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Full text of "Archiv für mikroskopische Anatomie"

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ARCHIV 


für 


Mikroskopische Anatomie 


I. Ahteilung 
für vergleichende und experimentelle 
Histologie und Entwicklungsgeschichte 
II. Abteilung 
für Zeugungs- und Vererbungslehre 


herausgegeben 
von 


O. Hertwig und W. Waldeyer 


in Berlin 


Siebenundsiebzigster Band 
I. Abteilung 
Mit 21 Tafeln und 83 Textfiguren. 


BONN 
Verlag von Friedrich Cohen 


1911 


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gern 


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2733. 53 


Inhalt. 


Abteilungl. 


Erstes Heft. Ausgegeben am 12. Mai 1911. 


Über Regeneration und Transplantation des Pankreas von Amphibien. 
Von H. Fischer. (Aus dem biologischen Laboratorium der 
Universität Bonn.) Hierzu Tafel I und 2 Textfiguren . - 

Beiträge zum Studium des Zentralnervensystems der Wirbeltiere. 1. Ein 
Faserzug am Boden des Recessus praeopticus (Tractus praeopticus) 
bei den Amphibien. Von Dr. med. Paul Röthig. (Aus dem 
Anatomischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel II 

Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. Von Prof. 
Rud. Eschweiler in Bonn. (Aus dem biologischen Laboratorium 
der Universität Bonn.) Hierzu Tafel Ill. 

Über eine feine Struktureigentümlichkeit der Epithelzellen den Gallen 
blase. Von Dr. G. D’Agata, Ehren-Assistenten am Institut 
für allgemeine Pathologie und Histologie zu Pavia. (Vorstand 
Prof. C. Golgi.) Hierzu 2 Textfiguren . ne N 3392 

Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula II. von 1. H. F. Kohl- 
brugge. Hierzu 2 Textfiguren 


Zweites Heft. Ausgegeben am 30. Juni 1911. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes im Auge der Wirbel- 
tierembryonen und in Chorioidealsarkomen. Von Dr. Aurel v. 
Szily. (Aus der Universitäts-Augenklinik in Freiburg i. Br. 
Direktor: Geh. Prof. Dr. Th. Axenfeld.) Hierzu Tafel IV—VII 


Drittes Heft. Ausgegeben am 30. August 1911. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion der Lamellen- 
körperchen. Von Prof. Siegmund v. Schumacher. (Histo- 
logisches und embryologisches Institut der k. u. k. tierärztlichen 
Hochschule in Wien.) Hierzu Tafel VIII und 4 Textfiguren . 

Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. Von 
M. Mühlmann. (Aus der Prosektur des Krankenhauses 
Balachany [Baku].) Hierzu Tafel IX : 

Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. Von W. Beer nei. 
(Aus dem anatomisch-histologischen Laboratorium der Universität 
St. Petersburg.) Hierzu Tafel X 

Betrachtungen über den tatsächlichen Bau und Be künstlich Dee 
gerufenen Deformationen der markhaltigen Nervenfaser. Von 
J. Nageotte. Hierzu Tafel XI und 4 Textfiguren . 

Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern, nach einen 
am Hühnchen. Von M.v. Lenhossek, Budapest. Hierzu Tafel XII 

Beiträge zur Biologie der Zelle (Mitochondrien, Chromidien, Golgisches 
Binnennetz in den Samenzellen). Von Dr. A. Perroncito, Pavia. 
(Roma, 1910, Reale Accademia dei Lincei.) Hierzu 6 Textfiguren 


Seite 


194 


ll 


IV 


Viertes Heft. Ausgegeben am 21. Oktober 1911. 


Über das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen im Thymus- 
parenchym. VonRubenHolmström. (Aus dem Anatomischen 
Institut in Upsala.) Hierzu Tafel XIII 

Über feinere Strukturen und die Anordnung des ee im Man 
und Darmkanal. Von Prof. Dr. Julius Arnold in Heidelberg. 
Hierzu Tafel XIV 5 

Über. Genesis. und Morphologie der en Blutkörperchen dei Vögel, 
Von Dr. Wilhelm Venzlaff. (Aus dem Zoologischen Institut 
der Universität zu Berlin.) Hierzu Tafel XV und 3 Textfiguren 

Über die peripherische Schicht von Nervenzellen und Nervenfasern im 
Rückenmark höherer Wirbeltiere.e Von Anton Nemiloff, 
Assistenten am anatomisch-histologischen Institut der Universität 
St. Petersburg. Hierzu Tafel XVI und XVII und 3 Textfiguren 

Gesammelte Studien an den roten Blutkörperchen der Amphibien. Von 
Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel XVIII—-XX und 
52 Textfiguren r ur Ver ER 

Über die Entstehung der Pen a een HNen. Von Harry Kull. 
(Aus dem Institut für vergleichende Anatomie der K. Universität 
Jurjew, Dorpat. Direktor Prof. Dr. P.a.Poljakoff.) Hierzu 
Tafel XXI und 5 Textfiguren . 


Seite 


323 


346 


433 


541 


Aus dem biolog. Laboratorium der Universität Bonn. 


Über Regeneration und Transplantation des 
Pankreas von Amphibien. 
Von 


H. Fischer. 


Hierzu Tafel I und 2 Textfiguren. 


Die im folgenden geschilderten Versuche wurden zugleich 
mit einer Reihe anderer, die dem Studium der Langer- 
hansschen Inseln des Pankreas dienten, ausgeführt. Bezüglich 
der Frage nach der Regeneration und Transplantation des Pan- 
kreasgewebes, ganz abgesehen von ihrem Wert für die Frage 
nach dem Wesen der Langerhansschen Inseln, ergaben sich 
manche Abweichungen von den bisher veröffentlichten Versuchen 
dieser Art und manches Neue. Ich habe mich daher entschlossen, 
diese Ergebnisse ausführlicher und getrennt von dem übrigen 
Teil der Untersuchung zu besprechen. Inwiefern die Versuche für 
die Frage nach dem Wesen der Langerhansschen Inseln zu 
verwerten sind, soll in einer weiteren Veröffentlichung zusammen 
mit denübrigen von mir zum Studium des Wesens der Langer- 
hansschen Inseln angestellten Experimenten erörtert werden. 


I. Regeneration. 

Die Regenerationskraft drüsiger Organe ist wohl in erster 
Linie an der Leber und der Niere studiert worden: dann auch 
an der Schilddrüse, der Mamma, den Speicheldrüsen, an Hoden 
und Ovarien. Am Pankreas sind nur ganz vereinzelt derartige 
Versuche vorgenommen worden. 

Für den Ersatz des verlorengegangenen (rewebes kommen 
nach der heutigen Auffassung von der Spezifität der Gewebe nur 
Zellen derselben Art wie die verlorenen, oder ganz nahe verwandte 
Zellen in Betracht. Als solche sieht man bei drüsigen Organen 
die Epithelien der Ausführungsgänge an, und zwar geht nach fast 
allgemeiner Auffassung die Regeneration der drüsigen Organe 
mit einer einzigen Ausnahme von den Ausführungsgangsepithelien 


aus. Diese Ausnahme macht die Schilddrüse, die ja keine Aus- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. 1 


2 HRusterhreir: 

führungsgänge besitzt, trotzdem aber gut regeneriert. Die 
Parenchymzellen kommen nach den meisten Autoren bei den 
Drüsen mit Ausführungsgängen über einige Mitosen nicht hinweg. 
Eine derartige, von den Ausführungsgängen ausgehende Regene- 
ration ist in den meisten Fällen quantitativ sehr ergiebig, quali- 
tativ aber nicht zufriedenstellend. Es wird zwar der entstandene 
Defekt von der Wucherung mehr oder weniger ausgefüllt, aber 
die neugebildeten Epithelien sind unfähig zur Funktion; sie treten 
meist zu den sprossenden Gefässen und dem Interstitium nicht 
in dieselben Beziehungen wie in der Norm und deshalb gewinnen 
sie nach Ribbert!) die typische Anordnung und die funktionelle 
Struktur nicht wieder. 

Diese heute vorherrschende Ansicht von der Regeneration 
drüsiger Organe ist jedoch keineswegs als erwiesen anzusehen. 
Die Resultate der einzelnen Forscher stimmen sowohl in bezug 
auf die Stärke der Regeneration und ihre Qualität, als auch in 
bezug auf den Anteil der einzelnen, für die Regeneration in 
betracht kommenden Elemente durchaus nicht überein. Was 
die Stärke der Regeneration anbelangt, so muss man meiner 
Meinung nach einen Unterschied machen zwischen Drüsen, die 
in der Einzahl, und solchen, die in der Mehrzahl vorhanden sind, 
da bei letzteren der bei der einen Drüse gesetzte Defekt viel 
eher durch kompensatorische Hypertrophie der anderen ersetzt 
werden kann. Ferner wird die funktionelle Inanspruchnahme des 
betreffenden Organs von Bedeutung sein. Grosse Widersprüche 
bestehen heute noch bezüglich der Regeneration der Leber. 
Ribbert?°) sieht dieselbe von den Grallengängen ausgehen; die 
von diesen aussprossenden Epithelien verwandeln sich nicht in 
Leberzellen. Eine Regeneration des Lebergewebes findet also 
überhaupt nicht statt. Marchand?) andererseits beschreibt 
eine Umwandlung der Gallengänge zu Lebergewebe. Pearce?) 
beobachtete 4—7 Tage post operationem, nachdem an der Opera- 
tionsstelle die Nekrotisierungen durch ein junges Bindegewebe 
ersetzt waren, dass dieses Bindegewebe durch neugebildete Leber- 


!) Referat von Barfurth in: Merkel und Bonnets Ergebnissen 1904. 

?, Ribbert. Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und path. Anatomie, 
3. Auflage, 1908. 

®) Pearce, R.M. Regenerative changes in the liver. A study of 
experimental lesions in the dog. Journal of Med. - Research, Bd. XV, 1906. 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 6 


zellen verdrängt wurde und nur Bindegewebsstränge übrigblieben. 
Bei kleinen Nekrotisierungen beobachtete er sogar das Hinein- 
wuchern von Leberzellen, ohne dass die nekrotischen Stellen vor- 
her durch junges Bindegewebe organisiert waren. Die Leberzellen 
vermögen sich nach Pearce durch indirekte Teilung zu ver- 
mehren. Auch beschreibt er in Übereinstimmung mit Marchand 
die Bildung von Leberzellen aus gewucherten Gallengängen. 
Hayami!) sucht bei den widersprechenden Ansichten von 
Ribbert und Marchand so zu vermitteln, dass er annimmt, 
die gewucherten Gallengänge verbänden sich sekundär mit den 
präexistierenden Leberzellen. Die Frage, von welchen Elementen 
die Neubildung bei der Leber ausgeht, kann zurzeit nach dem 
oben (Gresagten noch nicht endgültig entschieden werden; jeden- 
falls kann sie heute nicht in dem Sinne beantwortet werden, 
dass bei der Leber die Regeneration allein von den Gallengängen 
ausgehe. 

Dann sind von Podwyssozki?), Ribbert?°) und in letzter 
Zeit von Carraro*) Regenerationsversuche an Speicheldrüsen 
angestellt worden, die ja nach ihrem Bau dem Pankreas bedeutend 
näher stehen. Podwyssozkiı fand nach schweren Verletzungen 
der Speicheldrüsen Mitosen in den Parenchymzellen in grosser 
Ausdehnung um die Wunde herum, einige Male auch an entfernten 
Stellen. Meist liegen die Mitosen in der Umgebung der stark 
erweiterten Arteriolen, welche von zahlreichen ausgewanderten 
Blutkörperchen umschlossen sind. Die eigentliche Regeneration 
geht aus von den Ausführungsgängen, indem diese Ausstülpungen 
in das Gewebe hineintreiben. Ein Teil der neugebildeten Elemente 
verfällt der regressiven Metamorphose, ein anderer wandelt sich 
in Drüsenalveolen um. Ribbert fand bei seinen Untersuchungen, 
die sich bis auf höchstens drei Wochen erstreckten, den Defekt 
meist von Bindegewebe ausgefüllt, worin Alveolen gelagert 
waren, die von den Ausführungsgängen ausgingen. Carraro 


') Hayami, T. Über Aleuronathepatitis. Ein Beitrag zur Regene- 
rationsfrage des Lebergewebes und zur Erklärung der sogenannten „Über- 
gangsbilder“. Beiträge zur path. Anat. u. allgem. Pathologie. 1906, Bd. 36. 

®?) Podwyssozki. Experimentelle Untersuchungen über die Re- 
generation der Drüsengewebe. Beiträge z. path. Anat. u. Physiologie, 1888, 
Band 2. 

®) Citiert nach Carraro. Siehe 3. 

*) Carraro, A. Frankfurter Zeitschrift für Pathologie, 1909, Bd. 3. 

1*F 


4 H. Fischer: 


verfolgte die Regeneration der Speicheldrüsen bis zu 120 Tagen. 
Er exstirpierte etwa zwei Drittel einer Submaxillaris. In den 
frühesten Stadien findet er an der Oberfläche ein Blutgerinsel, bald 
in grösseren, bald in kleineren Mengen. Dieses Blutgerinsel wird 
in vorgerückteren Stadien resorbiert. Dann ist bereits ein Farben- 
unterschied zwischen altem und neuem Gewebe zu sehen, der 
sich aber bald verliert. Die Regeneration schreitet weiter fort. 
was sich aus der Vergrösserung des Gesamtvolumens der Drüse 
ergibt. Im weiteren Verlauf ändern sich die Verhältnisse. Die 
Drüse sowohl als das Regenerat verfallen der Atrophie. Nach 
120 Tagen ist von der ganzen Drüse nichts mehr übrig, ausser 
einem etwa maiskorngrossen, derben, weisslichen und mit roten 
Punkten besetzten Körper. Der mikroskopische Befund im Be- 
einn der Regeneration ist folgender: In das Blutgerinnsel dringt 
junges Bindegewebe ein. Ein Teil des alten (sewebes an der 
Schnittlinie verfällt der Nekrose. Das übrig gebliebene Gewebe 
wuchert lebhaft; es finden sich Mitosen in den Parenchymzellen 
und den Ausführungsgängen. Nach fünf Tagen sind Epithel- 
zapfen im Bindegewebe zu sehen; diese sind aus den kleinsten, 
zunächst liegenden Ausführungsgängen entstanden, mit denen sie 
an einigen Stellen zusammenhängen. Die Epithelzapfen wandeln 
sich in Drüsenschläuche um. 

Regenerationsversuche am tierischen Pankreas sind angestellt 
worden von Martinotti‘), Cipollina’), Kyrle°) und 
CHERAT Oo) 

Martinotti wies nach, dass eine Wiedererzeugung des 
weggenommenen Pankreasgewebes durch Bildung neuer Drüsen- 
zellen an dem Amputationsstumpf möglich ist. „Ja, ich habe 
die Tatsache sichergestellt,“ sagt Martinotti, „dass man nach 
Abtragung fast des ganzen Pankreas, so dass nur wenige Drüsen- 
läppchen an den Wänden des Gallenganges oder des Duodenums 


!) Martinotti. Giornale della R. Accademia di Medieina di Torino, 
1888, No. 7. (Nach einem Ref. im Centralblatt für Path., 1890.) 

>) Cipollina. Experimentaluntersuchungen über die partielle Re- 
generation des Pankreas. Riforma med. 1899. (Nach einem Referat im 
Centralblatt für Path. 1899.) 

3), Kyrle. Dieses Arch., Bd. 72. 

*) Carraro, A. Sulla rigenerazione del pancreas. Lo Sperimentale 
1909, H.6. (Nach Ref. im Centralblatt für Path. 1910.) 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. d 


zurückbleiben, nach dem Verlauf einer gewissen Zeit ein mässig 
grosses Stück Pankreas da finden kann, wo anscheinend das 
ganze Organ entfernt worden war“. Cipollina schliesst aus 
seinen Untersuchungen über die Regeneration des Pankreas: 
1. Infolge teilweiser Exstirpation des Pankreas konnte ich niemals 
echte, wirkliche Regeneration des weggenommenen Drüsengewebes 
beobachten. 2. Nur in einigen Fällen bemerkte ich einen Ver- 
such zur Sprossung von seiten der Zellen des noch vorhandenen 
Parenchyms. 3. In der Mehrzahl der Fälle wurde die Zusammen- 
hangstrennung eingenommen durch Bindegewebe, das entweder 
vom Netz oder von dem eigenen Bindegewebe der Drüsen aus- 
ging und zwar in jungen Befunden das Aussehen von embryonalem 
Bindegewebe hatte, in älteren dagegen sich in fibröses Gewebe 
umwandelte. Kyrle findet, dass das Pankreas sehr grosse regene- 
rative Kraft besitzt. Der Hauptanteil bei der Regeneration fällt 
den Ausführungsgängen zu. Von ihnen aus bilden sich Sprossen, 
die in eine junge Bindegewebsgrundlage hineinwuchern. Die 
Zellen dieser Sprossen wandeln sich allmählich zu zymogenhaltigen 
Zellen um. Auch sollen die Ausführungsgänge imstande sein, 
Langerhanssche Inseln bilden zu können. 

Ich habe meine Regenerationsversuche hauptsächlich an 
Rana fusca ausgeführt. Ausserdem wurden noch einige Tritonen 
dazu benutzt. Operiert wurde in der Weise, dass ich dem Tiere 
auf der linken Seite die Bauchhöhle eröffnete. Dann wurde mit 
‘einem Haken der Magen und die Duodenalschlinge vor die Wunde 
gezogen. Mit einer Schere wurde der nach dem Magen zu in 
der Duodenalschlinge liegende Teil des Pankreas vom Darm los- 
getrennt, ungefähr bis zur Einmündung des Ductus pancreaticus 
und choledochus in den Darm. Von hier aus wurde nach der 
Leber zu parallel dem Ductus pancreaticus geschnitten. Es wurde 
auf diese Weise etwa ein Drittel bis die Hälfte des Pankreas 
entfernt. Die Blutung aus den Pankreasgefässen kam meist rasch 
zum Stillstand, da das Blut an der Luft sehr schnell gerinnt 
und die Schnittfläche mit einer Schicht geronnenen Blutes über- 
zieht. Nach Stehen der Blutung wurden die Eingeweide in die 
Bauchhöhle reponiert und die Muskelwunde zusammen mit dem 
Peritoneum, ebenso darauf die Hautwunde geschlossen. Nach 
Heilung der Hautwunde wurden die Tiere wieder ins Aquarium 
zurückgebracht. 


