die Vorhöfe und den Sinus andererseits ein und drängt die 
erstere nach vorn, die letztere nach hinten und oben auseinander; 
das ergiebt die relative Verschiebung der genannten Herztheile zu 
einander, die ich unter ausschliesslicher Berücksichtigung der 
Lageveränderung der Vorhöfe und des Sinus als Aufklappung des 
letzteren beschrieben habe; es ist dies geschehen, weil ich von einer 
conventionellen, für alle Stadien gleichen Stellung des Herzens 
ausging. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 315 


Bei Embryonen von 1,7 mm Kopfl. liegen die gemeinschaft- 
lichen Endstänmme der venae omphalomes. und umbilie. jederseits 
wesentlich über und hinter der Zwerchfell- und Leberanlage. Die 
v. umb. biegen über der Leberanlage nach aussen in die parie- 
tale Körperwand ab, um in dieser zum Nabel zu verlaufen. Die 
v. omphalomes. laufen hinter der Leberanlage, von besonderen Aus- 
buchtungen der Serosa des Coeloms eingeschlossen, grade herab, 
um sich unter der Leberanlage dem zum Nabel gehenden Mittel- 
darm anzuschliessen. 

Bei Embryonen von 2,5 nım Kopfl. ist der gemeinschaftliche 
Endstamm der v. umb. und omphalomes. an der ventralen Seite 
und den Seitenflächen von Lebergewebe umringt (theilweise auch 
ringsum), ebenso die Enden der denselben jederseits zusammen- 
setzenden Stämme der v. omphalomes. und umb. (Fig. 25). Ueber- 
all, wo die Gefässe an das Lebergewebe angrenzen, beginnen die 
Bälkchen der Lebersubstanz sich unregelmässig in die Gefässe 
einzuschieben, während zahllose Lebergefässe aus dem Lumen der 
Stämme in die Leber eindringen. Dadurch verlieren namentlich 
die Stämme der v. omphalomes. ihre regelmässige Contour und 
lösen sich mehr oder minder in das Netz der Lebercapillaren auf. 
Bei den v. umb. ist dies weniger der Fall, dieselben lassen sich 
noch deutlich über die Hauptmasse der Leberanlage hinweg nach 
aussen in die parietalen Körperwände verfolgen. Die linke ist 
aber zu einem sehr unbedeutenden Stämmcehen geworden, während 
die rechte jetzt als das stärkste Gefäss imponirt. 

Bei Embryonen von 2,66 mm Kopfl. ist die Auflösung der 
linken v. omphalomes. im oberen Theil der Leber so stark, dass 
das Gefäss in der Leber nur durch unregelmässig verlaufende 
Lebercapillaren hindurch zu verfolgen ist; dem entsprechend ist 
auch der neben dem Darm verlaufende Theil der linken v. ompha- 
lomes. sehr schwach geworden. 

Bei einem Embryo von 2,86mm Kopflänge fand ich nicht 
nur die linke v. omphalomes. im oberen Theil der Leber voll- 
ständig durch Lebergewebe durchbrochen und ersetzt, sondern 
auch die "rechte, ausserdem waren beide v. umb. da, wo sie 
früher die obere Seite der Leber verliessen, um in die parietalen 
Körperwände überzutreten, ebenso in Lebergewebe aufgelöst; die 
Stämme der v.umb. in den Körperwänden selbst erschienen, soweit 
die Leber reichte, verschwunden, nur hier und da waren Reste 


316 G. Born: 


der früheren Gefässe zu sehen. Wie gelangt aber jetzt das 
Blut der peripheren Theile der v. umb. und omphalomes. zum 
‘Sinus? Schon in vorhergehenden Stadien bemerkt man zwei Ge- 
fässe, die von der Stelle, wo die v. omphalomes. in die untere 
Seite der Leber treten, im hinteren Theile der Leber in die Höhe 
ziehen, um sich im oberen Theile des Organs zu einem Stamme 
zu vereinigen. Dieser Stamm liegt zwischen den Herzenden der 
Omphalomesenterial-Venen, er stand bei Embryonen von 2,6mm 
Kopflänge nur capillar mit dem kurzen gemeinsamen Endstücke 
der rechten Dotter- und Umbilicalvene in Verbindung. In un- 
serem Stadium hat sich diese Verbindung colossal erweitert, 
und dieser unten doppelte, oben einfache Stamm (vena Aranzii 
von His) leitet das Blut der peripheren (unterhalb der Leber‘ 
gelegenen) Theile der Omphalomesenterial-Venen und Umbilical- 
Venen zum gemeinschaftlichen Endstamme der umbilicalis und 
omphalomesenterica dextra (Ve. A. Fig. 15). Die Einmündung 
geschieht in unserem Stadium in der Weise, dass die neugebildete 
Vene sich schräg von links nach rechts wendet, um dicht an 
der hinteren Fläche des Sinus mit den Enden der Omphalome- 
senterial- und Umbilical-Venen, die nun zu venae revehentes sive 
hepaticae geworden sind, zusammenzufliessen. Die Einmündungs- 
stelle in den Sinus selbst ist in Folge der beschriebenen Lage- 
verschiebung an die hintere Seite des letzteren gerückt; sie ent- 
spricht dem unteren Ende des rechten Horns und findet sich 
über dem Zusammenfluss des letzteren mit dem unteren Querstück 
des Sinus. Ich habe hier die Umbildungen der Venen inner- 
halb und unterhalb der Leber nicht weiter zu verfolgen; ich 
muss nur hervorheben, dass der anfänglich ganz kurze aber weite 
Stamm, welcher jetzt (bei Embryonen von etwa 3mm Kopf- 
länge) das Blut der rechten unteren Körperhälfte in die hintere 
Wand des unteren Endes des rechten Sinushorns führt, sich in der 
Folgezeit bedeutend verlängert; derselbe nimmt aber auch bald 
die Enden der linksseitigen vena omphalomes. und umbilicalis, die 
durch ihre Auflösung in der Leber ebenfalls zu venae revehentes 
oder hepaticae geworden sind, auf. Wie gelangen diese Gefässe, 
welche noch bei Embryonen von 2,5 mm Kopflänge direkt in das 
untere Ende des linken Sinushorns führten, dazu, bei solchen von 
34mm Kopflänge in das rechtsseitige Gefäss einzumünden? Die 
fragliche Verschiebung der Einmündungsstellen der linksseitigen 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 317 


Gefässe hängt, wie ich mich durch eine etwas mühsame Unter- 
suchung überzeugt habe, mit der Absehnürung des Sinus von 
der Zwerchfell- und Leberanlage zusammen, die derselbe gleich- 
zeitig mit der Lageverschiebung auf die hintere Seite des Vor- 
hofes erleidet. Die Abschnürungsfurche schneidet am raschesten 
von links her ein und schiebt die Einmündungsstelle der links- 
seitigen unteren Venen allmählich nach rechts hinüber und nähert 
dieselben dem rechtsseitigen Stamme. Bei Embryonen von 
2,6—2,8—3,1mm Kopflänge lassen sich alle Stadien des Vorgangs 
im Einzelnen verfolgen (vergl. Fig. 15 mit 18). Ist bei Embryonen 
von etwas über 3mm Kopflänge die Einmündung des linksseitigen 
unteren Venenstammes bis zum Zusammenfluss mit der Einmündungs- 
stelle des rechtsseitigen gebracht und damit zugleich die ganze 
untere Seite des unteren Querstückes des Sinus von der Zwerch- 
fell- und Leberanlage frei geworden, so schreitet die Absehnürung 
nach hinten und oben weiter fort, bis die Sinusanlage ganz vom 
Zwerchfell getrennt ist und nur noch hinten durch das Lungen- 
gekröse mit der Lungenanlage zusammenhängt; dabei wird von 
der sich ausdehnenden Pericardialhöhle die jetzt gemeinsame Ein- 
mündungsstelle der unteren Venen in den Sinus umgriffen und 
bis auf ein hinteres Mesenterium abgelöst. Die Einmündungsstelle 
selbst verlängert sich zum Herzende der vena cava inferior und 
das linksseitige Gefäss (die linke vena hepatica = früheres End- 
stück der linken v. omphalomes. und umb.) entfernt sich damit 
vom Sinus mehr und mehr. 

Nachdem sich die Duetus Cuvieri mit den aufsteigenden 
Hörnern des Sinus in dieselbe Richtung gestellt haben,- erscheint 
das linke Sinushorn sammt dem Querstück des Sinus als direkte 
Verlängerung des linken Ductus Cuvieri (Fig. 20) und wir wollen 
diese Theile fortan als Herzende des linken Ductus Cuvieri 
bezeichnen. Das Herzende des linken Duct. Cuv. steigt demnach 
erst senkrecht hinter den linken Vorhof neben dem Lungen- 
gekröse abwärts und bildet beim Kaninchen eine Vorbuchtung in 
das Atrium. Dann biegt es quer nach rechts unter dem Lungen- 
gekröse hinweg ab, um in das untere Ende des rechten Sinus- 
hornes einzumünden (Kaninchen-Embryonen von 5—6mm Kopf- 
länge). Das rechte Sinushorn nimmt nun alle drei Körpervenen 
auf: am oberen Ende den absteigenden Ductus: Cuv. dext. (ven. ce. 
sup. dext.); am unteren Ende das quer von links kommende 


318 G. Born: 


Herzende des Duct. Cuv. sin. (ven. c. sup. sin.) und dicht über 
dessen Einmündungsstelle an der hinteren Wand die ven. cav. inf. 
‘Die hintere Wand der letzteren geht glatt in die hintere Wand 
des rechten Sinushorn über. An der vorderen Wand dagegen 
springt zwischen der Einmündungsstelle der v. cav. inf. und der 
Einmündung des Herzendes des Duct. Cuv. sin. eine quergestellte 
First, die der äusseren Furche, welche beide Gefässenden trennt, 
entspricht, in die Sinuslichtung vor. Diese First gewinnt sehr 
rasch ein eignes Höhenwachsthum und trennt dabei das untere 
Ende des rechten Sinushornes, in das sich das Herzende des Duct. 
Cuv. sin. ergiesst, von dem darüber liegenden Theile, der oben 
und unten die andern beiden Körpervenen aufnimmt, als eine Art 
horizontaler Scheidewand mit freiem vorderen Rande ab. Ihre 
weiteren Schicksale, wie die des ganzen rechten Sinushornes, werden 
wir später verfolgen. 


Inneres der Ventrikelschleife. 


Entsprechend der oben beschriebenen äusseren Umgestaltung 
wächst auch der Hohlraum des rechten Schenkels der Ventrikel- 
schleife rascher als der des linken und rückt entsprechend der 
Drehung des ganzen Ventrikeltheils von rechts nach links mehr 
nach vorn und links hinüber. Das schräggestellte Längsoval 
(Querschnitt) des linken Ventrikelschenkels stellt sich dabei zuerst 
reiner sagittal ein, bis es durch die Ausdehnung der linken Ven- 
trikelhälfte in ein Queroval verwandelt wird. Oben ist beschrieben, 
wie bei diesem Process der canalis auricularis vom linken 
Seitenrande des Herzens allmählich in die Tiefe gegen die Mittel- 
linie desselben hinrückt, dementsprechend verschiebt sich die 
Einmündung des Canalis auricularis, welche ursprünglich in der 
linken oberen Ecke der Hinterwand des linken Ventrikelschenkels 
lag, nach rechts hinüber. Sie nähert sich in Folge dessen der 
Ebene der Interventrieularöffnung. Schon bei Embryonen von 
34mm Kopflänge grenzt der rechte Rand der Einmündung des 
can. aur. direkt an diese Ebene (vergl. Fig. 7 mit 21). Bei 
Embryonen von 4,2—5,5 mm Kopflänge ist der Process durch die 
oben besprochene Erweiterung des canalis aurie. nach rechts hin 
so weit vorgeschritten, dass die Ebene der Interventrieularöffnung 
auf den rechten Umfang des ost. atr. v. selbst einschneidet 
(vergl. Fig. 26, 32 und die Schemata D und E). In diesem Ostium 


Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Säugethierherzens. 319 


(dem früheren canalis aurieularis) haben sich inzwischen die 
später zu beschreibenden Endocardkissen gebildet. Die Ebene des 
ost. interventrie. trifft dann auf die rechten Höcker derselben. 

In dem jüngsten Stadium lag die Einmündung des can. aur. 
hoch über dem oberen Rande der Interventrieularöffnung (Fig 7). 
In der folgenden Zeit verwachsen die benachbarten Flächen 
der beiden Ventrikelschenkel immer höher hinauf miteinander. 
Der Verwachsung entsprechend dehnt sich gleichzeitig die Inter- 
ventricularöffnung nach oben aus. Ihr oberer Rand erreicht 
dann bald das Niveau der Einmündung des can. aur., ja bei 
Embryonen von 4,2—5,5 mm Kopflänge überschreitet er dasselbe. 
Da inzwischen das ost. atr. v., wie besprochen, eine erhebliche 
Verschiebung und Erweiterung nach rechts erfahren hat, so 
findet man jetzt das rechte Ende desselben in den hinteren Um- 
fang der Interventrieularöffnung eingeschaltet (vergl. Fig. 26 und 
das Schema D mit E). Das ost. atr. v. führt also jetzt nicht 
mehr allein in den linken Ventrikel, sondern auch, freilich zum 
kleineren Theile (nur an seinem rechten Ende), in den rechten 
Ventrikel. 

Trotz dieser Ausdehnung nach oben nimmt die Grösse der 
Interventrieularöffnung kaum zu, weil nämlich zu gleicher Zeit 
an ihrem vorderen und unteren Umfang eine dieselbe einen- 
sende halbmondförmige Leiste entsteht, die Anlage des Interventri- 
eularseptums, S. iv. (Fig. 26). Anfänglich mag dasselbe gewisser- 
maassen passiv gebildet werden, indem sich jede Ventrikelhälfte 
für sich nach unten kuppelförmig ausdehnt, während dies in der 
Mitte zwischen beiden Ventrikelhälften entsprechend der äusseren 
Interventrieularfurche nicht geschieht. Sehr bald gewinnt aber 
das Interventricularseptum ein selbständiges Höhenwachsthum; sein 
vorderes Ende läuft flacher aus, als sein hinteres, das weiter auf die 
hintere Wand bis an das untere Endocardkissen des can. aur. 
‘ hinaufreicht. Denkt man sich das Interventricularseptum bis 
zum Abschluss des ost. interventrie. weiterwachsend, so würde 
es sich schliesslich mit den rechten Höckern der beiden Endo- 
cardkissen vereinigen. Damit wäre zwar für jede Ventrikelhälfte 
ein gesondertes ost. atr. v. geschaffen, die linke Ventrikelhälfte 
besässe aber kein Abflussrohr, denn der Bulbus gehört ursprüng- 
lich nur dem rechten Ventrikel an. Daraus geht schon hervor 
dass das Auswachsen des Interventricularseptums nicht bis zum 

Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 21 


320 G. Born: 


Verschluss des ost. interventr. fortschreiten kann. In welcher Weise 
die linke hintere Hälfte des Bulbus-Rohres durch den Rest des 
. ost. interventric. in den linken Ventrikel übergeführt und gleich- 
zeitig von der rechten Hälfte des Bulbus-Rohres und dem rechten 
Ventrikel abgeschieden wird, werden wir bei der definitiven Aus- 
gestaltung des Herzens zu besprechen haben. 

Ehe wir die Bildung der trabeculae carneae besprechen, wird 
es zweckmässig sein, die Umgestaltungen im canalis aurieularis hier 
einzuschalten. 

Bei Embryonen von 1,7 mm Kopfl. erscheinen im can. aurieul. 
die ersten Andeutungen der Endocardkissen. An der oberen und 
unteren Wand des platten Ganges erheben sich zwei wulstförmige Ver- 
diekungen, welche durch Wucherung des Endocards hervorgebracht 
werden. Wenn diese Erhebungen ihre volle Ausbildung erlangt haben 
(bei Embryonen von etwa 3!/; mm Kopfl.), so stellen sie stumpfe und 
breite Kämme dar, welche jederseits neben sich an der oberen und 
unteren Wand eine Rinne übrig lassen, so dass die Lichtung des can. 
aur. etwa folgende Form annimmt m (Fig. 21, 23—26 Eo u. Eu). Je- 
derseits ist das Ende des Endocardkissens zu einem Höcker er- 
hoben, wie es auch die voranstehende schematische Figur andeutet. 
Die Endocardkissen wenden den Vorhöfen wie den Ventrikeln je eine 
schräg abfallende Fläche zu. Diese Flächen enden aber nicht, gemäss 
der Grenze des can. aur., plötzlich quer abgesetzt, sondern von 
ihnen erstrecken sich mehr oder minder erhobene Fortsetzungen 
der Endocardkissen in die Vorhöfe sowohl, wie in die Ventrikel 
hinein. Die Verlängerungen der Endocardkissen in die Ventrikel 
werden wir bei Gelegenheit der Ausbildung der trabeculae earneae 
besprechen. Vom unteren Endocardkissen zieht sich eine allmählich 
an Höhe und Breite abnehmende wulstartige Verlängerung in die 
untere Wand des Vorhofes hinein (Fig. 28, 23A—26),'vom oberen 
Endocardkissen zieht eine ähnliche, schwächere wulstartige Verlänge- 
rung in der vorderen Wand des Vorhotes bis zur oberen hin. Es ist - 
oben beschrieben, wie die mit Endocardverdickungen versehenen 
Enden des sich herabsenkenden SI sehr bald mit diesen wulstartigen 
Verlängerungen der Endocardkissen verschmelzen, so dass dann 
das OI ringsum bis auf die Querspalte des. can. aur. von Endo- 
cardverdiekungen umgeben ist (bei Embryonen von 3mm Kopfl.). 
Unzweifelhaft hat die vom unteren Endocardkissen in die untere 
Vorhofswand ausstrahlende wulstartige Verlängerung mit dem in 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 321 


sie übergehenden unteren Ende des SI, an das sich die unteren 
Enden der valv. ven. ansetzen, His zur Aufstellung seiner spina 
intermedia veranlasst. 

Oben ist auseinandergesetzt, wie die Ansatzenden des herab- 
steigenden SI (bei Embryonen von 5,5—5,8mm Kopfl.) auf die Vor- 
hofsflächen der Endocardkissen selbst übergreifen, wie endlich 
weiterhin unter vollkommener Verschliessung des OI das SI nur 
noch in der Mitte der schmalen Spalte zwischen den beiden Endo- 
cardkissen frei ansteht. Bald senkt sich dieser freie Rand noch 
tiefer zwischen die Endocardkissen, mit denselben verschmelzend, 
ein und unmittelbar darauf verkleben auch die gegen die Vor- 
höfe abfallenden Flächen der Endocardkissen in ihrer vollen Breite, 
so dass von der ganzen Lichtung des can. aur. nur die beiden 
seitlich neben den Endocardkissen vorhandenen schmalen aber- 
hohen Communikationsöffnungen zwischen den Vorhöfen und den 
Ventrikeln übrig bleiben. Die gegen die Ventrikel abfallenden 
Flächen der Endocardkissen bleiben frei; wir werden ihr Schick- 
sale weiter unten zu besprechen haben. Damit ist die Zerlegung 
des einfachen can. aur. in zwei getrennte Canäle, in das rechte 
und linke ost. atr. v. vollzogen. Es sei hier nochmals hervorge- 
hoben, dass die Ebene des inzwischen gebildeten s. interventricu- 
lare nicht auf die Mitte der verschmolzenen Endocardkissen, son- 
dern auf die rechten Höcker derselben trifft (vergl. Fig. 24 und die 
Schemata Bu. C). Die Anlagen der Vorhofs- und der Ventrikelscheide- 
wand liegen also nicht in einer und derselben Ebene, sondern die 
letztere ist gegen die erstere etwas nach rechts verschoben. 

Das Breiten- und Höhenwachsthum des can. aur. geht mit der 
Ausdehnung der angrenzenden Herzabschnitte ziemlich parallel, 
nicht so das Längenwachsthum desselben (in der Richtung von 
vorn nach hinten). In dieser Richtung bleibt der can. aur. sicht- 
lich im Wachsthum zurück und in Folge dessen wird seine äussere 
Wand von den sieh mächtig ausdehnenden Ventrikelwänden um- 
griffen; damit verschwindet der can. aur. als besonderer Herztheil 
(bei Embryonen von 3,5 mm Kopfl. schon vollständig). Er tritt mit 
seiner grössten Länge gewissermaassen in die Ventrikelwand ein; 
eine directe Einstülpung des can. aur. in den Ventrikelraum, wie 
es His beschreibt, kann ich aber nicht finden. Es ist aber nicht 
unerwähnt zu lassen, dass das Vorhofsende des can, aur. sich etwas 
in die Vorhofslichtung eindrängt. Man findet in Folge dessen bis 


323 G. Born: 


in die spätesten Embryonenstadien hinein die Umgebung der 
Atrioventrikularöffnung als ein etwas erhabenes Feld ziemlich 
scharf gegen die benachbarten Vorhofswände abgesetzt. An den 
niedrigen Seitenflächen des can. aur. finden sich keine Endocard- 
verdiekungen von irgendwie nennenswerther Ausdehnung. 

Kehren wir nun zur Beschreibung des Ventrikelinnern, zur 
Entstehungsgeschichte der trabeculae carneae zurück. Noch bei 
Embryonen von 1,7 mm Kopfl. ist fast das ganze Endothel des 
Ventrikelbinnenraumes von der Muskelschicht durch einen breiten 
Zwischenraum getrennt. Bei Embryonen von 2,5 mm Kopfl. hat sich 
das Endothel an einem grossen Theil der vorderen, der unteren und 
der seitlichen Wände beider Ventrikelhälften dieht an die Muskel- 
schicht angelegt. Dagegen haben sich aus der Muskelschicht netz- 
förmig miteinander verbundene Leisten und Bälkchen erhoben, 
so dass der vollständig freie Binnenraum der Ventrikel nicht viel 
grösser erscheint als im vorhergehenden Stadium. Es macht den 
Eindruck, als hätte gleichzeitig mit dem excentrischen Wachsthum 
der ganzen Ventrikelwände an gewissen Stellen ein nach Innen 
serichtetes Dickenwachsthum stattgefunden; überall, wo die trab. 
carn. entwickelt sind, legt sich das Endothel allen Erhebungen und 
Vertiefungen der Muskelschicht dicht an. 

Ich habe nicht versucht, in der Ausbreitung der Trabekeln ein gesetz- 
mässiges Verhalten herauszufinden; es hätte das eine besonders darauf ge- 
richtete, sehr mühsame Modellirarbeit erfordert. Auch müsste eine genauere 
Behandlung des Gegenstandes von einer Erwägung der mechanischen Bedeutung 
der Trabekelbildung ausgehen. 

Bei Embryonen von 2,5—3 mm Kopfl. greift dann die Trabekel- 
bildung an den inneren Wänden der Ventrikelhohlräume weiter 
und es bleiben von derselben nur bestimmte Stellen verschont, an 
denen das Endothel von der Serosa abgehoben erscheint, wäh- 
rend sich der Zwischenraum zwischen denselben mit embryonalem 
Bindegewebe füllt. Diese Stellen erscheinen jetzt als Endocard- 
verdiekungen, wobei aber zu bemerken ist, dass sie an einem guten 
Modell aus diesem Stadium nur wenig oder garnicht in den freien 
Binnenraum der Ventrikel vortreten, sondern die Wand nur in der 
Dicke bekleiden, die an andern Stellen durch die Trabekel mit den 
Hohlräumen zwisehen denselben eingenommen wird. Diese Stellen 
stehen mit gleichartigen Endocardverdiekungen im Bulbus (vergl. 
Fig. 30) und mit den ebenfalls gleichartig gebauten Endocardkissen 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 323 


des canalis aurieularis in Beziehung und Verbindung. Bleiben wir 
zuerst beim Bulbus stehen. Im Bulbus tritt gar keine Entwicke- 
lung von Trabekeln auf. Das Endothel steht weit von der Mus- 
kelschicht ab, der Zwischenraum aber füllt sich allmählich mit 
embryonalem Bindegewebe (vergl. Fig. 21, 30 u. 31). Die ganze 
Innenfläche des Bulbus bis zur ventralen Aortenwurzel hinauf 
erscheint also von einem breiten Ringe embryonalen Bindegewebes 
ausgekleidet. 

Besonders verengte Stellen (fretum Halleri) finde ich auch jetzt nur da, 
wo der Canal rasch seine Richtung ändert, wo er geknickt ist; z. B. bei 
dem Modell des Herzens von einem Embryo von 2,6 mm Kopfl. biegt der 
Bulbus erst beinahe horizontal nach links und hinten ab, um mit seinem End- 
theil gemäss der schon merklichen Erhebung der Vorhöfe ziemlich plötzlich 
aufzusteigen. An dieser letzten Biegungsstelle findet man das Lumen zu einer 
schmalen Querspalte eingeengt. 


Gegen den Ventrikel herab theilt sich die ringförmige Endo- 
eardbekleidung des Bulbus dadurch, dass an ihrer rechten Seite 
sich die in Trabekel aufgelöste Ventrikelseitenwand, an ihrer linken 
Seite das ostinm interventriculare einschiebt, in zwei Endocard- 
platten, eine vordere und eine hintere. Die vordere Platte läuft 
an der vorderen Wand des rechten Ventrikels herab und bedeckt 
den rechten Abhang des in der Bildung begriffenen Ventrikelsep- 
tums (sept. inf. von H.), greift aber unten über dessen Kamm hin- 
weg ein wenig in den linken Ventrikel hinüber. Die hintere Platte 
läuft ebenso an der hinteren Wand neben dem ostium interventri- 
culare herab, beide erreichen verschmälert beinahe den Boden des 
rechten Ventrikels. Nach links hängen diese Bulbus-Wülste, wie 
wir sie vorausgreifend benennen wollen, über den oberen und hin- 
teren Umfang des foramen interventriculare hinweg mit zwei Endo- 
cardverdickungen von ganz gleicher Beschaffenheit zusammen, die 
sich von den Endocardkissen des can. aur. aus in die Wände des linken 
Ventrikels erstrecken. Namentlich vom unteren Endocardkissen 
aus erstreckt sich eine massige Endocardverdickung über beinahe 
die ganze Breite der hiuteren Wand des linken Ventrikels herab 
und diese hängt über den hinteren Umfang des ost. interventr. 
hinweg breit mit dem hinteren Bulbuswulste zusammen (vgl. Fig. 21). 
Das obere Endocardkissen erstreckt sich nur wenig auf die Decke 
des linken Ventrikels, welche vielmehr in Trabekel aufgelöst 
erscheint; doch hängt das obere Endocardkissen über den oberen 


324 G. Born: 


Umfang des ost. intervent. hinweg breiter mit dem hinteren, schmä- 
ler mit dem vorderen Bulbus-Wulste zusammen. 

Bei etwas älteren Embryonen (3,4 mm Kopfl.) bleibt das Bild 
noch ziemlich dasselbe, nur treten die vom Bulbus in den rechten 
Ventrikel herabsteigenden Endocardplatten gegen den Ventrikel- 
raum wulstartig vor; dabei bemerkt man, dass der vordere Bul- 
buswulst gegenüber dem hinteren zugleich etwas nach links ver- 
schoben ist. 

Bei Embryonen von 4mm Kopfl., bei denen das rechte Ende 
des ost. atrioventriculare schon in den hinteren Umfang des ost. 
interventr. (siehe oben pg. 317) eingetreten ist, ist das Bulbuslumen 
zu einem an den Enden erweiterten Längsspalt geworden; der das- 
selbe umgebende endocardiale Ring ist an den Enden des Längs- 
spaltes schmäler, während er an den Seiten desselben sich kissen- 
artig erhoben hat; diese Bulbuswülste differenziren sich zunächst 
unten in den Verlängerungen, die in den Ventrikel hinabsteigen, 
dann erst weiter oben im Bulbus selbst. Im Bulbus selbst stehen 
dieselben aber rein seitlich, bei dem Herabsteigen in den Ventrikel 
rückt der linke an die vordere Seite, der rechte an die hintere 
Seite, doch so, dass der vordere immer etwas mehr links bleibt 
als der hintere (Fig. 32 u. 26 Bw, und Bw,). 

Mit der Ausbildung der Bulbuswülste bei Embryonen von 
etwa 4 mm Kopfl. ist die erste Andeutung der Trennung des Bul- 
bus in arteria pulmonalis und arteria aorta gegeben. Die erwei- 
terten Enden des Bulbuslumens, das zwischen den Kissen spalt- 
förmig geworden ist, stellen die Gefässröhren dar. Im Bulbus 
selbst liegen die durch die schmale Spalte noch verbundenen 
Röhren hintereinander, die art. pulm. nach vorn, die art. aorta 
nach hinten; beim Herabsteigen gegen den rechten Ventrikel ver- 
schieben sich die die Röhren voneinander trennenden Wülste, wie 
gesagt, so, dass der linke nach vorn, der rechte nach hinten tritt; 
die vordere Röhre rückt in Folge dessen unter gleichzeitiger Er- 
weiterung nach rechts und vorn, die hintere, sich weniger erwei- 
ternd, nach links und hinten; die letztere, die Aortenröhre, mündet 
demnach am hinteren linken Umfang der oberen Seite des rechten 
Ventrikels aus über dem rechten Ende des ostium atrioventrieulare, 
die Mündung reicht bis an das ostium interventriculare heran. 
Diese Vorgänge werden unten weiter zu verfolgen sein. Kehren 
wir nun zu den Endocardverdickungen, die sich von den Endo- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 325 


cardkissen des can. aur. aus in die Ventrikel hinein erstrecken, zurück, 
so sehen wir bei Embryonen von etwa 4mm Kopfl. den Umfang der- 
selben schon erheblich beschränkt. Zwar hängen die Endocardkissen 
noch über den hinteren und oberen Umfang des ost. interventr. hin- 
weg mit den Bulbuswülsten zusammen, der Rand des Theils des 
sept. interventr. aber, der sich jetzt von der unteren Ventrikelwand 
her erhebt, ist frei von Endocardverdickungen und die Ausbrei- 
tung des unteren Endoeardkissens an der hinteren Wand des linken 
Ventrikels herab ist erheblich verkleinert. An den Rändern er- 
scheinen die Endocardverdiekungen, soweit sie noch vorhanden 
sind, fast überall von den Spalten zwischen den angrenzenden Tra- 
bekeln wie unterminirt. 

Bei Embryonen etwa von 5,5 mm Kopfl. sind die Endocardver- 
diekungen noch mehr eingeschränkt; nur das obere Endocardkissen 
hängt noch über dem oberen Umfang des rechten Endes der Atrioven- 
trieularöffnung hinweg mit dem hinteren Bulbuswulst zusammen. Die 
Ausbreitung der Endocardverdickung vom unteren Endocardkissen 
aus an der hinteren Wand des linken Ventrikels herab ist fast 
ganz verschwunden (vergl. Fig. 26). Die Verhältnisse der Bulbus- 
wülste im rechten Ventrikel sind noch ziemlich dieselben geblieben; 
der hintere läuft neben dem rechten Ende der Atrioventricularöff- 
nung herab, der vordere (zugleich etwas links gelegene) zieht auf 
dem rechten Abhang des septum interventriculare, soweit dasselbe 
von der vorderen Ventrikelwand entspringt, herab und greift dabei 
bis auf den Kamm desselben über. — Wie durch das weitere 
Emporsteigen des sept. intervent. und die Verschmelzung der Bul- 
buswülste miteinander und mit dem freien Rande des ersteren 
die Trennung der Ventrikel und Arterien vervollständigt und die 
Aorta allein in den linken Ventrikel übergeführt wird, soll im näch- 
sten Abschnitt behandelt werden. 


4 a und b.) Definitive Ausbildung des Herzens. 


In dem Stadium, in welchem wir die Vorhöfe verlassen 
haben, mündeten die drei grossen Körpervenen, wie beschrieben, 
in das rechte Horn des Sinus aus und dieses öffnete sich mit einer 
von 2 seitlichen Klappen begrenzten Spalte in den rechten Vorhof. 
Wir haben nun auseinander zu setzen, welche Veränderungen 
dazu führen, dass die 3 grossen Körpervenen späterhin in den 
rechten Vorhof direkt einzumünden scheinen. 


326 G. Born: 


Die betr. Vorgänge sind im Allgemeinen bekannt. Der rechte 
Vorhof weitet sich nach hinten und zugleich nach unten stark aus, 
er umfasst dabei das rechte Sinushorn mit seinen diesem angren- 

zenden Wänden in dessen ganzer Länge, so dass das rechte Sinushorn 

schliesslich (von hinten oder seitwärts gesehen) gar nieht mehr aus 
der hinteren Vorhofswand heraustritt, sondern in den rechten Vorhof 
einbezogen erscheint. Damit tritt natürlich auch der Binnenraum 
des rechten Sinushornes in den Vorhofsack ein. Die hintere 
Wand des Sinus wird zu einem Bestandtheil des hinteren Wand 
des rechten Vorhofes. Die 3 Körpervenen münden in Folge 
dessen an dieser hinteren Wand in den Vorhof direkt ein. Die 
Reihenfolge der Mündungsstellen an der früheren hinteren Sinus- 
wand, welche jetzt zu einem Bestandtheil der hinteren Vorhofs- 
wand geworden ist, ist dieselbe geblieben, wie in jüngeren 
Stadien. Am oberen Ende des Wandstückes tritt in direkt ab- 
steigender Richtung die v. cav. sup. dext. (Duet. Cuv. dext.), am 
untersten Ende in gerade aufsteigender Richtung die v. cav. inf., 
und dicht über der letzteren in quer von links kommender 
Richtung die v. cav. sup. sin. (Duct. Cuv. sin.) ein (Fig 20). Die 
valvulae venosae scheinen jetzt nicht mehr von der einspringenden 
Grenze zwischen Vorhof und rechtem Sinushorn, sondern von der 
hinteren Wand des rechten Vorhofes selbst zu entspringen. Natür- 
lich fassen sie immer noch die Venenmündungen zwischen sich, 
zeigen ihre alte schräge Stellung und laufen nach oben in das 
septum spurium aus. 

Die Aufnahme des rechten Sinushorns in den rechten Vorhof 
geht sehr allmählich vor sich; dieselbe ist bei Kaninchenembryonen 
von etwa 12mm Kopflänge ziemlich vollendet; — noch bei solchen 
von 22mm Kopflänge aber markirt sich die frühere hintere Sinuswand 
durch schwache, rechts etwas schärfere Seitenfurchen im Sehnittbilde. 

Die Körpervenen münden nun direkt in den rechten Vorhof 
ein, aber zunächst nicht frei, sondern in den spaltförmigen Raum 
zwischen den valvulae venosae. Die weiteren Schicksale der 
letzteren werden wir demnächst zu besprechen haben. Dieselben 
hängen auf’s Innigste mit weiteren Stellungsveränderungen und 
Wachsthumsverschiebungen der Vorhöfe zusammen; diese sind im 
Prineip beim Kaninchen und beim Menschen die gleichen, weichen 
aber im Einzelnen voneinander ab, so dass wir nach Erledigung 
des Gemeinsamen die speciellen Vorgänge gesondert zu beschreiben 


Beiträge zur Entwieklungsgeschichte des Säugethierherzens. 327 


haben. Bei beiden Arten riehten sich die Vorhöfe steiler über 
den Ventrikeln auf und im Zusammenhang damit gewinnt auch 
der untere Theil des Bulbus, resp. die aus ihm hervorgehenden 
Anfänge der beiden grossen Arterien eine steilere Richtung. Die 
jederseits neben der mittleren Einbuchtung, in welche der Bulbus 
von vorn und obenher eingelagert ist, gelegenen Vorhofsabschnitte 
zeigen aber ein viel stärkeres, nach vorn und oben gerichtetes 
Wachsthum, als die durch den Bulbus gewissermaassen eingedrückte 
und festgehaltene Mitte. Es prägt sich dies äusserlich dadurch 
aus, dass sich die seitlichen Vorhofstheile immer höher neben dem 
Bulbus hinauf und an den Seiten desselben nach vorn schieben. 
Die seitlichen Abschnitte der Vorhöfe zeigen sich in Folge dessen 
im Verhältniss zu dem unter und hinter dem Bulbus gelegenen 
centralen Theile nach vorn und oben verlagert. Ein Schnitt 
der in jüngeren Stadien (Kaninchen von 7 mm Kopflänge) den 
oberen Rand des Mittelstückes streifte, ging im rechten Vor- 
hof durch das septum spurium; ein ebensolcher Schnitt trifft bei 
Kaninchen von 22 mm Kopflänge beide Venenklappen weit unter 
dem Beginn des septum spurium. — Soweit sind die Vorgänge 
bei beiden Arten die gleichen; nun sind die Abweichungen zu 
schildern. 

Beim Kaninchen war das septum spurium schon häufig in 
jüngeren Stadien durchbrochen; währen der Aufnahme des rechten 
Sinushornes in den rechten Vorhof ist das regelmässig der Fall. 
Zugleich damit schwindet die dem Ansatz des sept. sp. entsprechende 
äussere Furche, und die nach oben ragende, mit der eben er- 
wähnten Wachsthumsverschiebung nach vorn verlagerte Kuppel 
des spatium interseptale geht in den vordern oberen Umfang des 
rechten Vorhofes unmerklich über, während sie offenbar durch den 
Druck des neben ihr gelagerten Arterienrohres flacher wird. Unter 
der Durchbruchsstelle im sept. sp. ist noch bei Kaninchen von 22 mm 
Kopflänge eine dünne, frei zur vorderen Vorhofswand gespannte 
Spange übrig, die ich sogar im Herzen des erwachsenen Kanin- 
chens als dünneren oder diekeren, frei vom vorderen Umfang der 
Einmündung der vena cava sup. nach rechts zur vorderen Vor- 
hofswand auspespannten Muskelstrang erhalten fand. Als Rest 
der Kuppel des spatium intersept. ist der von zahlreichen Muskel- 
leisten durchsetzte Raum aufzufassen, der sich beim Kaninchen vor 
der Einmündung der vena cava sup. dextr. an der medialen Vorhofs- 


328 G. Born: 


wand in die Höhe erstreckt; der Zugang zu demselben findet über 
und unter der erwähnten Muskelleiste statt. 

Die Einmündungsstelle der vena cava sup. dext. rückt in 
Folge der in Allgemeinen geschilderten Verschiebung vom oberen 
Rande der hinteren Fläche des rechten Vorhofes auf dessen obere 
Seite, sie entfernt sich also von der Einmündung der unteren 
Hohlvene. Mit der Einmündungsstelle der v. ec. sup. dext. ver- 
schieben sich auch die dieselbe begrenzenden Klappen nach oben 
und vorn. Da zugleich der obere Theil des spatium interseptale 
verstreicht, findet man die linke Venenklappe am Rande der Ein- 
mündung der v. c. sup. dext. neben dem SII und der Wurzel 
desselben dicht angefügt (Kopflänge 22mm); dann zieht die linke 
Venenklappe an der hinteren Vorhofswand (frühere Sinuswand) 
herab bis zur Einmündung der cava inferior; hier bleibt sie aber 
noch lange von dem inzwischen, wie unten zu beschreiben, an der 
hinteren Vorhofswand emporgewachsenen SI durch einen breiten 
Zwischenraum, einen Rest des spatium interseptale, getrennt (noch 
bei Kopflänge von 22 mm); erst in der letzten Zeit des Embryonal- 
lebens stellt sich die vorher quere Wand zwischen Ansatz des SI 
und valvula venosa sinistra mehr sagittal in die Verlängerung des 
ersteren, so dass dann der schmale Saum, den man bei neu- 
geborenen Thieren mitunter als Rest der linken Venenklappe nach- 
weisen kann, am Vorhofsseptum selbst anzusitzen scheint. 

Noch ehe der Sinus in den rechten Vorhof aufgenommen 
wurde, sprang an seiner hinteren Wand zwischen der Einmündung 
der cava inferior und der darunter gelegenen cava superior sinistra 
eine Leiste mit etwas nach vorn und rechts gewendetem freiem 
Rande vor. Während der Aufnahme des rechten Sinushornes in 
den Vorhof wächst diese Leiste rasch nach vorn aus; sie wächst 
dabei unter dem unteren Ende der valvula venosa sinistra hinweg 
und verbindet sich rechts mit der valvula venosa dextra, links mit 
dem Vorhofsseptum (SI). Dadurch wird die Einmündung der cava 
sup. sinistra nach vorn verlegt bis zum freien Rande der valvula 
venosa dextra. Diese letztere bildet sich beim Kaninchen all- 
mählich in ihrer ganze Länge zurück, — sowohl oberhalb der 
horizontalen Leiste als unterhalb derselben am rechten Umfang 
der Einmündung der cava sup. sinistra. Bei der Geburt ist von 
der valvula venosa dextra nur noch ein feiner niedriger Saum 
nachweisbar, der, wo er am vorderen Umfang der Einmündung 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 329 


der cava sup. dext. mit dem Rest der linken Venenklappe zusammen- 
fliesst, am höchsten erscheint. 

Auch beim erwachsenen Kaninchen ist dieser feine Grenz- 
saum am rechten Rande der früheren Sinuswand und am rechten 
Umfang der Einmündung der vena cava inferior und vena cava 
sup. sinistra noch mitunter am mit Alkohol geblähten Herzen nach- 
weisbar. Am deutlichsten ist derselbe am rechten Umfang der 
Einmündung der vena cava inferior, er geht unten in die dünne 
aber wohl entwickelte Querfalte über, die die Mündung der vena 
cava inferior und der vena cava sup. sinistra scheidet und stellt so 
ein Rudiment einer Eustachischen Klappe dar. Am rechten Um- 
fang der Einmündung der vena cava sup. sin. findet sich ein ähn- 
licher halbmondförmiger Saum, als Rest des untersten Endes der 
valvula venosa dextra, der an einzelnen Herzen in der Mitte etwas 
höher erscheint und dann einen wirklichen, freilich nicht schluss- 
fähigen Rest einer valvula Thebesii darstellt. Wenn Krause in 
der „Anatomie des Kaninchens“, 2. Auflage p. 244 sagt: „Das 
Ostium der Sinistra“ (nämlich der vena cava sup. sin.) „besitzt 
eine grosse halbmondförmige, häutige valvula Thebesii“, so ist 
damit jedenfalls die häutige Querfalte gemeint, welche die Mündung 
der cava sup. sin. nach oben von der der cava inf. scheidet, die- 
selbe ist aber kein Homologon der valvula Thebesii des Menschen. 

An dem Modell des Herzens einer neugeborenen Ratte er- 
scheinen die Venenklappen relativ noch höher und deutlicher, als 
am Herzen des neugeborenen Kaninchens. 

Beim Menschen ist das spatium interseptale von Anfang an 
schmäler und kleiner als beim Kaninchen ; die Venenklappen stehen 
also den Septalanlagen relativ näher. Bei der Verschiebung der 
seitlichen Theile der Vorhöfe nach vorn und oben wird der obere 
kuppelförmige Theil des spatium interseptale vollkommen abgeflacht 
und auf eine schmale Spalte redueirt; das septum spurium erscheint 
nieht durchbrochen, tritt aber in Folge der Verkleinerung des 
oberen Theiles des spatium interseptale der medialen oberen Wand 
des rechten Vorhofes (wo dieselbe der Aorta anliegt) immer näher. 
Bei Embryonen von 14—16mm Kopfl. (Steissscheitellänge 34, An- 
fang des dritten Monats) würde man des sept. sp. ohne Kenntniss der 
vorausgehenden Stadien kaum als etwas Besonderes erkennen; es 
ist ein kurzer Muskelstrang, der von dem oberen Zusammenfluss 
der beiden Venenklappen nach vorn zur vorderen Vorhofswand 


330 G. Born: 


läuft; an seiner Innenseite aber erstreckt sich, wie man am Modell 
sieht, ein schmaler Hohlraum zwischen ihm und der medialen Vor- 
. hofswand (über der Verbindung beider Vorhöfe) weit in die Höhe; 
die Wände des Hohlraums sind mit Muskelleisten (musculi pectinati) 
besetzt; dieser Hohlraum ist der Rest des spatium interseptale. 
Bei einem menschlichen Embryo von 30mm Kopfl. (Steissscheitel- 
länge 75mm, Ende des 3. oder Anfang des 4. Monats) war der 
Eingang in diesen Hohlraum bis auf eine capillare Spalte verengt, 
durch die man nach oben in einige mit Blut gefüllte Lücken in 
der medialen Wand des rechten Vorhofes oberhalb der Verbindung 
beider Vorhöfe untereinander gelangt. Beim Menschen verschwin- 
det das s. sp. und mit ihm zugleich das spatium interseptale durch 
Verlöthung mit der medialen Vorhofswand. Doch noch bei einem 
Foetus vom Einde des 7. Monats (Länge des gestreckten Körpers 
36em, Kopfl. 81/,em) ist unter dem vorderen Umfang der Einmün- 
dung der vena cava sup. am Uebergang der medialen auf die vor- 
dere Wand des rechten Vorhofs eine halbmondförmige Leiste mit 
unterer Coneavität zu sehen, die ihrer Lage und (sagittaler, etwas 
nach vorn geneigter) Richtung nach als Rest des freien Randes 
des s. sp. aufzufassen ist. Es gelingt aber nicht mehr, in die 
an der medialen Seite der Leiste aufsteigende Tasche eine Borste 
hinaufzuschieben. Bei Neugeborenen ist die Leiste, wenn man 
sie von jüngeren Stadien her kennt, noch häufig zu finden, selbst 
beim Erwachsenen finden sich mitunter Spuren derselben (vgl. 
z. B. die von Merkel in die 3. Auflage des Henle’schen Atlas 
p- 276 neu eingefügte Figur A). | 

Die Verschiebung der Einmündungsstelle der v. cava sup. dext. 
nach vorn findet ebenso statt wie beim Kaninchen, die Venen- 
klappen folgen derselben ; die valvula venosa sinistra tritt bei dem 
Embryo von 16mm Kopfl. (vergl. Fig. 29) am linken Rande der 
Einmündung der cava sup. dext. an die Wurzel des septum II heran 
und läuft von da noch recht deutlich ausgebildet an der hinteren 
Vorhofswand herab; dort ist sie von dem Ansatz des SI an der 
hinteren Vorhofswand bei diesem menschlichen Embryo durch einen 
schmalen Blindsack, einen Rest des unteren Theiles des spatium 
interseptale, getrennt; unten endigt die valv. ven. sin. aber nicht wie 
beim Kaninchen hinter dem freien Rande der Querleiste, die sich auch 
beim Menschen zwischen Einmündung der cava inferior und dem 
Reste der cava sup. sinistra, der Herzvene, vorschiebt, sondern setzt 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 331 


sich auf die untere Wand umbiegend vor der Herzvenenmündung 
in das untere Ende des SII= Isthmus Vieussenii fort. Es hängt 
dies mit der beim Menschen unverhältnissmässig viel stärkeren 
Längsentwicklung dieser halbmondförmigen Leiste, nämlich des 
SII, zusammen. Beim Kaninchen bleibt dieselbe als enger und 
kurzer Halbmond in der vorderen oberen Ecke der Vorhofsscheide- 
wand stehen; beim Menschen ist der Bogen des Halbmondes weiter 
geschwungen, er tritt hier mit der Aufrichtung der Vorhöfe nicht 
nur überhaupt mehr an die vordere Seite, sondern sendet seine 
Enden weit aus, namentlich das untere Ende wächst an der unteren 
Vorhofswand (zwischen den Atrioventricularöffnungen) herum nach 
hinten, bis es dem unteren Ende der linken Venenklappe begegnet. 
— Beim Menschen wird demnach der Theil des Isthmus Vieussenii, 
der die fossa ovalis von unten umgrenzt, vielleicht noch mit durch 
das untere Ende der valvula venosa sinistra gebildet (vergl. 
Fig. 29 V. v. u. SID). Bei dem älteren Embryo (Kopfl. 30) 
sieht man wenigstens die betreffenden Verhältnisse folgender- 
maassen. Oben neben der Einmündung der cava sup. (dext.) ist 
an dem SII noch ein saumförmiger Rest der linken Venenklappe 
zu sehen, derselbe ist aber dem SII dicht angedrückt und scheint 
im Begriff mit demselben zu verlöthen. Weiter abwärts an der 
hinteren Wand herab bis zum linken Rande der Einmündung 
der vena cava inferior ist die valvula venosa sinistra vollkommen 
verschwunden. Vor der Einmündung der Herzvene taucht aber 
derselbe Kamm, wie bei dem jüngeren Embryo als untere Um- 
randung der fossa ovalis in Verlängerung des unteren Horns des 
S II wieder auf. 

Die Querfalte zwischen der Einmündung der cava inf. und 
der der Herzvene ist entsprechend dem viel geringeren Kaliber 
der letzteren im Vergleich zu der der cava sup. sinistra des 
Kaninchens schwächer entwickelt und wächst auch nicht bis zum 
freien Rande der valvula venosa dextra nach vorn vor, sondern 
steht hinter demselben zurück (Fig. 29 über *); doch wird auch 
hier durch die Verbindung dieser Querfalte mit der valvula 
venosa dextra die letztere in einen viel grösseren oberen Ab- 
sehnitt und einen kleineren unteren, der vor und neben der Herz- 
venenmündung gelegen ist, zerlegt. Durch Vergleich mit den 
leicht präparirbaren älteren Formen ist es nun unschwer nachzu- 


333 G. Born: 


weisen, dass der grössere obere Abschnitt der valv. ven. dextr. in 
seiner Länge verschiedenartige Schicksale hat: neben der cava 
.sup. dext. und neben dem Zwischenraum zwischen der Einmün- 
dung beider venae cavae atrophirt er allmählich, während sich 
seine untere Hälfte neben der Einmündung der vena cava inf. 
als Eustachi’sche Klappe erhält, die durch ihre Verbindung mit 
der Querfalte zwischen Einmündung der cava inf. und der Herz- 
vene am unteren Ende gegen das Vorhofsseptum abgelenkt er- 
scheint. Der untere kleinere Abschnitt der valv. ven. dext. neben 
und vor der Herzvenenmündung bildet die valvula Thebesii. 
— Die Atrophie des oberen Theils der valv. ven. dext. geht 
sehr langsam vor sich; noch bei einem Embryo von ungefähr 
5,5em Kopflänge (Gesammtlänge 201/;, em, Ende des 4. Monats) 
war derselbe sehr deutlich erhalten. An demselben Herzen war 
übrigens an der linken Seite der Einmündung der cava sup. am 
SII (Limbus) noch ein feiner Saum sichtbar, der wohl als Rest 
der angelötheten valv. ven. sin. gedeutet werden darf. 

Bei einem Embryo aus dem Ende des 7. Monats war die 
linke Venenklappe als gesonderter Theil nicht mehr erkennbar. 
Von der rechten Venenklappe war am lateralen Umfang der Ein- 
mündung der cava sup. noch eine ziemlich hohe dünne Falte 
übrig (nach Henle bleibt dieser Rand der Einmündung immer 
scharf), weiter nach hinten und unten in dem Zwischenraum der 
Einmündungen der beiden venae cavae (frühere Sinuswand) verlor 
sich die Falte in einen ganz niedrigen, feinen Saum, um neben 
der Einmündung der cava inferior sich zu bedeutender Höhe zu 
erheben. Die Rückbildung der rechten Venenklappe beginnt also 
nicht am oberen Ende, sondern in der Mitte, in dem Zwischen- 
raum zwischen den beiden grossen Venenmündungen. Die Trennung 
des unteren Theiles der rechten Venenklappe in valvula Eustachii 
und valvula Thebesii war bei diesem Foetus schon vollendet. 

Die gleich zu beschreibenden Veränderungen an der Vorhofs- 
scheidewand hängen auf’s Engste mit der weiteren Aufrichtung 
der Vorhöfe über den Ventrikeln zusammen. Man bemerkt diese 
Aufrichtung sogleich, wenn man das Herzmodell eines Kaninchens 
von 6mm Kopflänge neben das eines älteren oder das einer neu- 
geborenen Ratte hält und die Profilansichten derselben bei vertikal 
gestellter ventraler Ventrikelwand vergleicht. Sieht man ins Innere, 
so erkennt man, dass jetzt die foramina atrioventr. nicht mehr am 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 333 


unteren Rande der vorderen Vorhofswand, sondern in der unteren 
Vorhofswand selbst sitzen. Natürlich erleiden die übrigen Vor- 
hofswände entsprechende Verschiebungen. Die Ansatzlinie des 
SI rückt in Folge dessen von der unteren auf die hintere Vor- 
hofswand hinauf und die Ansatzlinie des SII zieht sich von 
der oberen auf die vordere Vorhofswand herab. Beide Septa 
wachsen dabei nicht nur erheblich in die Höhe, sondern ihre An- 
satzenden greifen weiter und ziehen aneinander vorbei. Die An- 
satzenden des SI liegen nach dem oben über die ursprüngliche 
Stellung der Septa Gesagten an der linken Seite von denen des 
SII. Besonders stark ist die Ausdehnung des unteren Endes des 
SI, das an der hinteren Vorhofswand bis zur oberen aufsteigt. 
Daher kommt es, dass der freie Rand des SI schliesslich nicht 
mehr nach oben und hinten, sondern nach oben und vorn gewendet 
ist (Fig. 29 SI). Diesem freien Rande des SI steht nun der freie 
Rand des SII, welcher jetzt nach unten und hinten sieht, gegen- 
über. Beide Ränder wachsen sich entgegen und schieben sich 
übereinander hinweg, wodurch das zwischen ihnen gelegene OII 
(Foramen ovale) eingeengt wird. Man erkennt nun mit voller 
Sicherheit, dass das dünnhäutige SI die valvula for. ov., das 
dickere und fleischigere SII den Isthmus Vieussenii darstellt. Der 
untere Rand des letzteren erhält, wie schon gesagt, eine Verlängerung, 
die sich an der rechten Seite des unteren Randes der valv. for. 
av. hinzieht, dadurch, dass sich mit ihm ein erhaltener Rest 
des unteren Endes der linken Venenklappe continuirlich verbindet. 
Ein Abschluss des Limbus Vieussenii zur Ringform (Annulus) 
wird in späteren Stadien (beim Menschen) dadurch erreicht, dass 
die dieke Wurzel der valvula foraminis ovalis an der hinteren 
Vorhofswand sich direkt an die Enden des ersteren anschliesst. 

Den mittleren Theil des freien Randes der valv. for. ov. 
fand ich bei den Modellen des Herzens älterer menschlicher 
Embryonen immer unter dem Rande des Limbus nach rechts hin 
ausgebaucht. 

Von weiteren Veränderungen der Vorhöfe sei noch Folgendes 
notirt. Dieselben wachsen mächtig nach vorn hin aus und greifen 
nach Innen umbiegend mit zugespitzten Enden allmählich über 
die vordere Seite des Bulbus, resp. der aus demselben hervor- 
gehenden beiden Arterien hinweg, bis sie sich beinahe erreichen 
(Ausbildung der Herzohren). Bei Embryonen von 6mm Kopflänge 


334 G. Born: 


beginnt, namentlich an der unteren Wand dieser Seitentheile der 
Vorhöfe, die Ausbildung der musculi pectinati; sie treten als 
‚parallele Leistehen auf, die zur Längsaxe der zugespitzten Säcke 
senkrecht stehen. Allmählich greifen die Leisten gürtelförmig um 
die Vorhofswände herum. Die weitere Ausbildung derselben zu 
verfolgen, lag ausserhalb des Interesses meiner Arbeit. 

Die Ausweitung der Atrioventrieularöffnungen bis zu der 
Grösse wie im Herzen des Erwachsenen, wo dieselben den ganzen 
Vorhofsboden einnehmen, erfolgt ziemlich spät. Noch am Modell 
des Herzens eines menschlichen Embryos aus dem Anfang des 3. 
Monats ist die Umgebung der Atrioventrieularöffnungen gegen die 
angrenzenden Vorhofswände terrassenartig erhoben. Am Anfang 
des 4. Monats erscheint mit der fortschreitenden Ausweitung der 
Atrioventrieularöffnungen diese Erhebung beinahe verschwunden. 

Etwas ausführlicher muss ich auf die Veränderungen des 
linken Vorhofs, welche mit der Ausbildung der Lungenvene zu- 
sammenhängen, eingehen. Die Lungenvene ist auch beim Menschen 
ursprünglich ein einfaches und sehr kleines Gefäss, das aus dem 
Lungengekröse direct in den linken Vorhof tritt. Die Einmün- 
dungsstelle findet sich wie beim Kaninchen dieht neben dem An- 
satz des SI da, wo SI, die hintere und die untere Wand des 
linken Vorhofs in einer abgerundeten Ecke zusammenstossen (Ve. 
p. Fig. 26). Die Einmündungsstelle hat die Form eines die Wurzel 
des SI schräg durchsetzenden Spaltes, so dass man annehmen 
kann, die Wände desselben werden bei der Contraktion des linken 
Vorhofs aufeinander gedrückt und so dem Blute der Rückfluss 
versperrt. 

Die weiteren Umbildungen bei den Nagern und beim Men- 
schen unterscheiden sich aber in sehr wesentlichen Punkten. Bei 
ersteren bleibt der Stamm der Lungenvene einfach, auch behält 
derselbe seine ursprüngliche Richtung grade von hinten nach vorn; 
nur erweitert sich die Einmündungsstelle erheblich und rückt an 
der hinteren Wand in die Höhe. Links neben derselben drängt 
das Herzende der v. e. sup. sin. (früher linkes Horn und unteres 
Querstück des Sinus) die Vorhofswand tief ein. Entsprechend dem 
bogenförmigen Verlauf des Gefässes sieht man an der Innenfläche 
der Hinterwand des linken Vorhofs einen von links und oben nach 
rechts und unten ziehenden abgerundeten Vorsprung, der die Ein- 
mündungsstelle der Lungenvene seitlich und von unten umsgiebt. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 335 


So bleiben die Verhältnisse bei den Nagern bestehen; die Ein- 
mündungsstelle der Lungenvene nimmt bei diesen demnach immer 
einen relativ kleinen Bezirk der Hinterwand des linken Vorhofs ein. 

Ganz anders beim Menschen. Der ursprünglich ebenfalls ein- 
fache, aber sehr kurze Stamm der Lungenvene wird hier sehr bald 
in den linken Vorhof einbezogen. Schon bei Embryonen von 
12 mm Kopfl. findet man die beiden quer divergirenden Aeste 
(oder Astpaare) der Lungenvene dicht neben einander am SI in 
einen Raum einmünden, der nur wenig nach hinten und oben aus 
dem Niveau der linken Vorhofswand heraustritt; dieser Raum ist 
offenbar nichts anderes, als der erweiterte, ursprünglich einfache 
Stamm der Lungenvene (Fig. 29). Während die Ränder der 
breiten Oeffnung dieses Raumes in den Vorhof rechts und oben 
glatt in die angrenzenden Vorhofswände übergehen, springen die- 
selben links und unten etwas leistenartig vor. Im der Furche, 
die an der Aussenseite des Herzens diesem leistenartigen Vor- 
sprunge entspricht, zieht das Herzende des beim Menschen früh- 
zeitig eingeengten oder zu einem Strang obliterirten linken Duct. 
Cuv. Die Leiste ist also dem breiteren und stärkeren Vorsprung, 
der bei den Nagern die Mündung der Lungenvene von links und 
unten umgiebt, gleichzusetzen. 

Dieser Raum, in den die beiden Aeste der primären Lungen- 
vene beim Menschen einmündet, erweitert sich rasch in querer 
Richtung und wird zugleich flacher; schon im Anfang des dritten 
Monats nimmt er fast den ganzen hinteren oberen Umfang des 
linken Vorhofs ein; der seine Mündung von links und unten um- 
grenzende leistenartige Rand verwischt sich allmählich. Am An- 
fang des 4. Monats sind die definitiven Verhältnisse beinahe er- 
reicht ; die Einmündungen der beiderseitigen Lungenvenen (jederseits 
ein kurzer Stamm, oder häufiger zwei Stämmchen, in dem dann 
das kurze Stammstück auch noch in den Vorhof einbezogen ist), 
finden sich an den Enden des oberen Randes des linken Vorhofs. 
Der Raum zwischen den Einmündungsstellen ist glatt in den übrigen 
Vorhofsraum eingetreten. Danach ist es unzweifelhaft, dass das 
Wandstück des linken Vorhofs, das zwischen den Einmündungs- 
stellen der beiderseitigen Lungenvenen gelegen ist, ursprünglich 
Venenwand war, die erst secundär in den Vorhof einbezogen wird, 
ganz ähnlich wie das rechte Sinushorn als Wandbestandtheil in 
den rechten Vorhof eintritt. An diesen sekundären Wandbestand- 


Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 33. 22 


336 G. Born: 


theilen der Vorhöfe fehlen links ebenso wie rechts die Museuli 
_peectinati. 

Auffällig ist, dass beim Menschen, wo der ursprünglich ein- 
fache Stamm der Lungenvene so frühzeitig und ausgiebig nach 
links hin erweitert und dann in’s Herz einbezogen wird, das Herz- 
ende der v. e. sup. sin., das die Einmündung der sich erweiternden 
Lungenvene umgiebt, ebenso frühzeitig obliterirt, während bei den 
Nagern, wo der einfache Stamm der Lungenvene sich nur mässig 
erweitert und vom Herzen gesondert bleibt, die linke v. c. sup. 
erhalten bleibt. Es stellt sich nun die Frage, ob zwischen der 
Ausweitung des Lungenvenenstammes und der Obliteration der 
v. c. sup. sin. beim Menschen ein Causalzusammenhang existirt? 
Die Teratologie giebt keinen Aufschluss. Ein einfacher Lungen- 
venenstamm scheint beim erwachsenen Menschen niemals be- 
obachtet worden zu sein. Die Erhaltung einer engeren oder 
weiteren v. c. sup. sin. trotz der gewöhnlichen Verhältnisse der 
Lungenvenen beweist nichts, denn in solchen Fällen könnte die 
obliterirende Wirkung der Ausweitung des Lungenvenenstammes 
abnormerweise durch andere Factoren ausgeglichen sein. Eine 
Uebersicht über die betreffenden Verhältnisse in der ganzen Wirbel- 
thierreihe spricht eher gegen die Annahme eines Causalzusam- 
menhanges zwischen Ausweitung des Lungenvenenstammes und 
Obliteration der v. c. sup. sin.; denn nach einer Angabe von 
Owen (The Anatomy of Vertebrates, London 1868, III, pg. 522) 
ist bei dem Dugong nur die rechte v. ec. sup. vorhanden, während 
ausdrücklich betont wird: „The pulmonary veins terminate in the 
left auriele by a common trunk an inch in length.“ Es handelt 
sich also wohl um Coincidenz zweier von einander unabhängiger 
Vorgänge. 


Definitive Ausbildung der Ventrikel und Arterien. 


Bei Kaninchen von 4,5—5,5mm Kopfl. beginnen die beiden 
Bulbuswülste zuerst dicht unter dem oberen Bulbusende mit ihren 
Flächen mit einander zu verwachsen (Fig. 25), sodass dann inner- 
halb des äusserlich noch einheitlichen Bulbus (am oberen Ende) 
die Lumina der Art. pulm. und Aorta von einander getrennt sind. 
Bei Kaninchen von etwa 5,8 mm Kopfl. wird die Trennung auch 
äusserlich sichtbar. An der linken Seite des gemeinsamen Wur- 
zelstückes der 4. und 5. Aortenbögen beginnt nach rechts hin eine 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 337 


horizontale Furche einzuschneiden. Dieselbe trifft grade zwischen 
die Abgangsstellen der linken 4. und 5. Bögen (vgl. Fig. 22). 
Nachdem die Furche etwa bis zur Mitte des Bulbusendes horizon- 
tal eingedrungen ist, biegt sie nach unten um und dreht sich zu- 
gleich so, dass ihre Fläche schräg von rechts und vorn nach links 
und hinten steht. Mit dieser Einfurchung ist das obere Ende des 
Bulbus in zwei Röhren zerlegt, von denen die eine, die nach vorn 
und links liegt (art. pulm.), nur in die 5., die andere, welche rechts 
und hinten aufsteigt (art. aorta), in die 4. und die Reste der dar- 
überliegenden Aortenbögen führt, Gemäss des horizontalen Ver- 
laufs der trennenden Furche am oberen Ende zieht der Anfangs- 
theil des linken 4. Aortenbogens über das Ende der art. pulm. 
ehe dieselbe sich in die 5. Aortenbögen theilt, hinweg. Ob vor 
dem Erscheinen der äusseren Furche sich im Inneren der ventralen 
Aortenwurzel schon eine Scheidewand gebildet hatte, vermag ich 
nicht zu entscheiden. Wie die äusserliche Trennung am Bulbus 
weiter nach unten fortsehreitet, ist leicht zu ersehen. Die trennende 
Furche stellt sich weiter abwärts beinahe rein frontal, mit ihrem 
rechten Ende nur wenig nach vorn, mit ihrem linken nur wenig 
nach hinten abweichend. 

Schwieriger ist das Verständniss der innern Trennung der beiden 
Arterienröhren und die Verbindung des Bulbusseptums mit dem Ven- 
trikelseptum, durch welche die Aortenröhre allein in den linken, die 
Pulmonalisröhre allein in den rechten Ventrikel übergeführt wird. 
Wir müssen zur Schilderung dieser Vorgänge etwas weiter ausholen. 

Bei Embryonen von 6 mm Kopfl. sind die Endocardkissen des 
ost. atr. v. mit den einander zugewandten Flächen (nach oben auch 
mit dem unteren Rande des SI) verschmolzen. Dadurch sind 
neben den verschmolzenen Endocardkissen zwei getrennte Oeffnungen, 
das rechte und linke ost. atr. v. übrig geblieben. Dieselben finden 
sich nun am obern Rande der binteren Wand der Ventrikel, erst 
später rücken sie allmählich (mit der vollendeten Aufrichtung der 
Vorhöfe) an die obere Seite der Ventrikelräume. Von der vorderen und 
unteren Wand der Ventrikel wächst an der Grenze der beiden Ven- 
trikelhälften das Ventrikelseptum nach oben und hinten aus. Zwischen 
dem freien Rande desselben und den rechten Höckern der beiden En- 
docardkissen, die auch nach der Verschmelzung noch ganz deutlich 
zu sehen sind, verbindet das ost. interventr. die beiderseitigen Ven- 
trikelräume (vergl. dazu Fig. 23 und Schemata D,E, F). Beim Vor- 


338 G. Born: 


wachsen des Ventrikelseptums bis zum Verschlusse des Interventri- 
kularostiums würde dasselbe, um es nochmals hervorzuheben, nicht 
wie das Vorhofsseptum auf die Mitte der beiden verschmolzenen 
Endocardkissen, sondern auf die rechten Seitenränder, resp. die 
dort befindlichen Höcker der letzteren treffen. Das ost. atr. v. dext. 
liegt also dicht neben der Ebene des Ventrikelseptums, das ost. atr. 
v. sin. ist um die volle Breite der miteinander verschmolzenen En- 
docardkissen von der Ebene des Ventrikelseptums entfernt. Zwischen 
der Ventrikelfläche der miteinander verschmolzenen Endoeardkissen 
und dem linken Abhang des sept. interventr. bleibt ein röhrenförmiger 
Raum, der nach rechts und etwas vor dem ost. atr. v. sin. zum ost. 
interventr. führt (Fig. 23). 

Nun kehren wir zum unteren Bulbusende zurück. Dasselbe 
öffnete sich nach unten anfänglich allein in den rechten Ventrikel- 
schenkel ; diese Oeffnung war gemäss der ursprünglichen Stellung 
des can. aur. am linken Herzrande von der Ventrikelmündung des 
letzteren weit entfernt. Wenn bei der oben ausführlich beschriebenen 
Drehung der Ventrikelschleife der can. aur. sich nach rechts ver- 
schiebt, während der rechte Ventrikelschenkel mit dem oben aus 
ihm hervorgehenden Bulbus nach links und vorn tritt, kommen 
Ventrikelmündung des can. aur. (ost. atr. v.) und Bulbusmündung 
einander näher. Nachdem das ost. atr. v. soweit nach rechts ge- 
treten ist, dass sein rechtes Ende in den rechten Ventrikel hinein- 
reieht, liegt der linke Umfang des nach links verschobenen und 
aufgerichteten Bulbus über demselben. Endlich weitet sich das un- 
tere Bulbusende noch stärker nach links und hinten aus, so dass der 
linke hintere Umfang seines Lumens nicht mehr über dem rechten 
Ventrikel liegt, resp. in denselben hinabführt, sondern in den Ab- 
schritt des linken Ventrikels ausgeht, welcher, wie ich eben be- 
schrieben habe, zwischen den verschmolzenen Endocardkissen und 
dem linken Abhang des Ventrikelseptums zum ost. interventr. führt. 

Nun erinnern wir uns daran, dass die beiden Wülste, welche 
im mittleren Theil des Bulbus an dessen Innenwand rein rechts 
und links stehend die Scheidung der vorderen Pulmonalis-Röhre 
von der hinteren Aortenröhre einleiteten, sich gegen das untere 
Bulbusende hin verschieben (vergl. Fig. 32), und zwar tritt der 
linke Wulst weiter nach vorn, der rechte weiter nach hinten, es 
rückt demgemäss die Pulmonalis-Röhre nach rechts, die Aorten- 
Röhre nach links. Die Aortenröhre nimmt also an ihrem unteren 


a 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 339 


Ausgang grade den linken hinteren Umfang des Bulbus ein, aus 
dem es durch den Rest des ost. interventr. in jene röhrenförmige 
Verlängerung des linken Ventrikels zwischen den verschmolzenen En- 
docardkissen und dem linken Abhang des sept. interventr. herabgeht. 

Nun ist nur noch der Anschluss der Septa aneinander und 
der damit bewirkte Endabschluss der Gefäss- und Ventrikelräume 
zu beschreiben. Der linke vordere Bulbuswulst läuft bei Kanin- 
chen von etwa 7—7,5mm Kopflänge auf den freien vorderen Rand 
der sept. interventr. herab, der rechte hintere Bulbuswulst zieht 
am rechten Rande des ost. atr. v. dext. nach abwärts. Bei wenig 
älteren Embryonen (noch unter 8mm Kopflänge) steigt das Ven- 
trikelseptum weiter aufwärts und. verbindet sich dabei vorn mit 
dem Ende des linken vorderen Bulbuswulstes ; hinten allmählich 
mit dem ganzen rechten Rande der verschmolzenen Endocardkissen, 
zuletzt mit dem rechten Höcker des oberen Endocardkissens 
(vergl. Fig. 23). Das verengerte ost. interventr. liegt dann nicht 
mehr zwischen den Atrioventricularöffnungen, sondern über dem 
Niveau derselben (Schema F). Nun legen sieh die beiden Bulbus- 
wülste aneinander und verschmelzen, so dass auch im unteren 
Bulbusende Aorta und Pulmonalis definitiv getrennt werden und 
schliesslich verschmilzt der untere Rand des so gebildeten Bulbus- 
septums mit dem noch freien Rande des sept. interventr., so dass 
also der Rest des ost. interventr. in den Ursprung der Aorta ein- 
bezogen wird. Das untere Ende des rechten hinteren Bulbus- 
wulstes, welches nicht mit dem linken vorderen verschmilzt, sondern 
am rechten Rande des ost. atr. ventr. dextr. herabzieht, wird, wie 
wir sehen werden, zu andern Zwecken verwendet. Der conus 
arteriosus der Aorta, wenn man von einem solchen sprechen darf, 
entsteht aus jenem triehterförmigen Raum, der vom linken Abhang 
des sept. interventr. und den verschmolzenen Endocardkissen umgrenzt 
zum ost. interventr. hinaufführte; er liegt seiner Entstehung nach 
eingeschoben zwischen ost atr. v. dext. et. sin. Die entscheidenden 
Momente des ganzen Vorgangs sind also folgende: die Bulbus- 
mündung und das ost. atrioventr. rücken einander näher, das Ventri- 
kelseptum wächst von unten über den rechten Rand der miteinander 
verschmolzenen Endothelkissen nach oben hinweg, der Bulbus 
theilt sich durch Bildung der Längswülste in eine vordere rechte 
und hintere linke Röhre; zugleich weitet er sieh nach hinten und 
links aus, so dass die Aortenröhre abwärts zum ost. interventr. 