6 H. Fischer: 


Bei den Tieren, die in den ersten Tagen p. o. getötet wurden. 
war an der Stelle der Operation am Pankreas weiter nichts zu 
sehen, als dass diese Stelle mit Blutgerinnsel bedeckt war. Später 
verschwand dasselbe und etwa 12 Tage p. o. konnte ich, wie 
Carraro bei der Regeneration der Submaxillaris, einen Farb- 
unterschied an dem Gewebe der Öperationsstelle bemerken. Das 
Pankreasgewebe bildete an der Exeisionsstelle einen scharfen Rand, 
der hell und durchscheinend war. Das anstossende Pankreas- 
gewebe sah milchig aus und war undurchsichtig. Ich will hier 
schon vorwegnehmen, dass es sich an diesem Rand um Neu- 
bildung von Pankreasgewebe handelt. Bei späteren Stadien ver- 
grösserte sich diese Schicht entsprechend: doch wurde der scharfe 
Farbunterschied zwischen alt und neu bald verwischt, da das 
Regenerat bei längerem Bestand allmählich die Farbe des alten 
Pankreasgewebes annahm. Ich habe die Regeneration bis zu 
76 Tagen verfolgt. Es hatte sich in dieser Zeit ein grosses 
tegenerat gebildet, das von dem unteren, darmwärts gelegenen 
Schnittrande ausgegangen und nach dem Darm zu gewachsen 
war. Es hatte den Darm an seiner Rückseite überlagert und 
sich auch nach dem Magen zu ausgebreitet. In dem distalen 
Zipfel der Neubildung war noch Wachstum vorhanden. In einem 
anderen Falle war ein Zipfel des Fettkörpers mit der Schnitt- 
fläche verwachsen. Zu beiden Seiten der Verwachsungsstelle war 
ein Zipfel regenerierten Pankreasgewebes, der caudalwärts verlief. 

Ich will bei Schilderung des Verlaufes der Regeneration 
nicht alle Stadien, die ich untersuchte, vorführen, sondern nur 
die typischen herausgreifen. Das jüngste Stadium, das ich unter-- 
suchte, war 18 Stunden p. o. alt. 

l. Rana fusca d, in gutem Ernährungszustand, operiert 
am 1. Februar 1910. Der Magen war bei der Operation leer, 
ebenso der Darm. Es wurde in obengeschilderter Weise ein 
Stück Pankreas exeidiert. Am 2. Februar wurde das Tier ge- 
tötet. Das Tier ist bis dahin nicht gefüttert worden. Die untere 
Magenwand ist mit dem Duodenum verklebt. Magen und 
Duodenum sind mit Blutgerinnsel bedeckt. Es werden Magen, 
Duodenum und Pankreas in toto herausgenommen und in die 
Fixierungsflüssigkeit gebracht. Die mikroskopische Untersuchung 
ergab, dass über der Schnittfläche eine dünne Schicht geronnenen 
Blutes sich hinzog. Zwischen ihr und dem angeschnittenen 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 


Pankreasteil liegen in einer grauen, losen Gerinnungsmasse rote 
Blutkörperchen. An verschiedenen Stellen finden sich haufenweise 
angeordnet zellige Infiltrate, in denen auch vereinzelt rote Blut- 
körperchen zu sehen sind. Über den obersten erhaltenen Zell- 
reihen des angeschnittenen Pankreasstückes ist ein körniger 
Detritus zu sehen ; derselbe ist wahrscheinlich das Zerfallsprodukt 
der angeschnittenen Zellen. Auch an den dem Schnittrande be- 
nachbart gelegenen Pankreaszellen machen sich die Zeichen des 
Zerfalls bemerkbar. Die Konturen der Zellen sind nicht scharf, 
der Kern hebt sich vom Protoplasma nicht so scharf ab wie 
sonst; das ganze macht einen verwaschenen Eindruck. Hier 
und da treten im Protoplasma der Parenchymzellen vereinzelte 
Körnchen auf, die sich mit Flemmin gscher Flüssigkeit schwärzen. 
In anderen Zellen findet man kleine, gruppenweise zusammen- 
liegende Körnchen, die sich mit Safranin intensiv gefärbt haben. 
Der Kern fehlt in diesen Zellen. Es sind dies durch Chromatolyse 
entstandene Zerfallsprodukte des Kerns. In dem übrigen Pankreas- 
teil macht sich noch keinerlei Reaktion auf den Eingriff geltend. 
Fine Demarkation des zugrunde gehenden von dem erhalten 
bleibenden Gewebe ist noch nicht zu sehen. Weder am Parenchym., 
noch an den Ausführungsgängen oder Inseln habe ich in diesem 
Stadium Zeichen der Zellvermehrung wahrnehmen können. Es ist 
also zu dieser Zeit lediglich die Wirkung des Eingriffs auf den 
der Schnittfläche zunächst liegenden Pankreasteil zu sehen: Die 
der Schnittlinie zunächst gelegenen Elemente gehen zugrunde. 

2 Rana husca &. Üperierseamzr12., Rebruar 1910. 
53 Stunden p. o. wurde das Tier getötet. Es sind Verwachsungen 
zwischen Magen und Duodenum vorhanden. Ein Leberzipfel ist mit 
dem Duodenum verklebt. Magen, Duodenum, ein Teil der Leber und 
das Pankreas werden in toto herausgenommen und fixiert. Bei 
der mikroskopischen Untersuchung zeigte sich an der Schnittlinie 
eine dünne Lage von Leukocyten unterhalb der roten Blut- 
körperchen, die auch hier noch die Schnittlinie bedecken. Von 
hier dringen sie schon vereinzelt zwischen die Alveolen vor. Die- 
jenigen Alveolen, die bei Operation den grössten Teil ihrer Zellen 
eingebüsst haben, lockern sich bereits in toto aus dem übrigen 
Drüsengewebe. Gleichzeitig treten in den Zellen dieser an- 
geschnittenen Schläuche Degenerationserscheinungen auf in Form 
der Chromatolyse und der fettigen Degeneration. In dem bei 


6) H. Fischer: 


der Operation zurückgelassenen Pankreasstück macht sich eine 
Erweiterung der Kapillaren bemerkbar. Wie weit von der 
Schnittlinie entfernt das Pankreasgewebe zugrunde gehen wird, 
ist noch nicht zu sehen. Eine Demarkation ist noch nicht ein- 
getreten. Mitosen sind noch nicht zu seben; ebensowenig 
Sprossungen von seiten der Ausführungsgänge. In den Langer- 
hansschen Inseln finden sich keine Besonderheiten. Es ist hier 
also ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem Stadium von 
15 Stunden nicht zu sehen. 

3. Rana fusca d. Abgemagert. Operiert am 12. Februar 
1910, getötet am 16. Februar 1910. Verwachsungen sind nicht 
vorhanden. Magen, Duodenum und Pankreas werden in toto 
herauspräpariert und fixiert. Magen und Dickdarm sind stark 
gefüllt, ebenso die Gallenblase. Das Tier war 2 Tage vor der 
Tötung gefüttert worden. Mikroskopisch ist deutlich die Demar- 
kationslinie zwischen dem zugrunde gehenden und erhalten- 
bleibenden (Gewebe zu sehen. Es geht in diesem Falle ein keil- 
förmiges Stück mit der Basis an der Schnittlinie zugrunde. 
\Man bekommt hier den Eindruck, dass die Form und die Grösse 
des zugrunde gehenden Abschnittes bestimmt wird durch die 
Läsion der Gefässe bei der Operation: Die von der Blutversorgung 
abgeschlossenen oder in ihrer Ernährung geschädigten Bezirke 
verfallen dem Untergang. In dem zugrunde gehenden Abschnitt 
sind die bekannten Degenerationserscheinungen zu sehen. Es 
tritt bereits spärliches junges Bindegewebe im Degenerat auf. 
Die Ausführungsgänge innerhalb dieses Bezirkes gehen mit zu- 
erunde. Ebenso treten regressive Veränderungen an den Gefäss- 
wänden innerhalb des untergehenden Bezirkes auf. Die Form 
der Schläuche ist kaum noch zu erkennen. Stellenweise hat sich 
in die zugrunde gehenden Massen Blut ergossen. In der Nähe 
der Demarkationslinie sind im Parenchym einzelne Mitosen und 
Vorbereitungen zu solchen zu sehen. 

4. Rana fusca ®, operiert am 20. Oktober 1909, getötet 
am 27. Oktober 1909. Das Pankreas wird mit einem Stück 
Magen und Darm herauspräpariert und fixiert. Verwachsungen 
waren nicht vorhanden. Mikroskopisch zeigt sich wieder sehr 
deutliche Demarkation des toten vom lebenden Grewebe; sie ist 
aber makroskopisch nicht zu sehen. In der Demarkationslinie sind 
zahlreiche Leukocyten zu finden: ebenso im Degenerat. Die 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. B 


Degenerationserscheinungen sind hier noch ausgesprochener als 
im vorigen Stadium. Die noch vorhandenen Kerne schrumpfen, 
nehmen die verschiedensten Formen an, zerfallen. Zellgrenzen 
sind nicht mehr zu sehen. Um die zerfallenden Kerne herum 
liest eine von Fettropfen durchsetzte homogene Masse: die 
schrumpfenden Kerne rücken zusammen, der ganze, zugrunde 
gehende Komplex wird kleiner. Der Detritus wird zum Teil 
von Fresszellen aufgenommen und weggeschaflt. Man sieht zahl- 
reiche, mit Detritusmassen beladene freie Zellen; auch die jungen 
Bindegewebszellen beteiligen sich an dieser Phagocytose. Auf 
der anderen Seite der Demarkationslinie, im gesunden (rewebe, 
sind die Kapillaren stark erweitert, die Zellkerne der Parenchym- 
zellen zum Teil vergrössert, chromatinreich; sie färben sich 
intensiv mit Safranin. Neben diesen Vorbereitungen zur Teilung 
sieht man hier auch Mitosen. Auch kann man aus dem sofort 
in die Augen fallenden Kernreichtum an dieser Stelle auf bereits 
stattgehabte Teilungen schliessen. Ebenso finden sich in den 
kleinen Ausführungsgängen, die an dieser Stelle gelegen sind, 
Mitosen. Von den der Demarkationslinie zunächst liegenden 
Schläuchen haben sich bereits Knospen in das junge Binde- 
gewebe ausgestülpt, in deren Zellen wiederum Mitosen auftreten. 
Von den kleinen Ausführungsgängen gehen gleichfalls Sprossungen 
aus. In den grösseren Ausführungsgängen sind keine Sprossungen 
und keine Mitosen zu sehen. 

5. Rana fusca d, operiert am 8. Oktober 1909, getötet 
am 20. Oktober 1909. An der Schnittfläche ist ein scharfer. 
durchscheinender Rand zu sehen, während das übrige Pankreas 
milchweiss aussieht. Das Pankreas wird mit einem Stück Darm 
herausgeschnitten und fixiert. Aus der mikroskopischen Unter- 
suchung ergibt sich, dass hier nicht viel Gewebe an der Schnitt- 
linie zugrunde gegangen ist, da die junge Bindegewebswucherung 
an der Schnittfläche sehr gering ist. In der Nähe der Schnitt- 
linie am Rand des erhaltenen Pankreasgewebes sind in den 
Parenchymzellen viele Mitosen zu sehen, oft vier bis sechs in einem 
esichtsfeld. Selbst in den am weitesten nach dem Bindegewebe 
gelegenen Parenchymzellen sind Mitosen vorhanden. In geringerem 
Maße treten Teilungen in den Parenchymzellen des weiter ent- 
fernten Pankreasgewebes auf. In den Epithelien der Ausführungs- 
gänge sind hier Teilungen oder Zeichen einer stattgehabten Teilung 


10 IE Böstenhreme 


nicht zu finden; ebensowenig Sprossungen von seiten der Aus- 
führungsgänge. 

6. Rana fusca d, 14 Tage vor der Operation ohne Futter 
geblieben. Operiert am 8. Oktober 1909; vom 12. Oktober ab 
wurde das Tier gefüttert. Tötung am 26. Oktober 1909. Es 
waren ausgedehnte Verwachsungen zwischen Fettkörper, Leber, 
Pankreas, Magen und Darm eingetreten. Die Gallenblase war 
stark gefüllt. Der Fettkörper war auf der Mitte des Schnitt- 
randes festgewachsen. Oberhalb der Verwachsungsstelle war an 
dem Sehnittrande ein scharfer neugebildeter Rand zu sehen, 
unterhalb derselben nach dem Darm zu ein durchscheinender 
neugebildeter Zipfel an der Schnittfläche. Die mikroskopische 
Untersuchung bestätigte den makroskopischen Befund. Der 
durchscheinende Zipfel wurde so geschnitten, dass er in seiner 
Längsrichtung getroffen wurde. Auf diese Weise war das 
Regenerat in seiner Wachstumsrichtung zu übersehen und gleich- 
zeitig konnte man den Zusammenhang mit dem alten Gewebe 
übersehen. Das Regenerat setzt sich kontinuierlich aus den 
Alveolen des alten Gewebes fort in Form gewundener, anfangs 
meist solider Sprossen, die ziemlich weit in das junge, sehr zell- 
reiche Bindegewebe hineinwuchern. In den meisten hat hier 
bereits die sekundäre Lumenbildung begonnen. An den proximal 
gelegenen Stellen des Regenerates sind Lumina deutlich zu sehen, 
während die Schläuche an der distalen Seite meist noch solide 
sind. In den Parenchymzellen des Regenerates finden sich reich- 
lich Mitosen. Die Zellen des Regenerates haben im Vergleich 
mit den Zellen des alten Pankreas ein viel helleres Aussehen; 
es fehlt noch die Körnelung des Protoplasmas. In den jungen 
Zellen findet sich oft etwas Fett, doch ist diese Erscheinung nur 
vorübergehend. Ausführungsgänge sind in der Neubildung nicht 
zu sehen, ebensowenig Langerhanssche Inseln. Die neu- 
gebildeten Schläuche sind breiter und liegen noch nicht so eng 
zusammen wie im alten Pankreasgewebe; die Windungen der 
Schläuche sind weit, schleifenartig. 

7. Rana fusca Z, operiert am 8. Februar 1910, getötet 
am 7. März 1910. Verwachsungen sind nicht vorhanden. Das 
Pankreas wird exeidiert und fixiert. Das Tier war alle 2 Tage 
mit weichem Fleisch vom 12. Februar bis zur Tötung gefüttert 
worden. Bei der Tötung war der Magen stark gefüllt. Die 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 11 


mikroskopische Untersuchung ergab eine Neubildung von be- 
trächtlicher Grösse. Doch zeigten die meisten neugebildeten 
Alveolen Stauungserscheinungen. Die Alveolen waren stark 
dilatiert, die Zellen an die Wand gedrückt. In der Wand der 
erweiterten Alveolen sind zahlreiche Mitosen zu sehen. Die 
Erscheinungen sind dieselben, wie man sie nach Unterbindung 
des Ausführungsganges in den Anfangsstadien zu sehen gewohnt 


Regenerat von 18 Tagen. Es tritt sehr deutlich der Unterschied 
zwischen altem und neugebildetem Gewebe hervor; das alte ist dunkel, die 
Schläuche liegen eng zusammen; das neugebildete ist heller, die Schläuche 
sind weiter. Das neugebildete Gewebe hängt mit dem alten kontinuierlich 
zusammen. An der Schnittstelle hat sicb ein junges, an grossen Binde- 
gewebszellen reiches Gewebe ausgebreitet, in welches das Regenerat hineinragt. 
Die Umrisse der Figur sind mit dem Abbeschen Zeichenapparat genau ge- 
zeichnet, die Einzelheiten der Zellen schematisch eingetragen. Vergrösserung: 
Zeiss, Ok. 1, Obj. CC. 


ist. Nur hat hier das junge Bindegewebe der Alveolen dem 
Druck mehr nachgegeben als dies bei Unterbindung beim alten 
Pankreas der Fall ist. Das alte Pankreasgewebe in diesem 


2 HrHIischer: 


Präparate zeigt keinerlei Stauungserscheinungen. Die Ausbuch- 
tungen und Vorwölbungen der jungen Alveolen sind hier infolge 
der Nachgiebigkeit der Wand viel grösser als dies bei Stauungs- 
erscheinungen im alten Pankreasgewebe der Fall zu sein pflegt. 
wo ausser der verhältnismässig starren Wand der Alveole die 
Alveolen selbst sich gegenseitig an der Ausdehnung behindern 
und so die Zellen gewissermassen zwischen Sekret und Wand 
erdrückt werden. Ferner findet sich auf diesem Präparate noch 
eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit. In der Nähe des Re- 
generates, von diesem jedoch durch eine breite Schicht jungen 
Bindegewebes getrennt, liegt ein grösserer Ausführungsgange. 
Von diesem Ausführungsgang gehen nun Ausführungsgangssprossen 
nach dem Regenerat zu in das junge Bindegewebe hinein. Sie 
erreichen dasselbe aber nicht. In den Wandepithelien, die den- 
selben Charakter tragen wie die Epithelien des grossen Aus- 
führungsganges, sind zahlreiche Mitosen vorhanden. An der dem 
Regenerat abgewandten Seite treibt der grosse Ausführungsgang 
keine Sprossen. Bei ihrem weiteren Wachstum würden die nach 
dem Regenerat zu gesprossten Ausführungsgänge dasselbe bald 
erreichen. Es wäre dann eine Verbindung des Regenerates mit 
dem grossen Ausführungsgange hergestellt und man dürfte er- 
warten. dass die Stauungserscheinungen, falls sie nicht zu lange 
angedauert haben, sich zurückbilden würden. Die neugebildeten 
Zellen enthalten zum Teil schon wieder Sekretkörnchen. 

S. Rana fusca Z. Operiert am 20. Oktober 1909, getötet 
am 9. Dezember 1909. Zwischen Magen und Darm ist im Mesen- 
terium eine strahlenförmige Masse vorhanden, die vom Pankreas 
ausgeht und ein durchscheinendes Aussehen hat. Das Pankreas 
wird herausgenommen und fixiert. Mikroskopisch ergibt sich, dass 
ein grosser Teil des Pankreas an der Operationsstelle zugrunde 
gegangen ist. Nur ein grösserer Ausführungsgang ist innerhalb 
des zugrunde gegangenen Gewebes erhalten geblieben. An Stelle 
‚des letzteren ist ein zellreiches junges Bindegewebe getreten, in 
dem sich noch erhalten &ebliebene Pankreaskerne finden. Von 
dem erhaltenen Pankreasgewebe ausgehend, ist in dieses junge 
3indegewebe hinein eine Wucherung neuer Schläuche zu ver- 
folgen, die meist einen geraden, oft aber auch stark gewundenen 
Verlauf nehmen. Das blinde Ende dieser Schläuche liegt stets 
«dem alten Pankreasgewebe abgewandt. Diese Neubildung geht 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 15 


auf der ganzen Linie des alten Pankreas, soweit es an das Binde- 
gewebe angrenzt, vor sich, und zwar stehen die jungen Schläuche 
mit den alten in Verbindung. Von dem grossen Ausführungs- 
gang, der von der Neubildung durch eine breite Strecke jungen 
Bindegewebes getrennt ist, sind an der der Neubildung zugekehrten 
Seite Sprossungen ausgegangen, die, meist gerade auf das Regenerat 
zustrebend, dasselbe bereits an mehreren Stellen erreicht haben. 
Andere gesprosste Gänge sind noch nicht soweit gelangt. In 
ihnen finden sich noch lebhafte Mitosen. An der dem hegenerat 
abgewandten Seite treibt auch dieser Ausführungsgang keine 
Sprossen, trotzdem er auch an dieser Seite von reichlichem 
jungem Bindegewebe umgeben ist. Stauungserscheinungen sind 
in diesem Regenerat nicht vorhanden. In den Schläuchen, die 
am weitesten in das junge Bindegewebe hineinragen, ist ein 
Lumen oft noch nicht zu sehen. 

9. Rana fusca d. Operiert am 4. Januar 1910. Es wurde 
ein Pankreasstück, stark ein Drittel, parallel dem Ausführungs- 
sang dicht an demselben entlang bis zu seiner Einmündungsstelle 
in den Darm weggeschnitten. Am 21. März wurde das Tier ge- 
tötet. Die linke Bauchwand war mit einem Teile des Magens 
verwachsen. Im Mesenterium, zwischen Magen und Duodenum, 
ist eine grosse Lücke, die wahrscheinlich von der Operation her- 
rührt. Das Pankreas selbst zeigt ein sehr starkes Regenerat. 
Dieses hat sich hauptsächlich nach dem Darm zu ausgedehnt und 
die Darmwand wulstförmig überlagert. Das alte Pankreas ist 
mit einem Teil der Schnittfläche mit dem Darm verwachsen: 
dadurch wird wahrscheinlich das Regenerat eine etwas ausser- 
gewöhnliche Richtung genommen haben. Der ganze, auf dem 
Darm liegende Wulst ist Neubildung. Unter normalen Verhält- 
nissen ist er überhaupt nicht vorhanden, und das Pankreas hat 
an der Stelle, wo es von der Leber herunterkommend den Darm 
berührt, bei weitem nicht die Breite, die es hier zeigt. Die 
Oberfläche des Regenerats war bei Herausnahme des Pankreas 
aus der Bauchhöhle mit kleinen Höckerchen vollständig besetzt. 
Dieselben traten durch die Fixierung mehr zurück. Bei der 
mikroskopischen Untersuchung zeigte sich, dass diese Höckerchen 
von sprossenartigen Ausbuchtungen der Alveolen gebildet wurden, 
in denen sich auch noch Mitosen fanden. Der ganze Wulst 
besteht aus wohlausgebildeten Pankreasschläuchen, die im Ver- 


14 EISaRWUISıcHhYesteE 


gleich mit altem Pankreas ein helleres Aussehen und einen ge- 
streckteren Verlauf haben. Durch Ausführungsgänge mittlerer 
Grösse steht die Neubildung mit dem grossen Ausführungsgang 
in Verbindung. In der Richtung nach dem Magen zu sind noch 
Wachstumserscheinungen sichtbar, wenn auch in geringem Maße. 
Langerhanssche Inseln sind in der Neubildung nicht vorhanden. 

Der Verlauf der Regeneration gestaltet sich somit unter 
/ugrundelegung der beschriebenen Versuche am Frosch folgender- 
massen: Wenn man am Pankreas eines Frosches auf operativen 
Wege ein grösseres Stück Pankreasgewebe entfernt, so wird die 
Schnittfläche zunächst von einem Blutgerinnsel bedeckt. An der 
Sehnittfläche selbst wird das Pankreasgewebe mehr oder weniger 
geschädigt; sei es durch mechanische Insulte bei der Operation, 
sei es, dass durch die Operation Ernährungsstörungen für be- 
stimmte angrenzende Partien geschaffen werden. Das auf diese 
Weise an der Schnitttläche veränderte Pankreasgewebe demarkiert 
sich bald von dem gesunden. Schon nach “einigen Tagen ist 
deutlich zu sehen, wie weit die Schädigung das Gewebe befallen 
hat. Es treten nun Erscheinungen auf, die darauf hindeuten, 
dass das Gewebe sich nicht erholen wird. Die Zellen entarten 
fettig, die Kerne zerfallen: es bildet sich eine Detritusmasse. 
Diesen Veränderungen verfallen Parenchymzellen, Inseln und meist 
auch die Ausführungsgänge in gleicher Weise. Leukoeyten und 
junge Bindegewebszellen erscheinen und beladen sich reichlich 
mit Körnchen des zerfallenen Gewebes. Das auf der Schnitt- 
tläche befindliche Blutgerinnsel wird auf dieselbe Weise fort- 
geschafft. Binnen kurzem ist das alte Gewebe vollständig be- 
seitigt und an seiner Stelle fängt ein junges Bindegewebe mit 
vielen grossen, protoplasmareichen Zellen an sich zu bilden. 
Inzwischen sind an dem erhaltenen Pankreas als Reaktion auf 
den Eingriff ebenfalls Veränderungen vor sich gegangen. Im 
Parenchym und auch in den Ausführungsgängen treten anfangs 
spärlicher, dann reichlicher Mitosen auf. Am lebhaftesten sind 
diese Proliferationsvorgänge in der Nähe der Demarkationslinie ; 
es beteiligt sich aber, wenn auch weniger lebhaft, das ganze 
Pankreas an denselben. In den der Demarkationslinie zunächst 
gelegenen Schläuchen vermehren sich die Parenchymzellen lebhaft, 
infolgedessen vergrössert sich die Alveole, das Lumen wird weiter. 
Bald buchten sich diese Alveolen an einzelnen Stellen aus, es 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 15 


entstehen Knospen, die in das junge Bindegewebe hineinragen 
und ihrerseits wiederum Seitenzweige abgeben können. So bildet 
sich in dem jungen Bindegewebe ein Gewirr von bald gerade 
verlaufenden, bald grosse Schleifen bildenden jungen Pankreas- 
schläuchen, die mit den Älveolen des alten Gewebes kontinuierlich 
zusammenhängen. Diese jungen Pankreasstränge sind vielfach 
anfangs solid; ein Lumen bildet sich erst sekundär aus. Die 
neugebildeten Pankreaszellen haben, wie das bei ihrer Herkunft 
nicht anders zu erwarten ist, sofort das charakteristische Aus- 
sehen von Parenchymzellen; nur sind sie anfangs heller und 
grösser als die Zellen des alten Gewebes. In ihrem Protoplasma 
finden sich vorübergehend kleinste, mit Flemmingscher Flüssig- 
keit sich schwarzfärbende Partikel. Allmählich wird das Proto- 
plasma dunkler; es erscheinen Zymogenkörnchen in demselben. 
bei der sekretorischen Tätigkeit dieser neugebildeten Schläuche 
kommt es nun infolge der vielen Windungen, die dieselben machen, 
und der weiten Entfernung vom Ausführungsgang leicht zu 
Abknickungen der Schläuche und zur Stauung des Sekretes. 
Diese Abknickungen werden noch dadurch begünstigt, dass die 
einzelnen Schläuche nicht, wie beim alten Pankreas, eng neben- 
einander gelagert sind und sich so gegenseitig ihre Lage zuweisen. 
Der beschriebene Prozess wird in gleicher Weise durch die 
Dehnbarkeit des jungen Bindegewebes gefördert. Eine solche 
Stauung sehen wir im Regenerationsstadium 7. In den Fällen, 
wo man eine Stauung beim alten Pankreasgewebe künstlich durch 
Unterbindung des Ausführungsganges hervorruft, äusserst sie sich 
ın einer Erweiterung der Ausführungsgänge und der Lumina der 
Schläuche. Die Pankreaszellen werden dabei zwischen dem Sekret 
und der wenig nachgiebigen Tunica propria gedrückt, sie werden 
flach und atrophieren schliesslich. Die Stauungserscheinungen in 
dem jungen Pankreasgewebe verlaufen etwas anders. Hier besitzt 
die Tunica propria noch eine grosse Nachgiebigkeit, sowohl wegen 
ihres jugendlichen Alters, als auch aus dem Grunde, weil sie noch 
nicht durch benachbarte Alveolen an ihrer Ausdehnung gehindert 
wird, wie dies beim alten Pankreas der Fall ist. Infolgedessen 
wird bei der Stauung des Sekretes die Aveole mehr in toto aus- 
gedehnt; die Tunica propria gibt dem Druck nach: die Zellen 
der Wand werden weit weniger affıziert wie beim alten Pankreas. 
bei sehr lange bestehender Stauung wird schliesslich auch hier 


16 H. Rischer: 


Atrophie eintreten müssen. Dieselbe würde ausbleiben, wenn 
zeitig eine Verbindung der Ausführungsgänge mit den neuge- 
bildeten (rewebeschläuchen zustande käme. In dem vorliegenden 
Falle scheint mir eine solche bereits angebahnt zu sein. Das 
Rtegenerat hat sich hier hauptsächlich an einer Seite der Schnitt- 
fläche entwickelt. An der entgegengesetzten Stelle liegen dicht 
an der Schnittlinie zwei grössere Ausführungsgänge. Die Lücke 
zwischen der distalen Spitze des Regenerates und der Stelle, wo 
sich die beiden grossen Ausführungsgänge befinden, ist mit jungem 
Bindegewebe angefüllt. In dieses junge Bindegewebe hinein haben 
die beiden grossen Ausführungsgänge je einen kleineren Aus- 
führungsgang geschickt, gerade auf den gestauten, neugebildeten 
Pankreaskomplex zu. Wie sich aus den Schnittserien ergibt, 
haben dieselben das hegenerat noch nicht erreicht, sind aber 
auch nicht weit mehr davon entfernt. In der Wand dieser 
Sprossen finden sich Mitosen; das Epithel der beiden jungen 
Gänge ist noch dasselbe Epithel, wie das der Gänge, aus denen 
sie hervorgegangen sind. Bei weiterem Wachstum würden diese 
Ausführungsgangssprossen bald das Regenerat erreicht haben. 
Im Regenerationsstadium S ist eine Verbindung zwischen einem 
von einem grösseren Ausführungsgang ausgehenden Spross und 
einer neugebildeten Alveole zu sehen. Von dem im Querschnitt 
getroffenen Spross zu der betreffenden Alveole zieht ein schmales, 
zweireihiges Band, in dem kaum ein Lumen zu sehen ist: die 
Verbindungsstelle dieses Bandes mit der Alveole ist ungefähr am 
blinden Ende derselben. An der Stelle. wo das Band von dem 
quergetroffenen Ausführungsgang abgeht, finden sich zahlreich 
Mitosen. Die Verbindung zwischen Alveole und Ausführungsgang 
ist hier bereits fertig, so dass sich mit Bestimmtheit nicht 
aussagen lässt, von wo sie ausgegangen ist; es scheint mir 
wahrscheinlicher, vor allem wegen des Charakters der das Ver- 
bindungsband bildenden Zellen, dass die Verbindung von dem 
Ausführungsgang ausgegangen ist. Stadien, in denen die Ver- 
bindung zwischen einem kleineren Ausführungsgang und einer 
Alveole durch ein solches Band angebahnt, aber noch nicht 
vollendet war, habe ich nicht beobachten können. Es kann daher 
die oben ausgesprochene Vermutung nur einen gewissen Grad von 
Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Auftallend an diesen Präparaten 
ist, dass sich die Ausführungsgangssprossen stets nur an der dem 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 17 


Regenerat zugewandten Seite grösserer, durch Bindegewebe vom 
Regenerat getrennter Ausführungsgänge entwickeln, nie nach der 
abwärts vom Regenerat gelegenen Seite, trotzdem reichlich Ge- 
legenheit zur Sprossung auf dieser Seite gegeben ist. Es legt 
dies die Vermutung nahe, dass hier vielleicht chemotaktische Ein- 
tlüsse eine Rolle spielen. Das auf die vorhin geschilderte Weise 
entstandene neue Pankreasgewebe vermag, wie aus Stadium S 
und 9 hervorgeht, umfangreiche Teile des Pankreas zu ersetzen. 
Langerhanssche Inseln habe ich bei der Regeneration nie 
entstehen sehen. 

Wie aus dem Gesagten hervorgeht, ist eine Regeneration 
von echtem Pankreasgewebe bei Rana fusca möglich, und zwar 
entwickelt sich das neue Pankreasgewebe aus den Parenchym- 
zellen, im vorliegenden Falle nur aus diesen. Eine Verbindung 
der Ausführungsgänge mit dem neugebildeten Parenchym entsteht 
wahrscheinlich sekundär. Kyrle,!) der die Regeneration des 
Pankreas bei Hunden und Meerschweinchen studierte, ist in bezug 
auf die Herkunft des neugebildeten Gewebes zu ganz anderer 
Anschauung gelangt. Er leitet den weitaus grössten Teil des 
neugebildeten Gewebes von den Ausführungsgängen ab. Er findet 
als erstes Zeichen der Regeneration lebhafte Teilung in den Zellen 
der Ausführungsgänge. Infolge dieser Teilung wird das Epithel 
mehrschichtig. Später entstehen an der Basalmembran Aus- 
buchtungen, schliesslich Knospen und junge Gangsprossen. Be- 
sonders stark sind diese Vorgänge in der Nähe des Operations- 
feldes. Etwas später als die Mitosen in den Ausführungsgängen 
treten dieselben im Parenchym auf, ebenso auch in den Langer- 
hansschen Inseln. Die Teilungsfiguren werden bei grösserem 
Zeitabstand von der Operation immer reichlicher, in den Inseln 
jedoch nicht so reichlich wie im Parenchym. Am 4.—5. Tage 
p. 0. erreichen diese Erscheinungen ihren Höhepunkt. Nach 
40 Tagen sind nur noch hier und dort Mitosen zu sehen. Die 
von den Ausführungsgängen ausgehenden Sprossen verästeln sich 
immer mehr. Das Lumen wird sehr eng und ist mitunter 
anscheinend verschwunden. Währenddessen sind in zahlreichen 
Epithelzellen des neugebildeten Komplexes Zymogenkörnchen auf- 
getreten; die neugebildeten Zellen der Gangsprossen bilden sich 


Dislres 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. 2 


15 H. Fischer: 


zu Parenchymzellen um. Diese Wucherung der Gangepithelien und 
die sekretorische Umdifferenzierung ist am lebhaftesten in der 
Nähe des Wundbezirks zu sehen und zwar am 4.—5. Tage p. o. 
Die regenerativen Vorgänge am Parenchym treten dazu erheblich 
zurück. Kyrle berichtet nichts von einer Bildung neuer Schläuche 
aus Parenchymzellen. 

Ich habe bei meinen Untersuchungen das Epithel der Aus- 
führungsgänge nie mehrschichtig,werden sehen, auch waren die 
Mitosen zu spärlich, um solches auf dem Wege der Zellteilung 
möglich zu machen. Sprossungen von seiten der Ausführungs- 
gänge traten in meinen Präparaten erst im späteren Verlauf der 
Itegeneration auf, wenn bereits neu gebildetes Grewebe vorhanden 
war. Ich habe aus gewucherten Ausführungsgängen nie Parenchym- 
zellen hervorgehen sehen. Wenn ich die der Arbeit von Kyrle 
beigefügte Fig. 4, die ein Regenerat darstellt, mit dem von ihm 
in Fig. 2 dargestellten normalen Pankreas vergleiche, so macht 
es mir allerdings den Eindruck, als ob diese neugebildeten Zellen 
nicht durch Teilung von Parenchymzellen entstanden wären. Ich 
komme aber bei Betrachtung dieser beiden Abbildungen auch zu 
der Ansicht, dass diese neugebildeten Zellen keine vollwertigen 
Parenchymzellen sind und muss infolgedessen die von Kyrle 
erzielte Regeneration für unvollkommen halten. Normale Pankreas- 
zellen sind das nicht, wie man leicht durch einen Vergleich der 
Kvrleschen Figuren 2, 3 und 4 ersehen kann. Sie erreichen 
nur eine gewisse Ähnlichkeit mit Pankreaszellen. Eine solche 
unvollkommene Regeneration eines parenchymatösen Gewebes von 
Ausführungsgängen, also nahe verwandten Zellen, ist aber, wie 
wir dies von der Regeneration der Speicheldrüsen wissen, wohl 
möglich. Ich halte daher die Ansicht Kyrles, dass das bei 
seinen Versuchen erzielte Regenerat ein Produkt der Ausführungs- 
gänge sel, für richtig, kann ihm aber nach seinen Abbildungen 
nicht darin beipflichten, dass das regenerierte (rewebe echtes 
Pankreasgewebe sei. 