340 G. Born: 


führt, dann verbinden sich die Bulbuswülste zu einem Bulbus- 
septum, dessen unterer Rand mit dem restirenden kurzen freien 
Rande des Ventrikelseptums verschmilzt. Anfänglich verläuft der 
conus arteriosus der Aorta ziemlich schräg nach hinten und rechts 
und geht erst weiter oben in die rein aufsteigende Richtung über. 
Später nimmt auch der Conus eine mehr grade aufstrebende Rich- 
tung an. 

Die Scheidung der Arterien und Ventrikel ist bei Embryonen 
von ungefähr Smm Kopflänge vollendet. 

Die Enstehung der Atrioventricularklappen findet nach meinen 
Beobachtungen wesentlich in der Weise statt, wie es Bernays!) 
angiebt. Die Ventrikel dehnen .sich aus, aber nicht gleichmässig, 
sondern gleichzeitig mit der excentrischen Ausdehnung der Wand 
wachsen von der Innenfläche derselben die Trabekeln nach innen 
vor. Die Ventrikelwand wird gewissermaassen von dem sich aus- 
dehnenden Lumen unterwühlt. Um die Ränder der Atrioventrieular- 
öffnungen herum bleibt bei der Ausdehnung des Lumens eine diese 
Oeffnungen ringförmig umgebende, ununterbrochene Schicht stehen ; 
dieselbe wird nur an ihrer Aussenfläche durch vordringende Spalten 
unterminirt; sie hängt daher als eine mehr oder minder zusammen- 
hängende Platte von den Rändern der Atrioventrieularöffnung 
herab. Am untern Rande der Platte finden wieder zahlreiche 
Durchbrüche in die nach aussen von der Platte gelegenen Spal- 
ten statt; die zwischen den Durchbrüchen ausgesparten Balken 
bleiben als musculi papillares stehen. Das Material, aus dem die 
von den Atrioventrieularöffnungen ringsherum herabhängenden 
Platten, die Anlagen der Atrioventrieularklappen, bestehen, ist 
freilich an den verschiedenen Stellen ein verschiedenes. An den 
seitlichen Ränden der Atrioventricularöffnungen mag es theilweise 
die früher in die Ventrikelwand eingezogene Wand des can. 
aur. sein, welehe das Material für die äusseren Klappen liefert; 
doch findet der Vorgang auch hier nicht in dem Sinne von 
His statt; der can. aur. wird nicht in den Ventrikelraum einge- 
stülpt, so dass sich mit seinen freien unteren Rändern die museuli 
papillares erst nachträglich verbinden müssten. An den Innen- 
rändern der Atrioventrieularöffnungen verhält sich die Sache etwas 
anders. Der rechte Rand der linken Atrioventrieularöffnung wird 


1) Morpholog. Jahrbuch II, pag. 478. Entwicklungsgeschichte der Atrio- 
ventricularklappen von Dr. A. 0. Bernays (mit Tafel 32 u. 33). 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 341 


vom linken Rande der verschmolzenen Endocardkissen begrenzt; 
oben und unten (resp. später vorn und hinten), wo die Endocard- 
kissen in die Ventrikelwände übergehen, werden durch Unter- 
wühlung der Ventrikelwand die an den Enden des inneren (vor- 
. deren) Klappsegels der Mitralis befestigten musculi papillares frei; 
das Klappsegel selber entsteht aber wesentlich aus der Substanz 
des linken Randes der verschmolzenen Endocardkissen, d. i. aus 
den beiden linken Höckern mit der dieselben verbindenden Zwischen- 
schicht. Dieses Klappsegel ist also von vornherein bindegewebiger 
Natur und hängt als eine Art Scheidewand zwischen dem ost. atr. 
v. sin. und dem con. arter: der Aorta herab. Aehnlich verhält es 
sich mit den Klappsegeln am linken Rande der rechten Atrioven- 
trieularöffnung, dieser Rand war durch Vereinigung der rechten 
Höcker der verschmolzenen Endocardkissen mit dem Ventricular- 
septum entstanden (vergl. Fig. 23); derselbe wird von unten her 
unterwühlt und liefert so das Material für die innere Klappe der 
Trieuspidalis. Auch dieses Klappsegel ist also seiner ersten Anlage 
nach bindegewebigen Ursprungs; am oberen Rande seines Ansatzes 
findet die letzte Vereinigung des Bulbusseptums mit dem freien 
Rande des Ventrikelseptums statt. Hier bleibt dann, entsprechend 
dieser letzten Vereinigungsstelle, verdeckt von dem später gebil- 
deten Klappsegel, die bekannte häutige Stelle in der Ventrikel- 
scheidewand zurück. Die Annahme einer bindegewebigen Um- 
wandlung der ursprünglich aus der Muskelwand abgesonderten 
äusseren Klappsegel bietet aber, soviel ich sehen kann, auch keine 
besonderen Schwierigkeiten. Für die Bildung des vorderen äusseren 
Klappsegels der Trieuspidalis liefert übrigens auch das untere 
Ende des hinteren rechten Bulbuswulstes, welches an der vorderen 
Hälfte des rechten Randes der rechten Atrioventrieularöffnung 
herabzog, Material (vergl. Fig. 23). Zu verfolgen, wie die Atrio- 
ventriceularöffnungen, welche ursprünglich der geschilderten Ent- 
stehung gemäss schmale Längsspalten am oberen Ende der Hinter- 
wand der Ventrikelwand darstellten, sich ausweiten und ihre defi- 
nitive Form und Lagerung gewinnen, lag ausserhalb des Interesses 
meiner Arbeit. 

Auch die Bildung der Arterienklappen will ich nur ganz im 
Allgemeinen schildern, weil ich nichts von dem Bekannten be- 
sonders Abweichendes vorzubringen habe. Bei der Trennung der 
Aorta von der art. pulm. verschmelzen die Bulbuswülste nicht in 


342 G. Born: 


ihrer ganzen Ausdehnung, sondern nur mit ihren freilich breiten 
Firstflächen. Die Abhänge der Erhebungen bleiben frei und 
springen in das Lumen der Aorta und art. pulm. als je 2 kleinere 
 Wülste vor, diese Wülste erhalten sich im Anfangstheil der beiden 
Arterien, während sie weiter distalwärts verstreichen. Zu ihnen 
gesellt sich dann im Anfangstheil der Arterien je ein dritter Wulst, 
der von der hinteren Wand der Aorta noch vorn und der vorderen 
Wand der art. pulm. nach hinten vorragt. Die 3 Wülste legen sich 
in jedem der beiden Gefässe so aneinander, dass das Lumen zwischen 
ihnen zu einer dreizackigen Spalte eingeengt wird. Dann wird 
allmählich die distale Seite der Wülste ausgehöhlt und jeder der 
Wülste wandelt sich so in eine erst diekwandige, später dünn- 
wandige Tasche um. 

Die Ventrikel, welche noch bei Embryonen von Smm Kopf- 
länge einen rundlichen Umriss zeigen, spitzen sich allmählich durch 
vorwiegende Ausdehnung im Höhendurchmesser zu. Die Betrach- 
tung der Modelle ergiebt, dass dabei zugleich der längste Durch- 
messer der Ventrikel seine Lage ändert. Dies drückt sich im 
Folgenden aus. Der linke Ventrikel zeigte vorher eine ziemlich 
breite, abgerundete, obere Fläche; der längste Durchmesser des- 
selben ging von dem Scheitel dieser Fläche zu dem abgerundeten 
unteren Ende; dieser Durchmesser zog oben weit vor dem ost. 
atr. v. vorbei, späterhin schwindet diese obere Kuppel fast 
ganz, indem dieselbe theils in den sich ausdehnenden Aorten- 
konus übergeht, theils zur vorderen Ventrikelfläche geschlagen 
wird. Die längste Axe des linken Ventrikels beginnt dann oben dicht 
vor dem ost. atr. v., welches an die obere Ventrikelfläche gerückt 
erscheint, und zieht nach unten zu dem spitz ausgezogenen Ven- 
trikelende. In Bezug auf die Lagerung der beiden Ventrikel zu 
einander in späteren Stadien, habe ich dem Bekannten nichts 
Wesentliches zuzufügen. 


Ueber die jüngeren menschlichen Embryonen, welche ich 
mikrotomirt und von denen ich die wichtigeren Stadien auch mo- 
dellirt habe, sei hier noch Folgendes bemerkt. Die Entwicklung 
des Herzens stimmt in allen wesentlichen Punkten mit der beim 
Kaninchen überein, einzelne wichtigere Abweichungen habe ich 
oben eingeflochten. Es war mir recht auffällig, dass trotz der 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 343 


Verschiedenheit der Körpergrösse des ausgewachsenen Menschen 
und des Kaninchens in den jüngeren Stadien die Kopflänge bei 
gleicher Entwicklung des Herzens ziemlich genau übereinstimmt. 
In Bezug auf die allgemeine Entwickelungshöhe gilt diese Ueber- 
einstimmung für Nr. 7—10 meiner oben angeführten Modell-Tabelie 
(p. 289—290) vom Kaninchen; die Kopfmaasse dieser Kaninchen 
gleichen annähernd denen der menschlichen Embryonen auf der 
His’schen Normentafel, mit denen ich sie oben als etwa gleich 
entwickelt bezeichnet habe. Die jüngeren Kaninchen zeigen eine 
etwas grössere Kopflänge als die ihnen entsprechenden mensch- 
liehen Embryonen, bei den älteren wird die Vergleichung der all- 
gemeinen Entwicklung sowohl wie der Körpermaasse unmöglich. 
— Der jüngste menschliche Embryo, der mir zur Verfügung stand, 
hatte eine Kopflänge von 1,7 mm (etwas grösser als His’ Normen- 
tafel Nr. 7): SI in der Bildung begriffen, eanalis auricularis ober- 
flächlich am linken Herzrande, der Sinus öffnet sich mit seinem 
rechten Horn in den rechten Vorhof, steht aber noch unter dem 
Vorhofssack und ist breit mit der Leber verwachsen; das Herz 
entspricht etwa dem vom Kaninchen von2 mm Kopflänge. — Dann 
folgt ein Embryo von 2,9 mm Kopfl. (etwas grösser als His Nr. 9); 
SI vollkommen ausgebildet, aber undurchbrochen; s. sp. und valv. 
venosae vorhanden, ebenso die Endocardkissen. Das Herz entspricht 
ziemlich genau dem vom Kaninchen von gleicher Kopflänge. — 
Bei menschlichen Embryonen von 3,83—5,3mm Kopflänge (His 
Nr. 10—13) fand ich SI durchbrochen; bei solchen von 5mm 
Kopflänge (His Nr. 12) ist OI und OII etwa gleich gross (Fig. 27). 

Bei einem menschlichen Embryo von 6 mm Kopfl. (His Nr. 16 
und 17) war OI verschwunden, der untere Rand von SI ist mit 
den Endocardkissen verschmolzen, S II eben aufgetreten. OI und 
OlI sind also bei den Nr. 10—14 der His’schen Normentafel 
gleichzeitig vorhanden; bei diesen hat SI die Form eines mit zwei 
freien Rändern durch den Vorhof hindurchgespannten Bandes. — 
Die Obliteration der v. cava sup. sinistra tritt mit grossen indi- 
viduellen Variationen ein. Bei einem Embryo von 6 mm Kopfl. 
fand ich dieselbe noch durchgängig, während sie in anderen Fällen 
schon in jüngeren Stadien verschlossen erschien. 


344 G. Born: 


„i 


111. Zusammenfassung der Resultate und Vergleich derselben 
mit den Angaben anderer Autoren. 


In dem jüngsten Stadium, von dem die Beschreibung aus- 
ging, lag der undeutlich in zwei Hälften geschiedene Vorhofsack 
durchaus hinter der Ventrikelschleife. Aus dem oberen Ende der 
linken Vorhofshälfte führte ein nur durch die verschiedene Rich- 
tung abgegrenzter Uebergangstheil am Herzrande in das obere 
Ende des linken Ventrikelschenkels, während der rechte Ven- 
trikelschenkel sich nach oben in den Bulbus verlängerte, der 
dann rechtwinklig nach hinten und links abgebogen über den 
Vorhof hinweg zum Darm verlief. Fast der ganze Boden des 
Vorhofsackes öffnete sich in den darunter gelegenen Sinus, der an 
seinen erweiterten Enden jederseits die vena umb. und v. omphalomes. 
sowie den Ductus Cuvieri aufnahm. — Nachdem sich der Sinus 
soweit vom Vorhof abgeschnürt hat, dass er nur noch an seinem 
rechten Ende mit der entsprechenden Vorhofshälfte communieirt, 
verschiebt sich der inzwischen als canalis auricularis abgesetzte 
Uebergangstheil gegen die Herzmitte; die Ostien desselben werden 
so allmählich beiden Herzhälften zugänglich. 

Inzwischen verändern die Vorhöfe ihre Lage zu den Ventrikeln 
so, dass sie sich über dieselben erheben, sie werden, wie ich mich 
ausdrückte, wenn man die Ventrikel feststehend denkt, gegen die- 
selben nach hinten und oben umgeklappt, wobei sich gleichzeitig 
das Bulbus-Ende aufrichtet. Damit rückt der Sinus an die hintere 
Vorhofsseite, an der Einmündung seines rechten Horns in den 
rechten Vorhofstheil bilden sich die valvula venosa dextra et si- 
nistra aus mit ihrer unpaaren oberen Fortsetzung, dem Septum 
spurium. Zwischen beiden Vorhofshälften steigt von hinten und 
oben das SI herab; während dasselbe weiter herabwächst, bildet 
sich in seinem Ansatze das OII = foramen ovale. Während sich 
diese Oeffnung vergrössert, verkleinert sich die ursprüngliche 
Communikationsöffnung (O I) zwischen beiden Vorhofshälften durch 
weitere Herabsenkung des SI, bis dieses endlich mit den im ca- 
nalis auricularis gebildeten Endocardkissen verschmilzt. Indem 
nun die letzteren auch mit den einander zugewendeten Flächen 
verwachsen, bleiben an ihren Seiten die beiden Atrioventrieular- 
öffnungen als Communikation zwischen den Vorhöfen and Ventrikeln 
jeder Seite übrig. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 345 


Von der oberen Vorhofswand aus bildet sich eine zweite, halb- 
mondförmig das O II umgrenzende Leiste, das S II, dessen Enden 
rechts von denen des SI auslaufen. Nach der vollkommenen 
Aufriehtung der Vorhöfe über den Ventrikeln und dem weiteren 
Auswachsen der Klappen nehmen SI= valvula foraminis ovalis 
und SIT =limbus Vieussenii ihre definitive Stellung zu einander 
ein. Währenddem hat sich für die unteren Venen beider Seiten 
ein gemeinsamer Endstamm, die vena cava inferior, ausgebildet, 
der in das untere Ende des rechten Sinushornes führt. Das rechte 
Sinushorn wird dann in den rechten Vorhofaufgenommen; das spatium 
interseptale, welches zwischen der Sinusmündung mit ihren Klappen 
und der Vorhofsscheidewand lag, verschwindet. Das linke Sinus- 
horn und das Querstück des Sinus wird zum Herzende der vena 
cava superior sinistra (beim Menschen Querstück = sinus corona- 
rius); damit münden dann alle drei Körpervenen in den rechten 
Vorhof neben dem Septum direct ein. Beim Kaninchen schwinden 
die Venenklappen bis auf unbedeutende Spuren; beim Menschen 
differenzirt sich der untere Theil der rechten in die valvula Eu- 
stachii und Thebesii. 

Die Lungenvene führt vornherein in den linken Vorhof dicht 
am Septum; sie ist auch beim Menschen ursprünglich ein einfacher 
Stamm; während sie aber beim Kaninchen einfach bleibt, wird 
beim Menschen der Stamm unter kolossaler Erweiterung in der 
Querrichtung in den Vorhof aufgenommen, so dass dann die Aeste 
desselben direct in die entgegengesetzten Enden des Vorhofes ein- 
münden. — Die beiden Ventrikelschenkel verschmelzen an den einan- 
der zugewandten Seiten mit einander und die Interventrikularöffnung 
erweitert sich dementsprechend nach oben; in dieselbe tritt durch 
die Näherung des canalis auricularis an die Herzmitte (Verschie- 
bung des rechten Ventrikelschenkels nach vorn und links) der 
rechte Umfang der Kammermündung des canalis aurieularis ein. 
Die Interventrikularöffnung wird durch das von unten und vorn 
nach hinten und oben auswachsende Interventrikularseptum ein- 
geengt. 

Schliesslich wächst das letztere an den rechten Höckern der 
inzwischen verschmolzenen Endocardkissen vorbei und trennt so 
die Ventrikel bis auf eine kleine, über den Atrioventrieularostien 
gelegene Oeffnung von einander. 

Die rechte Atrioventrieularöffnung liegt dicht am Ventrikel- 


346 G. Born: 


septum, die linke ist um die volle Breite der verschmolzenen Endo- 
cardkissen von demselben entfernt. Der röhrenförmige Raum zwischen 
dem letzteren und dem linken Abhange des Ventrikelseptums 
‘ wird dadurch zum Zugang zur Aorta, dass sich das durch Ver- 
schmelzung der Bulbuswülste gebildete Bulbusseptum unten mit 
dem restirenden freien Rande des Ventrikelseptums verbindet; 
wodurch die im hinteren linken Umfang des Bulbus abgeschnürte 
Aorta in den linken Ventrikel übergeleitet wird. Der Rest der 
Interventrieularöffnung wird also in das Aortenlumen aufgenommen. 
Nachdem der canalis auricularis in die Ventrikelwand einbezogen 
ist, werden die Segelklappen der Atrioventrieularöffnungen dureh 
Unterminirung bei Bildung der trabeeulae carneae frei; das Material 
für dieselben wird grösstentheils durch bindegewebige Anlagen 
(die Endocardkissen und Bulbuswälste) geliefert. 


Die Litteratur über unser Thema hat erst in allerletzter Zeit 
durch His (7 ID und Roese (12) eine eingehende Darstellung 
und Würdigung erfahren, ich darf mich daher damit begnügen, 
diejenigen Angaben aus neueren Arbeiten, welehe mit meinen Unter- 
suchungen im Einklang oder Widerstreit stehen, einer Besprechung 
zu unterziehen. 

Eingangs wurde schon erwähnt, dass der Widerspruch, in 
dem der Befund über die Entwickelung des Vorhofsseptums mit 
der ausführlichen Darstellung von His (Lit. 7. III) stand, mich zur 
Bearbeitung des Themas bewogen hat. Ich habe mich, soweit dies 
möglich war, der Nomenclatur von His angeschlossen, eine An- 
zahl Bezeichnungen musste ich aber fallen lassen oder umändern. 
His geht von der ursprünglichen Schleifenform des ganzen Herzens 
aus und nennt den linken Schenkel der Herzschleife conus venosus, 
den rechten conus arteriosus. In dem Stadium, mit dem ich be- 
gonnen habe, ist aber der Vorhofsack vom übrigen (ventralen) Theil 
der Herzschleife abgebogen und durch Bau und Lagerungverhält- 
nisse als besonderer Abschnitt charakterisirt, während der ventrale 
Abschnitt des linken Schenkels der Herzschleife gleiche Bauverhält- 
nisse wie der ventrale Theil des rechten Schenkels zeigt und mit die- 
sem zusammen als Ventrikelabschnitt imponirt; ich habe daher 
die Bezeichnungen conus venosus und conus arteriosus, von denen 
der letztere ausserdem noch mit Bezeichnungen am ausgebildeten 
Herzen collidirt, vermieden und das Herz sogleich in die bekannten 
Abtheilungen sinus venosus — Vorhofssack — Uebergangsstück = 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 347 


späteren canalis aurieularis — Ventrikelschleife und Bulbus ge- 
schieden. 

Eine weitere Schwierigkeit bei dem Vergleich der Darstel- 
lungen von His und der meinigen beruht darin, dass ich den Herzen 
der verschiedenen Stadien eine annähernd gleichartige und einfache 
Stellung gegeben habe, die verständliche und vergleichbare Orts- 
bezeichnungen und eine sichere Beurtheilung der Lageverschiebungen 
der einzelnen Herztheile gegeneinander erlaubt. Ich habe von spä- 
teren Stadien aysgehend die ventrale Fläche der Ventrikelschleife 
senkrecht gestellt, was übrigens auch von His bei Aufstellung seiner 
Modelle geschehen ist; nun weiss ich sehr wohl, dass bei jün- 
geren Embryonen diese Herzfläche nicht ventral, sondern mehr 
kopfwärts sieht; hat man aber eine Reihe von Modellen dicht auf- 
einanderfolgender Stadien vor sich, so ist die betreffende Fläche 
auch an den jüngeren Stadien leicht aufzufinden und darnach das 
ganze Gebilde einzustellen. Bei His wechselt die Einstellung der 
Abbildungen in den jüngeren Stadien mitunter ; z. B. sind Fig. 83 
und 84 (pag. 132) genau so eingestellt wie meine Modelle; Fig. 
85, 86 und 87, 88 (pag. 133) dagegen sind fast ganz von oben ge- 
sehen gezeichnet, ohne dass dieses Unterschiedes, so viel ich sehe, 
Erwähnung geschieht. 

Es ist unmöglich, alle kleinen Unterschiede in unseren Dar- 
stellungen hier zu besprechen, es würde dies ebensoviel Raum er- 
fordern, als die Schilderung meiner thatsächlichen Befunde; nur 
die Hauptdifferenzpunkte sollen hervorgehoben werden. Die Ver- 
schiebung des Uebergangsstückes zwischen Vorhofsack und Ven- 
trikelschleife (eanalis aurieularis) vom linken Herzrande nach der 
Herzmitte hin, wodurch der Canal, welcher ursprünglich nur der 
linken Herzhälfte angehört, den Herzhälften beider Seiten zugäng- 
lich wird, ist bei His nur sehr cursorisch behandelt (p. 132 
unten und p. 133) und in einer mit meiner Darstellung nicht ganz 
übereinstimmenden Weise; ebenso die Lageverschiebung des Vor- 
hofsackes mit dem Sinus zum Ventrikel, durch welche derselbe 
sich allmählich über den Ventrikeln aufrichtet. 

Ganz abweichend finde ich die Bildung der Scheidewände in 
den Vorhöfen. Die hier zu Tage tretenden Divergenzen hängen 
mit der eigenthümlichen Auffassung, welche His in Bezug auf 
die Abschnürung des Sinus von der Zwerchfellanlage vertritt, eng 
zusammen. Ich kann nicht zugeben, dass der Sinus auch in den 


348 G. Born: 


jüngsten Stadien ganz in die Zwerchfellanlage eingesenkt und von 
dieser glatt überzogen ist, vielmehr finde ich denselben immer nur 
- mit seiner unteren Fläche mit der Zwerchfellanlage (septum trans- 
versum) verwachsen. Ich sehe darum auch die Nothwendigkeit 
nicht ein, dem Sinus, wenn er sich, wie oben ausführlich be- 
schrieben, allmählich von der Zwerchfellanlage abschnürt, einen 
neuen Namen als saccus reuniens zu geben, ich habe den sinus 
venosus, welcher bei den Säugern nur embryonal selbständig er- 
scheint und später gewissermaassen in rechten Vorhof und linke 
cava sup. (Herzvene) aufgetheilt wird, die gleiche Bezeichnung 
wie bei den Sauropsiden, wo derselbe theilweise dauernd vom 
Vorhof getrennt bleibt, gelassen. His bezeichnet als porta vesti- 
buli das Feld, in welchem der Vorhof nach hinten und unten an die 
Zwerchfellanlage und an den Sinus angewachsen ist; nach oben 
verlängert sich dasselbe in den ausgeweiteten Gekröstheil des 
Vorhofes (Lungengekröse), durch den rechten Abschnitt dieses 
Feldes mündet der Sinus nach His eine Zeitlang mit zwei, später 
mit einer Oeffnung in den Vorhof, der übrige linke Herztheil des 
Porta-Feldes ist bindegewebiger Natur und wendet eine freie 
Fläche dem Vorhof zu, die später eine besondere Ausbildung er- 
langt. His ist also der Meinung, dass die Einengung der ursprüng- 
lich weiteren Sinusmündung in den Vorhof, die er übrigens nicht 
besonders bespricht, nicht durch Einfaltung der Muskelwand, 
sondern durch Bindegewebe geschieht. Ich muss dies durchaus 
bestreiten. Die Bindegewebsmassen, welche His im Sinne hat 
(vergl. seine Fig. 94), kenne ich wohl; dieselben werden durch 
das Lungengekröse des Vorhofs gebildet, das sich nach unten auf 
die hintere Wand des Sinus verlängert und dort in der That mit 
der Zwerchfellverbindung des Sinus zusammenhängt; dieses Binde- 
gewebe ist aber durch eine deutliche Muskelplatte von dem Vor- 
hofslumen geschieden; die Sinusmündung ist ein einfacher Schlitz 
in der Muskelwand des Vorhofes.. Wenn die Schnittrichtung un- 
günstig ist, d. h. wenn sie in die Fläche der betreffenden Muskel- 
platte fällt, ist dieselbe freilich etwas schwierig erkennbar. Nach 
His schlägt dann dieses bindegewebige Feld in der hinteren Vor- 
hofswand (links neben der Sinusmündung) eine selbständige Ent- 
wicklung ein, er bezeichnet dasselbe als area interposita. Diese soll 
kielartig frei in’s Vorhofslumen nach vorn hineinwachsen (spina 
vetibuli) und sich dann zuerst mit der hinteren (nach meiner 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 349 


Darstellung unteren) und weiterhin auch mit der vorderen (oberen) 
Atrioventrieularlippe verbinden, so dass ein spritzenstempelförmiger 
Körper (septum intermedium) entsteht, dessen Stiel durch die spina 
vestibuli, dessen Stempel durch die Atrioventrikularlippen gebildet 
wird. Die Bindegewebsmasse, die His als Verlängerung seiner 
area interposita auffasst, ist weiter nichts als die endocardiale Ver- 
diekung, die sich von dem unteren Atrioventricularkissen aus in der 
hinteren Vorhofswand in die Höhe erstreckt und welche an ihrem 
oberen Ende an der hinteren Vorhofswand mit der Endocardverdickung 
des unteren Hornes des SI in Verbindung tritt. Dieselbe ist nach 
der Schnittrichtung von Fig. 103 von His (p. 54) ihrer Länge 
nach angeschnitten und erstreckt sich demnach vom unteren En- 
docardkissen bis zur hinteren Vorhofswand, hier fehlt aber in der 
Figur die Muskelplatte, welche dieselbe von dem Bindegewebe 
des hinter der Muskelplatte liegenden Lungengekröses trennt. 
Eine selbständige bindegewebige Hervorragung, wie sie z. B. in 
Nr. S der Modellserie von His dargestellt ist, links neben dem 
unteren Ende der Sinusmündung, kann ich niemals finden. Später 
soll sich dann das vordere Ende des septum intermedium an die 
vordere Vorhofswand heranschieben (p. 168) und mit ihr verwachsen. 
„Hier begegnet es dem vorderen Ende des septum superius“ (SI 
Born), „und indem beide sich verbinden, entsteht die vordere 
Scheidewandsichel, aus welcher späterhin der limbus foraminis 
ovalis hervorgeht.“ — Dies Alles kann ich nicht als richtig aner- 
kennen. Das septum superius, das meinem SI entspricht, wächst 
herab und verbindet sich, wie oben ausführlich beschrieben, mit 
den Endoeardkissen; die primäre Communicationsöffnung zwischen 
den beiden Vorköfen (OI) verschwindet also und wird nicht, wie 
es nach His und aller seiner Vorgänger Auffassung sein müsste, 
zum foramen ovale. Inzwischen hat sich im Ansatz des SI an 
der hinteren oberen Vorhofswand eine neue Oeffnung (O II) gebildet 
und diese stellt sich ausweitend das foramen ovale dar. Das 
septum superius (SI) hat mit dem Limbus nichts zu thun, sondern 
wird zur valvula foraminis ovalis. Der Limbus entsteht aus einer 
neugebildeten Falte, die in späteren Stadien von His offenbar mit 
mit dem SI verwechselt worden ist, dem SI. Am unteren Rande 
fügt sich dem SII zur Bildung des Limbus beim Menschen noch 
ein Rest des unteren Endes der valvula venosa sinistra an. Welche 
speciellen Wachsthums- und Verschiebungsprocesse dabei mit- 


350 G. Born: 


spielen, kann ich hier nicht wiederholen und verweise deswegen 
auf meine ausführliche Darstellung. Die valvula venosa sinistra 
-hat nichts mit dem Schlusse des foramen ovale zu thun, ge- 
schweige dass sie wie die Autoren wollen, die valvula fora- 
minis lieferte ; grösstentheils atrophirt dieselbe späterhin. Die 
valvula foraminis ovalis wird auch nicht, wie es das Schema von 
His (Fig. 113, p. 168) will, nach links unter dem Limbus hin 
ausgebaucht, sondern liegt von Anfang an links von der halb- 
mondförmigen Leiste des Limbus. Die Einmündung der vena pul- 
monalis liegt ihrerseits wiederum links von dem Ansatz der valvula 
foraminis ovalis. Eine Verlagerung der Einmündungsstelle der 
linken cava sup. (linkes Horn und Querstück des Sinus, letzteres 
— vena magna cordis) findet nicht statt. Aus dem unteren Theile 
der valvula venosa dextra entsteht die valvula Eustachii und 
valvula Thebesii; die Trennung derselben geschieht dadurch, dass 
eine Leiste von der hinteren Sinuswand her zwischen den Ein- 
mündungen der unteren Hohlvene und der cava sup. sin. nach 
vorn vorwächst, mit welcher sich der obere, grössere Abschnitt des 
erhaltenen unteren Endes der valv. ven. dext. zur Bildung der 
Eustachischen Klappe verbindet, die dadurch unten gegen das 
Vorhofsseptum abgelenkt erscheint. 

Die entscheidenden Stadien, in denen das Vorhofsseptum (SD) 
als Band mit zwei freien Rändern zwischen der hinteren unteren 
und vorderen oberen Vorhofswand ausgespannt erscheint, bei denen 
also sowohl OI, zwischen dem unteren Rand des SI und den 
Endocardkissen, als auch Oll, zwischen dem oberen Rand des SI 
und der hinteren oberen Vorhofswand, zu sehen ist, sind meiner 
Erfahrung nach bei den Embryonen Nr. 10—13 (vielleicht auch 14) 
der His’schen Normentafel zu suchen (Länge der Embryonen 
nach His 9,1 bis 10,5 (vielleicht auch 11) Kopflänge 3,5—5,3 mm). 
Nach der Tabelle der mikrotomirten Embryonen sind von solchen 
von His untersucht worden Bge. 1 (Länge 9); Pr. (10); Br. 1 (11); 
Rg. (11,5). Von diesen liegen Reconstruktionen vor: von Pr. Fig. 
100 und 102 (p. 152 und 153). In Fig. 102 ist aber keine Spur 
einer Oeffnung in SI zu sehen, ebensowenig am Modell Nr. 9, das 
dasselbe Objekt und dieselbe Ansicht wie Fig. 101 wiedergiebt; 
— hier muss wohl die Oeffnung übersehen worden sein; das Bild 
entspricht sonst meiner Fig. 24. Die zugehörigen Schnitte (Fig. 
99 und 100) gehen vielleicht beide unter dem in diesem Stadium 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 351 


noch sehr kleinen und hoch gelegenen O II hinweg. Bei Embryo 
%, welcher merkwürdigerweise nach der Tabelle (p. 9) kleiner 
ist als Pr. (Länge von 3 8,5, von Pr. 10 mm) ist die Entwicklung 
des Vorhofseptums schon viel weiter vorgeschritten, als bei diesem. 
Hier war offenbar nach Fig. 106 und den Modellen Nr. 11 und 12 
das SI beinahe vollständig mit dem Endocardkissen verwachsen, 
eine kleine unbenannte Oeffnung unter VE im Modell 12 ist 
vielleicht als Rest von OI zu deuten; wenn ich mich recht erinnere, 
machte Herr Prof. His mich auf diese Möglichkeit bei Gelegen- 
heit der Discussion meines Vortrages in Würzburg aufmerksam. 
Die Klappe, welche die Bezeichnung S. int. (Modell 12) trägt, ist 
als herabgewachsenes SI zu deuten; am oberen hinteren Ende 
geht dieselbe aber fälschlich in die linke Sinusklappe (valvula 
ven. sin.) über (vergl. Modell 11). Die Oeffnung zwischen S. int. 
und 8. s. ist das OII = foramen ovale; die dasselbe begrenzenden 
Klappen stehen aber falsch zu einander; denn S. s. muss rechts 
und nicht links von S. int. auslaufen. — Für eine gewisse Un- 
sicherheit bei der Orientirung des Herzens geben übrigens die 
beiden Modelle 11 und 12 ein Beispiel. In beiden Modellen stehen 
die hinteren Flächen des Sinus und des Ventrikels beinahe 
parallel, dieselben sind nur in Modell 12 ein wenig mit dem 
oberen Ende nach hinten geneigt. Im Herzinneren aber sieht bei 
Modell 12 die freie Ventrikelfläche der verschmolzenen Endocard- 
kissen fast ganz nach vorn, bei 11 aber gerade nach unten; nun 
drehe man sich Modell 12 so, dass bei ihm die freie Ventrikel- 
fläche der verschmolzenen Endocardkissen ebenfalls gerade nach 
unten sieht; dann verläuft die hintere Sinusfläche (mit dem linken 
Horn) und die hintere Ventrikelfläche ganz schräg von vorn und 
oben nach hinten und unten, der Horizontalen mehr genähert als 
der Vertikalen; oder man lege sich Modell 11 so um, dass die 
Ventrikelfläche der Endocardkissen so gestellt ist wie in 12, dann 
verläuft die hintere Sinus- und Ventrikelfläche von hinten oben 
nach vorn unten, wieder der Horizontalen näher als der Vertikalen. 
Die Stellung der hinteren Herzfläche müsste bei Modell 12 un- 
gefähr so sein, wie in Modell 10. Will man also das Herzinnere 
(denn das Angeführte lässt sich an dem S. int. u. s. w. eben so 
gut demonstriren) bei beiden Modellen in Uebereinstimmung 
bringen, so stimmt das Herzäussere nicht und umgekehrt. 


Wenn ich mir eine Vermuthung erlauben darf, wie so der 
Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 23 


352 G. Born: 


bewährte Leipziger Anatom hier zu, wie ich annehmen muss, fal- 
schen Resultaten gelangt ist, so möchte ich zwei Umstände hervor- 
heben. Erstens trägt daran, glaube ich, seine Reconstruktionsme- 
thode Schuld, die ein viel stärkeres subjektives Element enthält, 
als man bei flüchtiger Betrachtung zu denken geneigt ist. Zwei- 
tens bringt es die Beschränkung auf eine Art wie homo sapiens, 
bei der man mit Bezug auf die Erlangung des Materials auf sel- 
tene Zufälle angewiesen ist, mit sich, dass entscheidende Stadien 
vielleicht nur in wenigen und unvollkommenen Exemplaren zur 
Verfügung stehen und dies- scheint mir bei der Untersuchung der 
Entwicklung der Vorhofssepta durch His der Fall gewesen zu sein. 

Gegenüber der totalen Abweichung meiner Darstellung der 
Entwicklung des Vorhofsseptums und der Sinusklappen (valvulae 
venosae) von der His’schen erscheinen die übrigen Differenzen 
nicht erheblich. Ich kann die His’schen Angaben über den ur- 
sprünglichen Verlauf der venae umbilicales über die Leber hinweg 
zu den Sinusenden bestätigen, ebenso die Unterbrechung dieser Venen 
in der Leibeswand und die Umwandlung der centralen Enden der v. 
omphalomesentericae in venae hepaticae. Dieselbe Umwandlung 
findet aber nach meinen Untersuchungen beim Kaninchen auch mit 
den centralen Enden der Nabelvenen statt. Ebenso stimmt die Be- 
schreibung der Bildung der vena Aranzii mit meinen Befunden; nur 
muss ich annehmen, dass das centrale Ende der cava inf. oberhalb 
der Einmündung der Lebervenen durch Verlängerung der zu einer be- 
stimmten Zeit gemeinsamen Sinusmündung aller unteren Venen ent- 
steht. — His sagt p. 206: „die vena hepatica sinistra“ (centrales 
Ende der linken omphalomes. und hepatica nach meiner Auffassung) 
„besitzt auf der Stufe von R noch ihre selbständige Einmündung in 
den sinus reuniens. Später (ich kann nicht genau sagen, in welchem 
Zeitpunkt) schliesst sich der obere Abfluss und an dessen Stelle 
tritt eine Querverbindung der linken Lebervene mit der vena as- 
cendens‘“ (sive Aranzii). Die Richtigkeit des letzteren Satzes 
muss ich bestreiten; ich habe oben (p. 315) ausführlich auseinan- 
der gesetzt, wie bei der fortschreitenden Abschnürung des Sinus 
die linksseitigen Venen nach rechts hinüber gedrängt werden, 
bis ihre Einmündungsstelle mit denen der rechten Seite zusam- 
menfällt. 

Die Darstellung, welehe His von der Scheidung der Ventrikel 
und der grossen Arterien gibt, kann ich im Grossen und Ganzen 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 353 


unterschreiben, nur vermisse ich die wichtige Thatsache, dass das 
septum interventrieulare (sept. inferius von His) sich mit den 
rechten Randhöckern der verschmolzenen Endocardkissen verbindet. 
Auch in Bezug auf diesen Punkt finden sich bemerkenswerthe Ab- 
weichungen an den Modellen 11 und 12, die sich auf dasselbe 
Objekt beziehen. In Modell 11 (Frontalansicht der hinteren Hälfte) 
ist das s. inf, fast auf den rechten Randhöcker der verschmolzenen 
Endocardkissen gerichtet; bei Modell 12 trifft dagegen das s. infe- 
rius auf den linken Seitenrand der verschmolzenen Endocardkissen 
dieht neben der linken Atrioventricularöffnung. Es fehlt daher bei 
His die schon von Lindes gewürdigte Thatsache, dass der hintere 
Umfang des unteren Aortenendes von den verschmolzenen Endocard- 
kissen gebildet wird; daraus folgt aber die Lagerung des Aorten- 
conus zwischen den beiden Atrioventrieularöffnungen, von denen 
die rechte dicht am septum ventrieulorum liegt, während die linke 
eben durch den Aorteneonus von dem Septum getrennt wird. 

Auch scheint mir nicht genug hervorgehoben, dass, während 
das s. inf. =interventr. in die Höhe wächst, das foramen inter- 
ventriculare sich nach oben ausweitet, so dass, wenn das s. infe- 
rius bis zum oberen Rande der verschmolzenen Endocardkissen, 
mit diesen sich verbindend, emporgewachsen ist, noch ein kleiner 
Rest der Oeffnung persistirt. Dieser Rest des foramen interven- 
trieulare ist es, der in die Aorta aufgenommen wird, wenn sich 
das Bulbusseptum mit dem freien Rande des Interventricularsep- 
tums, das die Oeffnung von vorn und unten umgiebt, verbindet. 

Die Abweichungen, welche zwischen der Darstellung von 
His und der meinigen in Bezug auf die Schicksale des canalis 
auricularis und die Bildung der Atrioventricularklappen bestehen, 
sind im Texte genugsam besprochen worden. 

Wie ich schon in der Einleitung bemerkt habe, erschien un- 
gefähr zu derselben Zeit, in der ich die wichtigsten Resultate 
meiner Untersuchungen vor dem 2. Anatomencongress vortrug, 
eine Heidelberger Dissertation von Dr. Carl Roese (Litt. 12), 
die denselben Gegenstand behandelt, wie meine Mittheilungen. 

In Bezug auf die Schicksale der Venenklappen (Klappen der 
Sinusmündung) ist der Autor an demselben Material (Kaninchen- 
embryonen) zu denselben Resultaten gelangt wie ich. Er giebt 
ganz richtig an, dass die linke Klappe nichts mit dem Verschlusse 


354 G. Born: 


des foramen ovale zu thun hat. Er hat die Spuren derselben 
mitunter noch beim neugeborenen Kaninchen gesehen, beim Men- 
- schen lässt er die Reste derselben mit dem septum intermedium 
von His verschmelzen; wenn man von dieser letzten Bezeichnung 
absieht, stimmen die Angaben des Autors mit den meinigen ge- 
nügend überein. Aus der rechten Venenklappe entsteht auch nach 
Roese die valvula Eustachii und Thebesii. Die Schilderung 
Roese’s von der Abtrennung der linken oberen Hohlvenenmündung 
von der Mündung der cava inferior bei der Aufnahme des rechten 
Sinushorns in den Vorhof (p. 14) scheint mir nur in der Ausdrucks- 
weise von der meinigen abzuweichen. In Bezug auf die Bildung 
des Vorhofsseptums aber ist die Darstellung Roese’s, wie ich an- 
nehmen muss, total verfehlt. Zwar hat der Autor richtig gesehen, 
dass das bindegewebige Feld, welches His als area interposita 
bezeichnet, nicht mit dem Bindegewebe der Vorhofswurzel conti- 
nuirlich zusammenhängt, sondern durch die Muskelwand des Vorhofs 
von demselben getrennt ist, er lässt aber auch eine spina inter- 
media und zwar dadurch entstehen, dass dieses äussere Bindege- 
webe die Vorhofswand nach vorn vorstülpt, und lässt dieselbe nach 
vorn über die Atrioventrieularlippen hinwegwachsen, wie dies His 
geschildert hat. 

Das Herabwachsen des SI (sept. sup.) und die Durchlöcherung 
desselben ist ihm vollständig entgangen. In Folge dessen ist der 
Autor in Betreff der Entstehung und Einrahmung des foramen 
ovale zu ganz abweichenden Resultaten gelangt. 

Das septum intermedium vonHis soll mit einer neugebildeten 
muskulösen Leiste, dem septum musculare Roese’s, verwachsend 
den Limbus oder wie Roese ihn bezeichnet annulus Vieussenii 
bilden — in dem septum musculare vermuthe ich mein SU; — 
aus dem sept. sup. = septum atriorum = SI soll durch einfaches 
Auswachsen die valvula foraminis ovalis entstehen. Nun ist es 
zwar richtig, dass aus dem SI die valvula foraminis ovalis hervor- 
geht, aber nicht durch einfaches Herabwachsen, sondern nachdem 
dasselbe an dem hinteren oberen Ansatz durchbrochen und unter 
Verdrängung der primären Communication zwischen den Vorhöfen 
bis zur Verschmelzung mit den Atrioventrieularlippen herabge- 
wachsen ist; das foramen ovale ist eine Neubildung und nicht ein 
Rest der primären Communicationsöffnung zwischen den Vorhöfen; 
der Limbus entsteht aus dem S11, eine spina intermedia existirt 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 355 


als gesondertes Gebilde nicht. Ich glaube, dass dem Autor die 
plastische Reconstruction der Schnittserien gefehlt hat. Die Ent- 
wicklung der Lungenvene stimmt mit der Schilderung, wie ich 
sie oben gegeben habe, überein. In Betreff der Trennung der 
Ventrikel und Arterien schliesst sich der Autor sehr eng an His 
an. — Erwähnen muss ich noch, dass R. eine viel zeitigere Auf- 
nahme des rechten Sinushornes in den rechten Vorhof annimmt, 
als ich. Hält man sich nieht bloss an die Schnittbilder, sondern 
reconstruirt man das ganze Herz, so sieht man, dass der Sinus 
viel länger als R. angiebt einen vom Herzen gesonderten Raum 
bildet, wenn ich auch recht gern zugebe, dass die Aufnahme des- 
selben sich allmählich vorbereitet und daher die Anfänge derselben 
schon zeitig bemerkbar sind. Wie fast alle klappenartigen Vor- 
sprünge am Herzen erscheinen die Venenklappen anfänglich als 
Einfaltungen der ganzen Wand, gewinnen aber, wie ich R. gegen- 
über behaupten muss, sehr bald ein selbständiges Wachsthum; 
auch über die Grösse der Klappen können nur Reconstructionen 
und nicht die Schnitte Aufschluss geben; so ist die linke Venen- 
klappe niemals, wie dies Roese, offenbar durch gewisse Schnitt- 
bilder verführt, für das Kaninchen behauptet, so gross wie die 
rechte, sondern immer kleiner. 

Nach der ausgezeichneten Arbeit von Lindes (Litt. 1.) habe 
ich lange vergeblich gesucht, in den Bibliotheken von Breslau, 
Göttingen und Berlin war dieselbe nicht zu haben. Als ich die- 
selbe endlich aus dem Friedländer’schen Antiquariat in Berlin 
bekam und studiren konnte, überzeugte ich mich, dass der Autor 
im Jahre 1865 beim Hühnchen prineipiell denselben Entwicklungs- 
gang bei der Entwicklung der Herz-Ostien und Scheidewände ge- 
funden hatte, wie ich bei den Säugethieren.. Herr Masius aus 
Lüttich hatte es schon vorher unternommen, die Entwicklung des 
Herzens des Hühncehens in unserem Institute zu bearbeiten; seine 
Resultate, welche demnächst in französischer Sprache veröffentlicht 
werden, stimmen in allen wesentlichen Punkten mit denen von 
Lindes überein. — Ich begriff nun leicht, warum die Arbeit von 
Lindes zwar überall erwähnt wurde, aber im Ganzen wenig Berück- 
siehtigung gefunden hatte. Die Resultate derselben liessen sich mit 
dem Bilde, das man sich von der Entstehung der Scheidewände 
beim Säugethier construirt hatte, nicht vereinigen und an eine 
prineipiell verschiedene Bildungsweise wollte man doch nicht 


356 G. Born: 


glauben. Es ist aber in Wirklichkeit der Entwicklungsgang beim 
Hühnchen und bei den Säugethieren ganz derselbe, nur die Vor- 
. stellungen, die man von dem Process bei letzteren sich gemacht 
hatte, waren falsch. Bei beiden Klassen kommt die Bildung der 
Vorhofsscheidewand so zu Stande, dass ein halbmondförmiges Sep- 
tum (SI) von der bei senkrecht aufgerichtetem Herzen hinteren 
oberen Vorhofswand nach vorn und unten auswächst und unter 
Verengerung und schliesslichem Verschluss der primären Commu- 
nicationsöffnung (OI) sich mit den beiden Endocardkissen des ca- 
nalis aurieularis verbindet; indem diese, sowie der freie Rand des 
SI, das bis in die Spalte zwischen ihren einander zugewandten 
Flächen eingewachsen ist, breit verschmelzen , bleiben nur die 
seitlichen sagittalen Spalten jederseits neben den Endocardkissen 
als foramina atrioventricularia übrig. Für eine ausgiebige Com- 
munication beider Vorhöfe wird schon während der durch das 
Herabwachsen des SI bewirkten Verengerung des OI durch eine 
Durchbohrung (Ol) des SI gesorgt. Einen prineipiellen Unter- 
schied kann es unmöglich machen, dass diese Durchbohrung beim 
Vogel eine mehrfache ist und in der Mitte des Septums sitzt, 
während dieselbe beim Säugethier einfach und an der Basis, am 
hinteren oberen Ansatze des SI, gefunden wird. Mit diesem Unter- 
schied der Lage und Form der Oeffnung OII hängt die verschie- 
denartige Verschlussweise des OII bei beiden Thierklassen zu- 
sammen. Beim Vogel tritt der Verschluss der vielen durch ein 
feines Netzwerk von einander geschiedenen Lücken in der Mitte 
des SI durch allmähliche Verengerung der Lücken ein; beim 
Säugethier, wo die Oeffnung an der Basis des SI entsteht, bildet 
sich eine neue Falte, welche nicht in der Flucht von SI, sondern 
rechts neben derselben gelegen ist, beide Falten wachsen anein- 
ander vorbei und durch ihre Verklebung geschieht der schliessliche 
Verschluss der Oeffnung. Als sekundäre Durchbohrung im SI ist 
der Lückencomplex beim Vogel der einfachen Oeffnung, dem fo- 
ramen ovale, des Säugethiers homolog. Auf die Frage der phylo- 
genetischen Entwicklung komme ich unten zurück. 

Die Scheidung der Ventrikel und Arterien stimmt nach Lindes 
und meinen Untersuchungen ebenfalls beim Vogel und beim Säuge- 
thier in allen wesentlichen Punkten überein. Das Interventricular- 
septum verbindet sich im Aufsteigen mit dem rechten Rand der 
verschmolzenen Endocardkissen; der über den letzteren liegende 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 357 


Rest des ostium interventriculare wird dadurch in den Anfang des 
Aortenrohres aufgenommen, dass sich der untere Rand des im Bul- 
bus herabsteigenden Septums mit dem restirenden kurzen freien 
Rande des Interventrieularseptums verbindet, wobei gleichzeitig 
die Ventrikel von einander geschieden und das Aortenrohr in den 
linken Ventrikel übergeleitet wird. 

Die embryonalen Untersuchungen von Rokitansky (Litt. 5) 
beziehen sich ausschliesslich auf das Hühnchen und ergeben im 
Wesentlichen eine Bestätigung der Angaben von Lindes. Die 
Uebertragung der Bildungsweise des Vorhofseptums beim Hühn- 
chen auf das Säugethier ist so, wie es Rokitansky will, nicht 
möglich. Auf die Verwerthung der embryonalen Befunde für die 
Deutung der Scheidewanddefekte komme ich unten an geeigneter 
Stelle noch einmal zurück. 

Die Arbeit von F. T. Schmidt (Litt. 2) ist nach dem aus- 
führlichen Panum’schen Referate (Litt. 3) schon von His einge- 
hender besprochen worden. Schmidt hat die Schicksale der rech- 
ten Venenklappe (valvula venosa dextra), die Entstehung der val- 
vula Eustachii und Thebesii aus ihrem unteren Ende richtig be- 
schrieben, seine Angaben über die Verhältnisse der Venenmündungen 
und über die Bildung der Vorhofscheidewand dagegen sind total 
verfehlt. Die ursprünglich einfache Lungenvene und die Aufnahme 
des einfachen Stammes in die linke Vorhofshälfte ist richtig dar- 
gestellt, ebenso die Trennung der Atrioventrieularostien durch 
Verklebung der Endocardkissen und das Auftreten der Bulbus- 
wülste; wie der Autor sich die Trennung der Ventrikel und Ar- 
terienrohre, denkt ist nach dem Referate schwer zu verstehen. 

Als ich im August des Jahres 1883 den Jahresbericht über 
die Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere vom vorhergehenden 
Jahre fertig stellte, fiel mir ein Aufsatz von Phisalix!) (Litt. 9) 


1) Kurz vor Absendung dieser Arbeit zum Druck gelangt (am 8. 3. 89) 
das jüngst erschienene 3. Heft des 6. Bandes (2. Serie) der Archives de Zoologie 
experimentale in meine Hände, welches denjenigen Theil der ausführlichen 
Arbeit von Phisalix (Etude d’un embryon humain de 10 millimötres) ent- 
hält, der das Herz behandelt. Die Arbeit ist reich illustrirt, ich finde im 
Laufe derselben aber nichts wesentlich anderes, als in der Note in den Comptes 
rendus enthalten war; ich kann mich daher mit den obigen Bemerkungen, 
welche sich auf den Inhalt der Note beziehen, begnügen. 


358 G. Born: 


in die Hände, der einige bemerkenswerthe richtige Angaben über 
die Form der Vorhofscheidewand des von dem Autor untersuchten 
menschlichen Embryos von 32 Tagen enthält. Wie ich in dem 
‘Jahresbericht pag. 668 und 669 schon hervorgehoben habe, hat 
Phisalix unzweifelhaft vor mir ein wichtiges Stadium gesehen — 
„es entspricht dies auch ganz dem Alter des von ihm untersuchten 
Embryos, — nämlich das, wo die Vorhöfe eine Scheidewand mit zwei 
freien Rändern durchzieht; auch hat er die Oeffnung am oberen 
freien Rande ganz richtig als foramen ovale gedeutet.“ 

Die Worte des Autors lauten: „A gauche de la valvule du 
trou ovale“ (valvula venosa sinistra mihi) „existe une cloison 
complete en arriere, laissant encore substister en avant une £troite 
communication entre les deux oreillettes. Cette eloison est percee, 
a peu pres dans sa partie mediane, d’un orifice ovalaire: c’est 
la cloison interauriculaire dans laquelle cet orifice ou trou de 
Botal est taillE comme & l’emporte-piece. Entre elle et la val- 
vule du trou ovale, existe un espace triangulaire, diverticulum de 
l’oreillette droite, qui a &t& designe par His sous le nom d’area 
interposita.“ Dieses Diverticulum ist genau derselbe Raum, den 
ich als spatium interseptale bezeichnet habe, er fällt freilich nicht 
so ganz, wie der Autor meint, mit der His’schen area interposita 
zusammen. Phisalix giebt auch an, dass die vena pulmonalis 
von vornherein in den linken Vorhof einmündet. Wenn der Autor 
schliesst : „La cloison des oreillettes se forme done d’une seule piece 
et. non par la soudure de valvules ind&pendantes et opposdes. Sila 
valvuie du trou ovale joue un röle dans l’ocelusion du trou de Botal, 
a coup sür elle ne prend pas part & sa formation,‘ — so muss ich 
dem gegenüber, wie schon im Jahresbericht, hervorheben : dass der 
Autor SI und SII zusammengenommen hat, welche aber nicht zu- 
sammengehören; — es war ihm natürlich unmöglich, aus einem 
Stadium den Gang der Entwicklung richtig zu construiren, doch 
ist dieses eine untersuchte Stadium im ganzen richtig beschrieben. 

Auf Tafel IV der Arbeit von N. Uskow ‚Ueber die Ent- 
wicklung des Zwerchfells, des Pericardiums und des Coeloms“ 
(Arch. für mikr. An. Bd. XXII) findet sich eine Abbildung Fig. 18, 
die einen Durchschnitt durch einen Kaninchenembryo von 11 mm 
Länge (14 Tage) darstellt. In derselben ist unter Anderem auch 
das Herz getroffen. Man sieht ganz deutlich im Vorhof das SI, 
dessen mit der kolbigen Endocardverdickung versehener vorderer 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 359 


Rand das Endocardkissen, auf welches die Bezeichnung „Herz“ 
hinweist, noch nicht erreicht hat, während das dorsale Ende des 
SI etwas undeutlich zugespitzt endigt, ohne die dorsale Vorhofs- 
wand zu erreichen; hier ist also O I und OIlI noch gleichzeitig 
vorhanden. Im Text finden diese Verhältnisse, wie alle auf das 
Herzinnere bezüglichen, weil dem zu behandelnden Thema fremd, 
keine Erwähnung. Auch Fig. 26 ist interessant : es sind beide Venen- 
klappen, das hintere untere Ende des SII an der dorsalen Vorhofs- 
wand und SI links von diesem als vollständige Scheidewand (un- 
terhalb des OIL, OI ist offenbar in diesem Stadium verschwunden) 
zu sehen. Sollten die Uskow’schen Serien im Berliner Institute 
noch vorhanden sein, so wäre es leicht, an ihnen die richtige 
Entstehung der Herzsepta zu demonstriren. 


IV. Vergleichendes, Teratologisches und Physiologisches. 


Bei Besprechung der Lindes’schen Arbeit habe ich das Ge- 
meinsame und die Unterschiede bei der Entwicklung der Herzsepta 
für Vogel und Säugethier besprochen und verweise hier auf das 
dort Gesagte. Es ist klar, dass das Uebereinstimmende in beiden 
Klassen, das, wie ich hervorgehoben habe, bei weitem überwiegt, ein 
gemeinsames Erbtheil von reptilienähnlichen Vorfahren der Vögel 
und Säugethiere darstellt, während die unterscheidenden Merkmale 
in jeder Klasse gesondert entwickelt sind und nicht auf einander 
beziehbar erscheinen. Die letzteren werden nach Untersuchung der 
Entwicklung des Reptilienherzens, soweit für eine solche das Material 
erreichbar ist, zu behandeln sein. 

Da ich die Herzentwieklung beim Kaninchen, beim Menschen 
beim Schwein u. s. w. in allen wesentlichen Punkten übereinstim- 
mend gefunden habe, und da ausserdem der Bau des Herzens 
in den verschiedenen Familien der Säugethiere nicht grade tief- 
sreifende Unterschiede zeigt, lässt sich wohl vermuthen, dass 
Herzentwicklung in der ganzen Klasse der Mammalia in gleicher 
Weise vor sich geht. Interessant erscheinen mir die Fälle, 
wo von den embryonalen Klappenbildungen beim erwachsenen 
Thiere erheblichere Reste übrig bleiben als beim Menschen und 
beim Kaninchen. Erwähnenswerth sind namentlich die Fälle, bei 
denen deutliche Reste der linken Venenklappe vorhanden sind. 


360 G. Born: 


Da in denselben Fällen meist eine deutliche fossa ovalis mit der ehe- 
maligen valvula foraminis ovalis als Boden nachweisbar ist, geht ei- 
_ gentlich schon aus diesen längst veröffentlichten, vergleichend-anato- 
mischen Daten mit voller Sicherheit hervor, dass die valvula foraminis 
ovalis nicht aus der linken Venenklappe entstehen kann, da in 
diesen Fällen eben beide gleichzeitig vorhanden sind. Ich will 
bloss Einiges anführen. Bei Ormnithorhynchus finden sich an 
der rechten und an der linken Seite der Einmündung der vena 
cava inferior in das rechte Atrium je eine hohe, halbmondför- 
mige dünne Klappe (bei Owen nicht erwähnt), welche am 
oberen und unteren Rand der Oeffnung zusammentreffen und 
zusammengelegt sehr wohl geeignet scheinen, die Oefinung 
abzusschliessen; an der Mündung der kolossalen linken oberen 
Hohlvene ist keine Klappe zu sehen, doch erscheint mir bemer- 
kenswerth, dass die Muskelbündel als aus der Wand heraus- 
tretende Stränge sich tief in diese Vene (früherer Querschenkel 
des Sinus) hineinerstrecken. Ausserdem stehen die Einmündungen 
der cava sup. dext. und cava inf. nicht am Septum, sondern sind 
von diesem durch einen breiten Zwischenraum getrennt, der sich 
links neben der Einmündung der cava inferior nach hinten und 
links von der Einmündung der cava sup. dextra nach oben blind 
ausbuchtet; es ist mir gar nicht zweifelhaft, dass dieser Raum als 
spatium interseptale anzusprechen ist, das also bei dieser Mono- 
treme nicht verschwindet, sondern sich in voller Ausdehnung er- 
hält. Diesen Raum links von der Einmündung der vena cava 
sup. dextra und vena cava inf. hat schon Ray Lankester be- 
schrieben (On the Valves of the heart of Omithorhynchus para- 
doxus compared with those of Man and the Rabbit with some 
Observations on the fossa ovalis. — Proceedings of the Zool. So- 
ciety of London 1882, p. 557—558). Doch sehe ich den Eingang 
nicht so scharf umgrenzt, wie ihn englische Autor beschreibt und 
abbildet; es mag aber daran die Schlaffheit des von mir unter- 
suchten Herzens Schuld tragen. 

Ueber Echidna sagt Owen (Litt. 13, p. 517): „The terminal 
orifice of the right precaval is protected by a membranous semi- 
lunar valve, extending from its left side.“ Diese Klappe habe ich 
an dem mir zur Verfügung gestellten, freilich sehr schlaffen Herzen 
nicht ordentlich sehen können. — Dann heisst es weiterhin: „The 
postcaval‘“ (cava inferior) „is protected by a large membranous 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 361 


Eustachian valve; the left preceval terminates by a distinet aper- 
ture to the left of the preceding, and is also defended by a process 
of the Eustachian valve.“ Dagegen muss ich bemerken, dass die 
cava inferior an meinem Exemplar, ganz ähnlich wie bei Orni- 
thorhynehus, an jeder Seite eine Klappe hatte, während ich an 
der linken oberen Hohlvene keine Klappe finden konnte. Der für 
Ornithorhynchus als spatium interseptale gedeutete Raum ist auch 
bei Eehidna vorhanden, aber minder ausgedehnt. 

Owen sagt (Litt. 13, p.520): „In the great Anteater I obser- 
ved that the resemblance to the auricular valve in Reptiles was 
rather eloser“ (nämlich als beim Stachelschwein) — „the entry of 
the posteaval was guarded as usual by the Eustachian valve, or 
homologue of the lower of the two semilunar valves between the 
sinus and the auricle in the Crocodile (vol. I fig. 339): and here 
there was also a narrower valve fold or ridge on the opposite 
side of the posteaval orifice, answering to the second valve (16): 
a ridge is continued from both valves toward the opening of the 
precaval.“ 

Bis auf den letzten Satz kann ich die Beschreibung Owen’s 
nach der Untersuchung des Herzens einer Tamandua (Myrmecophaga 
tridactyla), die mir Geheimrath Hasse freundlichst aus den Vor- 
räthen unseres Institutes überliess, vollkommen bestätigen. Der 
rechte Vorhof desselben war mit geronnenem Blut gefüllt und so 
in ausgedehntem Zustande erhärtet; nach der Eröffnung des- 
selben liess sich die Blutmasse unschwer entfernen. Die Einmün- 
dung der vena cava inferior war auch hier von einer rechten und 
von einer sehr schönen linken Klappe umgrenzt, erstere erschien 
etwas höher. Am oberen Rande schienen in der That beide 
Klappen zusammenzulaufen, bei genauerem Zusehen aber erkannte 
ich, dass sie in zwei niedrige Säume übergingen, welche nur dicht 
neben einander nach vorn zogen; der Saum in der Fortsetzung 
der linken Venenklappe bog aber etwas früher nach unten ab, 
nahm die Richtung gegen das obere Horn des sehr schön ausge- 
prägten limbus fossae ovalis, wurde aber ohne dasselbe zu erreichen 
unmerklich; der Saum in der Verlängerung der rechten Klappe 
behielt die Richtung gerade nach vorn bei und verlor sich am 
hinteren Umfang der Einmündung der cava superior. 

Auch im Herzen des Bibers finden sich sehr deutliche Reste 
der linken Venenklappe. 


362 G. Born: 


Diese Liste liesse sich leicht vermehren; es muss aber einer 
besonderen Arbeit vorbehalten bleiben, die einschlägigen Fälle 
zu sammeln und zu deuten. Für den Zweck, das gleichzeitige 
Vorhandensein der valvula venosa sinistra und der valvula foraminis 
ovalis nachzuweisen, mit dem daraus sich ergebenden Schlusse, 
dass die letztere nicht aus der ersteren entstanden sein kann, ge- 
nügt aber das angeführte Material. 


Die Defekte der Scheidewände des Herzens erfordern nach 
den neu gewonnenen entwicklungsgeschichtlichen Daten eine neue 
Bearbeitung, die bei dem kolossalen, in der Litteratur aufgespei- 
.cherten Materiale unmöglich der vorliegenden Abhandlung eingefügt 
werden kann. 

Nur ein Beispiel will ich anführen, weil dasselbe einen sehr 
reinen und interessanten Fall von Hemmungsbildung darstellt, bei 
dem die Hemmung gerade in dem wichtigen Stadium eintrat, wo 
Ol und OII gleichzeitig vorhanden waren; es ist derselbe Fall 
von Arnold (Litt. Nr. 4), auf den auch Roese in einem Nachtrag 
zu seiner Dissertation Bezug nimmt; die Erklärung, die dieser 
Autor giebt, kann ich freilich nicht als richtig anerkennen. In dem 
betr. Herzen war ein Foramen atrioventrieulare commune vorhanden 
mit 5 von den Rändern desselben herabhängenden Klappsegeln. 
Ueber dem For. atrioventrieulare ecommune zwischen den Atrien 
war die Vorhofscheidewand höchst unvollständig, sie bestand aus 
einem an der vorderen Vorhofswand herabgehenden fleischigen, 
halbmondförmigen Saum und einem unter diesem hinweggespannten 
häutigen Blatte (Klappe); — letzteres inserirt breit an der hinteren, 
schmal an der vorderen Vorhofswand; die oberen Ansätze liegen, 
wie Fig. 2 deutlich zeigt, links von den Enden des muskulösen 
Saumes; das häutige Blatt zeigt zwei freie Ränder, einen oberen, 
welcher durch eine ovale Lücke vom unteren Rande des musku- 
lösen Saumes getrennt ist, und einen unteren, der weit und frei 
etwas nach links von der Mitte des For. atrioventrieulare com- 
mune über letzteres hinweggespannt ist, so dass beide Vorhöfe 
unter diesem freien Rande noch mit einander eommunieiren. 

Für mich liegt die Deutung des Befundes ganz klar und un- 
gezwungen da. Das häutige Band ist SI; dasselbe ist herabge- 
wachsen und ist an seinem oberen Ansatze unter Bildung des O II 
= foramen ovale durchbohrt, weiterhin hat sich auch rechts vom 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 363 


SI als zweite Umrahmung des OlI der muskulöse Saum des SII 
von der oberen Vorhofswand her gebildet. Das SI ist aber nicht 
bis zur Verwachsung mit den Atrioventricularlippen herabgewachsen, 
sondern unter Erhaltung eines Restes des OI höher oben stehen 
geblieben; in Folge dessen communieiren beide Vorhöfe unter dem 
häutigen Blatte, dem S I, miteinander. Da das S I nicht bis zwischen 
die Atrioventrieularlippen vorgedrungen ist, ist auch die flächen- 
hafte Verwachsung dieser ausgeblieben, es hat sich ein For. atrio- 
ventriculare commune erhalten, das später hier eine colossale Aus- 
weitung erfahren hat (vergl. dazu meine Fig. 27). Das Interven- 
trieularseptum ist auch nicht (wie dies in anderen ähnlichen tera- 
tologischen Fällen geschieht) bis an die Atrioventricularlippen 
hinaufgewachsen, sondern ist in seinem hinteren Abschnitt tiefer 
stehen geblieben, während sein vorderer Theil sich in regulärer 
Weise mit dem Bulbusseptum verbunden hat, daher die normalen 
Verhältnisse an den Arterien. 

Da die Missbildung einem Stehenbleiben in der Bildung der 
Vorhofsscheidewand auf der Stufe, die es in den Nr. 10-13 der 
His’schen Normentafel erreicht hat, entspricht, lässt sich auch 
der Zeitpunkt der Störung ziemlich genau angeben; dieselbe ist, 
wenn man den Zeitbestimmungen von His (p. 238) folgt, ans 
Ende der vierten Woche zu setzen. 

Sehr bemerkenswerth erscheint, wie trotz der folgereichen 
Störung der Träger derselben, er war eyanotisch und dyspnoisch, 
42 Jahre gelebt hat und noch bemerkenswerther, dass trotz der 
für alle mechanischen Verhältnisse am Herzen so tiefgreifenden 
Abweichung die weiteren Entwicklungsvorgänge der Nachbartheile 
ungestört ihren Weg gegangen sind; die Arterienrohre haben sich 
getrennt, am rechten Vorhof hat die Aufnahme des Sinushornes - 
und die Verschiebung der Mündung der vena cava sup. nach oben 
und vorn stattgefundeu u. s. w. Es weist das, wie die allermeisten 
teratologischen Erfahrungen, auf eine hervorragende Selbstdifferen- 
zirung der einzelnen Theile ohne Rücksicht auf die Schicksale 
der zunächst mit denselben verbundenen Nachbartheile hin und 
auf einen sehr geringen Einfluss der mechanischen Verhältnisse. 
Arnold selbst deutet den muskulösen Saum an der vorderen 
oberen Vorhofswand ganz richtig als Limbus, das frei über das 
ostium atrioventrieulare weggespannte, mehr häutige Band als 
valvula foraminis ovalis, die Oeffnung zwischen beiden als foramen 


364 G. Born: 


ovale; er nimmt auch an, dass in normalen Fällen die Trennung 
des ostium atrioventrieulare durch den basalen Theil der Vorhofs- 
scheidewand bewirkt wird; wie er sich aber das Zustandekommen 
dieser Trennung denkt, ist nicht genügend zu erfahren. 

Da die eigenen embryologischen Untersuchungen Arnold’s 
erst am Anfang des 3. Monats einsetzen, ist dies auch leicht 
erklärlich. Arnold hat aber schon in einer früheren Arbeit 
(Virehow’s Archiv Bd. XLII) aus vergleichend-anatomischen 
Gründen nachzuweisen gesucht, dass der basale Theil des septum 
atriorum (neben dem septum atriorum) eine wichtige Rolle bei der 
Trennung des ostium venosum spiele. Ausserdem stellte der 
Autor ebenda ‚‚in einer Tabelle eine grössere Zahl von Missbildungen 
des Herzens zusammen und weist darauf hin, dass bei einem 
Mangel der basalen Theile des sept. atriorum gewöhnlich ein 
ostium commune getroffen werde, während bei vollkommnem 
Defekte des septum ventriculorum zwei ostia venosa vorhanden 
sein können.“ Bestätigt sich dieser Satz, so ergiebt sich für 
unsere Anschauung die wichtige Folgerung, dass das Vorwachsen 
des SI und Einwachsen desselben zwischen die Atrioventricular- 
lippen, was in den Arnold’schen Fällen wohl regelmässig unter- 
blieben ist, nicht bloss zeitlich der flächenhaften Verwachsung der 
Atrioventrieularlippen vorausgeht, sondern für das Eintreten dieses 
Vorgangs unumgänglich nothwendig ist, damit also ursächlich 
zusammenhängt. — Es ist klar, dass eine eingehende Bearbeitung 
der Teratologie unseres Themas einen tieferen Einblick in den 
causalen Zusammenhang der verschiedenen Erscheinungen ver- 
spricht, als aus der blossen Betrachtung des formalen Geschehens 
abgeleitet werden kann; die Missbildung erscheint im günstigen 
Falle als ein von der Natur angestelltes embryologisches Experi- 
ment, dessen Deutung freilich die genaue Kenntniss des normalen 
Geschehens voraussetzt. — Die valvula foraminis ovalis erscheint 
Arnold als linke Venenklappe, es ist dies übrigens bei den 
Stadien, die er untersucht hat und bei der von ihm bevorzugten 
Methode, das Herz in dem mit Alkohol geblähten Zustande zu 
untersuchen, ganz natürlich. Bei dieser Methode wird der freie 
Rand der valvula foraminis ovalis regelmässig weit in den linken 
Vorhof eingebuchtet, der Rest des spatium interseptale, der zwischen 
ihr und der valvula venosa sinistra (im Anfang des Monats, später 
schwindet derselbe) sich findet, wird abgeflacht und seine Wand in die 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 365 


Richtung des linken Umfangs der vena cava inferior eingestellt, so 
dass diese fast ganz in den linken Vorhof einzuführen scheint; — ein 
ganz anderes Bild geben die Modelle, die ich von den fraglichen 
Theilen nach wohlgefüllten aber in situ erhärteten Herzen 
(aus dem Anfang des 3. und Anfang 4. Monats) gefertigt habe. Bei 
diesen ist die valvula foraminis ovalis (SI) regelmässig unter 
dem Rand des Isthmus (SIT) hinweg nach rechts ausgebaucht, 
und bei dem Modelle aus dem Anfang des 3. Monats ist zwischen 
der valvula venosa sinistra und der valv. for. ov. (SI) ein deut- 
licher Rest des spatium interseptale eingeschoben. Gegenüber 
dem Leichenbefunde ist also das Bild, das das herausgeschnittene, 
aufgeblähte Herz giebt, jedenfalls ein artifieielles. — Ich hebe 
ausdrücklich hervor, dass damit gar nichts über die Verhältnisse 
während des Lebens gesagt sein soll; — ich komme auf diese Frage 
bei der Besprechung der Physiologie sogleich noch einmal zurück. 