Dass das bei meinen Versuchen erzielte Regenerat aus 
echten Pankreaszellen besteht, daran kann gar kein Zweifel 
bestehen. Abgesehen von der direkten Beobachtung der Ent- 
stehung der neuen Schläuche machen auch andere Gründe die 
Entstehung aus Ausführungsgängen ganz unmöglich. Meine 
tegenerate verlaufen so, dass sie sich kontinuierlich aus dem 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 19 


alten Gewebe fortsetzen, so dass sie nur durch ihren anfänglichen 
‚Charakter, den ich oben geschildert habe, und ihr junges Grund- 
‚gewebe von dem alten Gewebe sich abheben. Lücken zwischen 
altem und jungem Gewebe sind nicht vorhanden. Die Zahl der 
bei meinen Versuchen an der Schnittlinie gelegenen Ausführungs- 
gänge grösseren bis kleinsten Kalibers war, wie sich bei den 
ersten Stadien zeigte, sehr gering. Wenn sich nun aber wirklich 
‚aus diesen Ausführungsgängen das Regenerat entwickelt hätte, 
so müssten stellenweise Lücken zwischen den einzelnen Regene- 
yationspunkten entstehen; das Regenerat könnte sich nicht gleich- 
mässig in der ganzen Breite der Schnittfläche, sondern nur dort, 
wo Ausführungseänge vorhanden waren, entwickeln. Es müssten 
also auf der Schnittfläche verschiedene, kleine Regenerate ent- 
stehen, die unter einander grösseren Abstand besitzen. Es 
müssten Lücken zwischen altem und neuem Gewebe entstehen, 
weil die gewucherten Ausführungsgänge nicht gleich bei ihrem 
Übertreten über das Niveau der Schnittfläche diese in ihrer ganzen 
Breite überwuchern können und andererseits die Epithelien der 
Ausführungsgänge kaum die Fähigkeit besitzen dürften, sich 
gleich beim Übertritt über die Schnittfläche in Pankreaszellen 
umzudifferenzieren. Sie könnten dies nur allmählich tun. Man 
müsste also nahe dem alten (Gewebe Ausführungsgangsepithelien in 
der Neubildung finden, dann Zellen, die ein Mittelding zwischen 
Ausführungsgangsepithelien und Parenchymzellen darstellen, und 
schliesslich weiter distal echte Pankreaszellen finden. Von alledem 
ist aber in meinen Präparaten keine Spur zu sehen. Junge, 
echte Pankreaszellen schliessen sich hier direkt an die alten in 
der Höhe der Schnittfläche an. 

Dass eine Regeneration verloren gegangener Pankreaselemente 
aus den Parenchymzellen möglich ist, geht daraus hervor, dass 
das Pankreas unter normalen Verhältnissen seine sekretorischen 
Elemente aus den Parenchvmzellen ergänzt, nicht aus den Aus- 
führungsgängen, wie dies M. Nussbaum nachgewiesen hat.') 
Aber nicht nur den unter normalen Verhältnissen nötigen Bedarf 
deckt das Pankreas durch Vermehrung der Parenchymzellen; auch 
wenn nach Verkleinerung der sekretorischen Oberfläche, wie sie 
z.B. nach langem Hungern entsteht, grössere Anforderungen an 


1) Arch. f. mikr. Anat., Bd. 21, p. 296, 1882. 


20 H. Fischer: 


das Pankreas gestellt werden, als der Menge der sezernierenden 
Elemente entsprechen, auch dann sucht das Pankreas dieses Minus 
durch Teilung der Parenchymzellen auszugleichen. Ja, ich besitze 
Präparate vom Pankreas eines Tieres, das vor der Tötung be- 
stimmten Bedingungen unterworfen worden war, auf die ich ın 
einer weiteren Arbeit eingehen werde, wo in fast jedem Gresichts- 
feld mehrere Mitosen in Parenchymzellen zu sehen sind, in den 
Ausführungsgängen keine. Diese Fälle zeigen, dass das Pankreas 
auch einen aussergewöhnlich grossen Bedarf von sekretorischen 
Zellen aus den noch vorhandenen zu decken vermag und auch 
wirklich deckt. Eine Bildung von Parenchym von den Aus- 
führungsgängen kommt dabei nicht vor. 

Cipollina!) sah ebenfalls keine Sprossung von seiten der 
Ausführungsgänge; wohl aber in einigen Fällen einen Versuch 
zur Sprossung des noch vorhandenen Parenchyms. 

Die Arbeit von Martinotti”) war mir leider nicht zugäng- 
lich. Ich habe seine Ergebnisse bereits vorhin nach einem Referat 
im Centralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie angeführt. Es geht aus dem Referate nicht mit Be- 
stimmtheit hervor, ob Martinotti das Regenerat aus den 
Parenchymzellen oder den Ausführungsgängen entstehen lässt. 
Auch er erzielte ein grosses Regenerat. 

Kyrle fand, dass sich aus den Ausführungsgängen bei der 
Regeneration auch neue Langerhanssche Inseln entwickeln. 
Er schildert den Vorgang folgendermassen: „Ist ein solches (von 
einem Ausführungsgang gesprosstes) Kanälchen zu einer gewissen 
Entwicklungshöhe gelangt, so kommt es in demselben nicht zur 
Ausbildung eines Endstückes und die Zellen wandeln sich nicht 
in zymogenhaltige um; vielmehr beginnt der Ausführungsgang 
eine Schleife zu bilden, von welcher wieder neue Knospen aus- 
sprossen; letztere bleiben solid, lumenlos und liegen anscheinend 
regellos zwischen den Schenkeln der Grangschleife: das Form- 
sebende für diese (Gebilde scheint das Gefäßsystem zu sein. Es 
dringen nämlich kleinste Gefässchen von durchweg kapillarem 
Charakter in diese Zellkomplexe ein, verzweigen sich zwischen 
denselben und bilden so gleichsam ein Netz, in dessen Lücken 
die zelligen Elemente in kleinen Gruppen vereint lagern. Das 
SEE 


I: @: 
A are 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 21 


ganze Gebilde ist eine junge, frisch gebildete Insel.“ Die ersten 
Inselanlagen datiert Kyrle auf den 4.—5. Tag p.o. In S—10 Tagen 
sind die Inseln ausgebildet. In Figur 7 hat Kyrle eine solche 
junge, frisch gebildete Insel abgebildet und er bemerkt in seiner 
Figurenerklärung zu dieser jungen Insel: „Junge Insel, die sich 
in nichts von normaler unterscheidet.“ Eine normale Insel hat 
er in Fig. 3 abgebildet. Beim Vergleich dieser beiden Figuren 
kann ich der der Fig. 7 beigefügten Erklärung absolut nicht 
beipflichten. Meiner Meinung nach unterscheidet sich die neu- 
gebildete Insel von der normalen in allem, ausser in der äusseren 
Form. Ich muss den Leser bitten, selbst einen Vergleich zwischen 
diesen beiden Figuren anzustellen. Die von Kyrle abgebildete 
normale Insel besteht aus epithelialen, polygonalen, eng aneinander- 
gefügten Zellen, die reichlich Protoplasma und einen grossen 
runden Kern besitzen. Im Gegensatz hierzu trägt Fig. 7 einen 
durchaus bindegewebigen Charakter; es ist ein jugendliches, an 
Zwischensubstanz und Zellen reiches Bindegewebe, genau so wie 
Kyrle es in Fig. 4 zwischen dem regenerierten Drüsengewebe 
gezeichnet hat. Blutgefässe, die nach Kyrle das „Formgebende 
für diese Gebilde zu sein scheinen“, sind in der jungen Insel 
überhaupt nicht zu sehen. Ich kann nach dem Gesagten die 
Deutung solcher Gebilde nicht anerkennen. Bei meinen Ver- 
suchen ist etwas derartiges nie aufgetreten. 


II. Transplantation. 


Das Gelingen einer Transplantation ist von den ver- 
schiedensten Momenten abhängig. Zunächst von der Art des zu 
verpflanzenden Gewebes; es gibt Gewebe, die sich leicht über- 
pflanzen lassen; bei anderen scheint dies nicht möglich zu sein. 
Im allgemeinen darf man wohl sagen, dass, je höher ein Gewebe 
differenziert ist, es sich um so schwieriger transplantieren lässt. 
Ein zweiter wesentlicher Faktor für das Gelingen der Trans- 
plantation sind die Ernährungsbedingungen, die das transplantierte 
Stück auf der neuen Unterlage findet. Ist es möglich, das Trans- 
plantat mit dem Mutterboden noch für einige Zeit durch eine 
Brücke in Verbindung zu lassen, so wird der Erfolge der Trans- 
plantation sicherer sein, da inzwischen neue Gefässe von dem 
neuen Boden aus in das Transplantat eindringen können und 
dasselbe auf diese Weise beim Durchschneiden der Brücke in 


>23 H. Fischer: 


seiner Ernährung nicht beeinträchtigt wird. Ferner ist es nicht 
gleichgültig, ob das zu transplantierende Gewebe von demselben 
Tier, einem Tier derselben Art oder einem artfremden Tier ge- 
nommen wird. Am günstigsten sind die Bedingungen bei Über- 
ptlanzung von Gewebe bei ein und demselben Individuum (Auto- 
transplantation), am ungünstigsten bei der Heterotransplantation. 
der Überpflanzung von Gewebe eines Individuums auf ein art- 
fremdes. In der Mitte steht die Homoiotransplantation, die Über- 
tragung von Gewebe eines Individuums auf ein anderes derselben 
Art. Auch das Alter spielt bei der Transplantation eine grosse 
Rolle. Bei Embryonen und jungen Tieren ist der Erfolg ein 
besserer als bei alten Tieren. Phylogenetisch tiefer stehende 
Tiere eignen sich viel besser als höher stehende, so z. B. schon 
tiefer stehende Wirbeltiere besser als höher stehende. Ferner 
ist die Grösse des zu verpflanzenden Stückes nicht ohne Be- 
deutung, worauf M. Nussbaum aufmerksam gemacht hat. 
Kleinere Stücke werden auf dem neuen Boden eher günstigere 
Ernährungsbedingungen finden als grössere. Dass schliesslich 
auch die Beschaffenheit des Bodens, auf den verpflanzt werden 
soll, von grosser Bedeutung für das Gelingen der Transplantation 
ist, braucht kaum besonders erwähnt zu werden. 

An drüsigen Organen sind Transplantationen teils aus 
theoretischem, teils aber auch aus praktischem Interesse öfter 
ausgeführt worden; aus letzteren Gründen hauptsächlich mit der 
Schilddrüse und der Niere; aus rein theoretischen Gründen bisher 
mit Ovarien und Hoden. Doch dürfte letztere wohl mit der Zeit 
auch den Praktiker interessieren, seitdem man weiss, dass die 
Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale an das Vor- 
handensein der Keimdrüsen gebunden ist. Drüsen sind Organe, 
die ein Sekret liefern und dieses entweder durch einen Aus- 
führungsgang nach aussen entleeren oder bei Drüsen mit innerer 
Sekretion dieses ans Blut abgeben. Es liegt nun auf der Hand, 
dass ein Organ um so eher an der neuen Stelle wird existieren 
können, wenn es unter dieselben äusseren Bedingungen gebracht 
wird, die es auf seinem Mutterboden hatte. Auf die Drüsen 
angewandt, werden diese besser existieren können, wenn sie das 
von ihnen gelieferte Sekret in gewohnter Weise entleeren können, 
entweder durch einen Ausführungsgang oder bei Drüsen mit 
innerer Sekretion ins Blut. Diese letztere Möglichkeit ist nun 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 23 


bei der Transplantation viel leichter zu erreichen als die erstere. 
Infolgedessen sind die Verpflanzungen bei Drüsen mit innerer 
Sekretion viel erfolgreicher gewesen als die bei den übrigen 
Drüsen. Allerdings ist die Frage, ob und inwieweit das Vor- 
handensein des Ausführungsganges für die Existenz der Drüse 
in Betracht kommt, zurzeit noch unentschieden. Man hat auf 
die sogenannten Nebenlebern, das Nebenpankreas hingewiesen, 
wo man einen Ausführungsgang nicht nachgewiesen hat. Damit 
ist allerdings noch nicht erwiesen, dass kein solcher vorhanden war. 
Gerhartz!) beobachtete bei Nebenlebern und akzessorischen 
Hoden Ausführungsgänge. 

Der Vorgang bei der Transplantation ist im allgemeinen 
so, dass nicht das ganze transplantierte Stück anwächst. Ein 
Teil geht meist zugrunde; ein anderer, der unter günstigere 
Lebensbedingungen gebracht worden ist, bleibt erhalten. Von 
diesem geht dann die Neubildung aus. 

Für die Transplantation von Schilddrüsengewebe gibt Curt 
Sultan?) folgendes an: In den Frühstadien (1.—6. Tage) zeigt 
sich zentral Nekrose, peripher sieht man Reihen gut erhaltener 
Follikel.e. Die Lumina sind mit homogenen Massen erfüllt. Alle 
Frühstadien zeigen Kerne, die sich schlecht färben, was als Zeichen 
beginnender Nekrose zu deutetn ist. Die alten Gefässe zeigen 
kollabierte Lumina. Nach Injektion mit Berlinerblau traten nach 
7 Tagen zentrale Nekrosen auf, die jedoch weniger ausgedehnt 
waren wie früher. Die grössten erhaltenen Follikel liegen zu- 
nächst der Peripherie; das Epithel zeigt vereinzelte Mitosen. 
Nach 14 Tagen ist von der zentralen Nekrose nichts mehr zu 
sehen. Bei Transplantaten von 53 Wochen kann man drei kon- 
zentrisch angeordnete Gruppen unterscheiden. Die äussere Schicht 
enthält Follikel von verschiedener Grösse, wobei die grössten am 
meisten exzentrisch liegen. Darauf folgt eine Schicht von Epithel- 
massen, die teils ganz ungeordnet daliegen und von Kapillaren 
und spärlichem Bindegewebe durchwachsen sind, teils durch gefäss- 
führende Septen abgetrennt werden. In dieser Schicht kommen 
sehr viel Mitosen vor. Die Mitte des Transplantates wird ge- 


Bd. XXVIIL, 1906. 
°?, Curt Sultan. Zur Histologie der transplantierten Schilddrüse. 
(Referat im Centralblatt für Pathologie, 1898.) 


24 H. Fischer: 


bildet von Bindegewebe, das an Stelle der nekrotischen Massen 
getreten ist und von Gefässen durchzogen wird. Die äussere 
Schicht nimmt mit zunehmendem Alter an Mächtigkeit zu, und 
zwar auf Kosten des undifferenzierten Epithels. Die Regeneration 
scheint parallel der Versorgung mit (Gefässen fortzuschreiten. 

Wir sehen also, dass diejenigen Elemente zunächst erhalten 
bleiben, die solange mit Lymphe umspült werden, bis neue Gefässe 
in das Transplantat eingedrungen sind. Mit zunehmendem Vor- 
dringen neuer Gefässe wird der Nekrose Einhalt getan: das noch 
überlebende Gewebe erholt sich und liefert das Regenerat. 

Transplantationen mit Pankreasgewebe sind unter anderem 
gemacht worden von Gley, Thiroloix und Hedon. Gley') 
stellte in der Sitzung der Societe de Biologie in Paris vom 
13. Juli 1392 einen Hund vor, bei dem er Pankreas durch eine 
Brücke mit dem Hauptpankreas verbunden unter die Haut trans- 
plantiert hatte. Das betreffende Stück sezernierte nach Durch- 
trennung der Brücke weiter. Nach seinen Angaben gelingt die 
Transplantation stets, wenn nur ein Gefäßstiel lange genug erhalten 
bleibt. In derselben Weise operierte anfangs auch Thiroloix, 
der später?) auch zu Homoiotransplantationen überging. Es 
trat bei den transplantierten Stücken stets, nachdem sie noch 
eine Zeitlang Sekret entleert hatten, schliesslich Atrophie ein. 
Ssobolew°) transplantierte gleichfalls Pankreasgewebe bei 
Hunden. Er fand 50 Tage nach der Operation im Transplantat 
noch Langerhanssche Inseln. Nach 130 Tagen fand er an Stelle 
der transplantierten Drüse sehr kleine graue Knötchen, die aus 
Resten von Ausführungsgängen und einer geringen Anzahl von 
Inseln bestanden. Genauere Angaben über die Vorgänge bei der 
Transplantation macht er nicht. 

Der erste, der die Vorgänge bei der Transplantation von 
Pankreasgewebe näher verfolgte, ist meines Wissens Kyrle.’) 
Er implantierte bei Hunden Pankreasstückchen in die Milz. 
Kyrle unterscheidet bei der Transplantation zwei Phasen: 
zunächst degenerative Prozesse und daran anschliessend regene- 

') Gley. Sitzungsbericht der Societe de Biologie in Paris, 1892. 

®, Thiroloix. Sitzungsbericht der anatomischen Gesellschaft, Paris, 
Sitzung vom 2. Dez. 1892. 

>) Ssobolew. Virchows Archiv, Bd. 168. 