In physiologischer Beziehung möchte ich nur die Frage 
nach den Ventileinrichtungen im embryonalen Herzen, durch welche 
der Rückfluss des Blutes verhindert wird, etwas näher erörtern. 
Ich willaber gleich hervorheben, dass meine Bemerkungen keines- 
wegs den Anspruch machen, erschöpfende zu sein, ich kann hier 
nur einige Beiträge und Anregungen liefern. Für die ersten 
Stadien, vor Ausbildung der Sinus- oder Venenklappen und der 
Atrioventrieularlippen vermag ich nichts Sicheres über Verschluss- 
mechanismen auszusagen und verzichte darauf Hypothesen vorzu- 
bringen. Etwas anderes ist es mit den Stadien, wo sich die 
Sinusklappen gebildet haben, OI und Ol gleichzeitig existiren 
und in dem canalis aurieularis die Endocardkissen ausgebildet 
sind. Während der Systole der Vorhöfe schliessen die valvula 
venosa dextra et sinistra den Sinus um so sicherer von den Vor- 
höfen ab, als für diese Klappen in der starken Muskelleiste des 
septum spurium, die sich von ihrem oberen gemeinsamen Ende an 
der oberen Vorhofswand hin bis zur vorderen erstreckt, ein sehr wirk- 
samer Spannapparat gegeben ist. Was für die Taschenklappen durch 
ihre halbkreisförmige Befestigung und für die Segelklappen durch 
die chordae tendineae und muse. papp. erreicht wird, nämlich dass die- 
selben durch das Blut nicht nach der entgegengesetzten Seite umge- 
schlagen werden, kommt hier offenbar dadurch zu Stande, dass die an- 
nähernd geradlinig am Rand der Sinussmündung befestigten Klappen 


366 G. Born: 


durch den Zug des muskulösen septum spurium an ihrem oberen 
Ende während der Systole so gespannt erhalten werden, dass das 
‚Blut sie zwar aneinander drängen, aber nicht in’den Sinus zurück- 
schlagen kann. Schwieriger ist es zu erklären, warum das Blut 
während der mit der Vorhofsystole gleichzeitigen Ventrikeldiastole 
nicht aus dem Bulbus in den Ventrikelraum zurückströmt; wie 
Andere, glaube ich, ist vor Ausbildung der Semilunarklappen im 
Bulbus die Austapezierung desselben mit einem dicken weichen 
Endocardring ventilartig wirksam. Es ist möglich, dass diese 
weiche Masse durch das rückströmende Blut gegen das untere 
Bulbusende hingedrängt wird und dort sich vorwölbend das 
Lumen verschliesst, wenigstens bekommt man, wenn man die all- 
mähliche Aushöhlung der Semilunarklappen in den unteren Enden 
der Bulbuswülste verfolgt, den Eindruck, als ob ein solcher 
Mechanismus vorliege. — Während der Vorhofsdiastole strömt das 
Blut in unserer Periode aus dem Sinus zunächst in den rechten 
Vorhof, zugleich aber gemäss der schrägen Stellung der Sinus- 
mündung und der schrägen Richtung der Spalten zwischen den 
valvulae venosae gegen die Vorhofsscheidewand und durch die 
Oeffnungen in derselben (OI und Oll) in die linke Vorhofs- 
abtheilung ein. 

Während der Ventrikelsystole zieht sich. offenbar auch die 
ringförmige Muskulatur des canalis auricularis zusammen, presst 
die Endocardkissen aneinander und an die seitlichen Flächen des 
Canalis und verschliesst so die | | förmige Spalte. 

Nach dem Verschwinden von OI, nach der Zerlegung der 
einfachen Atrioventricularöffnung in zwei und der Aufnahme des 
canalis auricularis in die Ventrikelwand (beim Menschen etwa 
am Beginn des 2. Monats) wird der Verschlussmechanismus der 
Atrioventrieularöffnnng dadurch anders, dass dann schon die 
Ränder der Oeffnung vom Ventrikel her unterminirt sind und 
dureh das Blut bei der Ventrikelsystole klappenartig gegeneinander 
gehoben und aneinander gepresst werden. Damit ist das Prineip 
der Segelklappen gegeben, die Ausbildung derselben ist eine ganz 
allmähliche, offenbar durch die Funktion selbst bewirkte. Der 
Abschluss des Vorhofs gegen den Sinus bleibt etwas länger der- 
selbe, wie vorher, nämlich so lange eben (bis zur Mitte des 2. 
Monats) der Sinus als gesonderter Theil existirt. Dass während 
dieser Zeit an Stelle zweier Oeffnungen im Vorhofsseptum nur 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 367 


eine grössere vorhanden ist, ändert an dem Mechanismus vorläufig 
nur wenig. Nach der vollkommnen Aufnahme des rechten Sinus- 
horns in den rechten Vorhof haben die Venenklappen nicht mehr das 
Sinushorn, sondern die Venenmündungen zu verschliessen; in wie 
weit und wie lange sie dazu im Stande sind, kann ich hier nicht 
speciell erörtern, jedenfalls fällt die Nothwendigkeit die Klappen der 
ganzen Länge nach zu spannen fort und demgemäss verschwindet 
der Spannapparat, indem beim Kaninchen das septum spurium 
durchbrochen und redueirt, beim Menschen aber an die mediale 
Wand angedrängt und mit derselben verlöthet wird. 

Für die einfache, kleine vena pulmonalis der jüngsten Stadien 
bewirkt die Art ihres schrägen Durchtritts durch die Vorhofswand, 
dass,, wie schon Roese richtig bemerkt hat, bei der Vorhofsystole 
ein Aufeinanderlegen der Wandungen, an der Mündungsstelle, wie 
bei den Uretheren in der Blasenwand, erzielt wird. Später, wenn die 
Einmündung ausgeweitet und der einfache Stamm in den Vorhof 
einbezogen (beim Menschen) ist, hört dieser Mechanismus auf; dann 
bilden sich wohl, wie überhaupt an den Venenmündungen, ring- 
förmige Schliessmuskeln um die sekundären Oeffnungen aus. 

Vielleicht geben diese Andeutungen Anlass zu einer eingehen- 
deren Behandlung der noch kaum berührten Frage nach den Ven- 
tilmechanismen im embryonalen Herzen. 

In denallerjüngsten Stadien, so lange noch die linke v. umbilicalis 
in das linke Sinushorn einmündet und der Sinus sich unter dem Vor- 
hofsacke befindet, vor Ausbildung der Vorhofscheidewand und der 
Sinusklappen ist gewiss eine vollkommne Mischung des Blutes der un- 
teren Venen mit dem Blute der übrigens zu dieser Zeit noch sehr tn- 
bedeutenden Ductus Cuvieri anzunehmen; es ist nach der anatomi- 
schen Anordnung gar kein Grund abzusehen, warum zu dieser Zeit 
eine Seite des Herzens oder ein Theil des Arteriensystems in Bezug 
auf Reinheit des Blutes bevorzugt sein sollte. Dasselbe gilt auch 
für die erste Zeit nach Abschnürung des Sinus vom Vorhofe, nach 
der Ausbildung der Venenklappen bis zu dem Termin, wo die 
Trennung der Atrioventricularöffnungen, die Ausbildung der Vor- 
hofs- und Ventrikelscheidewand und vor Allem die Scheidung der 
Arterienrohre vollendet ist, also beim Menschen beiläufig nahezu 
bis zur Mitte des 2. Monats; es ist dies ein Umstand, der nicht 
immer genügende Berücksichtigung erfahren hat. Die Periode, in 


der man also jedenfalls eine gleichmässige Blutmischung in beiden 
Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 33, 24 


368 G. Born: 


Herzhälften sowohl, wie im ganzen Arteriensystem anzunehmen hat, 
umfasst gerade die Stadien, mit denen sich meine Untersuchungen 
vorzugsweise beschäftigt haben. 

Für die spätere Zeit des Embryonallebens treten dann andere 
Verhältnisse in Kraft. 

Ich möchte zu dem viel diseutirten Thema des fötalen Kreis- 
laufes in dieser späteren Zeit nur einige wenige Bemerkungen 
machen; ich komme auf dasselbe wahrscheinlich später noch ein- 
mal ausführlicher zurück. Es ist gewiss nicht richtig, wenn man 
die Frage nach den Richtungen des Blutstromes der venae cavae 
im rechten Atrium am herausgeschnittenen, aus seinen Verbin- 
dungen gelösten Herzens studirt; das Herz mit den grossen Ge- 
fässen muss für diese Zwecke in situ gehärtet werden. Das erste 
Verfahren ist aber jedenfalls bisher am meisten angewandt worden; 
daher die Angabe, die man vielfach vorfindet, dass die vena cava 
sup. auf das foramen atrioventriculare dextrum, die cava inf. auf 
das foramen ovale gerichtet sei. Bläht man ein herausgeschnittenes 
Herz mit abgebundenen Venenstummeln zur Härtung mit Alkohol 
auf, so bekommt man freilich ein dementsprechendes Bild; dasselbe 
stellt aber nicht die natürlichen Verhältnisse dar; in Wirklichkeit 
sind vom 2. Monat an Vena cava sup. und inf. beim Foetus bei- 
nahe so aufeinander gerichtet, wie beim Erwachsenen, und die 
grade Linie, die durch beide Venen hindurchgeht, läuft mit der 
Ebene der rechten Atrioventrieularöffnung anfangs parallel, später 
bildet sie mit derselben einen spitzen Winkel und schneidet diese 
Ebene weit hinter der Oeffnung selbst. Man lasse sich nicht davon 
beirren, dass ich oben gesagt habe, die Einmündungsstelle der 
cava sup. würde im Verhältniss zu der der cava inf. nach 
vorn verschoben; es gilt dies nur für ein Herz, dessen ventrale 
Fläche senkrecht gestellt ist und bezieht sich nur auf die Lage 
der Mündungsöffnungen selbst. Die Venen selbst sind trotzdem 
aufeinander gerichtet und dieselben verlaufen, wenn man den Em- 
bryo aufgerichtet hat, beinahe vertikal. 

Hat man ein älteres fötales Herz mit einer erstarrenden 
Masse gefüllt, so sieht man, dass die Richtungen der Venen 
zwar entgegengesetzte sind, dass die Axen derselben aber nicht 
genau aufeinander fallen, sondern dass die cava inf. etwas links 
von der sup. verläuft; es bleibt also noch zu untersuchen, wie 
weit dadurch das Blut aus dem linken Umfang der cava inf. an 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 369 


dem der sup. links vorbei und direkt durch’s foramen ovale in 
den linken Vorhof abgelenkt wird; diese Frage muss aber, um es 
noch einmal zu wiederholen, an dem in situ erhärteten Herzen, 
an Modellen nach Sehnittserien u. s. w. studirt werden und nicht, 
wie esz. B. von Ziegenspeck (Ueber den Blutkreislauf des Säuge- 
thier- und Menschenfötus — Beilage III zu Preyer sp. Physiol. 
d. Embryo’s p. 598) am herausgeschnittenen Herzen, dessen aufge- 
schlitzte cav. inf. man sich mit Stecknadeln und Pincette gespannt 
hat, um hineinsehen zu können. Dazu ist noch Folgendes zu be- 
merken. Oben (p. 333) habe ich schon hervorgehoben, dass nach 
den Modellen (und Schnittserien) von Herzen der Foeten aus dem 
Anfang des 3. und Ende des 4. Monats die valvula foraminis 
ovalis nicht nach links sondern nach rechts ausgebaucht erscheint. 
Wenn man an dem Modell des Herzens aus dem Anfang des 
4. Monats durch die Venen in das Herz hineinsieht, so führt 
die vena cava sup. und nicht die inf. direkt in’s foramen ovale. 
Wenn man freilich ein Herz (namentlich ein herausgeschnittenes) 
von einer der Cavae aus mit Alkohol oder dergl. unter starkem 
Drucke und mit grosser Geschwindigkeit injieirt, so wird regel- 
mässig die valvula foraminis ovalis weit nach links hinüber ge- 
schlagen, ja nach links hin ausgebaucht, also gegenüber den Ver- 
hältnissen an der Leiche eine Veränderung geschaffen. Die Frage 
ist nun, wie stellt sich die valvula foraminis ovalis während des 
Lebens beim Einströmen des Blutes in den rechten Vorhof? Und 
diese Frage bedarf einer besonderen Untersuchung. 

Es ist auch sehr gut möglich, sogar vielleicht wahrscheinlich, 
dass die Ausbauchung der valvula foraminis ovalis nach rechts, 
wie ich sie an den Schnittserien und an den Modellen finde, erst 
im Augenblicke des Todes oder kurz nachher eintritt. — Am An- 
fang des dritten Monats schiebt sich übrigens zwischen die Ein- 
mündung der cava inf. und die valvula foraminis ovalis ein Rest des 
spatium interseptale ein. Endlich spielt die Höhenlage des foramen 
ovale und die Grösse und Ausdehnung der rechten Venenklappe 
dabei noch eine Rolle, so dass die Frage nicht so leicht und 
einfach zu erledigen ist, wie man bisher vielfach angenommen 
hat. Gegen die landläufige Annahme, dass das stärkere Wachsthum 
der oberen Körperhälfte, namentlich des Kopfes, auf der Füllung 
der linken Herzhälfte mit arteriellerem Blute direkt von der cava 
inf. her beruhe, sprechen schon die Verhältnisse bei den Saurop- 


370 G. Born: 


siden. Hier bleiben die Venenklappen während der ganzen Em- 
bryonalzeit und noch darüber hinaus erhalten, das Blut der cavae 
superiores und der inferior trifft also im rechten Sinushorn auf- 
einander und muss dann durch die schmale Spalte zwischen den 
Venenklappen hindurch, um in den rechten Vorhof einzutreten; 
es ist schwer vorstellbar, dass dabei nicht eine vollständige Mi- 
schung desselben eintreten sollte und doch ist das vorwiegende 
Wachsthum des Kopfes bei einem Sauropsidenembryo gewiss kaum 
minder ausgesprochen, als bei einem Säugethier. 


Zum Schlusse möchte ich noch einmal auf die Sätze ver- 
weisen, mit denen ich diese Arbeit eingeleitet habe; dieselben 
heben diejenigen Punkte hervor, auf die sich mein Interesse haupt- 
sächlich eoncentrirt hat. Ich bin mir wohl bewusst, dass vieles 
aus meinem Thema, was mehr Beachtung verdient hätte, nur 
kurz oder gar nicht erwähnt worden ist: histologische Verhältnisse 
und dergl. mehr; es war mir aber nicht möglich, Alles zu berück- 
sichtigen, ohne die so wie so sehr umfangreiche Arbeit noch mehr 
zu vergrössern. Auf manches hoffe ich zurückkommen zu können; 
namentlich die Vergleichung der Entwicklungsgeschichte des 
Wirbelthierherzens soll durchgeführt werden, den Anfang dazu 
machte die demnächst erscheinende Arbeit des Herrn Masius. 


Literatur. 


1. Lindes, G. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Herzens. 
Dissert. inaug. Dorpat 1865. Mit 2 Tafeln. 

2. Schmidt, F. T. Bidrag til Kundskaben om Hjertels Udviklings- 
historie. — Nordiskt Medicinskt Arkiv II. B. 1870 Nr. 23. Mit 1 Tafel. 

3. Deutsches Referat über Nr. 2 von Panum in Jahresbericht über 
die Leistungen und Fortschritte in der gesammten Medicin von Virchow 
und Hirsch. V. Jahrgang für das Jahr 1870, pag. 65—68. 

4. Arnold, J. Ein Beitrag zu der normalen und pathologischen Ent- 
wicklungsgeschichte der Vorhofsscheidewand des Herzens. Virchow’s Archiv. 
Ba. 51. 

5. v. Rokitansky, Carl. Die Defekte der Scheidewände des Herzens. 
Mit 50 Abbild. Wien 1875. 


Beiträge zur Entwieklungsgeschichte des Säugethierherzens. 371 


6. Derselbe. Ueber Defekt der Scheidewand der Vorhöfe. Frag- 
ment. Wiener medieinische Jahrbücher 1871. 

7. His, W. Anatomie menschlicher Embryonen. 

I. Embryonen des ersten Monats. Mit 17 Holzschnitten und Atlas 
von 8 Tafeln. Folio. Leipzig 1880. 
II. Gestalt und Grössenentwicklung bis zum Schlusse des 2. Monats. 
Mit 67 Figuren im Texte. Leipzig 1882. 
III. Zur Geschichte der Organe. Mit 156 Abbildungen im Text und 
Atlas (Tafel IX—XIV und I). Folio. Leipzig 1885. 

8. Derselbe. Beiträge zur Anatomie des menschlichen Herzens. Mit 
3 Tafeln in Lichtdruck. Leipzig 1886. 

9. Phisalix, C. Sur l’anatomie d’un embryon humain de trente deux 
jours. Comptes rendus des seances de l’acad&mie des sciences. Tome CIV. 
N. 11. 14./3. 1887, pag. 799. 

10. Derselbe. Etude d’un embryon humain de 10 millimetres. Ar- 
chives de Zoologie exp6rimentale.. Deuxieme serie. T. VI. Nr. 2 u. 3. 
Tafel XII—XVII. 

11. Born, G. Ueber die Bildung der Klappen, Ostien und Scheide- 
wände im Säugethierherzen. Vortrag gehalten in der 2. Sitzung der II. Ver- 
sammlung der anat. Gesellschaft in Würzburg am 22./5. 88. Anat. Anzeiger 
III. Jahrgang 1888. 

12. Roese, C. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Herzens. 
Dissert. inaug. Heidelberg 1888. 

13. Owen, R. On the anatomy of the vertebrates. Vol. I-III. Lon- 
don 1868. 


Figurenerklärung zu Tafel XIX— XXI. 


Die Kopflänge der betreffenden Embryonen in mm (siehe im Text pag. 286) 
ist (meist rechts oben) neben die Figur in einen kleinen Kreis gesetzt. Endocard- 
verdickungen sind durch blaue Farbe hervorgehoben. — Häufig wiederkehrende 
Bezeichnungen an den Venen, dem Venensinus und den Vorhöfen: 

Ve. o. Vena omphalomesenterica. 

Ve. u. Vena umbilicalis. 

Ve. bh. Vena hepatica. 

Ve. A. ,„ Aranzii. 

Ve. ca.i. „ cava inferior. 

Ve. C.d. 

Ve. C.s. 


es - rechte. 
Ductus Cuvieri = vena cava superior) _ 
linke. 
superior. 


S. ara: 
Ve. c. vena cardinalis 3 3 
i \ inferior. 


372 G. Born: 


Ve. p. Lungenvene, resp. Mündung derselben. 

Si. Venensinus. 

Si*. Erweiterte seitliche Enden des noch unter dem Vorhofe gelegenen 
Sinus. 

: Rechtes Horn des Venensinus. 
Linkes 

S. qu. Unteres Querstück des Venensinus. 
S. M. Sinusmündung in den Vorhof. 
V.v.d. Valvula venosa dextra 
V.v.s. Valvula venosa sinistra an der Sinusmündung. 
P. s. Septum spurium. 
A.d. Rechtes 
A.s. Linkes Atrium. 

Lg. Lungengekröse, hinteres Herzgekröse des Vorhofsackes. 

Sp. i. Spatium interseptale resp. pars interseptalis des rechten Vorhofes. 

S.I. Septum primum = valvula foraminis ovalis. 

SII. Septum secundum = isthmus Vieusenii. 

OI. Ostium primum; primäre Communication zwischen den beiden 
Vorhöfen. 

OI. Ostium secundum; sekundäre Communication zwischen beiden 
Vorhöfen = foramen ovale. 

-+ Ansatzlinie des Pericards. 


Am canalis auricularis. 


Ue. Uebergangsstück, das später zum canalis auricularis wird. 
C. a. Canalis auricularis. 


F. av. ec. Foramen atrioventriculare commune. 


BP. av.d. h n dextrum. 
INGE ERZES BAUER Ulet Hr sinistrum. 
Eo. oberes 


us Endocardkissen. 


Eo. r. und Eo. 1. rechter und linker Randhöcker des oberen En- 
docardkissens. 
Eu. r. und Eu. 1. rechter und linker Randhöcker des unteren En- 
docardkissens. 
Am Ventrikel, dem Bulbus und den Arterien. 
. d. rechter 
> Ventrikel. 
.s. linker 


.i. Ostium interventriculare. 


Bulbus. 


. w. 1. linker vorderer 
"0 vachter himrerer Endocardwulst am unteren Ende des Bulbus. 


Ao. Aorta. 


V 
V 
0 
S. iv. Septum interventriculare. 
B 
B 
B 


PL 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 373 


Ao. I—V erster bis fünfter Aortenbogen. 
Ar. p. Arteria pulmonalis. 


1 


a DE 


Tafel XIX. 


5 beziehen sich auf das in 60facher Vergrösserung gearbeitete 
Modell des Herzens von einem Kaninchenembryo, welcher 0,95 mm 
Kopflänge besass (siehe Text p. 239 Nr.'1). 

Das Modell von oben gesehen, ungefähr ?/;. 

Dasselbe von vorn, beinahe ?/,. 

Dasselbe von hinten, etwas mehr als 2/3. 

Dasselbe von links, ?/z. 

Dasselbe. Einbliek von hinten und etwas von oben in den Vor- 
hofsack, der durch ein grosses Fenster in seiner hinteren Wand 


“eröffnet ist; man sieht am Boden desselben durch die grosse Vor- 


hofs-Mündung des Sinus (S. M.) die nur an der linken Seite durch 
eine Falte abgegrenzt ist, in den Hohlraum des letzteren hinein; — 
um ein Geringes verkleinert. 


6—8 beziehen sich auf das in 60facher Vergrösserung gearbeitete 


1A, 
. 15. 
‚16, 


Modell des Herzens von einem Kaninchenembryo, welcher 1,7 mm 
Kopflänge besass (siehe im Text p. 289 Nr. 3). 

Das Modell von der linken Seite; etwa 3/;. 

Dasselbe. Einblick durch ein grosses Fenster an der linken Seite 
des ventriculus sinister in den letzteren. 

Dasselbe. Einblick von hinten und etwas von oben in den Vor- 
hofssack, der durch ein grosses Fenster eröffnet ist. Man sieht am 
Boden des rechten Atriums durch die Vorhofsmündung des Sinus 
(S. M.) in den letzteren hinein; etwa 2/.. 


. 9—11 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell des 


Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher eine Kopflänge 
von 2,5 mm besass (im Text p. 289 Nr. 4). 
Das Modell von oben; beinahe ?/,. 


Dasselbe von vorn; knapp ?/ı. 


. Dasselbe von hinten etwas verkleinert. 


Tafel XX. 


. Dasselbe Modell wie Fig. 6—8 (Kopflänge 1,7) von rechts, etwa 1/g. 
. Dasselbe Modell wie Fig. 9—11 (Kopflänge 2,5) von rechts; etwas 


mehr als 1/,. 


. 14—16 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell des 


Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher 2,66 Kopflänge 
besass (Text p. 289 Nr. 5). 

Das Modell von rechts; etwas unter !/,. 

Dasselbe von hinten und etwas von unten; mehr als !/s. 

Dasselbe von vorn; etwa 1/a. 


374 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


G. Born: 


17 und 18 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell 


17; 
18. 


des Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher 2,36 mm 
Kopflänge besass (Text p. 290 Nr. 6). 

Das Modell von rechts; etwa !/a. 

Dasselbe von hinten; mehr als /a. 


19—21 stellen das in 60 facher Vergrösserung gearbeitete Modell des 


Herzens von einem Kaninchenembryo dar, welcher eine Kopflänge 
von 3,4mm besass (Text p. 290 Nr. 7). 


. Das Modell von rechts; etwa 1/a. 


20. Dasselbe von hinten und etwas von unten; etwa 1/a. 


23. 


Dasselbe Modell in der Ebene des foramen atrioventriculare commune 
durchschnitten; man sieht von oben und etwas von rechts auf die 
untere Hälfte. — Aus der vorderen und rechten Wand des rechten 
Ventrikels noch ein Stück herausgeschnitten, um einen- freieren 
Einblick in den rechten Ventrikel, auf dessen trabeculae carneae 
und auf das ostium interventriculare zu ermöglichen. 


. Vorderansicht des Modells von dem Herzen eines Kaninchenembryos 


von 5,5 mm Kopflänge (Text p. 290 Nr. 9). Das Modell war in 
60 facher Vergrösserung gearbeitet; nicht ganz 1/a. 

Der Ventrikelabschnitt mit den Anfängen der grossen Arterien 
nach dem Herzen eines Kaninchenembryos von 7,5 mm Kopflänge in 
60 facher Vergrösserung modellirt (Text p. 290 Nr. 11). Das Modell 
ist durch einen horizontalen Schnitt, der grade durch das sehr ver- 
kleinerte ostium interventrieulare (0. i.) durchgeht, in zwei Hälften 
zerlegt. Einblick von oben in die untere Hälfte. An der anderen 
Seite des auf die vorliegende Schnittfläche aufzupassenden oberen 


Stückes war O. i. durch Verschmelzung von B. w. 1 und B. w. 2. 


sogleich abgeschlossen. 


Tafel XXI. 


Fig. 23 A. Dasselbe Modell wie Fig. 17 und 18 (Kopflänge 2,86 mm). Die 


Fig. 24. 


Decke der Vorhöfe ist abgehoben und in die Aussenwand des 
rechten Vorhofes ist ein grosses Fenster geschnitten; man blickt 
von oben und von hinten und etwas von rechts in denselben hinein. 
Beinahe ?/,. 

Für diese, wie für die folgenden Figuren 24—26 ist zu bemerken, 
dass in denselben etwas mehr vom foramen atrioventriculare 
commune gezeichnet ist, als man bei gleichzeitiger Uebersicht über 
die Gebilde an der hinteren Vorhofswand, valvulae venosae, Sinus- 
mündung u. s. w. in Wirklichkeit sehen kann; es ist diese gering- 
fügige Aenderung im Interesse der Anschaulichkeit der Bilder ein- 
geführt worden. 

Dasselbe Modell wie Fig. 19—21 (Kopflänge 3,4 mm). Einblick 
in die wie bei Fig. 23 A geöffneten Vorhöfe von hinten und oben 


RE TE 


Fig. 25. 


Fig. 26. 


Fig. 27. 


Fig. 28. 


Fig. 29. 


Fig. 30. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 375 


und etwas von rechts; %,. Der eine Pfeil führt aus dem rechten 
Sinushorn ($S. d.) zwischen den valvulae venosae dext. und sinist. 
durch die Sinusmündung (S.M.) — soweit punktirt — in den rechten 
Vorhof. — Der andere Pfeil führt aus dem rechten Vorhof hinter 
der valv. ven. sinistra und dem septum spurium (P. s.) in das 
spatium interseptale (Sp. i.); soweit derselbe verdeckt ist, ist er 
punktirt; — beinahe 3/,. 
Dasselbe Modell wie Fig. 22 (5,8mm Kopflänge). Einblick in die 
Vorhöfe wie in Figur 23 A und 24. Die punktirte Linie ergänzt 
den theilweisen verdeckten Umriss des ostium secundum (O II); etwa Ja. 
Dasselbe Modell wie Fig. 22 und 25 (Kopflänge 5,8 mm). Schnitt 
durch das foramen atrioventrieulare commune. Einblick von oben 
in die untere Schnitthälfte; etwa 33. 
Das Modell des Herzens eines menschlichen Embryos von 5mm 
Kopflänge (His Normentafel Nr. 12). Dasselbe war in 50 facher 
Vergrösserung gearbeitet. Beide Vorhöfe sind durch grosse seit- 
liche Fenster eröffnet. Einblick von rechts her in den rechten Vor- 
hof. Der untere Pfeil dringt aus dem rechten Vorhof durch die 
Sinusmündung (8. M.) in das rechte Sinushorn; soweit er durch die 
valvula venosa dextra und die Sinuswand verdeckt ist, ist er 
punktirt. — Der obere Pfeil dringt in das spatium interseptale ein; 
soweit er durch die Wand desselben und das septum spurium (Ps.) 
verdeckt ist, ist er punktirt gezeichnet; — etwas weniger als 3/;. 
Dasselbe Modell wie Fig. 9—11 und 13. In die Seitenwand des 
rechten Vorhofes ist ein grosses Fenster geschnitten. Die linke 
Venenklappe ist nicht sichtbar, sie verläuft schräg im Grunde des 
Hohlraums, zu dem die grosse Oeffnung (S. M.) führt, von links 
nach rechts, um sich an die rechte Venenklappe anzusetzen; nur 
der untere Theil der grossen dunklen Oeffnung ist also Sinus- 
mündung (S. M.), der obere Theil führt in das spatium intersep- 
tale; — beinabe ?/,. 
Modell der Vorhöfe eines menschlichen Embryos von 14mm Kopf- 
länge. © Steissscheitellänge 34 mm. Anfang des dritten Monats. Der 
Schnitt geht durch die vordere obere Vorhofswand, durch die Wurzel 
des isthmus Vieussenii (SII); man sieht also von vorn und oben in 
die hintere untere Hälfte des Modellstückes hinein. Es ist nur die 
Partie zunächst der Vorhofscheidewand dargestellt; man orientire 
sich, indem man sich zuerst die Mündungen der venae cavae (Ve. 
C.d. = Vena cava sup. und Ve. ca. i. = Vena cava inferior und das 
foramen ovale, OII aufsucht. * = Mündung des Sinus coronarius 
— beinahe natürliche Grösse. 

Tafel XXI. 
Schnitt durch die Vorhöfe und den Bulbus aus der Serie, nach der 
das in Fig. 14—16 u. s. w. dargestellte Modell gearbeitet ist. 


376 


- Fig. 31. 


G. Born: 


Kaninchenembryo von 2,66mm Kopflänge; — Vergrösserung 40fach. 
SI ist in voller Ausbildung, aber undurchbrochen, die Vorhöfe 
communieiren nur durch Ol. 

Schnitt durch die Vorhöfe, den Bulbus und das obere Ende des 
linken Ventrikels aus einer Serie, welehe einen Kaninchenembryo 
von 3,1mm Kopflänge betraf (nicht modellirt). SI ist an dem 
dorsalen Ansatz durchbrochen; OI und OII gleichzeitig vorhanden; 
— 40fach vergrössert. 


. Schnitt durch das Herz von einem Kaninchenembryo von 5,8 mm 


Kopflänge; nach der Serie, aus der dieser Schnitt stammt, ist das 
Modell gearbeitet, welches Fig. 22, 25 und 26 darstellen. Der 
Schnitt geht dicht oberhalb des for. atrioventriculare commune 
durch das obere Endocardkissen (Eo.) hindurch; als Ergänzung kann 
die Schnittfläche von Fig. 26 dienen, welche einen etwas tiefer, 
in der Ebene der Atrioventricularöffnung selbst gelegenen Schnitt 
aus derselben Serie darstellt; aus derselben ersieht man, dass OI 
noch nicht vollständig verschwunden war. 

Die Schemata A, B, C entsprechen zum Theil den in meiner vor- 
läufigen Mittheilung gegebenen, nur sind die Ventrikel und das 
reehte Sinushorn zugefügt und einige gleich zu erwähnende Aende- 
rungen getroffen. — Die Schemata stellen im Allgemeinen schräg 
von hinten und oben nach vorn und unten durch das aufgerichtete 
Herz gelegte Schnitte dar, doch sind hier eine Reihe von Dingen 
nebeneinander dargestellt, welche nie in einem und demselben 
Schnitte zugleich enthalten sein können; es sind also des didak- 
tischen Zweckes wegen Theile in eine Ebene gerückt, die in Wirk- 
lichkeit nicht in einer Ebene liegen. Die Schnitte gehen durch die 
Atrioventricularöffnung, in dieselbe ist in Schema A und B das un- 
tere Endocardkissen hineingezeichnet, — eine Abweichung vom Schnitt- 
bilde, die der Deutlichkeit wegen unvermeidlich erschien; in C sind 
die Endocardkissen verschmolzen gedacht und demgemäss die Schnitt- 
fläche der verschmolzenen Endocardkissen angedeutet. — Diese 
sowie die Endocardverdiekungen am unteren Ende von SI sind 
heller gehalten, die Muscularis dunkler. Trabeculae carneae u. s. w. 
sind weggelassen. Auf das Wachsthum ist in diesen wie in den 
3 folgenden Schematen fast keine Rücksicht genommen, die zweiten 
und dritten Figuren sind also bei entsprechend schwächerer Ver- 
grösserung dargestellt zu denken. 

A) SI voll ausgebildet, aber undurchbrochen (etwa Kaninchen- 
embryo von 2,6 mm Kopflänge). 

B) SI am dorsalen Ansatz durchbrochen, OI und OII gleich- 
zeitig vorhanden (etwa Kaninchenembryo von 4mm Kopflänge). 
Das ostium interventrieulare verengt durch das hoch aufgestiegene 
S. iv. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens. 377 


C) SI mit den Endocardkissen und diese untereinander ver- 
wachsen, OI verschwunden. Trennung der ostia atrioventricularia. 
— SII eben gebildet. — Soweit würde das Bild etwa Kaninchen- 
embryonen von 6mm Kopflänge entsprechen; die Trennung der 
Ventrikel, durch Verbindung des S. iv. mit den rechten Höckern 
der verschmolzenen Endocardkissen, wie sie hier dargestellt ist, 
tritt aber erst bei Kaninchen von 7,5 mm Kopflänge ein. 

Schemata D, E und F sollen die Lageverschiebungen, des ostium 
atrioventriculare zum ostium interventriculare, sowie die Trennung 
der Ventrikel und grossen Arterien verdeutlichen. Die Ventrikel 
sind durch einen bei aufgerichtetem Herzen frontalen Schnitt halbirt 
gedacht; man sieht in die hintere Hälfte. — Trabekeln u. s. w. 
sind vernachlässigt; es wurde danach gestrebt, eben nur die wesent- 
lichsten Verhältnisse in einfachster Form darzustellen. 

D) Das foramen atrioventriculare commune gehört allein dem 
linken Ventrikel an und liegt hoch über dem ostium interventricu- 
lare; etwa entsprechend Kaninchenembryonen von 1,7 mm Kopfl.; 
vergl. Fig. 7. 

E) Die Ventrikelschenkel sind nach oben hin miteinander ver- 
schmolzen, das ostium interventriculare hat sich nach oben ausge- 
dehnt, ist aber gleichzeitig von unten her durch das aufsteigende 
S. iv. eingeengt; das foramen atrioventriculare commune reicht mit 
seinem rechten Ende in den rechten Ventrikel hinein, die Endo- 
cardkissen sind ausgebildet. In dem Bulbus treten die Bulbuswülste 
auf, von denen der hintere sichtbar ist; die Halbröhren der Aorta und 
der A. pulm. sind aber in dieser wie in der folgenden Figur anstatt 
schräg hintereinander, einfach nebeneinander gezeichnet. — Etwa Ka- 
ninchenembryonen von 3,5—5,8 mm Kopfl.; vergl. Fig. 11 und 26. 

F) Die Endocardkissen sind verschmolzen, foramen atrioventri- 
culare dextrum et sinistrum getrennt, dass $. iv. ist über die rech- 
ten Höcker der Endocardkissen mit diesen verschmelzend aufgewachsen, 
mit dem oberen Rand desselben hat sich bis auf eine kleine Lücke 
(Stelle des septum membranaceum) das Bulbusseptum *, das aus 
der Verschmelzung der Bulbuswülste entstanden ist, verbunden. Der 
Rest des ost. interventriculare zwischen dem oberen Rande von 8. 
iv. («) und der Stelle $ ist in die Aorta aufgenommen, die bei der 
Trennung der Ventrikel gleichzeitig allein in den linken übergeleitet 
wird. Der Zugang zur Aorta zwischen dem linken Abhang des 
S. iv. und den verschmolzenen Endocardkissen schiebt sich zwischen 
F. av. s. und das Ventrikelseptum ein. — Etwa Kaninchenembryonen 
von 7,5mm Kopfl.; — vergl. Fig. 23. 


3738 G. Born: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Säugethierherzens- 


Berichtigungen. 
Ss. 291 Zeile 7 v. o. V. 8. statt V. c. 
OD I BA re 9. 5 HC: 
„297 „13 v. o. (Fig. 6, 10, 11, Si u. Si*) zu tilgen und Z. 15 hinter „an- 


gefügt‘ zu setzen. 


„301 „ 9 v.o.23A statt 28. 

„806 „ 1vo.Fig. 234 statt Fig. 23. 
„306 „ 25 v. 0. 27 Ps. statt 25. 

„315 „  1l4v.o. zu tilgen (Fig. 25.) 
»,321 .. 28. v: 0: Fig. 23 statt ‚Fig..;24. 
8331. 3,216 vw. 2 V.uv-..8..stals. VW. m 


Ueber Molluskenaugen. 
Von 


Justus Carriere. 


Hierzu Tafel XXIII. 


Eine kürzlich ausgegebene Untersuchung von Rawitz!) gibt 
mir willkommene Gelegenheit, auf die im Jahre 1886 in Band VI, 
Heft 4 der Mittheilungen der zoologischen Station in Neapel ver- 
öffentlichte Abhandlung W. Pattens zurückzukommen. Sie war 
betitelt: „Eyes of Molluses and Arthropods“, und auf der zoologi- 
schen Station in Neapel mit den neuesten Methoden und Instru- 
menten ausgeführt, ein umfangreiches Werk. Mir aber war es 
kein Vergnügen und ich bedauerte die wenigen Leidensgefährten, 
die gleich mir gezwungen waren sich durch die Fülle von Neu- 
heiten durchzuarbeiten, die dasselbe in seinen beiden Theilen, 
dem beschreibenden und dem hypothetischen, bot; denn obschon 


1) Dr. Bernhard Rawitz. Der Mantelrand der Acephalen. Erster 
Theil. Ostracea. Jena 1888. Zeitschrift f. Naturwissenschaft XXI, N. F. XV. 


Ueber Molluskenaugen. 379 


der Autor seiner Phantasie eigentlich den zweiten Theil zum Tum- 
melplatz einräumen wollte, ging sie ihm doch immer wieder durch 
in den ersten Theil hinein, der dadurch gleichsam zu einer „Phan- 
thasie an und über Präparate“ wurde. Damit ist keineswegs ge- 
sagt, dass der beschreibende Theil nicht eine Fülle neuer Wahr- 
heiten enthalten könnte und wirklich Gutes bringt — ich will nur 
die Schwierigkeiten andeuten, die er dem mit Kritik und Ver- 
ständniss lesenden Collegen auf diesem Specialgebiete bereitete, 
welcher sich in den Besitz der vereinzelten Goldkörner setzen 
wollte. Patten hatte in diesem Gebiete mehrere Jahre nach mir 
gearbeitet, war mit viel besseren Instrumenten ausgerüstet als sie 
damals zu haben waren, wandte andere Methoden an, u. 8. w., 
und es wäre merkwürdig, wenn er auf so schwierigem Unter- 
suchungsgebiete nicht Neues gefunden haben sollte. Er fand es auch, 
und zwar einige sehr wichtige Sachen, die durch meine sofort an- 
gestellten Untersuchungen bestätigt wurden. Leider fehlte dem 
geschickten und glücklichen Forscher die nöthige Sicherheit, um 
edles und unedles Metall unterscheiden zu können, und sein 
Mangel an Erfahrung auf dem Gebiet der speciellen Histologie, 
über den Bau der Zellen, die Einwirkung der verschiedenen Rea- 
gentien auf dieselben — nur vieljährige und vielseitige Unter- 
suchung hierin gibt einen einigermassen sicheren Blick — führte es 
herbei, dass er, statt Gold und Schlacke zu sondern, immer 
neue Schlacken dazu ansammelte. 

Damals wollte ich nun sogleich gerne das Neue und Gute, 
soweit ich es bestätigen konnte, herauslesen und öffentlich aner- 
kennen, aber ein Gedanke hielt mich davon ab. Patten hatte 
mich ja in seiner Arbeit so grenzenlos schlecht gemacht — würde 
man glauben, dass ich in den nothwendigen Aussetzungen unpar- 
teiisch sei? kaum. Aber ich war meiner Sache sicher — es musste 
das interessante Gebiet neue Forscher anziehen und dann, nach- 
dem der Dritte gesprochen, konnte ich mich mit ihm und Patten 
auseinandersetzen. Desshalb will ich jetzt in Anlehnung an die 
Untersuchung von Rawitz über das Auge von Pecten anerkennen 
und richtig stellen, was Patten über die Augen von Pecten und 
Arca thatsächliches mittheilt!); die darauf bezüglichen Prä- 


1) Die Entdeckungen Pattens auf dem Gebiete des Arthropodenauges 
werde ich an anderer Stelle zu besprechen haben. 


380 Justus Carrißre: 


parate und Zeichnungen habe ich schon vor länger als 
zwei Jahren dem naturwissenschaftlich-medizinischen 
Verein zu Strassburg vorgelegt und darüber vorgetra- 
gen. (Mit dieser Bemerkung beabsichtige ich nicht etwa in irgend 
einem Punkte Rawitz gegenüber Priorität zu haschen, denn es 
war mir gerade werthvoll, dass über Pattens Angaben von un- 
betheiligter Seite zuerst geurtheilt werde; sie soll nur zeigen, dass 
ich durch die umgehende Nachuntersuchung das that, was mir auf 
einen derartigen Angriff hin zukam.) 

Znnächst zu dem Fächerauge (zusammengesetzten Auge) von 
Arca Noae!). 

Ich hatte seiner Zeit?) angegeben, dieses Organ betehe aus 
grossen, kegelförmigen Zellen, die einen peripheren Pigmentmantel 
und an dem distalen (äusseren) Ende eine linsenförmige Cutieular- 
verdiekung besässen. 

Patten wandte ausser Schnitten zum ersten Male die Isolir- 
methode an, und fand?): 

„Diese Augen bestehen aus 10—S0 „Ommatidien“; jedes Ommatidium 
aus einem „Kern“, nämlich zwei verschmolzenen farblosen Zellen mit je einem 
Stäbchen, den „Retinophoren“. In der einen Retinophora liegt ein wirklicher, 


1) Die Bestandtheile, aus denen sich das Molluskenauge überhaupt zu- 
sammensetzt, sind nach Patten die 

Cutieula, welche in die structurlose äussere corneal-C. und die reti- 
nidial-C. zerfällt; letztere besteht im Wesentlichen aus einem Netzwerk 
von Endverzweigungen der Hypodermisnerven und findet sich auch an 
anderen Körperstellen, in den Augen aber besonders stark entwickelt. 
Ueber der Retina (retineum) ist sie verdickt und bildet ein retinidial- 
layer, welches nicht immer (pag. 748) in Segmente oder rods, die je 
einer Zelle entsprechen, getheilt ist. Darunter liegt das 

OÖmmatidium, bestehend aus 2—4 farblosen, oft drüsenähnlichen Zellen, 
den Retinophoren; die Retinophorazelle der Mollusken enthält immer 
zwei Kerne, von denen einer schwierig wahrzunehmen ist. Jede Zelle 
sondert ein rod aus, welches ein retinidium enthält. 

Die Retinophoren werden von Pigmentzellen umgeben, den Retinulae, 
welche ebenfalls rods besitzen können; in complieirteren Ommatidien 
verschwinden die einfachen rods der Retinulae, die doppelten (bez. 
vierfachen der Arthopoden, denn die Krystallkegel sind ebenfalls aus 
solchen rods zusammengesetzt) bleiben. 

2) Sehorgane der Thiere.. München 1885. 
3) Auszug mit den Worten Pattens. 


Ueber Molluskenaugen. 381 


in der anderen ein „abortiver“ Kern, das heisst, ein häufig fehlender, unregel- 
mässiger, wenig färbbarer Körper, der unter den günstigsten Umständen 
sehr schwierig wahrzunehmen ist. Die Zellen sind im hinteren Ende vom 
Kern nach der Basis zu mit hellen, lichtbrechenden Körnern gefüllt, die eine 
Argentinula bilden; bei Behandlung (Maceration) in Ueberosmiumsäure findet 
sich an Stelle der Körner ein schmaler lichtbrechender Körper im Hinterende 
der Zelle, zwischen diesem und dem Kern ein heller Hof. Auf den Retino- 
phoren sitzt nach aussen ein oblonger durchsichtiger, lichtbrechenden Körper, 
scheinbar eine Cornealfassette oder Cuticularlinse, in der That das mit massen- 
haften Nervenfasern versehene pereipirende Element, das „Rod“ (Stäbchen), 
welches, wie man nur nach starker Maceration und selten sieht, aus zwei 
Theilen besteht. Es ist von einem Netzwerk feiner Nervenfasern umgeben, 
im Innern des Doppelrod endigen die Axennerven der Retinophora, welche an 
dem innern Ende der keilförmigen Retinophora, eintreten. 

Diese Retinophoren sind von 8 pigmentirten Retinulae in zwei, ihrer 
Hauptmasse nach, übereinander liegenden Schichten, umgeben; die Kerne 
der äusseren liegen vor oder zwischen den Retinophorakernen, die der inneren 
in dem proximalen Drittheil der Zellen; diese selbst sind keilförmig, die 
äusseren sind am distalen Ende am dicksten, die inneren in der Höhe der 
Körnermasse, worauf sie rasch abgeplattet membranös nach aussen ziehen, 
eine Scheide des äusseren Retinophoraendes bildend. Auf den äusseren Pig- 
mentzellen ziehen sich einige, auf den inneren 2—5 blasse Fäden, Nerven- 
fasern hin. 

Solcher Augen gibt es in beiden Mantelhälften zusammen über zwei- 
hundert.“ 

Vergleicht man Patten’s Text und Abbildungen, so zeigt sich deutlich, 
dass er Methoden anwandte, die er nicht beherrschte, das heisst, über deren 
Einwirkung auf den Zellkörper er sich keine Rechenschaft geben konnte. 
Gerade hier war die Methode schlecht; statt die Retinophora zu conserviren, 
lieferte sie — wie die wenigen Abbildungen nach dem Präparat zeigen, — ganz 
ungenügendes. Und da hilft sich Patten nicht mit anderen Methoden, son- 
dern mit dem Bleistift, den er meisterhaft führt. Mit ihm zaubert er die 
schönen „Constructionen“ auf das Papier, welche alles enthalten, was uns 
Abbildungen nach Präparaten zeigen sollten (Fig. 59 z. B. u. a. m.),. An 
Schnitten konnte er nicht viel mehr erkennen als schon bekannt war — er combi- 
nirte also in Figur 45 einen Schnitt mit Macerationsbildern. Merkwürdiger 
Weise zeichnet Patten auf demselben Schnitte etwas sehr Wichtiges und Be- 
kanntes, die Falte mit dem Periostrakum-Epithel (welches die früher soge- 
nannte Epidermis der Muschelschalen absondert), in einer Weise falsch, wie 
es nach einem einigermaassen gelungenen Schnitte selbst einem Anfänger 
nicht begegnen dürfte. Diese Falte ist für den Zweck der Abbildung etwas 
ganz Nebensächliches, sie konnte weggelassen oder skizzenhaft behandelt werden; 
aber dargestellt und zwar in solcher Weise kann sie unser Vertrauen zu der 
Genauigkeit des Autors nicht erhöhen. 


383 Justus Carriere: 


Was ist nun an Pattens Darstellung richtig und worin er- 
gänzt er meine früheren Angaben? Ein Blick auf die Abbildungen 
. Tafel XXIII zeigt das. — Ich besass ausser mit Chromsäure auch 
mit Ueberosmiumsäure vorzüglich conservirtes Material, und unter- 
suchte letzteres auf Längs- und Querschnittserien, aus deren einem 
Theil ich das Pigment vorsichtig entfernte. Das geschah damals 
mit verdünntem Eau de Javelle, ein Mittel, welches mit grosser 
Vorsicht auf Schnitte angewandt, sehr guten Erfolg hat; nament- 
lich eignen sich dazu mit Ueberosmiumsäure gehärtete Objecte, in 
welchen die Gewebe gegen die Einwirkung des Chlors widerstands- 
fähiger sind als nach anderen Härtungsmitteln. So gut die Re- 
sultate waren, so wenig man an den Geweben der entpigmentirten 
und nicht entpigmentirten Präparate einen Unterschied finden 
konnte, verliess ich diese Methode doch wieder um einer noch 
besseren willen, welche gelegentlich meiner Untersuchungen über 
die Entwicklung und den Bau der Ocellen und Augen der Insec- 
ten beschrieben wird. Die Entfärbung mit Eau de Javelle hat den 
Nachtheil, dass sie beständige Aufmerksamkeit des Beobachters 
verlangt, wenn das Präparat glücken soll; denn der Chlorgehalt 
der zu verwendenden verdünnten Lösung ändert sich beständig — 
sie muss also immer wieder durch Vorversuche auf den günstigen 
Gehalt gebracht werden, und die Lösung des Pigmentes in den 
Schnitten muss mit der Loupe verfolgt und die Einwirkung des 
Mittels unterbrochen werden, ehe die letzte Spur von Farbe ver- . 
schwunden ist. Das Pigment ist dann schon vollkommen in Lö- 
sung übergegangen und wird mit ausgewachsen, ein Abwarten, bis 
es vollkommen zerstört ist, würde durch die allzulange Einwirkung 
auch die Gewebe gefährden. (Es handelt sich hiebei immer um 
auf dem Objectträger durch eines der bekannten Mittel befestigte 
Sehnittserien von höchstens ungefähr 0.0lmm Dicke). 

Die Objeete waren theils im Ganzen mit Pikrokarmin gefärbt 
theils — und regelmässig die entpigmentirten — mit Hämatoxylin. 

Alle Serien nun, sei es in der Längsrichtung der Omma- 
tidien (Sagittalschnitte) oder senkrecht zu derselben (Querschnitte) 
zeigen übereinstimmend folgendes. 

Die als Augen bezeichneten Mantelrandorgane von Arca 
Noae bestehen aus pigmentirten und pigmentlosen Zellen. Letztere 
sind es, welehe ich schon früher als Sehzellen bezeichnete, der Pig- 
mentmantel aber, den ich als zugehörig beschrieb, liegt nicht in 


Ueber Molluskenaugen. 383 


der Peripherie der Zelle selbst, sondern wird wie Patten fand, von 
sehr dicht anliegenden Pigmentzellen gebildet. 

Die Sehzellen (Fig. 1,3, 4, 5) haben die Form eines langge- 
streckten Kegels, nicht die eines Keiles. An ihrem äusseren Ende 
tragen sie eine dicke, convex-concave Cuticula, welche tiefer unter 
die als glatte Halbkugel gedachte Oberfläche des Organes als 
über sie ragt. Diese Verdiekung färbt sich nach Behandlung mit 
Ueberosmiumsäure tief graublau (ebenso wie der gleich zu er- 
wähnende „Kegel“), viel dunkler (weil undurchsichtig) als der Kern ; 
nach vorhergegangener Behandlung mit Eau de Javeile, welches die 
schwärzende Wirkung der Ueberosmiumsäure je nach der Zeitdauer 
ganz oder theilweise aufhebt, nimmt sie einen graulichen Ton an. 
Der Kern wird immer entschieden blau. Dicht unter der verdickten 
Aussenwand — aus naheliegenden Gründen möchte ich die Be- 
zeichnung Cornealinse ebenso vermeiden wie die gleicherweise 
unzutreffende als Corneafassette — liegt in der Axe der Zelle 
der sehr grosse Kern, breiter als hoch, nahezu die Seitenwände 
der Zelle berührend. Er ist von Protoplasma umgeben, welches 
in der Peripherie dichter, nach der Axe zu flüssiger, ihn zu tragen 
scheint. 

Fast der ganze übrige Theil der Zelle wird von einem kegel- 
förmigen durchsichtigen Körper eingenommen, der durch Ueber- 
osmiumsäure fixirt und dann von Farbstoffen gefärbt wird; bei Be- 
handlung mit Alkohol, Chromsäure und ehromsauren Salzen bleibt 
er farblos und wird zum grössten Theil gelöst, so dass nur ein 
körniger Rest übrig bleibt. Es ist also wohl eine Substanz von 
gallertiger (ich meine: nicht fester) Beschaffenheit, die ähnliche 
Zartheit und ähnliches Verhalten gegen Reagentien zeigt wie die 
Stäbchen des Wirbelthierauges. Bei seitlicher Ansicht erscheint 
das vordere Ende des Kegels schon der grösseren Dicke halber 
tiefer gefärbt als das schlanke innere; doch zeigen auch die Quer- 
schnitte gegen dieses Ende zu etwas hellere Färbung. Fig. 1, 3, 
4, 7. Der Kegel reicht nicht ganz bis an das innere Ende der 
Zelle, welches in eine wechselnde Anzahl von Fasern übergeht 
(Fig. 7 f), die — vielleicht — durch die Basalmembran austreten 
und sich mit Nervenfasern verbinden, oder als an die Zelle an- 
tretende Nervenfasern zu betrachten sind. Sonst ist von Fasern 
weder im Kegel noch in der Zelle, ebensowenig an Quer- als 
Längsschnitten etwas zu bemerken. Von einer Zusammensetzung 

Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33. 25 


384 Justus Carriere: 


der Sehzelle aus zwei Theilen, von einem „abortiven“ Kerne ist 
nicht das geringste zu bemerken; die Lage des Kernes ist auch 
nicht seitlich, wie Patten angibt. Ebenso ist es unmöglich, 
Pattens Behauptung, dass die Aussenwand aus einer äusseren 
dünnen structurlosen Cuticula und einem inneren dichten Netz- 
werk feinster Nervenfasern bestehe, für Ernst zu nehmen. 

Von dem abgerundeten äusseren Ende des Kegels gehen 
radiäre Streifen nach der Wand der Zelle (Fig. 7b), ein Ausdruck 
der Sonderung in festeres und flüssigeres Protoplasma, wie es sich 
auch an den Längsschnitten zeigt. 

Dieser pigmentlosen Zelle sind mehrere, häufig drei, auch 
zwei oder vier Pigmentzellen so dicht angelagert, dass sie schein- 
bar einen Körper mit ihr bilden („inner retinula“ Pattens); diese 
Zellen enthalten braune Pigmentkörner, bei auffallendem Lichte 
heller und glänzend gelbbraun, welche sich früher lösen als das 
Pigment der Stützzellen. 

Die Zellen dieser Pigmentscheide sind an der Basis dick 
und verflachen sich erst ganz allmählich, dann in der Höhe des 
äusseren Kegelendes plötzlich und umgeben so das periphere 
Ende der Sehzelle als eine zwar sehr dünne, aber keineswegs 
ganz pigmentlose Hülle. Ihre Kerne sind flach, sehr dünn, unge- 
fähr dreiseitig und liegen ungefähr im mittleren Drittel der Zelle. 
(Fig. 1, 2, 4, 5, 7e, d. Patten, der diese und die gleich zu be- 
sehreibende Art der Pigmentzellen entdeckte und erstere im Allge- 
meinen richtig beschrieb, bildet die Kerne etwas zu klein ab.) 

Die Pigmentscheide bildet mit der Sehzelle zusammen eine Ein- 
heit, welche man als Ommatidium bezeichnen könnte, wenn man dabei 
nicht ausser Acht lässt, dass es sich hier nicht wie im Insektenauge 
um eine Gruppe von Sehzellen, sondern nur um eine einzige mit ihrem 
Pigmentmantel handelt, also um ein Ommatidium einfachster Form. 

Anmerkung. Von den Abbildungen sind alle mit Ausnahme Fig. 3 nach 
entpigmentirten Präparaten angefertigt, die Pigmentzellen aber zur leichteren 
Unterscheidung nachträglich mit zwei verschiedenen Farbentönen übergangen 


worden. 

Die Kerne der Pigmentzellen sind vielfach nicht ganz, sondern nur 
Quer- oder Längsschnitte derselben sichtbar; in diesem Falle ist die Kern- 
wand, den Präparaten entsprechend, mit doppelter Contour gezeichnet, da 
sich die Wand ihrer dichteren (festeren) Beschaffenheit halber sehr scharf 
von dem mit Ausnahme des Gerüstes (der Nucleolen) ganz hellen Kerninhalte 


abhebt. 


a Ka a lu A 


Ueber Molluskenaugen. 385 


Eine zweite Art von Pigmentzellen, welche Patten als 
äussere Retinulazellen beschrieb, stehen zu den Sehzellen nicht in 
so naher Beziehung. Von den Zellen der Pigmentscheide unter- 
scheiden sie sich durch ihre mehr bandförmige Gestalt und die 
wahrscheinlich dadurch bedingte hellere Färbung. Ihre Kerne sind 
dicker als die der Pigmentscheide und liegen im äusseren dicksten 
Ende der Zellen. Diese Stützzellen bilden ein Gerüst von neben- 
einander stehenden Tüten, in dessen Fächern die Ommatidien so- 
zusagen stecken. 

Kerne, die zuweilen in dem inneren Theile des Gerüstes 
liegen, sind wahrscheinlich nur tiefer liegende Kerne der Stütz- 
zellen, könnten aber auch in Zwischenräumen der Tüten stehenden 
interstitiellen Zellen angehören. Zwischen den einzelnen Tüten 
finden sich schmale Hohlräume, welche wahrscheinlich nicht durch 
Schrumpfung erzeugt, sondern vorgebildet sind, wohl Saftlücken. 

An dem Byssusausschnitt fehlen die zusammengesetzten 
Augen, dafür stehen hauptsächlich hier in grosser Anzahl die von 
Patten gefundenen invaginate Eyes, deren in beiden Mantel- 
hälften zusammen über 800 vorkommen. 

Diese Invaginate Eyes, welche sich nicht ohne Weiteres mit den von 
mir als Sehgruben bezeichneten offenen Augen verschiedener Mollusken zu- 
sammenstellen lassen, sind „flache oder tiefere, grubenförmige Einsenkungen 
des Epithels bald mit weiter, bald mit spaltförmiger Mündung, 0,014—0,07 mm 
im Durchmesser. Ungemein stark pigmentirt stehen sie in fast pigmentlosem 
Epithel, nur von einer leicht pigmentirten Zone umgeben. Die Wand dieser 
Gruben besteht aus breiten dunkelbraunen oder schwarzen Pigment- und 
einer sehr viel geringeren Anzahl pigmentloser Zellen. Die breiten Pigment- 
zellen sind nicht ganz bis zur Basis pigmentirt, und enden abgestutzt; ihre 
Kerne färben sich viel stärker als die der pigmentlosen Zellen — ein durch- 
gehender Unterschied zwischen Retinula- und Retinophorazellen. Die letzteren, 
pigmentlos und kegelförmig (kolbenförmig), enthalten eine sehr stark licht- 
brechende, körnige Masse. Ihre Anzahl ist so gering, dass man nie mehr 
als 3 auf einem Schnitt sieht und sie auf höchstens 7—10 im ganzen Auge 
schätzen kann; ein „abortiver Kern“ wurde vergebens gesucht. Die Basal- 
membran ist unter dem Auge verdickt; die Cuticula darüber, eine Fortsetzung 
der Cuticula des Epithels, besteht aus der äusseren, ganz dünnen corneal-C. 


Anmerkung. Früher gemachte Erfahrungen veranlassen mich zu der 
Bemerkung, dass ich nicht alles, was die Abbildungen schon deutlich genug 
zeigen, im Text zu wiederholen pflege, während ich es anderseits auch nicht 
für nöthig halte, jede weniger wichtige Angabe durch eine Zeichnung zu 
erhärten. 


386 Justus Carriere: 


und der über dem Auge sehr verdickten retinal-Cuticula, welche aus 
zahllosen getrennten Nervenfasern bestehend die retia terminalia enthält, 
- aber nicht den Zellen entsprechend in rods abgetheilt ist. Die Nervenfasern 
sieht man häufig zwischen den Retinazellen nach der Basalmembran hinziehen 
und durch diese durchtreten.“ 

Von diesen eingesenkten Augen unterscheidet Patten „pseudölenticulate 
Eyes“; der ganze Unterschied besteht darin, dass über diesen flachen Gruben 
die Cuticularverdickung stärker vorgewölbt, bei den ersteren etwas eingesenkt 
ist; beide Formen sind nicht scharf zu trennen. Vermuthlich handelt es 
sich nur um geringe Unterschiede, die sich durch verschiedenartige Con- 
tractionszustände genügend erklären lassen. 

Obschon Patten weder einen abortiven Kern noch 
einen Axenfaden finden konnte, erklärte er: „Die Invagi- 
nate Eyes bestehen aus denselben Elementen wie die facettirten, 
das heisst einer farblosen Zelle, wahrscheinlich mit axialer Nerven- 
faser und zwei Kernen, welche zugleich ein Cuticularrod mit einem 
gesonderten Theil der retia terminalia besitzt, und darum stehen- 
den Pigmentzellen.“ 

Hiervon kann ich in erster Linie das Bestehen dieser Organe 
und ihre grosse Anzahl bestätigen; dagegen weisen meine Beob- 
achtungen auf die Richtigkeit der oben geäusserten Vermuthung, 
die beiden Arten von eingesenkten Augen seien nur eine, hin. 
Patten untersuchte Arca barbata und Noae und bildete von jeder 
Gattung auch ein Invag. Eye ab; meine Präparate entstammen 
zweifellos einer von beiden Arten, wahrscheinlich Arca Noae, und 
doch weicht der ganze Habitus so weit von Pattens Darstellung 
ab, dass er es beschrieben und abgebildet hätte, wenn ihm etwas 
derartiges unter das Messer gekommen wäre. 

Ich fand nur — häufig zu zweien untereinander stehend — 
tief eingesenkte Organe, seltener kleinere trichterförmige, meist 
grosse, mit weiter Mündung und bis zum Grunde ziemlich unver- 
ändertem, nur wenig verengtem Lumen (Fig. 9—11). Die Masse, 
welche dieses Lumen erfüllt (Retinidium P.), besteht zum grossen 
Theil häufig aus unleugbaren Fäden (Chromsäurepräparate), die sich 
mit Hämatexylin leicht bläulich färben, gerade wie der Schleim 
ausserhalb der Epithelzellen; innerhalb oder zwischen den Zellen 
der Wandung ist nicht das geringste von derartigen, gar nicht 
übermässig feinen Fäden wahrzunehmen, auch nicht an entpig- 
mentirten Präparaten (Fig. 10). Es treten auch durchaus nicht 
Fasern in genügender Stärke oder Anzahl an das Organ heran 


Ueber Molluskenaugen. 387 


oder hinein. Dagegen werden an entfärbten Präparaten die Fäden 
undeutlicher, die ganze Masse gleichmässiger, unter Wahrung ihrer 
vorherigen Farbreaction, und zwar lange, ehe das Pigment gelöst 
ist, während durch derartig schwache Einwirkung vorher in Chrom- 
oder Ueberosmiumsäure gehärtete Gewebsfäden desselben Schnittes 
(Bindegewebs- und Nervenfasern) nicht angegriffen werden, und 
einer viel länger andauernden unversehrt widerstehen. 

Die Pigmentzellen in diesen Organen enthalten dasselbe gold- 
braune Pigment wie die Epithelzellen und die Fächeraugen, das 
in etwas diekeren Schnitten dunkelbraun erscheint (Fig. 10); auch 
dürfte es an einzelnen Stellen dunkler sein als an andern. In dem 
äusseren, pigmentirten Abschnitte sind diese Zellen breit lineal- 
förmig, in dem inneren, welcher den Kern enthält, schlank 
ausgezogen, farblos bis auf vereinzelte Pigmentkügelchen; der Kern 
ist oval-scheibenförmig, in der häufigen Seitenansicht schlank 
spindelförmig, doch findet man vielfach spindelförmige Kerne, 
welche die scheibenförmigen an Länge übertreffen. 

Die farblosen, kolbenförmigen Zellen (Fig. 11) finde ich viel 
häufiger, als Patten angiebt, dagegen ist allerdings das sehr enge, 
innerhalb der Pigmentzone liegende distale Ende nur selten im 
Zusammenhange mit dem weiten Theile zu sehen, welcher zwischen 
den verschmälerten Enden der Pigmentzellen Platz hat. 

Um noch einmal auf das Retinidium zurückzukommen, so ist 
diese Masse in den von mir untersuchten Organen bald ziemlich 
gleichmässig, bald in der Mitte am dichtesten, so dass sie im letz- 
reren Falle den Anschein eines Trichters gewinnt, der von vielen 
durch die weniger dichte Substanz nach der Wandung ziehende 
Fäden gehalten wird. (Es handelt sich im letzteren Falle wohl nicht 
um Schrumpfungserscheinungen bez. durch Reagentien veranlasste 
Zusammenziehungen.) 

In ganz medianen Schnitten sieht man die Füllmasse nie den 
Zellenden dicht aufliegen, sondern durch einen sehr kleinen Zwischen- 
raum von ihnen getrennt, der durch feine Fädchen in gewissen Ab- 
ständen überbrückt wird. 

Ich halte somit das ganze Gebilde für einen Gallerte- oder 
Schleimpfropf, der von der Wand des Organes abgesondert wird; 
die Fadenstructur spricht nicht dagegen, das ganze Verhalten der 
Bildung dafür, und die Tracht der Zellen stimmt zu einer solchen 
Leistung; nicht nur die Schleimzellen des Epithels sind ähnlich 


388 Justus Carriöre: 


hell, sondern auch die unzweifelhaft absondernden Zellen, welche 
das Periostrakum in seinen beiden Schichten liefern, sind genau 
ebenso farblos, klar und unfärbbar, wie die Kolbenzellen (und die 
inneren Enden der Pigmentzellen), während in beiden Fällen 
das Sekret sich färbt. Wenn Patten einen stark brechenden, kör- 
nigen Inhalt der Kolbenzellen angibt, so sah er hier eben eine unter 
Sekretzellen nicht seltene Erscheinung. Ausserdem steht das ver- 
breiterte äussere Ende dieses Emplems mit dem genau ebenso ge- 
färbten Schleim in Zusammenhang, der von der Periostrakumfurche 
her die Kante der Mantelrandfalte als ziemlich gleichmässige 
Schicht übergiebt. Unter dieser Schleimdecke liegt die sehr dünne, 
homogene Cuticula des Epithels. 

Für mich fehlt jeder Nachweis, einmal dafür, dass das 
Emplem aus Nervenfasern bestehe, dann, dass diese ganzen Organe 
überhaupt irgend etwas mit der Lichtempfindung zu thun haben. 
Ich vermisse in den Zellen der Wand jede darauf bezügliche 
Structur, sowohl in den farblosen Zellen, wie in den durch die 
ganze Dicke pigmentirten Pigmentzellen. Auch Patten fand ja 
hier die von ihm als Kriterium angesehenen Zeichen nicht. Da 
diese Organe hauptsächlich am Byssusausschnitt stehen, müssten 
sie doch in erster Linie auch mit diesem Organe in Beziehung gebracht 
werden. Wie, das ist eine andere Frage. 

Zu erwähnen ist noch, dass Patten in der Umgegend der 
bis jetzt beschriebenen Organe zahlreiche isolirte Ommatidien 
im Epithel bei Ansicht von der Oberfläche erkennt, abgesehen 
von denen wir mit ca. 250 compound eyes, 8S—900 invaginate eyes 
und ungefähr 200 pseudolentieulate eyes auf die kleine Anzahl von 
ca. 1300 Sehorganen für ein Thier von ungefähr 7ecm Länge kommen, 
welches sein Leben lang ruhig in einem finstern Winkel sitzt, mit 
der Bauchseite fest gegen die Unterlage gepresst, verankert durch 
einen sehr grossen Byssus, unfähig, einem Gegner zu entfliehen, 
unfähig überhaupt zu schnellerer Bewegung und nicht gewohnt, 
nach Nahrung zu haschen. Ich würde unter diesen Umständen 
von meinem Standpunkte aus viel lieber die fächerförmigen Augen 
(compound eyes) als Sehorgane aufgeben, als an andere 1100 
glauben. 

Aus den isolirten Ommatidien lässt Patten die invaginated 
eyes sich bilden, die zusammengesetzten als Modificationen der 
letzteren entstehen. „Die isolirten Ommatidien bildeten sich, indem 


Ueber Molluskenaugen. 389 


wahrscheinlich während der phylogenetischen Entwicklung der 
Sehorgane an den dem Lieht am meisten ausgesetzten Stellen des 
Mantelrandes sich Pigmentzellen entwickelten, unter denen zahl- 
reiche farblose (Drüsen ?)-Zellen waren. Durch Verschmelzung 
zweier soleher farbloser Zellen und Umlagerung einer bestimmten 
Anzahl von Pigmentzellen wurden die ersten Ommatidien gebildet.“ 
Einer Zelle, die einmal eine bestimmte Funktion (als Drüsenzelle) 
angenommen hat, würde ich nicht zumuthen, sich nun wieder zur 
Licht-Sinneszelle umzubilden; es scheint mir nicht gut möglich. 

Ich bezeichnete oben die Sehgruben (Camera obscura-Augen) 
von Patella, Haliotis ete. als Bildungen, mit denen die Inva- 
ginate Eyes von Arca nichts zu thun haben, und möchte hier noch 
eine Bemerkung über jene Sehorgane einschalten. 

Ich hatte!) bei der Darstellung der offenen Augen von Fissu- 
sella, Haliotis, Trochus, Patella mit Fraisse in ihnen „Seh- 
örgane von embryonalem Typus“ sehen, beziehungsweise sie 
als Beispiele der phylogenetischen Entwicklung der Schnecken- 
augen betrachten zu müssen geglaubt. Es stimmte ja alles so schön 
für das biogenetische Grundgesetz, die systematisch tiefer stehenden 
Formen hatten „embryonalere“ Augen ete. Da regte mich ein 
Aufsatz Karl Vogt’s?) im Januar 1887 zu dem Versuche an, 
seine Ketzereien auch auf dieses Thema anzuwenden, und dabei 
die Lebensweise dieser niedersten Schnecken zu berücksichtigen. 
„Es ist nicht gut anzunehmen, dass bei Thieren Organe auftreten, 
deren sie nicht bedürfen, d. h. unter Verhältnissen, die eine Funk- 
tion des Organes ausschliessen müssten.“ 

Wie leben nun unsere Schnecken ? Die Berichte sagen: 

Haliotis, mit der höher entwickelten Sehgrube, „findet sich 
an felsigen Ufern, über Tag meist unter Steinen versteckt, um in 
der Dunkelheit die Tange abzuweiden; ist ein sehr träges Thier.“ 

Patella, mit der embryonalsten (am weitesten geöffneten) 
Augengrube, „ist bei Tage bewegungslos, dem Felsen so dicht 
aufsitzend, dass der Rand der Schale sich nach den Unebenheiten 
des Felsens modelt, auch bei etwas gelüfteter Schale vollkommen 
unter sie zurückgezogen; ein äusserst träges Thier, nur Nachts 
dem Futter nachgehend, und dann wieder zu dem einmal gewählten 
Aufenthaltsorte zurückkehrend.“ 

R 1) Sehorgane der Thiere. 

2) Karl Vogt. Einige darwinistische Ketzereien. Westermann’s illu- 

strirte Monatshefte. 31. Jahrgang 1887. Heft 364. 


390 Justus Carricre: 


Es führen mit anderen Worten diese Thiere ein vollkommen 
lichtscheues, nächtliches Leben, bei Tage unter die schützende 
Schale zurückgezogen, auch bei der Bewegung den Kopf nicht 
"unter ihr hervorstreekend; worin unterscheidet sich diese Lebens- 
weise von derjenigen der Höhlenthiere? Und was finden wir bei 
diesen? Die Sehorgane gelangen nicht oder nicht mehr zur vollen 
Entwicklung, sie bleiben auf früher embryonaler Stufe stehen, ähnlich 
wie bei Ammocoetes, so lange er im Sande verborgen lebt. Wenn 
wir aber die rudimentären Augen der Höhlenthiere nicht als Or- 
gan ein aufsteigender, sondern in absteigender Entwicklungsreihe be- 
trachten, in ihnen wie in dem embryonalen Auge der Petromyzonlarve 
eine Rück- oder besser gesagt Hemmungsbildung erkennen, dann 
müssen wir ein gleiches für die unvollkommenen Sehorgane der 
unter ganz entsprechenden Bedingungen lebenden Schnecken zu- 
geben. Diese Finsterlinge würden uns dann nicht zeigen, wie ein 
Organ entsteht — ein Liehtsinnesorgan wird kaum durch Abschluss 
des Lichtes hervorgerufen — sondern wie unter dem Einflusse 
der liehtscheuen Lebensweise auch hier das früher ebenso wie bei 
den verwandten Formen vorhandene Sehorgan nicht mehr zur 
vollen Entwicklung gelangt. Auch die Verhältnisse bei Fissu- 
rella und Trochus, wo die eine Species normale Augen, die 
andere Sehgruben besitzt, lassen sich ungezwungen auf solche 
durch die Lebensweise hervorgerufene Hemmungsbildungen zurück- 
führen. 

2) Die Augen von Pecten. 

Hier ist vor allem anzuerkennen, dass Patten durch die an- 
sewandte Isolirmethode zuerst von allen Untersuchern dieser Organe 
fand, dass die bisher beschriebenen Kerne der Stäbchenzellen an 
der Grenze von Zellen und Stäbehen ausserhalb dieser Zellen 
liegen, während die eigentlichen Kerne in dem fadenförmigen 
Ende der Stäbehenzelle liegen und so in ihrer peripheren Anhäufung 
den von mir als ?Ringganglion bezeichneten Theil der Retina 
bilden. 

Indem ich meine Darstellung, in welche ja auch die von 
Hensen verflochten ist, als bekannt voraussetze, will ich der Reihe 
nach an den einzelnen Bestandtheilen die von Patten und Rawitz 
neu angegebenen Punkte darlegen, bezw. bestätigen oder wider- 
legen; dabei folge ich der Bequemlichkeit halber dem deutschen 
Autor. 


Ueber Molluskenaugen. 391 


Stiel des Auges. Rawitz bestreitet die Angabe Pattens von dem 
Vorkommen von Muskelfasern in der das Auge umgebenden Bindesubstanz- 
lage, welche hier eine Art von Ciliaris bildeten — als auf Verwechslung mit 
Bindegewebsfibrillen beruhend. Ich selbst hatte kein entsprechendes Material 
zur Nachuntersuchung dieses Punktes, habe aber früher gleichfalls hier nur 
Bindesubstanz gesehen. 

Pigmentmantel des Auges. Hierzu muss ich Rawitz ergänzend 
bemerken, dass ich ebensowenig wie Hensen die hohen pigmentirten Zellen 
als „Iris“ bezeichnete, und auch meinerseits diese Benennung Pattens nicht 
annehmen kann. 

Ebensowenig wie Rawitz konnte ich die Angabe Pattens p. 577 
bestätigen, dass „bei P. varius und opercularis Augen vorkommen, deren 
Papillen ganz mit Pigment bedeckt sind“, und dementsprechend auch nicht 
die noch erstaunlichere Mittheilung Pattens, dass in diesen Organen, welche 
nicht mehr als Augen fungiren konnten, die Retina in allen Einzelheiten 
genau so beschaffen war, wie in den vollkommensten Augen. Wenn die 
Sache überhaupt richtig, dann ist sie von Patten durch den Satz: Man 
findet bei jenen Species, bei welchen die Augen besonders zahlreich sind — 
P. varius und opercularis — eine Anzahl (a number) von Augen, deren Pupil- 
len ganz mit Pigment bedeckt sind — in ein ganz falsches Licht gerückt; 
denn es kann sich, wie jedermann zugeben wird, dann nicht um ein regel- 
mässiges, sondern nur um ein gelegentliches, individuelles, pathologisches 
Vorkommen handeln. y 

Ich fand als ganz vereinzeltes Vorkommen bei P. opercularis das frag- 
liche Organ in der Form eines kleinen Augenstieles, dessen distales Ende 
verbreitert und mit den hohen Zellen des Pigmentmantels besetzt eine 
nur aus wenig niedrigeren Zellen bestehende pigmentlose Stelle (Pellueida) 
besitzt. Nahe der Basis des Stieles liegt ein abgeflacht kugeliger Körper, 
dessen distale Wand sehr diek und von der proximalen durch einen länglich 
viereckigen Hohlraum getrennt ist Eine Linse fehlt vollkommen, der Raum 
zwischen der Pellueida und der dicken Wand der Hohlkugel wird von ver- 
einzelten verästelten Bindesubstanzzellen überbrückt. Soweit könnte man 
das Gebilde für ein unvollkommen entwickeltes Auge halten; es findet sich 
aber noch zwischen der etwas schräg liegenden proximalen Wand und der 
einen Seite des Stieles eine eigenthümliche, dichte Zellmasse, deren Zellen 
ausser den Kernen noch rundliche Körper anderer Art enthalten, und welche 
anscheinend mit der distalen Wand der Blase, der sie dicht anliegt, in Ver- 
bindung steht. 

Pellucida. Die von mir zuerst erwähnten 3 Formen des Epithels 
der Pellueida (Cornea) werden von Rawitz bestätigt und mit einigen weiteren 
Beispielen belegt; ich muss nur bemerken, dass ich bei P. pusio (meine 
Angabe p. 101 „wahrscheinlich P. opercularis“ bezieht sich auf pusio, ich 
hatte die Beobachtung an dem lebenden Objecte gemacht, die abgeschnittenen 
Stücke des Mantelrandes waren aber später in ein Glas mit dessgleichen von 


392 Justus Carri£re: 


P. opercularis gerathen) im Gegensatze zu Rawitz und in Uebereinstimmung 
mit Patten das Pellucidaepithel mit im distalen Drittel gelegenen Kernen 
versehen finde. Patten gibt p. 579 an, dass die Zellen des Pellucidaepithels 
"seitliche unregelmässige Fortsätze, „modificirte Längsfalten* besässen und 
bildet das auch ab; Rawitz konnte nichts derart sehen; ich habe wohl 
an den Epithelzellen des Augenstieles — und ich glaube, auch der Pellu- 
cida — Intercellularbrücken beobachtet, aber diese scheinen mir zu fein, 
um Pattens Abbildungen darauf beziehen zu können. Die von Patten 
ebenda behauptete Verbindung des Pellueidaepithels mit der Linse vermittelst 
feiner, die Bindesubstanzschicht durchsetzender Zellfortsätze wird von Rawitz 
mit Recht als grosser Irrthum zurückgewiesen. Die etwas veränderte innerste 
Schicht der Augenkapsel an der seitlichen und proximalen Wand wird von 
Patten p. 596 als aus zwei verschiedenen Lagen von complieirter Bildung 
bestehend beschrieben, Rawitz findet darin eine vollkommene Verkennung 
histologischer Verhältnisse und weist die Benennung „Sklera“ zurück; meine 
frühere Abbildung deckt sich mehr mit der Darstellung von Ra witz. 

Die Linse ist je nach den Contractionsverhältnissen des Auges ver- 
schieden geformt, immer ist die schmalere proximale Seite stärker gewölbt, in 
Osmiumpräparaten zeigt sie die von Patten angegebene Gestalt. Daihr Bildin 
jedem Auge ein etwas anderes ist, darfman nicht über diese allgemeine Forman- 
gabe, in welcher ich mit Patten, Bütschli und Rawitz übereinstimme, 
hinausgehen. Auf die Unterschiede in der Form ihrer Zellen hatte, wie 
Rawitz richtig hervorhebt, vor mir schon Hickson aufmerksam gemacht; 
ich hatte leider des letzteren Abhandlung erst später kennen gelernt. Der 
Angabe von Rawitz, dass die Linsenzellen membranlos seien, kann ich nicht 
zustimmen; dagegen wohl der von Patten und ihm angegebenen häufig 
excentrischen Lage der Kernes. Oft hat es sogar den Anschein, wie wenn 
die Kerne nicht in, sondern zwischen den Zellen lägen, in welchem Falle 
allerdings die Zellen membranlos erscheinen. 

Die gesammten Angaben Pattens über den weiteren Bau der Linse 
— eine umhüllende Membran, ein Ligamentum suspensorium, und die ra- 
diären und circulären Randfasern werden von Rawitz als falsch zurückgewiesen ; 
auch ich kann sie nicht bestätigen. 

Das Septum wurde von mir und Patten als kernhaltige, zellige, von 
Rawitz als dünne, structurlose Membran beschrieben. Patten findet die 
Kerne nur in jungen Augen deutlich. In meiner Abbildung p. 102 ist das 
Septum mit seinen Kernen der Deutlichkeit halber dicker gezeichnet, als es 
zu sehen war, den wir von Patten untergeschobenen Irrthum — was ich 
für Septum ansähe, sei ofienbar aus der Septalmembran und dem einfachen 
peripheren Lager der äusseren Ganglienschicht zusammengesetzt — habe ich 
nicht begangen. 

Das Septum ist nur an etwas geschrumpften oder durch den Schnitt 
gezerrten Präparaten, wo es sich von der Retina abhebt, deutlich; an absolut 
fehlerfreien Präparaten, vor allem an unzerrissenen Schnitten vom Osmium- 


Ueber Molluskenaugen. 393 


präparaten ist es nicht zu erkennen, muss also der Retina ganz dicht anliegen. 
Wo ich es deutlich sehe, erscheint es bald kernhaltig, doch ist dann bei Anwen- 
dung bester Linsen nicht ausgeschlossen, dass die Kerne nur an- oder auf- 
gelagert seien — bald kernlos; ich glaube also hier Rawitz zustimmen zu 
können, und ebenso nach den entwicklungsgeschichtlichen Angaben Pattens 
diesem und Rawitz darin, dass das Septum nicht mit der Pigmentschicht 
zusammenhängt. 

In der Retina erklärt Patten und nach ihm Rawitz die von Hensen 
und mir absichtlich nur allgemein bezeichnete „erste Zellschicht (spindel- 
förmige Zellen) als äussere Ganglienzellschicht“; den Beweis, dass wir 
es — was ja ganz möglich wäre — mit Ganglienzellen zu thun haben, kann 
ich aber nicht erbracht finden. 

In den Stäbchenzellen liegt nach Patten, was ich ebenso wie Rawitz 
bestätigen kann, der Kern im proximalen, verdünnten Ende der Zellen; 
mit den neueren Ililfsmitteln kann man das auch an Schnitten sehen. 
Patten beschreibt in dem feinen Ausläufer der Retinophora-Zelle, welcher 
in die Nervenfasern unmittelbar übergeht, einen zweiten, schwachgefärbten, 
häufig unsichtbaren Kern, denn die Thesis ist ja: jede Retinophora be- 
steht aus zwei Zellen. Diesen zweiten Kern, der für Pattens. Hypothese das 
Wichtigste ist, konnte Rawitz an seinen Zupfpräparaten nicht finden, 
er sieht nur eine variköse Anschwellung; Schnitte geben hier keinen sicheren 
Aufschluss, da sie aber auch in keiner Weise für Patten sprechen, schliesse 
‚mich also bis auf weiteres an Rawitz an. Dagegen kann ich Pattens Angabe 
über den Aufbau der Stäbehen im Ganzen bestätigen, wie dies ja auch 
durch Rawitz geschieht; Patten machte Zupfpräparate nach längerer Ein- 
wirkung 60% C. heisser 1/,0%/, Chromsäure und Querschnitte der Stäbchen, 
Rawitz nur Zupfpräparate an in Müller’schen Lösung macerirten oder in 
Sublimat oder Pikrinschwefelsäure gehärteten Augen, ich besitze nur Quer- 
schnitte derselben nach Erhärtung in Ueberosmiumsäure. 


Nach Patten ist die Zelle vom Stäbchen durch eine, nur 
von dem Axenfaden durchbohrte sehr feine „Terminalmembran“ 
getrennt; die „Rods“ selbst sind säulenförmige, gelbrothe Körper 
und bestehen aus einem kegel- oder pyramidenförmigen, mit 
wässeriger, nicht lichtbrechenden Flüssigkeit gefüllten Körper in 
einer lichtbrechenden Scheide; der axiale Nervenfaden läuft bis 
zur Spitze des „rod“, theilt sich hier, die beiden Theilfäden treten 
heraus und vereinigen sich mit denen benachbarter rods; von den 
Theilfäden entspringen feine Nervenverästelungen. Während des 
Verlaufs durch das rod gibt die Axenfaser radiäre Nervenfasern 
ab, aus denen das rod grösstentheils besteht, und die z. Th. nach 
aussen mit eircularen Nervenfasern und den aus der Ganglienzell- 
schicht kommenden Nervenfasern in Verbindung stehen. 


394 Justus Carriere: 


Rawitz findet statt des Axenfadens einen Axenkanal, 
der jenseits (proximal) des Kernes beginnt, innerhalb dessen eine 
feine Nervenfaser verläuft und welcher kurz vor dem Ende des 
Stäbehens aufhört. Eine Grenz- oder Siebmembran kann R. nicht 
sehen; die Stäbehen sind eylindrisch, und bestehen aus einem an 
Masse weitaus überwiegenden, mehr weniger conischen, etwas kür- 
zeren Theil und aus einem umhüllenden Mantel, welcher Farbstoffe 
annimmt und schwachbrechend ist, während der nicht färbbare 
Kegel stark lichtbrechend ist. Alles was Patten weiter von 
Theilung des Axenfadens und radiären und circulären Nervenfasern 
angibt, ist nach R. Täuschung bez. Kunstprodukt. 

Keiner von beiden Autoren hat einen Versuch mit Schnitten 
nach Ueberosmiumsäurehärtung gemacht, während meine Angaben 
über eine sich mit diesem Reagens schwarz färbende Masse um die 
Stäbehen nur dadurch controllirt werden konnte, nicht indem man 
wie Patten sagt: „die schwarze Farbe bei Osmiumbehandlung 
kommt nicht: von einer fettigen Substanz, sondern von der Unzahl 
Nervenfasern her, von welchen das ganze rod durchsetzt ist“ 
(p. 586), oder p. 592: „die fettige Masse, von der Carriere spricht, 
ist durch Zusammenfliessen der Scheiden (Mäntel) der kümmer-, 
lich conservirten rods gebildet, während er als Stäbchen nur die 
Axenkegel betrachtete.“ 

Ich bilde desshalb einige Querschnitte von Stäbchen nach 
Ueberosmiumsäurehärtung ab (Fig. 13 a—c), an denen von innen 
nach aussen zu sehen ist!): 

a) der punktförmige Querschnitt des „Axenfadens“, b) der 
kreisförmige Querschnitt des inneren Theiles und c) der Durch- 
schnitt des unregelmässiger begrenzten äusseren Theiles der Stäb- 
chen; ausserdem aber d) eine sehr dunkel gefärbte Masse zwischen 
den Stäbchen. 

Die Theile a—e entsprechen genau den Abbildungen Patten’s, 
und ich vermuthe, dass er inFig. 26, Taf. 29 auch die Zwischen- 
substanz angegeben hat. Da er dieselbe durch seine Methoden 
nicht oder nur ungenügend conservirte, konnte er sie auch in 
Fig. 27 und 28 nicht zeichnen. Durch die Wiedergabe der Quer- 


1) Die Zeichnungen sind mit Seibert hom. Imm. !/ und Abbe&s 
Camera entworfen, mit Zeiss N/ıg eontrolirt; doch zeigte die stärkere Ver- 
grösserung nichts neues. 


Ueber Molluskenaugen. 395 


schnitte glaube ich gezeigt zu haben, dass ich die mir durch 
Patten untergeschobene Verwechselung nicht beging und über 
den gröberen Bau der Stäbchen Uebereinstimmung zwischen uns 
besteht. Was den feineren Bau betrifft, so konnte ich den inneren 
und äusseren Theil des Stäbchens nur als frei von Fasern er- 
kennen. 

Da Rawitz keine Querschnitte gibt, ist die Vergleichung 
schwieriger, doch scheint die Zwischensubstanz auch ihm (aus 
demselben Grunde wie Patten) entgangen zu sein. Was den von 
ihm gefundenen Axenkanal mit darin verlaufender Faser an Stelle 
des Axenfadens betrifft, so wäre es merkwürdig, wenn er Patten 
entgangen sein sollte und es dürfte wohl noch weitere Bestätigung 
abzuwarten sein. 

In der ersten Zellschicht der Retina (spindelförmige Zellen Hensen’s) 
sehen Patten und Rawitz Ganglienzellen, „Ganglienschicht“ — meiner Ansicht 
nach liegt noch kein Grund für eine so bestimmte Bezeichnung dieser Zellen 
vor. Wie Patten richtig angibt, sind die distalen Enden dieser Zellen in 
eine grosse Anzahl von Fasern aufgelöst, welche Veranlassung zur Auf- 
stellung meiner „ersten Zellschicht unter der Linse‘ bildeten; diese Zellschicht 
erwies sich später als ein, im betreffenden Präparate allerdings täuschendes, 
Kunstproduct. Die Fasern sind straff, besenförmig, radiär gegen die Linse 
gerichtet, aber keine durchbohrt, wie Patten angab, das Septum. 

Der Seitennervliegt, wieHensen und ich angaben und Pat- 
ten bestätigt, über dem Septum; wie Rawitz dazu kommt, zu be- 
haupten, er läge stets unter dem Septum, ist mir unbegreiflich. Die 
Sache ist so klar, dass ich darauf verzichte, nochmals Abbildungen 
nach neuerdings angefertigten Präparaten zu geben, welche die alte 
Anschauung durchaus bestätigten. An der Eintrittsstelle, wo der 
Nerv das Septum durchbohrt, ist er auf seiner äusseren und inne- 
ren Seite von einer ihm nicht angehörigen Membran bedeckt, 
weiter nach der Linse zu ist die äussere Seite des Nerven voll- 
kommen frei, man hat nur den Eindruck, dass die Nervenhülle auf 
der proximalen Seite mit dem Septum verschmelze. 

Die von den spindelförmigen Zellen schräg (radiär) über die Stäbchen- 
zellen verlaufenden Fasern bildet auch Patten ab, Rawitz bekam sie nicht 
zu Gesicht, — das ist aber kein Grund, an ihrem Vorhandensein zu zweifeln; 
über die Art ihrer Endigung kann man ja verschiedener Ansicht sein, ich 
verfolgte sie so weit wie sie mit Sicherheit zu unterscheiden waren. 

Während nach Patten der Axenfaden innerhalb des Stäb- 
chens sich verästelt, so dass dasselbe eigentlich der Hauptsache 


396 Justus Carriere: 


nach aus Nervenfasern besteht, und ausserdem mit den Verzwei- 
gungen der Fortsätze der interstitiellen Ganglienzellen, von welchen 
‚das Stäbehen umsponnen wird, in Verbindung tritt, findet sich 
nach Rawitz ein einfacher, blind endigender Nervenfaden (Axen- 
faden)und ein das Stäbchen umspannendes Nervennetz, ohne gegen- 
seitige Verbindung. Die Ansichten beider Autoren weichen also 
weit von einander ab, ohne Zupfpräparate darf ich mir nicht an- 
massen, mitzusprechen, und so muss ich zu meinem Bedauern immer 
noch die Frage nach der Art der Innervirung als nicht gänzlich 
gelöst bezeichnen. Sicher ist das längst Bekannte, die Verbindung 
der Stäbehenzellen mit den äquatorialen Nervenfasern, unsicher 
die Beziehung des Seitennerven zu den Stäbehenzellen. Eine di- 
recte Verbindung der Retinazellen mit den Fasern dieses Nerven, 
welche auf Schnitten, die den Seitennerv sagittal oder quer treffen, 
durch die vom Nerven abgehenden Fasern sichtbar werden müsste, 
ist bis jetzt nicht beobachtet. 

Während beide Autoren über Pigment- und Tapetum-Schicht nichts 
wesentlich neues bringen!), ist zu bemerken, dass nach Bütschli’s und 
ihren Angaben die Pigmenthaut direct in die Retina (nicht in das Septum, 
wie es mir schien) übergeht. 

Patten brachte auch zuerst in dankenswerther Weise Licht in die 
dunkle Entwicklungsgeschichte dieser Organe, indem er zeigte, dass Retina 
und Linse des Pectenauges unabhängig von einander, die erstere aus dem 
Epithel, die letztere aus der Bindesubstanz, entstehen und erst allmählich in 
directen Zusammenhang treten; doch ist das von ihm für die Entwicklung 
des Auges beigebrachte Material noch nicht genügend und lässt bedeutende 
Lücken. Schon die erste Anlage des Auges ist nicht sicher beobachtet, die 
Entstehung der verschiedenen Retinaschichten, der Ganglien- und Stäbchen- 
zellenschicht ist nicht klar, die der Stäbchen gar nicht gegeben. Der Unter- 
schied zwischen dem letzten beobachteten (abgebildeten) embryonalen Sta- 
dium und dem ausgebildeten Auge ist viel grösser, als der Autor zugeben 
will, und die doppelte Innervirung bleibt unerklärt. 

Rawitz wendet sich gegen den von mir aufgestellten Satz: „dass bei 
den Pectiniden die Augen noch beim erwachsenen Thiere sich bildeten“, da 


1) Neuere Präparate bestätigen, dass die Pigmenthaut aus sehr weichen, 
grossen, unregelmässig geformten und an den dickeren Stellen in zwei Reihen 
abwechselnd stehenden Zellen gebildet wird, in denen kugelige oder ovale 
Kerne liegen. Dicht auf der Kapsel in der Gegend des proximalen Poles 
des Auges finden sich darunter kleine, flache Zellen mit kleinen Kernen. 

Die proximale Sklera ist einfacher gebaut als Patten angibt — eine 
hyaline Masse mit gelegentlichen Circulärfasern. 


Ueber Molluskenaugen. 397 


es zu gewagt sei, aus dem vorhandenen Material eine biologisch so weit 
gehende Folgerung zu ziehen wie die ist, dass postembyronal neue Augen 
entstehen können. Ich habe den Begriff „erwachsen“, wie Rawitz ganz rich- 
tig auslegt, nicht im Sinne von „ausgewachsen“ gebraucht, sondern für die 
postembryonale Periode, und Rawitz ist entgangen, dass meine Annahme 
durch Patten vollkommen bestätigt wird. Denn dieser machte seine Beob- 
achtungen über die Entwicklung der Augen von Pecten nicht an Embryo- 
nen, sondern an jungen Thieren von P. varius und opercularis von unter 
und über 5mm Länge. 

Und wie ist es mit den „Rückenaugen“ von Onchidium? auch sie ent- 
wickeln sich während des postembryonalen Wachsthums. 

Bei der Frage nach dem physiologischen Werth dieser Organe der 
Pectiniden wendet sich Rawitz gegen die „Heliophagen“ - Hypothese !) 
Pattens, und hat für dessen theoretische Auseinandersetzungen schliesslich 
die Kritik: „und so geht das weiter in derselben Weise, in der Entdeckung 
alter Wahrheiten und in der Verkennung derselben, in falscher Verwerthung 
neuer Befunde und in neuer Verwerthung falscher Befunde.“ (Wer an der 
Berechtigung dieser Worte zweifelt, mag das betreffende Kapitel (p. 651 bez. 
659—62) im Original nachlesen). 

Durch die theoretischen Betrachtungen Pattens über die 
phylogenetische Entstehung des Peetenauges p. 658 — er leitet sie 
aus den Grubenaugen von Arca her, welche sich zur Blase schliessen, 
worauf die Stäbehen der distalen Wand sich entwickeln, die der 
proximalen sehwinden, die vorher isolirt an jede einzelne Zelle 
herangetretenen Nervenfasern sich in die zwei Stränge sondern 
und die Linse auftritt — können auf keine höhere Bedeutung 
Anspruch machen als die einer Plauderei über den interessanten 
Gegenstand. Keinem der Autoren, welche seit Hensen das Organ 
untersuchten, gelang es genügendes Material beizubringen, um 
darauf eine gut gegründete Theorie über den Bau der Retina und . 


1) „Die „sog. Augen“ von Pecten, Arca, Onchidium, Chiton sind Organe 
zur Einsaugung von Sonnenlicht-Kraft; je mehr Licht auf der Kraft empfan- 
genden Oberfläche concentrirt wird, desto grössere Wohithat wird das 
Thier aus dem Licht sehöpfen. Vermehrung dieser Organe wird also eine 
grosse Wohlthat für das Thier sein, falls es nächtliche Lebensweise hat, oder 
an dunklen Orten lebt. 

Die entwickelten Heliophagen haben Linsen oder lichtbrechende Körper 
zur Concentration des Lichtes und sind in günstigster Weise zu seiner Auf- 
nahme eingerichtet; das sind aber gerade die Aufgaben, die ein Auge zu 
erfüllen hat, so dass der vollkommenste Heliophag zugleich ein Auge sein 


kann.“ 


398 Justus Carriere: 


die doppelte Innenwirkung dieser Organe aufzubauen, Patten 
hatte den einzigen Weg, auf welchem sich etwas erreichen lässt 
.und auf welchen ich schon hingewiesen hatte, eingeschlagen, aber 
nicht genügend weit verfolgt. 

Den Werth des Tapetun sieht Rawitz nicht wie Patten in 
der Reflexion eines durch die Linse entworfenen Bildes, sondern in 
der Verstärkung des Lichtreizes durch Erzeugung stehender Wellen 
in den Stäbchen (analog der Wirkung des Tapetum bei Säuge- 
thieren) und kommt auf Grund verschiedener Versuche zu dem 
Schlusse, dass — wenn ich ihn recht verstehe — in jedem Auge kein 
Bild eines äusseren Gegenstandes, sondern nur ein Theilbildchen 
(Lichtreiz) entstehe, so dass das Sehen dieser Muscheln dem der 
Inseeten mit den Fächeraugen ähnlich sei, eine Art von musivischen, 
und zwar linearmusivischen Sehens. Es entspräche somit ein Man- 
telrandauge einem Ommatidium des Insektenauges und es beschränkt 
sich also hier das Sehen auf die Wahrnehmung sich bewegender 
Schatten bez. Körper, aber in viel unvollkommenerer Weise als bei 
den Insecten. 

Der Weg, auf welchem Patten zu der Hypothese der dop- 
pelten Retinophora gelangte, durch welche wieder seine Unter- 
suchungen über die Retina der Mollusken und Arthopoden und die 
dabei erhaltenen Resultate grossentheils beeinflusst wurden, ist 
ein einfacher und logisch richtiger. Von der Anschauung aus- 
gehend, dass der in den Stäbehen (und Stäbehenzellen) vieler wir- 
belloser Thiere vorhandene „Axenfaden“ eine Nervenfaser sei, musste 
er sich fragen: wie kommt die Nervenfaser in die Zelle und das 
Stäbchen hinein? — eine Frage, welche sich frühere Untersucher, 
wie z. B. noch Grenacher bez. seiner Darstellung der Cephalo- 
podenretina, trotz der gleichen Annahme leider nicht stellten. Die 
consequente Verfolgung dieser Frage muss zu der von Patten 
gegebenen Antwort führen, denn die Annahme, dass eine derartige 
Faser — sei es verzweigt oder unverzweigt — in eine lebende Zelle 
hinein und durch sie hindurch wachsen könnte, dürfen wir mit 
Rücksicht auf den jetzigen Stand unserer Kenntniss vom feinsten 
Bau und der Entwicklung der Gewebe für ausgeschlossen halten. 
Es bleibt dann nur der von Patten eingeschlagene Ausweg übrig, 
zwei Zellen, zwischen denen eine Faser liegt, verschmelzen und 
auf diese Weise unter gleichzeitiger Reduction einer der beiden 
Zellen die Faser scheinbar in das Innere einer Zelle gelangen 
zu lassen. 


Ueber Molluskenaugen. 399 


Wenn ich nun dieser Anschauung nicht zustimmen kann, 
so geschieht das einfach aus dem Grunde, weil für mich ein Beweis 
dafür, dass der Axenfaden das Ende einer Nervenfaser sei, in 
keinem einzigen der vorliegenden Fälle versucht, geschweige denn 
geführt erscheint. Nach den Begriffen, welche ich von der Ent- 
wicklung der Gewebe und dem Leben wie der Thätigkeit der 
Zellen habe, kann ich ferner den Axenfaden nicht für eine Nerven- 
faser, also das Umwandlungsproduct einer Zelle, welches in eine 
andere Zelle hineingewachsen wäre, halten!), sondern sehe in allen 
derartigen Bildungen Differenzirungen innerhalb des Körpers der 
betreffenden Zelle. 

Ich habe mir den zweiten Abschnitt der Abhandlung von Rawitz 
nutzbar gemacht, indem ich daran zeigte, dass die theoretischen Auseinander- 
setzungen Pattens ebenso berechtigten Widerspruch finden wie die rein 
anatomischen Ergebnisse, auf welche sie sich gründen, zum Theil als Selbst- 
täuschungen dieses Autors angesehen werden dürfen oder müssen. Dabei 
möchte ich aber, um nicht durch das Folgende mein Gebäude durch Zer- 
störung des Fundamentes zum Einsturz zu bringen, ausdrücklich bemerken, 
dass, wo ich bisher in Gegensatz zu Patten getreten bin, dies auf Grund 
meiner eigenen, sorgfältig angefertigten und sehr gut conservirten Präparate 
geschehen ist, mit deren Ergebnissen sich allerdings die Befunde von Ra- 
witz, aus andern Methoden erhalten, häufig decken. 

Zunächst kann ich mein Erstaunen darüber nicht unterdrücken, dass 
Rawitz in Figur 57—39 Taf. VI drei Längsschnitte durch das Auge ver- 
schiedener Pectenarten bringt, welche in der schlimmsten Weise durch Rea- 
gentien verändert oder geschrumpft sind. Wozu das geschah, da der Autor 
doch in Neapel lebendes Material zur Verfügung hatte, aus welchen nach 
den von Patten undmir angegebenen Methoden mit geringer Mühe lebens- 
wahre Präparate erhalten werden können, ist mir unklar. 

Nur desshalb, weil nach meiner ausführlichen Besprechung des zweiten 
Theiles es scheinen könnte, als ob ich durch Schweigen dem ersten Theil von 
Ra witz’ Untersuchungen, welcher den Mantelrand der Ostreaceen behan- 
delt, vollkommen zustimme, muss ich mit ein paar Worten auch einige Ein- 
wände dagegen erheben. 

Was zunächst die von Rawitz beschriebenen Klebzellen an den Ten- 
takeln von Lima betrifft, welche aus einer kernhaltigen Drüsen-(Schleim)- 
Zelle bestehen sollen, die auf einem gleichfalls kernhaltigen Stiele sitzt, so 


1) Ebenso wie es keinem Histologen einfallen würde, z. B. die Sekret- 
gänge, welche sich, verzweigt oder unverzweigt, mehr oder minder weit, oft 
mit selbstständiger Wandung versehen, in Drüsenzellen finden, für Bildungen 
eigener Art zu halten, die nicht der betreffenden Zelle angehörten und in ihr 
entstanden seien. 

Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 33, 26 


400 Justus Carriere: 


standen mir hier vor Jahren angefertigte Schnitte durch Osmiumpräparate 
solcher Tentakel zum Vergleiche zur Verfügung. Längsschnitte derselben 
‚zeigen in jedem Wulste 1) eine mässige Anzahl gefüllter Klebzellen mit 
dunkelgrauem Inhalt und bodenständigem Kern, und daran anschliessend den 
von Osmium gebräunten Stiel, durch dessen Lumen sich ein grauer Faden 
von der Basis bis zu dem Inhalte des Bechers zieht; in der Basis des Stieles 
liegt kein Kern, wo ein solcher vorhanden zu sein scheint, zeigt er sich bei 
näherer Untersuchung auf- oder angelagert. Ausserdem 2) leere Zellen von 
schlanker Form mit einem Kern nahe der Basis oder auf derselben. Ob hier 
nebeneinander zwei Zellformen vorkommen, gestielte und ungestielte, oder 
ob der Kern nach Entleerung der gestielten Zelle in die Basis des Stieles 
rückt, darf ich ohne weitere Untersuchung natürlich nicht entscheiden wollen, 
ich kann nur darauf hinweisen, dass im Stiel einer gefüllten Zelle nie ein 
Kern vorhanden war. 

Die Hypothese Rawitz’ über den Zweck des von dem Mantel und 
den Tentakeln der Acephalen abgesonderten Schleimes zu besprechen, ist hier 
kaum der geeignete Platz. Dagegen muss ich noch auf folgende Punkte hin- 
weisen: Zum Nestbau kann sich Lima nicht der mit Klebdrüsen besetzten 
Arme bedienen; das hiezu geeignete und benutzte Organ ist, wie bekannt, 
der zum „Spinnfinger* umgewandelte Fuss. 

Wenn Patten auch in einigen seiner Figuren (45, 55 z. B.) das Epi- 
thel der Falte, in welcher das Periostrakum gebildet wird, falsch darstellt, 
so hat er doch die Beziehung des Epithelwulstes zwischen der äusseren und 
mittleren Mantelrandfalte zu dem Periostrakum richtig erkannt. Von der 
Oberfläche dieses Epithelwulstes, in welchem Ra witz einneues, denSeiten- 
organen anderer Thiere analoges Sinnesorgan erkennt, nimmt in der That 
das Periostrakum !) seinen Anfang; bei allen Muscheln mit dickerem Pe- 
riostrakum wird dasselbe durch Sekretmassen, welche bei Arca z. B. von 
dem Epithel der Schalenseite der mittleren Falte des Mantelrandes abgeson- 
dert wird, verstärkt. 

Dass ich nach diesem Vorgange auch dem von Rawitz bei einer 
Pecten-Art — P. flexuosus — auf dem freien Rande der Mantelklappe ent- 
deckten neuen Sinnesorgan — zwei um den ganzen Rand laufende Falten 
oder Wülste, welche „jedenfalls Sinneshügel sind analog denjenigen Seitenor- 
ganen, die wir bei Fischen, Mollusken und Würmern seit langem kennen“, 
gegenüber mich sehr ungläubig verhalte, ist wohl begreiflich. 


1) „Periostrakum“ (früher : Epidermis, Epieuticula etc.) nennt man nach 
Tullberg das in der äusseren Falte des Mantelrandes abgesonderte orga- 
nische Häutchen, welches — sehr stark z. B. bei Unioniden, Anodonten, Ar- 
caceen entwickelt — die Schale gegen die Einwirkung derim Wasser enthaltenen 
Kohlensäure schützen soll. Weder Rawitz noch Patten hatten von 
dieser, für jeden, welcher über den Mantelrand der Muscheln arbeitet, unent- 
behrlichen Arbeit Kenntniss. 


Fig. 


Ueber Molluskenaugen. 401 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXITI. 


Die Zeichnungen sind theils von mir mit Seibert 1/VII b entworfen und 
nach Seibert 1/l/‚; hom. Imm. ausgeführt (Fig. 1—-8 und Fig. 10, 12), theils 
von mir mit 8. I/VIIb entworfen und von Herrn Scharfenberger nach 
demselben System ausgeführt. 

Fig. 1— 8. Fächeraugen von Arca Noae. 


1. 


%) 


@ 


BD. 


. 9-11. Aus den „Sehgruben“ am Byssusanschnitt des Mantelrandes von 


38 


SOON. 


“Hl: 


Sagittaler, enspigmentirter Schnitt durch die Mitte von 3 Sehzellen. 
Die Pigmentzellen (wie in den folgenden Figuren) sind zur Unterschei- 
dung verschiedenartig getont; das 4. Ommatidium links am Rande 
ist tangential getroffen, so dass die Pigmentscheidenzelle mit ihrem 
Kerne sichtbar ist. 

Der auf Fig. 1 folgende Schnitt, enthält die zu den obigen Sehzellen 
gehörenden Pigmentscheiden- und Gerüstzellen, die Kerne der ersteren 
tiefer, der letzteren höher gelegen. 

Theil eines nahezu sagittalen und medianen Schnittes durch ein nicht 
entpigmentirtes Auge; die Pigmentscheiden sind dunkler pigmentirt. 


.5. Sagittal-median geschnittene Sehzellen mit Pigmentscheiden, 


die Kerne der letzteren in Fig. 3 längs durchschnitten, in Fig. 4 
von der Fläche gesehen ; in Fig. 4 rechts oben schimmert ein Stück 
eines unter der Sehzelle gelegenen Kernes durch, und man sieht 
den Kern der einen Pigmentscheidenzelle durch den darüber lie- 
genden kegelförmigen Binnenkörper. 

Querschnitt durch ein entpigmentirtes Auge, welcher die äussere 
Seite der Sehzellkerne gestreift hat. 


. T a—g. Sieben aufeinander folgende Querschnitte eines entpigmentirten 


Auges, von der Kerngegend der Sehzellen (etwas unterhalb des 
Schnittes Fig. 6) bis zur Basalmembran. In dem mit x bezeichneten 
Ommatidium des Schnittes 7b liegt dem Kern der Sehzelle ein 
Fremdkörper oder ein Stück des über den Kern vorragenden Zell- 
körpers auf, kein Nebenkern. In 7 f u. g sieht man die Durch- 
schnitte von Fasern, welche sich aus den Sehzellen entwickeln. 
Querschnitt aus einem anderen Auge. 


Arca Noae. 

Dünner Längsschnitt durch die Mitte einer Sehgrube. 

Etwas dickerer Längsschnitt durch eine dunkeler pigmentirte Seh- 
grube. 

Mit Seibert 1/l/j entworfen und ausgeführt, zeigt eine längsge- 
troffene pigmentlose Zelle mit Umgebung bei stärkerer Vergrösserung. 


. 12 a—c. Drei Querschnitte aus der Stäbchenschicht der Retina vor 


409 Justus Carriere: 


Pecten opercularis (nach Härtung mit Osmiumsäure) in verschie- 
dener Höhe. a) „Axenfaden“, b) „kegelförmiger Theil“, c) „Mantel“ 
des Stäbchens, d) durch Ueberosmiumsäure geschwärzte Substanz 
zwischen den Stäbchen. 


Trichodina sp. (pediculus?) 
als Blut- und Lymphkörperchen fressender gelegent- 
licher Schmarotzer im Seitenkanal von Cottus gobio. 


Von 


Justus Carriere 
in Strassburg. 


Hierzu Tafel XXIV. 


An den Kiemen der Fische, und zwar zwischen den Fieder- 
chen der Kiemenblättchen, finden sich ausser anderen,. mehr ver- 
einzelt vorkommenden Infusorien und Tardigraden in grosser An- 
zahl Infusorien aus der Gruppe der Peritrichen. Diese zu der 
Familie der Trichodiniden gehörenden Thiere unterscheiden sich 
von den naheverwandten Vorticelliden bekanntlich durch den Be- 
sitz eines ständigen Wimperkranzes auf der unteren Körperseite 
und eines ebenda angebrachten Haftapparates sowie den Mangel 
eines Stieles. 

Die gerade hier in Frage kommende Art hat die Grundform 
eines kleinen Cylinders, welcher etwas breiter als hoch, dessen obere 
Seite leicht convex und dessen Unterseite eben ist. Am Rande 
der convexen Seite findet sich der spiralig angeordnete, in der 
Mundöffnung endigende adorale Wimperkranz, welcher aus einer 
Doppelreihe von Wimpergebilden besteht, am unteren Rande der 
einfache Kreisförmige untere Wimperkranz. 

Der Haftapparat besteht nach der Beschreibung James- 
Clarke’s aus einer Scheibe, die von einem breiten, radiär ge- 
streiften Ringband umgeben ist; etwas oberhalb des Ringes liegt 


Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 403 


der untere Wimperkranz. Auf der Aussenfläche des Ringes stehen 
bei Tr. pedieulus 22—24, bei der vorliegenden Form 26 ungefähr 
T-förmige Haken, deren freier (radiärer) Stift etwas gekrümmt 
nach aussen ragt, während der horizontale (tangentiale) Theil in 
dem Ringband liegt; letzterer ist mit radienartig in der Scheibe 
liegenden Haken verbunden, die Berührungs- oder Gelenkungsstelle 
an diesen kugelig angeschwollen. Die Scheibe wie der Ring sind 
sehr biegsam und alle Theile des Apparates beweglich mit ein- 
ander verbunden, so dass sie sich der Unterlage anschmiegen 
können, die Haken des Ringes findet man bald weit von diesem 
abgespreizt, bald ihm näher oder ganz dicht anliegend. 

Während die Wimperkränze die Zufuhr von Nahrung und 
die freie Schwimm- bez. Gleitbewegung vermitteln, gestattet der 
Haftapparat dauernden Aufenthalt an gerade zusagender Stelle 
und ermöglicht das Leben an den Kiemenblättern trotz des die- 
selben durchströmenden Athemwassers. Ausserdem dürfte er auch 
für die Bewegung der Trichodinen an anderen Thieren von Be- 
deutung sein; wir finden diese Geschöpfe an der Aussenseite von 
zwar festsitzenden, aber doch sehr beweglichen Süsswasserpolypen 
(Hydra) umherkriechend, und ebenso auf dem Körper von Fischen 
(Cottus), welche zwar gewöhnlich ruhig liegend doch häufig blitz- 
schnelle Bewegungen auf kürzere Strecken hin machen. In solchen 
Momenten werden die Haken der gerade auf der Oberfläche des 
Fisches spazierenden Trichodinen rasch aufgerichtet in die weiche 
Epidermis greifen und so das Thierchen von dem Abgestreift- 
werden schützen. — Die Kiementrichodinen, in den mannigfachsten 
Formen bei den verschiedenen Fischgattungen vorkommend, scheinen 
ihren Wirth weder zu stören noch zu belästigen; zwischen den 
Kiemenfiederchen sitzend, erhalten sie ihre Nahrung aus dem 
immer frisch zugeführten Athemwasser des Fisches, welchem sie, 
wie die Untersuchung ihrer Nahrungsballen zeigt, die kleinsten 
darin enthaltenen organischen beziehungsweise organisirten und 
anorganischen Körper entnehmen. 

Die Aufnahme der Nahrung erfolgt durch einen vorgebildeten 
Mund, welcher in eine seitlich am oberen Rande beginnende und 
schräg nach unten gerichtete weite, trichterförmige Vorhöhle (Ve- 
stibulum) und ein engeres Schlundrohr zerfällt; beide zusammen 
sind leicht S-förmig gekrümmt, so dass bei der Ansicht von oben 
her das Vestibulum nach links, der Schlund nach rechts gebogen 


404 Justus Carricere: 


ist. Die bei der Kiementrichodina nur aus feinsten Theilchen 
bestehenden Nahrungskörper werden von den schraubenartig in 
.das Vestibulum eintretenden Wimpern der adoralen Zone unter 
Beihilfe einer aus ihrer äusseren Reihe hervorgehenden und in der 
Tiefe des Vestibulums endigenden undulirenden Membran durch 
das Vestibulum in den Schlund getrieben. In dem Ende desselben 
sammeln sie sich zu Ballen, welche nach Erreichung einer gewissen 
Grösse in das Entoplasma des Thieres eintreten. 

Die Nahrungsballen stehen mit dem Entoplasma nicht in un- 
mittelbarer Berührung, sondern sind zunächst von einer Flüssig- 
keitsschichte umgeben, wie man annimmt, von dem mit dem Bissen 
zugleich aufgenommenen Wasser. 

Ueber der Haftscheibe, bald ihr fast aufliegend, bald weiter 
von ihr entfernt, doch nie bis an die obere Hälfte der Trichodina 
hinaufrückend liegt der Kern in Form eines hufeisenförmig gebo- 
genen Stabes mit ovalem Querschnitt, dessen eines Ende öfters 
dicker erscheint als das etwas verjüngte andere!). Fast zu einem 
Kreise zusammengekrümmt reicht er von beiden Seiten her bis zu 
dem Vestibulum. 

Es ist bekannt, dass die Kerne der Peritrichen im ruhenden 
Zustand locale Verdichtungen des Kerninhaltes aufweisen, sog. 
Binnenkörper, welche vor der Theilung verschwinden. Dünne 
Horizontalschnitte des Trichodinakernes lassen das gleichfalls sehr 
deutlich wahrnehmen, Fig. 4; man sieht hier die kugeligen oder 
kurzwalzenförmigen Binnenkörper in eine den Farbstoff sehr viel 
weniger annehmende, gleichmässige Masse eingebettet, und jeden 
Binnenkörper von einem verhältnissmässig grossen bellen Hofe 
umgeben. Letzterer dürfte aber seine Entstehung wohl nur dem 
verschiedenen optischen Verhalten beider Bestandtheile des Kernes 
verdanken. 

Bei einigen Individuen machte der Kern mehr den Eindruck 
eines gleichartigen, gekörnelten Körpers; sein Aufbau erwies sich 
aber als der gleiche, indem nur die Binnenkörper sehr viel kleiner 
und entsprechend zahlreicher waren, aber doch noch die Zwischen- 
Substanz und die optische Erscheinung der Höfe erkennen liessen. 


1) Der grössere Querdurchmesser des Kernes verhält sich zu dem klei- 
neren ungefähr wie 3:2, und der Kern ist gewöhnlich auf die schmale Kante 
gestellt, wie Figur 2 und 3 zeigen, selten liegt er mehr auf der breiten Seite. 


Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 405 


Gerade derartige Kerne waren es, welche zuweilen abweichend von 
der Mehrzahl unregelmässige, zum Theil wulstige Windungen 
zeigten, also sich vielleicht in Bewegung befanden. Vermehrungs- 
vorgänge konnte ich zu der Zeit, in welcher ich die Thiere beob- 
achtete, Ende November 1888, nicht finden, obwohl dieser Monat 
im Rheinthale so mild war, dass bei einzelnen Cyprinoiden die 
sonst erst Ende des Winters erscheinenden Brunstwarzen auftraten. 

Den Mikronucleus glaube ich nur einmal gesehen zu haben, 
und auch da nicht mit Sicherheit. 

In dem Entoplasma finden sich ausser den Nahrungsballen 
auch Flüssigkeitstropfen, die bei den getödteten Thieren nicht 
immer kugelige Form besassen, und ich glaube nicht, dass diese 
Abweichungen von der Kugelgestalt stets als künstlich durch Con- 
tractionen des absterbenden Zellkörpers hervorgerufene betrachtet 
werden dürfen. Abgesehen von diesen im Entoplasma wandernden 
„Vacuolen“ fanden sich zwei derartige Bildungen an bestimmten 
Stellen. Die eine liegt ganz dicht über der Haftscheibe, durch 
eine dünne Schicht des Zellkörpers von ihr getrennt, ihre Form 
ist unabhängig von dem Contractionszustande des Thieres durch 
die Haftscheibe bedingt, indem immer die derselben anliegende 
Wand der Vaeuole flach, die gegenüberliegende gewölbt, der senk- 
rechte Durchschnitt oft dreiseitig erscheint; sie ist auf allen gün- 
stigen Schnitten deutlich, nur ihre Grösse wechselnd. Im Anfange 
glaubte ich es hier mit der contractilen Vacuole zu thun zu haben, 
deren Lage entsprechend angegeben wird, und es wäre ja denk- 
bar, dass sie sich erhielte, wenn das Thier gerade bei der Diastole 
abgetödtet würde. Doch sprach dagegen einmal die Regelmässig- 
keit des Vorkommens, und dann das Vorhandensein einer selb- 
ständigen wenn auch sehr dünnen Wandung, welche eine gewisse 
Struetur — auf den Durchschnitten natürlich nur undeutlich — 
erkennen lässt. Ich glaube desshalb, dass diese Vacuole das von 
verschiedenen peritriehen Infusorien bekannte „Reservoir“ dar- 
stellt, in welches die contractile Vacuole mündet, statt ihren Inhalt 
direct in das Vestibulum zu ergiessen. 

Die zweite localisirte Vacuole, welche in direeter Beziehung 
zu dem Schlunde steht, ist von anderen „Nahrungsvacuolen“ in 
später zu schildernder Weise unterschieden. 

Für gewöhnlich lebt also diese Trichodina wie oben ge- 
schildert an den Kiemen, bei Fischen, welche sich nur wenig Be- 


406 Justus Carricre: 


wegung machen, wohl auch auf der Oberfläche des Körpers, und 
ohne ihrem Wirthe Nahrungsstoffe zu entziehen. Sie findet sich 
aber auch gelegentlich als echter Schmarotzer innerhalb von Or- 
ganen des Fisches und von seinen Körpersäften sich nährend; 
das kommt auf folgende Weise. 

Cottus gobio besitzt wie viele andere Knochenfische auch ein 
regelmässig entwickeltes Seitenkanalsystem, das heisst, unge- 
fähr in der Mitte jeder Seite verläuft vom Schwanze bis zum 
Kopfe unter der Haut eine Röhre, welche am Schädel angekommen 
sich in vier Aeste spaltet, von denen einer die Verbindung mit 
der anderen Seite herstellt, der zweite und dritte ober- und unter- 
halb des Auges hinziehen, der vierte sich längs des Unterkiefers 
bis zu dessen Spitze erstreckt. Die Röhre, deren Wand aus Epi- 
dermis gebildet ist, steht mit der Oberhaut durch kleine Quer- 
kanälchen in Verbindung, welche in gewissen Abständen auf der 
Oberfläche ausmünden; diese „Poren“ der Seitenlinie sind längs 
des Rumpfes häufig den Metameren entsprechend angeordnet, so 
dass auf jedes Segment einer trifft. Auf der proximalen Wand 
des Seitenkanales, in die Epidermis desselben eingebettet, aber 
nicht mit ihr in Verbindung liegen die als „Hügel“ bekannten 
Sinnesorgane, je einer, oder zwei, sogar drei zwischen je zwei 
Oeffnungen. Eine derart regelmässig segmentale Anordnung dieser 
Organe, wie sie bisher — trotz einzelner schon bekannter Ausnah- 
men — als Gesetz angenommen wurde, ist hier nicht vorhanden, 
es finden sich in der Zahl der jedem Metamer entsprechenden 
Hügel individuelle Schwankungen. 

Die Wand des Kanales wird von der Epidermis gebildet, 
welche sich unter die Körperoberfläche einsenkt, und dabei zu- 
weilen kaum eine Veränderung ihrer Zusammensetzung erfährt, 
wie bei der Sehleihe, in der Mehrzahl der Fälle aber, und so 
auch bei Cottus, der Schleim- und Drüsenzellen verlustig geht. 
Ebenso nimmt sie bei dem Uebergang in die Querkanälchen — 
wieder mit Ausnahme der Schleihe — so viel an Höhe ab, dass 
die Wandung der Seitenkanäle nur von einer äussersten der Horn- 
schicht entsprechenden Lage und von ein bis zwei darunterliegen- 
den Zellschiehten gehildet wird. So besteht bei Cottus die Epi- 
dermis des Kanales nur aus im Ganzen zwei bis drei Schichten 
von Zellen, deren äussere, wie bekannt, in Form von mehr oder 
weniger hohen, veränderlichen Kuppen in das Lumen hineinragt. 


Trichodina sp. (pediculus?) etc. 407 


Dieser zarte Kanal liegt nicht frei zwischen Haut und Muskeln, 
sondern innerhalb einer weiteren, aus festem faserigen Bindege- 
webe bestehenden Röhre, in welche in jedem Segmente eine hohl- 
ziegelförmige, den Kanal grossentheils umfassende Schuppe einge- 
fügt ist. Auf diese Weise ist zugleich Beweglichkeit und Schutz 
gegen Druck gewährleistet. 

Der Raum zwischen der Röhre und dem Kanal ist mit einer 
Art von Polster ausgekleidet, einem eigenthümlichen, faserlosen 
Bindegewebe, in welchem Capillaren verlaufen. Auf der proxi- 
malen Seite, unter den Hügeln, ist das Polster kräftiger und etwas 
dieker, und enthält hier die Nervenstämmchen und die sie beglei- 
tenden Blutgefässe. 

Durchschneidet man den Seitenkanal vor oder hinter einem 
Hügel, so findet man an dessen Stelle eine kleine Gruppe von 
Zellen auf dem Polster aufsitzend (Fig. 6 und 7); diese Zellen ge- 
hören einem Strange an, welcher längs der proximalen Wand lau- 
fend die einzelnen Hügel verbindet, und dessen Bedeutung ich an 
anderem Orte besprechen werde. An dieser Stelle, also wohl zu 
beiden Seiten des Stranges ist die Epidermiswand des Kanales 
bei Cottus mit dem Polster fest verbunden, während sie sich mit 
Ausnahme dieser proximalen Längsnaht in ihrem ganzen Umfang 
von dem Polster unter Einfluss leichter Contractionen bei der Con- 
servirung glatt abheben kann. 

Wie ich gelegentlich dieser und anderer Untersuchungen be- 
obachtete, findet bei Knochenfischen normaler Weise eine beständige, 
oft sehr starke Einwanderung von Lymphzellen in die Epidermis 
statt. Am deutlichsten und zahlreichsten sind diese in den unter- 
sten Schichten des stratum Malpighi zu sehen, wo sie aus dem 
lockeren subeutanen Bindegewebe kommend sich bei dem Ein- 
dringen in die ihrer Wanderung mehr Widerstand entgegensetzende 
Epidermis anstauen. Von hier aus sind sie dann sich wieder 
mehr und mehr vereinzelnd durch die ganze Höhe der Epidermis 
bis in die obersten Schichten zu verfolgen. Das Eindringen der 
Leukocyten in die Epidermis findet weder bei verschiedenen 
Fischen, noch an dem Körper eines Fisches gleichmässig statt; so 
finde ich es bei Cottus gobio bald stärker, bald schwächer, sehr 
stark bei dem mit vielen Triehodinen behafteten, bei einer Schleihe, 
bei Cobitis fossilis, weniger bei anderen Exemplaren von Cottus, bei 
Lota vulgaris, recht auffallend auch am Kopfe von Chondrostoma 


408 Justus Carri£ere: 


nasus, während im allgemeinen die Einwanderung in die Epidermis 
des Kopfes in geringerem Maasse stattzufinden scheint. 

Ganz dieselbe Erscheinung findet sich — ebenfalls normal — 
in der Epidermis des Seitenkanals (ich glaube die Angabe ruhig 
so allgemein ausdehnen zu können, da die von mir untersuchten 
Thiere den drei einander sehr fern stehenden Familien der Physo- 
stomen, Gadiden und Trigliden angehören); in den Intercellular- 
räumen der basalen Zellschicht finden sich Lymphzellen, theils 
vereinzelt, theils zu mehreren sich engere oder weitere Kanäle aus- 
bohrend, ohne für gewöhnlich die Epidermis dadurch auffallend 
zu verändern oder aufzulockern. 

Ich konnte nun feststellen, dass lebende Trichodinen aussen 
auf den Seiten des Cottus vorhanden waren, indem ich mit der 
Messerschneide leicht darüber hinfuhr und den so abgestreiften 
Schleim untersuchte. Das Weitere zeigten Schnittserien durch 
grössere, den verschiedensten Stellen der Seitenlinie entnommene 
Stücke, welche theils mit Merkel’scher Flüssigkeit, theils mit Chrom- 
Osmium-Essigsäure abgetödtet und in Alkohol fertig gehärtet waren. 

Die Trichodinen, welche auf dem Fische lustwandeln, kommen 
auch an die Oeffnungen des Seitenkanales, welche die Oberfläche 
der Haut schlotförmig um ein Geringes überragen, und dringen 
mit leicht begreiflicher Neugierde in dieselben ein!). In dem 
Kanal angekommen, verbreiten sie sich in demselben, welcher 
durchaus nicht, wie sein früherer Name sagt, Schleim enthält, 
sondern Wasser, weiter, bis sie ihn gelegentlich auch wieder durch 
eine der Oeffnungen verlassen ?). 

Die Bewegung der Thiere in dem Kanal ist eine durchaus 
freie, da sie (Fig. 1 und 2) 0,052—0,056 mm im grössten Durch- 
messer messen, der Kanal in seiner lichten Weite ungefähr 0,25 mm, 
während die Schlote allerdings nur gerade einer Trichodina den 
Durehgang gestatten. — Bei einem Exemplar von Cottus, welcher 


1) Ich besitze eine Anzahl Präparate, Längs- und Querschnitte des Sei- 
tenkanales, welche Trichodinen, und zwar gewöhnlich mehrere, an verschie- 
denen Stellen der Querkanälchen von der Ausmündung an der Oberfläche bis 
zur Einmündung in den Kanal zeigen. 

2) Ich schliesse das daraus, dass ich auch in den äussersten Theilen der 
Schlote Trichodinen mit Nahrungsballen fand, welche sie im Kanal selbst 
aufgenommen haben mussten. 


Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 409 


in seinem Seitenkanal nur wenige Trichodinen beherbergte, ja auf 
grössere Strecken hin gar keine aufwies, bemerkte ich nichts 
Merkwürdiges, weder an dem Schmarotzer, noch an seinem Wirthe. 
Die auffallendsten Veränderungen an beiden Theilen zeigten sich 
aber bei einem anderen, stark mit Triehodinen inficirten Fische 
und ich will im Folgenden zuerst diejenigen des Parasiten, dann 
die an dem Fische wahrnehmbaren schildern. 

Die Mehrzahl der Kanal-Trichodinen enthält einen sehr gros- 
sen kugeligen Ballen von Zellkerven an einer bestimmten Stelle 
zwischen den Schenkeln des hufeisenförmigen Kernes, und ausser- 
dem an verschiedenen Stellen des Entoplasmas kleinere Ballen 
solcher Kerne; alle diese Kernballen besitzen an den vorher mit 
Pikrokarmin behandelten Objeeten dieselbe intensiv rothe Färbung 
wie der Trichodinakern selbst, während das Entoplasma einen mehr 
gelblichen Ton angenommen hat (Fig. 2—4). — In dem gewöhnlich 
nur von klarer Flüssigkeit ohne jede Beimengung erfüllten Kanale 
schwimmen an vielen Stellen Lymphzellen und Blutkörperchen, oft 
vereinzelt, meist aber zu mehreren oder auch in grosser Menge, zu- 
sammengehalten von einer schleimigen, durch die Härtungsflüssig- 
keiten gerinnenden Masse, die zum Theil gewiss aus den durch 
den Einfluss des Wassers zerstörten Zellkörpern besteht, denn von 
diesen ist gewöhnlich nichts mehr wahrzunehmen. Am Rande 
solcher grösserer, mit Kernen durchsetzter Fetzen von Gerinnsel 
kleben dann häufig noch fast unveränderte Blut- und Lymphkör- 
per; von letzteren sieht man einzelne noch anscheinend unversehrte 
namentlich in der Nähe des Kanalwand. 

An grösseren Fetzen von Coagulum legt sich zuweilen eine 
Triehodina mit ihrem Hakenkranz vor Anker, gerade wie es 
die Thiere sonst vielfach an der Kanalwand zu thun pflegen. Der 
Vergleich der Kernballen in den Triehodinen und der im Kanal 
herumschwimmenden oder durch Gerinnsel fester oder loser ver- 
bundenen Lymphzellen und Blutkörperchen zeigt, dass die Tricho- 
dinen diese Bestandtheile des Wirbelthierkörpers nicht nur zur 
Nahrung benutzen, sondern mit einer auffallenden Gier verschlingen, 
als könnten sie gar nicht genug davon bekommen. Zum Beweise 
will ich nur ein paar von den vielen beobachteten Exemplaren 
schildern. 

Eine in Fig. 3 abgebildete Triehodina enthält in ihrem 
oberen Theile einen grossen, kugeligen Nahrungsballen, den sie 


410 Justus Carriere: 


nach dem Inhalt zu schliessen, noch von der Kieme mitgebracht 
hat; im unteren sieht man (nicht durch die Mitte getroffen) den 
grossen Nahrungsballen, aus Lymphzellen bestehend, deren Zellkör- 
per noch erhalten und deren Kerne noch nicht durch die Ver- 
dauung angegriffen sind; dann an verschiedenen Stellen einzelne 
Lymph- oder Blutzellkerne und in der Nähe des alten Nahrungs- 
ballens einen solchen von Zellkernen, deren Grösse sehr verringert 
ist, die sich aber, da gerade die färbbaren Bestandtheile der Ver- 
dauung am meisten widerstehen, intensiv färben. Dieses Exemplar, 
noch besser aber das eine in Fig. 2 und das in Fig. 4 dargestellte, 
zeigen die Lage und Grösse der früher erwähnten constanten 
Nahrungsvacuole. Sie liegt am Ende des Schlundes, etwas ober- 
halb des Kerns, aber mit ihrem unteren Theile noch innerhalb 
des vom Kernbogen umschriebenen Raumes, etwas excentrisch. 
Meine Annahme, dass diese „Nahrungsvacuole“* ein dauernder Be- 
standtheil des Ernährungssystems sei, kein am Ende des Schlundes 
sich bildender und dann weiter wandernder Nahrungsballen, grün- 
det sich, abgesehen von der Regelmässigkeit des Vorhandenseins 
auf die grosse Menge von Kernen, welche in ihr enthalten sind 
im Gegensatz zu der geringeren Anzahl derselben in dem im En- 
toplasma wandernden Nahrungsballen. Ich habe durchaus den 
Eindruck, dass diese einer sehr grossen Erweiterung fähige also 
nicht mit eigener Wandung versehene Vacuole eine Art — sit venia 
verbo — Kropf darstelle, in welchen die Nahrungsmittel zuerst 
aufgenommen und aus welchem nach Auflösung des weichen Zell- 
körpers die härteren Kerne in kleineren Ballen zur weiteren Ver- 
dauung in das Entoplasma abgegeben würden. 

Eine andere Trichodina, Fig. 4, zeigt, fast parallelder Haftscheibe 
durchschnitten, an entsprechender Stelle einen sehr grossen, noch 
nicht zusammengepressten Kernhaufen. Das Thier scheint wie das 
in Fig. 3 erst kürzlich eingewandert gewesen zu sein, denn vor dem 
Kernhaufen liegt ein grosser Ballen mitgebrachter, verdauter Nah- 
rung, und einige schon nach aussen getretene Theile desselben 
zeigen, dass dieser Kothballen wohl eben in einer Pause der 
Nahrungsaufnahme entleert werden sollte, als das Thier vom Tode 
ereilt wurde. Unter diesen beiden „Vacuolen* liegt das gerade 
sehr grosse Reservoir. 

Fig. 2 zeigt zwei Trichodinen an der Stelle liegend, wo sich 
ein Querkanälchen von dem Seitenkanal nach aussen abzweigt, 


Trichodina sp. (pediculus ?) etc. 411 


die eine parallel der Haftscheibe, die andere senkrecht dazu ge- 
troffen. Sechs hintereinander folgende Durchschnitte des letzteren 
Thieres lassen erkennen, dass es von aufgenommenen Nahrungs- 
substanzen die grosse, mit vielen Kernen gefüllte Nahrungsvacuole 
und im Entoplasma zerstreut eine ziemlich grosse Lymphzelle mit 
grossem Kern, und ausserdem Kerne von Blutkörperchen in kleinen 
Häufchen und vereinzelt, sowie ein paar ältere Nahrungsballen 
mit krümeligem, nicht färbbarem Inhalt enthält; in dem anderen 
Individuum sieht man zwei kleinere Kernballen und vielleicht die 
grosse Nahrungsvacuole angeschnitten. (Ob es sich um einen aus 
dem Nachbarexemplar leicht verständlichen Tangentialschnitt einer 
grossen Nahrungsvacuole oder um einen Schnitt mitten durch das 
Reservoir handelt, kann ich nicht entscheiden, da die folgenden 
Schnitte des Thieres verloren gingen.) 

Die Kerne, welche man in der grossen Nahrungsvaecuole (Kropf) 
angehäuft findet, sind gewöhnlich dicht zusammengepresst, nicht 
mehr von Protoplasma umgeben. Einen Fall, in welchem letzteres 
noch erhalten war, habe ich schon oben erwähnt, von einer ande- 
ren will ich der ausserordentlichen Grösse der Nahrungsvacuole 
halber noch einige Maasse anführen. 

Der Durchmesser des ganzen Thieres betrug 0,045 mm, der 
der Nahrungsvacuole, welche fast den ganzen Raum innerhalb des 
Kernringes einnahm, 0,023 mm. — Die grössten Kerne in den im 
Kanal neben dem Thiere liegenden Lymphzellen hatten einen Durch- 
messer von 0,0035 mm; neben diesen selteneren grossen Kernen 
lagen Lymph- und Blutkörper mit kleineren Kernen, und es zeigte 
die Kerngrösse die Verhältnisse von 7:5:3,5 derart, dass die 
grössten und die kleinsten Formen als die seltensten erschienen; 
in der Nahrungsvacuole war das Grössenverhältniss der Kerne wie 
5:4:3, d. h. die grössten Kerne bezw. Zellen wurden von dem 
Thiere nicht gefressen, dagegen die mittleren und kleinsten wahr- 
scheinlich ausgesucht. Die kleinen und kleinsten Kerne gehören 
Blutkörperehen an, die grösseren Lymphzellen, und letztere sind 
durch ihren weniger färbbaren Kern mit lockerem Gerüst von den 
dichten Blutkörperchenkernen unterschieden; hier zeigten auch die 
gefressenen Kerne noch diese Verschiedenheiten der Struetur. 

Der aus diesen Zellen in der Vacuole angehäufte Nahrungs- 
ballen sah sehr locker aus; die Kerne waren nämlich noch durch 
grosse Reste von Zellkörper von einander getrennt, so dass der 


412 Justus Carriere: 


Zwischenraum zwischen zwei nebeneinander liegenden Kernen durch 
den ganzen Haufen hindurch das anderthalbfache bis doppelte des 
Kern-Durchmessers betrug. | 

Es dürfte nieht zweifelhaft sein, dass die innerhalb der Tri- 
chodinen vorhandenen Kernhaufen, vereinzelten Kerne und Zellen- 
reste von gefressenen Lymph- und Blutzellen herstammen, und 
zwar von den Zellen dieser Art, welche im Kanal frei oder durch 
gerinnbare Substanzen sehr lose vereinigt vorhanden sind. Nun 
erübrigt noch zu untersuchen, wo diese Lymph- oder Blutkörper 
herkommen. 

Die Epidermis des Seitenkanales habe ich oben geschildert 
und erwähnt, dass ihre tiefere Schicht normaler Weise von Lymph- 
körperchen in derselben Weise bevölkert wird wie das Stratum 
Malpighi der Epidermis der Körperoberfläche. Bei diesem Indivi- 
duum von Cottus mit der grossen Menge von Trichodinen im 
Seitenkanal ist die Epidermis des letzteren in seiner ganzen Aus- 
dehnung, aber nicht überall gleichmässig verändert. An den 
Stellen, welche dem Normalen noch am ähnlichsten sind, erscheint 
die Epidermis immerhin etwas höher, und von sehr zahlreichen 
Hohlräumen durchzogen, in welchen Lymphzellen liegen, deren 
Kerne durch Struetur und Färbevermögen sich sehr deutlich von 
den Kernen der Epidermiszellen unterscheiden (Fig. 6—9). 

An diese Strecken schliessen sich andere, in denen die immer 
mehr anwachsenden, offenbar aus den Intercellularräumen hervor- 
gegangenen Lymphräume die Hornschicht von der basalen Zell- 
schicht weiter abheben; erstere, von einer einfachen Zellenlage 
gebildet, bewahrt sowohl ihren Zusammenhang in sich als ihre 
Verbindung mit der basalen Zellschicht, wobei einzelne Zellen der 
letzteren zu hohen, von Lymphe umspülten Pfeilern gestreckt 
werden. Im weiteren Verfolge kommen Stellen, die einer Stauung 
besonders günstig sind und an diesen wird die Epidermis bis zur 
sechsfachen Höhe über das normale Maass aufgetrieben, so dass 
die mit der Basis immer noch an der Basalmembran, mit dem 
äusseren Ende an der Hornschicht haftenden Zellen des Stratum 
Malpighi fadenförmig ausgezogen werden. Die so entstandenen 
srossen Hohlräume werden von Zellen verschiedener Art und eine 
locker gerinnende Flüssigkeit, durch welche die Zellkörper der 
Lymphzellen undeutlich werden, erfüllt. Ausser den grossen Lymph- 
kernen finden sich, in viel geringerer Anzahl kleine, diehte und sehr 


Trichodina sp. (pedieulus ?) etc. 413 


stark färbbare Kerne, über deren Herkunft ich nicht bestimmtes 
angeben kann, so dass alle die im Kanallumen und im Ento- 
plasma der Triehodina vorhandenen Kernformen hier wiederzu- 
finden sind. Die stärksten Anschwellungen der Epidermis finden 
sich an den Seiten des Kanals dicht an der proximalen Wand 
desselben, während die distale Wand kaum oder nur in äusserst 
geringem Grade in Mitleidenschaft gezogen wird, und ebenso die 
Naht in der proximalen Wand dem Eindringen der Leukocyten 
widersteht. Den Austritt einzelner Zellen durch die Hornschicht 
habe ich ebensowenig beobachten können als eine Zerreissung 
der am stärksten angeschwollenen Stellen. Dagegen dürften viel- 
leicht bestimmte Stellen für den Austritt der Lymphkörper in 
Anspruch genommen werden, und das wäre die Umgebung der 
Sinneshügel, da diese Organe nicht mit der Epidermis in gene- 
tischem Zusammenhange stehen und die Verbindung von Epidermis 
und dem distalen Hügelrande häufig sehr gelockert erscheint. 

Für den Austritt von Blutkörperchen in den Kanal wird man 
wohl Verletzungen feinster Capillaren gelegentlich dieser grossen 
Veränderungen in der Epidermis in Anspruch nehmen dürfen. 

Eine Frage ist noch zu beantworten: Dringen die Tricho- 
dinen in den Seitenkanal ein, um von einer zufälligen Erkrankung 
desselben Nutzen zu ziehen oder sind sie durch ihre Einwande- 
rung, das heisst, durch den Reiz, welchen sie auf die sehr zarte 
Kanalwand ausüben, Ursache dieser Erkrankung, deren Folge 
oder Begleiterscheinung ihnen dann eine sehr reichliche Nahrung 
liefert? Bei der Beantwortung möchte ich mich der letzteren Seite 
zuneigen, obwohl ich die Möglichkeit des ersteren Falles durchaus 
zugebe. Denn ich fand ja auch bei einem anderen Exemplar von 
Cottus gobio Trichodinen im Seitenkanal bei ganz normalem 
Verhalten des letzteren — die Einwanderung wird also nicht 
durch krankhafte Absonderungen im Kanale veranlasst, sondern 
findet ohne für uns sichtbaren Grund statt. 

In diesem zweiten Individuum waren aber nur sehr wenige 
Triehodinen im Seitenkanal vorhanden — sollte nicht darin die 
Ursache zu suchen sein, dass der Kanal noch gesund war? 

Schliesslich muss ich noch auf den Einfluss der veränderten 
Nahrung auf die Thiere hinweisen; die mit Blut- und Lymphzellen 
genährten Trichodinen machen einen entschieden kräftigeren Ein- 
druck als die sehlechtgenährten Kiementrichodinen, die Kanal- 


414 Justus Carriere: 


trichodinen sind strotzender, möchte ich sagen, und widerstehen 
den zur Conservirung angewandten Reagentien bei weitem besser 
als die viel zarteren Trichodinen der Kieme. 

Anmerkung. Zu erwähnen wäre ferner, dass ich in einem Blut- 
gefässe am Kiemenbogen eine Trichodina fand, deren guter Erhaltungs- 
zustand die Annahme, dass sie in leblosem Zustande hineingerathen oder 
darin zu Grunde gegangen sei, ausschliesst. Sie enthielt keine Kernballen, 
und ich kann weder angeben, wie, noch ob sie absichtlich hineingekommen. 