2) SRyar lie, Al.0c: 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 215 
rative. In den ersten Tagen p. 0. erweitern sich die Ausführungs- 
eänge, und zwar ausschliesslich die grossen. Das Epithel bleibt 
unverändert. Am 7.—S. Tage beginnen Abbauerscheinungen im 
Parenchym. Im Zellprotoplasma zeigen sich kleinste Fettröpfchen : 
es beginnt die fettige Degeneration des Parenchyms. Auf diese 
Weise wird das ganze Parenchym vernichtet. Am Ende des 
ersten Monats nach der Operation ist von dem Parenchym nichts 
mehr übrig. Dafür tritt aber eine lebhafte Sprossung von seiten 
der Ausführungsgänge auf. Es entstehen Kanäle mit sekretorisch 
differenzierten Endstücken. Diese von den Ausführungsgängen 
ausgehende Regeneration hält aber dem weiter um sich greifenden 
Schwund nicht stand. An Stelle des zugrunde gegangenen Paren- 
chyms entwickelt sich Bindegewebe, das immer weiter um sich 
greift und das neu entstehende Gewebe überwuchert und ver- 
nichtet. Es dürfte schliesslich von dem neu gebildeten Gewebe 
wohl nichts mehr übrig bleiben. Die von Kyrle beigefügte 
Zeichnung (5), ein Übersichtsbild, lässt leider Einzelheiten im 
transplantierten Gewebe nicht erkennen. Der Vorgang bei der 
Transplantation ist also nach Kyrle kurz folgender: Untergang 
sämtlichen sekretorischen Parenchyms und Sprossung und Neu- 
bildung funktionsfähigen Parenchyms ausschliesslich von seiten 
der Ausführungsgänge. 

Meine Transplantationsversuche mit Pankreasgewebe wurden 
an Fröschen, meist Rana fusca, auch einigen Exemplaren von 
Rana esculenta und Tritonen (Triton taeniatus und cristatus) aus- 
geführt. Ich habe sowohl Auto- wie Homoiotransplantationen 
ausgeführt; Heterotransplantationen habe ich nicht gemacht. Von 
der Tatsache ausgehend, dass ein transplantiertes Stück auf einer 
gleichartigen Grundlage eher anwächst, habe ich anfangs auf die 
der Bauchhöhle zugewandte Seite des Peritoneum parietale trans- 
plantiert, bei dem ersten Versuch mittels einer Brücke, dann 
ohne eine solche. Später führte ich auch Transplantationen in 
den Rückenlymphsack der Tiere aus. Bei sämtlichen Arten der 
Transplantation war der Erfolg ein günstiger. Die Operationen 
wurden in folgender Weise vorgenommen: Sämtliche Tiere 
wurden mit vollständig leerem Magen und Darm 
operiert: die Frösche ohne Narkose, die Tritonen in Äther- 
narkose. Um bei der Operation nicht durch die aufgeblähten 
Lungen behindert zu werden, wurde den Fröschen nach Adolf 


96 H. Kischer: 


Nussbaum ein Pfropf Fliesspapier in den Mund gesteckt, und 
so der Mund offen gehalten. Es ist nämlich durch Townson 
und A. Nussbaum!) bekannt, dass bei geöffnetem Mund die 
Atmung des Frosches sistiert und die Lungen kollabieren. Die 
Tiere wurden von einem Assistenten an Beinen und Kopt ge- 
halten und dem Öperierenden so in jede gewünschte Lage ge- 
bracht. Dann wurde auf der linken Bauchseite ein etwa 1 cm 
langer Hautschnitt angelegt. Die unter dem Messer zurück- 
weichende Muskulatur wurde mitsamt dem Bauchfell mit der 
Schere durchtrennt. Mittels eines Hakens wurden dann Magen 
und Duodenalschlinge vor die Bauchwunde gezogen. Dabei wird 
das Pankreas innerhalb der Duodenalschlinge bis zur Leber 
sichtbar. Der weitere Gang der Operation richtet sich danach, 
ob mittels Brücke oder ohne eine solche transplantiert werden 
soll. Das Protokoll über den Frosch, bei dem ich mittels Brücke 
transplantierte, verzeichnet über die Operation folgendes: 

8. Februar 1910. Rana fusca d, gut genährt:; vor der Operation 
längere Zeit ohne Futter. Bei der Operation sind der vor die 
Bauchwunde gezogene Magen und der Dünndarm leer. Der in 
der Duodenalschlinge nach dem Magen zu befindliche Pankreas- 
zipfel wird vom Mesenterium und dem Darm losgetrennt, ohne 
den Ausführungsgang zu verletzen. Auf der dorsal von der 
Bauchwunde gelegenen Bauchwand wird das Peritoneum mit einem 
Messerchen angefrischt. Das äusserste Ende des losgelösten 
Pankreaszipfels wird mittels eines sehr dünnen Seidenfädchens 
und einer sehr dünn geschliffenen Nadel so an die angefrischte 
Stelle angenäht, dass die beiden Enden des Fädchens durch das 
Peritoneum und die Muskulatur hindurchgeführt und über der- 
selben geknüpft wurden. Die angefrischte Stelle des Peritoneums 
ist so gewählt, dass das Transplantat möglichst weit von der 
bauchwunde zu liegen kommt. Das so festgenähte Pankreasstück 
wird mit einer los angelegten Schlinge umschlungeu, die durch 
Muskel und Hautwunde nach aussen geführt wird. Mit letzterem 
wird bezweckt, das Pankreasstück nach seiner Anheilung an die 
Bauchwand leicht wiederfinden zu können, ohne die Wunde in 
ihrer ganzen Länge öffnen zu müssen. Die Muskelwunde wird 
mit drei Nähten geschlossen, die Hautwunde mit zwei. Der Frosch 
wird in ein sterilisiertes Gefäss gesetzt. 


h 1) Pflügers Arch., Bd. 126, p. 524, 1909. 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 27T 

11. Februar 1910. Der Frosch sieht sehr wohl aus. Haut 
und Muskelwunden sind per primam verheilt. Die Hautwunde 
wird vollständig aufgetrennt, in der Muskelwunde wird nur eine 
Naht gelöst und ein kleines Loch geschnitten, aus dem sich ohne 
Schwierigkeiten der Pankreaszipfel mittels des aus der Wunde 
herausgeführten Fadens hervorziehen lässt. Das in die Bauch- 
wand vernähte Ende ist gut angewachsen. Die Kommunikation 
zwischen Transplantat und eigentlichem Pankreas wird durch 
Herausschneiden eines beträchtlichen Stückes unterbrochen. Dabei 
zeigt sich eine beträchtliche Blutung, ein Zeichen, dass das Trans- 
plantat gut ernährt worden ist. Die Muskelwunde wird wieder 
mit einer Naht, die Hautwunde mit drei Nähten geschlossen. 
Der Frosch wird vom 15. Februar 1910 ab alle zwei Tage mit 
Fleisch gefüttert und nach Heilung der Wunden ins Aquarium 
zurückgebracht. 

Von einem ohne Brücke operierten Frosch lautet das 
Protokoll folgendermassen : 

8. März 1910. Rana fusca. Aus dem Freien gefangen: in 
gutem Ernährungszustand. Vor der Operation längere Zeit ohne 
Futter. Nach Vorziehen des Magens und Duodenums wird der 
in der Duodenalschlinge nach dem Magen zu gelegene Teil des 
Pankreas vom Mesenterium und Darm losgelöst und unter Schonung 
des Ausführungsganges mitsamt einem schmalen Streifen vom 
Darm zur Leber exzidiert und in einem sterilen. trockenen 
Schälchen verschlossen aufgehoben. An der Bauchwand wird 
ventral von der Bauchwunde das Peritoneum angefrischt. An 
dieser Stelle wird von aussen durch Muskulatur und Peritoneum 
eine feine, mit einem sehr dünnen Faden armierte Nadel geführt. 
Von dem exzidierten Pankreasstück wird ein kleiner Teil so 
abgeschnitten, dass er mit möglichst viel Schnittflächen auf die 
Nadel gebracht werden kann. Nachdem das Pankreasstück über 
den Faden bis zur Bauchwand gezogen worden ist, wird die Nadel 
durch Peritoneum und Muskelschicht wieder nach aussen geführt 
und der Faden hier geknüpft. Man sieht nun das Pankreas- 
stückchen auf der Innenseite der Bauchwand dem Peritoneum 
parietale fest aufsitzen. Muskel und Hautwunde werden geschlossen. 

Durch diese Art der Befestigung ist es dem Transplantate 
unmöglich gemacht, sich von seiner Unterlage zu verschieben. 
Falls an dem zu transplantierenden Stückchen noch eine Fläche 


28 H. Fischer: 


war, die nicht angefrischt, also mit dem die Pankreasdrüse um- 
scheidenden Bindegewebe versehen war, so wurde dafür Sorge 
getragen, dass die nicht angefrischte Fläche nach der freien 
Bauchhöhle zu liegen kam. Da auf diese Weise Wundfläche auf 
Wundfläche aufruhte, so war eine schnellere (refässversorgung 
gewährleistet. Alle auf diese Weise ausgeführten Autotransplan- 
tationen sind gelungen. 

Bei den Homoiotransplantationen verfuhr ich so, dass ich 
ein Tier tötete und von dem lebenden Pankreas kleine Stückchen 
auf Tiere derselben Art transplantierte. Das Tier, von dem 
transplantiert wurde, hatte ebenso wie die Tiere, auf welche 
das Pankreasgewebe überpflanzt wurde, längere Zeit vor der 
Operation kein Futter bekommen. Magen und Dünndarm des 
Tieres, das zur Transplantation getötet wurde, waren leer. Ich 
habe bei diesen Versuchen nicht auf das Peritoneum, sondern 
in den Rückenlymphsack, dicht vor dem Becken verpflanzt. Es 
wurde ein Hautschnitt angelegt, die Muskelfaszie ventral von 
dem Hautschnitt angefrischt und das zu transplantierende Stück 
an dieser Stelle mit einem dünnen Seidenfädchen angenäht. In 
der ersten Zeit war zu sehen, dass die Haut über dem Trans- 
plantate sich stärker vorwölbte, später aber wieder in das Niveau, 
das sie gleich nach der Transplantation zeigte, zurückkehrte. 

Gehen wir nun zu dem Verlauf der Transplantation, zunächst 
bei Autotransplantation auf das Peritoneum parietale selbst über. 

1. Rana fusca d.. Einige Tage vor der Operation im 
Freien gefangen. Am 8. März 1910 wurde das Tier operiert. 
Der Magen und Darm waren bei der Operation leer; das Tier 
hatte vor der Operation kein Futter bekommen. Es wurde ein 
beträchtliches Stück des Pankreas abgeschnitten und hiervon ein 
Teil auf das Peritoneum parietale transplantiertt. Am 15. März 
wurde das Tier getötet. Das Tier ist bis zur Tötung nicht 
gefüttert worden. 

Bei Eröffnung der Bauchhöhle fanden sich in derselben 
einige Blutkoagula. Das Transplantat zeigte sich als ein kleines, 
von Blutgerinnseln leicht bedecktes Knötchen. Es ist mit der 
Unterlage fest verklebt. Verwachsungen der Bauchorgane unter- 
einander oder mit dem Transplantat sind nicht vorhanden; das 
Transplantat sieht also mit seiner Oberfläche frei in die Bauch- 
höhle hinein. Es wird mitsamt dem Peritoneum und der unter 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 29 
ihm befindlichen Muskelschicht exeidiert und in Flemmingscher 
Flüssigkeit fixiert. 

Die mikroskopische Untersuchung der Serienschnitte ergab 
folgendes: Die bei der Tötung des Tieres auf dem Transplantat 
vorhandenen Blutgerinnsel haben sich zum grössten Teil bei der 
Fixation oder der Auswaschung des Präparates abgelöst, ein Zeichen, 
dass sie nur lose aufsassen. Nur ein schmaler Überzug von roten 
Blutkörperchen ist noch zu sehen. Das Peritoneal- und Muskel- 
gewebe erscheint an der Anfrischungsstelle stark infiltriert; die 
roten Blutkörperchen sind aus den an der Anfrischungsstelle ange- 
rissenen Kapillaren ausgetreten und haben sich in dünner Schicht 
zwischen Transplantat und Unterlage ausgebreitet. Einzelne Muskel- 


„ua 
2 


Fig. 2. 


Transplantat von 7 Tagen. Das links oben gelegene Transplantat ist 
durch eine Schicht geronnenen Blutes mit dem angefrischten Peritoneum (P), 
das gleichfalls von Blutkörperchen durchsetzt ist, verbunden. Im Zentrum 
des Transplantates sieht man Nekrose, in der Peripherie sind die Alveolen 
gut erhalten. Von der Oberfläche dringen bereits Kapillaren (K) nach dem 
Zentrum zu in die Tiefe. In der geronnenen Blutschicht unter dem 
Transplantat sind grössere Gefässe (G) mit dünner Wandung sichtbar. 
M = Muskulatur der Bauchwand. 


stückchen, die bei der Anfrischung allzuviel gelitten zu haben 
scheinen, sind in Degeneration begriffen; man findet zahlreiche 
Fettröpfehen in ihnen. In der zwischen Transplantat und Bauch- 


30 H. Rischer: 


wand ausgebreiteten Blutschicht liegen die roten Blutkörperchen 
besonders dicht nebeneinander. Durchzogen ist diese Schicht von 
feinen Bindegewebsstreifen, die zum grössten Teil aus der Bauch- 
wand, zum Teil auch von dem Transplantat herkommen. Etwas 
von der Oberfläche des Transplantates entfernt sieht man noch 
versprengte Stückchen von zugrunde gehendem Pankreasgewebe. 
Diese stammen wohl von solchen Pankreasschläuchen der Ober- 
tläche des Transplantates, die bei der Verpflanzung aus dem Zu- 
sammenhang gelöst und nicht mehr lebensfähig waren. An der 
Oberfläche des Transplantates sieht man kleine, rundliche Vor- 
buchtungen, die Endstücke der Drüsenschläuche. Zwischen den 
einzelnen Drüsenschläuchen senken sich von der Oberfläche her 
nach dem Zentrum des Transplantates zu zahlreiche Kapillaren, 
die noch nicht bis zum Zentrum hinreichen. Diese an der Ober- 
tläche des Transplantates gelegenen Drüsenschläuche sind alle 
wohl erhalten, wohingegen die im Zentrum befindlichen mehr 
oder weniger zerfallen sind. Man findet hier einfache Atrophie 
und fettige Degeneration der Zellen nebeneinander. Es gehen 
im Zentrum sowohl Parenchym wie Ausführungsgänge zugrunde; 
in letzteren war besonders die fettige Degeneration sehr ausge- 
sprochen. Zellteilungen habe ich in diesem Transplantate nicht 
gesehen. 

Was wir aus diesem Stadium ersehen, ist also kurz folgendes: 
Das Transplantat ist durch eine Schicht geronnenen Blutes, in 
die bereits gebildete Bindegewebsfasern hineinwuchern, an der 
bauchwand fixiert. Der zentrale Teil des Transplantates zeigt 
Degenerationserscheinungen, die ganze Peripherie ist wohlerhalten. 

Betrachten wir nun ein weiteres Stadium der Transplantation. 

2. Rana fusca Z. Mit dem vorigen Tier in dem Freien 
gefangen; vor der Operation längere Zeit ohne Futter. Am 
Ss. März 1910 wurde in gewohnter Weise ein Stück Pankreas 
autoplastisch auf das Peritoneum parietale transplantiert. Das 
Tier bekam bis zur Tötung kein Futter. Am 17. März wurde 
der Frosch getötet. Das Transplantat war mit der Unterfläche 
fest verwachsen und auf seiner Oberfläche mit Blutgerinnsel 
bedeckt. Verwachsungen der Eingeweide mit dem Transplantat 
waren nicht vorhanden. Der Magen und Darm waren leer. 
Das Transplantat wurde mit der Muskelschicht exeidiert und in 
Flemmingscher Flüssigkeit konserviert. 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. al 


Die mikroskopische Untersuchung der Serienschnitte ergibt, 
dass das Transplantat wie im vorigen Falle durch eine Schicht 
geronnenen Blutes auf der Unterlage fixiert ist. In dieser Schicht 
zeigen sich jetzt schon scharf begrenzte grosse Blutgefässe mit 
sehr dünner Wandung, die kleinere Gefässe in das Transplantat 
hineinsenden. Diese umspinnen das ganze Transplantat und gehen 
zwischen den einzelnen Alveolen in die Tiefe des Transplantates 
hinein. Die peripheren Teile des verpflanzten Stückes sind auch 
hier wohlerhalten, die zentralen der Nekrose anheimgefallen. 
Diese nekrotischen Massen sind durchsetzt mit zahlreichen roten 
Blutkörperchen, die aus den in das Transplantat hineingewucherten 
jungen Blutgefässen stammen müssen. Hier und dort treten in 
diesen nekrotischen, mit Blut durchsetzten Massen grosse dünn- 
wandige Gefässe auf. Die nekrotischen Partikel sind hier weniger 
dicht; es scheint ein Teil weggeschafft zu sein. Die erhaltene 
vandzone des Transplantates ist relativ nicht mehr so breit wie 
in dem vorigen Präparate. Die Schläuche sind an ihrem blinden 
Ende, das stets peripher gelegen ist, erweitert. In den Parenchym- 
zellen der erweiterten Endstücke finden sich zahlreiche Mitosen, 
besonders dort, wo reichlich neue Kapillaren vorhanden sind. 
Letzteres ist leicht erklärlich, weil dort die Ernährungsverhältnisse 
der Zellen am besten geregelt sind. Auch fand ich in einem 
Ausführungsgang, der in dem peripheren Teile erhalten geblieben 
war, eine Mitose. Im Zentrum dagegen sind auch hier sowohl 
Parenchym wie Ausführungsgänge zugrunde gegangen. In der 
erhaltenen Randzone sind die Mitosen zahlreich im peripheren 
Teil der Schläuche zu sehen, sehr selten im zentralen. An den 
blinden Enden der Tubuli sieht man oft Knospen und kolben- 
artige Auftreibungen, die herbeigeführt sind durch Vermehrung 
der Parenchymzelien in den Schläuchen. Die Kerne in den 
Parenchymzellen sind vielfach vergrössert und sehr chromatin- 
reich. ein Zeichen der bevorstehenden Teilung. Langerhanssche 
Inseln habe ich in der erhaltenen Randzone nicht nachweisen 
können. 