Auch in einem anderen Organ kommen die Trichodinen häufig endo- 
parasitisch vor, nämlich in der Harnblase von Fischen, Tritonen und Fröschen, 
in welche sie gleichfalls unmittelbar von aussen einwandern können. Doch 
ist hier über etwa durch sie veranlasste ähnliche Störungen und den damit 
zusammenhängenden auffallenden Nahrungswechsel nichts bekannt. Vergl. 
Bütschli, Protozoa. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV. 


Alle Präparate stammen von Cottus gobio, und sind mit Ausnahme 
der bei schwacher Vergrösserung gezeichneten Fig. 1 und der nach Seibert 
1/V gezeichneten Fig. 2 mit Seibert 1/VII b nach den von mir mit der Camera 
bei dieser Vergrösserung entworfenen Umrissen von dem Universitätszeichner 
Herrn Scharfenberger ausgeführt. Einzelheiten wurden mit homogenen 
Immersionen von Seibert und Zeiss nachgesehen. 

Fig. 1. Querschnitt des Seitenkanals und eines Sinneshügels, zeigt zu innerst 
die stark angeschwollene Kanalwand mit scharf abgegrenzter Horn- 
schicht, zu äusserst die bindegewebige Röhre mit der Schuppe, 
zwischen beiden das weiche bindegewebige Polster; in der Umgebung 
des Hügels grosse pathologische Lymphräume, unter demselben 
Querschnitte von Blutgefässen und Nerven. In dem Lumen des 
Kanals über dem Hügel eine Trichodina, der Haftscheibe parallel 
durchschnitten. Halbschematisch. 

Fig. 2. Zwei Trichodinen im Anfange eines Querkanälchens, die eine senk- 
recht, die andere parallel zur Haftscheibe durchschnitten ; beide 
mit als Nahrung aufgenommenen Lymph- und Blutköperkernen. 

Fig. 3. Trichodina aus dem Seitenkanal, senkrecht zur Haftscheibe durch- 
schnitten, mit einem alten (von den Kiemen oder der Körperober- 


Fig. 4. 


Fig. 5. 


Fig. 6. 


Fig. 7. 


Fig. 8. 


Fig. 9. 


Triehoniden sp. (pediculus ?) etc. 415 


fläche mitgebrachten) Nahrungsballen ausser den im Kanal ge- 
fressenen Blut- und Lympkörperchen; neben dem Thiere liegen — 
in einer geronnenen Flüssigkeit — Blutkörper und Lymphzellen. 
Trichodina aus dem Seitenkanal, parallel der Haftscheibe durch- 
schnitten, das Vestibulum, ein Kothballen und die grosse Nahrungs- 
vacuole mit Inhalt liegen über dem sehr ausgebreiteten Reservoir. 
Trichodina von der Kieme, senkrecht zur Haftscheibe durch- 
schnitten. 

Ziemlich normale Stelle von der proximalen Wand des Seiten- 
kanales auf senkrechtem Durchschnitt; auf dieser und den folgenden 
Zeichnungen sind die zwar vorhandenen, aber nicht sehr deutlichen 
Zellgrenzen nicht ausgeführt; die oberste Zellschicht entspricht dem 
Stratum corneum, die untere dem Stratum Malpighi der Epidermis 
der Körperoberfläche. Die Kerne der Zellen des „Verbindungs- 
stranges“ färben sich etwas dunkler als die Epidermiskerne, aber 
nicht so intensiv wie diejenigen der Wander-(Lymph?)-Zellen. In 
dieser Zeichnung sind Polster und Schuppe nur schematisch angegeben. 
Etwas veränderte Stelle von der proximalen Wand des Seiten- 
kanales; die Epidermis ist höher, von zahlreichen Lympfkanälchen 
durchbohrt; die äussere Röhre ist nicht gezeichnet. 

Stärker veränderte Stelle von der proximalen Wand des Seitenkanales, 
etwas seitlich der Nahtlinie. In dem Polster Durchschnitte von 
Gefässen. Die auf dem Präparat durchscheinende, homogene Schuppe 
ist — wie in Fig. 1 — auf der Zeichnung schematisch gekörnelt. 
Sehr stark angeschwollene Stelle der Seitenkanal-Epidermis vom 
Uebergang der proximalen Wand des Seitenkanals in die dorsale 
oder ventrale. Die Zellen der Malpighi’schen Schicht sind faser- 
förmig in die Länge gezogen, in den die Blase massenhaft erfüllen- 
den Wanderzellen fallen einzelne kleinere und sehr stark gefärbte 
Kerne auf. 


Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 9hr 


416 J. Dewitz: 


Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. 
Von 


Dr. 3. Dewitz. 


Hierzu 1 Holzschnitt. 


Beim Anfertigen von Serienschnitten empfindet man es unan- 
senehm, dass die Objeetträger, welche die aufgeklebten Schnitte 
enthalten, eine grosse Anzahl Cylindergläser mit der betreffenden 
Flüssigkeit erfordern. Denn soll ein Abstossen der Schnitte von den 
Objectträgern vermieden werden, so darf man nur einen oder höch- 
stens zwei von den letztern in einen Cylinder stecken. Eine prac- 
tische Einrichtung, welche es ermöglicht, eine grössere Anzahl von 
Objectträgern ohne Schaden für die Objecte gleichzeitigin ein und 
dasselbe Glas zu bringen, ist mir bisher nicht bekannt geworden. 
Ueberhaupt habe ich nur einen hierher gehörenden Apparat kennen 
gelernt durch die freundliche Mittheilung des Herrn Dr. v. 
Mährenthal. Dieser Apparat!) stellt ein Glas-Kästchen vor, das 
nach dem bekannten Prinzip der Kästchen für mikroskopische 
Präparate an seinen beiden kurzen Enden für die Aufnahme der 
Objectträger eingerichtet ist. Es sind entweder Leisten aufgeklebt 
oder Rinnen eingeschliffen. Der Hauptfehler eines solchen Käst- 
chens ist der hohe Preis. Die grossen, für mehrere Objeetträger 
eingerichteten kosten fast 6 Mk. Ferner ist es unvortheilhaft, dass 
einzelne Theile gekittet sind. Auch die Handhabung ist wenig 
bequem, weil man bei jedem Flüssigkeitswechsel die Objectträger 
herausnehmen muss. 

Ich habe nun das hier abgebildete Gestell aus Glasstab?) 
für vorliegenden Zweck construirt. Dasselbe scheint mir aus mehr- 


1) Zu beziehen durch E. Leybold Nachf., Cöln. 

2) Vielleicht wird es sich mehr empfehlen, statt Glasstab Glasrohr an- 
zuwenden, da dieses haltbarer sein könnte. Hierüber muss jedoch der Gebrauch 
entscheiden. 


Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. 417 


fachen Gründen practisch zu sein. Es ist ohne grosse Mühe und 
Kosten herzustellen und leicht zu handhaben, da es mit dem ganzen 
Satz von Objectträgern von einem Cylinder mit Flüssigkeit in den 
andern gehoben werden kann. 

Die Herstellung des Gestelles geschieht in folgender Weise: 

Bei der Herstellung des Gestelles benutzt man die Stich- 
flamme und biegt damit einen Glasstab in folgender Weise. Bei 
a beginnend macht man zur Aufnahme der obern Enden der 
Objectträger soviel Schlangenlinien, als das Gestell Objectträger 
aufnehmen soll. Bei 5 biegt der Stab um und bildet durch be eine 
Barriere, um das Hinausfallen eines Theiles der Objectträger auf 
dieser Seite zu verhindern. Von c an wendet man einen 
stärkern Glasstab an, der an dieser Stelle mit abc verschmolzen 
wird und auf der Strecke cd einen Pfosten des Gestelles dar- 
stell. Durch de wird die untere Barriere gebildet. Der Stab 
biegt dann in e um und verfolgt die untere Schlangenlinie, um 
schliesslich in f mit der Ziekzacklinie fg verschmolzen zu werden, 
welche der Unterseite der Schlangenlinie ef anliegt. Ein anderer 
Stab beginnt mit a‘ und bildet in b’c’ und d’e‘ auf der andern 
Seite die obere und die untere Barriere und in c’d‘ den zweiten 
Pfosten des Gestelles. In e’ ist er mit der entsprechenden Stelle 
der untern Schlangenlinie zusammengeschmolzen. 

Der Gebrauch des Gestelles ergiebt sich von selbst. Die Ob- 
jeetträger werden durch die von den Umgängen der obern Schlangen- 
linie verursachten Spaltöffnungen geschoben und nach den ent- 
sprechenden untern Spaltöffnungen gerichtet. Hier hindert sie am 
Durchgleiten die Ziekzacklinie fg. Um oben das Abstreifen der 
Objeete von den Objectträgern zu vermeiden und andererseits 
unten ein Feststehen der letztern zu bewirken, ist zu der obern 
Schlangenlinie ein Stück Glasstab von kleinerm Querschnitt ver- 
wandt. Hierdurch werden die obern Spaltöffnungen weiter, die 
untern enger ausfallen und die Breite der Schlangenlinie ist oben 
und unten die gleiche. 

Dann setzt man das Gestell in ein passendes Gefäss mit der 
gewünschten Flüssigkeit, hebt es nach beendeter Einwirkung der 
letzteren auf die Objecte heraus, lässt es abtropfen und senkt 
es in das bereit stehende Gefäss mit der zweiten Flüssigkeit u. s. w. 
Das Material des Gestelles gestattet die Anwendung aller Chemi- 
kalien. 


418 J. Dewitz: Gestell für Objectträger bei Serienschnitten. 


Die Abbildung giebt ein Gestell 
mit fünf Fächern wieder. Dieses ist 
nur geschehen, um die Zeichnung 
zu vereinfachen. In der Praxis 
wird es sich empfehlen, besonders 
wenn es sich um grosse Schnitt- 
reihen handelt, das Gestell für min- 
destens 10 Objectträger einzurichten. 
Auch ist es zweckmässig, nicht Glas- 
eylinder für die Flüssigkeit zu 
wählen, sondern sich viereckige 
Glasgefässe anfertigen zu lassen, in 
welche das Gestell bequem hinein- 
passt und die mit einer Glasplatte 
zugedeckt werden können. 

Das von mir construirte Modell 
hat Herr H. Müller in Berlin!) unter Anbringung einiger Verein- 
fachungen ausgeführt. Derselbe ist bereit, auf Wunsch besagte 
Gestelle anzufertigen. Bei Bestellungen ist es natürlich nothwendig, 
das Format der Objeetträger und die Anzahl derselben, welche 
das Gestell aufnehmen soll, anzugeben. Die ungefähre Dieke des 
Objectträgerglases hinzuzufügen, läge auch im Interesse einer be- 
friedigenden Ausführung des Apparates. 


1) H. Müller, Fabrik chem., phys. ete. Apparate. Berlin. N. W. Lui- 
senstrasse 5l. Hof 2. 


Be. 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 419 


(Aus dem I. anatomischen Institute zu Berlin.) 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta 
beim Hunde, 


Von 


G. Heinricius, 


Docent der Geburtshülfe an der Universität Helsingfors. 


Hierzu Tafel XXV u. XXVI. 


Während des Sommersemesters 1837 habe ich im I. anatomi- 
schen Institute zu Berlin Untersuchungen über die Entwickelung und 
Structur der Placenta bei Raubthieren (Hund und Katze) begonnen 
und dann zu Hause fortgesetzt. Meine Untersuchungen über die 
Placenta des Hundes sind jetzt abgeschlossen, die über die Pla- 
centarentwickelung der Katze noch im Gange; ich beabsichtige 
die Resultate dieser letzteren später zu veröffentlichen. 

Als Untersuchungsmaterial habe ich Hündinnen in verschie- 
denen Stadien der Gravidität verwendet. Genau die Zeit der 
Schwangerschaft zu bestimmen ist in allen Fällen nicht möglich 
gewesen, da die Zeit der Conception nicht immer mit Sicherheit 
anzugeben war. 

Nachdem das Thier mit Chloroform getödtet worden, wurde 
die Bauchhöhle eröffnet, die schwangeren Uterushörner herausge- 
holt, die Fruchtsäcke von einander getrennt und in die Härtungs- 
flüssigkeit eingelegt, auch bei weiter vorgeschrittener Schwanger- 
schaft, bei welcher die Fruchtsäcke schon ziemlich entwickelt 
waren. Ich habe nämlich bemerkt, wenn man in späteren Stadien 
der Gravidität kurz nach dem Tode einen Fruchtsack durch- 
schneidet, so dass Amniosflüssigkeit mit dem Embryo heraustritt, 

Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 33, 27 


490 G. Heinricius: 


dass sich dann die Uterinwand zusammenzieht und die Placenta 
sich ablöst; werden dagegen die Fruchtsäcke eine Zeit lang in 
toto gehärtet, dann kann man nachher Stücke der Placenta und 
Uteruswand in beliebiger Grösse herausschneiden, ohne dass die 
Placenta sich vom Uterus trennt, und später kann man diese 
Stücke noch weiter härten. In einem Theile der Fälle habe ich 
gleich nach dem Tode eine Injection der mütterlichen Gefässe in der 
Art vorgenommen, dass eine Lösung von Indigoblau in Gelatine 
von der Aorta abdominalis aus in die Gefässe des Uterus einge- 
spritzt wurde; eine Doppelinjeetion einer Karminlösung durch die 
Gefässe des Nabelstranges und einer Lösung von Indigoblau durch 
die Aorta abdominalis habe ich bei Hochschwangeren ausgeführt. 

Als Härtungsmittel habe ich theils Müller’s Lösung mit nach- 
folgender Härtung in Alcohol, theils Alcohol von Anfang an ver- 
wendet. Nach genügender Härtung wurden zum Zweck der Unter- 
suchung Stücke von Placenta und Uterinwand im Zusammenhange 
herausgeschnitten; in früheren Stadien der Schwangerschaft habe 
ich den Embryo an der Placenta belassen und auf diese Weise auch 
den Embryo in situ zerlegt. 

Die Untersuchungsmethode ist das in His’ anatomischem La- 
boratorium in Leipzig geübte Altmann’sche Verfahren gewesen, 
mit dem ich mich während meines Aufenthaltes in Leipzig 1884 
durch die Bereitwilligkeit des Collegen Altmann vertraut ge- 
macht habe. 

Die Präparate von der Placenta nebst Uteruswand mit oder 
ohne Embryo haben zuerst in einer '/°/,-Lösung von Kalialaun 
gelegen, bis sie zu Boden sanken, sind dann in toto erst in einer 
Mischung von 1 Theil Böhmer’s Hämatoxylinlösung und 5 Theilen 
1/,%/, Kalialaunlösung während 2—3 Tagen gefärbt worden, und 
nachdem ebenso lange in einer 1/,°/, Eosinlösung (Alcohol und 
Ag. destillat. ää p.). Aus der Eosinlösung sind die Präparate in 
gewöhnlichen Spiritus und später in Alcohol absol. versetzt worden. 
Nach genügender Härtung wurden sie 24 Stunden in Nelkenöl gehal- 
ten und darauf einen Tag in Xylol, von wo dieselben in eine Mischung 
von Xylol+Paraffın (Schmelzpunkt ce. 35°) für ein Paar Stunden 
und endlich in flüssiges Paraffin (Schmelzpunkt 50—56°) gebracht 
wurden. Nachdem das Paraffın die Präparate vollkommen durch- 
drungen hatte (gewöhnlich nach 3—4 Stunden), waren sie beim 
Erkalten schnittfertig. 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 421 


Die Schnitte wurden mit einem Schraubenmikrotom von 
Leitz (Wetzlar) angefertigt. Wo der Embryo an der Placenta 
haftete, habe ich in den frühesten Stadien der Schwangerschaft 
Serienschnitte gemacht. Die Schnitte wurden auf dem Objeet- 
glase vermittels einer alcoholischen Lösung von Schiessbaumwolle, 
welche mit einem feinen Pinsel applieirt wurde, fixirt; dann 
wurde Fliesspapier gegen die Schnitte angedrückt, um die alco- 
holische Lösung aufzusaugen, wodurch die Schnitte auf dem Glase 
befestigt wurden. Nachdem das Glas vorsichtig über einer Lampe 
erwärmt worden war, so dass das Paraffin zu schmelzen anfing, 
wurde Xylol übergegossen, das Paraffin gelöst und das Meiste des 
Xylols vom Glase durch Neigung entfernt; definitiv eingedeckt 
wurde mit einer Lösung von Canadabalsam in Xylol. 

Ich werde hier nicht eine ausführliche historische Uebersicht 
über die Arbeiten der Entwickelung und Structur der Placenta 
geben; es wird dies in der ausführlichen Arbeit meines Freundes 
Dr. Klaatsch, früheren Assistenten am Berliner, z. Z. am Heidel- 
berger anat. Institute, über die Kaninchenplacenta, welche derselbe 
gleichzeitig mit meinen Untersuchungen unternommen hat, ge- 
schehen. Die genannte Arbeit wird demnächst in diesem Archiv 
zur Veröffentlichung gelangen. Ich will nur die Resultate meiner 
eigenen Untersuchungen mittheilen und durch eine grössere Anzahl 
Abbildungen erläutern. Eine Uebersicht der Ergebnisse ist von 
Waldeyer in den Sitzungsberichten der K. Preuss. Akademie der 
Wissenschaften für 14. Februar 1889 gegeben worden !). 

Betrachten wir den Querschnitt des normalen, nicht schwange- 
ren Uterus des Hundes, so finden wir, dass die Uterinwand aus 
_ drei Häuten, einer Serosa, Muscularis und Mucosa besteht. Die 
Mucosa ist ohne ein verbindendes resp. trennendes Stratum direct 
und fest an das unterliegende Ring-Muskellager angeheftet; eine 
Submuecosa fehlt. 

Der oberste, resp. innerste Theil der Drüsen, der sog. Aus- 
führungsgang, verläuft eine kurze Strecke gerade, meist senkrecht 
zur Oberfläche, während der grössere, tiefere Theil einen ge- 


1) Vgl. auch die guten Literaturangaben bei Tafani (Sulle condizioni 
utero-placentari della vita fetale. Firenze 1886, und Ch. S. Minot, Uterus 
und Embryo, Journ. of Morphology edit. by Whitman, Vol. II, pag. 341. 
1889. 


422 G. Heinrieius: 


schlängelten Verlauf hat. Die Drüsen ragen durch die ganze Dicke 
der Mucosa bis zu der unter dieser liegenden Museularis. Ausser 
diesen langen eigentlichen Uterindrüsen finden sich nun, wie 
Bischoff (Entwickelungsgeschichte des Hundeeies) schon gezeigt 
hat, zahlreiche kurze sogen. Kıypten, ähnlich den Lieberkühn- 
schen Drüsen des Darmes, jedoch nicht so lang als diese. Diese 
Krypten sind zahlreicher als die langen Uterindrüsen!). Schmale 
Bindegewebsbalken schieben sich zwischen die einzelnen Drüsen 
und Krypten ein. Weiter bemerkt man, wie die Drüsen in ge- 
trennte Gruppen angeordnet sind, die durch stärkere Bindegewebsbal- 
ken von einander getrennt werden, und wie das bindegewebige Ge- 
rüst an der Grenze zwischen dem geraden und geschlängelten 
Theil der Drüsen stärker entwickelt ist. Das Epithel der Drüsen 
ist ein niedriges flimmerndes Cylinderepithel; von derseiben Be- 
schaffenheit ist auch das oberflächliche Epithel und das der Kıyp- 
ten. Man wolle über diese Anordnung der einzelnen Bestandtheile 
des Uterus die Figur 1 vergleichen, welche zwar einem gravi- 
den Uterus angehört, ganz gut jedoch auch zur Illustration der 
beschriebenen Verhältnisse benutzt werden kann. 

Das virginale Uterushorn ist in seiner ganzen Länge gleich- 
mässig diek; bei der Hündin, welche geworfen hat, finden sich 
einige diekere Stellen, früheren Fruchtsäcken entsprechend. 

Mit dem Eintritt der Schwangerschaft treten bedeutende Ver- 
änderungen der Uteruswand bezw. der Schleimhaut auf. 

Meine frühesten Präparate stammen von einer Hündin, bei 
welcher der Uterus an mehreren Stellen nur leicht angeschwollen 
war: bei der Eröffnung einer dieser wenig aufgetriebenen Stellen 
floss eine geringe Menge heller Flüssigkeit aus. Die Uterinschleim- 
haut bot ein sammetartiges Aussehen dar. Nach Härten und 
Durchsehneiden der Fruchtsäcke konnte ich schon mit blossem 
Auge die Embryonalanlage an der Uterinschleimhaut entdecken. 
Unter der Lupe zeigten sich die drei Hirnblasen, die Medullar- 
furche, Ursegmente und am hinteren Ende der Embryonalanlage 
der Primitivstreifen mit der Primitivrinne deutlich, einer ca. 35 
Stunden alten Keimhaut des Hühnchens entsprechend. Beim Durch- 


1) Vergl. über die Krypten besonders die Angaben von Strahl, dessen 
Arbeit, Archiv f. Anat. u. Physiologie, anat. Abtheilung, 1889 während des 
Druckes meiner Mittheilung erschien. 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 423 


schneiden der anderen Fruchtsäcke kam die Embryonalanlage 
etwas weiter entwickelt zum Vorschein, einem Hühnerembryo von 
ungefähr 40 Stunden entsprechend; die Embryonen befanden sich 
also in verschiedenen Graden der Entwiekelung. Ein Embryo mit 
anliegender Uterinwand wurde in Reihenschnitte zerlegt. Der 
Querschnitt dureh die Rückengegend zeigte die drei Blätter, den 
Rückenmarkskanal, die Urwirbel, den Wolff’schen Gang, die Chorda, 
die Rückenaorta, also einem 40-stündigen Hühnerembryo ent- 
sprechend. Die Embryonalanlage lag der Uterinschleimhaut an, 
so dass diese, mit Ausnahme der Stelle gerade unter dem Embryo, 
von dem Eetoderm ringsum bekleidet war. 

Die Uterinschleimhaut bot schon jetzt erhebliche Verände- 
rungen dar (Fig. 2). Unmittelbar an der Muscularis (a) giebt das 
Bild eine Schieht quer und schräg getroffener Uterindrüsen (b), darüber 
eine starke Bindegewebslage vom Character des Schleimgewebes (ec) 
und zuletzt nach innen gerade verlaufende, dicht an einander stehende, 
stark entwickelte Uterindrüsen (d). DieMucosahatsichalso 
jetztin drei Schichten getheilt; diese Schichten 
bleiben während der ganzen Zeit der Placentar- 
entwickelung und haben ganz verschiedene 
Aufgaben beim weiteren Aufbau der Placenta 
zu erfüllen. Die tiefe Drüsenschicht (b) und die bindegewebige 
Schicht erhalten sich die ganze Schwangerschaft hindurch ziem- 
lich unverändert. Sie scheinen keine eigentliche Rolle bei der 
Placentarentwickelung zu spielen; anders ist es aber mit der ober- 
flächlichen (inneren) Drüsenschicht (d); hier geht die mütterliche Pla- 
centarentwickelung vor sich. Hier spielen sich ganz eigenthüm- 
liche Vorgänge in dem Aufbau der Placenta und in der Ernäh- 
rung des Foetus ab. 

In der tiefen Drüsenschicht präsentiren sich die Drüsen im 
Querschnitt während der ganzen Schwangerschaftszeit; sie sind 
ziemlich dicht an einander gedrängt, von Bindegewebe umgeben 
und mit niedrigen Cylinderzellen bekleidet (Fig. 3). Die binde- 
gewebige Schicht (Fig. 4), aus spindelförmigen anastomosirenden 
Zellen bestehend, ist von Gefässen durchzogen, die in die oberfläch- 
liche Drüsenschicht eindringen. Die tiefen Drüsen sind indessen durch 
diese bindegewebige Schicht nicht ganz vollständig von den ober- 
flächlichen Drüsen abgeschlossen; man findet, obgleich sehr selten, 
Drüsen, die sich aus der tieferen Schicht durch das Bindegewebe 


424 G. Heinricius: 


hindurch in die oberflächlichere Drüsenschicht hinein erstrecken, 
also eine Communication zwischen den beiden Drüsenschichten 
darstellend (e). 

Die Anordnung der Drüsen in der oberflächlichen Drüsen- 
schicht ist eine ganz eigenthümliche. Die Drüsen selbst sind in 
sehr lebhafter Hyperplasie begriffen; nicht nur die Drüsenepithel- 
zellen sind stark vergrössert, die Drüsen selbst sind auch an Zahl 
sehr vermehrt und viele sehr erweitert. Diese Erweiterung der 
Drüsen, welche später eine so grosse Rolle für die Ernährung des 
Foetus spielt, beginnt schon und macht sich zuerst an den unteren, 
zunächst über der bindegewebigen Schicht liegenden Drüsentheilen 
bemerkbar. Die so entstandenen Räume, welche später sehr erwei- 
tert sind, sind so wie die übrigen Drüsen von einem einschichtigen 
Epithel bekleidet und oft mit einer amorphen, durch Eosin gefärbten 
Masse erfüllt, nicht abgeschlossen, sondern durch den Drüsenaus- 
führungsgang in Verbindung mit der Uterinhöhle. Das zwischen- 
liegende Bindegewebe wird durch die Ausdehnung der Drüsen- 
schläuche stark zusammen gepresst und man sieht jetzt, statt der 
früheren stärkeren Balken nur noch dünne bindegewebige Septen; 
in diesen verläuft je eine Capillare. Nur unter dem oberfläch- 
lichen Epithel liegt eine etwas stärkere Bindegewebslage; in dieser 
Schicht sieht man hie und da Querschnitte der Uterindrüsen zwi- 
schen den der Länge nach getroffenen aus der Tiefe kommenden 
Drüsengängen; daneben kommen Capillaren recht reichlich vor 
(Fig. 5). 

In dem vom fötalen Eetoderm nicht berührten Theile der 
Uterinschleimhaut (A, Fig. 2), wo das oberflächliche Epithel der 
letzteren erhalten ist, zeigt sich das Bindegewebe weniger entwickelt 
als überall dort, wo das foetale Eetoderm anliegt. Hier ist das 
Bindegewebe zwischen den Drüsen, wie auch zwischen diesen 
und dem Eetoderm massiger; man bemerkt also schon jetzt, dass 
der Theil der Schleimhaut, in welchen die Chorionzotten zuerst 
eindringen sollen, schon. vorher in einer Weise verändert wird, 
dass er ein günstiges Terrain für das Eindringen und die erste 
Entwiekelung der Chorionzotten darzubieten vermag. 

In diesem Stadium der Schwangerschaft sind noch keine 
Chorionzotten entwickelt, sondern der Embryo liegt frei auf der 
Schleimhaut mit seinem Eetoderm ihr grösstentheils angeheftet. Das 
Ectoderm schlägt sieh um den Embryo und bekleidet die Schleimhaut 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 425 


mit Ausnahme der Stelle gerade unter diesem (Fig. 2 A). Das Ecto- 
derm besteht aus kubischen Zellen mit grossem Kern. Es erhebt 
sich vor allem die Frage: wie verhält sich das foetale Epithel zum 
mütterlichen und wie verhält sich das mütterliche Epithel; ver- 
schwinden dessen Zellen oder bleiben sie erhalten? Ich finde nun 
mit den meisten Autoren dass da, wo das Ectoderm auf 
die Uterinschleimhaut übertritt, das oberfläch- 
liche Epithel dieser letzteren verschwindet. In 
Fig. 6 sieht man rechts die Uterinschleimhaut mit erhaltenem Flächen- 
epithel, Drüsen im Querschnitt, den Ausführungsgang einer Drüse, in- 
terglanduläres Bindegewebe und Durchschnitte von Capillaren; links 
haftet das Eetoderm an der Schleimhaut; man sieht, wie das Ecto- 
derm in der Nähe des mütterlichen Flächenepithels hie und da sich 
verdickt, wie an gewissen Stellen das Protoplasma der foetalen 
und der mütterlichen Zellen sich verbindet, wie an andern Stellen 
das mütterliche Epithel verschwunden ist, während das Ectoderm 
unmittelbar an das oberflächliche mütterliche Bindegewebe grenzt. 
Das Ectoderm liegt ferner der Uterinschleimhaut nicht glatt an, 
sondern dringt an einzelnen Orten in das oberflächliche Bindege- 
webe ein, als wollte es sich daran befestigen (wie mit kleinen 
zottenartigen Bildungen). Ich bestätige hiermit die Angaben von 
E. van Beneden!) z. Thi., sowie von Fleischmann, s. des Letz- 
teren „Embryologische Untersuchungen“ Heft I. Wiesbaden 1889. 
Seite 60. 

Auf welche Weise das mütterliche Flächenepithel verschwindet, 
kann ich nicht entscheiden; wahrscheinlich treten die foetalen 
Zellen hierbei schon jetzt die Rolle von Phagocyten an, welche 
Eigenschaft, wie wir weiterhin finden werden, im hohen Grade 
ihnen eigen ist. Dass mütterliches Epithel mit dem fötalen anfangs 
sich verbindet, gibt auch Frommel, 1. ce. inf., für Myotus an; wie 
es sich später verhält, darüber finde ich beiFrommel keine ganz 
bestimmten Angaben. E. van Beneden lässt dasselbe schwinden. 
Strahl findet, 1. e., abweichend von mir, das Uterinepithel erhalten, 
jedoch mit dem fötalen verschmolzen. Jedenfalls lässt er es in 
dem Stadium, in welchem ich es schwinden sah, noch fortbestehen. 


1) E.van Beneden, De la fixation du Blastocyste & la muqueuse uterine 
chez le Murin (Vespertilio murinus) — De la formation et de la constitution 
du placenta chez le Murin. Bull. acad. royale de Belgique 1888. 


426 G. Heinricius: 


Dass die oberflächliche Drüsenschicht wirklich ein Theil der 
ursprünglichen Uterinschleimhaut ist, geht auch aus dem Befunde 
bei mikroskopischen Untersuchungen der Uterinschleimhaut des- 
jenigen Theiles des Uterus, welcher das Verbindungsstück zwischen 
den Fruchtsäcken bildet, hervor. Da sieht man auch die Bestand- 
theile der Schleimhaut, besonders das Bindegewebe, zwischen den 
tiefen Drüsenschläuchen und den oberflächlichen schon etwas 
hyperplasirten Drüsentheilen, erheblich verstärkt. 

Ich habe an den Präparaten dieses frühen Stadiums der 
Placentarentwickelung Messungen verschiedener Theile der Schleim- 
haut gemacht. 

Die Breite der tiefen Drüsenschieht beträgt durchschnittlich 
280 u, der bindegewebigen Schicht 450 u, der oberflächlichen 
Drüsenschicht 750 ı. Der Diameter der Drüsen der tiefen Drüsen- 
schicht (verschiedene Drüsen) 30, 55, 80, 130 «; die Höhe der 
Cylinderzellen der Drüsen der tiefen Drüsenschicht 17 u, der Zel- 
lenkerne 3,5—7 u. Der Diameter der Kerne der bindegewebigen 
Schicht 5,2—7 u. 

Die Höhe der erweiterten tiefen Drüsenräume der oberfläch- 
liehen Drüsenschieht (verschiedene Räume) 100, 140, 160, 220 u, 
die Breite 310, 440, 390, 560 «. Die Länge der vertical gestellten 
geraden Drüsengänge 160—330—670 u, die Breite (berechnet 
ohne die Drüsenzellen) 10—-20—30 u. 

Die Höhe der Drüsenzellen der oberflächlichen Drüsenschicht 
(nahe der Oberfläche) 28—34 u, Tiefe 14—17 u; der Diameter 
der Kerne der Drüsenzellen 7, 10, 14, 17 u. 

Die Höhe des Flächenepithels 10 «. 

Die Breite der Bindegewebssepten zwischen den erweiterten 
geraden Drüsen 3,5—5,2 u. 


Das nächste Stadium der Plancentarentwickelung zeigen Prä- 
parate, wo die Fruchtsäcke schon deutlich als runde Anschwel- 
lungen des Gebärmutterhorns vorhanden sind. Schwangerschafts- 
zeit etwa 18 Tage. Der Embryo hat bereits die Kopfkrümmung 
und entspricht einem Kaninchenembryo von 10 Tagen. Mit blossem 
Auge sieht man jetzt deutlich ringsum an der Basis der ange- 
schwollenen Schleimhaut die erweiterten Drüsenräume. 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 427 


Die Chorionzotten fangen hier an in die Schleimhaut hinein- 
zudringen. 

Ueber die Frage, wie die Chorionzotten in die Schleimhaut 
hineinwachsen, ist viel gestritten worden. In seiner Entwicke- 
lungsgeschichte des Hundeeies beantwortete Bischoff dieselbe 
dahin, dass er das direkte Einwachsen der Chorionzotten in die 
Uterindrüsen angab. Die Beobachtungen Bischoff’s stimmen 
mit denen Sharpey’s überein, der angiebt, dass sich die 
Kanälchen der Uterindrüsen in Folge ihrer stärkeren Entwicke- 
lung, dicht bevor sie auf der Schleimhaut münden, jede zu einem 
kleinen Raume erweitern, welcher mit einer grauweissen Flüssig- 
keit erfüllt ist und aus welcher der Drüsenkanal sich mit einer 
feinen Oeffnung weiter in die Tiefe fortsetzt. In diesen erweiterten 
Theil senken sich die Zotten des Chorions ein, welche Anfangs 
hohl seien. Auch Harvey, Haller, Baer, Gurlt behaupten, 
dass die Zotten bei verschiedenen Thierarten in die Uterindrüsen 
hineindringen; Jassinsky und Heinz geben dasselbe beim Men- 
schen an. Neuerdings hat Fleischmann!) bei Untersuchungen über 
die erste Anlage der Placenta bei Katzen und Füchsen die Angabe 
von Bischoff bestätigt. Strahl, 1. e., nimmt ein Hineinwachsen 
von stempelförmigen fötalen Eetoblastvorsprüngen in die offen- 
bleibenden Mündungen der grösseren Drüsen an. 

Diese Auffassung von dem directen Einwachsen der Cho- 
rionzotten in die Uterindrüsen ist indessen von andern, wie 
Turner, Ercolani, Romiti, Tafani, E. van Beneden, l.c., 
Kupffer, Münchener med. Wochenschr. 1888, Nr. 31, und From- 
mel, Ueber die Entwicklung der Placenta von Myotus murinus, Wies- 
baden 1888, bestritten. So sollten sich nach Turner in der Uterin- 
schleimhaut durch Einstülpung des Epithels Hohlsäcke (Crypten) 
bilden, in welche die Chorionzotten eindringen, und Ereolani 
läugnet sogar die Existenz von Crypten und beschreibt, dass die 
Zotten nur zwischen Faltenräume der Schleimhaut sich einsenken. 
Auch bei Minot, I. e,, Kölliker, Leopold und Colucei finde 
ich keine positiven Angaben über das Eindringen der Zotten in 
die Uterindrüsen. 

Meine Untersuchungen ergeben das Resultat, dass ein 


1) Fleischmann, Embryologische Untersuchungen. Heft I. Wiesba- 
den. 1889. 


428 G. Heinriecius: 


Hineinwachsen der Chorionzotten in die Uterindrüsen 
beim Hunde zu Anfang nicht stattfindet. 

Auch in den Präparaten dieses Stadiums (Fig. 7) sehen wir 
dieselbe Anordnung der verschiedenen Schiehten der Schleimhaut 
wie vorher. Die tiefe Drüsenschicht ist unverändert, die bindegewe- 
bige Schicht etwas schmäler; dagegen sind grosse Veränderungen 
in der oberflächlichen Drüsenschicht eingetreten. 

Die cystisch erweiterten Uterindrüsen haben an Umfang be- 
deutend zugenommen; die während des früheren Stadiums relativ 
kleinen Erweiterungen sind grösser geworden (die Höhe = 110 u, 
die Breite = 1770 u) und werden von einander durch dünne 
bindegewebige Wände geschieden, in denen die Bluteireulation aus 
der Tiefe nach der Oberfläche stattfindet. Die Höhe der tiefen 
Bindegewebsschicht ist jetzt zu 110—220 wu redueirt. Man kann 
schon in diesem Stadium der Schwangerschaft wahrnehmen, wie 
die oberflächliche Drüsenschicht (von 770 u Höhe) in 
zwei Lagen zerfällt, welche sowohl dem mikroskopischen 
Aussehen nach, als auch gegenüber der Ernährung des Foetus, 
grosse Ungleichheiten darbieten. Die tiefere Lage wird durch 
die oben genannten, eystös erweiterten Drüsenräume, welche von 
einer einfachen Schicht Cylinderepithel bekleidet sind, gebildet, 
die oberflächliche Lage wird ebenfalls von, in Wucherung be- 
griffenen, Drüsen zusammengesetzt. Doch sind dieselben nicht so 
hochgradig erweitert, sondern haben ihre langgestreckte Form 
beibehalten und sind durch schmale Bindegewebssepten von 
einander geschieden. 

In diese oberflächliche Drüsenschicht wachsen nun die Cho- 
rionzotten hinein (Fig. 10). 

Das bindegewebige Gerüste der Zotten ist noch sehr spär- 
lich entwickelt, besteht aus einem zarten Gallertgewebe und hat 
sich in den Präparaten, wahrscheinlich durch den Einfluss der 
Härtungsflüssigkeit und des Xylols, vom fötalen Epithel zurück- 
gezogen (dieses ist in Vereinigung mit dem mütterlichen Bindege- 
webe geblieben); es erscheint bloss wie feine, vom Chorion selbst 
herabhängende Zapfen. Die Chorionzotten dringen, wie 
bemerkt, zuerst nieht in die Uterindrüsen, sondern in 
das Bindegewebe hinein, welches sieh unter dem ver- 
schwundenen mütterlichen Epithel befindet. 

Es könnte mitunter scheinen, als ob die Zotten in die Drüsen 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 429 


hinein wüchsen, denn man sieht oft Drüsenzellen an das Chorion- 
epithel angrenzen, aber niemals erstreckt sich eine Zotte zu 
Anfang in ein Drüsenlumen hinein, immer findet sich Bindegewebe 
oder Drüsenepithel zwischen dem Zottenepithel und dem Drüsen- 
lumen. Unmittelbar unter dem Epithel der Zotten giebt es gewöhn- 
lich kleinzellig infiltrirtes Bindegewebe in sparsamer Menge. Die 
zunächst den Zotten befindlichen Drüsenzellen sind entweder von 
den Zottenepithelien dureh Bindegewebe geschieden, oder die 
Drüsenzellen, welche nach Zerstörung oder Verdrängung des 
Bindegewebes durch die Zotten unmittelbar an das Zottenepithel 
grenzen, sind mit grossen Kernen versehen, bedeutend grösser als 
die der tiefer in den Drüsen befindlichen Epithelzellen, wie aus 
Fig. 8 hervorgeht. Das Bindegewebe zwischen den Drüsen ist 
nur sparsam entwickelt, denn die Drüsenepithelien sind in dem 
Grade in Wucherung begriffen, dass nur ganz schmale Balken mit 
Räumlichkeiten für ein Capillargefäss zwischen ihnen Platz be- 
halten. 

Im Anfang, wann die Chorionzotten noch nicht tiefer in die 
oberflächliche Lage gedrungen sind, kann man.noch deutlich die zwei 
Schichten der letzteren unterscheiden, die oberflächliche, mit den in 
vertikaler Richtung verlaufenden, etwas erweiterten Drüsen und die 
tiefen, eystös erweiterten Drüsenräume. Hier findet man jetzt noch 
nicht die Zone von in Zerfall befindlichen Drüsenzellen, welche 
später dem Vorwachsen der Zotten sich anschliesst. Doch erleiden 
jetzt schon die Zellen im obersten Theil der vertikalen und in den 
im Querschnitt sich präsentirenden oberflächlichen Drüsen Ver- 
änderungen derart, dass sie, und besonders die Kerne, an Umfang 
zunehmen, so dass sie die Grösse der von dem fötalen Epithel 
entfernter gelegenen Drüsenzellen weit übertreffen. Die Vermuthung 
liegt nicht weit von der Hand, dass diese vergrösserten Drüsenzellen 
in irgend einer Beziehung zur Ernährung der fötalen Zellen stehen, 
denn wir werden weiter unten sehen, wie die Drüsenzellen eine 
grosse Rolle für die frühzeitige Ernährung des Fötus spielen. 
Unter dem Embryo in dem Raum A (Fig. 2), da, wo Zotten sich nicht 
entwickelt haben, wird nunmehr die Uterusschleimhaut ebenfalls vom 
fötalen Eetoderm bekleidet, welches, aus einer Lage eubischer Zellen 
bestehend, über die ihres Oberflächenepithels beraubte Schleimhaut 
gleichförmig ausgebreitet liegt; gleich unter dem Eetoderm liegt 
eine schmale Zone einer feingranulirten Substanz, darunter die 


430 G. Heinricius: 


Schleimhaut selbst, so verändert, dass eine dünne Bindegewebslage 
die Drüsen bedeckt, welche auch hier, zunächst der Oberfläche, 
- vergrösserte Kerne besitzen und etwas dilatirt sind. Die Aus- 
führungsgänge sind nach der Oberfläche hin von der dünnen 
Bindegewebslage bedeckt. Die tiefe Drüsenschicht uud die binde- 
gewebige Schicht sind von derselben Beschaffenheit wie im vorigen 
Stadium. 

Die Chorionzotten bestehen aus Gallertgewebe und Epithel- 
zellen, welche runde Kerne und, relativ zu ihrer Grösse, wenig 
Protoplasma besitzen. Das Zottenepithel ist so innig mit dem müt- 
terlichen Gewebe vereint, dass man in den Präparaten eine gewisse 
Schwierigkeit findet zu entscheiden, was fötal und was mütterlich ist. 
Während das Gallertgewebe in den Härtungsflüssigkeiten schrumpft, 
bleibt das Epithel fest mit dem mütterlichen Gewebe vereint. Im 
Chorion selbst sieht man mit Kernen versehene fötale Blutkörper; 
theils zerstreut, theils zusammengehäuft, besonders an den Stellen, 
von denen eine Zotte ausgeht. 

Das nächste Stadium der Entwickelung der Placenta wird 
aus Präparaten von 1,5 cm langen Embryonen ersehen. Auch hier 
finden wir die drei Lagen; die tiefe Drüsenschicht und die binde- 
sewebige Schicht sind unverändert; die oberflächliche Drüsen- 
schicht nach aussen zusammengesetzt aus den eystisch erweiterten 
Drüsenräumen mit ganz dünnen Zwischenwänden; nach innen be- 
stehend aus dicht aneinander gedrängten, gleichfalls, jedoch in gerin- 
gerem Grade, erweiterten Drüsen. Also auch hier sind noch die 
zwei Lagen der oberflächlichen Drüsenschicht: die Schicht der 
erweiterten Drüsen und die Schicht der zerfallenden Drüsen, vor- 
handen. 

In diese letztgenannte Lage sind nun die Chorionzotten 
tiefer eingedrungen; und je nachdem sie eindringen, sieht man 
die Schleimhaut, gleich unter und zwischen ihnen, eingreifende 
Veränderungen erleiden. Es scheint, als ob erst die den Zotten 
am nächsten gelegenen Drüsenzellen einem Zerfalle unterliegen 
und zu Ernährungsmaterial dienen und erst wann diese verbraucht 
und die Zotten tiefer gedrungen sind, beginnen die eigenthümlichen 
Erscheinungen in den Zellen der tiefer gelegenen, eystisch erwei- 
terten Drüsenräume, von denen bald die Rede sein wird. Darum 
sieht man auch die Zellen in diesen Räumen noch nicht so weit 
reichende Veränderungen wie später eingehen, sondern sie sind 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 431 


noch von gleichförmigem Aussehen, eylindrisch mit relativ kleinem 
Kerne; doch sind die Drüsenräume mit einer feinkörnigen — 
wahrscheinlich von den Zellen produeirten — Masse gefüllt. 

Zunächst den Zotten, auf deren Seiten, von der Grundfläche 
beginnend und sich ein wenig herunter erstreckend, sieht man ein 
Gewebe, welches aus einem stark färbbaren Syneytium, in welchem 
grosse, stärker gefärbte Kerne eingelagert sind, besteht; in diesem 
Syneytium bemerkt man Längs- und Querschnitte von Gefässen !). 
Die Enden der Zotten tauchen in eine Zone, wo ein Zerfall der 
Drüsen sich manifestirt, hinunter; man sieht die Drüsenzellen 
nicht mehr geschlossen zusammenliegen, zerfallen, und auch freie 
Kerne. Etwas tiefer sind die Drüsenlumina gut erhalten und noch 
tiefer findet man die dilatirten Drüsenräume. 

Deutlicher wird das Verhalten der Uterin-Schleimhaut dem 
Embryo gegenüber theils als Grundlage für die Entwickelung der 
Placenta, theils als Nährmaterial für den Fötus in den Präparaten 
von 2cm langen Embryonen. Hier sieht man fortwährend die tiefe 
Drüsenschicht und die bindegewebige Schicht ziemlich unverändert, 
die Schicht der eystösen Drüsenräume ist mächtig entwickelt, aber 
die Schicht der geraden, oberflächlichen Drüsen ist jetzt zur 
Placenta im engeren Sinne umgewandelt. Die Zotten dringen bis 
zur Nähe der eystös erweiterten Drüsen vor; von diesen durch die 
vorher genannte Zone der zerfallenden Drüsen geschieden, welche 
hier breiter ist und worin verschiedene Elemente eingehen. Im 
Uebrigen finden sich dieselben Verhältnisse, wie so eben geschildert. 

Unterhalb der Zotten beginnt eine Schicht in Zerfall befind- 
lichen Gewebes; diese Schicht besteht theils aus den Bestand- 
theilen des zerfallenden Drüsen-Gewebes, theils aus den Produkten 
der Secretion der Drüsenzellen in den eystisch erweiterten Drüsen. 
Man bemerkt in dieser Schicht stark gefärbte Kerne verschiedener 
Form und Grösse, runde, längliche, geschrumpfte, weiter fein- 
körnigen Detritus, Riesenzellen mit schwach gefärbten Kernen. 
Eine Struktur ist in ‚dieser Schicht nicht wahrzunehmen, deren 
erwähnte Bestandtheile liegen ohne besondere Ordnung durch- 


1) Die Bildung eines solchen Syneytium wird auch besonders von E. 
van Beneden |]. ec, Frommel Il. ec. und Laulani& (Compt. rend. T. C. 
1885, pag. 651) betont. 


432 G. Heinricius: 


einander; ein wenig tiefer beginnen die cystisch erweiterten 
Drüsenräume; auf der Grenze gegen diese sind die Gefässe der 
- Zwischenwände recht stark entwickelt. 

Wenn man an verschiedenen Präparaten das schrittweise 
Eindringen der Zotten in den Theil der oberflächlichen Drüsen- 
schieht, den ich die Schicht der zerfallenen Drüsen genannt habe, 
verfolgt, so sieht man, je nach dem Eindringen der Zotten, die 
Drüsen dem oben beschriebenen Zerfall unterliegen, bis das Ende 
der Zotten die cystisch erweiterten Räume im unteren Theil der 
oberflächlichen Drüsenschieht erreicht. Hier nimmt der Zerfall 
der Drüsen ein Ende, die cystisch erweiterten Drüsen werden 
nicht durch die Zotten vernichtet, sondern haben eine andere, später 
zu erwähnende Function zu erfüllen. 

In gleicher Weise entwickelt sich, je nachdem der Zerfall 
des ursprünglichen unter den Zotten befindlichen Drüsengewebes 
fortschreitet, von oben nach unten ein Syneytium, welches schliess- 
lich, nachdem die Zotten die erweiterten Drüsenräume erreicht 
haben, die Zotten ihrer gangen Länge nach verbindet. Fig. 10 
giebt ein Bild von der Veränderung der Schleimhaut beim Ein- 
wachsen der Zotten. 

Schon in einem Fruchtsack, dessen Embryo nur eine Länge 
von 1!/,cm hat, sieht man um beide Pole herum ein Paar schmale, 
dunkler gefärbte Zonen, welche später stärker entwickelt der 
Hundeplacenta ein so eigenthümliches Aussehen geben. Dieses 
sind gefässartige Blutanhäufungen rings um die Placenta, die soge- 
nannten Sinus laterales. 

In späteren Stadien der Schwangerschaft sind diese Sinus la- 
terales mächtig entwickelt, mit Blut und einem grünen Farbstoff 
gefüllt. Bei mikroskopischer Untersuchung des Inhaltes findet 
man darin rothe und weisse Blutkörperchen, Fibrinfasern, Blut- 
krystalle, bräunlichen feinkörnigen Detritus und einen grünen 
Farbstoff aus ungleichförmigen Körnern bestehend. Als Grenze 
der Placenta nach aussen ist dieser Sinus lateralis nach oben 
und aussen mit Chorion bekleidet, wie aus Fig. 11 ersichtlich ist. 
Das Chorion liegt dieser Blutanhäufung nicht vollkommen glatt 
an, sondern senkt sich mit zottenartigen Vorsprüngen in dieselbe 
hinein. Eine Endothelauskleidung des Sinus lateralis habe ich 
nicht gesehen und scheint es, als ob das Blut sich frei in das Ge- 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 433 


webe des Placentarrandes ergossen hätte!). Das Chorionepithel 
kommt auf diese Weise unmittelbar über die Blutanhäufung zu 
liegen und wird vom mütterlichen Blute bespült. Nun wird das 
Chorionepithel einer wirklichen Veränderung unterworfen an den 
Stellen, wo es den Inhalt dieses Sinus lateralis berührt. Die Epi- 
thelzellen werden bedeutend grösser und länglich, erhalten einen 
vergrössertern Kern. Sie sind von dem Epithel, welches die Mehr- 
zahl der Zotten bekleidet, die in die eigentliche Schleimhaut ein- 
dringen, ganz verschieden. Gleichzeitig sieht man bei Benutzung 
starker Linsensysteme, wie diese Chorionepithelzellen, welche vom 
Blute des Sinus lateralis umspült werden, rothe Blutkörper ent- 
halten; sie haben die geformten Bestandtheile des Blutes in sich 
aufgenommen. Man sieht nämlich in diesen Zellen, sowohl in 
den quer wie längsgetroffenen, das Protoplasma eine Menge runder, 
bräunlicher Bildungen enthalten, die ihrer Grösse, Form und Farbe 
nach vollständig mit den die Zellen umgebenden Blutkörpern über- 
einstimmen. Ausser diesen Blutkörpern bemerkt man auch in den 
Zellen kleine feine Körnchen, dem feinkörnigen Detritus gleich, 
den man ebenfalls im Sinus lateralis in der Nähe des Chorion- 
epithels beobachtet, und welche wahrscheinlich zerfallene rothe 
Blutkörper sind. In dem der Länge nach getroffenen Chorionepi- 
thel sind die rothen Blutkörperchen in dem peripheren, gegen das 
Blut gerichteten Theil der Zellen vorhanden, gegen die Basis der 
Zellen zu werden sie seltener. Die Zellkerne werden stets deut- 
lich mit Hämatoxylin tingirt, ebenso die im Gallertgewebe der 
Zotten befindlichen Kerne. Dass die im Epithel gefundenen rothen 
Blutkörperchen sich auch wirklich in den Zellen befinden und 
nicht diesen aufgelagert sind, wird aus folgendem ersichtlich: in 
grösster Anzahl befinden sie sich an dem peripherischen Theil 
der Zellen, nie sieht man sie in den basalen Theilen und stets 
sind sie am deutlichsten bei der Einstellung, die auch die Zellen 
am besten zeigt (Fig. 12). 

Auf Grund dieser angeführten Beobachtung muss ich an- 
nehmen, dass das Chorionepithel dort, wo es den Sinus 


1) Lieberkühn (Der grüne Saum der Hundeplacenta. Nach dem Tode 
des Verfassers aus dessen Nachlass herausg. von H. Strahl, Arch. f. Anat. 
und Physiol. 1889 Anat. Abth.) fasst den Vorgang mit Bestimmtheit auch so auf. 
Ich konnte diese Mittheilung erst bei der Correctur dieser Bogen benutzen, 


434 G. Heinricius: 


lateralis bekleidet, dieEigenschafterhält, in sich rothe 
Blutkörperehen aufnehmen zu können, und diese wahr- 
- scheinlich so zu verändern, dass sie weiterhin als 
Nahrung dienen können!). Ob sie vom Chorionepithel weiter 
gebracht werden und in welcher Form dieses geschieht, ist nicht 
zu entscheiden; aber der Befund, dass das Chorionepithel hier eine 
ganz andere Form hat und mit rothen Blutkörpern gefüllt ist, 
spricht zu Gunsten der Annahme, dass das Epithel hier einen be- 
sonderen Zweck habe, und da man die active Rolle der foetalen 
Zellen kennt, so stellt sich diese Annahme als gar nicht so un- 
wahrscheinlich dar. 

In diesem Stadium, wann der Embryo etwa 2cm lang ist, 
nimmt das Epithel nicht nur ausschliesslich in dem Theil des 
Chorion, der den Sinus lateralis bekleidet, das genannte Aussehen 
an; man findet auch hier und da in der Schicht des zerfallenden 
Gewebes das Ende der Zotten mit derartigem Epithel bekleidet, 
welches dem übrigen Chorionepithel gänzlich unähnlich ist (Fig. 13). 

Ziemlich früh (bei 2em langen Embryonen) beginnt in den 
eystisch erweiterten Drüsenräumen eine lebhafte Thätigkeit, welche 
von den sie bekleidenden Cylinderzellen ausgeht. Die Zellen ver- 
längern sich, das Protoplasma entsendet Ausläufer, welche sich 
mehr und mehr verlängern und schliesslich nur noch durch einen 
schmalen Stiel mit der Zelle im Zusammenhang stehen; dieser 
Stiel reisst ab und das runde Protoplasmaklümpcehen liegt frei in 
dem Drüsenraum. Diese Thätigkeit der Drüsenzellen geht in allen 
Theilen der erweiterten Drüsenräume vor sich; die abgeschnürten 
Protoplasmaklümpchen gelangen nach oben (innen) und werden 
wahrscheinlich von den Zotten absorbirt, sie dienen also ebenfalls 
dem Embryo als Nahrung. 

Wann der Embryo die Grösse von 3cm erreicht hat, sind 
die Zotten tiefer eingedrungen und erstrecken sich nunmehr 
bis in die eystisch erweiterten Drüsenräume. Das 
den Zotten benachbarte Epithel der erweiterten Drüsen ist jetzt 
verschwunden, wahrscheinlich zerfallen. Die äussere Lage der 
oberflächlichen Drüsenschicht ist jetzt in ihrer ganzen Breite in 


1) Ich bestätige hiermit eine weitere Angabe Lieberkühn’s, indem 
ich wohl hervorheben darf, dass ich ganz unabhängig zu meinen Befunden 


gekommen war. 


® 


Ueber die Entwiekelung und Structur der Placenta beim Hunde. 435 


die Placenta, im engeren Begriff des Wortes, umgewandelt; in ihrer 
ganzen Breite ist sie jetzt von Zotten mit spärlichem Syneytium 
durchsetzt. Eigenthümlich ist hier wie in der ganzen Placentar- 
entwicklung, dass die mütterlichen Gefässe ziemlich wenig ausge- 
bildet sind und keine Rolle bei dem eigentlichen Aufbau der Pla- 
centa zu spielen scheinen. 

Die Seiten der Zotten sind von einem kleinzelligen Epithel 
bekleidet, aber ihr Ende, welches sich in die eystisch erweiterten 
Räume hinein erstreekt ist, wie bereits bemerkt, mit einem ganz 
anderen Epithel versehen. Dieses ähnelt dem, welches man in 
dem Theil des Chorion findet, der den Sinus lateralis und, zu- 
weilen auch die Enden der Zotten bekleidet, während diese sich 
noch in der Schicht des zerfallenden Gewebes befinden und noch 
nicht in die erweiterten Drüsenräume eingedrungen sind. Man 
sieht, wie die Zotten beim ersten Eintreten in die erweiterten 
Drüsenräume ihr Epithel verändern (Fig. 14). Die Zellen sind 
grösser, mit schwach tingirten Kernen und unbedeutend gefärbtem 
Protoplasma, länglich und in Wucherung, so dass sie eine mehr- 
fache Schicht bilden; die dem Gallertgewebe der Zotte am nächsten 
liegenden haben bisweilen ihre ursprüngliche Form bewahrt, sonst 
haben sie sich, wie angegeben, verändert. Hier stösst man auf die 
Frage, warum verändert sich das Zottenepithel, so wie es die 
eystisch erweiterten Drüsenräume erreicht, in derselben Weise, wie 
die den Sinus lateralis auskleidenden Zellen? So lange die Schicht 
der zerfallenen Drüsen noch nicht in ihrer ganzen Länge von den 
Zotten durehdrungen ist, besteht das Epithel und verwendet wahr- 
scheinlich die zerfallenen Gewebsprodukte. Nachdem alle diese 
absorbirt worden sind, müssen die Zotten sich ihre Nahrung 
anderswo suchen; die Zellenprodukte der eystisch erweiterten 
Drüsen dienen nunmehr wahrscheinlich dem Foetus als Nahrung 
durch Vermittelung der Zotten, und um diese aufnehmen zu können, 
nimmt das Epithel wohl diese veränderte Form an, die es mehr 
fähig macht seinen Zweck zu erfüllen. Man findet auch um die 
grossen Epithelzellen in den eystisch erweiterten Drüsenräumen 
Anhäufungen amorpher und feinkörniger Massen, welche wahr- 
scheinlich von den Drüsenzellen herrühren. 

Die hauptsächliche Ernährung des Foetus scheint somit theils 
durch die zerfallenden Epithelzellen der Drüsen, theils durch die 
Produkte der erweiterten Drüsen stattzufinden. Ausserdem be- 

Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 28 


436 G. Heinricius: 


theiligt sich das Blut des Sinus lateralis daran. Wenn man von 
einer Uterinmilch sprechen will, so könnten passend die vorhin 
geschilderten Secretprodukte der erweiterten Drüsen damit be- 
zeichnet werden. Meine Untersuchungen stimmen hier in wesent- 
lichen Punkten mit den Ergebnissen Tafani’s überein. 

Bei hochsehwangeren Thieren ist die Structur der Placenta 
ziemlich dieselbe wie in Fruchtsäcken von 3 bis Sem langen Em- 
bryonen. 

Bezüglich der Angaben Anderer, von denen Einiges bereits 
vorhin erwähnt wurde, will ich hier nur noch etwas näher auf 
die schöne Arbeit Fleisechmanns eingehen. Ich hatte meine 
Untersuchungen eben begonnen, als Fleisehmanns vorläu- 
fige Mittheilung erschien. Ich glaubte jedoch meine Arbeiten 
fortsetzen zu sollen, da Fleischmann vorwiegend Fuchs und 
Katze als Objecte benützte, während ich die Hundeplacenta ge- 
wählt hatte. Als ich meine erste Mittheilung in den Sitzungsbe- 
richten der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften er- 
scheinen liess, stand mir nur der genannte vorläufige Bericht zu 
Gebote; erst für die hier vorliegende Publication konnte ich das 
grössere Werk Fleischmanns einsehen. Ich freue mich consta- 
tiren zu können, dass wir in vielen Punkten zu übereinstimmenden 
Resultaten gelangt sind. So in Bezug auf die Wucherungsvorgänge 
an den Uterindrüsen, bei denen Fleischmann |. e. S. 61 auch 
Seitensprossen beschreibt; dann betreffis des Unterganges des 
mütterlichen Epithels. Hier freilich macht Fleischmann einen 
Vorbehalt. Er fand nämlich dieses Zugrundegehen des Epithels 
nur beim Fuchse, nicht bei der Katze (l. ec. S. 62 und 63). Da 
er nun aber die Tragsäcke der Füchsinnen nicht völlig frisch 
erhalten konnte, sondern auf das angewiesen war, was die Jäger 
brachten, so hält er es für möglich, dass auch beim Fuchse in 
Wahrheit die Sache sich wie bei der Katze verhalte. Es ist nun 
sicherlich für diese wichtige Frage nicht ohne Interesse, dass ich 
beim Hunde ebenfalls den Untergang des Uterinepithels, überall 
da, wo es mit foetalem Ectoderm, speciell mit den Zotten, in Be- 
rührung kommt, feststellen konnte und zwar an einwandfreien 
Präparaten. Weiterhin beschreibt Fleischmann die cystischen 
Erweiterungen der Drüsen, ferner die Veränderungen des Binde- 
gewebes und das Syneytium, letzteres wenigstens in der vorläufigen 
Mittheilung. Bezüglich des Bindegewebes lässt er dessen Fasern 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 437 


verschwinden, und die Zellen zu grossen Protoplasmakörpern her- 
anwachsen, während ich über ein Verschwinden von Fasern nichts 
Näheres aussagen kann und das Gewebe wesentlich als ein ana- 
stomosirendes Zellennetz auffassen möchte. 

In einem wesentlichen Punkte muss ich, wie schon hervor- 
gehoben wurde, von Fleischmann abweichen: in Bezug auf 
das Einwachsen der foetalen Zotten in die Uterindrüsen. 
Ich habe gerade für diesen Punkt nach dem Bekanntwerden der 
vorläufigen Mittheilung meine Präparate besonders genau geprüft 
und muss als das Ergebniss hinstellen, dass in den ersten Stadien 
die Zotten nicht in die Uterindrüsen hineinwachsen, wenigstens 
nicht als Regel. Später, wenn die Zotten bis zu den eystisch 
erweiterten Drüsenräumen vorgedrungen sind, befinde ich mich 
wieder in voller Uebereinstimmung mit Fleischmann. 

Auf die Drüsenseeretion und das Verhalten der Zotten zu 
den Sinus laterales, auf welches ich besonders mein Augenmerk 
richtete, ist Fleischmann in seinem vorliegenden Werke nicht 
eingegangen; doch dürfen wir darüber wohl weitere Mittheilungen 
von ihm erwarten. 

Herrn Prof. Waldeyer, der meine Präparate durchgesehen 
und beurtheilt hat, spreche ich meinen besten Dank aus. 


438 


G. Heinricius: 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV und XXVI. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


= 


Querschnitt. des normalen, nicht schwangeren Uterus eines Hundes. 
a Lumen Uteri, b Mucosa mit Drüsen, ce Muscularis. Seibert 
0bj’ 1; '0e. IL, 

Querschnitt der Embryonalanlage und Uterinwand im Anfang der 
Schwangerschaft. a Museularis, b die tiefe Drüsenschicht, ce die 
bindegewebige Schicht, d die oberflächliche Drüsenschicht, e Ver- 
bindungen zwischen den inneren und äusseren Drüsenabschnitten. 
letztere mit Erweiterungen, F Fötus, A Raum, in welchen sich später 
das Amnion hinein entwickelt, ent = Entoderm, mes = Mesoderm, ect = 
Ectoderm. Seibert Obj. 1, Oc. II. 

Theile der Drüsen in der tiefen Drisenschicht. 

Structur der bindegewebigen Schicht. Fig. 3 u. 4 entsprechen dem 
in Fig. 2 dargestellten Stadium. Zeiss hom. I. Yys, Oe. 5. 

Theil der oberflächlichen Drüsenschicht (Placentarentwicklung ent- 
sprechend Fig. 2). Nach oben rechts sieht man das Flächenepithel, 
unter diesem eine Schicht Bindegewebe; ferner durch ganz dünne 
bindegewebige Septen getrennte Drüsen im Länge- und Querschnitt. 
Zeiss hom. I. 1/ Oec. 5. 

Die Oberfläche der Uterinschleimhaut nebst anliegendem Ectoderm 
(ect). (Placentarentwickelung entsprechend Fig. 2.) D Drüsen- 
mündung. Seibert hom. I. 1/,., Oe. 0. 

Querschnitt der Embryonalanlage und Uteruswand von einem vor- 
gerückteren Stadium. a Muscularis, b die tiefe Drüsenschicht, ce die 
bindegewebige Schicht, d die Schicht der erweiterten Drüsen; e die 
Schicht der zerfallenden Drüsen, f Chorion mit beginnender Ent- 
wiekelung der Zotten. Verick Obj. 2, Oe. 1. 

Das Eindringen der Chorionzotten in die Uterinschleimhaut. Schicht 
der zerfallenden Uterindrüsen. a Zwischenwände der cystisch er- 
weiterten Drüsenräume, bb Drüse mit gewöhnlichem Epithel, ee ce 
Querschnitte von Drüsen mit vergrössertem Epithel, d Bindegewebe 
unmittelbar unter dem Zottenepithel, e Zottenepithel, &g zarte 
bindegewebige Axe der Zotten, vom Chorion ausgehend und vom 
Epithel zurückgewichen. Ve&rick Obj. 7, Oc. I. 

Querschnitt der Uteruswand. Embryo 2cm lang. a Muscularis, 
b die tiefe Drüsenschicht, e die bindegewebige Schicht, d die 
Schicht der erweiterten Drüsen, e die Zone der zerfallenden Ge- 
webselemente, in welche die Zotten hereinragen, f die Zotten und 
Syneytium, g Chorion. Verick Obj. 2, Oe. I. 


Fig. 


Fig. 


Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta beim Hunde. 439 


10. 


11. 


. 18. 


14. 


„19. 


Das weitere Hineinwachsen der Chorionzotten. Man sieht drei von 
einander durch Syneytium mit Gefässen getrennte Zotten zz 2; unter- 
halb dieser eine Zone von in Zerfall befindlichen Gewebselementen. 
Ganz nach unten fangen die cystisch erweiterten Drüsenräume an. 
Der Abbildung entspricht e, f, g und ein kleiner Theil von d in Fig. 
9. Seibert hom. I. 1/jo, Oe. 0. 

Randplacenta. Embryo 2cm lang. a Muscularis, b die tiefe Drü- 
senschicht, e die bindegewebige Schicht, d die Schicht der erwei- 
terten Drüsen, e die Zone der zerfallenden Gewebselemente, in welche 
die Zotten hineinragen, f Zotten und Syncytium, g Chorion, h Sinus 
lateralis, i zur Placenta nicht umgewandelte Uteruswand. Verick 
Obj. 2, Oc. I. 


. Chorionepithel vom Blute der Sinus laterales umspült. In den Zellen 


sieht man Blutkörperchen. Embryo 2 cm. Seibert hom. I. !/js, 
Oc. IH. 

Ende einer Zotte (z) im Querschnitt; die niedrigen Epithelzellen 
gehen in grössere ovale Zellen über bei a. Embryo 2cm. Verick 
Ob 

Die Zotten (z) sind bis in die erweiterten Drüsenräume (d) eingedrungen. 
In der Mitte sieht man eine Zwischenwand (w) mit secernirenden 
Drüsenzellen. Das Chorionepithel nimmt eine andere Form an, so- 
bald es sich frei in die Drüsenräume erstreckt. Embryo 8 cm lang. 
Seibert Obj. 5, Oc. II. 

Zellen der erweiterten Drüsenräume in Thätigkeit Uterinmilch zu 
bilden, begriffen. Zeiss hom. I. !/ja, Oc. 5. 


440 A. S. Dogiel: 


Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe 
mittelst Methylenblau. 


Von 
A. S. Dogiel, 


Professor der Histologie an der Universität zu Tomsk. 


Hierzu Tafel XXVI. 


Recklinghausen und His führten bekanntlich zuerst in 
die histologische Technik die Imprägnationsmethode der Gewebe 
mittelst Silbernitrat ein und dank dieser Methode ward die Mög- 
lichkeit gegeben, erstens: die, zwischen den Zellen verschiedenster 
. Art: Endothel-, Epithel-, Muskelzellen ete., gelegene Kittsubstanz 
zu tingiren, zweitens sich mit der Form, Vertheilung ete. der 
Spalten und Zwischenräume (die Saftkanäle), die in der Grund- 
substanz der Bindegewebsgebilde eingelagert sind, bekannt zu 
machen und ihr Verhältniss zu den Blut- und Lymphgefässen auf- 
zuklären. 

Seit der Reeklinghausen’schen Entdeckung sind nun viele 
neue Imprägnationsmethoden veröffentlicht worden (mit Eisenoxy- 
dulsalzen und darauf folgender Einwirkung von rothem Blutlaugen- 
salz; mit Lösungen von fetten Oelen nach Altmann, durch Ein- 
stich-Injeetion von Alkannin-Terpentin nach Waldeyer oder von 
Asphaltchloroformlösung nach Gutmann; durch Injection ins Blut 
von Indigocarmin, Tuscheemulsion ete. etc.), die alle die Identität 
der durch Versilberung erhaltenen Bilder mit denjenigen bestätigten, 
welche durch Hülfe der anderen Untersuchungsmethoden gewonnen 
werden. 

In vorliegender Notiz will ich eine neue Imprägnationsme- 
thode der Gewebe mittelst Methylenblau beschreiben, welche in 
vielen Fällen die Imprägnation mit Silbersalzen vollständig er- 
setzen kann. 

Wenn frische Gewebe verschiedener Art auf etliche Minuten 
in eine kräftige Lösung von Methylenblau eingesenkt und darauf 
in eine Lösung von pikrinsaurem Ammoniak übergeführt werden, 
so beobachtet man, dass das Methylenblau, indem es mit dem pi- 


Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. 441 


krinsauren Ammoniak einen Niederschlag gibt, sich vornemlich in 
den Zellenzwischenräumen (der Kittsubstanz) oder aber in der 
Grundsubstanz des Bindegewebes ablagert. 

Gewöhnlich werden hierbei die Grenzen zwischen den Endo- 
thel-, Muskel- und anderen Zellen in Form von scharf gezeichneten 
dunkel-violetten, fast schwarzen Linien ersichtlich, wobei nicht 
selten übrigens auch der Zellkern selbst blass-violett gefärbt wird. 
Der Körper der Zellen bleibt meistentheils farblos und nimmt nur in 
den Fällen eine äusserst schwache Färbung an, wenn das Gewebe 
im Verlaufe eines sehr langen Zeitraumes in der Lösung des Farb- 
stoffes gelegen hat. 

Die Grundsubstanz des Bindegewebes nimmt in den mit Me- 
thylenblau imprägnirten Präparaten, ähnlich der Kittsubstanz, eine 
mehr oder weniger dunkel-violette Farbe an, wobei die Saftka- 
näle, die Lymph- und Blutgefässe, ebenso die Nervenstämmchen 
ungefärbt verbleiben und deutlich in Gestalt von scharf begrenzten 
weissen Figuren hervortreten; ausserdem tritt auf den Lymph- und 
Blutgefässen, ebenso auch auf den Nervenstämmchen die Zeichnung 
der Endothelzellen hervor. 

Auf diese Weise erhält man also beim Imprägniren der Ge- 
webe mit Methylenblau ein negatives Bild der Saftkanäle, der 
Blutgefässe etc. 

Bei der eben beschriebenen Bearbeitungsmethode der Gewebe 
färben sich fast beständig die Kerne derjenigen flachen Zellen 
schwach violett, die aller Wahrscheinlichkeit nach die Wandungen 
der Saftkanäle auskleiden. Die Kerne erscheinen in Gestalt ziem- 
lich grosser Körper von runder oder ovaler Form mit einem oder 
mehreren Kernchen und zeichnen sich deutlich auf dem weissen 
Grunde der Saftkanäle ab (Fig. Ila b). 

Ueberhaupt geben die mit Methylenblau imprägnirten Gewebe 
reine und deutliche Präparate, die den mit Silbersalzen bearbeite- 
ten fast gar nichts nachgeben, ausgenommen, natürlich, den Ton 
der Färbung selbst. 

Der Imprägnation mit Methylenblau können zu diesem oder 
jenem Zwecke dünne Bindegewebe-Häutechen und seröse Hüllen 
unterworfen werden und zwar: Das Diaphragma (centr. tendineum) 
kleiner Thiere, das Mesenterium und die Nierenkapsel (von Mäusen, 
Ratten, Kaninchen ete.), die Testikelhäute, das Omentum und 
das Parietalblatt des Pericardiums (von Mäusen, Ratten, Kanin- 


442 A. 8. Dogiel: 


chen, Katzen), die Hornhaut (von Fröschen, Mäusen, Ratten), die 
Iris von weissen Mäussen und Ratten, die Hülle der Sehnenbündel 
(tendilemma) aus dem Schwanze von Ratten, die Hautlamellen der 
“Ohrmuscheln (von weissen Mäusen und Ratten) ete. ete. 

Die Methode der Imprägnation besteht in Folgendem: man 
nimmt eine 4 °/, Lösung von Methylenblau in einer physiologischen 
Kochsalzlösung, darauf schneidet man aus den frisch getödteten 
Thieren dieses oder jenes der obengenannten Häutchen und bringt 
dieselbe in die Methylenblaulösung auf 10—20—30 Minuten, je 
nachdem man nur die Grenzen zwischen den Zellen des Endothels 
zu bezeichnen wünscht oder aber ein Negativbild der Saftkanäle 
und Gefässe zu erhalten beabsichtigt. Im ersteren Falle ist es ge- 
nügend, das Gewebe nur einige Minuten in der Lösung zu belassen, 
im zweiten ist es besser, vorher das Endothel von der Oberfläche 
der serösen Hülle zu entfernen und in der Methylenblaulösung eine 
längere Zeit hindurch, 15—30 Minuten lang liegen zu lassen, da- 
mit der Farbstoff die Grundsubstanz des zu untersuchenden Gewebes 
durchtränken kann. Nach Verlauf der angegebenen Zeit nimmt 
man das Präparat aus der Färbeflüssigkeit und führt es in eine 
gesättigte Lösung von pikrinsaurem Ammoniak über, in welcher 
es sorgfältig ausgewaschen, auf !/, Stunde oder länger liegen ge- 
lassen wird, darauf noch einmal in einer frischen Lösung von Pi- 
krinammonium ausgewaschen und auf das Objectivglas in mit 
Wasser verdünntes Glycerin gebracht wird. In den Fällen, in 
welchen man das Präparat auf lange Zeit aufbewahren will, ist es 
rathsamer, dasselbe in mit pikrinsaurem Ammoniak gesättigtes 
Glycerin einzutragen. 

Gewöhnlich nimmt das Präparat in der Methylenblaulösung 
anfänglich eine durchgehend dunkelblaue Färbung an, doch wird 
in dem pikrinsauren Ammoniak die, der Oberfläche des Präparats 
anhaftende, überflüssige Farbschicht abgewaschen ;; derjenige Theil 
der Farbe aber, welcher die die Zellen zusammenkittende Sub- 
stanz oder die Grundsubstanz des gegebenen Gewebes durchtränkt 
hat, setzt sich in Form eines feinkörnigen violetten Niederschlages ab. 

Im Falle man die Grenzen der Endothelzellen bezeichnen 
will, ist es am besten, wie ich bereits oben bemerkt habe, das 
Präparat in der Methylenblau- und pikrinsauren Ammoniaklösung 
kurze Zeit hindurch zu halten, da durch die Einwirkung des pikrin- 
sauren Ammoniaks das Gewebe bedeutend aufquillt, durchschei- 


Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. 443 


nend wird und das Endothel sich leicht aus der von demselben 
ausgekleideten Oberfläche herausschälen lässt. Dagegen, zum Be- 
zeichnen der Grenzen der Safteanäle, Lymphgefässe ete. ist es 
rathsamer das Endothel vorher abzunehmen, damit der Farbstoff 
leichter das Gewebe durchdringen kann. Das Epithel von der 
Hornhaut oder das Endothel von der Oberfläche irgend einer serösen 
Hülle zu entfernen, ist nach vorhergegangener Tinction des Präpa- 
rates in der Pikrinammoniaklösung selbst durchaus nicht schwierig. 

Die Grenzen der die Oberfläche des Diaphragmas und 
des Mesenteriums bedeekenden Endothelzellen zeichnen sich nach 
der Bearbeitung der ersteren nach oben beschriebenen Methode in 
Gestalt von dunkelvioletten Linien (Fig. I) ab, wobei durch die 
Wirkung des pikrinsauren Ammoniaks die Präparate so durch- 
sichtig werden, dass, wenn nur unbedeutend die Focusentfernung 
im Mikroskope verändert wird, man deutlich die Zeichnungen der 
die beiden Flächen bedeckenden Endothelzellen schauen kann. 
Stellenweise dringt das Methylenblau durch die Endothelhülle und 
tingirt die Grundsubstanz der Gewebe des Diaphragmas und des 
Mesenteriums, sodann sieht man unter dem Endothel das Netz der 
Safteanäle und der Lymphgefässe ete.; in den Safteanälen kann 
man sogar die schwach gefärbten Zellenkerne sehen, welche in 
denselben eingelagert sind (Fig. II, b). 

Auf den, aus dem Schwanze von Ratten genommenen und 
mit Methylenblau imprägnirten Sehnen ist es nicht schwierig zu 
beobachten, dass die etliche Primärsehnenbündel umgebende Hülle, 
gleich den serösen Häutchen oder den Nervenscheiden, mit Endothel- 
zellen von vieleckiger Gestalt bedeckt sind, deren Grenzen sehr 
scharf hervortreten (Fig. III). 

Die Imprägnation der Nierencapsel (caps. adiposa et 
fibrosa), der Testikelhüllen, des Herzbeutels habe ich ge- 
wöhnlich in folgender Art ausgeführt. Ich schnitt dieses oder 
jenes Organ, zusammen mit den dieselbe bedeckenden Hüllen 
heraus, tauchte dasselbe 10—20—30 Minuten lang in die Methyl- 
blaulösung und brachte sodann dasselbe in pikrinsaures Ammoniak. 
Nach Verlauf von 20—40 Minuten trennte ich vorsichtig die Hülle 
von der Oberfläche der Organe, wusch sie mehreremale sorgfältig 
in Pikrinammoniaklösung und schloss sie, nachdem sie in Theile 
geschnitten worden, in Glycerin ein. Mit Hülfe der beschriebenen 
Imprägnationsmethode wurden in allen obenangeführten Häutchen 


444 A. 8. Dogiel: 


das Netzgeflecht der Safteanäle, der Lymph- und Blutgefässe er- 
halten, wobei die Präparate in ihrer Deutlichkeit und Genauigkeit 
in nichts mit Silbernitrat bearbeiteten Präparaten nachstehen 
(Fig. IV,a,b). 

Was die Imprägnation der Hautlamellen der Ohr- 
muschel anbelangt, so wurde dieselbe folgendermaassen ausge- 
führt: zuvörderst wurden die Ohrmuscheln abgeschnitten, darauf 
eine Hautlamelle von der anderen getrennt und nach Möglichkeit 
die zwischen ihnen gelegenen Knorpellamellen entfernt, worauf 
dann die erwähnten Lamellen nach obenangegebener Methode bear- 
beitet wurden. Gewöhnlich zeichnen sich in den Geweben der 
Hautlamellen deutlich die Nervenfasern der Blut- und Lymphge- 
fässe und zuletzt die Saftcanäle ab; in den letzteren kann die 
Gegenwart von Kernen, die den in ihnen eingelagerten Zellen zu- 
gehörig sind, beobachtet werden. 

Im Allgemeinen ist bei Anwendung dieser Imprägnations- 
methode es nicht schwierig sich zu überzeugen, dass in dem Ge- 
webe eines jeden der obenangeführten Hüllen die Saftcanäle ihre 
eigene, in den meisten Fällen für das gegebene Gewebe charakte- 
ristische, Form und Vertheilung besitzen. 

Ausserdem kann man die Methylenblauimprägnation zum 
Imprägniren des Endothels der Blutgefässe gebrauchen, indem 
man die letztere mit einer Lösung von Methylenblau injieirt, ähn- 
lich wie solches mit der Silbernitratlösung geschieht. Die Gewebe, 
deren Gefässe mit einer 4°/,igen Methylenblaulösung gefüllt wor- 
den, werden nach der Injection in die Lösung des pikrinsauren 
Ammoniaks gebracht, zur Fixation des Farbstoffes, darnach aber 
in Glycerin eingeschlossen. Auf ähnliche Weise gelang es mir ein 
Bild der Endothelialzellen der Blutgefässe des Mesenteriums, der 
Nierencapsel, der Gehirnhäute ete. zu erhalten. In den auf be- 
schriebene Art bereiteten Präparaten zeichneten sich nicht nur 
die Grenzen zwischen den Endothelzellen der Blutgefässe, sondern 
auch die ringförmige Schichte der Muskeln der Tunicae mediae 
der Arterien ab, wobei das Präparat weder an Reinheit noch 
Deutlichkeit der Färbung den Silberpräparaten etwas nachgab. 

Auf Grund des oben ausführlich Auseinandergesetzten kann 
ich unbedenklich das Imprägniren von Geweben mittelst Methylen- 
blau als eine Methode empfehlen, die in vielen Fällen das Tingiren 
der Gewebe durch Silbersalze ersetzen kann. 


Eine neue Imprägnationsmethode der Gewebe mittelst Methylenblau. 445 


Das Unzureichende dieser Methode besteht bis jetzt nur noch 
darin, dass man dieselbe nur auf dünne Bindegewebshäute und 
seröse Hüllen anwenden kann; ausserdem man beim Benützen 
dieser Methode nicht im Stande ist die Präparate der Einwirkung. 
von Alkohol und successiver Bearbeitung mit Klärungssubstanzen 
auszusetzen. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIL. 


Alle abgebildeten Präparate sind mit Methylenblau imprägnirt. 

Fig. 1. Endothelzellen, weiche die beiden freien Flächen des Mesenteriums 

einer weissen Ratte bedecken. System 8a Reich., Camera lucida. 
Fig. 2. Centrum tendineum des Diaphragmas einer weissen Ratte: a) Saft- 
canäle mit den Kernen b), der in denselben eingeschlossenen Zellen. 
Syst. 8a Reich., Camera lucida. 
Das Endothelium der eine Gruppe von primären Sehnenbündeln um- 
gebenden Fläche; Sehnen aus einem Rattenschwanze. Syst. 4 Reich,, 


= 
bi 
B% 


Camera lucida. 

Fig. 4. Die Nierencapsel eines Hundes (Capsula adiposa) mit Safteanälen und 
Netzgeflecht von (a) Lymph- und (b) Blutgefässen. Syst. 4 Reich., 
Camera lucida. 


Aus dem histologischen Institute der deutschen Universität in Prag. 


Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen 
an Kaninchen, Hunden und Katzen, 


Von 
Dr. Adalbert Czerny. 


Hierzu Tafel XXVIII und XXIX. 


Girald&s!) beschrieb zuerst beim Menschen als „Corps in- 
nomine“ einen vermuthlichen Rest des Wolff’schen Körpers, 


1) Girald&s, Bulletin de la Soc. anat. 1857, und Recherches anatomi- 
ques sur le corps innomine; Journal de la Physiologie de Brown-Söquard. 
IV. 1861. 


446 Adalbert Czerny: 


oberhalb des Nebenhodenkopfes, bestehend aus einer veränderlichen 
Anzahl gewundener, mit bläschenförmigen Erweiterungen endigen- 
der Kanälehen, an welchem sich kein direkter Zusammenhang mit 
. der Geschlechtsdrüse nachweisen lässt und der im Gegensatze zur 
Entwicklung der Geschlechtsdrüse schwindet. Der nicht nachweis- 
bare Zusammenhang mit der Geschlechtsdrüse veranlasste Giraldes, 
dieses Organ als mit dem Nebeneierstock gleichwerthig aufzufassen. 
Letzterer Anschauung trat nach Waldeyer’s Angabe Banks!) 
entgegen mit der Auffassung, dass die Ueberbleibsel des W olff- 
schen Körpers beim Weibe, wenn überhaupt vorhanden, in ein 
Paar rudimentären Kanälchen gesucht werden müssten, die seitlich 
vom Rosenmüller’schen Organ gelegen sind. Weiteres müssen 
die auf die Gleichstellung des Corps innomine mit dem Nebeneierstock 
gerichteten Angaben Kobelt’s?) hervorgehoben werden, welcher 
darauf hinwies, dass der Nebeneierstock dem Nebenhoden mor- 
phologisch gleich sei, und sich während des ganzen Lebens der 
Thiere und des Menschen unverändert erhalte. 

Henle?:) schuf für das Corps innomine, welches Kölliker 
zuerst „das Girald&s’sche Organ“ benannte, die beiden Namen 
Parepididymis und Paroophoron, und für das Rosenmüller’sche 
Organ (Parovarium Kobelt; Paroophoron Hennig) den Nameu 
Epoophoron. Waldeyer*) änderte weiter den Namen Parepidi- 
dymis in Paradidymis um. 

Das von Joh. Müller’), Banks, Dursy‘), behauptete Vor- 
kommen von zweierlei-differenten Kanälchen im W olff’schen Körper 
führte Waldeyer zu dem Schlusse, dass der Wolff’sche Körper 
von Anfang an aus zwei ganz differenten Anlagen bestehe, von denen 
er einen Urnierentheil, den anderen Sexualtheil benannte. 
Das Giraldes’sche Organ, welches nach demselben Autor als der 
Rest des Urnierentheiles anzusehen ist, wäre somit schon im 


1) Banks, On the Wolffian bodies of the foetus and their remains in 
the adult. 1864. (Citat nach Waldeyer.) 

2) Kobelt, der Nebeneierstock des Weibes. 1847. 

3) Henle, Handbuch der systematischen Anatomie. 1866. 

4) W. Waldeyer, Eierstock und Ei. 1870. 

5) J. Müller, Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. 

6) E. Dursy, Ueber den Bau der Urnieren des Menschen und Säuge- 
thiere. Zeitschr. f. ration. Medicin. Bd. 23. 1865. 


Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 447 


Wolff’schen Körper vor dessen Auflösung als ein scharf abge- 
sondertes Gebilde erkennbar. — Dieser Anschauung stehen jedoch 
die Untersuchungen von JanoSik!) entgegen, aus welchen her- 
vorgeht, dass die zweierlei Kanälchen als verschiedene Abschnitte 
der Urnierenkanälchen aufgefasst werden müssen. Für die An- 
schauungen JanoSik’s sprechen auch, wie später erörtert werden 
wird, die Befunde am Giralde&s’schen Organe. 

Die leicht auszuführende Trennung der isolirten Paradidymis 
von dem mit der Genitaldrüse in Verbindung stehenden Neben- 
hoden war wohl der Anlass, dass dieses Organrudiment zuerst 
entdeekt und vielfach mit Girald&s übereinstimmend beschrieben 
wurde, im Gegensatze zum Paroophoron, welches nur Waldeyer 
näher berücksichtigt; derselbe schreibt: „Auch beim erwachsenen 
Weibe findet man bei sorgfältiger Präparation im breiten Mutter- 
bande, medianwärts vom Nebeneierstock, oft bis unmittelbar an 
den Uterus heran, mehrere schmale mit epithelialen Zellen und 
körnigem Zelldetritus gefüllte Kanälchen, die hier und da mit ein- 
ander anastomosiren und unzweifelhaft die Reste des Urnierentheils 
vom Wolff’schen Körper darstellen“. 

Die anatomischen Beschreibungen von Giralde&s, Henle, 
Kölliker, Waldeyer betreffen alle nur die Paradidymis des 
Menschen. Die Beobachtungen über das Girald&s’sche Organ 
bei Thieren fasst Balfour?) in folgendem zusammen: „die 
Reptilien zeigen solche Ueberreste nicht, dagegen sollen sie so- 
wohl bei den männlichen als bei den weiblichen Vögeln als kleine 
Organe vorkommen, welche aus blindendigenden Röhrchen mit 
selbem Pigment bestehen. Bei manchen männlichen Säugethieren 
(mit Einschluss des Menschen) findet sich an der oberen Seite des 
Hodens eine Parepididymis. Sie ist gewöhnlich unter dem Namen 
des Giralde&s’schen Organs bekannt.“ 

Ich will im folgenden den Rückbildungsprozess 
des Organs von Girald&s verfolgen, da derselbe in der Litte- 
ratur noch keine zusammenhängende Darstellung erfahren hat. 
Die bestehenden Angaben in Bezug auf diesen Prozess betreffen 
einerseits die Zeitdauer desselben, andererseits dessen Verhältniss 


1) JanoSik, histol. embryol. Untersuchungen über das Urogenitalsystem. 
Bd. XCI der Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. III. Abth. Jahrg. 1885. 
2) FrancisM. Balfour, Handbuch d. vergleichenden Embryologie. 1882 


448 Adalbert Czerny: 


zu pathologischen Neubildungen, endlich die Pigmentirung des 
atrophirenden Organs. Nach Giraldes beginnt die Atrophie 
des Corps innomind beim Menschen erst vom 6.—10. Lebensjahre an. 
“Diese Anschauung lässt sich daraus erklären, dass sich Giraldes 
mit den makroskopisch zu konstatirenden Befunden begnügte. 
Durch die multiple Cystenbildung kommt es allerdings während 
der Rückbildung des Organes zu einer Vergrösserung desselben, 
und dieser Umstand mag jenen Forscher veranlasst haben die An- 
sieht auszusprechen, dass das Organ erst im 6—10 Lebensjahre 
des Menschen seine höchste Entwickelung erreiche. Die Angabe 
Giralde&s, dass das Organ nicht völlig schwinde, kann nur 
auf die Paradidymis bezogen werden. Ueber die Rückbildungs- 
dauer des Paroophoron äussert sich Waldeyer dahin, dass das- 
selbe noch beim erwachsenen Weibe nachweisbar sei, ‘und wahr- 
scheinlich nie völlig schwinde. Dies letztere nimmt auch Vir- 
chow (Geschwülste, Band I) an, indem er aus jenen Resten die 
Entwickelung multipler Cystenbildungen im Ligamentum latum er- 
klärt. — Weiters muss hier Kölliker erwähnt werden, welcher 
in seinem Handbuche der Gewebelehre von einer Abschnürung ein- 
facher Röhrchen im Giralde&s’schen Organe spricht, und diesen 
Prozess mit der Blasenbildung in Verbindung bringt. Derselbe 
stellt jedoch diesen Vorgang als Thatsache hin, ohne näher darauf 
einzugehen. Schliesslich sind noch die Angaben über die Pig- 
mentirung des Girald&s’schen Organs anzuführen. So schreibt 
Waldeyer: „der andere Theil des W olff’schen Körpers (i. e. 
das Girald&s’che Organ) ist beim Menschen gelblich gefärbt.‘ 
Jakobson spricht von gelblichen Massen in der Nähe der Oyva- 
rien der Säugethiere, Leydig und Rathke von „gold- und 
ockergelben Gebilden bei den niederen Wirbelthieren, als Resten 
des W olff’schen Körpers.“ Nirgends findet man jedoch Angaben, 
welche die Ursache dieser Färbung aufzuklären suchen, wenn- 
gleich die Erscheinung als am meisten in die Augen springend 
bezeichnet wird. 

Den Ausgangspunkt der folgenden Untersuchungen bildete 
die von Herrn Prof. Sigmund Mayer gemachte Beobachtung, 
dass sich bei alten männlichen Kaninchen an der 
Arteria spermatica pigmentirte, mit Flimmerepithel ausgekleidete 
Kanälchen vorfinden. Diese mir zur weiteren Untersuchung über- 
gebene Beobachtung veranlasste mich den in der Litteratur noch 


Das Giraldös’sche Organ nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 449 


nicht beschriebenen Rückbildungsprozess des Girald&s’schen 
Organs, dem jene Kanälchen angehören, ausführlich zu schildern. 
Die mir im hiesigen Institute in grosser Anzahl und in den ver- 
schiedenen Altersstadien zu Gebote stehenden Thiere waren Kanin- 
ehen, Hunde und Katzen. Aus diesem Grunde beschränke ich 
meine folgenden Angaben auf diese drei Thierarten. 


Dauerdes Rückbildungsprozesses und Lage 
des Giraldes’schen Organs. 


Der Rückbildungsprozess am Urnierentheile des Wolff’schen 
Körpers!) geht bei Kaninchen, Hunden und Katzen so langsam 
vor sich, dass man an diesen Thieren innerhalb der ersten 6—8 
Lebenswochen bedeutende Ueberreste desselben vorfindet, von denen 
ein kleiner Theil auch an ausgewachsenen Thieren nachgewiesen 
werden kann, so dass es den Anschein gewinnt, als ob die Resi- 
duen des Wolff’schen Körpers zum Theile der Rückbildung einen 
jahrelangen Widerstand entgegensetzen können. Von den charak- 
teristischen Bestandtheilen des Urnierentheiles, den mannigfaltig 
gewundenen Kanälehen mit ihren Malpighi’schen Körperchen, fallen 
die letzteren sehr bald der Degeneration anheim, so dass man die- 
selben nur bei den allerjüngsten Thieren (im ersten und zweiten 
Lebensmonate) vorfindet, während die Kanälchen die oben er- 
wähnte ausserordentlich lange Existenz zu führen vermögen, einige 
wenige sogar während des ganzen Lebens der Thiere zu persistiren 
scheinen. 

Paroophoron und Paradidymis haben keinen streng anatomisch 
abgrenzbaren Sitz. Findet man bei einem Thiere noch Malpighi- 
sche Körperehen der Urniere, so bemerkt man, dass dieselben, 
mit den ihnen anhängenden Kanälchen stets zu einer dicht ge- 
drängten Gruppe vereint, auf ein später näher zu bestimmendes 
Gebiet beschränkt sind. Dagegen lagern an beiden Seiten blind- 
endigende Schläuche im ganzen Mesorehium beziehungsweise Mes- 
ovarium zerstreut, theils einzeln, theils zu Gruppen vereint, stets 


1) Diese Bezeichnung ist nach den Befunden von JanoSik (l. ce.) nicht 
im Sinne Waldeyer’s zu gebrauchen, sondern ist dem von O0. Hertwig 
(Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. Jena 1888) gewählten Ausdrucke 
„hinterer Abschnitt der Urniere‘‘ gleichzusetzen. 


450 Adalbert Üzerny: 


jedoch in der nächsten Nähe der Blutgefässe. Es ist deshalb zur 
klaren Darstellung der Verhältnisse eine anatomische Skizze der 
betreffenden Gefässe nothwendig. 

Bei den genannten Thieren männlichen Geschlechtes geht die 
Arteria spermatica interna in einem spitzen Winkel nahe der 
Nierenarterie von der Aorta ab. Die Grösse dieses Winkels ändert 
sich mit der jeweiligen Stellung des Hodens, zu welchem die 
Arterie geradlinig hinzieht. In ihrem Verlaufe theilt sich dieselbe 
in drei Hauptäste, von denen der erste zur Capsula adiposa der 
Niere zieht, der zweite an der dem Nebenhoden entgegengesetzten 
Seite in den Hoden eintritt und der dritte sich in das Gewebe 
zwischen Hoden und Nebenhodenkopf einsenkt. Bei den weiblichen 
Tbieren geht die Arteria sperm. int. in gleicher Höhe, aber im 
rechten Winkel von der Aorta ab, gibt in ihrem geradlinigen Ver- 
laufe durch das Mesovarium einen Ast ab, der zum oberen Ende 
des Uterushornes zieht und theilt sich kurz vor dem Ovarium in 
drei Aeste, von denen zwei an das Ovarium herantreten, während 
der dritte über dem Ovarium zum Eileiter zieht. Auch die weib- 
liche Arteria spermatica sendet einen Ast zur Capsula adiposa 
der Niere. 

Bei sehr mageren Thieren gelingt es schon mit freiem Auge, 
dicht an den Gefässen in verschieden grossen Intervallen kleine, 
graue oder gelbliche Knötchen zu bemerken, meist sind dieselben 
jedoch durch aufgelagertes Fett verdeekt und werden erst bei der 
mikroskopischen Untersuchung sichtbar, welche leicht gelingt, da 
man das Mesovarium beziehungsweise Mesorehium sammt den Ge- 
fässen exeidiren, auf einem Objektträger nach einer später zu 
schildernden Methode ausbreiten, und unter der Linse das ganze 
genannte Gebiet durchsuchen kann. Dabei erfährt man, dass diese 
Knötchen die zerstreuten Theile des Girald&s’schen Organs sind, 
als dessen Standort man die Bahn der Arteria spermatiea in- 
terna bezeichnen muss, von der Aorta angefangen bis zur Nieren- 
kapsel einerseits, und zum Vas deferens resp. Uterushorn anderer- 
seits. Von den Knötchen macht sich eines besonders bemerkbar 
durch seine Grösse, Pigmentirung und constanten Sitz. Dieses 
Knötchen wird gebildet von den, wie bereits erwähnt, stets in 
einer Gruppe beisammenliegenden Malpighi’schen Körperchen 
mit den ihnen anhängenden Schlauchstücken. Der Sitz dieses Ge- 
bildes ist die letzte Theilungsstelle der Arteria sperm. vor deren 


Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 451 


Eintritt in die Geschlechtsdrüse. Die Entfernung dieser Theilungs- 
stelle von der Geschlechtsdrüse ist allerdings bei den einzelnen 
Thieren verschieden gross und ändert sich mit dem Grössenwachs- 
thum der Drüse, indem dadurch der Theilungswinkel der Arterie 
stumpfer wird. Diese Gruppe der Malpighi’schen Körperchen ist 
der eigentliche Repräsentant des Urnierentheiles des Wolff’schen 
Körpers und ihr gebührt im engeren Sinne des Wortes der Name 
Girald&s’sches Organ (vergl. Fig. 1, Taf. 28). Die längs der 
Arteria sperm. zerstreuten Schläuche (vergl. Fig. 2 Taf. 28) sind, 
wie sich aus ihrer histologischen Struktur nachweisen lässt, nichts 
anderes als die frühzeitig, aber in verschiedenen Zeiträumen ab- 
seschnürten Endstücke der Urnierenkanälichen, welche bei der 
Wanderung des Girald&s’schen Organs zurückgeblieben sind, und 
theils durch ihren eigenen Rückbildungsprozess, theils durch das 
Längenwachsthum der Arterie noch weiter von einander entfernt 
wurden. 

Wie bereits erwähnt, verschwinden die Malpighi’ schen Kör- 
perehen in den ersten S—10 Lebenswochen der Thiere, während die 
Schläuche dem Rückbildungsprozesse sehr langsam anlheimfallen. 
Dieses Verhalten mag wohl den in den Lehr- und Handbüchern 
der deseriptiven Anatomie und Histologie vorkommenden Angaben 
zu Grunde liegen, dass im Anfangstheile des Samenstranges sich 
der unter dem Namen Paradidymis bekannte Körper vorfindet, 
„der nur aus Schläuchen besteht“, obwohl auch beim Menschen 
innerhalb der ersten Lebensmonate Glomeruli nachgewiesen sind. 
So fand Pellacani!) bei einem einjährigen Knaben einzelne deut- 
liche Glomeruli in einem Schnittpräparate aus der unteren Portion 
des mittleren Drittels des Samenstranges. Die geläufigen Angaben 
über den Sitz und die Verbreitung der Urnierentheilreste sind in- 
soferne unvollkommen, -als eine Gruppe von Kanälchen im An- 
fangstheile des Samenstranges, beziehungsweise medianwärts vom 
Ovarium als Girald&s’sches Organ beschrieben wird. Pellacani 
schreibt bereits: „das Organ scheint vielfach unterbrochen zu sein, 
da es auf manchen Schnitten ausfällt, um auf folgenden wieder zu 
erscheinen.‘‘ Vergegenwärtigt man sich das über die Verbreitung 
gesagte, so wird man es verständlich finden, dass man beim Zer- 


1) Dr. Paolo Pellacani: Ueber den Bau des menschlichen Samen- 


stranges. Archiv für mikroskopische Anatomie. 23. Band. 1883. 
Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 29 


452 Adalbert Czerny: 


legen des der Arteria sperm. angehörigen Gefässbündels oder 
beim Menschen des Samenstranges in Serienschnitte, bald auf ein- 
. zelne Schläuche, bald auf kleinere oder grössere Gruppen der- 
selben stossen muss, welche sehr verschieden weit von einander 
entfernt liegen. Ebenso erklären sich dadurch die verschiedenen 
ungenauen Angaben über das Paroophoron. Die innigen Be- 
ziehungen des Giraldes’schen Organs zur Arteria spermatica 
machen sich auch beim Menschen geltend. 


Untersuchungsmethode und Befunde beider 
mikroskopischen Untersuchung. 


Das makroskopische Aussehen der Schläuche wurde bereits 
oben gekennzeichnet, doch muss hier noch einmal betont werden, 
dass dieselben meistens so zwischen Fettläppchen und Blutgefässe 
eingetragen sind, dass sie erst unter der Lupe nach Auseinander- 


zerrung des Gewebes sichtbar werden. Die Untersuchung am - 


frischen Objekte lässt sich bei jungen Thieren am zweckmässigsten 
derart ausführen, dass man das ganze Mesorchium oder Meso- 
variıum mittels einer feinen Scheere herausschneidet, in einem 
Probierröhrehen mit einer 0,5°/, Kochsalzlösung schüttelt, um das 
aus den durchschnittenen Blutgefässen ausgetretene Blut abzu- 
spülen, sodann mittels eines Pinsels auf einem Objektträger aus- 
breitet, und mit einem Deckglase bedeckt. Bei grossen Thieren 
präparirt man die ganze Arteria spermatica mit wenig umliegen- 
dem Bindegewebe heraus, schneidet sie in kleine Stücke und zer- 
zupft diese der Reihe nach in 0,5%, Kochsalzlösung. Zur Här- 
tung der Objekte verwendete ich Müller’sche Flüssigkeit, 0,5% 
Sublimatlösung, oder Flemming’sche Chromosmium-Essigsäure, 
zum Durchfärben Alauneochenille nach Czokor und Hämatoxylin 
nach Delafield. Die Objekte wurden in Paraffin eingebettet 
und in Serienschnitte zerlegt. 

Unterzieht man isolirte Schläuche der mikroskopischen Unter- 
suchung, so kann man schon am frischen Objekte wegen der 
Durchsichtigkeit der Gebilde viele histologische Eigenschaften der- 
selben feststellen. Form und Dimensionen der Schläuche sind sehr 
mannigfaltig. Die Länge variirt zwischen 50 « und4mm. Der Form 
nach kann man drei Gruppen unterscheiden: 1) lange Schläuche 
mit überall gleiehgrossem Durchmesser, bald gradlinig verlaufend, 


Sn 


Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 453 


bald schrauben- oder sehlangenförmig gewunden; 2) lange Schläuche, 
deren Durchmesser in verschiedenen Höhen bedeutende Grössen- 
unterschiede aufweisen, so dass die blindsackförmigen Enden kolbig 
erweitert erscheinen oder der ganze Schlauch an einer oder meh- 
reren Stellen spindelförmige Ausbuchtungen oder rosenkranzartige 
Einschnürungen aufweist. Die Ausbuchtungen sind mitunter so 
gestaltet, dass sie Verzweigungen vortäuschen, welch’ letztere sich 
jedoch in Wirklichkeit nie nachweisen lassen. Auch die Schläuche 
dieser Kategorie zeigen einen verschiedenartig gewundenen Ver- 
lauf; 3) kurze Schläuche, die meist «förmig gebogen sind oder 
so kurz sind, dass sie fast die Gestalt einer Kugel zeigen (vergl. 
Fig. 3, Taf. 29). 

Die häufig kolbig erweiterten Enden der Schläuche, die be- 
reits von Giraldes abgebildet wurden, werden seit der Publi- 
kation jenes Forschers als die verödeten Glomeruli der Urniere 
beschrieben. Dass diese Anschauung nicht gerechtfertigt ist, da- 
für sprechen folgende Befunde. 1) Sind die Endanschwellungen 
nur an einer Anzahl von Schläuchen nachweisbar. 2) Finden sich 
oft im Verlaufe eines Schlauches mehrere jenen vollständig gleiche 
Anschwellungen. 3) Sind diese Hohlräume mit dem characteristischen 
weiter noch zu beschreibenden Epithel der Schläuche ausgestattet, 
welches von dem der Malpighi’schen Körperchen wesentlich ver- 
schieden ist, und 4) ist der Degenerationsvorgang an den Malpighi’- 
schen Körperchen ein solcher, dass letztere nie als leere Blasen erschei- 
nen können. Die Ausbuchtungen an den Schläuchen scheinen sich 
daher vielmehr dadurch erklären zu lassen, dass die ursprünglich 
überall gleichweiten Schlauchstücke einerseits stellenweise durch 
Wucherung des in die Bildung ihrer Wand eingehenden Bindege- 
webes ringförmige Einschnürungen erleiden, andererseits durch 
die mit dem Abschluss der Kanälchen nicht gleichzeitig erlöschende 
Secretionsthätigkeit der Epithelien mechanisch erweitert werden. 
Lässt sich diese letztere Behauptung nicht direkt beweisen, so ist 
dies für die erstere um desto überzeugender möglich, denn man 
findet die verschiedensten Stufen der Einschnürung, von der ge- 
ringen Einengung bis zur vollständigen Abschnürung. Die vielen 
kurzen Schlauchstückehen, die sich in Gruppen bei einander lie- 
gend vorfinden, sind demnach als die abgesehnürten Theile eines 
ursprünglich einzigen Schlauches anzusehen. 

Die Schläuche lassen sich weiter, abgesehen von den, durch 


454 Adalbert Czerny: 


die Degenerationsvorgänge bedingten Schwankungen des Breiten- 
durehmessers, in breitere und schmälere unterscheiden. Da es be- 
kannt ist, dass die Urnierenkanälchen in ihrem Verlaufe vom Glo- 
merulus bis zum Urnierengange in verschiedenen Höhen verschie- 
dene Durchmesser besitzen, was ja zur Annahme von zweierlei 
Kanälehen in der Urniere Veranlassung gab, so ist auch durch 
diesen Befund die Anschauung gerechtfertigt, die Schläuche des 
Giraldes’schen Organs als die von einander abgeschnürten und 
zersprengten Theile der Urnierenkanälchen anzusehen. 

Die Wandung der Schläuche zeigt je nach dem Alter der- 
selben einen verschiedenen Bau. Der Unterschied äussert sich be- 
sonders an der äusseren Bindegewebsschichte der Schlauchwand. 
Viele Schläuche zeigen noch beim neugeborenen Thiere den Bau 
der Kanälchen des ungetheilten W olff’schen Körpers. Ihre Wand 
besteht aus einer sehr zarten Membran und einem noch näher zu 
charakterisirenden Epithel. Mit dem zunehmenden Alter der 
Schläuche wird nun diese Membran durch sich concentrisch an- 
lagerndes Bindegewebe verstärkt, ein Prozess, welcher einiger- 
maassen an die Einkapselung von Fremdkörpern in thierischen 
Geweben erinnert; ein Prozess, von dem aber auch zugleich er- 
wähnt werden muss, dass er sehr ungleichmässig' vor sich geht, 
so dass durch denselben die oben erwähnten Einschnürungen und 
Zerstückelungen der Schläuche erklärt werden können. Die Ka- 
nälchen des Wolff’schen Körpers sind in ihren Abschnitten mit 
breitem und schmalem Durchmesser von einem verschieden hohen 
Epithel ausgekleidet. Dies lässt sich noch an den Resten der Ka- 
nälchen nachweisen. Die schmalen Kanälchen des Giraldes- 
schen Organs sind von einem cubischen, die breiten von einem 
hohen Cylinderepithel ausgekleidet (vergl. Fig. 6 und 7, Taf. 28); beide 
Arten von Epithel besitzen grosse, runde, bläschenförmige Kerne 
und einen Besatz von Flimmerhaaren. Die bereits an 
vielen niederen Wirbelthieren, und von Roth!) an den mensch- 
lichen Urnierenresten nachgewiesene Flimmerung lässt sich sehr 
häufig selbst 24 Stunden post mortem des Thieres konstatiren. 
In manchen Fällen sucht man beim frischgetödteten Thiere ver- 
gebens nach dieser Erscheinung. Man kann dieses Fehlen der 


1) Roth, Flimmerepithel im Giraldes’schen Organ. Zeitschrift für 
Anat. und Entwicklungsgeschichte von Ilis und Braune. 1876. 


Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 455 


Flimmerung nicht erklären durch die Präparationsmethode, welche, 
wie bereits beschrieben, eine sehr schonende ist, noch weniger 
durch ungenaue Beobachtung, denn es wurden viele Thiere speziell 
auf diese Erscheinung geprüft. Schnittpräparate sind zur Ent- 
scheidung dieser Frage nicht brauchbar, denn durch die Härtung 
ballen sich die Flimmerhaare zu Pinseln zusammen und werden 
durch das Aufhellen der Präparate sehr schwer sichtbar, oder sie 
brechen ab und fallen beim Auswaschen der Schnitte heraus. Bei 
der Untersuchung in dieser Richtung stellt sich heraus, dass sich 
die Flimmerung am sichersten an neugeborenen Thieren nach- 
weisen lässt, und die Sicherheit des Befundes mit dem Lebens- 
alter der Thiere abnimmt. Da mit dem zunehmenden Alter auch 
der Rückbildungsprozess des Girald&s’schen Organs fortschreitet, 
so glaube ich vermuthen zu dürfen, dass das Fehlen der Flimme- 
rung als ein Zeichen der beginnenden Degeneration der Epithel- 
zellen anzusehen ist. Der Befund, dass man bei einem Thiere an 
manchen Schläuchen die Flimmerbewegung findet, an anderen 
nicht, oder dieselbe manchmal bei jüngeren Thieren vermisst, bei 
älteren noch nachweisen kann, zeigt wiederum das ungleichzeitige 
Auftreten des Degenerationsprozesses. 

Die Schläuche sind von einem eigenen weitmaschigen Capillar- 
netze umgeben, welches besonders deutlich sichtbar wird, wenn die 
Gefässe mit Blutkörperchen angefüllt sind (vergl. Fig. 4, Taf. 29). 
Dieses eigene Gefässsystem stammt von der Arteria spermatica, 
welche in ihrem Verlaufe keine Zweige an das Mesorchium be- 
ziehungsweise Mesovarium abgibt, als die zu den Schläuchen und 
den eventuell vorhandenen Fettläppchen. Das Verhalten der Blut- 
gefässe bei der Degeneration der Schläuche, sowie der Inhalt letz- 
terer soll weiter unten besprochen werden. 

Die bisher in der Litteratur, wie oben erwähnt, sehr wenig 
berücksichtigten Malpighi schen Körperchen des Girald£s’schen 
Organs, welche man noch beim neugeborenen Thiere im Zusammen- 
hange mit den Schläuchen findet, sind die sprechendsten Zeugen 
für deren Abstammung vom Wolff’schen Körper.ı Dieselben ver- 
rathen sich makroskopisch, wenn ihre Blutgefässe prall gefüllt 
sind, als eine Gruppe von rothen Pünktchen, deren Sitz bereits 
näher bezeichnet wurde. Sie übertreffen an Grösse stets die 
Malpighi’schen Körperchen der Niere des betreffenden Thieres. 
Schon am frischen Objekte kann man mikroskopisch den Bau der 


456 Adalbert Czerny: 


Glomeruli studiren. Die Kapsel derselben besteht aus einer starken 
Membran mit aussen aufgelagertem Bindegewebe und einem ein- 

schichtigen, niedrigen, nie mit Flimmerhaaren besetzten Epithel. 
_ Die breiten, niederen Epithelzellen der Glomeruluskapsel sind von 
den hohen schmalen Epithelzellen der Schläuche so wesentlich ver- 
schieden, dass man sie zur genauen Diagnostik der Reste beider 
benutzen kann. Untersucht man nämlich, wie oben bemerkt, die 
bereits beschriebenen, kolbigen Erweiterungen der Schläuche ge- 
nauer, so findet man in ihnen stets ein hohes, häufig sogar flim- 
merndes Epithel. Der an die Glomeruluskapsel herantretende 
Schlauch verengert sich ziemlich beträchtlich vor seinem Ansatze 
an diese. Auf diese Weise kommt ein kurzes Schaltstück, gleich- 
sam ein Hals zu Stande, in welchem das höhere Epithel des 
Schlauches allmählich in das niedere der Glomeruluskapsel über- 
geht (vergl. Fig. 8, Taf. 28). Dieses Schaltstück ist jedoch nicht den 
Einschnürungen gleichzustellen, die man sonst an den Schläuchen 
findet, da sich dieses Verhältniss bereits an den Kanälchen des 
intakten Wolff’schen Körpers nachweisen lässt. An das Mal- 
pighi’sche Körperchen tritt, wie man es an frischen Objekten 
sehr gut beobachten kann, ein kleines, von der Arteria spermatica 
entspringendes Blutgefäss heran, durchbricht die Kapsel, bildet im 
Inneren einen Knäuel von Capillarschlingen und verlässt als zartes 
Venenstämmchen den Glomerulus dicht neben der eintretenden 
Arterie, wo die Glomeruluskapsel an den beiden Gefässen etwas 
nach einwärts eingestülpt erscheint. Im Malpighi’schen Kör- 
perchen des mtakten Wolff’schen Körpers findet sich zwischen 
Gefässknäuel und Kapsel ein schmaler Raum. Untersucht man da- 
gegen den sich rückbildenden Urnierentheil am neugeborenen 
Thiere, so findet man stets, dass sich zwischen beiden ein auffal- 
lend grosser Hohlraum findet, welcher mit dem Cavum des zuge- 
hörigen Schlauches communieirt. Die Beobachtung verschiedener 
Altersstufen der Glomeruli zeigt, dass dieser Hohlraum zu Stande 
kommt durch das rasche Schwinden der Capillarschlingen, welches 
soweit gehen kann, dass das Gefässknäuelrudiment kaum noch 
ein Fünftel des Glomeruluscavums ausfüllt; nie jedoch kommt es 
dazu, dass der Gefässknäuel vollständig schwindet, ehe noch ander- 
weitige Veränderungen vor sich gegangen sind, so dass die Glo- 
meruluskapsel als leere Blase zurückbleiben würde. Sind die Ge- 
fässe bis auf einen kleinen Rest reduzirt, so wird zuerst die für 


Das Giraldes’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 457 


das ein- und austretende Blutgefäss beschriebene Oeffnung durch 
neugebildetes Bindegewebe erweitert, welches seinen Ursprung 
theils von den Blutgefässresten zu nehmen scheint, theils von dem 
aussen der Glomeruluskapsel anliegenden Bindegewebe. An den 
Epithelzellen der Glomeruluswand lässt sich beobachten, dass bei 
der. Tinction der Präparate die Kerne der Epithelzellen, welche 
an das neugebildete Bindegewebe angrenzen, im auffallenden Gegen- 
satze zu den übrigen keinen Farbstoff annehmen. Da diese 
Zellen die nächsten sind, welehe beim Fortschreiten des Rück- 
bildungsprozesses zu Grunde gehen, so glaube ich diese Erschei- 
nung für ein Zeichen der beginnenden Degeneration des Epithels 
halten zu dürfen. Die Kapsel schwindet rasch vor dem wuchern- 
den Bindegewebe, und bald bleibt nur ein platter Kanal übrig, 
der auf der einen Seite von dem neugebildeten Bindegewebe, auf 
der anderen Seite von der charakteristischen Glomeruluswand ge- 
bildet wird (vergl. Fig. 10). Während dieses Prozesses verschwindet 
der letzte Rest des Gefässknäuels, und dies gibt Veranlassung zu 
der Vermuthung, dass das neugebildete Bindegewebe wenigstens 
zum Theile den Capillarresten seinen Ursprung verdankt. Der 
Inhalt des Malpighi’schen Körperehens wird dabei in das Cavum 
des zugehörigen Schlauches gedrängt. Nun verschwindet noch 
rasch das letzte Stück der Kapselwand, und das an die Stelle des 
Glomerulus getretene Bindegewebe, welches sich von dem der Um- 
gebung in nichts unterscheidet, lässt den Ort eines verschwundenen 
Glomerulus nicht wieder finden. Diese eigenthümliche Art des 
Glomerulusschwundes liefert das wichtigste Argument gegen die 
bereits oben bekämpfte Ansicht, nach der die Erweiterungen an 
den Schlauchenden verödete Glomeruli darstellen. 

Es erübrigt noch, den Inhalt der Malpighi’schen Kör- 
perchen und Schläuche, welcher denselben den Namen „gelb- 
liche Massen‘ eingetragen hat, zu besprechen. Schon beim neu- 
geborenen Thiere findet sich wie oben geschildert, ein grosser 
Hohlraum zwischen Gefässknäuel und Glomeruluskapsel. Dieser 
Raum, sowie das Schlaucheavum ist von einer klaren, farblosen 
Flüssigkeit erfüllt, welche bei Behandlung mit Alkohol einen fein- 
körnigen Niederschlag gibt, weshalb vorzüglich frische Objekte 
zur Untersuchung geeignet sind. Diese Flüssigkeit trifft man je- 
doch nur bei sehr wenigen Schläuchen und Malphighi’schen 
Körperehen ohne weitere Beimengungen an. Untersucht man den 


458 Adalbert Czerny: 


Inhalt der Malpighi’schen Körperchen genauer, so findet man 
in dieser Flüssigkeit in sehr wechselnder Quantität protoplas- 
matische Kugeln vom Aussehen sehr grosser Leukocyten (vergl. 
Fig. 9, Taf. 28). Mittels Färbung lässt sich in diesen Proto- 
plasmaballen ein, in den grössten zwei oder drei, kleine rund- 
liche Kerne mit deutlichem Kernkörperchen nachweisen. Die Ge- 
bilde finden sich, da ja eine offene Communicationsstelle zwischen 
Glomerulus und Schlauch besteht, auch in dem letzteren und wer- 
den dort von den Flimmerhaaren der Epithelzellen in lebhafte 
Bewegung versetzt. Weiter finden sich in der Flüssigkeit feine, 
gelbe oder gelbgrüne Körnchen und Krümeln, welche durch ihr 
Tanzen häufig erst die vorhandene Flimmerbewegung erkenntlich 
machen, und sich hie und da zu kleinen Schollen zusammenballen 
(vergl. Fig. 5, Taf. 29). Die Körnchen und Schollen finden sich 
jedoch nicht nur in der Flüssigkeit, sondern auch in den Epithel- 
zellen der Malpighi’schen Körperchen und Schläuche, und in 
die oben genannten grossen Zellen eingeschlossen (vergl. Fig. 12). 
Manchmal enthalten diese beiden Zellarten nur wenige gelbe Körn- 
chen, in vielen Fällen sind sie jedoch von diesen Gebilden so 
dicht erfüllt, dass sie intensiv gelb, gelbgrün oder rothbraun er- 
scheinen. Weiter findet man noch manchmal in den Schläuchen 
Protoplasmakugeln, welche an Grösse normale Leukocyten sehr 
beträchtlich übertreffen können (vergl. Fig. 11, Taf. 28). Auch 
in diesen sind mittels Färbung Kerne und zwar immer mehrere 
nachweisbar, welche jedoch an Grösse und Aussehen vollkommen 
denen der kleineren Protoplasmakugeln gleich sind, weshalb es 
den Anschein gewinnt, als ob diese Riesenzellen durch Zusammen- 
fluss mehrerer kleiner Kugeln entstanden wären. Auch diese 
Riesenzellen sind bald gar nicht, bald wenig oder intensiv pig- 
mentirt. Ausserdem findet man noch eine Art von diesen Kugeln, 
welche in ihrem Protoplasma eine Menge kleiner, fettartig glänzen- 
der Kügelehen beherbergen und dadurch eine gewisse Aehnlich- 
keit mit einer atrophischen Fettzelle bekommen. Ein Vergleich 
der beschriebenen Körper mit den Umwandlungsprodukten durch 
die Gefässwand ausgetretener, rother und weisser Blutkörperchen in 
anderen Geweben legt es nahe, diese verschiedenartigen Pigment- 
gebilde und Riesenzellen als metamorphosirte Blutkörperchen zu be- 
trachten, welche durch die Wandungen des degenerirenden Blutge- 
fässsystems des Malpighi’schen Körperchens massenhaft durch- 


Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen ete. 459 


treten. Dass das Pigment in seinen verschiedenen Formen seinen Ur- 
sprung vom Glomerulus nimmt, dafür sprechen folgende Befunde: 
1)Lassen sich sämmtliche Formen desselben innerhalbder Malpighi- 
schen Körperchen beobachten, 2) finden sich die kurzen Stückchen der 
Schläuche, welehe mit den Glomerulis noch in Verbindung stehen, 
immer sehr stark pigmentirt, während die weiter liegenden, bereits 
längere Zeit abgeschnürten stets weniger pigmentirt gefunden werden; 
3) sind die Schläuche bei alten Thieren stets sehr wenig oder gar 
nicht pigmentirt, was nicht dafür spricht, dass Pigment ohne Inter- 
vention der Glomeruli in ihnen selbst gebildet wird. Dass dagegen 
Pigmentgebilde aus den Schläuchen verschwinden resp. heraustreten 
können, erscheint nach folgenden Beobachtungen sehr wahrschein- 
lich. Einerseits sieht man die grossen Pigmentzellen sich, ähnlich 
wie die rothen Blutkörperchen durch die Capillarwand, aus den 
Schläuchen herausdrängen, wobei ein Theil noch im Schlauchlumen 
sich befindet, der andere bereits ausserhalb liegt, beide Theile 
durch einen Fortsatz in Verbindung stehend. Andererseits findet 
man die Pigmentkörper bald in unmittelbarster Nähe der Schläuche 
im umgebenden Bindegewebe liegend, bald weiter von demselben 
entfernt. Diese Entfernung ist jedoch nie sehr bedeutend, und 
manche Schläuche sind daher von der Fläche beobachtet, sozu- 
sagen von einem pigmentirten Hofe umgeben (vergl. Fig. 15, 
Taf. 28). Zerlegt man die Arteria spermatica sammt Umgebung 
in Serienschnitte, so deutet oft das plötzliche Auftreten von Pig- 
mentkörpern in einem Schnitte das Erscheinen eines Schlauches 
in den nächstfolgenden an. Ueber das weitere Schicksal dieser 
pigmentirten Zellen lässt sich eine bestimmte Aussage nicht machen. 
Da sich dieselben immer nur in der nächsten Nähe der Schläuche 
befinden, so ist denkbar, dass sie im Gewebe fortrückend, durch 
Metamorphose des Pigments sich nicht mehr deutlich von anders- 
artigen Zellen unterscheiden lassen, oder dass sie, ganz oder in 
Fragmente zerfallen, in das Lymphgefässsystem gelangen und mit 
dem Strome der Lymphe fortgetragen werden. Selbst an den 
magersten Thieren findet man längs der Arteria spermatica Fett- 
läppeben und an den kleinen Aestehen der Arterie einzelne Fett- 
zellen aufgelagert. Da diese Fettanhäufungen mit dem Alter der 
Thiere zunehmen, die Pigmentkörper dagegen abnehmen, da weiter 
Pigmentzellen beobachtet werden können, welehe sieh morpho- 
logisch nur schwer von den sogenannten atrophischen Fettzellen 


460 Adalbert Ozerny: 


unterscheiden lassen, so liegt die Vermuthung nahe, dass hier 
zwischen Fettbildung und Pigmentmetamorphose eine gewisse Be- 
ziehung besteht. 

Da, wo früher die geschilderten Schläuche sich- vorfanden, 
trifft man schliesslich nur reich mit Fettzelien durchsetztes mit 
dem nachbarlichen Gewebe zusammenfliessendes Bindegewebe, — 
das Giraldes’sche Organ ist spurlos verschwunden. 


Erklärung der Figuren auf Tafel XXVIII u. XXIX. 


Fig. 1. Uebersichtsbild des Girald&s’schen Organs; Flächenpräparat in 
Kochsalzlösung (1/50/)). G. Glomeruli, K, Kanälchen, P. Pigment. 
Neugeborene Katze, 9. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. IV. 

Fig. 2. 3 Schlauchstücke, K, an einem Aste der Arteria spermatica, Ar, 
Flächenpräparat in Kochsalzlösung (0,50%,). Kaninchen &. Vergr. 
Reichert Oec. 2, Obj. II. 

Fig. 3. Verschiedene Schlauchformen, a, b, c, d, e. Zupfpräparat in Koch- 
salzlösung (0,50%5). 14 Tage altes Kätzchen &. Vergr. Reichert 
Oc. 3, Obj. V. 

Fig. 4 und 5. Kanälchen des Girald&s’schen Organs, K. Mit Pigment- 
körnchen, P. Blutgefässe, Blg. Zupfpräparat in 0,5°/, Kochsalz- 
lösung. Vergr. Fig. 4 Reichert Oc. 2, Obj. IV. 

a LT) R Ve. 2, Obj. V. 

Fig. 6. Querschnitt eines Schlauches mit niederem Epithel, Ep. Pigment- 
körper, P. Blutgefäss, Blg.. 4 Wochen alter Hund %&. Vergr. 
Reichert Oc. 3, Obj. VII. 

Fig. 7. Querschnitt zweier Kanälchen mit hohem Flimmer-Epithel, Ep. 
Kaninchen &. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. VII. 

Fig. 8. Malpighi’sches Körperchen mit Kanälchen, K. Halseinschnürung, H. 
Epithelzellen des Kanälchens und der Glomeruluskapsel, Ep., pig- 
mentirt. P, Pigmentkörper. -Blg., Gefässknäuel, Schnittpräparat. 
Neugeborene Katze 9. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. V. 

Fig. 9. Malpighi’sches Körperchen mit weit zurückgebildetem Gefäss- 
knäuel, Blg. K, Kanälchen. Ep., Pigmentirte Epithelzellen. Flächen- 
präparat in 0,50, Kochsalzlösung. 3 Wochen altes Kätzchen %&. 
Vergr. Reichert, Oc. 3, Obj. V. 


Das Giraldös’sche Organ, nach Untersuchungen an Kaninchen etc. 461 


Fig. 10. Glomerulus, weit zurückgebildet. Ep., Epithel. Blg., Neugebildetes 
Bindegewebe. Schnittpräparat, 4 Wochen alter Hund &. Vergr. 
Reichert Oc 5, Obj. VII. 

Fig. 11. Zwei Schlauchstücke aus dem Giraldes’schen Organe einer neuge- 
borenen @ Katze. Ep, Flimmerepithel; P, Grosse Pigmentkörper 
und Rz., Riesenzelle im Lumen der Kanälchen. Flächenpräparat in 
0,50/, Kochsalzlösung. Vergr. Oc. 3, Obj. VII. 

Fig. 12. Querschnitt zweier Kanälchen. P, in den Epithelzellen eingeschlos- 
senes Pigment. Neugeborene Katze 9. Vergr. Reichert 0Oec. 3, 
Obj. VII. 

Fig. 13. Pigmentkörper in der Umgebung eines Kanälchens ins Bindegewebe 
eingelagert. K, Kanälchen. Blg., Blutgefässe. Schnittpräparat. 
14 Tage alter Hund 9. Vergr. Reichert Oc. 3, Obj. VII. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes und die 
Entwicklung des Exkretionssystems bei Selachiern. 


Von 


J. W. van Wyhe, 
Dr. Med., Zool. & Bot., 
Prosector am anatomischen Institut zu Freiburg i. B. 


Hierzu Tafel XXX, XXXI und XXXL. 


Seit dem Sommer 1886 beschäftige ich mich — allerdings 
mit vielen Unterbrechungen — mit der Entwicklungsgeschichte des 
Exkretionssystems bei Selachiern und habe meine hauptsächlichsten 
Resultate zum Theil in zwei kurzen Mittheilungen (47 und 48) nie- 
dergelegt. 

In diesem Zeitraume sind über das in den folgenden Zeilen 
behandelte Thema zwei belangreiche Arbeiten erschienen, eine von 
Rückert (30) und eine von Ziegler (50. Es kann nicht be- 


462 J. W. van Wyhe: 


fremden, wenn ich manches mir bekannte Detail darin vorfand ; 
ich war bestrebt, dasselbe nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Sollte 
dies nicht immer der Fall sein, so bitte ich um Nachsicht. 

Die Präparate, mit Ausnahme derjenigen von Raja, fertigte 
ich in der zoologischen Station zu Neapel an, wo ich mich in 
Folge eines Auftrages der niederländischen Regierung im Frühjahre 
1857 mehrere Monate aufhielt.e. Für das Material, welches ich in 
reichlichem Maasse erhielt, spreche ich der Direction der Station, 
speciell Herrn Prof. Dohrn und Herrn Conservator Lo Bianco, 
meinen besten Dank aus. 

Die Embryonen wurden in Sublimatlösung gehärtet, in Alaun- 
carmin gefärbt, stufenweise in Alcohol entwässert, in Cedernöl 
aufgehellt, in Paraffin eingebettet und mittelst eines Jung’schen 
Mikrotomes in Schnittserien zerlegt. Die meistens 7Y/, u dieken 
Schnitte (einer halben Umdrehung der Mikrometerschraube entspre- 
chend) wurden nach der Schällibaum’sehen Modifieation der 
von Giesbrecht eriundenen Klebmethode auf den Objectträger 
befestigt. 

Wo nichts Anderes angegeben ist, bezieht sich meine Be- 
schreibung auf Embryonen von Pristiurus melanostomus. Meine 
Untersuchungen reichen nur bis an das Ende des Stadiums O0, da 
ich aus späteren Perioden nur ein sehr spärliches Material besitze. 
Ueber die Art und Weise wie der Mesonephros zu den Geschlechts- 
organen in Beziehung tritt, habe ich also keine eigenen Beobach- 
tungen. 

Historisches über die Exkretionsorgane!). Das Vorhandensein 
von segmental angeordneten Nierentrichtern bei Haifischembryonen 
wurde 1874 bekanntlich zuerst von Semper (34) erwähnt und 
unabhängig von ihm fast gleichzeitig von Balfour (2) entdeckt. 
Im folgenden Jahre fand Semper (35) die Trichter auch bei 
erwachsenen Haifischen. 

Sedgwick, (32, p. 165) fand 1880 an Präparaten von Bal- 
four, dass je ein Nierentrichter nicht als eine Ausstülpung des 
Peritonealepithels entsteht, sondern aus dem Rohre, durch welches 


1) Diese Angaben reichen nur so weit, wie meine eigenen Untersuchun- 
gen, also nicht über das Stadium O hinaus. Auch hebe ich nur das Wich- 
tigste hervor, das sich durch spätere Untersuchungen als richtig herausge- 
stellt hat. 


” Ueber die Mesodermsegmente (des Rumpfes ete. 463 


anfänglich die Höhle eines Myotomes mit der Leibeshöhle com- 
munieirt. Nachdem das Myotom sich von diesem Rohre abge- 
schnürt, stellt dasselbe die Anlage eines Nierentrichters dar. 

Auf vergleichend anatomischen Gründen war Gegenbaur 
(13, p. 863 und 864) 1870 zu dem Ergebniss gelangt, dass der 
Vornierengang (primäre Urnierengang) sich in den Müller’schen 
und W olff’schen Gang (seeundären Urnierengang) sondere. Später 
entdeckte Semper (26) die Spaltung des ersterwähnten Ganges in 
die beiden anderen bei Haifischembryonen. 

Ich (47) fand 1886 bei Rochenembryonen das Vorhandensein 
einer Vorniere und die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung 
ihres Ganges. 

Im nächsten Jahre vermochte ich (48) dasselbe bei Haifischem- 
bryonen, sowie die morphologische Differenz zwischen Pro- und Meso- 
nephros !) festzustellen. 


I. Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes?). 


Es ist allgemein bekannt, dass sich bei den Wirbelthieren 
aus einem Somit, Mesodermsegment, Ursegment oder „Urwirbel“ 
ein Myotom und ein Sklerotom entwickeln. 

Es hat sich nun aber durch Untersuchungen der letzten 


1) In meiner Bemerkung (49) nahm ich an, Rückert habe meinen 
Artikel, weil er denselben mit keinem Worte erwähnt, nicht gekaunt. Dies 
war nicht richtig, wie aus seiner Antwort (31) hervorgeht. Von den Beleh- 
rungen, die Rückert mir dabei ertheilt, vermag ich keine anzunehmen. 

2) Ueber den richtigen Platz dieses Capitels — ob am Anfang oder 
am Ende der Arbeit — war ich lange schwankend. Es würde vielleicht 
besser am Ende stehen, da. es nur in allgemeinen Zügen Entwicklungs- 
processe schildert, weil es meist nur eine Zusammenstellung von Thatsachen 
aus fremden und eigenen Publicationen enthält; ausserdem ist ein Theil 
von dem, was hier nur kurz berührt ist, weiter unten ausführlicher be- 
schrieben. 

Doch entschloss ich mich, mit diesem Capitel anzufangen, da es die 
Beschreibung des Folgenden wesentlich erleichtert. Möchte der Leser das- 
selbe nicht ganz verstehen, so bitte ich ihn, diesen Abschnitt nach Durchsicht 


der ganzen Arbeit wieder anzusehen. 


464 J. W. van Wyhe: x 


Jahre herausgestellt, dass bei Selachiern auch der Mesonephros 
(Sedgwick, 32, v. Wyhe, 48, Rückert, 30), der Pronephros 
(v. Wyhe, 481), Rückert, 30) und die Geschlechtsorgane (nach 
Rückerts wichtiger Entdeekung) aus dem segmentirten Theil des 
Mesoderms entstehen. 

Im Rumpfe der Selachier ist in gewissen Entwicklungsstadien 
also nicht nur die Myotomenplatte, sondern auch die Mittelplatte 
— d. h. derjenige zwischen Myotomen- und Seitenplatte?) lie- 
sende Theil, aus welchem der Mesonephros ?) entsteht — und ein 
kleiner dorsaler Theil der Seitenplatte segmentirt. Das letztere 
folgt daraus, dass der Pronephros und die Geschlechtsorgane, 
welche offenbar Bildungen der Seitenplatte sind *), bei ihrem Auf- 
treten eine Segmentirung zeigen, die aber bald verloren geht. 

Die Metamerenbildung reicht bei Embryonen niederer Wirbel- 
thiere (auch beim Amphioxus nach Hatschek) also tiefer ven- 
tralwärts als — nach den bisherigen Beobachtungen — bei den 
Amnioten, so dass das Wort Somit bei den letzteren eine beschränk- 
tere Bedeutung hat, als z. B. bei den Selachiern °). 

Um Verwirrungen vorzubeugen, scheint es mir desshalb ge- 
boten, die Segmente der Mittelplatte und des dorsalen Theiles der 
Seitenplatte durch eigene Namen zu bezeichnen. 

Ein Mittelplattensegment werde ich Mesomer nennen; den 
ventral davon liegenden, zur Seitenplatte gehörigen Theil eines 
Somites nenne ich ein Hypomer. Den dorsal von den Mesomeren 
befindlichen Theil eines Somites könnte man noch als Epimer be- 


1) Der segmentale Bau des Pronephros geht, glaube ich, aus meinen 
früheren Angaben deutlich genug hervor. Ich eitire: „[Die Vorniere] entsteht 
. . unter drei Somiten.“ „Schon bei ihrem Auftreten .... kann man 

. an derselben drei Ostia wahrnehmen.“ 

2) Gewöhnlich schreibt man Seitenplatten (Mehrzahl), wohl weil der 
betreffende Theil aus zwei Lamellen, Somatopleura und Splanchnopleura be- 
steht. Es hat sich nun aber gezeigt, dass diese beiden Lamellen auch an der 
Myotomen- und Mittelplatte wenigstens eine Zeitlang zu unterscheiden sind. 
Doch dürfte die Schreibweise in der Einzahl vorzuziehen sein. 

3) Und auch die Sklerotome, siehe unten. 

4) Unter Seitenplatte verstehe ich denjenigen Theil des Mesoderms, der 
die spätere Leibeshöhle umschliesst, oder mit: jenem Theile homodynam ist. 

5) In meiner Mittheilung (48) habe ich das Wort in seiner beschränk- 
ten, bei höheren Thieren gebräuchlichen Bedeutung angewendet. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 465 


zeichnen, doch ist dies Wort vielleicht überflüssig, weil es mit dem 
Begriff Myotom (Muskelsegment) !) fast zusammenfällt. 

Zur Verdeutlichung diene das Schema Fig. 15 Taf. XXXIL, 
welches einen Sagittalschnitt durch die Mitte von fünf Rumpfsomiten 
in einem frühen Entwicklungsstadium vorstellen soll. 

Wenn das Cölom sich noch in die Höhlen der Somite fort- 
setzt, habe ich früher (46) von primärer Leibeshöhle gesprochen ; 
bequemer ist das Wort Procölom. Dasselbe wird durch das parie- 
tale (Somatopleura) und das viscerale Blatt (Splanchnopleura) des 
Mesoderms begrenzt. Im oralen, im aboralen und im dorsalen Theile 
je eines Somites gehen beide Blätter in einander über. Cölom ist, dem 
allgemeinen Gebrauch entsprechend, die Höhle in der Seitenplatte; 
wo es nöthig erscheint, werde ich es als Metacölom bezeichnen. 
Die Höhle eines Myotomes kann man Myocölom (Epicölom), die- 
jenige eines Mesomeres Mesocölom nennen. 

Die Epimeren schnüren sich vollständig von den Mesomeren 
ab und liefern, mit Ausnahme einiger Mesenchymzellen, nur die 
Myotome. 

Aus je einem Mesomer entsteht ein Sklerotom und, mit Aus- 
nahme der vordersten, auch ein Nephrotom 2), d. h. ein segmentaler 
Abschnitt des Mesonephros-Epithels. Ueber die Nephrotome wird 
in den folgenden Capiteln ausführlich gehandelt. Die Sklerotome 
treten bei Pristiurus-Embryonen im Stadium mit etwa 40 Somiten auf. 
Fig. 9, Tafel XXXI ist einem Embryo mit 43 Somiten entnommen; 
die Sklerotome befanden sich nur in den vordersten Somiten, bis 
nicht weit hinter dem Pronephros. Bei ihrem Auftreten enthalten 


1) Kölliker hat zuerst für höhere Thiere und Rabl (28) dann für 
Selachier angegeben, dass sich aus der Somatopleura des Myotoms ein Theil 
der Cutis entwickelt. Dem gegenüber stehen die Beobachtungen von Balfour 
(4), wonach daraus, wenn auch erst ziemlich spät, Muskelfasern hervorgehen. 
Zieglers Angaben (50) nehmen eine vermittelnde Stelle ein, nach welchen 
jene Somatopleura zwar Mesenchymzellen nach Aussen abgiebt, die sich wohl 
an der Bildung der Cutis betheiligen, aber, wenigstens bei Knochenfischen, 
auch die äusserste, dünne Muskellamelle des Myotoms liefern. Ich kann 
Zieglers Angaben bestätigen und habe auch bei Selachiern verhältnissmässig 
spät die Bildung von Muskelfibrillen in der Somatopleura der Myotome wahr- 
genommen. 

2) Dieses Wort ist zuerst von Rückert gebraucht, jedoch in weiterem 
Sinne. 


466 J. W. van Wyhe: 


sie, wie Rabl entdeckt und auch Ziegler bestätigt hat, eine 
bald vorübergehende kleine Ausstülpung des Procöloms. Diese 
halte ich mit Rabl für das Homologon der entsprechenden, von 
Hatschek entdeckten Ausstülpung bei Amphioxus-Embryonen. Die 
Zellen des Sklerotoms, welche anfangs ein epitheliales Gefüge be- 
sitzen (Fig. 9), nehmen bald die charakteristische Sternform der 
Mesenchymzellen an. Während das Sklerotom bei seinem ersten 
Erscheinen nur vom dorsalen Theil der inneren Wand eines Me- 
someres ausgeht, sprosst es bald von der ganzen Innenwand aus 
(vergl. z. B. Fig. 6 e—g, rechts, Taf. XXX und Fig. 11 und 12, Taf. 
XXXI), wie von Ziegler mit Recht hervorgehoben, dem sich auch 
Rückert (31) angeschlossen hat. 

Aus einigen Hypomeren (aus welchen wird im Capitel über die 
Vorniere angegeben) entsteht je ein segmentaler Abschnitt des Pro- 
nephros-Epithels (Pronephrotom) und aus mehr nach hinten liegen- 
den Hypomeren je ein Gonotom !) d. h. ein segmentaler Abschnitt 
der Geschlechtsdrüse. 

An den Myotomen, Nephrotomen und Gonotomen betheiligen 
sich beide Grenzblätter (Somatopleura und Spianchnopleura) des 
Procöloms, an den Sklerotomen nur die Splanchnopleura, an den 
Pronephrotomen dagegen nur die Somatopleura. Bei erwachsenen Se- 
lachiern wird die Grenze zwischen Somato- und Splanchnopleura 
des Cöloms noch angegeben durch die Längslinie, welche man 
sich jederseits, der Wirbelsäule ungefähr parallel verlaufend, durch 
die Trichteröffnungen des Mesonephros gezogen denkt. 

Da nun in vielen Lehrbüchern die hauptsächlichsten Differenzi- 
rungen des Mesoderms im Wirbelthierrumpfe, wie mir scheint, 
nicht ganz klar gestellt sind, gebe ich hier auf Anregung meines 
Freundes Prof. Wiedersheim davon eine kurze Vorstellung, wie 
ich auch bei meinen Vorlesungen über vergleichende Anatomie ge- 
than habe. Derselben liegen die Vorgänge bei den Selachiern zu 


1) Den Ausdruck Gonotom entnehme ich der Arbeit von Rückert, in 
welcher von Gono-Nephrotom die Rede ist. Rückerts Entdeckung, dass 
die Keimzellen in den unteren Theilen der Somite erscheinen, dass die Ge- 
schlechtsdrüsen also segmentirt auftreten, ist wichtig im Hinblick auf Am- 
phioxus, welches Thier also auch in der Anordnung jener Drüsen bleibend 
einen Zustand repräsentirt, der bei höheren Organismen nur in Entwicklungs- 


stadien gefunden wird. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 467 


Grunde, wie sie sich mir — und wohl auch anderen Forschern, 
die sich mit der Entwicklungsgeschichte dieser Gruppe eingehend 
beschäftigt haben — an zahlreichen Präparaten gezeigt haben. 

Ich muss dabei um Entschuldigung bitten für die zur Ver- 
deutlichung nöthigen schematischen Abbildungen (Fig. 14—1B8, 
Taf. XXXII). Um dieselben nicht zu complieirt zu machen, sehe 
ich von den Differenzirungen im Mesenchym ab. In diesen Figuren 
ist das Myotom (Epimer) durch einen rothen, das Mesomer (Skle- 
rotom und Nephrotom) durch einen grünen, die Seitenplatte und 
ihre Producte durch einen blauen Ton angegeben. Nur in der 
vorletzten Figur 17 habe ich beim Mesenchym den Ton weg- 
gelassen. 

Vom Dottersack sehe ich bei diesen Abbildungen ganz ab, 
da derselbe nach beendeter Umwachsung des Dotters ja nur einen 
enorm hervorgewölbten Theil des Bauches vorstellt, verursacht 
durch die grosse Ansammlung von Nährmaterial in dem in dem- 
selben befindlichen Darmabschnitte }). 

Beim Heranwachsen des Embryo verkleinert sich der Dotter- 
sack allmählich, bis kurz nach dem Ausschlüpfen die Bauchwand 
an dieser Stelle keine Hervorwölbung mehr zeigt. 