Also sehen wir auch in dieser Phase der Transplantation 
zentrale Nekrose und Erhaltenbleiben der peripheren Teile. Ferner 
Wachstumserscheinungen, und zwar in den peripheren Teilen des 
erhaltenen Gewebes weit lebhafter als in den zentral gelegenen. 
Dieses Wachstum geht aus von den Parenchymzellen; nur einmal 


32 H. Rischer: 


war eine Mitose in einem der in der erhaltenen Zone sehr spärlich 
vorhandenen Ausführungseänge zu beobachten. 

Ein weiteres Präparat zeigt den Stand der Transplantation 
nach 11 Tagen. 

3. Rana fusca d. Von demselben Fang wie 1 und 2. Vor 
der Operation ohne Futter. Am 8. März 1910 wurde in gewohnter 
Weise autoplastisch ein Stück Pankreas auf das Peritoneum parietale 
transplantiert. Am 19. März 1910 wurde das Tier getötet. Das 
Transplantat auf der Bauchwand sitzt fest auf. Es wird exeidiert 
und in Flemmingscher Flüssigkeit konserviert. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung ergibt sich, dass 
peripher Pankreasgewebe reichlich vorhanden ist: die zentrale 
Nekrose ist aber zum allergrössten Teil verschwunden. An ihre 
Stelle ist ein lockeres, zellreiches Bindegewebe getreten, in welches 
hinein von der Peripherie nach dem Zentrum zu einzelne Pankreas- 
schläuche gewuchert sind. Die Randzone ist im Vergleich mit den 
vorigen Präparaten bedeutend breiter geworden und es zeigt sich, 
dass dies auf eine Neubildung von Pankreasgewebe zurückzuführen 
ist. Die bereits im vorigen Präparat sichtbaren Wachstums- 
erscheinungen im peripher gelegenen Parenchym sind lebhafter 
geworden: sie haben neue Alveolen, die sich seitlich von den 
alten abzweigen, entstehen lassen und die alten selbst erweitert 
und verlängert. Die Proliferation ist im Momente der Tötung des 
Tieres besonders lebhaft gewesen. In den peripheren Parenchym- 
zellen sieht man sehr viele Mitosen: die wenigen Ausführungs- 
gänge, die erhalten sind, zeigen ebenfalls Proliferation ihres 
Epithels, aber bei weitem nicht so lebhaft wie das Parenchym. 
Die Epithelsprossung von seiten der Ausführungsgänge beobachtete 
ich hauptsächlich nach dem jungen Bindegewebe zu, das an Stelle 
der Detritusmassen im Zentrum des Transplantates getreten ist. 
Ich habe nie beobachten können, dass sich ihr Epithel in Paren- 
chym umwandelte. Noch eine andere Eigentümlichkeit habe ich 
an diesem Präparate wahrgenommen. Die Zellen, alte sowohl 
wie neue, waren zum Teil mit Sekretkörnchen gefüllt. Diese 
Beobachtungen habe ich an den beiden vorher besprochenen 
Versuchstieren nicht machen können. Das Protokoll verzeichnet, 
dass das Tier nach Heilung der Wunden gefüttert wurde. Den 
Verdauungszustand des Tieres bei der Tötung habe ich leider 
nicht verzeichnet. Eine andere Eigentümlichkeit ist die, dass die 


Regeneration und Transplantation des Pankreas 333% 


Lumina einiger Randalveolen sich bereits mächtig erweitert haben, 
sie sind wohl doppelt so breit als die gewöhnlichen Parenchym- 
zellen. Die diese Lumina begrenzenden Parenchymzellen sind 
stark abgeplattet. Es ist dies in den Präparaten nur noch selten 
zu sehen; doch möchte ich mit Rücksicht auf das Folgende bereits 
hier darauf hinweisen. Von dem Detritus ist, wie oben schon 
bemerkt, nicht viel mehr übrig. Man sieht in dem an seine Stelle 
getretenen lockeren Bindegewebe noch vereinzelt mit Safranin 
intensiv gefärbte Brocken. In dem Bindegewebe sieht man be- 
sonders nahe dem erhaltenen Gewebe vereinzelt erhaltene, normal 
aussehende Parenchymzellenkerne. Einmal sah ich darin eine 
mangelhaft ausgebildete Mitose. Langerhanssche Inseln waren 
auch in diesem Präparate nicht zu sehen. 

Die in den Parenchymzellen, den alten sowohl wie den neu- 
gebildeten, vorhandenen Sekretkörnchen kann man auf zweifache 
Weise erklären. Einmal können zur Zeit der Transplantation die 
Zellen mit diesen Granula gefüllt gewesen sein. In diesem Falle 
verteilt sich das im Protoplasma vorhandene Sekret bei der Mitose 
auf die beiden neuentstehenden Zellen, wie ich das bei normalem 
Pankreas sehr oft beobachten konnte. Dann ist es auch möglich, 
dass die Sekrettröpfehen erst nachträglich in den alten wie den 
neuen Zellen des Transplantates entstanden sind. Wie oben er- 
wähnt, fiel bei Herausnahme des Transplantates auf, dass dasselbe 
kleiner geworden war. Ich glaube dies darauf zurückführen zu 
müssen, dass nach Wegschaffung der Detritusmassen das Trans- 
plantat in toto sich um das junge, die im Zentrum befindliche 
Höhle ausfüllende Bindegewebe zusammenzog oder bei dessen 
Schrumpfung nach der Mitte hin gezogen wurde. 

In dem beschriebenen Stadium sind die Verhältnisse also 
kurz folgende: lebhafte Neubildung von seiten des peripher 
erhaltenen Parenchyms, peripher lebhafter als zentralwärts. 
Ersatz des Detritus im Zentrum des Transplantates durch Binde- 
gewebe; spärliche Proliferation von seiten der wenigen, erhaltenen 
Ausführungsgänge; Vorhandensein von Sekretkörnchen in den 
Parenchymzellen; Fehlen der Langerhansschen Inseln. 

Ein weiteres Stadium der Transplantation zeigt folgendes 
Präparat: 

4. Rana fusca 2. Vor der Operation ohne Futter; operiert 


am 8. Februar 1910. aA wurde eine autoplastische Transplantation 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 3 


34 H. Fischer: 


auf das Peritoneum parietale mittels einer Brücke ausgeführt. 
Am 7. März 1910 wurde das Tier getötet. Es hatte reichlich 
Nahrung bekommen und auch gut verdaut. Der Magen ist bei 
der Tötung prall gefüllt. An der linken Bauchwand findet sich 
eine etwa linsengrosse Wucherung, die in Flemmingscher 
Flüssigkeit konserviert wird. Verwachsungen waren hier nicht 
vorhanden. 

Die mikroskopische Untersuchung ergibt peripher Parenchym, 
doch ist dies im Vergleich mit dem vorigen Präparate sehr ver- 
ändert. Die schon bei diesem erwähnte Erweiterung der Lumina 
der peripherwärts gelegenen Alveolen hat hier sowohl an Zahl 
als auch an Grösse zugenommen. Sehr viele Alveolen am Rande 
des Transplantates haben die Form von Kugeln angenommen. 
Das Lumen ist maximal erweitert und bildet den Hauptteil dieser 
Kugeln. Die Wand derselben wird von stark abgeplatteten Zellen 
gebildet. Die Abplattung ist oft so stark, dass der Protoplasma- 
leib der Zelle zu einem sehr schmalen Streifen ausgezogen ist, 
in dessen Mitte der ebenfalls stark abgeplattete Kern liegt. Die 
eigentümlich erweiterten Alveolen finden sich vorzugsweise im 
peripheren Teil der Neubildung, weniger in dem zentral gelegenen 
Teil. Mitosen sind nicht so zahlreich im Parenchym vorhanden 
wie im vorigen Präparate, aber immer noch reichlich. In den 
spärlich vorhandenen Ausführungsgängen fand ich hier keine 
Wachstumserscheinungen. Auch der zentrale Teil des Trans- 
plantates hat Veränderungen erfahren. Das Bindegewebe ist zum 
srössten Teil von Blutmassen durchsetzt. Es verschwindet stellen- 
weise unter der Menge der roten Blutkörperchen vollständig. 
Ungefähr in der Mitte des Transplantates befindet sich eine grosse 
Uyste. Nach dem Epithel zu urteilen, ist sie von einem Aus- 
führungsgang entstanden. In dieselbe hinein haben sich grosse 
Blutmassen ergossen, so dass die Cyste von Blut fast vollständig 
gefüllt ist. In der Uystenwand sind lebhaft Mitosen, ein Zeichen 
der Vergrösserung der Üyste. Unter dem Druck ihrer Wand 
beim Wachstum scheint das umgebende Gewebe grösstenteils 
zur Atrophie gebracht worden zu sein. Was das Verhältnis der 
Grösse des erhaltenen Parenchyms zu der des Transplantates 
angeht, so ist die Menge desselben im Vergleich mit den vorigen 
Präparaten sehr gering. Dabei geht, wie sich aus diesem Präparat 
ergibt, vom Zentrum nach der Peripherie eine fortschreitende 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 35 


Atrophie des neugebildeten Parenchyms vor sich. Dieser scheint 
die Neubildung auf die Dauer nicht standhalten zu können. 
Langerhanssche Inseln sind auch hier nicht zu sehen. 

Es zeigt sich also auch hier wieder zentral Nekrose, peripher 
Erhaltenbleiben der Alveolen und Wachstum, ausgehend von den 
Parenchymzellen. Ferner starke Erweiterung der peripheren 
Alveolen. Vom Zentrum zur Peripherie hin macht sich eine 
Atrophie des Parenchyms bemerkbar; diese schreitet anscheinend 
schneller fort, als das periphere Parenchym zu wachsen vermag. 
Ausserdem ist eine Uystenbildung im Zentrum des Transplantates 
aufgetreten. 

In ähnlicher Weise verliefen die Autotransplantate in den 
Rückenlymphsack, sowie die Homoiotransplantationen. 

Um über das endgültige Schicksal der Transplantate Auf- 
schluss zu erhalten, habe ich Versuche von längerer Dauer ange- 
stellt, die zurzeit noch nicht abgeschlossen sind. Bei einem Triton 
fand ich 49 Tage nach der Transplantation eines Pankreas- 
stückchens auf das Peritoneum parietale das Transplantat in seiner 
ursprünglichen Grösse vor. Der grösste Teil des Transplantates 
bestand aus wohlausgebildeten grossen Parenchymzellen, in denen 
vielfach noch Mitosen vorhanden waren, ein kleinerer Teil aus 
Bindegewebe, in das Epithelzellen von unbestimmtem Charakter 
eingelagert waren. Irgendwelche Degenerationserscheinungen 
waren nicht zu sehen, auch keine Erweiterung der Alveolen wie 
im vorigen Präparat. 

Im vorigen sind die zum Verständnis des Verlaufs der Trans- 
plantation nötigen wichtigsten Phasen geschildert worden. Das 
Alter der einzelnen Stadien kann natürlich nur einen annähernden 
Maßstab abgeben. Es ist selbstverständlich, dass die Wachstums- 
erscheinungen in einem Transplantat in erster Linie abhängig 
sind von der Gunst oder Ungunst der Bedingungen, die das Trans- 
plantat auf seiner neuen Unterlage findet. Sind diese für eine 
rasche Gefässversorgung des Transplantates von der Unterlage her 
günstig, so werden Wachstumserscheinungen in demselben eher 
auftreten, als wenn diese Versorgung längere Zeit ausbleibt. Einen 
(radmesser für die mehr oder weniger günstigen Verhältnisse, die 
das Transplantat auf dem neuen Boden findet, scheint mir die 
relative Grösse der Nekrose im Transplantat zu sein. Diese ist 
von der Ernährung abhängig; die Ernährung aber hängt ab von 

3+ 


36 H. Fischer: 


der Zeit, in welcher nach der Überpflanzung das Transplantat mit 
(sefässen versorgt wird. Tritt die Verbindung des Transplantates 
mit der Untertläche schnell ein, so wird das Transplantat früh 
mit Gefässen versorgt; es verfällt weniger Gewebe der Nekrose:; 
lässt sie länger auf sich warten, so bleibt die Gefässversorgung 
länger aus; die Nekrose wird grösser. Es ist daher klar, dass 
ein frühzeitig gut ernährtes Transplantat von 5 Tagen bereits 
mehr Wachstumserscheinungen zeigen kann, als ein schlecht 
ernährtes mit etwa 7 Tagen. Insofern kann also die Zeit des 
Bestehens des Transplantates kein unbedingter Maßstab für die 
Proliferationserscheinungen sein und umgekehrt. 

Nach den vorhin geschilderten Versuchen ist der Verlauf der 
Vorgänge bei der Transplantation folgender: Nach Anheftung des 
Transplantates auf die angefrischte Unterlage wird das überpflanzte 
Stück durch eine Schicht geronnenen Blutes auf der Unterlage 
fixiert. Diese Blutschicht breitet sich in geringerem Maße über 
das ganze Transplantat aus. In die das Transplantat mit der 
Unterlage verbindende Blutschicht wuchert schon früh zartes, 
junges Bindegewebe, das seinen Ursprung von der angefrischten 
Bauchwand nimmt. Zur selben Zeit sprossen von der Unterlage 
her Kapillaren in die Blutschicht und überziehen die Oberfläche 
des Transplantates mit einem Gefässnetz. Von diesen netzförmigen 
Kapillaren ziehen Äste von der Peripherie des Transplantates nach 
dem Zentrum zu, und zwar benutzen sie als Weg die Lücken 
zwischen den Alveolen, also denselben Weg, den die Blutkapillaren 
auch bei der normalen Drüse ziehen. Auf diese Weise bekommen 
die peripheren Teile eine neue Blutversorgung. Für das Zentrum 
des Transplantates kommt diese jedoch zu spät. Die Zellen sind 
zu lange von der Nahrungszufuhr abgeschnitten gewesen; auch 
haben sie ihre eigenen Stoffwechselprodukte nicht fortschafien 
können; sie sind der Nekrose anheimgefallen. Die Zerfalls- 
erscheinungen zeigen sich in verschiedener Form. Man sieht ein- 
fache Atrophie der Zellen neben Chromatolyse und fettiger De- 
eeneration. Die Zellen werden klein, sie schrumpfen; die Kerne 
nehmen die verschiedenartigsten Formen an. Das Chromatın 
schwindet. Schliesslich ist von der ganzen Zelle nur noch ein 
schwacher Zellkontur zu sehen, der dann auch bald verschwindet. 
In anderen Zellen zerfällt das Chromatin, beziehungsweise der 
ganze Kern im kleine Kügelchen, die gierig Safranin aufnehmen. 


ne 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 


In wieder anderen zeigen sich im Protoplasma reichlich schwarze 
Körnchen, ein Zeichen der fettigen Degeneration. Der grösste 
Teil des auf diese Weise zugrunde gegangenen Bezirkes erscheint 
schliesslich als eine homogene Masse, die resorbiert wird. Ein 
anderer Teil scheint auf dem Wege der resorptiven Verfettung 
weggeschafft zu werden. In verschwindender Menge sieht man 
auch Leukoeyten und junge Bindegewebszellen sich mit Zerfalls- 
produkten beladen. An Stelle des Detritus tritt ein junges, sehr 
zellreiches Bindegewebe. Auch grössere Blutgefässe finden sich 
ein. An der Peripherie machen sich inzwischen Wachstums- 
erscheinungen bemerkbar. Man sieht zahlreiche Mitosen in den 
Parenchymzellen, besonders in unmittelbarer Nähe der Kapillaren. 
Die Alveolen erweitern sich in ihren peripheren Teilen infolge Ver- 
mehrung der die Wand bildenden Elemente und treiben Knospen. 
Diese scheinen zunächst solid zu sein; erst sekundär scheint das 
Lumen sich auszubilden. Auch in den wenigen Ausführungsgängen 
treten Mitosen auf, doch nur in geringer Zahl. Das Wachstum 
des Parenchyms schreitet peripherwärts lebhaft fort, nach dem 
Zentrum zu in ganz geringem Maße. Dabei erweitern sich die 
peripheren Alveolen teilweise ganz gewaltig. Sie gleichen oft 
förmlichen Kugeln. Die Wandzellen sind in höchstem Maße abge- 
plattet, einschliesslich der Kerne. Diese Erscheinung scheint eine 
vorübergehende zu sein, sie betrifft nur immer periphere Alveolen. 
Wenn diese erweiterten Schläuche Knospen gebildet haben, geht 
die Erweiterung bis zu einem gewissen Grade zurück. Ich glaube 
dieselbe auf eine Sekretstauung in den Alveolen zurückführen zu 
müssen. Die Bilder entsprechen denen, die bei der Regeneration 
als dureh Stauung hervorgerufen beschrieben sind; nur waren sie 
dort nicht so hochgradig. Bei Transplantation von Drüsen mit 
innerer Sekretion finden sich diese Erweiterungen nach den 
Schilderungen der betreffenden Autoren nicht; hier kann das 
Sekret ins Blut abgegeben werden. — Mit dem fortschreitenden 
Wachstum an der Peripherie ist ein verstärktes Wachstum des 
im Zentrum befindlichen Bindegewebes verbunden. Das nach dem 
Zentrum zu gelegene Parenchym geht allmählich zugrunde; es 
wird von Bindegewebe durchwachsen. Ob nun die Bindegewebs- 
wucherung primär ist, ob also durch dieselbe das Pankreasgewebe 
zugrunde gerichtet wird, oder ob das Parenchym aus irgend 
einem Grunde zuerst zugrunde geht, die Bindegewebswucherung 


38 H. Fischer: 


also sekundär ist, vermag ich nicht zu sagen. Aus den erhalten 
gebliebenen Ausführungsgängen können sich Cysten bilden. In 
einer solchen Oyste fand sich eine grosse Blutmasse. Die Wucherung 
des zentralen Bindegewebes und das Zugrundegehen der zentralen 
Partien des Parenchyms überwiegen auf meinen Präparaten von 
38 Tagen die Proliferation an der Peripherie. Die Frage, ob das 
transplantierte Stück auf diese Weise schliesslich ganz zugrunde 
geht, oder ob es erhalten bleibt und sich eventuell vergrössert, 
vermag ich zurzeit noch nicht zu entscheiden. Die sich darauf 
beziehenden Versuche sind noch nicht zu Ende geführt. In einem 
Stadium von 49 Tagen fand sich, wie vorhin schon erwähnt, das 
Pankreasstückchen noch wohlerhalten. 