Es ist vielleicht noch nicht überflüssig darauf zu weisen — 
wie auch von P. Mayer (23) geschehen — dass der oft gebrauchte 
Ausdruck „ausserembryonal“ für Gebilde auf dem Dottersack also 
unrichtig ist. Wenn z. B. die Blutgefässe auf demselben ent- 


1) Die Angabe von Balfour (4, pag. 227), dass der Dottergang bei Se- 
lachiern hinter den Ausführgängen des Pankreas und der Leber ausmündet, 
trifft nur für Embryonen mit weniger als 100 Myotomen zu (etwa Ende des 
Stadiums X). Merkwürdiger Weise rückt diese Einmündungsstelle allmählich 
scheinbar nach vorn (in Wirklichkeit weniger schnell nach hinten als die Aus- 
mündung des Gallen- und Pankreasganges) und befindet sich bei Embryonen 
mit über 100 Myotomen vor der Einmündung des Ausführganges der Leber 
in den Darm. Dieselbe rückt bis an das Ende des Pylorusrohres des Magens; 
ich habe dieses scheinbare nach vorn Wandern Schritt für Schritt verfolgt. 
Bei einem 26mm langen Embryo (Stadium O) liegt die erwähnte Stelle im 
14. Rumpfsegment, drei Segmente oralwärts von den (getrennten) Ausmün- 
dungen des Gallen- und des Pankreasganges. Der von Balfour und 
Parker (6) hervorgehobene Einwand gegen Joh. Müllers Homologisirung 
eines gewissen Darmtheiles bei Selachiern und Ganoiden dürfte hiermit hin- 
fällig sein. 


Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33, 30 


468 J. W. van Wyhe: 


stehen, so ist es nicht richtig zu sagen, dass sie später „in den 
Embryo hineinwachsen“ ; sie wachsen in den übrigen Theil 
des Embryo hinein. 

Bei der folgenden Schilderung betrete ich, hauptsächlich was 
das Mesenchym ) betrifft, das vonZiegler in vorzüglicher Weise 
behandelte Gebiet. Seine Angaben kann ich in allen wesentlichen 
Punkten bestätigen. 

Ich fange an mit einem Stadium, zu welchem die Fig. 14a 
und 14 b gehören, die Schnitte vorstellen, welche dicht hinter der 
Anlage des Pronephros fallen (einem Pristiurus-Embryo mit etwa 
34 Somiten entsprechend). Bei Fig. 14a ist der Schnitt durch 
die Mitte eines Somites, bei 14b durch dessen hintere oder vor- 
dere Wand geführt. Das Procölom (Fig. 14a) erstreckt sich bis 
in den Gipfel des Myotoms. Im Bereich des Meso- und Hypomeres ist 
es zum „Segmentalbläschen‘ (siehe das nächste Capitel) angesch wollen. 
Die untere Grenze der Myotome befindet sich im Niveau des un- 
teren Theiles der Chorda, was auf Querschnitten daran erkennbar 
ist, dass die Muskelfasern in der der Chorda zugekehrten Wand 
so weit nach unten reichen (vgl. Fig. 1 und 2). Der obere 
Theil des Somites berührt das Medullarrohr (im Schema wie auf 
vielen Schnitten findet man statt des Contactes einen feinen Zwi- 
schenraum, wohl entstanden durch Retraction der an einander 
stossenden Theile). Ein blosser Contact ist dies wohl nicht, denn 
das Thier (ich habe Pristiurus im Auge) bewegt den Vorderkörper, 
so dass man wohl eine protoplasmatische Verbindung zwischen 
dem Medullarrohre und der Anlage des Myotoms annehmen muss. 
Der Contaet wird bald aufgeboben durch das zwischen beiden ein- 
dringende Sklerotom (Fig. 15 a), doch wird die Vereinigung beider 
Theile nie ganz gelöst, denn in demselben Maasse als sich das 
Myotom vom Medullarrohre entfernt, zieht sich die beide Theile 
verbindende ventrale Nervenwurzel (Fig. 9, Taf. XXXI vo. w.) aus, 
wie Dohrn (8) in einer ausgezeichneten Arbeit, die ich in allen 
Hauptsachen bestätigen kann, ausführlich dargestellt hat?). 


1) Ich kenne kein besseres Object als Selachier-Embryonen, um sich von 
der Unrichtigkeit der Theorie, nach welcher sich das Mesenchym nur an be- 
schränkter Stelle (z. B. nur etwa am Umschlagrande der Keimblätter auf dem 
Dotiter) bilden sollte, zu überzeugen. 

2) Der Nerv ist also ab origine bei seinem Muskeleomplexe, den er 
nicht wieder verlässt. His hat eine ganz andere Vorstellung von der Sache 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 469 


Wenden wir uns jetzt wieder zur Fig. 14, so sehen wir noch 
die Anlage des Vornierenganges als eine Verdickung der Epider- 
mis etwa in der Höhe der Ööberen Grenze des Darms. 

In Fig. 14b, bei weleher der Schnitt durch die hintere oder 
vordere Wand des Somites geführt ist, sieht man das Procölom 
natürlich nur bis an die untere Grenze desselben. Um die Zahl 
der Abbildungen nicht unnöthig zu vergrössern, habe ich durch 
eine punktirte blaue Linie die Stelle angegeben, wo sich der 
Pronephros — als Ausstülpung vom unteren Theile des Segmental- 
bläschens — befinden würde, wenn der Schnitt durch die Region 
desselben geführt wäre (vgl. Fig. 2 und 3, Taf. XXX). 

Das folgende Stadium (Fig. 15a und 15b, einem Pristiurus- 
Embryo mit etwa 60 Somiten entsprechend) zeigt erhebliche Ver- 
änderungen. Der Schnitt des Schema 15a (vgl. die Fig. 11 und 
12 aus einem etwas späteren Stadium) ist hinter dem Pronephros 
geführt. Die Anschwellungen der Segmentalbläschen sind geschwun- 
den. Der Vornierengang hat sich in der Region des Schnittes als 
ein solider Strang von der Epidermis abgeschnürt und zwischen 
beiden wächst das Myotom hinunter. Dasselbe steht im Begriffe 
sich vom Mesomer zu trennen. Die Splanchnopleura des Meso- 
mers giebt durch Zellenproliferation ein Sklerotom ab, das zwischen 
dem Myotom einerseits, der Aorta, der Chorda und dem Medullar- 
rohre andererseits emporwächst. 

Bei der Fig. 15b (vgl. Fig. 12), welche demselben Stadium 
angehört, ist der Schnitt durch die Region der Vorniere geführt; 
dieselbe ist unmittelbar unter dem Mesomer sichtbar. 

In einem späteren Stadium (Fig. 16) hat sich die Abschnü- 
rung der Myotome vollzogen. Ihre spaltförmige Höhle (das Myo- 
cölom) zeigt eine Erweiterung am oberen und unteren Ende der 
Myotome, welche fortwachsend mehr und mehr das Medullarrohr 
und die äussere Wandung der Leibeshöhle umgreifen, von beiden 
aber durch eine Schichte Mesenchym getrennt bleiben. Die So- 
matopleura des Muskelsegments giebt Mesenchymzellen ab°), wäh- 


(18, p. 387#f.). Wie er dieselbe „einfach“ finden kann, wäre mir nur verständ- 
lich, wenn man annehmen könnte, die Nerven seien zielbewusst. 

1) Beim Hinweise auf Figuren nach wirklichen Schnitten muss ich be- 
merken, dass dieselben meist nicht für dieses Capitel angefertigt sind, sonst 
hätte ich instructivere gewählt. Ich glaube aber dass dieselben genügen. 


2) Eigentlich geschieht dies erst in einem späteren Stadium (Balfours 


470 J. W. van Wyhe: 


rend sein unteres Ende in die Seitenleiste der Mesenchyms sl 
eintaucht. 

Diese Leiste tritt bei Seyllium und Pristiurus im Stadium mit 
etwa 60 Somiten auf, als eine Zellenproliferation an einer be- 
schränkten Stelle der Somatopleura, etwas unter dem Niveau des 
oberen Darmrandes (Fig. 10, Taf. XXXI). Sie entwickelt sich in der 
Richtung von vorn nach hinten. Dieselbe ist anfangs zweischich- 
tig, während die Somatopleura über und unter ihr nur aus einer 
einfachen Zellschicht besteht; bald aber, schon bei Embryonen mit 
71 Somiten (Fig. 6a—h Taf. XXX), hat sie beträchtlich an Dicke 
zugenommen, während ein grösserer Theil der Somatopleura Zellen 
an sie abgiebt. Später verschmelzen die beiderseitigen Leisten 
ventral mit einander, während die Myotome in dieselben hinein- 
wachsen (Schema 16) und endlich sind sie nicht mehr als geson- 
derte Zellwucherungen zu erkennen, da sie mit dem Mesenchym 
der Sklerotome und dem von der Aussenwand der Myotome stam- 
menden verschmelzen. Auch die Gliedmaassen erhalten ihr Mesen- 
chym hauptsächlich von dieser Leiste, wie schon von Balfour und 
Ziegler angegeben. Da nun auch in einigen Entwicklungsstadien 
eine deutliche Ausbuchtung der Leibeshöhle in dieselbe wahrzu- 
nehmen ist, so scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass die 
Leisten mit der sie bekleidenden Haut den Seitenfalten !) der Am- 
phioxuslarve homolog sind. Dieses Thier würde dann also, wie 
schon Thacher (40) hervorgehoben, die ersten Rudimente der 
paarigen Gliedmaassen der Wirbelthiere besitzen. Balfour nimmt 
diese Homologie?) nicht an, wahrscheinlich auch, weil die Seiten- 
Perioden L und M); ist hier aber vorgestellt um die Zahl der Schemata zu 
beschränken. 

1) Beim Amphioxus (vgl. Kowalevsky „Weitere Studien über die Ent- 
wicklungsgeschichte des Amphioxus lanc.“ Arch. f. mikr. Anat. Bd. 13) 
wachsen die darüber befindlichen Myotome mit ihrem ganzen ventralen Ende 
(vgl. 1. c. Fig. 18 und 23) in die Falte hinein, welche später grossentheils 
die Peribranchialhöhle lateral begrenzt. Bei den Cranioten dagegen senden 
die Myotome, wie hauptsächlich von Dohrn beschrieben, nur Knospen in die 
Gliedmaassenfalte und kommen dann zwischen Cölom und Haut zusammen. Die 
Cranioten haben sich also von den Acranien getrennt ehe die 
parietale Muskulatur den Körper ventral umwachsen hatte. Die 
noch von Thacher behauptete Homologie der Peribranchialhöhle des Am- 
phioxus mit dem Cölom der Cranioten ist längst widerlegt. 

2) Thacher und Balfour hatten allerdings die Seitenfalten des erwach- 
senen Amphioxus, nicht die der Larve im Auge. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 471 


falten ungefähr auf die kiementragende Region des Körpers be- 
schränkt sind. Wenn ich nun nicht bestreiten will, dass der kiemen- 
tragende Theil des Darmes dem Kopfdarme der höheren Thiere 
homolog ist, so halte ich es doch für unrichtig, wenn man glaubt 
(wie auch Gegenbaur [14, p. 98] thut), durch eine Querebene 
hinter dem Kiemendarme beim Amphioxus die Region abgrenzen 
zu können, welche dem Kopfe der Cranioten entspricht. Hiergegen 
spricht hauptsächlich die Lage der Geschlechtsorgane. 

Nach meiner Ansicht hat sich der ursprüngliche Kopfdarm des 
Amphioxus-Embryo beim Längenwachsthum des Körpers weit nach 
hinten!) in die Region, welche dem Rumpfe der Cranioten ent- 
spricht, ausgedehnt, während natürlich andere Darmabschnitte im 
Längenwachsthum zurückblieben. Der Verlauf der Kiemennerven 
könnte hier Aufschluss geben. Bis jetzt sind aber alle meine Ver- 
suche, dieselben wahrzunehmen, misslungen. 

Wenden wir uns nach dieser Abschweifung wieder zur Fig. 16, 
so sehen wir, dass von der Splanchnopleura des Metacöloms Me- 
senchym hervorgesprosst ist, welches den Darm umhüllt und später 
die glatte Muskulatur mit dem Bindgewebe seiner Wand liefert. 
Die beiderseitigen Sklerotome sind um die Aorta und über dem 
Medullarrohre zusammengewachsen. Medial von der Stelle, wo 
das Nephrotom in das (Meta-)Cölom mündet, wölbt sich die Keim- 
drüse hervor. Die Keimzellen, welche anfangs auch in der Somato- 
pleura liegen, rücken später bekanntlich in diese Hervorwölbung 
hinein. Das Nephrotom liegt dem hohlgewordenen Vornierengang 
zwar an, ist aber noch nicht in denselben durchgebrochen. 

Das nächste Stadium (Fig. 17) nähert sich den Verhältnissen 
des erwachsenen Thieres. Ich habe darauf verzichtet, hier die Ab- 
stammung des Mesenchyms von der Seiten-, Mittel- und Myotomen- 
platte auseinander zu halten, weil die Grenzen verschwunden sind 
und die Zellen auch wohl zum Theil durch einander liegen. Wei- 


1) Dies ist mit dem Vorderdarm bei Selachiern thatsächlich der Fall, 
denn ich finde die Ausmündungsstelle des Gallenganges in den Darm bei 
einem Pristiurusembryo mit 76 Myotomen (Stadium J) im vierten, bei einem 
solchen von 26mm Länge (Stadium O) dagegen im siebzehnten Rumpfsegment 
(der Magen reicht mit seinem blinden Ende, vgl. die Fig. bei Wiedersheim 
[45, p-. 265] noch viel weiter nach hinten). Diese „Wanderung“ caudalwärts 
ist leicht Schritt für Schritt zu verfolgen. 


472 J. W. van Wyhe: 


ter habe ich in diesem Stadium abgesehen von der Trennung der 
Myotome in eine dorsale und ventrale Seitenrumpfmuskelpartie, 
sowie von den vielen Knickungen und Uebereinanderschiebungen 
_ der Muskelsegmente, wodurch zahlreiche derselben auf jeden Quer- 
schnitt fallen. 

Die linke Hälfte der Figur trifft einen Nierentrichter, die 
rechte nicht; die letztere dürfte dadurch auch ein Schema für 
die Verhältnisse bei Amnioten bilden. 

Die quergestreifte Muskulatur der Myotome umgreift jetzt den 
ganzen Körper und ist sowohl von der Haut, als von dem Medul- 
larrohre und der Wandung der Leibeshöhle durch eine Mesenchym- 
schichte getrennt. Aus der Somatopleura des Myotoms ist (nach 
der Abgabe von Mesenchym) eine dünne äussere Muskelschichte 
hervorgegangen. Vom Myocölom sind nur noch dorsal und ventral 
die letzten bald verschwindenden Reste sichtbar; in der Mitte ist 
es obliterirt. Durch den Durchbruch der Nephrotome in den Vor- 
nierengang ist die Urniere dargestellt. 


II. Ueber die Entwicklung der Exkretionsorgane. 


1. Der Pronephros (die Vorniere). 


Das Exkretionssystem tritt auf im Laufe des Tages, an 
welchem der Embryo seine ersten, noch sehr schwachen Bewe- 
gungen durch Hin- und Herschlagen des Kopfes ausführt!). 

Wenn der Embryo mit diesen Bewegungen gerade anfängt, 
hat er 24 vorn und hinten deutlich begrenzte Somite. Das Exkre- 
tionssystem erscheint aber erst einige Stunden später, nämlich 
wann 27 Somite vorhanden sind?). Einem solchen 3mm langen — 
die Maasse wurden stets dem Präparate in Cedernöl entnommen — 


1) Das Herz fängt schon einen Tag früher zu schlagen an, bei Em- 
bryonen mit 20 Somiten (die Wahrnehmung geschah im April; die Tempe- 
ratur des Wassers im Aquarium war 16° C.). 

2) Auch im Stadium mit 25 Somiten (ein solches mit 26 besitze ich 
nicht) ist dasselbe noch nicht vorhanden. Auf diesen Entwicklungsstufen hat 
die ventrale Abschnürung der Myotome noch nicht stattgefunden; dieselbe 
fängt erst bei Embryonen mit + 60 Somiten an (siehe den Abschnitt über 
den Mesonephros). 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 473 


in der Mitte von Balfours Stadium 7 befindlichen Embryo liegt 
die folgende Beschreibung zu Grunde. 

Zwischen dem Hinterrande der Ohrblase und dem Vorder- 
rande des ersten der 27 Somite ist noch Raum für zwei Mesoderm- 
segmente, deren Grenzen erst später auftreten (vgl. v. Wyhe, 46). 

Dies ergab sich nicht nur bei der Ansicht des Embryo in 
toto als er in Cedernöl lag, sondern auch aus der Querschnittserie, 
denn auf den erwähnten Raum fallen 23 Schnitte, während die 
beiden vordersten Somite resp. auf 12 und 10, zusammen also auf 
22 Schnitten sichtbar sind. Die drei vordersten, wohlbegrenzten 
Somite gehören also dem Kopfe an (vgl. v. Wyhe, 46) und erst 
das vierte ist das vorderste Rumpfsomit. 

Diese Auseinandersetzung war nöthig zur genauen Bestimmung 
der Stelle, wo der Pronephros auftritt. Derselbe erscheint nämlich 
als eine Ausstülpung der Somatopleura im blasenförmig aufgetrie- 
benen unteren Theile des dritten, vierten und fünften Rumpf- 
somites 1) (Fig. 1 zeigt die Pronephros-Anlage im dritten Rumpf- 
segment) ?). 

Da nun der Pronephros, wie spätere Entwicklungsstadien zeigen 
(vgl. Fig. 12, Taf. XXX]), ein Product der Seitenplatte ist, während 
der unmittelbar dorsal davon liegende Theil des Mesoderms zur Mittel- 
platte gehört, ist die Segmentirung des Mesoderms bei Se- 


1) Bei Rochen (Raja clavatä) fand ich (47) statt drei, fünf Somite. 
Rückert (30) giebt für Pristiurus fünf, für Torpedo sieben Somite’an, weil 
er die bald vorübergehende kleine Ausbuchtung, welche das an die Vorder- 
seite so wie das an die Hinterseite des Pronephros stossende Somit aufweist, 
mit zur Vornierenanlage rechnet. Eine ähnliche Differenz findet man in den 
Angaben der Autoren über den Pronephros beim Hühnchen, Sedgwick z.B. 
(33) lässt sich bei diesem fünf Somite betheiligen; die meisten aber, z. B. 
Mihalkovics (24) nur drei. 

2) Unter Segment (vgl. p. 492) verstehe ich in frühen Entwicklungsstadien 
eine Querzone des Körpers, deren Vorder- und Hintergrenze mit den entsprechen - 
den Grenzen eines Somites zusammenfällt. Jedes Rumpfsegment enthält also in 
einer gewissen Entwicklungsperiode rechts und links ein Myotom (Epimer), 
Mesomer und Hypomer, einen Spinalnerv mit dorsaler und ventraler Wurzel, 
einen Abschnitt des Medullarrohres, des Darmcanales etc. In späteren Ent- 
wicklungsstadien rücken die Theile eines Segmentes oft erheblich auseinander. 
So zieht z. B. das Hypomer des 4. Rumpfsegmentes bis unter das 8. oder 9. 
Rumpfmyotom nach hinten. 


474 J. W. van Wyhe: 


lachiern also nicht auf die Myotomenplatte beschränkt, 
sondern erstreckt sich auch auf dieMittelplatteundden 
dorsalen Theil der Seitenplatte®). 

Balfour sagt richtig (4, p. 105) „The line of junction of the ver- 
tebral and parietal plates“ (d. h. die Grenze zwischen dem dorsalen 
segmentirten und dem ventralen unsegmentirten Theil des Mesoderms) 
„is a little ventral to the dorsal summit of the alimentary canal 
N. 200 The cavity in each of the protovertebrae“ (Somite) „is 
formed of a narrowed dorsal and a dilated ventral segment, the 
latter on the level of the dorsal aorta“. 

Diese bläschenförmigen Erweiterungen liegen im Bereich der 
Meso- und Hypomeren und da an entsprechender Stelle ähnliche 
Bildungen bei höheren Thieren (Lacerta) von Weldon (41) und 
Mihalkovies (24) wahrgenommen und als Anlagen der Urniere 
beschrieben worden sind, so will ich ein wenig näher auf diese 
„Segmentalbläschen“ eingehen. 

Dieselben treten schon im Stadium F auf und communieiren 
durch einen engen Spalt sowohl mit der Höhle der späteren Myo- 
tome, dem Myocölom (vgl. Fig. 1 aus dem Stadium 7) als mit der 
bleibenden Leibeshöhle. Die letztere Communication fällt nicht auf 
den abgebildeten Schnitt und kann fehlen durch das nahe Aneinan- 


1) Dass die Seitenplatte — wenigstens in ihrem dorsalen und phylo- 
genetisch vielleicht auch in ihrem ventralen Theile — eine Metamerie zeigt, 
giebt uns eine Erklärung für das segmentale Auftreten der Kiementaschen. 
Dass dieselben bei den ersten cranioten Wirbelthieren segmental angeordnet 
waren, wird nach meiner Ansicht bewiesen: 

1. Durch das segmentale Auftreten ihrer Homologa, der vordersten Kie- 
mentaschen beim Amphioxus (vgl. Kowalevsky 21, Fig. 35 links). Dass die 
hinteren Kiemenspalten dieses Thieres unabhängig von der Körpermetamerie 
entstehen, scheint begreiflich wegen ihres ontogenetisch und auch wohl phylo- 
genetisch späten Erscheinens. 

2. Durch ihr fast segmentales Auftreten bei Selachierembryonen. Nimmt 
man bei diesen nämlich den Ausfall einer einzigen Spalte an, so entstehen 
sie streng segmental (v. Wyhe, 46). Gegenbaur (14) wendet sich gegen 
diese Annahme, hält aber bekanntlich auch die segmentale Anordnung für 
primitiv. Ebenso Dohrn (9). 

Wenn also bei den Cranioten die Branchiomerie der Körpermetamerie 
nicht zu entsprechen scheint, so ist dies nicht, wie Ahlborn (1) meinte, ein 
primitives, sondern ein secundäres Verhalten. 


- 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 475 


derlagern von Somato- und Splanchnopleura, welche dann aber nicht 
wie auf dem abgebildeten Schnitt verlöthet sind. 

Beim Embryo mit 27 Somiten sind 13 dieser Bläschen vor- 
handen, von welchen die vordersten drei auf die 3 hinteren Kopf- 
segmente, die übrigen auf die 10 vordersten Rumpfsegmente fallen. 
Die Höhle dieser Bläschen wird immer kleiner je weiter man nach 
hinten kommt, so dass dieselbe im zehnten Rumpfsegment noch 
kaum sichtbar ist. 

Im Stadium mit 31 Somiten sind sie weiter gebildet, aber in 
demjenigen mit 35 in den erwähnten Segmenten schon fast ver- 
schwunden und ihre Höhle kaum mehr als ein Spalt. Sie stellen 
jedenfalls sehr vorübergehende Bildungen vor und nehmen bei 
Selachiern keinen Theil am Aufbau des Exkretionssystems. 

Ich will hiermit aber nicht in Abrede stellen, dass sie wohl 
durch Flüssigkeitsansammlung entstehen, welche vielleicht exkre- 
torischer Natur und zum Theil ein Stoffwechselprodukt der Mus- 
kulatur ist. | 

Eine Flüssigkeit ähnlicher Natur verursacht vielleicht bei 
vielen Wirbelthierembryonen auch die blasenförmige Auftreibung 
der Pericardialhöhle, kurz nachdem das Herz angefangen hat zu 
schlagen. 

Wenden wir uns jetzt wieder zum eben aufgetretenen Prone- 
phros, so zeigt er segmental und intersegmental natürlich eine ver- 
schiedene Gestalt. Segmental zeigt er sich deutlich als eine Aus- 
stülpung der Somatopleura wie Fig. 1 lehrt, welehe einen Schnitt 
durch die Mitte des dritten Rumpfsegmentes vorstellt. Die Aus- 
stülpung » hat eine Randzone mit zahlreichen Kernen und enthält 
nur wenige Kerne im Innern. Intersegmental kann man aber keine 
Randzone unterscheiden, da die Kerne im Innern ebenso zahlreich 
sind wie am Rande, was Fig. 2 zeigt, welche einem zwischen dem 
dritten und vierten Rumpfsegmente geführten Schnitt durch einen 
Embryo mit 31 Somiten entnommen ist!). Die segmentale Aus- 
stülpung — die Anlage eines Ostiums — ist bei diesem Embryo 
im fünften Rumpfsomit besonders dentlich?) (Fig. 3 rechts). 


1) Vom Epimer (Myotom) und Mesomer sieht man in der Figur rechts 
fast gar nichts, weil der Schnitt grossentheils auf die intersegmentale Lücke 
fällt. Diese Lücke existirt nicht mehr zwischen den Hypomeren (vgl. das 
Schema Fig. 18), weil diese unmittelbar an einander stossen. 

2) Da Rückert (31) meine Angabe (48) „schon bei ihrem Auftreten 


476 J. W. van Wyhe: 


Der Pronephros steht noch in keiner Verbindung mit der 
Haut; von einem Gang ist weder im Stadium mit 31 noch in dem 
mit 27 Somiten eine Spur vorhanden. 

In den Stadien mit 35 —45 Somiten verwischt sich die Seg- 
mentirung des Pronephros dadurch, dass sich segmental die Kerne 
in seinem Innern vermehren, wodurch er ganz solid wird. Doch 
kann man bei genauer Beobachtung zwar kein Lumen mehr, aber 
wohl eine Differenz in seinen Querschnitten, welche dureh die Mitte 
der Segmente und solche, welche zwischen denselben geführt sind, 
erkennen, da die Zahl der Kerne in den ersteren immer geringer 
ist. Nach dem Stadium mit 45 Somiten werden die Stellen der 
Ostia wieder leichter sichtbar, wie Fig. 13, Taf. XXXI zeigt, welche 
nach einem Embryo in toto mit 48 Somiten entworfen ist?). 

Beim Vorhandensein von 55 Somiten finde ich auf Quer- 
schnitten beiderseits die drei Ostia als hohle Ausstülpungen mit 
sehr feinem, mit der Leibeshöhle communieirendem Lumen. Sie 
communieiren noch nicht direet mit einander und der Gang ist 
noch ganz solid. 

Aehnliches zeigt ein Embryo von Seyllium canieula mit 57 
Somiten; der Pronephros ist hier zusammen gedrängt?); derselbe 


ist die Vorniere nicht ganz solid“ als unrichtig bezeichnet, hat er ihre ersten 
Stadien bei Pristiurus wohl nicht gesehen. 

1) Das vorderste sichtbare und rudimentäre Somit liegt mit seinem 
hinteren Theile über der vierten Kiementasche und gehört zum sechsten Kopf- 
segment. Um einen festen Ausgangspunkt zur Bestimmung der Stadien zu 
haben, werde ich bei den Angaben der Somitenzahl immer dieses als das 
erste betrachten. Bei älteren Embryonen in toto sind das 6.—8. Kopfseg- 
ment nicht immer sichtbar. Ihre Lage war aber doch durch die der Nach- 
bartheile zu bestimmen und wurde an der Schnittserie controllirt. 

2) Rückert (30) hat auf dieses Zusammendrängen zuerst aufmerksam 
gemacht. Seyllium (canieula und catulus s. stellare), von welchem ich viele 
Stadien besitze, stimmt in Bezug des Pronephros und seines Ganges so voll- 
ständig mit Pristiurus überein, dass ich keinen Unterschied anzugeben wüsste. 
Rückert scheint seine abweichende Angabe (30, p. 228) später (31, p. 17) zu- 
rückgenommen zu haben. Dass die Zahl der Pronephrotome (Vornierenseg- 
mente) nicht völlig constant ist, hat Rückert schon bemerkt. In so jungen 
Stadien, dass eine Degeneration auszuschliessen ist, findet man mitunter an 
einer Körperseite nur 2 derselben, während an der anderen die normalen 3 
vorhanden sind. In einem einzigen Falle (Pristiurus-Embryo) sah ich deren 
beiderseits 4. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 477 


fällt nur auf 23 Schnitten rechts und 25 links, während die zuge- 
hörigen drei Segmente auf 38 Schnitten sichtbar sind. Das Organ 
liegt nämlich nur im hinteren Theile des dritten, dem ganzen vier- 
ten und dem vordersten Theile des fünften Rumpfsegmentes. Die 
spaltförmigen Ostia — von welchen das mittlere auch später immer 
das grösste ist — haben sich in die Länge gezogen und sind dadurch 
einander genähert; zwischen dem ersten und zweiten sowie Zwi- 
schen dem zweiten und dritten Ostium fallen je nur 2—3 Schnitte, 
so dass dieselben der Verschmelzung nahe sind. 

Bei einem anderen Embryo von Seyllium canicula mit 60 So- 
miten ist die Vorniere fast ganz unter dem fünften Rumpfsomit 
zusammen gedrängt. Sie hat rechts und links drei Ostia, von wel- 
chen das vordere sich nach vorn allmählich abflacht. Auch der 
Gang hat in seinem vordersten Ende ein feines Lumen erhalten, 
welches also durch drei Oeffnungen mit der Leibeshöhle communi- 
eirt. Die Ostien an jeder Seite sind im Begriffe zu verschmelzen!) 
und nur durch 1—3 Schnitte getrennt. 

Ein Pristiurus-Embryo mit 71 Somiten zeigt links drei, rechts 
nur zwei Ostia (die beiden vordersten sind hier verschmolzen, vgl. 
aber den Abschnitt über den Glomus); der Pronephros liegt beider- 
seits im vierten und fünften Rumpfsegment. Fig. 6a zeigt das 
erste, 6e und 6f das zweite, 6h das dritte Ostium der Vorniere 
auf der linken Seite des Embryo (rechten Seite der Figur). Die 
Verschmelzung der Ostia geht jetzt rasch weiter; bei einem Embryo 
mit 73 Somiten ist links nur ein Ostium mehr (auf 20 Querschnitten 
sichtbar), rechts sind noch zwei vorhanden (zusammen auf 21 Sehnitten 
fallend). Ein anderer Embryo mit 76 Somiten besitzt rechts zwei 
Ostia, links nur eins, welches aber genau auf dieselben Querschnitte 
fällt, wie die beiden anderen zusammen. Diese letzteren sind übri- 
gens noch nicht durch einen Schnitt getrennt, denn der Schnitt, 
welcher den Hinterrand des vordersten Ostiums enthält, wird von 
einem gefolgt, auf welchem der Vorderrand des hintersten (ursprüng- 
lich dritten) sichtbar ist. 


1) Rückert (31) spricht sich gegen diese Verschmelzung der Ostia mit 
einiger Entrüstung aus. Dieselbe ist auch nicht so leicht zu constatiren. In 
meiner Mittheilung (48) fand ich sie nur wahrscheimlich; jetzt stehe ich aber 
dafür ein. Nach der Verschmelzung hat das Ostium hinten eine ziemlich 
scharfe Grenze, nach vorne zu flacht es sich aber allmählich ab und verliert 
auf dem Querschnitt sogar seine Wölbung, so dass seine Stelle nur durch 
die höheren Zellen erkennbar ist, 


478 J. W. van Wyhe: 


Hiermit achte ich den Beweis der Verschmelzung der Ostia 
für erbracht und erspare dem Leser die Beschreibung der weiteren 
Stadien, welche alle mit den erwähnten übereinstimmen. Nach der 
Periode mit 90 Somiten ist beiderseits stets nur ein Ostium vor- 
handen. 

Zwischen den Ostien hat der Pronephros die Gestalt eines an- 
fangs soliden, später hohlen Stranges, der aber in der Regel nicht 
wie der Gang (Fig.8, Taf. XXXD) ganz frei liegt, sondern mit dem 
Peritonealepithel zusammenhängt oder wenigstens damit in Berüh- 
rung ist (vgl. Fig. 6b—d, Taf. XXX). Was die Ostia betrifft, so ver- 
halten sich diese bei den Selachiern also ganz anders als bei den 
Amphibien, wo sie sich nach den Angaben von Fürbringer (12), 
und Hoffmann (19) allmählich abschnüren, schliessen und ver- 
schwinden!). 

Nach der Verschmelzung derselben erscheint die Vorniere nur 
als das vordere, sich trichterförmig in die Leibeshöhle öffnende 
Ende des Ganges. Die Entwicklungsgeschichte lehrt aber, dass sie 
eine vom Gange verschiedene Bildung ist. 

Es ist also nicht richtig, zu sagen, dass der Vornierengang 
als eine hohle oder solide Ausstülpung des Peritonealepithels ent- 
steht, denn diese ist die Anlage der Vorniere?). Wer die Entstehung 
des Ganges aus dem Ektoderm annimmt, wie eine solche von den 
meisten neueren Forschern für verschiedene Wirbelthierelassen an- 
gegeben wird, der muss nach meiner Ansicht als erste Anlage des 
Ganges die Stelle betrachten, wo der Pronephros zuerst mit der 
Haut verschmilzt. Dieselbe liegt ungefähr lateral vom Hinterende 
der erwähnten Drüse. 

Was das weitere Schicksal des Ostium abdominale des Gan- 


1) Bei keinem meiner Embryonen ist ein abgeschnürtes Ostium vor- 
handen. Nur ein einziges Mal glaubte ich ein solches zu sehen; bei genauer 
Betrachtung zeigte sich aber, dass es sich handelte um eine viel mehr ven- 
tral liegende Ausstülpung der Somatopleura in die Seitenleiste des Mesen- 
chyms, wie ja an Stellen einer regen Zellenproliferation mitunter eine Aus- 
stülpung gefunden wird (vgl. Ziegler, 50). Eine auf diesen Punkt gerichtete 
Nachprüfung bei Amphibien ist erwünscht. 

2) Eine Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Pronephros, 
welche Rückert für wahrscheinlich halten möchte, glaube ich mit Sicherheit 
ausschliessen zu können. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 479 


ges betrifft, so rückt dasselbe allmählich nach hinten. Auch zieht 
es medio-ventralwärts, bis es mit dem der anderen Seite verschmilzt. 

Im Stadium mit 104 Myotomen (Länge des Embryo 14 mm; 
Stadium Z) liegt es in der Querzone des fünften Spinalganglions; 
die beiderseitigen Ostien sind noch weit getrennt. Bei einem Em- 
bryo von 17 mm (Stadium M) ist es bis in die Region des sech- 
sten Spinalganglions gerückt; die beiderseitigen Ostien berühren 
einander noch nicht. Zu dieser Berührung ist es aber bei einem 
Embryo von 24 mm (Anfang O0) gekommen, wo das Ostium in 
der Region des achten Spinalganglions liegt, während ich es bei 
einem Embryo von Seyllium canicula von 27 mm (Stadium O) 
ein wenig hinter dieser Region und mit dem der anderen Seite 
ventral in der Medianebene verschmolzen finde. Es liegt beim 
Männchen und Weibchen an derselben Stelle; zwischen derselben 
und dem Darme befindet sich die hintere Oeffnung der Communi- 
cation der Bauchhöhle mit dem Pericardialraum. 

Bei Seyllium hat das Ostium jetzt seine definitive Lage er- 
reicht, denn bei einem noch nicht geschlechtsreifen Weibchen von 
3.d.M. fand ich es in der Querregion des achten Wirbels. 

Bei Pristiurus scheint dasselbe noch um einen Wirbel weiter 
nach hinten zu rücken; bei einem Embryo von fast der gleichen Länge 
wie der letzterwähnte finde ich es nämlich in der Querregion des 
neunten Spinalganglions. 

Der Nachweis der caudalwärts gerichteten Verschiebung des 
ÖOstiums scheint mir nicht ohne Belang für die Homologie des 
Müller’schen Ganges bei Amnioten und Anamnien (vgl. das dritte 
Capitel). 

- Was die Entwicklung des Pronephros bei Raja!) betrifft, so 
entsteht derselbe (van Wyhe, 47) etwas später (zu Anfang des 
Stadiums I) als bei den erwähnten Haifischen, auch erstreckt er 
sich im Anfang in der Regel statt auf drei auf fünf Segmenten. 
Mit Ausnahme dieser beiden Unterschiede stimmt seine Entwicklung 
— soweit ich dieselbe nach dem weniger reichlichen Materiale be- 
urtheilen kann — im Wesentlichen mit der eben geschilderten 
überein. Da Rückert — siehe die Anmerkung, Seite 473 — 


1) Mein Material bestand aus Eiern von Raja clavata, welche ich aus 
den Schiffen erhielt, wo die gefangenen Rochen sie abgelegt hatten. Der 
grösste Theil derselben ist mir leider bei einem Brande zu Grunde gegangen, 


480 J. W. van Wyhe: 


dasselbe bei Torpedo fand, so dürften die erwähnten beiden Unter- 
schiede allgemeiner bei Rochen, den Haifischen gegenüber, vor- 
"kommen. 

Der Glomus der Vorniere. Mit diesem Namen möchte ich 
das gefässführende Gebilde belegen, welches bei Wirbelthierem- 
bryonen gegenüber den Ostien des Pronephros frei in der Leibes- 
höhle (Metacölom) hängt. Es ist der Glomerulus der Autoren. Da nun 
aber der Pronephros dem Mesonephros nicht homolog (homodynam) ist, 
liegt es auf der Hand, dass die Gefässknäuel dieser beiden Organe 
auch nicht homodynam sind. Beim ersten bilden sie denn auch Ein- 
stülpungen in das Metacölom, beim zweiten solche in das Mesocölom. 

Um Verwirrungen vorzubeugen, ist es nun zweckmässig, die 
verschiedenen Gebilde auch durch verschiedene Namen zu bezeich- 
nen. Um nicht zu viel zu ändern, habe ich desshalb bei der Be- 
nennung des in Rede stehenden Organes der Vorniere den Dimi- 
nutivausgang weggelassen. 

Es zeigt sich nun bei meinen Haifischembryonen mit 70—100 
Myotomen ein eigenthümliches Gebilde, das ich in meiner Mit- 
theilung (48) nicht erwähnt habe, weil ich über seine Deutung 
keine genügende Sicherheit hatte und dieselbe bei näherer Unter- 
suchung zu bekommen hoffte. Diese Hoffnung hat sich aber nicht 
bestätigt. Das betreffende Gebilde ist zum Theil schon von Rückert 
gesehen und zuerst erwähnt. Es ist klein, sehr vergänglich und 
besteht aus einem gefässführenden Strang, der von der dorsalen 
Lippe eines Ostiums in schräger Richtung zur ventralen zieht. Der 
Strang erstreckt sich, in seiner Mitte ringsum vom Peritonealepi- 
thel bekleidet, frei durch die Leibeshöhle und ist an beiden Enden 
befestigt. Er bildet sich bald zurück und ist nach dem Stadium 
mit 100 Myotomen verschwunden. 

Auf der linken Seite des Embryo mit 71 Somiten (rechten Seite 
der Figur) sieht man (Fig. 6c) die Stelle, wo der Strang von der 
dorsalen Lippe am Hinterrande des ersten Ostiums (welches 2 
Schnitte vorher, Fig. 6a sichthar ist) hinunterzieht; auf dem näch- 
sten Schnitt (Fig. 6d) hängt der Strang fast frei und auf dem fol- 
senden (Fig. 6e) ganz frei in der Leibeshöhle, während er darauf 
(Fig. 6f) in die ventrale Lippe des zweiten Ostiums übergeht. 
Das Gefäss des Stranges ist nicht auf allen Schnitten deutlich; 
wo es eollabirt ist (Fig. 6d, e), sieht man nur einen Kern in der 
Mitte des Stranges, bis es an der Unterseite des Pronephros (Fig. 6h) 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 481 


wieder zu Tage tritt. In aller Deutlichkeit zeigte es sich aber auf 
der rechten Seite des Embryo (Fig. 6f, g, h, i, gls, linken Seite der 
Fig.). Hier ist der Strang (Fig. 6f) in der Nähe der dorsalen 
Lippe des Ostiums o (vgl. die entsprechende Stelle auf dem vor- 
hergehenden Schnitt Fig. 6e) im Begriffe durch die Leibeshöhle zu 
ziehen; auf dem nächsten Schnitt (Fig. 6g) ist er fast frei; auf 
dem folgenden (Fig. 6h) ganz frei und schon in Berührung mit 
der ventralen Lippe des Ostiums, in welche er darauf (Fig. 6i, 
Taf. XXXI) übergeht. 

Der Strang ist offenbar ein höchst rudimentäres Gebilde; er 
kommt zu keiner grösseren Entwicklung und bildet sich im Gegen- 
theil zurück. Er giebt bei älteren Embryonen seine Verbindung 
mit der unteren Lippe des Ostiums auf, ist bald nur mehr auf 
einer Seite des Körpers (in der Regel der linken) vorhanden und, 
wie erwähnt, in den Stadien mit über 100 Myotomen geschwunden. 

Eine meiner Fig. 6g ähnliche Abbildung hat Rückert in 
seiner Fig. 18 von Torpedo gegeben. Er deutet das Organ als 
Glomus, scheint es aber nur auf der rechten Seite und nicht in der 
Form eines Stranges wahrgenommen zu haben. 

Zu seiner Deutung neige auch ich hin, wiewohl ein Glomus 
meines Wissens bis jetzt nie als ein an beiden Enden befestigter, 
frei durch die Leibeshöhle ziehender Strang beschrieben ist. 

Wie jüngere Stadien zeigen, ist der Strang ein Theil der 
Scheidewand zwischen dem ersten und zweiten Ostium des Pro- 
nephros, so dass streng genommen diese Ostien auf der rechten 
Seite meines Embryo mit 71 Somiten (Fig. 6 e—h) noch nicht ganz 
verschmolzen sind!) (entgegen meiner Beschreibung p. 477, wo ich 
den Strang unberücksichtigt liess). 

Die Verschmelzung des zweiten und dritten Ostiums des Pro- 
nephros geht ohne Bildung eines solchen Stranges vor sich. 

Was die Gefässe desselben betrifft, so kann ich nur sagen, 
dass mit Sicherheit sowohl ein Zweig der Aorta (rechts an der 
Abgangsstelle der Dotterarterie, oder ein wenig auf dieselbe ge- 
rückt) als der Vena cardinalis in denselben zu verfolgen waren. 
Wegen der Kleinheit des Gebildes und der Zartheit der Gefässe 


1) Der Leser wird sich hiervon überzeugen, wenn er annimmt, der 
Strang liefe nieht schief, sondern genau quer. Auf einem der erwähnten 
Schnitte (e—h) würde das Ostium dann durch eine Brücke unterbrochen sein, 


482 J. W. van Wyhe: 


war es mir nicht möglich, Näheres hierüber aufzufinden. Vermuth- 
lich führt die Aorta dem Strange Blut zu, welches dann in die 
. Vena cardinalis fliesst. 

Was die von Paul Mayer (23) entdeckten Darmgefässe be- 
trifft, welche auf der rechten Seite des Embryo segmental aus der 
Aorta neben dem Darm zur Vena subintestinalis ziehen, so kann 
ich die Angabe von Rückert bestätigen, dass dieselben je zu einem 
auch ein Pronephrotom enthaltenden Segmente gehören. Ich habe 
deren drei wahrgenommen. Sie liegen anfangs zwischen Darm und 
Splanehnopleura, ziehen später aber zufolge eines Abschnürungs- 
processes eine Strecke weit frei — aber vom Peritonealepithel 
ringsum bekleidet — durch die Leibeshöhle. Sie abortiren be- 
kanntlich bald mit Ausnahme desjenigen Gefässes, das zwischen 
dem Segmente mit dem ersten und demjenigen mit dem zweiten 
Pronephrotom verläuft und welches zur Dotterarterie wird. 

Im oben erwähnten Embryo mit 71 Somiten war ausser der 
Dotterarterie ein Segment weiter nach hinten noch ein Darmge- 
fäss vorhanden, das aber im Begriffe stand zu verschwinden. 

Die Aorta giebt auch auf der linken Seite, wie Mayer be- 
schrieben, in einem frühen Entwicklungsstadium segmental etwa 
drei ganz kleine Gefässe ab, die aber nicht zum Darme, sondern 
zur parietalen Körperwand treten. Diese dürfen also nicht mit 
den Darmgefässen verwechselt werden. Eins von ihnen ist jener 
Zweig der Aorta, der zu dem oben als Glomus gedeuteten Strang 
zieht; sein Homologon auf der rechten Seite kommt beim Embryo 
mit 71 Somiten aus der Dotterarterie an ihrer Abgangsstelle aus 
der Aorta. 


2. Der Pronephrosgang (Vornierengang, Segmen- 
talgang, primärer Urnierengang). 


Dieser Gang erscheint gegen das Ende des Stadiums 7 bei 
einem Embryo mit 35 Somiten !), wenn man das sechste Kopfsomit 
als das vorderste derselben betrachtet. Aber als der Embryo vor 
den Schneiden noch in toto im Cedernöl lag, waren auch die Grenzen 


1) Man findet dieses für die Kopfmetamerie wichtige Stadium — das 
Acranienstadium — sowohl bei Pristiurus als bei Seyllium catulus und ca- 
nicula am zweiten Tage der Kopfbewegung. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 483 


des fünften und die Hintergrenze des vierten, unter der Ohrblase 
befindlichen Kopfsomites erkennbar. 

An der linken Seite des Embryo fehlt noch jede Spur eines 
Ganges!); an der rechten aber ist ein ganz kurzer vorhanden, der sich 
noch zwei Schnitte (15 «) hinter dem Pronephros in das vorderste 
Viertel des sechsten Rumpfsegmentes erstreckt. 

Der Gang ist im hinteren Theile des vierten und im vorderen 
Theile des fünften Rumpfsegmentes mit dem Pronephros verschmol- 
zen, wiewohl man auf einigen Schnitten theilweise seine Grenzen 
erkennen kann (Fig. 4a). Weiter nach hinten liegt er frei zwischen 
Epidermis und Vorniere, und am hinteren Ende der letzteren ist er 
auf drei Schnitten mit der Haut verschmolzen. Der vorderste 
Sehnitt durch die letztere Stelle (Fig. 4b) trifft noch den Hinter- 
rand des Pronephros. Der Durchschnitt der Anlage des Ganges 
bildet hier einen vierkernigen Streif, der nur mit beiden Enden, 
nicht in der Mitte, mit der Haut verlöthet ist. Auf dem nächsten 
Schnitt ist die Vorniere geschwunden; der Gang zeigt hier drei 
Kerne (Fig. 4c), ist ganz mit der Epidermis verschmolzen und auf 
dem folgenden, nicht abgebildeten Schnitt ist in der entsprechenden 
Hautverdiekung nur ein einziger Kern, der dem Gange zugerechnet 
werden kann. 

Wegen der Kürze des Ganges und seines Fehlens auf der 
anderen Seite des Embryo ist es klar, dass wir hier seine erste 
Anlage vor uns haben. Wie Rückert nachgewiesen hat, bildet 
je ein Pronephrotom einen Auswuchs, der in der Regel?) bis in die 
Region des folgenden Segmentes nach hinten reicht. Beim eben 
erwähnten Embryo ist es nun der Auswuchs des mittleren und 
mächtigsten Pronephrotoms, welches sich zur Bildung des Ganges 
in der Region des hintersten Vornierensegmentes mit der Haut 
verlöthet. \ 

Dieser Embryo dürfte die Unrichtigkeit der Meinung von 
Rückert beweisen, nach welcher der Pronephros sich. vor der 
Anlage des Ganges segmental mit der Haut verbinden sollte. Wenn 


1) Eine asymmetrische Entwicklung des Ganges kommt regelmässig vor, 
wie schon Rückert bemerkt. Bald ist der rechte, bald der linke Gang 
weiter vorgeschritten. Auf diese Verhältnisse hat zuerst Flemming (11) 
bei Säugethieren aufmerksam gemacht. 

2) Ich finde öfter auch einen Auswuchs (den des vordersten Pronephro- 


toms) nach vorn gekrümmt. 
Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 33. 3l 


484 J. W. van Wyhe: 


Je, so müsste dies denn jetzt doch der Fall sein und auf der linken 
Seite ist der Pronephros überall eben so frei von der Haut wie in 
- den Stadien der Fig. 1—3, während rechts nur der erwähnte Fort- 
satz mit derselben verschmolzen ist. Dass man später mitunter einen 
Auswuchs der Vorniere der Epidermis angelagert findet, liegt ja in 
der Natur der Sache. 

Bei seinem weiteren Wachsthume ist der Gang nun mit seinem 
hinteren Ende immer mit der Haut verlöthet, bis er die Gegend, wo 
sich später der Anus bildet, erreicht hat. 

Während der Gang erst mehr bandartig ist, ordnen sich seine 
Zellen später zu einem cylindrischen Strange, der darauf ein Lumen 
erhält durch das Auseinanderweichen der Zellen. 

Was nun seine Abstammung betrifft, so betheiligt sich das 
Ektoderm sicher an seiner Bildung, indem er in ähnlicher Weise 
wie die Nerven der Seitenorgane weiter wächst. Ebenso wenig 
wie bei diesen Nerven möchte ich eine ausschliessliche Abstam- 
mung von der Haut behaupten, da die Möglichkeit nicht ausge- 
schlossen ist, dass Zellen des Pronephros unter fortgesetzten Thei- 
lungen den Gang in seiner ganzen Länge mitbilden helfen. Doch 
kommt mir Letzteres nicht wahrscheinlieh vor. 

Das beschriebene Stadium war beinahe so alt, wie das jüngste, 
über welches Balfour berichtet; er sagt (4, p. 127): ‚The first traces 
of the urinary system become visible at about the time of the appea- 
rance of the third visceral celeft“ (also im Anfang des Stadiums 7). 
At about the level of fifth protovertebra“ (Somit), „the first 
trace of the urinary system appears. From the intermediale cell-mass“ 
(Mittelplatte) „a solid knob grows outwards towards the epiblast. 
This knob consists at first of 20—30 cells, which agree in character 
with the neighbouring cells of the intermediate cell-mass, and are 
at this period rounded. It is mainly, if not entirely, derived from 
the somatie layer of the mesoblast. From this knob there grows 
backwards a solid rod of cells which keeps in very close contaet 
with the epiblast, and rapidly diminishes in size towards its posterior 
extremity. Its hindermost part consists in section of at most one 
or two cells. It keeps so close to the epiblast that it might be 
supposed to be derived from that layer were it not for the sections 
shewing its origin from the knob above mentioned. We have in 
this rod the commencement of what I have elsewhere called the 
segmental duct.“ 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 485 


Dass Balfour nicht weiter gekommen ist, lag wohl an der 
Unvollkommenheit der damaligen Technik. Sein „solid knob“ ist 
die Vorniere, welche, wie ich gezeigt zu haben glaube, nicht im 
Bereich der Mittelplatte, sondern der Seitenplatte entsteht. Die 
Angabe, dass der Knopf nur aus 20—30 Zellen bestehe, führt zur 
Vermuthung, dass Balfour denselben nur auf einem einzigen 
Schnitt gesehen hat. In meiner Serie vom eben erwähnten Embryo 
ist das Organ auf 23 Schnitten sichtbar. 

Dass der „elose contact“ der Anlage des Ganges nicht blos 
eine Berührung, sondern eine wirkliche Verschmelzung ist, haben 
ausser mir (47) noch Beard (7), Rabl (nach Hertwigs Lehrbuch 
der Entwicklungsgeschichte) und Rückert (30) hervorgehoben. Der 
letztere hat auch in einem einzigen Falle (l. e. p. 245) eine Einstül- 
pung des Ektoderms an der Anlage des Ganges betheiligt gefunden. 
Auch ich habe in Ausnahmefällen Aehnliches gesehen, wie überhaupt 
an Proliferationsstellen mitunter eine Einstülpung gefunden wird. 

Die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Ganges 
wird sicher gestellt durch Kerntheilungsfiguren, bei welchen 
der eine Tochterkern in der Haut, der andere in der Anlage des 
Ganges liegt. Dies zeigt Fig. 5b, welche einem Schnitt durch 
einen Embryo!) von Seyllium catulus mit 37 Somiten entnommen 
ist. Die Kerne der Fig. 5a,b, ce sind mittels der Camera hinein- 
gezeichnet. Der Gang erstreckt sich links noch 31/,, rechts 3 
Segmente weiter nach hinten als der Pronephros, welcher jeder- 
seits im dritten, vierten und fünften Rumpfsegment vorhanden ist. 
Der letzte Schnitt durch den Gang (Fig. 5c) zeigt denselben als 
eine einfache Hautverdickung, von welcher wohl drei Kerne für 
den Gang bestimmt sind. Im vorletzten Schnitt (Fig. 5b) ist die 
erwähnte Mitose getroffen; die Einschnürung des Protoplasma hat 
sich noch nicht ganz vollzogen. Die eine Tochterzelle liegt an der 
äusseren Oberfläche; die andere wird durch zwei Hautkerne von 
derselben abgeschlossen. Auch die runde Gestalt der Hautkerne an 
der Verschmelzungsstelle, während sie sonst abgeplattet sind, weist 
wohl auf eine rege Vermehlung. Eine ähnlich gelagerte Mitose 
besitze ich von Raja. ee Embryo von Seyllium eanicula 
mit 43 Somiten zeigt sich auf einem Querschnitt durch das mit 
der Haut verschmolzene Hinterende des Ganges im vierzehnten 


1) Am zweiten Tage der Kopfbewegung getödtet. 


486 J. W. van Wyhe: 


Rumpfsegmente einejEpidermiszelle im Begriffe, sich durch eine der 
Oberfläche parallele Ebene zu theilen, also der Anlage des Ganges 
-Bildungsmaterial abzugeben. Dies beweist die Achse der Kern- 
theilungsfigur, welche senkrecht zur Hautoberfläche steht. In allen 
übrigen Theilen der Epidermis bei Embryonen aus diesem Stadium 
liegen die Achsen der ziemlich zahlreichen Mitosen parallel der 
freien Fläche. 

Beim Vorhandensein von etwa 80 Somiten hat der Gang seine 
volle Länge erreicht und erstreckt sich bis an die Darmausstülpung 
der Cloake. Die Weise, wie er an dieselbe herantritt, ist von 
Rückert nicht ganz richtig angegeben. 

Nach Rückert (30) wächst das angeschwollene Hinterende 
desselben behufs Erreichung der Cloake in das Mesoderm hinein, 
in welchem er anfangs auf dem Querschnitt vom Mesoderm allseitig 
umschlossen endigen soll. 

Wenn dem so wäre, so könnte man die Art, in welcher der 
Gang die Cloake erreicht, wohl nicht als einen phylogenetischen 
Vorgang auffassen. Die Sache verhält sich indessen anders, wie 
die Fig. 7a und 7b, Taf. XXXI zeigen, welche einer Querschnitt- 
serie durch einen Pristiurus-Embryo mit 76 Myotomen!) entnom- 
men sind. Die hintere Partie des Ganges ist bis wenige Schnitte 
vor seinem Ende verdickt; das Ende aber wird von einem sehr 
schmächtigen, ventral gerichteten Fortsatz gebildet (Fig. 7a), der 
drei Schnitte weiter an seinem unteren Ende mit der Epidermis 
verschmolzen ist (Fig. 7b). Die zwei dazwischen liegenden Schnitte 
habe ich nicht abgebildet, weil sie der Fig. 7b (dem letzten Schnitt 
durch die Anlage des Ganges) ähnlich sind. In der letzten Figur 
gehören vielleicht vier, mit Sicherheit aber drei Kerne zu der An- 
lage des Ganges, welche mit ihrem untersten Theile nur durch 
die Dicke einer einzigen Mesodermzelle von der seitlichen Aus- 
stülpung der Cloake getrennt ist. Mein nächst älterer Embryo hat 
84 Myotome (5 offene Kiementaschen; die sechste noch geschlossen); 
der verdiekte Gang ist beiderseits mit dem Cloakenepithel ver- 
schmolzen, auf der einen Seite auch sogar noch mit der Epidermis, 
während er an der anderen Seite nur unmittelbar an derselben 
grenzt. Bei älteren Embryonen wird das Hinterende des Ganges 
durch dazwischen dringendes Mesodermgewebe von der Haut ge- 


1) Von den 6 Kiementaschen sind nur die 4 vorderen geöffnet. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 487 


trennt. Da dieses hintere Ende einen schrägen Verlauf hat, auf 
Querschnitten also schräg getroffen wird, sind seine Grenzen auf 
nicht sehr dünnen Schnitten nicht zu sehen und kann man, wie 
Rückert, glauben, der Gang endige frei im Mesoderm. Bei einer 
Sehnittdicke von 71/, u kann man ihn aber immer ohne Mühe bis 
an das Cloakenepithel, mit welchem er verschmolzen ist, verfolgen. 

Die Leibeshöhle, welche in den letzterwähnten Stadien nicht 
soweit caudalwärts reicht wie der Gang, wächst später in das Me- 
soderm, welches das Ende desselben von der Haut trennt, nach 
hinten, so dass dieses Ende in das Innere des Körpers zu liegen 
kommt. In seiner ganzen übrigen Länge wird der Gang durch die 
hinunterwachsenden, von der Mittelplatte abgeschnürten Myotome von 
der Haut abgedrängt, wie aus Fig. 8, Taf. XXXI leicht verständlich. 

Was sein Lumen betrifft, so ist er beim Vorhandensein von 
70 Somiten noch fast ganz solid; nur in seinem allervordersten 
Theile ist eine feine Lichtung aufgetreten, aber erst bei Embryonen 
mit 92 Myotomen zeigt der Gang in seiner ganzen Länge ein Lumen, 
welches in seinem mittleren Theile noch sehr fein, am Vorder- und 
Hinterende weit ist. Gegen die Cloake ist dieses Lumen aber ab- 
geschlossen und dies ist der Fall bei allen meinen Embryonen (bis 
zu 30 mm Länge, Stadium O), so dass ich Balfours Angaben 
als unrichtig bezeichnen muss, wo er sagt (4, p. 223): „the uroge- 
nital ducts at first open into the almentary canal and not to the 
exterior“. Selbst wenn die Cloake schon geöffnet ist, was, wie 
Balfour richtig angiebt, im Stadium O geschieht, finde ich ihr 
Lumen weder mit dem des Wolff’schen, noch des Müller ’schen 
Ganges in Communication. 

Der Harn muss wenigstens bis zu diesem Stadium, also wohl 
auf inter- oder intracellularem Wege aus dem Ende des Harnleiters 
in die Cloake treten. 

Erst einige Zeit nachdem der Gang seine volle Länge erreicht 
hat, brechen die Urnierenröhrehen in ihn durch. Dies geschieht 
bei Embryonen mit 99 Myotomen (bei solehen mit 92 noch nicht). 

Was schliesslich die Spaltung des Vornierengangesin den W olff’- 
schen und Müller’schen Gang betrifft!), so will ich die schon von 


1) Ich wende den Ausdruck Urnierengang nicht an, weil er nicht nur 
überflüssig, sondern auch zweideutig ist, da er sowohl statt Vornierengang 
als statt W olff’scher Gang gebraucht wird. Dassich SempersAusdruckLey- 


488 J. W. van Wyhe: 


Balfour und Hoffmann (19) bestätigte Richtigkeit der Semper- 
schen Angaben nochmals hervorheben. 

Ich thue dies, da dieselben vielleicht wieder in Zweifel ge- 
zogen werden könnten, wegen der in den letzten Jahren bei Am- 
nioten wieder nachdrücklich behaupteten Entstehungsweise des 
Müller’schen Ganges unabhängig vom Vornierengang (Mihalko- 
vics, 24). Ich will noch hinzufügen, dass sowohl eine Spaltung 
des Lumens vorkommt (Semper, Hoffmann), als eine Abtren- 
nung des jüngsten Endes des Müller’schen Ganges in Form eines 
soliden Stranges (Balfour). Es ist dies offenbar mit der Länge 
des schon gespaltenen Theiles des Vornierenganges verschieden. 


3. Der Mesonephros (die Urniere). 


Die frühere Ansicht, nach welcher ein Nephrotom als eine 
Ausstülpung!) des Peritonealepithels entstünde, hat sich durch die 
Untersuchungen von Adam Sedgwick (32), mit welchen die von 
mir (48) und Rückert (30) übereinstimmen?), als unrichtig her- 
ausgestellt. 

Schon Balfour hatte sich in seinem Lehrbuche Sedgwick 
angeschlossen; er giebt dessen Ansicht aber nicht in ganz klarer 
Weise wieder, indem er sagt (p. 622): „Sie“ (die Urnierenröhrchen) 
„scheinen als Differenzirungen jenes Theils der primitiven Seiten- 
platten des Mesoblasts zu entstehen, welcher zwischen dem dorsa- 
len Theile der Leibeshöhle und der Muskelplatte liegt..... und 
gewöhnlich als Zwischenzellmasse“ (Mittelplatte) „bezeichnet wird. 
Das Lumen der Segmentalröhren“ (Urnierenröhren) „anfangs noch 


dig’schen statt Wolff’schen Gang nicht adoptire, wie noch von Wieders- 
heim (45) gethan, geschieht, weil mir die Homologie des betreffenden Canales 
bei Selachiern und Amnioten ausser Zweifel scheint. 

1) In meiner Mittheilung (47) habe auch ich mich in dieser Hinsicht 
getäuscht, weil ich damals die Stadien, in welchen die Abschnürung der Myo- 
tome stattfindet, noch nicht besass. Uebrigens ändert dies nichts an dem 
Sinn, da ich nur betonen wollte, dass die Urniere aus dem Mesoderm, nicht 
aus der Epidermis entsteht. 

2) Ob in den Angaben von Rückert denen von Sedgwick gegenüber 
ein wichtiger Unterschied besteht, wie der erstere (31) behauptet, möge der 
Leser selber beurtheilen. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 489 


sehr eng, scheint sich an derselben Stelle zu bilden '), wo früher 
jener Theil der Leibeshöhle in der Zwischenzellmasse lag, der zu- 
erst den in den Muskelplatten liegenden Abschnitt der Leibeshöhle 
mit der bleibenden Leibeshöhle verband.‘ 

In einer Anmerkung auf derselben Seite fährt er fort: „In 
meinem ursprünglichen Bericht über die Entwicklung dieser Röhren 
hatte ich sie für Einstülpungen des Peritonealepithels erklärt. 
Sedgwick (No. 549) nahm aus seinen Untersuchungen am Hühn- 
chen Veranlassung, die Richtigkeit meiner ersten Angaben zu be- 
zweifeln und gelangte nach genauer Durchsicht meiner Präparate 
zu den oben mitgetheilten Ergebnissen, die ich nun selbst anzu- 
nehmen geneigt bin‘?). 

Wie Sedgwick zuerst für die Cranioten im Allgemeinen an- 
gegeben hat, entsteht der Mesonephros nicht aus Ausstülpungen 
des Peritonealepithels und bildet sich bei Selachiern ein Nephrotom 
aus dem Stiel, durch welchen je ein späteres Myotom anfänglich 
mit der Seitenplatte in Verbindung steht, also aus dem von mir 
Mesomer genannten Gebilde (vgl. Fig. 8 und 11, Taf. XXXIJ). 

Hiermit war das segmentale Auftreten des Mesonephros erklärt. 

Die Höhle jenes Stieles (das Mesocölom) setzt die Höhle des 
Myotomes (das Myocölom) in Communication mit der Leibeshöhle 
(dem Metacölom). Wenn nun das Myotom sich von seinem Stiele 
abschnürt, wird derselbe dadurch umgebildet in ein Blindsäckehen 
dessen Hohlraum nur noch mit dem Metacölom communieirt. Die 
Wandung dieses Blindsäckchens besteht ebenso wie diejenige der 
Leibeshöhle und des Myocöloms aus einem Abschnitt der Somato- 
pleura und der Splanchnopleura. Die Splanchnopleura desselben 
(Fig. 11) hat durch Zellenproliferation ein Sklerotom geliefert, 
während die Somatopleura einschichtig geblieben ist und aus viel 
höheren Zellen besteht. 


1) Nach diesen Worten könnte man glauben, dass jenes Lumen eine 
Neubildung wäre, was nach den richtigen Angaben von Sedgwick nicht 
der Fall ist. Ich vermuthe, dass Balfour in dieser Hinsicht irre geführt 
wurde durch die Abtheilungen des Pronephros, welche er für Nephrotome 
gehalten haben muss. 

2) Wie es gekommen ist, dass Rückert, der die nämliche Seite des 
Lehrbuches anführt (30, p. 220), diese Angaben von Balfour übersehen und 
die Arbeit von Sedgwick nicht gekannt hat, ist mir nicht verständlich. 


490 J. W. van Wyhe: 


Da nun die Entstehung des Mesonephros eng an die Abschnü- 
rung der Myotome gebunden ist, so muss ich etwas näher hierauf 
. eingehen. Diese Abschnürung, welche streng in der Richtung von 
vorn nach hinten vor sich geht, findet, wie Balfour richtig sagt, 
zwischen den Stadien / und X statt. Ich habe darüber bei Pristi- 
urus, mit welchem Sceyllium im Wesentlichen übereinstimmt, das 
Folgende ermittelt: 

Bei Embryonen mit bis 43 Somiten ist dieselbe noch nicht 
aufgetreten. 

Embryo mit 49 Somiten. Das vorderste der vier Oceipital- 
myotome (zum sechsten Kopfsegmente gehörig) ist schon deutlich 
rudimentär und hat sich abgeschnürt, während die Höhle aller fol- 
senden Kopf- und Rumpfmyotome noch mit dem Cölom in Verbin- 
dung steht. 

Embryo mit 55 Somiten. Die beiden ersten Oceipitalmyotome 
haben sich abgeschnürt, die folgenden noch nicht. 

Embryo mit 57 Somiten. Die vier Occipitalmyotome sind alle 
abgeschnürt; dies ist aber noch mit keinem Rumpfmyotome der 
Fall. Denselben Befund zeigt ein Embryo von Seyllium canicula 
mit 60 Somiten. 

ı Embryo mit 68 Somiten. Ausser den Oceipitalmyotomen ha- 
ben sich noch die zwei vordersten Rumpfmyotome abgeschnürt. 

Embryo mit 71 Somiten!). Die 23 vordersten Rumpfmyotome 


1) Da Zeitangaben über einige von Balfours Stadien den einen oder 
anderen Leser vielleicht interessiren, führe ich, diesen Embryo betreffend, 
Folgendes aus meinem Notizbuch an: 

Temperatur des Wassers jeden Morgen 16 9 C. 

27. März Morgens, Stadium Ende B. 


ee 4 Stadium C. 

29.0, s D. 

30% n h E. (?) 

3; > 5 F. 

1. April ı £ F. (Länge 21/;, mm; Medullarrohr 
mit Ausnahme des Kopftheils 

> 3 5 G. geschlossen.) 

3 ” ” ” 6. 

ae » Länge 3 mm. 

Dim h u fast 4mm (das Herz schlägt). 

6.048 h h etwas mehr als 4mm (der Embryo 


bewegt den Kopf, aber sehr schwach). 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 491 


haben sich abgeschnürt. Diesem Embryo sind z. B. die Fig. 8 
und 11, Taf. XXXI entnommen. Bei der ersten Figur geht der 
Schnitt durch das sechste Rumpfsegment und hat sich die Abschnü- 
rung vollzogen. In Fig. 11 dagegen, wo der Schnitt durch das 
dreissigste Rumpfsegment geführt worden, ist dies noch nicht der 
Fall, wie auf der linken Seite der Figur deutlich. Auf der rechten 
dagegen scheint dieselbe schon stattgefunden zu haben, allein dies 
ist eine Täuschung, wie (nicht abgebildete) Nachbarschnitte lehren. 

Embryo mit 73 Somiten. Die 26 vordersten Rumpfmyotome 
haben sich abgeschnürt. 

Bei Embryonen mit 76 und mehr Somiten ist die Abschnürung 
aller Rumpfmyotome vollzogen. 

Bei dieser Loslösung der Myotome verhält sich nun der ocei- 
pitale Abschnitt der Mittelplatte verschieden von dem des Rumpfes. 

Am Hinterkopfe kommt es nämlich nie zu den oben erwähn- 
ten Blindsäckehen, am Rumpfe dagegen findet man ein solches in 
jedem Segmente. 

Vor und während der Abschnürung der Oceipitalmyotome 
verschwindet im Hinterkopfe die Höhle eines jeden Mesomeres 
durch das Zusammenkommen seiner Wandung. Die Zellen, welche 
früher die Höhle begrenzten, werden sternförmig und sind bald 
nicht mehr von denen des Sklerotomes zu unterscheiden. 

Im Rumpfe dagegen findet man, wie erwähnt, in jedem Seg- 
mente nach der Loslösung des entsprechenden Myotomes einen blind- 
sackförmig von der Leibeshöhle ausgehenden Abschnitt des Mesocö- 
loms (Fig. 8, Taf. XXXI). 

Da diese Blindsäckchen bei Pristiurus, mit Ausnahme der vier 
vordersten, sich zu Nephrotomen umbilden, will ich sie hier etwas 
näher betrachten. 


7. April Morgens, Länge etwas mehr als 4mm (der Embryo 
bewegt den Kopf sehr deutlich). 


Bun 5 4 über 4 mm (der Embryo bewegt 
| auch den Schwanz). 

Semnrn y 7 beinahe 5 mm. 

109"; s = D mm. 

1 1 : 3 über 5 mm. 

23. 2 „ etwas über Smm; Embryo getödtet. 


Er besitzt 6 Bienen von welchen die 4 vordersten Ai aussen durch- 
gebrochen sind. 


492 J. W. van Wyhe: 


Die vordersten, bis in die Region des Pronephros, gehen bald 
zu Grunde, auch besitzen sie nicht bei allen Embryonen eine deut- 
liche Höhle und sind von Rückert nicht wahrgenommen. 

Ihre Wände kommen bald zusammen, die Zellen derselben 
nehmen Sternform an und sind dadurch dann nicht mehr von den 
benachbarten Mesenchymzellen zu unterscheiden. 

Embryo mit 71 Myotomen. Das zum ersten Rumpfsegment 
gehörige Mesomer hat zwar noch eine Höhle; diese ist aber schon 
im Verschwinden begriffen. In den folgenden Mesomeren sind die 
Höhlen gut ausgebildet. Das fünfte ist Fig. 6d—6g nt abgebildet; 
es gehört, wie früher erwähnt, mit dem dritten und vierten zu der 
Region des Pronephros ». 

Embryo mit 74 Myotomen. Die Höhle des ersten Rumpfme- 
somers ist verschwunden, die des zweiten rudimentär; die übrigen 
gut ausgebildet). 

Embryo mit 76 Mwyotomen. An der Stelle der beiden vorder- 
sten Rumpfmesomeren befindet sich Mesenchym; hierauf folgen 37 
Blindsäckehen?),, von denen das vorderste zum dritten Rumpfseg- 
mente gehört. 

Embryo mit 84 Myotomen. Wieder ist ein Blindsäckchen ab- 
ortirt, denn an der Stelle der drei vordersten Rumpfmesomeren 
befindet sieh Mesenchym. Im vierten Rumpfsegmente liegt ein 
rudimentäres Blindsäckchen, das bald verödet und hierauf folgen 
36 wohl ausgebildete, die sich zu Nephrotomen umbilden und von 
denen das vorderste im fünften, das hinterste im vierzigsten Rumpf- 
segmente liegt. 

Dieselben sind jetzt also noch streng segmental angeordnet; 
ihre Segmentirung stimmt mit derjenigen der Spinalnerven und 
Myotome überein, denn die 36 Säckcehen fallen auf 36 Segmente). 


1) Dass das Verschwinden des Mesocöloms nicht immer in ganz regel- 
mässiger Weise vor sich geht, zeigt ein Embryo mit 73 Myotomen, wo die 
betreffenden, zu den beiden ersten Rumpfsegmenten gehörigen Bildungen 
schon nur durch solide in der Auflösung begriffene Stränge repräsentirt sind. 

2) Dieses Wort trifft für die hinterste der betreffenden Bildungen ei- 
gentlich nicht zu, da dieselbe nicht mit dem Cölomepithel in Verbindung 
steht (siehe unten). 