Langerhanssche Inseln habe ich weder im zugrunde 
gehenden Gewebe, noch im erhalten gebliebenen und neugebildeten 
erkennen können. Ssobolew!') fand bei einem Stadium der 
Transplantation, wo alles Parenchymgewebe bereits geschwunden 
war, noch eine Anzahl von Inseln vor. Er ist geneigt, dies so 
zu erklären, dass die Langerhansschen Inseln Organe mit 
innerer Sekretion sind und infolgedessen erhalten bleiben, während 
das Parenchym wegen Mangel an abführenden Wegen zugrunde 
gehen müsse. Ich will an dieser Stelle nicht näher auf die An- 
gaben Ssobolews eingehen und an anderer Stelle darauf 
zurückkommen. 

Zu den Beobachtungen Kyrles?) stehen meine Beobachtungen 
insofern in Widerspruch, als nach Kvrle alles Parenchym zu- 
srunde geht und von den erhalten gebliebenen Ausführungsgängen 
die Regeneration von Parenchym erfolgt. Das trifitt bei meinen 
Präparaten nicht zu. Allerdings liegt auch ein Unterschied 
zwischen beiden Versuchsarten. Kyrle transplantierte in die 
Milz. Es war also das transplantierte Stück von allen Seiten 
dem Druck des umgebenden Milzgewebes ausgesetzt. Es wäre 
denkbar, dass unter diesem beständigen Druck das zarte Paren- 
chym zugrunde gerichtet worden ist und nur die widerstands- 
fähigeren Ausführungsgänge erhalten geblieben sind. Dass sich 
aus Ausführungsgängen Parenchym entwickele, wie Kyrle dies 
bei seinen Transplantationen beschreibt, habe ich nie beobachten 
können. Aus der von Kyrle beigefügten Fig. 5 lässt sich der 


NL @ 
alte. 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 39 


Charakter der neugebildeten Zellen nicht erkennen. Das ganze 
tegenerat geht schliesslich dadurch zugrunde, dass sich in der 
Umgebung Bindegewebe entwickelt und das Parenchym vernichtet. 
Nach Kyrle wäre also die Bindegewebswucherung das primäre. 

Ich möchte es nicht unterlassen, zu erwähnen, dass jüngst 
M. Nussbaum!) entsprechende Vorgänge wie ich bei der Pankreas- 
transplantation bei Hodentransplantation gefunden hat. Auch er 
berichtet, dass die peripheren Teile erhalten bleiben, die zentralen 
der Nekrose verfallen. Auch dort geht das Wachstum aus von 
den in der Peripherie erhalten gebliebenen Spermatogonien. 

Die Vorgänge, wie ich sie bei Transplantation des Pankreas 
beobachtete, stimmen also überein mit den Vorgängen, wie sie 
für zwei andere Drüsen, die Thyreoidea und den Hoden, in zwei 
anderen Untersuchungen festgestellt worden sind. 

Wenn ich nochmals meine Beobachtungen über die Trans- 
plantation kurz zusammenfasse, so ergibt sich folgendes: Bei 
der Transplantation kleiner Pankreasstückchen tritt zentral Nekrose 
auf; peripher bleiben die Schläuche erhalten. Es ist eine Neu- 
bildung von Parenchym im Transplantat möglich, und zwar geht 
sie aus von den in der Peripherie erhalten gebliebenen Parenchym- 
zellen, nicht von den Ausführungsgängen. 


Die vorhin besprochenen Transplantationen wurden sämtlich 
an Tieren ausgeführt, die vorher einige Zeit gehungert hatten, 
so dass Magen und Darmtraktus leer waren. Das Pankreas befand 
sich also bei diesen Tieren im Zustand der Ruhe, es war bei der 
Transplantation kein aktivierter Pankreassaft in der Drüse vor- 
handen. Es blieb zu untersuchen, ob bei einem Organ, das in 
seinem physiologischen Verhalten so eng mit dem Verdauungs- 
zustand verknüpft ist, der durch die Verdauung geschaffene ver- 
änderte physiologische Zustand der Drüse von Einfluss auf die 
Transplantation sei oder nicht. Besonders geeignet erscheinen 
für derartige Versuche Tiere, die eine sich lang hinziehende Ver- 
dauung haben; dies ist beim Frosch und beim Triton der Fall. 

Die Versuche wurden so angestellt, dass Frösche und Tritonen 
abends mit einem mässig grossen Stück Fleisch gefüttert wurden. 


») Pflügers Archiv, Bd. 126, p. 519, 1909. 


40 H. Fischer: 


Am nächsten Morgen wurde die Operation in gewohnter Weise 
vorgenommen, die sich hier wegen des stark gefüllten Magens 
allerdings bedeutend schwieriger gestaltete. Es wurde auch hier 
auf das Peritoneum parietale transplantiert. Fünf Tage p. o. 
wurde das erste Tier getötet. Die Wunde war gut verheilt, das 
Transplantat sass auf der Unterlage fest auf und war mit ge- 
ringen Blutgerinnseln bedeckt. Es wurde mit der darunter be- 
findlichen Muskulatur entfernt und in Flemmingscher Flüssigkeit 
fixiert. Der mikroskopische Befund war folgender: Das Trans- 
plantat ist bereits durch Blutgefässe mit der Unterlage in Ver- 
bindung gesetzt. In seinem Aussehen aber weicht es sehr von 
einem gleichaltrigen Transplantat bei einem Hungertier ab. Die 
Zellen haben zum Teil ihre voluminöse Form verloren: im Proto- 
plasma sieht man allenthalben homogene, rundliche oder ovale, 
mit Flemmingscher Flüssigkeit sich schwarzgrau färbende 
Schollen, die grösser sind als die sonst in den Zellen vorkommenden 
Fettröpfchen, auch eine unregelmässigere Gestalt besitzen. Die 
Struktur des Protoplasma ist dabei in den meisten Zellen schon 
vollständig verloren gegangen; diese Erscheinungen treten ziem- 
lich gleichmässig im ganzen Transplantat auf, besonders auch an 
der Unterfläche, dort, wo das Transplantat aufsitzt und wo die 
(refässe hineinsprossen. Das Bindegewebe der Alveolen tritt sehr 
deutlich hervor. Hier und da sieht man bereits Alveolarkörbe, 
in denen von Zellen nichts: mehr übrig ist als einige Kernbrocken. 
In anderen Zellen ist vom Protoplasma nichts mehr zu sehen, 
auch die in ihm anderweitig vorhandenen schwärzlichen Schollen 
smd verschwunden, während nun im Kern derartige Schollen 
sichtbar werden. Das Chromatin des Kerns schwindet dabei all- 
mählich vollkommen; die Zelle färbt sich schlecht. Schliesslich 
finden sich in diesem Präparat auch Alveolarkörbe, in denen von 
der früher darin gelegenen Zelle nichts mehr vorhanden ist, auch 
nicht die scholligen Massen. Diese leeren Stellen werden vielfach 
später durch Blut ausgefüllt. In den in dem Transplantat vor- 
handenen Ausführungsgängen finden sich die vorhin geschilderten 
Veränderungen nicht: nur hier und da sieht man einige Fett- 
tröpfehen. 

Dieselben Erscheinungen finden sich, aber in noch erhöhterem 
Maße, bei einem Transplantat von 11 Tagen. Hier tritt besonders 
die Intaktheit der Ausführungsgänge gegenüber dem Parenchym 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 41 


sehr deutlich hervor. Die Degenerationsprozesse schreiten weiter 
fort. An den erhaltenen Ausführungsgängen zeigen sich bereits 
Ausbuchtungen. 

In einem Transplantat von 9 Tagen sah ich die Degene- 
rationserscheinungen bereits weiter fortgeschritten als in einem 
Stadium von 11 Tagen. Fast das ganze Parenchym war ver- 
schwunden; an einzelnen Stellen fand ich einige wenige Paren- 
chymzellen zu kleinen Häuflein angeordnet, anscheinend ohne 
Veränderungen. Die Ausführungsgänge waren gut erhalten und 
zeigten einige Mitosen. 

In einem Transplantat von 21 Tagen besteht fast das ganze 
überpflanzte Stück aus jungem Granulationsgewebe; nur an einer 
Ecke findet sich, durch Bindegewebe abgekapselt, ein Rest von 
erhaltenem Pankreasgewebe. Die Alveolen zeigen starke Stauungs- 
erscheinungen; die einzelnen Zellen enthalten noch Zymogen- 
körnchen. In anderen gleichalten Transplantaten findet sich von 
dem Parenchym keine Spur mehr, das ganze Transplantat besteht 
aus Granulationsgewebe. Die Ausführungsgänge sind intakt. 

Bei Transplantation auf der Höhe der Verdauung findet sich 
also im Vergleich mit den Transplantationen beim Hungertier ein 
gewaltiger Unterschied hinsichtlich des Erfolges der Transplantation. 
Bei Transplantation auf der Höhe der Verdauung geht das über- 
pflanzte Pankreasparenchym entweder ganz oder zum allergrössten 
Teil zugrunde, und nur die Ausführungsgänge bleiben erhalten. 
Da in ganz genau derselben Weise operiert wurde wie beim Hunger- 
tier, wo Parenchym und Ausführungsgänge erhalten bleiben. so 
legt gerade der Umstand, dass bei Transplantation während der 
Verdauung die Ausführungsgänge intakt bleiben, das Parenchym 
aber zugrunde geht, den Gedanken nahe, dass die Ursache zu 
diesem Untergang der sekretorischen Elemente in dem durch die 
Verdauung veränderten physiologischen Zustand der Pankreaszellen 
selbst zu suchen ist. Bei der Verdauung wird bekanntlich der 
Pankreassaft aktiviert und ihm dadurch eine verdauende Wirkung 
zutel. Nun wissen wir, dass im Pankreas selbst in situ beim 
lebenden Individuum Nekrose auftreten kann, und zwar kommt 
diese nach Brugnatelli!) dadurch zustande, dass die Fermente 
des Pankreas auf die Pankreaszellen eine verdauende Wirkung 


!) Brugnatelli, E. Boll. Soc. med. -chir. Pavia 1909. (Referat im 
Centralblatt für Pathologie, 1910, Nr. 21.) 


42 H. Fischer: 


ausüben, wenn durch gewisse Einflüsse die Widerstandsfähigkeit 
dieses Organes gegen die Fermente beeinträchtigt wird. Ich 
glaube nun die oben beschriebenen Degenerationserscheinungen, 
die eine gewisse Ähnlichkeit mit der fettigen Degeneration haben, 
als Verdauungsprozesse ansprechen zu müssen. Derartige Er- 
scheinungen habe ich bei der Degeneration in Regenerations-, 
Transplantations- und Unterbindungsversuchen nie gefunden. Dass 
bei diesem Transplantationsverfahren Selbstverdauungsprozesse 
leicht auftreten können, ist nach dem vorhin (resagten leicht 
ersichtlich. Es ist klar, dass in dem Momente der Transplantation 
der Pankreassaft aktiviert war: andererseits ist es sicher, dass 
das von dem Pankreas zum Zwecke der Transplantation entfernte 
und auf eine neue Grundlage gebrachte Transplantat in seiner 
Widerstandskraft geschwächt ist, zumal die Versorgung mit neuen 
Gefässen erst in gewisser Zeit vor sich geht. Der aktivierte 
Pankreassaft kann also auf das transplantierte Gewebe gewisser- 
maßen wie auf ein totes (Gewebe einwirken. Dieser verdauenden 
Wirkung erliegt das Transplantat: die Parenchymzellen verfallen 
der Selbstverdauung. Anders ist es mit den Ausführungsgängen. 
Ihre Epithelien besitzen keine verdauenden Fermente, und die- 
jenigen der Drüsen kommen nicht an sie heran: sie bleiben infolge- 
dessen erhalten. 

Die Aktivierung des Pankreassaftes kann man auf zweifache 
Weise erklären; beide Erklärungsarten sind nicht von gleicher 
bedeutung für das Transplantat. Die eine ist die, dass die 
'ankreassekretion auf dem Nervenwege zustande kommt und 
reflektorisch vom gefüllten Magen aus angeregt wird. Trenne ich 
also in einem bestimmten Stadium der Verdauung ein Stückchen 
von der Pankreasdrüse und bringe es durch Transplantation auf 
eine neue Unterlage, so entziehe ich dieses Stück dem weiteren 
Einfluss der „Sekretionsnerven“, es bleibt mithin das nicht akti- 
vierte Zymogen inaktiv, und es kann an der Selbstverdauung des 
Drüsenstückes nicht teilnehmen. Die zweite Theorie des Zustande- 
kommens der Pankreassekretion ist die von Ba yliss und Star- 
ling.!) Diese Forscher sind auf Grund ihrer Versuche zu folgender 
Anschauung gelangt. Beim Eintritt der angedauten Speisen aus 
dem Magen ins Duodenum bildet sich durch Einwirkung der 


!) Journal of Physiology, Bd. 28, p. 325. 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 45 


Speisen auf die Duodenalschleimhaut ein „Hormon“, das Sekretin. 
Dieses Sekretin wird resorbiert, gelangt in die Blutbahn und wird 
vom Herzen aus mit dem Blute durch den ganzen Körper ver- 
teilt. Auf diese Weise gelangt das Sekretin auch zum Pankreas, 
und es soll so die Aktivierung der Fermente und die Sekretion 
auslösen. Falls diese Theorie zu Recht besteht, ist sie nicht ohne 
Einfluss auf das Transplantat. In vorliegendem Falle ist im Moment 
der Entfernung des zu transplantierenden Stückes mindestens ein 
Teil des vorhandenen Zymogens aktiviert gewesen. Während 
nach der ersten Theorie nun aber das Transplantat auf seiner 
neuen Grundlage jedem Einflusse einer weiteren Aktivierung von 
Z/Zymogen entzogen ist, wirkt nach der zweiten Theorie der akti- 
vierende und die Sekretion anregende Stoff, das Sekretin, auch 
auf der neuen Unterlage auf das Transplantat weiter. Denn da 
das Tier den Magen bei der Operation noch gefüllt hat und die 
Verdauung bei Fröschen und Tritonen sich lange hinzieht, so wird 
andauernd Sekretin in den Kreislauf gebracht, und dieses gelangt 
auf dem Wege der Blutbahn auch zu dem Transplantate, das auf 
einer angefrischten Unterlage fixiert ist. Es wird auf diese Weise 
schliesslich alles in der Zelle im Moment der Transplantation noch 
vorhandene Zymogen aktiviert werden, und die selbstverdauende 
Wirkung wird so eine viel stärkere und sicherere sein. 

Die Frage, ob eine derartige Weiterwirkung von Sekretin 
auf das transplantierte Stück stattfindet, liesse sich vielleicht in 
der Weise entscheiden, dass man bei Tieren, die eine schnelle Ver- 
dauung haben, nüchtern transplantierte und dann nach beendeter 
Operation gleich füttern würde. Vielleicht scheitert aber ein der- 
artiger Versuch daran, dass die Tiere die ihnen gleich nach 
erfolgter Laparotomie zugeführte Nahrung sofort wieder von sich 
geben. Ich habe wenigstens bei Fröschen und Tritonen die Er- 
fahrung gemacht, dass dieselben, auch wenn ohne Narkose operiert 
war, die ihnen gleich nach der Operation gereichte Nahrung bald 
wieder auswürgten. Leider fehlte mir die Zeit, die Frage zum 
Abschluss zu bringen. 

Aus den vorliegenden Versuchen glaube ich den Schluss 
ziehen zu müssen, dass der physiologische Zustand des Pankreas 
bei der Transplantation nicht ohne Einfluss auf das Gelingen der- 
selben ist. Der günstigste Moment für das Gelingen der Trans- 
plantation ist der nüchterne Zustand des Tieres, wo Magen und 


44 H. Fischer: 


Darm leer sind, die Zeit, wo aktivierter Pankreassaft nicht vor- 

handen ist. Ist das Zymogen zur Zeit der Transplantation be- 

reits aktiviert, so tritt eine mehr oder weniger umfangreiche 

Selbstverdanuung des Parenchyms ein. Die Ausführungsgänge 

werden von dieser Verdauung nicht betroffen. 

Die Beobachtung Kyrles, dass bei der Transplantation in 
die Milz alles Parencehym zugrunde gehe und nur die Ausführungs- 
gänge erhalten bleiben, könnte also auch auf diese Weise eine 
Erklärung finden ; doch ist bei Kyrle über den Verdauungszustand 
der Tiere bei der Operation und nach derselben nichts angegeben. 

Nicht ausser acht zu lassen bei einer Beurteilung der von 
den Resultaten anderer Autoren abweichenden Ergebnisse meiner 
Versuche ist die Verschiedenheit der Versuchsobjekte. Man wird 
das Verhalten der Warmblüter nicht direkt mit dem der Kalt- 
blüter vergleichen können. 

Zum Schlusse möchte ich meine Ergebnisse kurz zusammen- 
fassen. 

1. Nach Exzision eines grösseren Pankreasstückes bei Fröschen 
und Tritonen ist ein Wiederersatz des verloren gegangenen 
(sewebes möglich. 

Dieser Ersatz wird geliefert von den Parenchymzellen, 

nicht von den Ausführungsgängen. 

. Das Pankreasgewebe lässt sich mit Erfolg in kleinen 
Mengen beim völlig nüchternen Tier transplantieren. 
(Magen und Darm müssen leer sein.) Für wie lange Zeit 
dieser Erfolg anhält, kann ich zurzeit noch nicht sagen. 