3) Wegen der grossen Verschiebungen, welche jetzt bald auftreten, ist 
aus praktischen Gründen die Bedeutung des Wortes Körpersegment, wie ich es für 
jüngere Stadien (p. 473) angewendet habe, etwas zu modificiren. Vom Stadium 


oO 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 493 


Später ist dies nicht mehr der Fall, denn bei einem Pristiu- 
rus-Embryo aus dem Stadium O fallen 36 Nierenröhrchen auf nur 
27 Segmente. 

Nun erhebt sich die Frage, ob diese Vermehrung der Nie- 
renröhrchen etwa durch Theilung der alten oder durch Neubil- 
dung im umgebenden Gewebe, wie dies für höhere Thiere ange- 
seben wird, entstanden ist. 

Es hat sich herausgestellt, dass keins von Beiden der Fall 
und dass die Vermehrung nur eine scheinbare ist. Dieselbe kommt 
durch das Zusammenrücken der Nephrotome zu Stande. 

Es war mir auffällig, dass die Zahl [36] der Nephrotome im 
Stadium O mit derjenigen der gut ausgebildeten Blindsäckchen 
beim Embryo mit 84 Myotomen übereinstimmt. Ich unternahm darum 
die etwas langweilige und zeitraubende Zählung der Nephrotome 
in einer grösseren Zahl von Zwischenstadien, wobei sich heraus- 
stellte, dass die Zahl derselben vom Embryo mit 
84 Myotomen (Stadium X) bis zu Ende des Sta- 
diums O fast constant ist!), wie aus der folgenden Tabelle 
ersichtlich). 


: g3_ 883 52:3 
So STelass| 88 
© 2 | Tänse des \ 238 |SE88| SE 
r Ange, CR Bir hn = er Totalzahl 
A) hr = an 
= Eimmkuys S® 5 ana Au der Nephrotome 
Sn in mm SEE ERS ee 
2 Ele: 9 WE ee 
En no lkaem| Dan 
& En) & o,o 20° a 
N Ing nei | na _| 
84 | 9, Stad.X| 5 5 40 36 auf 36 Segmenten 
32110, .; Kı 5 5 38 [39] | 35 [36] ;, 34 [35] 5 
99 113, Be 5 5 38 36 „ 84 „ 
14 14, „L|5 6 37 !|86 „ 32 N 
16, „ M| 6—7 7 36 [37] | 35 [36] „ 30 [31] r 
19,9 „ N 8 3 37 36 29 5 
4,dyn © 8 9 36 36 28 N} 
126, nm AD | 10 36 36 1627 rn 


K an verstehe ich darunter die Querregion des Körpers, in deren Vordergrenze 
die hintere Grenze eines Spinalganglions und in deren Hintergrenze die 
hintere Grenze des unmittelbar folgenden Ganglions fällt. 

1) Dies gilt nicht für Seyllium. 

2) Für die Richtigkeit der angegebenen Zahlen kann ich einstehen, 
denn die Zählungen geschahen wiederholt und in der Regel an beiden Körper- 


494 J. W. van Wyhe: 


Es ist möglich, dass nach O einige Röhrchen abortiren; ich 
kann hierüber aber nichts mittheilen, da meine Untersuchungen 
sich nur bis an das Ende des erwähnten Stadiums erstrecken. 

Die Tabelle!) ist leicht verständlich; man sieht z.B. aus der 
ersten Horizontalreihe, dass bei einem Embryo mit 84 Myotomen 
(Länge I9mm, Stadium X‘) der Hinterrand des Ostium abdominale, 
sowie das erste wohl ausgebildete Nephrotom in den Bereich des 
fünften Rumpfsegmentes fallen und das hinterste Nephrotom im 
vierzigsten Segment gefunden wird, während der Embryo im Ganzen 
36 Nephrotome besitzt, welche auf 36 Segmente fallen. 

Auf der fast constanten Zahl der 36 Nephrotome finde ich 
nur zwei Ausnahmen (beim Embryo der zweiten und fünften Hori- 
zontalreihe), bei welchen dieselbe 35 beträgt. Dies ist wohl auf 
individuelle Variationen zurückzuführen und dadurch entstanden, 
dass am Hinterende des Mesonephros ein Nephrotom weniger zur 
Ausbildung gekommen ist. Wäre dasselbe zur Entwicklung ge- 
langt, so würden die eingeklammerten Zahlen der Tabelle gelten. 

Man muss hierbei nicht sowohl an eine Rückbildung, als viel- 
mehr an eine Verschiedenheit der Anlage denken, denn bei einem Em- 
bryo mit 73 Somiten finde ich die Anlage des (noch nicht vom 
Myotome abgeschnürten) letzten Nephrotoms im vierzigsten, bei ' 
einem fast gleichaltrigen mit 71 Somiten dagegen im neunund- 
dreissigsten Rumpfsegment. Der letztere würde später also (da 
die vier vorderen Blindsäckchen abortiren) nur 35 Nephrotome gehabt 
haben. Auch sein Vornierengang hätte sich um ein Segment we- 
niger nach hinten erstreckt, denn ich finde bei allen meinen Em- 
bryonen constant ein einziges Nephrotom hinter dem Gang?). 


seiten. Für jeden Embryo wurde eine Liste angelegt, in welcher jedes Mal 
der Schnitt, auf welchem der Vorderrand eines Nephrotoms erschien, ver- 
zeichnet wurde. Auch wurde zur Controle jedesmal die Zahl der Schnitte 
verzeichnet, welche auf den betreffenden Zwischenraum fielen. In einer anderen 
Liste geschah dasselbe für die Spinalganglien. Bei jüngeren Stadien bildete 
das unmittelbar hinter dem Vagus aufsteigende siebente Kopfmyotom einen 
festen Ausgangspunkt für die Zählung. 

1) Bei den zwei ersten Embryonen (resp. mit 84 und 92 Myotomen) 
habe ich das rudimentäre vorderste Blindsäckchen, welches bei den übrigen 
verschwunden ist, ausser Acht gelassen. 

2) Wahrscheinlich hätte sich auch der Anus ein Segment mehr oral- 
wärts befunden als gewöhnlich. Dass derselbe nicht an völlig constanter 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 495 


Rückert giebt an, es seien deren zwei oder drei vorhanden; 
das vorletzte liegt aber stets schon zum grössten Theil in der 
Querregion, wo der Vornierengang an die Cloake grenzt, und drei 
existiren bei keinem meiner Embryonen. 

In der vierten Verticalreihe der Tabelle sieht man, wie das 
Vorderende des Mesonephros allmählich nach hinten rückt, so dass 
dasselbe am Ende des Stadiums O0 im zehnten Segmente zu liegen 
kommt. 

Die fünfte Verticalreihe zeigt, dass umgekehrt das hintere 
Ende des Mesonephros um vier Segmente nach vorn rückt, so dass 
dasselbe am Ende des Stadiums O vom vierzigsten Rumpfsegmente, 
wo es ursprünglich lag, nach dem sechsundreissigsten gewandert ist. 

‘Es hat also den Anschein, als fände eine Zusammenziehung 
des Mesonephros nach seiner Mitte zu statt, nämlich von seinem 
vorderen Theile in der Richtung von vorn nach hinten, von seinem 
hinteren Theile umgekehrt von hinten nach vorn, wie dies auch 
bei der Vorniere der Fall war. 

Es ist diese Erscheinung aber nicht als eine wirkliche Zu- 
sammenziehung der beiden Enden aufzufassen, sondern als ein Zu- 
rückbleiben im Längenwachsthum derselben. Sie haben sich nicht 
so schnell wie die Myotome in der Richtung der Längsachse des 
Körpers ausgedehnt. 

Der vordere Theil des Mesonephros ist sogar im Längenwachs- 
thume ganz stehen geblieben, denn auf der gleichen Zahl Schnitte 
zeigen sich in diesem Theile bei Embryonen von 7 mm ebenso viele 
Nephrotome als bei solchen von 26mm Länge. Eine Folge hier- 
von ist, dass die vorderen und hinteren Nephrotome auf weniger 
Schnitte fallen als die mittleren. So fallen z. B. beim Embryo 
von 26 mm die 7 vorderen Nephrotome auf 36, die 7 hinteren auf 
58, die 7 mittleren aber auf 75 Schnitte von 154 Dicke. Die 
grösste Längenausdehnung findet man übrigens nicht genau in der 
Mitte, sondern etwas mehr nach hinten, etwa im dritten Viertel 
(19.—27. Nephrotom). In dieser Region ist die Entfernung zweier 
aufeinanderfolgender Nephrotome eben so gross oder sogar etwas 
grösser als die zweier Spinalganglien. Ä 

Im vordersten Theile des Mesonephros fallen jetzt 2—3 Ne- 
phrotome auf je ein Körpersegment. 


Stelle gefunden wird, halte ieh — entgegen der Annahme von P. Mayer — 
für sicher. 


496 J. W. van Wyhe: 


Ich habe mich bei dieser Zusammenziehung — das Wort ist 
also nicht in seiner eigentlichen Bedeutung aufzufassen — des 
- Mesonephros etwas länger aufgehalten, weil dieselbe eine Erklärung 
giebt, weshalb die Urniere bei denjenigen Wirbelthieren, wo sie 
spät auftritt, z. B. den urodelen und anuren Amphibien (vgl. die 
Arbeiten vnFürbringer[12]undHoffmann[i9]) fast keine 
segmentale Anordnung zeigt (vgl. das dritte Capitel). 

Wenn man in der Tabelle die dritte Verticalreihe, welche das 
nach Hintenrücken des Ostium abdominale angiebt, mit der vierten 
vergleicht, so könnte es scheinen, als abortire (vom vierten Em- 
bryo an) das vorderste Nephrotom, weil es anfänglich in demsel- 
ben Segmente liegt wie das Ostium, während es später in das 
Segment hinter demselben zu liegen komnt. 

Ich glaube aber das Abortiren in Abrede stellen zu können, 
denn ich habe nie Spuren von Degeneration wie bei den vier an- 
fangs davor liegenden Blindsäckehen gefunden. Man kann dagegen 
Schritt für Schritt verfolgen, wie das betreffende, ursprünglich mit 
dem Ostium abdominale in derselben Querregion liegende Nephrotom 
sich allmählich vom Ostium entfernt, bis es schliesslich ein Segment 
weiter nach hinten liegt. Es ist nun interessant, dass sich bei 
Pristiurus in einem Rumpfsegmente (dem fünften) sowohl ein 
Abschnitt der Vorniere als der Urniere entwickelt. In meiner frü- 
heren Mittheilung (48) glaubte ich, dass alle drei Blindsäckchen 
aus der Region des Pronephros zu Grunde gingen. Dies trifft für 
Seyllium zu, aber nur für die beiden vorderen, nicht für das hin- 
terste, bei Pristiurus. 

Hierdurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die beiden 
von W. Müller (26) beschriebenen Malpighischen Körperchen der 
Vorniere bei Myxine nicht zum Pronephros, sondern zum Mesone- 
phros gehören, wofür übrigens auch ihr Bau spricht. Bei Seyllium abor- 
tiren verschiedene Nephrotomenanlagen hinter dem Ostium abdomi- 
nale, so dass zwischen demselben und der Urniere eine Lücke entsteht. 

Die Entwicklung der hintersten Nephrotome zeigt einige Eigen- 
thümlichkeiten. Zur Zeit der Abschnürung der Myotome sind die 
Somite aus der Nachbarschaft des späteren Anus im Gegensatz zu 
den vor ihnen befindlichen mit ihrem unteren Ende nach vorn 
gebogen, während die Leibeshöhle sich nicht bis an das letzte!) 


1) Als solehes betrachte ich das letzte Somit, das noch ein Nephrotom 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 497 


Rumpfsomit (das 40.) nach hinten erstreckt, sondern, wenn sie in 
dieser Richtung ihre grösste Ausdehnung erhalten hat, nur bis 
unter das 39. Somit reicht. Das 40. Somit hängt ventral mit soli- 
dem Mesenehymgewebe zusammen (Embryo mit 73 Somiten). 

Uebrigens ist die Ausdehnung der Leibeshöhle individuell 
etwas verschieden, denn beim Embryo mit 71 Somiten erstreckt sie 
sieh (beiderseits) nur bis unter das 35. Somit!). Nie aber reicht sie 
bis unter das 40. und das letzte Nephrotom besitzt denn auch in 
keinem Entwicklungs-Stadium eine Trichter- 
öffnung in die Leibeshöhle. 

Es ist dieses wohl darauf zurückzuführen, dass sich die Leibes- 
höhle — welche in der Gegend des späteren Anus durch die An- 
näherung des Darmes an die ventrale Bauchwand auf dem Quer- 
schnitt bekanntlich paarig erscheint — im Laufe der Phylogenese 
von hinten nach vorn verkürzt hat. 

Er zeigt dies, dass schon bei Selachiern Nephrotome ganz 
frei vom Peritonealepithel entstehen können, was ja bei Amnioten 
Regel ist. 

Was nun den Zeitpunkt des Auftretens des Mesonephros be- 
trifft‘ so kommt man in Verlegenheit, wenn man diesen bei Sela- 
chiern genau angeben will. Soviel ist sicher, dass derselbe erst 
nach dem Auftreten des Pronephros und seines Ganges erscheint. 
Vor der Absehnürung der Myotome kann morphologisch von einem 
Mesonephros nicht die Rede sein. Man kann aber auch nicht sa- 
sen, dass derselbe auftritt, wenn die Canälchen der Mesomeren 
durch die Abschnürung der Myotome in Blindsäckchen umgewan- 
delt werden, denn dieselben kommen auch in den vier vorderen 
Rumpfsegmenten vor, wo sie mit dem Mesonephros nichts zu thun 
haben?). 

Mit Sicherheit kann man aber das Vorhandensein der Urniere 
behaupten, wenn Nephrotome in den Gang durchgebrochen sind. 


entstehen lässt; es liegt etwas hinter der Querzone, in welcher sich der Anus 
bildet. 

1) Nach den Verhältnissen bei meinen übrigen Embryonen scheint der 
letztere Fall sogar Regel und eine Ausdehnung bis unter das 39. Somit 
Ausnahme. 

2) Man könnte zwar behaupten, der Mesonephros (und in den beiden vor- 
dersten Segmenten auch der Pronephros) sei hier im Laufe der Stammesent- 
wicklung zurückgebildet. Es fehlen dazu aber die Beweise. 


498 J. W. van Wyhe: 


Dieser Durchbruch findet nun wider Erwarten nicht in der 
Richtung von vorn nach hinten, sondern umgekehrt etwa von hin- 
. ten nach vorn statt. 

Bei meinen Embryonen mit bis 92 Myotomen ist noch kein 
Nephrotom in den Gang durchgebrochen. Im Embryo mit 99 Myo- 
tomen hat der Durchbruch beim 26.—34. Nephrotom stattgefunden ; 
bei den übrigen (also auch den beiden letzten dem 35. und 36.) 
noch nicht. 

Embryo mit 104 Somiten, Länge I4mm. Nur die Nephrotome 
1—9 eommunieiren nicht mit dem Gang, aber vom 10. an nach 
hinten öffnen sich alle in denselben. 

Embryo, 17 mm lang. Nur die Nephrotome 1—8 communi- 
eiren noch nicht mit dem Gang. 

Embryo, 26mm lang. Alle 36 Nephrotome münden in den 
Wolff’schen Gang. 

Dass die Nephrotome am vorderen und hinteren Ende des 
Mesonephros bei Sceyllium und Pristiurus ihre Trichteröffnung in 
das Cölom verlieren, ist bekannt. 

Ueber die späteren Differenzirungen der Urnierenröhrchen 
habe ich den existirenden Angaben nichts Neues hinzuzufügen. 
Der Wolff’sche Gang fängt bei Pristiurus sowohl beim Männchen 
als beim Weibchen mit der Einmündung des vordersten Urnieren- 
röhrehens an. Bei Seyllium verhalten sich nach den Angaben von 
Balfour die beiden Geschlechter verschieden. 


4. Die Nebenniere. 


Was die Nebenniere betrifft, so muss man bekanntlich das 
suprarenale und das interrenale Organ, welche bei den Selachiern 
nicht nur genetisch, sondern auch räumlich getrennt sind, ausein- 
ander halten. 

Beim Pristiurus-Embryo von 24mm wird das swprarenale 
Organ von einer Serie segmental angeordneter Zellhaufen gebildet, 
welche zwar Zweige aus der Aorta erhalten, wie Leydig und 
Balfour angeben, die aber viel deutlichere Beziehungen zur Vena 
cardinalis zeigen. Einige der erwähnten Zellhaufen sind zum Theil 
in die Vene eingestülpt, wie ich auch bei einem erwachsenen 
Seyllium canieula fand; andere, aus der hinteren Rumpfregion, 
wo die Vene unpaar ist (Vena caudalis), sitzen an grossen Zweigen 
derselben. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 499 


Die Zahl der Zellhaufen, von welchen jeder einen feinen 
Zweig des zugehörigen Spinalnerven erhält, beträgt jederseits 32. 
Die fünf vordersten sind zu einem grossen länglichen Körper ver- 
wachsen, der Zweige vom 8.—12. Spinalnerven erhält. 

Dieser Körper (das „Axillarherz“ der älteren Autoren) reicht 
an der Vena cardinalis bis zu der Stelle, wo sich dieselbe ven- 
tralwärts biegt, um in den Ductus Cuvieri zu münden, nach vorn. 

Der hinterste Zellhaufen des Suprarenalorgans wird vom 39. 
Spinalnerv versorgt; das Organ erstreckt sich also so weit nach 
hinten, als die Leibeshöhle bei jungen Embryonen caudalwärts 
reicht; im jetzigen Stadium endet dieselbe am Vorderende des 36. 
Rumpfsegments. Beim Embryo von 24mm Länge erstreckt sich 
das Suprarenalorgan also weiter nach hinten als der Mesonephros 
(vgl. die Tabelle), doch sind seine drei letzten Segmente klein, rudi- 
mentär und gehen später wohl zu Grunde. Eine Trennung je 
eines segmentalen Zellhaufens in eine gangliöse und nicht gang- 
liöse Partie, welche Trennung nach Balfour, wie ich bestätigen 
kann, bei Sceyllium im Stadium @ deutlich ist, war noch nicht zu 
sehen. 

Ich kann die Entdeckung von Balfour nur bestätigen, dass 
jedes Segment des Suprarenalorgans mit dem zugehörigen sympa- 
‚thischen Ganglion als eine zellige Verdiekung eines Spinalnerven 
auftritt und sich allmählich von diesem entfernt, während es nur 
durch feine Nervenfäden mit demselben verbunden bleibt. 

Wie sehr ich auch geneigt war, eine Betheiligung der Meso- 
meren an der Bildung jenes Organes anzunehmen, wofür bei ober- 
flächlicher Betrachtung manche Bilder bei jüngeren Embryonen 
sprechen, so muss ich dieselbe doch ausschliessen. Die Behauptung, 
dass Mesenchymzellen in die erste Anlage hineinwachsen, kann ich 
freilich nicht widerlegen, allein sie ist eine Assertio gratuita \ 

Die erwähnten Verdickungen an den Spinalnerven finde ich 
zuerst bei einem Pristiurus-Embryo mit 34 Myotomen; im hinteren 
Rumpftheile fehlen sie noch; dagegen sind sie auch an den vor- 
dersten Rumpfnerven vorhanden, an welchen ich beim zuerst be- 
schriebenen Embryo keinen Abschnitt des Suprarenalorgans und 
kein sympathisches Ganglion mehr finde. 

Die Verdiekungen sind anfangs ganz getrennt von der Vena 
cardinalis, welche sie aber bald erreichen. Wie schon Bal- 


four bemerkt, werden die anatomischen Wahrnehmungen von 
Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 33, 32 


500 J. W. van Wyhe: 


Leydig (bei Selachiern, Ganoiden [Stör], Amphibien und Reptilien) 
über die Beziehungen des in Rede stehenden Organs zu den sym- 
pathischen Ganglien durch die Entwicklungsgeschichte vollständig 
bestätigt. 

Das interrenale Organ liegt beim Embryo von 24 mm als ein 
unpaarer, unsegmentirter, solider, eylindrischer Zellstrang in der 
Medianebene unter der Aorta. Das Organ befindet sich nur im 
hintersten Rumpftheile und erstreckt sich vom 35. bis zum 20. 
Rumpfsegment. 

Wie von Weldon (43) richtig angegeben, tritt dasselbe 
auf als eine Proliferation des Cölomepithels an der Wurzel des 
Gekröses und erstreckt es sich anfangs eben so weit als der Me- 
sonephros nach vorn; der vorderste Theil geht aber bald in Mesen- 
chym über. Auch kann ich bestätigen, dass das Organ bei seinem 
Auftreten eine Segmentirung aufweist und paarig angelegt wird, 
aber fast sofort. mit der Anlage der anderen Seite zu einem un- 
paaren Organ verschmilzt. 

Ich sehe aber keinen Grund zu der Annahme von Weldon, 
dass dasselbe eine abgelöste Portion des Pro- oder Mesonephros 
vorstellen sollte. Die anfängliche Segmentirung wird dadurch 
erklärt, dass das Organ aus einer Proliferation der Splanchnopleura 


von Hypomeren entsteht; darum braucht es aber kein Theil der- 


Niere zu sein, ebenso wenig als die Sklerotome, welche aus der 
Splanchnopleura von Mesomeren hervorgehen. 

Nach Lage und Entstehung ist das Organ dem von Wencke- 
bach (44) und Ziegler (51) bei Teleostiern unter der Aorta 
beschriebenen Strang, aus welchem sich Blutkörperchen bilden, sehr 
ähnlich. 

Was das Auftreten des Gebildes betrifft, so erscheint es ein 
wenig früher als das Suprarenalorgan, denn ich finde es zuerst 
beim Embryo mit 76 Myotomen, wo es sich von der Region der 
Vorniere bis zum Hinterende der Leibeshöhle erstreckt. Haupt- 
sächlich sein verschmälerter vorderer Theil ist vom Mesenchym 
nicht scharf abgegrenzt und geht später verloren, da seine Zellen 
Sternform annehmen und sich vom übrigen Mesenchym nicht mehr 
unterscheiden lassen. 


—. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes ete. 501 


III. Vergleichung der Exkretionsorgane der Selachier mit 
denjenigen der übrigen Cranioten. 


Der Pronephros und sein Gang. Das Vorhandensein einer 
Vorniere ist jetzt bei Embryonen aller Abtheilungen der Cranioten 
festgestellt. Was die Amnioten betrifft, so wurde dieselbe bei Vö- 
geln von Sedgwick!) (33), bei Säugern von Renson (29) und 
bei Reptilien von Mihalkovics (24) zuerst erkannt. Sie ist bei 
allen Cranioten auf wenige Körpersegmente beschränkt und liegt 
im vorderem Theile des Rumpfes, fast unmittelbar hinter dem Kopfe. 

Während allgemein angenommen wurde, dass das Erste, welches 
vom Urogenitalsystem erscheint, der Gang sei, so dass derselbe 
merkwürdiger Weise früher da wäre als die Drüse, habe ich für 
die Selachier angegeben (47), dass nicht der Gang, sondern der 
Pronephros zuerst auftritt, und zwar als eine Ausstülpung des Me- 
soderms, welche sich nachträglich an einer Stelle mit der Epider- 
mis verbindet. Diese Stelle bilde die Anlage des Ganges, an dessen 
Aufbau sich das Ektoderm in hervorragender Weise betheiligt ?). 

Es ist nicht schwer aus der neueren Literatur zu ersehen, 
dass dies wohl für alle Cranioten gilt. Zum richtigen Verständniss 
der Entwieklungsvorgänge scheint es dabei aber nöthig, dass man 
lie drei Gebilde Vorniere, Gang und Urniere streng aus einan- 
der hält, was auch von den jüngeren Autoren nicht immer geschehen 
ist. Hauptsächlich wurde der Pronephros mit seinem Gang zusam- 
mengeworfen und das Auftreten des ersteren für die Entstehung 
des letzteren genommen. 

Bei den Säugethieren wurde die ektodermale Abkunft des 
Ganges bekanntlich zuerst von allen Wirbelthieren durch Hensen 
(16), Spee (39), und Flemming (11) begründet 3). 


1) Vielleicht schon von Balfour und Sedgwick (5), siehe unten. 

2) Wie erwähnt, ist es sehr wohl möglich, dass der Gang ausschliesslich 
von der Epidermis. stammt. 

3) Ihre Meinung, dass das Epithel des ganzen Urogenitalapparates vom 
Ektoderm stamme, darf jetzt wohl als widerlegt betrachtet werden. 

Prof. G.(V.) vonMihalkovics, der diese Verhältnisse bei Säugethieren 
nicht näher untersucht hat, war so freundlich, mir brieflich mitzutheilen, er 
habe sich, was das Meerschweinchen betrifft, an Präparaten des Grafen Spee 


von der Richtigkeit der ektodermalen Abstammung des Ganges überzeugt. 


> 


502 J. W. van Wyhe: 


Dass hier die Verhältnisse denen der Selachier in allen wesent- 
lichen Punkten ähnlich sind, erhellt sogar aus der Arbeit von 
Martin (22), der die Verbindung des Exkretions-Apparates mit 
der Epidermis als etwas Unwesentliches betrachtet. Dass er nach 
meiner Ansicht nicht zur richtigen Auffassung der Vorgänge ge- 
langt ist, dürfte wohl dem Umstande zuzuschreiben sein, dass er 
die Verhältnisse bei niederen Wirbelthieren ausser Acht gelassen hat. 

Nach seiner Beschreibung ist die erste Anlage des Apparates 
eine Wucherung der Seitenplatte, welche ganz frei von der Haut ist; 
dieselbe entspricht der Anlage der Vorniere bei Selachiern. Dann 
sendet diese Wucherung einen Fortsatz nach hinten, der mit der 
Haut verschmilzt und weiter caudalwärts wächst; erst jetzt wäre 
also der Gang angelegt. Derselbe verbindet sich später mit den 
Quercanälen der Urniere. 

Wenn zwei so weit auseinanderliegende Gruppen wie Selachier 
und Säugethiere solche Uebereinstimmungen zeigen, ist man wohl 
zu der Annahme berechtigt, dass die Vorgänge bei den dazwischen- 
liegenden Abtheilungen der Amphibien und Sauropsidien nach dem- 
selben Typus stattfinden werden. Die ektodermale Abkunft des 
Ganges ist denn auch schon für Lacertilier von Perennyi (27) 
beschrieben, für Schildkröten von Mitsukuri (25) angegeben 
worden. 

Ueber die Entwicklung des Ganges bei Teleostiern und Cy- 
clostomen sind erneute Untersuchungen abzuwarten. 

Was die Entstehung des Müller’schen Ganges bei den Am- 
nioten betrifft, so lässt sich dieselbe sehr gut von den Verhältnissen 
bei Selachiern ableiten. Bekanntlich verschwindet der Pronephros 
bei den Amnioten bald, während später das orale Ende des Mül- 
ler’schen Ganges selbständig auftritt. Die Annahme liegt nun nahe, 
dass die Zellen der Vorniere, welche eine andere Anordnung ein- 
sehen und sich dann nicht mehr von ihren Nachbarzellen unter- 
scheiden lassen, später, wie ich bei Selachiern nachgewiesen habe, 
nach hinten rücken, sich neu anordnen und das orale Ende des 
Müller’schen Ganges mit dem Ostium abdominale hervorgehen 
lassen). 


1) Wenn dies der Fall ist, so ist Balfours und Sedgwicks (5) Deu- 
tung des oralen Endes des Müller’schen Ganges beim Hühnchen als Vorniere 
richtig. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 503 


Dieses Ende entsteht also vollständig unabhängig vom Vor- 
nierengang, was ja auch bei Selachiern der Fall ist. Bald aber 
ist dasselbe mit seinem fortwachsenden soliden hinteren Theile dem 
Gange enge angelagert und dies bleibt so bis es die Cloake er- 
reicht. 

Es handelt sich nun um die Frage, ob man an der Anlage- 
rungsstelle immer eine feine Grenzlinie erkennen kann, wie Mihal- 
kovies (24) behauptet, oder ob das nicht möglich ist und dort eine 
wirkliche Verschmelzung stattfindet, sodass man annehmen muss, 
dass der Müller’sche Gang (mit Ausnahme seines oralen, das 
Ostium bildenden Theiles) sich vom Vornierengang abspaltet, wie 
Balfour und Sedgwick (5) angeben. 

Wo der Differenzpunkt ein so subtiler ist und wo die phylo- 
genetischen Gründe so günstig sind für die Angaben von Balfour 
und Sedgwick, muss ich mich ihrer Auffassung anschliessen, so 
lange nicht mehrere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen 
Mihalkovies Recht geben. 

Nach der obigen Anschauung persistirt die Vorniere in verän- 
derter Form und mit Aufgabe ihrer ursprünglich exkretorischen 
Function im weiblichen Geschlechte aller Cranioten, welche einen 
Müller’schen Gang besitzen, also bei den Selachiern, Dipnoörn, 
Amphibien und Amnioten. Sie bildet die Umgebung des Ostium 
abdominale jenes Ganges und hat die Function der Ueberführung 
der Eier aus der Bauchhöhle in den Ausführcanal übernommen, 
wie bei den Männchen dieser Thiere der vordere Theil der Urniere 
den Samen aufnimmt und in das Vas deferens leitet. 

Dass ein Homologon vom Ostium abdominale beim Männchen 
vorkommt, ist nun ebenso begreiflich wie das Vorhandensein des 
Parovariums beim Weibehen: Beide sind Rudimente eines ursprüng- 
lichen Exkretionsorganes. 

Es fragt sich nun aber, wie das Vorkommen von Rudimenten 
des übrigen Theiles des Müller’schen Ganges beim Männchen zu 
erklären ist; mit anderen Worten, warum auch beim Männchen 
eine Spaltung!) des Vornierenganges auftritt. Sind wir hier ge- 
zwungen zu der Annahme einer „Vererbung der mütterlichen Or- 
sanisation auch auf männliche Nachkommen“ ? 

1) Diese Spaltung beim Männchen ist bei vielen Thieren — schon bei 
Selachiern — bekanntlich unvollkommen. 


504 J. W. van Wyhe: 


Ich glaube, es giebt noch eine andere Erklärung: Die Chor- 
daten waren ursprünglich Hermaphroditen, wie für die Vorfahren der 
Wirbelthiere schon längst von Haeckel hervorgehoben wurde. Dies 
wird bewiesen durch den Hermaphroditismus 1. bei den Tunicaten, 
2. bei niederen Cranioten (einigen Teleostiern, Amphibien und Cy- 
clostomen)!). Das Letztere macht es aber mehr als wahrscheinlich, 
dass auch die ersten Cranioten noch Zwitter waren. 

Meines Wissens ist noch keine physiologische Erklärung der 
Spaltung des Vornierenganges gegeben; es scheint mir nun, dass 
dieselbe zu Stande gekommen ist, um die Selbstbefruchtung zu 
verhindern, welche natürlich stattfinden konnte, so lange die durch 
ein Ostium der Vorniere eintretenden Eier und das durch den 
oralen Theil der Urniere eindringende Sperma in einen einzigen 
Gang zusammen kamen 2). 

Wenn dem so ist, so wäre auch das Vorkommen von Rudimenten 
des Müller’schen Ganges beim Männchen verständlich. 

Bei den Cyclostomen und meisten Teleostiern wurde die 
Selbstbefruchtung verhindert durch das Degeneriren entweder der 
Testes oder der Ovarien, was auch bei den übrigen Cranioten, aber 
nach der obigen Auffasssung nicht vor der Spaltung des Vornieren- 
ganges stattfand. Diese Spaltung trat bei den Cyelostomen und 
Teleostiern nicht auf, da hier der Gang nicht zur Ausführung der 
Geschlechtsproducete verwendet wurde. 

Der Mesonephros. Wie Adam Sedgwicek (82 und 33) 
zuerst ausgesprochen, entsteht die Urniere weder bei Anamnien 
noch bei Amnioten als eine Serie von Peritonealausstülpungen. 
Sie kommt nicht vom Epithel der Seitenplatte, sondern von der 
Mittelplatte her (vgl. v. Kölliker, 20, p. 287). 


1) Nach der Entdeckung von Cunningham, bestätigt von Nansen („A 
protandric Hermaphrodite“, etc. Bergens Mus. Aarsber. f. 1887) ist Myxine ein 
Zwitter. Auch bei niederen Selachiern hat Semper das Vorkommen von Testis 
und Ovarium in demselben Thiere wahrgenommen. Amphioxus soll getrennten 
Geschlechts sein; ich erinnere aber an die Untersuchungen von Langerhans 
(dieses Archiv, 1876), welcher in jungen Ovarien Zellen mit Spermatozoen- 
schwänzen gefunden hat. 

2) Dass Oviduct und Vas deferens bei vielen Hermaphroditen entstanden 
sind durch Spaltung eines ursprünglich einheitlichen Ausführganges, ist eine 
bekannte Thatsache. Ich verweise auf die Verhältnisse bei Mollusken und 
auf die Entdeckungen von van Beneden und Julin („Recherches sur la 
Morphologie des Tunieiers.“ Arch. de Biologie, Vol. VI 1886) bei Tunicaten. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 505 


Die Mittelplatte zeigt bei Amnioten aber nur während kurzer 
Zeit und an beschränkter Stelle eine Segmentirung; dieselbe muss 
sich phylogenetisch (d h. bei den Vorfahren der erwähnten Thiere) 
aber durch den ganzen Rumpf erstreckt haben, wie das segmen- 
tale Auftreten der Urniere beweist. Bei Amphibien tritt der Me- 
sonephros nicht mehr in seiner ganzen Länge segmental auf, d. h. 
die Zahl der Nephrotome stimmt nicht mit der der darüber be- 
findlichen Myotome überein !). 

Wenn man das späte Erscheinen des Mesonephros bei Am- 
phibien berücksichtigt, so ist jenes aus den Befunden bei Selachiern 
leicht zu erklären. Die Urniere der Amphibien bleibt nämlich 
lange Zeit latent; d. h. sie entzieht sich der Beobachtung: ihre 
Zellen unterscheiden sich weder durch Form noch durch Anord- 
nung von denen der Umgebung. Man braucht nur anzunehmen, 
dass während dieses Latenzstadiums eine ähnliche Zusammen- 
ziehung und Verschiebung stattfindet, wie oben bei Selachiern be- 
schrieben. 

Die Höhle je eines primären Urnierenröhrchens der Wirbel- 
thiere ist phylogenetisch, wie die Selachier beweisen, eine Ab- 
theilung des Procöloms. 

Dass der Pronephros keinem Abschnitt des Mesonephros ho- 
modynam ist, wie allgemein angenommen wurde, habe ich (48) 
zuerst dargethan ; ich stelle hier die hauptsächlichsten Differenz- 
punkte zwischen beiden Organen zusammen: 

1. Der Pronephros entsteht vor dem Erscheinen des Ganges 
und des Mesonephros und ist überhaupt das Erste, welches vom 
Exkretionssysteme auftritt ?). [Bei Selachiern in der Mitte des Sta- 
diums H (Haifischen) oder dem Anfang des I (Rochen) ]. 

Der Mesonephros dagegen entsteht erst nach dem Erscheinen 
des Ganges. Bei Selachiern (Stadium X vgl. p. 495) und Amphi- 
bien sogar erst, nachdem derselbe seine volle Länge erreicht hat. 

2. Der Pronephros entsteht als eine (bei Selachiern segmentirte)?) 


1) Nach Hoffmann (19) sind bei Triton die ersten sechs Nephrotome 
noch segmental angeordnet; die ersten fünf bei Bufo schon nicht mehr. 
2) Aus der Literatur ist leicht ersichtlich, dass — wenn man die ek- 
todermale Entstehung des Ganges annimmt — dies für alle Cranioten gilt. 
3) Dies gilt wahrscheinlich für alle Wirbelthiere, wenigstens für die- 
jenigen, bei welchen das Organ mehrere Oeffnungen besitzt. Auf diesen 
Punkt gerichtete Untersuchungen sind abzuwarten. 


506 J. W. van Wyhe: 


Ausstülpung der Somatopleura der Seitenplatte!); seine Höhle, die 
zeitweilig durch die Wucherung der Wände verdrängt sein kann, 
ist als eine Ausbuchtung des Metacöloms entstanden. Der Mesonephros 
dagegen bildet sich nicht als eine Ausstülpung und wird sowohl von 
der Somato- als von der Splanchnopleura gebildet. Am besten sieht 
man die Verschiedenheit des Entstehungsortes beider Organe bei Se- 
lachierembryonen, bei welchen sich die Abschnürung der Myotome nur 
im vorderen Theile des Rumpfes vollzogen hat (vgl. Fig. 6 d—i). 

3. Der Gang entsteht stets in Continuität mit dem Pronephros, 
dagegen stets discontinuirlich vom Mesonephros, der sich erst se- 
ceundär mit ihm verlötbet und in ihn durchbricht. 

4. Der Mesonephros besitzt Malpighische Körperchen, der 
Pronephros nicht ; sein Glomus ist mit den Glomerulis der Urniere 
nicht homodynam weil er ein, in die Leibeshöhle (Metacölom) ein- 
gestülpter Gefässknäuel ist. 


IV. Zur Urgeschichte der Exkretionsorgane der Cranioten. 


Die phylogenetische Entwicklung des Pro- und Mesonephros, 
sowie des Ganges denke ich mir in folgender Weise, wobei ich 
mich möglichst an die Thatsachen der Ontogenie halte: 

Da diese drei Gebilde nur den Cranioten zukommen und erst 
auftreten, wenn der Typus der Chordaten längst angelegt ist, so 
war bei den ersten Chordaten keines derselben vorhanden?). Sie 
sind also mit Nieren bei „Wirbellosen* nicht zu homologisiren. 
Das Epithel des Procöloms besass hauptsächlich in der Region der 
Meso- und Hypomeren exkretorische Funetion und das Exkret ge- 


1) Vgl. für Amphibien die bei Hertwig (17, p. 264) reproduceirte Fi- 
gur von Götte. Dass der Pronephros bei den Amnioten aus der Mittelplatte 
zu entstehen scheint, halte ich für die Folge einer Täuschung, hervorgerufen 
durch die zeitweilige Aneinanderlagerung der Somato- und Splanchnopleura im 
dorsalen Theile der Leibeshöhle (des Metacöloms); denn ähnliche Bilder er- 
hält man auch aus frühen Stadien bei Selachiern. Hier zeigen spätere Pe- 
rioden aber, dass jener Ort zur Seitenplatte gehört, was bei Amnioten nicht 
so leicht zu sehen ist, weil die Vorniere zu schnell verschwindet. 

2) Da die Vorniere nicht nach dem Acranienstadium auftritt, so liegt 
die Vermuthung auf der Hand, dass sie vielleicht beim Amphioxus vorkomme. 
Meine darauf gerichteten Untersuchungen waren resultatlos. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 507 


langte durch den Porus abdominalis nach aussen. Dass dieser Porus 
eine uralte Bildung ist!), beweist sein Vorhandensein bei den nie- 
dersten Fischen (Cyelostomen, Selachiern, Knorpelganoiden). In 
der vorderen Rumpfgegend?) steigerte sich die exkretorische Func- 
tion in der lateralen Wandung der Hypomeren; die Zellen proliferir- 
ten an diesem Orte und bildeten eine nach aussen vorspringende 
Verdiekung, welche bald in innige Verbindung mit der sie beklei- 
denden Haut trat. (Die parietale Muskulatur umhüllte den Körper 
noch nicht und erstreekte sich etwa nur bis zur unteren Grenze 
der Chorda — zu deren Hin- und Herbewegung sie wohl haupt- 
sächlich diente — ventralwärts.) Das Sekret der in dieser Weise 
entstandenen Drüse brauchte nun nieht mehr den langen Weg durch 
die Leibeshöhle zum Porus abdominalis abzulegen, sondern trat 
direet nach aussen, anfangs vielleicht nur durch feine intercelluläre 
Lücken, später durch eine Oeffnung, entstanden durch Auseinander- 
weichen der Zellen. In dieser Oeffnung hatte der Porus abdomi- 
nalis nun einen Coneurrenten in der Ausführung der Exkretions- 
produkte. Es ist denkbar, dass der Pronephros mehrere Ausmün- 
dungen nach aussen besass, weil er ja segmentirt auftritt; ich habe 
zu dieser Vermuthung aber keine Anhaltspunkte in der Ontogenie 
gefunden. Eine einzige Oeffnung war übrigens genügend, wenn — wie 
ontegenetisch der Fall ist — die übrigen Abschnitte der Vorniere nur 
mit demjenigen, der die Ausmündung besass, verlöthet waren. 
Behufs einer besseren Entfernung des Exkretes der Mesomeren 
rückte nun die Ausmündung der Vorniere caudalwärts, so dass der 
Gang entstand. Das Vorderende des Ganges war nämlich hierbei 
der Somatopleura fest angeschmiegt, so dass nun auch hinter der 
eigentlichen Vorniere, durch eine nicht näher zu definirende Thätig- 
keit‘ der Zellen?), Exkret in den Gang treten konnte. In dem 


1) Das ontogenetisch späte Auftreten dieser Oeffnung kann keinen 
Einwand ausmachen, denn die Ontogenie giebt bekanntlich für die Phylogenie 
von Oeffnungen leider wenig Licht. Auch kann wohl nicht in Betracht kommen, 
dass dem Amphioxus ein Porus abdominalis fehlt — die bei diesem Thiere 
oft so benannte Oeffnung ist ja Porus branchialis — weil hier das Cölom 
zufolge der Bildung der Peribranchialhöhle grosse Veränderungen erfahren hat. 

2) Auf die Frage, warum gerade hier? wie auf vielen anderen, ist wohl 
nur von der Entwicklungsgeschichte der Functionen später eine Antwort zu 
hoffen. Vielleichtist dieNähe des Herzens an dieser Stelle von Einfluss (vgl. p.4735). 

3) Ich denke hierbei an die Weise, in welcher z. B. in der Niere des Men- 
schen Harnbestandtheile aus den Nierencapillaren in die Tubuli contorti treten. 


508 J. W. van Wyhe: 


Maasse als er länger wurde, konnten nun auch mehr Harnbestand- 
theile zur sichreren Entfernung durch den Gang statt durch den 
- Porus abdominalis gelangen. 

Mit dem Ende des exkretorischen Epithels, d. h. mit dem 
Ende der Leibeshöhle, hatte auch der Gang seine grösste Länge 
erreicht. In dieser Gegend befand sich aber auch der Anus und 
nun liegt die Vermuthung auf der Hand, dass mit der Bildung des 
Proctodaeums die Ausmündungsstelle des Ganges mit hineingestülpt 
wurde, so dass er sich dann in den Enddarm öffnete. Wenn die 
Angaben richtig sind, nach welchen bei Cyelostomen, Ganoiden und 
Teleostiern das Ende des Ganges in den entodermalen Theil des 
Darmes durchbriecht, und dies scheint auch bei Selachiern der Fall 
zu sein, so fehlt die embryologische Stütze für jene Vermuthung. 

Es ist aber auch denkbar und wie mir scheint mehr mit den 
Thatsachen der Ontogenie in Uebereinstimmung, dass der Gang, 
nachdem er das Entoderm der Cloake berührte, eine selbständig 
auftretende Oeffnung in dieselbe erhielt, worauf sich die ursprüng- 
lichere Mündung auf der Haut verschloss. Hierfür dürfte auch der 
am Embryo mit 84 Myotomen gemachte Befund (p. 486) sprechen. 

Der Theil der Wandung des Procöloms, längs welchem der 
Gang sich erstreckte, war segmentirt, so dass derselbe natürlich 
nur segmental in fester Berührung mit der Somatopleura war. 

Als nun die exkretorische Function des Mesomeren-Epithels 
sich steigerte, — vielleicht durch Zunahme der Körpergrösse — 
genügte die Zellenthätigkeit zur Herausbeförderung des Exkretes 
nicht mehr, sondern es entstanden an den erwähnten Berührungs- 
stellen — also segmental — Oeffnungen in den Gang durch Aus- 
einanderweichen der Zellen der Grenzwand. 

Allgemein herrschen zwei Anschauungen über die Herkunft 
des Exkretionssystems der Cranioten — die Gegenbaur’sche und 
die Semper’sche — nach welchen entweder der Gang oder der 
Mesonephros von Wirbellosen abzuleiten sei. Gegenbaur glaubt, 
dass der Gang, da er kein metameres Organ vorstellt, aus einem 
noch nicht in Metameren getheilten Zustand des Organismus ab- 
zuleiten sei und damit, der gleichfalls ungegliederten Chorda ähn- 
lich, eines der phylogenetisch ältesten Organe repräsentire (Grund- 
riss der vergl. Anatomie, 2. Aufl. 1878, p. 6283). 

- Semper (38) behauptet die Homologie der Segmentalorgane 
(Urnierenröhrchen) der Haie und Anneliden. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 509 


Auf dieser Homologie beruht seine Abstammungstheorie der 
Wirbelthiere von Anneliden, welche in Dohr.n ihren geistreichsten 
Vertreter gefunden hat. Bei aller Anerkennung der anregenden 
Wirkung der kühnen Hypothesen des grossen Begründers der zoo- 
logischen Station, der — wie auch seine Schüler — so viele neue 
Thatsachen an’s Licht gezogen hat, glaube ich doch, dass das Fun- 
dament jener Theorie, nämlich die Homologie der Segmentalorgane 
der Anneliden mit dem Mesonephros der Selachier, hinfällig ist. 

Wenn ich mich auf dieses Organ beschränke, so ist ein Postu- 
lat der Theorie — wie schon von Gegenbaur und Fürbringer 
hervorgehoben — die Entstehung des Ganges nach dem Auftreten 
des Mesonephros, während er dagegen bei allen Cranioten früher als 
die Urniere erscheint. 

Wollte man die erwähnte Homologie dennoch aufrecht erhalten, 
so wäre man gezwungen, die Ontogenese des Systemes bei allen 
Cranioten als cenogenetisch aufzufassen, und hierzu wäre man doch 
wohl nur berechtigt, wenn die morphologische Uebereinstimmung 
der meisten übrigen Organe bei Anneliden und Wirbelthieren so 


' gross wäre, dass man daraus nothwendig auf die Homologie des 


Exkretionsapparates schliessen müsste. 

Von den Versuchen, den Vornierengang aus den Verhältnissen 
bei Anneliden abzuleiten, erwähne ich die von Haddon (15) und 
Beard (7), sowie die von Eisig (10. Haddon sagt (l. ce. 
p. 469) „Accepting the proposition that the primitive Chordata 
nephridia opened directly to the exterior, we have only to assume 
that the lateral area along which they opened was grooved, and 
that this groove extended posteriorly as far as the anus.... From 
the analogy of the neural groove, there is no great diffieulty Mı 
further supposing that the nephrie groove was converted into a canal, 
which, becoming separated from the overlying epiblast, might sink 
into the deeper-lying parts of the body.“ 

Diese Hypothese, mit welcher die von Beard übereinstimmt, 
ist unhaltbar, denn: 

1. entsteht der Gang eher als die Urnierenröhrchen; 

2. tritt kein einziges Urnierenröhrchen je mit der Haut in 
Berührung; 

3. entsteht der Gang nicht eontinuirlich mit den Urnierenröhr- 
chen, sondern ganz getrennt von denselben; 

4. liegt der Gang nie an der Aussenseite der parietalen Mus- 


510 J. W. van Wyhe: 


kulatur, um später durch dieselbe hindurch — etwa wie der Seiten- 
nerv — in die Tiefe zu rücken, was nach Haddons Hypothese 
‘ doch der Fall sein müsste. 

Viel besser ist die Hypothese von Eisig, da sie weniger mit 
den Thatsachen in Widerspruch ist. Er nimmt eine von Balfour 
angegebene aber später zurückgezogene Vermuthung wieder auf, 
nach welcher der Vornierengang als das Entwicklungsprodukt eines 
vordersten Anneliden-Nephridiums zu betrachten sei (Eisig l. e. 
p- 647). Die secundäre Verbindung der Nierenröhrchen mit dem Gang 
ist damit nicht in Widerspruch; dass die Röhrehen nieht mehr mit 
der Haut verbunden sind, ist nun mit einigem guten Willen als Ver- 
kürzung der Ontogenie aufzufassen. Die so eben sub 1 und 4 er- 
wähnten Schwierigkeiten bleiben aber bestehen und machen nach 
meiner Ansicht auch diese Hypothese unhaltbar. Was aber Punkt 4 
betrifft, so scheint mir Eisig die Schwierigkeit umgehen zu wollen; 
er findet nämlich ein Analogon des Vornierenganges in den von E. 
Meyer entdeckten, im Cölom liegenden Nephridien-Längscanälen 
gewisser Terebelliden und glaubt, wenn diese sich bis in die Anal- 
region verlängerten, Verhältnisse wie bei Vertebraten zu haben. 
Weiter sagt Eisig 1. e. p. 653: „Um die ektodermale Entstehung 
der Vornierengänge verstehen zu können, brauchen wir nur vor- 
auszusetzen, dass bei jenem vordersten Nephridienpaare, welches 
sich zu diesen Gängen verlängert hat, es speciell die Ektodermein- 
stülpungen waren, die hierzu das Material abgegeben haben, resp., 
dass allein diese Einstülpungen nach hinten auswuchsen“. 

Thatsache ist nun aber, dass das fortwachsende Hinterende 
des Vornierenganges, bis es die Afterregion erreicht hat, immer mit 
der Haut verschmolzen ist, dass es also immer unmittelbar an der- 
selben liegt, während es nach Eisigs Vorstellung durch die parie- 
tale Muskulatur davon getrennt wäre. 

Hat seine Hypothese also den Vorzug, die spätere Lage des 
Ganges an der Innenseite der Muskulatur zu erklären, ohne eine 
Durehwaechsung annehmen zu müssen, so ist sie doch auch in an- 
derer Hinsicht wieder mit den Thatsachen der Ontogenie in unver- 
söhnlichem Widerspruch. 4 

Anneliden und Vertebraten sind segmentirte T'hiere, deren 
Cölomepithel ursprünglich exkretorische Function besass (vgl. hier- 
über für die Anneliden Eisig 1. e. p. 757 ff.) und dies macht eine 
gewisse Uebereinstimmung begreiflich, wie z. B. die segmentale 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 5iil 


Anordnung der Urnierenröhrchen und das Vorhandensein von Trich- 
teröffnungen. 

Die Entstehung der Urnierenröhrchen bei Selachiern ist aber 
eng an die Abschnürung der Myotome gebunden und von einer 
solchen Abschnürung und nachträglichen Umwachsung der Leibes- 
höhle durch die Stammesmuskulatur ist mir bei den Anneliden 
nichts bekannt. 

Rückert spricht die Vermuthung aus, der Pronephros sei 
der Annelidenniere homolog. Ob diese Hypothese allgemeinere An- 
erkennung finden wird, möchte ich bezweifeln, so lange fest steht, 
dass die Vorniere längst nach der Ausprägung des Chordatentypus 
auftritt und so lange z. B. die Differenzen im Baue des Centralner- 
vensystems mit seinem Schlundringe bei den Anneliden, in der Ent- 
'stehung des Mesoderms und dem Schicksale des Blastoporus (vgl. 
47), zwischen beiden Gruppen so gross erscheinen wie jetzt. 


Ebensowenig wie mit der Semper’schen kann ich mich mit 
der Gegenbaur’schen Auffassung einverstanden erklären, da ich 
diese durch die später bekannt gewordenen ontogenetischen That- 
sachen für widerlegt halte. 

Dass der Gang kein metameres Organ ist, folgt aus seiner 
Abstammung von der ebenfalls unsegmentirten Epidermis!) und 
dass er phylogenetisch viel jünger ist als die Chorda und erst in 
einer Zeit, als die Segmentirung des Körpers längst eingetreten 
war, entstand, ergiebt sich aus der Periode seines Auftretens, wel- 
ches bei allen Cranioten nach dem Erscheinen der ersten Somite 
stattfindet. 

Da der Vornierengang und die Urniere dem Amphioxus fehlen, 
ohne dass ein Grund für ihr Abortiren aufgefunden werden konnte 
und sie bei den Selachiern nicht vor dem Acranienstadium?) auf- 
treten, so ist nach meiner Ausicht weder der Vornierengang noch der 
Mesonephros von Wirbellosen ableitbar, sondern es sind beide Organe 
erst in der Gruppe der Vertebraten aufgetreten, kurz nachdem sich 
die Acranien abgezweigt. 

Freiburg i. B., 30. Mai 1889. 


1) Gegenbaur nimmt noch an (Lehrbuch der Anatomie des Menschen, 
dritte Aufl. 1885 p. 39), der Gang entstehe aus dem Mesoderm. 

2) Dieses Stadium zeigt z. B. folgende Uebereinstimmungen mit Am- 
phioxus: 1. Kopf und Rumpf sind gleichmässig segmentirt. 2. Am vor- 
deren Neuroporus geht die Gehirnwand eontinuirlich in die Epidermis über, 


512 J. W. van Wyhe: 


Literaturverzeichniss. 


1. Ahlborn. Ueber die Segmentation des Wirbelthierkörpers. Zeitschr. 
f. wiss. Zoologie. Bd. 40. 1884. 

2. Balfour. A preliminary Account of the Development of the Elas- 
mobranch Fishes. Quart. Journ. of mier. Science. 1874. 

3. Balfour. On the Origin and History of the Urogenital Organs of 
Vertebrates. Journ. of Anat. and Phys. Vol. 10. 1875. 

4. Balfour. A Monograph on the Development of Elasmobranch 
Fishes. 1878. 

5. Balfour and Sedgwick. On the Existence of a Head-Kidney in 
the Embryo Chick ete. Quart. Journ. of mier. Science. 1879. 


6. Balfour and W. N. Parker. On the Structure and Development‘ 


of Lepidosteus. Phil. Transactions of the Royal Society. 1882. 

7. Beard. The Origin of the segmental Duct in Elasmobranchs. Anat. 
Anzeiger. Nr. 21. 1887. 

8. Dohrn. Ueber die erste Anlage und Entwicklung der motorischen 
Rückenmarksnerven. Mittheilungen a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. 8. 1888. 


3. In jedem Segment sind jederseits die dorsale und die ventrale Nervenwurzel 
vollständig getrennt. 4. Die Leber ist eine einfache Darmausstülpung. 5. Die 
Gl. thyreoidea ist noch nicht vom Kopfdarme abgeschnürt. 6. Die Epidermis 
ist ein einschichtiges Epithel, ohne Epidermoidalgebilde. 7. Die Somiten- 
muskulatur ist noch nicht durch eine Bindegewebsmembran in eine dorsale 
und ventrale Seitenrumpfmuskelpartie getrennt. 8. Cerebellum und Medulla 
oblongata bilden noch einen undifferenzirten Theil des Medullarrohrs (die 
Hirnblase des Amphioxus entspricht wahrscheinlich dem Vorder- und Mit- 
telhirn). 9. Die Keimdrüsen (bei Selachiern ein wenig später sichtbar) sind 
segmentirt. 10. Die Hauptvene ist die Vena subintestinalis. 11. Es fehlen 
noch Mesonephros, Nebenniere, Milz, Thymus, Pankreas, Venae cardinales, 
Jugulares und Ductus Cuvieri, N. sympathicus, Geruchsorgan und -nerv (diese 
‚sind noch nicht von der Wandung des Neuroporus differenzirt), Seitenorgane 
und -nerven, ein differenzirtes Gesichts- und Gehörorgan, ein knorpeliges oder 
knöchernes Skelett und paarige Gliedmaassen — falls nicht die Seitenfalten 
der Amphioxus-Larve als solche aufzufassen sind (vgl. p. 470). 

Wenn man dabei im Auge behält 1. dass die Ontogenie eine nicht voll- 
ständige und durch Cenogenese abgeänderte Recapitulation der Phylogenie 
ist, 2. dass auch der Amphioxus sich durch ihm eigenthümliche Entwicklungs- 
vorgänge vom ursprünglichen Acranientypus entfernt hat, so dürften die Ue- 
bereinstimmungen gross genug erscheinen, um die Bezeichnung des oben er- 
wähnten Entwieklungsstadiums zu rechtfertigen. 


Br. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 513 


9. Dohrn. Entstehung und Differenzirung des Zungenbein- und Kiefer- 
apparates der Selachier. Nachtrag. Mittheil. a. d. zool. Station zu Neapel. 
Bd. 6. 1885. 

10. Eisig. Die Capitelliden. XVI. Monographie. Fauna und Flora 
des Golfes von Neapel. 1887. 

11. Flemming. Die ektoblastische Anlage des Urogenitalsystems beim 
Kaninchen. Arch. f. Anat. und Phys. 1886. 

12. Fürbringer. Zur vergl. Anat. und Entwicklungsgeschichte der 
Exkretionsorgane der Vertebraten. Morph. Jahrbuch. Bd. 4. 1878. 

„ 13. Gegenbaur. Grundzüge der vergl. Anatomie. 1870. 

14. Gegenbaur. Die Metamerie des Kopfes etc. Morph. Jahrbuch. 
Bd. 13. 1888. 

15. Haddon. Suggestion respecting the epiblastic Origin of the seg- 
mental Duct. Proc. of the Royal Dublin Society. Vol. 5. Febr. 1887. 

16. Hensen. Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung 
des Meerschweinchens und Kaninchens. Arch. f. Anat. u. Phys. 1875. 

17. 0. Hertwig. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen 
und der Wirbelthiere. 1886—1888. 

18. His. Zur Geschichte des Gehirns etc. Abh. der math.-phys. Classe 
der Kön. Sächsischen Ges. der Wiss. Bd. 14. 1888. 

19. C. K. Hoffmann. Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalor- 
gane bei den Anamnia. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 44. 1886. 

20. v. Kölliker. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren 
Thiere. 1879. 

21. A. Kowalevsky. Entwicklungsgeschichte des Amphioxus lanceo- 
latus. Memoires de l’Acad. imp. des Sciences de St. Petersbourg. Tome1l. 1867. 

22, Martin. Ueber die Anlage der Urniere beim Kaninchen. Archiv 
f. Anat. und Phys. 1888. 

23. P. Mayer. Ueber die Entwicklung des Herzens und der grossen 
Gefässstämme bei den Selachiern. Mittheil. a. d. zool. Station zu Neapel. 
Bd. 7. 1887. 

24. v. Mihalkovies. Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- 
und Geschlechtsapparates der Amnioten. Internat. Monatsschrift f. Anat. u. 
Hist. Bd. 2. 1885. 

25. Mitsukuri. The ectoblastic Origin of the Wolffian Duct in Che- 
lonia. Zool. Anzeiger. Nr. 273. 1888. 

26. W. Müller. Ueber das Urogenitalsystem des Amphioxus und der 
Cyelostomen. Jen. Zeitschr. Bd. 9. 1875. 

27. Perennyi. Entwicklung des Amnion etc. bei den Reptilien. Zool. 
Anzeiger. Nr. 274. 1888. 

28. Rabl. Ueber die Differenzirung des Mesoderms. (Verh. der Anat. 
Ges. in Würzburg.) Anat. Anzeiger. 1888. 

29. Renson. Contributions & ’Embryologie des organes d’exeretion 
des Oiseaux et des Mammiferes. These. Auszug. Archiv. f. mikr. Anatomie. 
Bd. 22. 1883. 


514 J. W. van Wyhe: 


30. Rückert. Ueber die Entstehung der Excretionsorgane beı Sela- 
chiern. Archiv f. Anat. u. Phys. Juliheft. 1888. 

31. Rückert. Zur Entwicklung des Excretionssystems der Selachier. 
Zool. Anzeiger. Nr. 297. 1889. 

32. Sedgwick. Development of the Kidney in its Relation to the 
Wolffian Body in the Chick. Quart. Journ. of mier. Science. 1880. 

33. Sedgwick. On the early Development of the anterior Part of the 
Wolffian Duct and Body in the Chick ete. Quart. Journ. of mier. Science. 1881. 

34. Semper. Ueber die Stammverwandtschaft der Wirbelthiere und 
Anneliden (vorläufige Mittheilung). Centralblatt für die medicinische Wäss. 
25. Juli 1874. 

35. Semper. Segmentalorgane bei ausgewachsenen Haien (vorläufige 
Mittheilung). Centralblatt f. die med. Wiss. 7. Nov. 1874. 

36. Semper. Kurze Bemerkungen über die Entstehungsweise der 
Müller’schen und Wolff’schen Gänge. Centralblatt f. die medic. Wiss. 
26. Juni 1875. 

37. Semper. Die Stammverwandtschaft der Wirbeithiere und Wirbel- 
losen. Arbeiten aus dem zool. Inst. in Würzburg. Bd. 2. 1875. 

38. Semper. Das Urogenitalsystem der Plagiostomen und seine Be- 
deutung für das der übrigen Wirbelthiere. Arbeiten aus dem zool. Inst. in 
Würzburg. Bd. 2. 1875. 

39. Spee. Ueber directe Betheiligung des Ektoderms an der Bildung 
der Urnierenanlage des Meerschweinchens. Arch. f. Anat. u. Phys. 1884. 

40. Thacher. Median and Paired Fins ete. Transactions of the 
Connectieut Acad. Vol. 3. 1877. 

41. Weldon. Note on the Development of Lacerta muralis. Quart. 
Journ. of mier. Science. 1883. 

42. Weldon. On the Head-Kidney of Bdellostoma ete. Quart. Journ. 
of mier. Science. 1882. 

43. Weldon. On the Suprarenal Bodies of Vertebrata. Quart. Journ. 
of mier. Science. 1885. 

44, Wenckebach. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochen- 
fische. Archiv f. mikr. Anatomie. 1886. 

45. Wiedersheim. Grundriss der vergl. Anatomie der Wirbelthiere. 
2. Aufl. 1888. 

46. van Wyhe. Ueber die Mesodermsegmente und die Entwicklung 
der Nerven des Selachierkopfes. Apart 1582. Auch in Verhandel. d. Kon. 
Akad. van Wetenschappen. Deel XXI. 1883. 

47. van Wyhe. Die Betheiligung des Ectoderms an der Entwicklung 
des Vornierenganges. Zool. Anzeiger. Nr. 236. 1886. 

48. van Wyhe. Ueber die Entwicklung des Exkretionssystemes und 
anderer Organe bei Selachiern. Anat. Anzeiger. Nr. 2 und 3. Jan. 1888. 

49. van Wyhe. Bemerkung zu Dr. Rückerts Artikel ete. Zool. An- 
zeiger. Nr. 289. 1888. 


Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 


515 


50. H. E. Ziegler. Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei 


den Selachiern. 
51. H. E. Ziegler. 


bryonen. Archiv f. mikr. Anat. 


Archiv f. mikr. Anat. 
Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischem- 
Bd. 30: 


Bd. 52. 1888. 


1887. 


Tafelerklärung. 


af. N. acustico-facialis. 

ao. Aorta. 

ch. Chorda. 

el. Cloake. 

d. Darm. 

da. Dotterarterie. | 

ep. Epidermis. 

gl. N. glossopharyngeus. 

gls. Glomus. 

hp. Hypomer. 

kd. Keimdrüse. 

kt, bis kt,. Erste bis vierte Kiemen- 
tasche. 

lb. Leibeshöhle. 

m. Medullarrohr. 

mp. Mittelplatte. 

ms. Mesomer. 

msc. Mesocölom. 


my. Myotom. 

mye. Myocölom. 

nt. Nephrotom od. Anlage desselben. 
o. Ostium des Pronephros. 

ob. Ohrblase. 

p. Pronephros. 

pg. Pronephrosgang. 

rsı. Erstes Rumpfsomit. 

s. Subchordalstrang. 

sbl. Segmentalbläschen. 

skl. Sklerotom. 

sl. Seitenleiste des Mesenchyms. 
spg. Spinalganglion. 

spn. Spinalnerv. 

vc. Vena cardinalis („posterior“). 
vg. N. vagus. 

vw. Ventrale Nervenwurzel. 


Tafel XXX, 


Sämmtliche Figuren der Tafeln XXX und XXXI sind mit der Camera 
gezeichnet. 


Fig. 1. Querschnitt durch die Mitte des dritten Rumpfsegmentes eines Pri- 
stiurus-Embryo mit 27 Somiten. Vergr. 150. 
Fig. 2. Querschnitt durch die Grenze zwischen dem dritten und vierten Rumpf- 


segmente eines Pristiurus-Embryo mit 31 Somiten. Vergr. 150. 

Querschnitt durch den vorderen Theil des fünften Rumpfsegmentes 

desselben Embryo; der. linke Theil der Figur trifft die Wand, der 

rechte Theil die Höhle des Segmentalbläschens des Somites. Vergr. 150. 

Fig. 4a. Theil eines Querschnittes durch das 4. Rumpfsegment eines Pristiu- 
rus-Embryo mit 35 Somiten. Vergr. 215. 

Fig. 4b und 4c. Theile zweier aufeinander folgender Querschnitte durch den 
hinteren Theil des fünften Rumpfsegmentes desselben Embryo (Fig. 4c 


Fig. 3. 


gehört zum hinteren Schnitt). Vergr. 215. 


Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 33. 33 


516 


Fig. 


Fig. 


J. W. van Wyhe: Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes etc. 


5a,b,c. Drei aufeinander folgende Querschnitte durch den hintersten 
Theil der Anlage des Vornierenganges eines Embryo von Scyllium 
catulus mit 37 Somiten. Die Schnitte treffen den hinteren Theil des 
8. Rumpfsegmentes. Vergr. 370. 

6a—h. Theile von acht aufeinander folgenden Querschnitten durch die Re- 
gion des Pronephros eines Pristiurus-Embryo mit 71 Somiten. Vergr.81. 


Tafel XXXI. 


.6 i. Theil eines dem in Fig. 6h abgebildeten unmittelbar folgenden 
Schnittes. Vergr. 81. 

. 7a und b. Theile von Querschnitten durch das 38. Rumpfsegment eines 
Pristiurus-Embryo mit 76 Myotomen; zur Fig. 7a gehört der vordere 
Schnitt. Zwischen beide fallen noch 2 nicht abgebildete Schnitte. 
Vergr. 150. 

. 8. Theil eines Querschnittes durch das sechste Rumpfsegment des bei 
Figur 6 a—h erwähnten Embryo mit 71 Somiten. Vergr. 81. 

. 9. Querschnitt durch die vordere Rumpfregion eines Pristiurus-Embryo” 
mit 43 Somiten. Vergr. 150. 

. 10. Querschnitt durch das dritte Rumpfsomit eines Embryo von Seyllium 
canicula mit 60 Myotomen. Vergr. 150. 

. 11 Querschnitt durch das 30. Rumpfsegment des bei Fig. 6a—i erwähn- 
ten Embryo mit 71 Somiten. Vergr. 81. 

. 12. Querschnitt durch die Region des Pronephros eines Embryo von 
Scyllium canicula mit 55 Somiten. Vergr. 81. 

. 15. Theil eines Pristinarus-Embryo in toto eingebettet mit 48 Somiten. 
Vergr. 45. 

Tafel XXXII. 


Schemata zur Verdeutlichung der Entwicklung der hauptsächlichsten Pro- 


ducte des Mesoderms. 
Fig. 14a und 14b. Querschnitte durch einen Embryo, welcher noch im Be- 


> 
= 
0Q 


sitze von „Segmentalbläschen“ ist. Der Schnitt Fig. 14a ist durch 
die Höhle eines Somites, Fig. 14b durch seine vordere oder hintere 
Wand geführt. 

. 15a und 15b. Querschnitte durch einen Embryo, bei welchem die Myo- 
tome im Begriffe stehen sich von den Mesomeren abzuschnüren. Der 
Schnitt Fig. 15b geht durch die Region der Vorniere: Fig. 15a 
folgt hinter derselben. 


Fig. 16. Querschnitt durch einen Embryo, bei welchem die Myotome noch 


Fig 


Fig 


nicht lange abgeschnürt sind. 

. 17. Querschnitt durch einen Embryo, bei welchem die Myotome dorsal- 
und ventralwärts gerade ihre grösste Ausdehnung erreicht haben. 

. 18. Sagittalschnitt durch fünf Segmente eines Embryo mit Procölom. 


B. Solger: Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. 517 


Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. 


Notiz 
von 
B. Solger. 
Greifswald. 

Orth empfiehlt zur Demonstration der Mitosen von Warmblü- 
tern in histologischen Kursen (s. dessen Cursus der normalen Histo- 
logie, 4. Aufl. S. 81) das Mesenterium neugeborener Kaninchen. Da 
solches Material doch nicht immer zur Verfügung steht und sich, 
wenn man nach seiner Vorschrift mit Flemming’s Gemisch 
(Chromosmiumessigsäure) fixirt hatte, auch nicht wohl längere Zeit 
in Alcohol aufbewahren lässt, ohne bezüglich seiner Tinctionsfähig- 
keit, auf die gerade hier sehr viel ankommt, zu leiden, so möchte 
ich mir erlauben, auf ein Säugethier-Gewebe aufmerksam zu machen, 
welches an Klarheit und Grösse der Bilder dem Kaninchen-Mesen- 
terium mindestens gleichkommt und bei dem man gleichfalls nicht 
erst einzubetten und zu schneiden braucht. Es ist dies das A m- 
nion der Ratte. Weisse Ratten werden ja gegenwärtig viel- 
fach in anatomischen Instituten gezüchtet, so dass man wohl Ge- 
legenheit hat Material in genügender Menge zu sammeln. Ich lege 
das frisch herausgeschnittene trächtige Uterushorn in concentrirte, 
wässerige Pikrinsäurelösung (jüngst erst wieder von Heidenhain 
zum Fixiren von Mitosen im Mäusedarm empfohlen) und schneide 
unter der Flüssigkeit die Eihäute (oder wenigstens das Chorion) mit der 
Scheere an. Das Amnion — ich benutzte bisher Embryonen von 1,3 cm 
bis 2cm Länge — flottirt nun als äusserst dünnes Häutchen in dem 
fixirenden Fluidum (oder hülltnoch als geschlossener Sack den Em- 
bryo ein). Nach 24 Stunden Abspülen mit Aqu. dest., hierauf Ein- 
legen in 70 °/, Aleohol, der allmählich durch stärkeren ersetzt wird. 
Die Färbung gelingt mit Ehrlich’s saurem Hämatoxylin (zur 
Hälfte mit Wasser verdünnt, 5 Minuten) sehr leicht. Mir ist bis- 
her kein Säugethierobject bekannt, welches auf so einfache Weise 
so zahlreiche und gleichzeitig so grosse!) Mitosen (in allen Stadien) 


1) Abstand der beiden Polfelder eines Doppelsterns bis zu 0.0132mm, 
Durchmesser eines in Metakinese befindlichen Sterns bis zu 0.0099 mm. 


518 B. Solger: Säugethier-Mitosen im histologischen Kursus. 


lieferte. Man kann mit Sicherheit erwarten, dass sie von Practi- 
canten, die nur eine vierwöchentliche Uebungszeit hinter sich haben, 
mit Zeiss Objectiv-System D oder Hartnack Obj.-S. Nr. 7 
aufgefunden und in ihren Haupt-Stadien erkannt werden. 
Erleichtert wird dies noch durch den Umstand, dass die Epi- 
thel-Mitosen, um die es sich vorzugsweise handelt, nicht nur, falls 
man die Membran gut ausgebreitet hat, in einer Ebene liegen, son- 
dern auch in gleichem Sinne orientirt (Theilungsebene senkrecht 
zur Oberfläche) sich zeigen. Ich bin gerne bereit, den Herren Fach- 
genossen auf Wunsch Präparate aus Pierinsäure, mit Hämatoxylin 
oder falls diese Tinetion später nicht mehr so gut gelingen sollte, | 
mit Alauncarmin (24 St.) gefärbt, zur Ansicht zu schicken. Selbst- h 
verständlich giebt die Fixirung inFlemming’s Gemisch mit nach- | 
folgender Safraninfärbung ebenfalls vortreffliche Bilder. 


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