4. Bei Transplantation auf der Höhe der Verdauung tritt 
eine mehr oder weniger umfangreiche Selbstverdauung 
des Parenchyms ein; die Ausführungsgänge bleiben intakt. 

5. An den bei nüchternen Tieren transplantierten Stückchen 
treten Wachstumserscheinungen auf, und zwar gehen diese 
aus von den in der Peripherie erhalten gebliebenen 
Parenchymzellen; im Zentrum des Transplantates tritt 
Nekrose ein. 

6. Weder bei der Regeneration, noch bei dem Wachstum 
nach Transplantation waren bis zu dem Zeitpunkte, bis 
zu dem ich die Vorgänge verfolgte, in dem neugebildeten 
Parenchyhm Langerhanssche Inseln zu finden. 


[5 


os 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 45 


Zur Durchführung der in vorstehender Arbeit beschriebenen 
Versuche wurde mir durch gütige Vermittelung von Herrn Professor 
Nussbaum eine Unterstützung aus der Elisabeth-Thompson- 
Stiftung zuteil. Ich spreche hierfür der Verwaltung der Stiftung, 
sowie Herrn Professor Nussbaum meinen herzlichsten Dank aus. 
Ferner sei es mir gestattet, dem früheren Assistenten am Bio- 
logischen Laboratorium zu Bonn, jetzigen Privatdozenten 
in Marburg, Herrn Dr. Harms, für das rege Interesse, das er 
meiner Arbeit entgegenbrachte, und für die freundliche Unter- 
stützung bei den Versuchen herzlichst zu danken. 


46 


EIS aRuIesierhkest: 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel 1. 


Die Präparate wurden sämtlich in Flemmingscher Flüssigkeit fixiert, 
7,5 „ dick geschnitten und mit Safranin gefärbt. Die Figuren wurden in 
der Höhe des Objekttisches mit dem Abb&schen Zeichenapparat gezeichnet. 


Riesa. 


rc) 
Fig. 2. 


Fig. 3. 


Fie. 4. 


Ira, 0) 


Aus einem Regenerat von 12 Tagen. Es ist das zugrunde gegangene 
Gewebe von der Schnittfläche weggeschafft, hier und da sieht man 
noch zwischen den erhaltenen Zellen einige Zellüberreste (r), über 
der Schnittfläche eine dünne Schicht Fibrin (F). In der ersten 
Zellreihe liegt eine Mitose in einer Parenchymzelle. Vergrösserung: 
Zeiss, Obj. F, Ok. 2!)2. 

Aus einem Regenerat von 18 Tagen. (Teil der in der Textfigur 
abgebildeten Neubildung.) Die neugebildeten Alveolen sind zum 
Teil noch ohne Lumen. Die Zellen haben bereits die charak- 
teristische Form der Parenchymzellen; Sekretkörnchen sind noch 
nicht vorhanden. Daher erscheinen die jungen Zeilen heller als 
die alten. An dem unteren Schlauche ist bereits die Bildung einer 
Knospe angebahnt (K). An zwei Stellen sieht man eine Mitose. 
Die neugebildeten Alveolen sind in ein junges Bindegewebe (B) 
eingelagert, in dem amöboide mit Detritusmassen beladene Zellen 
(Z) liegen. Vergrösserung: Zeiss, Obj. F, Ok. 1. 

Aus einem Regenerat von 21 Tagen. Man sieht eine neugebildete 
Alveole mit erweitertem Lumen. An der unteren Seite ist das 
Epithel des Schlauches zweischichtig. Hier beginnt an der Stelle, 
wo die Mitose gelagert ist, die Bildung einer Knospe. Die junge 
Alveole unterscheidet sich ebenso wie auf Fig. 2 durch das helle 
Aussehen ihrer Zellen von den alten. Vergrösserung: Zeiss, 
(0) 0) Pa a 0) To 


Aus einem Regenerat von 27 Tagen. Das Präparat zeigt starke 
Stauungserscheinungen. Die Lumina sind maximal erweitert, die 
Schläuche in toto stark gedehnt. Die Zellen selbst haben dabei 
entsprechend wenig gelitten, wie aus der Unversehrtheit der schönen, 
grossen Kerne hervorgeht. Die Tunica propria hat hier wegen 
ihrer Zartheit und weil die Schläuche sich noch nicht gegenseitig 
behinderten, dem Drucke nachgeben können, deshalb sind die Zellen 
nicht so sehr zwischen Tunica und Lumen gequetscht worden, wie 
dies bei Stauung im alten Pankreasgewebe der Fall ist. Die Zell- 
grenzen sind zum Teil geschwunden, das Protoplasma sieht ver- 
waschen aus. In einem weniger gestauten Schlauche ist eine 
Mitose sichtbar. Vergrösserung: Zeiss, Obj. F, Ok. 2. 

Querschnitt durch einen neugebildeten Schlauch, dessen Zellen 
bereits Sekretkörnchen besitzen. Im oberen Teil des Schlauches 
Vakuolenbildung in einer Zelle. 


IS 


98 


jez 


| 


Regeneration und Transplantation des Pankreas. 47 


Aus einem Transplantat von 27 Tagen. Sämtliche Schläuche sind 
neugebildet. Es machen sich bereits Stauungserscheinungen be- 
merkbar, in dem oberen Schlauche mehr als in den beiden unteren. 
Rechts oben ist eine Mitose vorhanden. 

Siehe Text, Seite 13, Regenerationsstadium 9. Fast der ganze 
auf dem Darm liegende Teil des Pankreas ist eine Neubildung. 
Die auf dem Regenerat sichtbaren kleinen Höcker entsprechen 
den am weitesten auswärts liegenden Alveolen. Nach dem Magen, 
d. h. nach rechts zu, schreitet das Regenerat in verschiedenen 
Zipfeln vor. In denselben waren noch Wachstumsvorgänge vor- 
handen. Die Reliefs der Oberfläche, welche nach rechts gegen den 
Pylorus zu folgen, sind nicht von Pankreasneubildung erzeugt. 
D, Dünndarm; M, Pylorusteil des Magens; P, Pankreas. 


48 


Aus dem Anatomischen Institut der Universität Berlin. 


Beiträge zum Studium des Zentralnervensystems 
der Wirbeltiere. 


1. Ein Faserzug am Boden des Recessus praeopticus (Tractus 
praeopticus) bei den Amphibien. 


Von Dr. med. Paul Röthig. 


Hierzu Tafel II. 


Das Material der vorliegenden Arbeit umfasst von den 
Anuren Rana und Bufo, von den Urodelen Spelerpes fuscus, 
Cryptobranchus japonicus, Neeturus maculatus und Sirena lacer- 
tina; sie hat zum Gegenstand einen Faserzug, der am Boden des 
Recessus praeoptieus in sagittaler Richtung kaudalwärts zieht und 
sich unmittelbar oberhalb der postchiasmatischen Kreuzungen 
verliert. Dieser Faserzug, der seiner Lage entsprechend Tractus 
praeopticus genannt wird, ist besonders stark entwickelt bei der 
Kröte. Die Abbildungen 1—5 auf Taf. II zeigen ihn auf einer 
reihe kaudalwärts aufeinander folgender Frontalschnitte des 
Gehirns von Bufo und in Fig. 6 auf einem Längsschnitt vom 
gleichen Material. 

Die Fig. 1 (Taf. II) stellt einen Durchschnitt durch den 
frontalen Teil des Recessus praeoptieus dar; umgeben wird dieser 
von den Zellen des von ©. L. Herrick so genannten Nucleus 
praeopticus. Am Boden dieses Recessus erblickt man den Anfangs- 
teil der mit der Weigertschen Markscheidenfärbung blau 
gefärbten Fasern des Tractus praeopticus. Schreiten wir in der 
Serie kaudalwärts vor, so weitet sich ventral der Recessus aus 
(Fig. 2, Taf. II), sein Boden wölbt sich spornartig in das Lumen 
des Recessus vor und enthält im Innern dieser Hervorwölbung 
die eng aneinander gelagerten Tractus praeopticus-Fasern. Nach 
oben setzt sich durch einen Spalt der Recessus in Verbindung 
mit dem Hohlraum des Zwischenhirns. Er wird wieder umgeben 
von den Zellen des Nucleus praeoptieus, an die ganz dorsal die 


> 


Fasern des medialen Vorderhirnbündels grenzen. Auf Fig. 3 der 


Das Zentralnervensystem der Wirbeltiere, 49 


gleichen Tafel befinden wir uns im Beginn des Chiasma optieum. 
An dasselbe grenzt von dorsal her der Boden des kaudalen Aus- 
läufers unseres hecessus, und zwar ist auch hier dieser Boden 
halbkugelförmig nach oben in denselben vorgewölbt. In ihm 
liegt wieder der Durchschnitt des Tractus praeoptieus, der in 
dieser Gegend deutlich in zwei Bündel zerfällt. Weiter nach 
hinten legen sich diese eng aneinander (Fig. 4, Taf. I): sie 
befinden sich in der Mitte des Bodens des Hohlraumes des Dien- 
cephalon oberhalb des Chiasma. Der Ventrikel ist umgeben von 
den Ausläufern des Zellarcales des Nucleus praeopticus, an denen man 
hier die beiden Abteilungen der vorigen Figur, nämlich die Cellulae 
magnae und die Grundzellen des Kernes nicht mehr unterscheiden 
kann, hier besteht vielmehr der Nucleus praeoptieus aus gleich- 
artigen Zellen. Seitlich grenzen an den Kern die Durchschnitte 
des medialen und lateralen Vorderhirnbündels.. Während bis 
hierher der Tractus praeopticus als isolierter Zug deutlich zu 
unterscheiden war, ist dies weiter kaudal nicht mehr möglich: 
dort verliert er sich allmählich in dem Fasergewirr am Boden des 
Ventriculus diencephali und oberhalb der postchiasmatischen 
Kreuzungen, wie die Fig. 5 (Taf. II) zeigt. Dort sieht man dorsal 
den Hohlraum des Zwischenhirns, ventral den des Hypothalamus 
und zwischen beiden die (@uerzüge der postchiasmatischen 
Kreuzungen und oberhalb letzterer Faserdurchschnitte, zwischen 
denen sich unser Tractus verliert. Dieser ganze eben geschilderte 
Verlauf zeigt sich auch auf dem Sagittalschnitt in Fig. 6 (Taf. II), 
an der man ebenfalls streckenweise eine Scheidung des Faser- 
zuges in zwei Bündel bemerken kann. 

Was das Vorkommen dieses Tractus praeopticus bei anderen 
Amphibien betrifft, so kann ich auf Grund meines Materiales 
folgendes aussagen: Er ist ausser bei der Kröte auch bei Rana 
nachweisbar; hier aber nur auf ganz kurze Strecken hin und von 
sehr geringer Entwicklung. Bei Spelerpes fuscus habe ich ihn 
nicht beobachten können, dagegen, allerdings auch hier sehr 
schwach ausgebildet, bei Sirena lacertina und bei Necturus macu- 
latus. Eine mächtigere Ausbildung, die der bei Bufo nahe kommt. 
zeigt er bei Cryptobranchus japonieus. Hier zerfällt er nach den 
Befunden auf einer Frontalserie in eine Reihe sagittal verlaufender 
feiner Fasern. Ab und zu sieht man zwischen ihnen am Boden 


des Recessus praeopticus quer verlaufende Fasern. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.l|. 4 


0 Paul Röthig: 


In der Literatur habe ich bisher bei den Amphibien den 
von mir beschriebenen Zug nicht erwähnt gefunden. Was ein 
Blick auf die anderen Wirbeltierklassen betrifft, so erscheint es 
mir denkbar, dass er dem von Kappers so genannten Tractus 
praethal. cinereus entspricht. Ferner habe ich selbst in meiner 
Untersuchung über die Riechbahnen, Septum und Thalamus bei 
Didelphis marsupialis (Abh. Senckenberg. Naturforsch. Ges., Bd. 31, 
Heft 1, 1909) ein Fasersystem beschrieben, das der Lage nach 
mit dem Tractus praeopticus verglichen werden kann. Es wurde 
dort Faseiculus supraopticus genannt und den Fasern des zentralen 
(Graues des Sehhügels zugerechnet. Dieser Fascieulus supraopticus 
verläuft dort im Boden des Recessus opticus dicht oberhalb des 
Optieus, nimmt seinen Anfang jederseits aus einer Zellanhäufung, 
dem Ganglion supraopticum frontale, und verliert sich weiter 
kaudal in Zellanhäufungen, die rechts und links oberhalb des 
Chiasma neben dem dritten Ventrikel liegen und Ganglia supra- 
optica caudalia heissen. Das hintere Ende des Fasciculus supra- 
optieus wird untermischt und zum Teil verdeckt durch die Kuppe 
der Decussatio supraoptica dorsalis. Wie man aus dieser kurzen 
Beschreibung des Fascieulus supraopticus ersieht, und wie ein 
Vergleich mit den Abbildungen 1—5 auf Tafel II der erwähnten 
Abhandlung über Didelphis marsupialis des (Grenaueren ergibt, 
entsprechen die anatomische Anordnung des Fascieulus supra- 
opticus und die des Tractus praeopticus einander. Ein weiterer 
Vergleich zwischen beiden Faserzügen ist darin gegeben, dass der 
Traetus praeopticus stellenweise in zwei Faserzüge zerfällt und 
auch der Fascieulus supraoptieus jederseits als ein geschlossener 
Faserzug verläuft, also auch hier eine Zweiteilung des ganzen 
Systems vorliegt, die bei Bufo bereits angedeutet ist. Bei anderen 
Amphibien zerfällt dieses Fasersystem in mehrere einzelne Züge, 
zeigt keine Geschlossenheit zu einem oder zu zwei Zügen. Ver- 
gleicht man den Tractus praeoptieus der Amphibien mit dem 
Fasciculus supraoptieus, so liegt weiter die Annahme nahe, dass 
die Ganglia supraoptica frontalia et caudalia der Marsupialia sich 
allmählich differenziert haben mögen aus den Zellen um den 
tecessus praeopticus herum, d.h. aus dem Nucleus praeopticus. 
Jedenfalls ergibt sich soviel, dass wir in beiden Faserzügen alte 
Systeme vor uns haben. Der bei den Amphibien erhobene Befund 
wirft somit ein Licht auf die vergleichende Anatomie und die 


Das Zentralnervensystem der Wirbeltiere. al 


Phylogenese der Ganglia optica basalia der Säugetiere. Sie soll 
des genaueren in einer besonderen Arbeit in den Folia Neuro- 
Biologica dargestellt werden. 


Fig. 


.1—9. 


D 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. 


Fünf in fronto-kaudaler Richtung aufeinander folgende Frontal- 
schnitte durch das Gehirn von Bufo, gefärbt mit der Weigertschen 
Markscheidenfärbung. 

Sagittalschnitt durch den Recessus praeopticus von Bufo, gefärbt 
mit der Weigertschen Markscheidenfärbung. 


Bezeichnungen. 
Recessus praeopticus: Nucleus praeopticus; Tractus praeopticus. 
Fasern des medialen Vorderhirnbündels: Nucleus praeopticus; 
Recessus praeopticus; Tractus praeopticus. 
Cellulae magnae Nuclei praeoptici; Nucleus praeopticus; Recessus 
praeopticus; Tractus praeopticus; Tractus opticus. 
Mediales Vorderhirnbündel; Laterales Vorderhirnbündel; Traetus 
praeopticus; Ventriculus diencephali; Chiasma. 
Ventrieulus diencephali; Postchiasmatische Kreuzung; Ventriculus 
Hypothalami; Pars hypothalamica des basalen Vorderhirnbündels. 
Recessus praeopticus; Tractus praeopticus; Chiasma. 


4* 


Aus dem biologischen Laboratorium der Universität Bonn. 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius 


und des Stapes. 


Von 
Prof. Rud. Eschweiler in Bonn. 


Hierzu Tafel III. 


Die vorliegende Arbeit bildet eine Fortsetzung und Erweiterung 
meiner früheren Studien „Zur Entwicklung des schalleitenden 
Apparates mit besonderer Berücksichtigung des Musculus tensor 
tympani“ in diesem Archiv.!) Es möge daher gestattet sein, 
dass die folgenden Zeilen sich an das dort Gesagte enge 
anschliessen und die dort gemachten Vorbemerkungen über die 
Technik und die Art des verwendeten Materials teils übergangen, 
teils nur ganz kurz wieder berührt werden. Zu der damals 
benutzten Serie von 14mm Länge wurde eine solche von einem 
Embryo von 15 mm angefertigt und intensiver gefärbt — auch 
mit Kongorot. Es erwies sich, dass bei der Untersuchung der 
kräftiger tingierten Serie teils hierdurch, teils, weil die Grösse 
nicht immer im direkten Verhältnis zur Entwicklungsstufe steht, 
mehr Details zum Vorschein kamen, als bei dem Stadium von 
14 mm Länge. Auch scheint die Entwicklung des Musculus 
stapedius kontinuierlicher und gleichmässiger fortzuschreiten als 
die des Musculus tensor tympani. Ausserdem wurde noch eine 
Serie von einem 16,5 mm langen Embryo, die mit Hämalaun 
sehr kräftig gefärbt war, zur Kontrolle der Serie von 15,25 mm 
und zur besseren Überleitung zu dem Stadium von 20,5 mm 
Länge hinzugezogen. Sie wurde aber nicht detailliert beschrieben, 
da sie nur eine Bestätigung und Verdeutlichung der mit dem 
Stadium von 15,25 mm erhaltenen Resultate ergab. 

Es möge hier vorweg bemerkt werden, dass die Stelle, an 
der sich die uns interessierende Entwicklung abspielt, eine räumlich 
beschränkte ist. Im Gegensatz zu dem Paukenspanner lässt sich 
bei unseren Embryoner für den Steigbügelmuskel weder die 


!) Band 63, 1903, S. 150. 


(st 
®) 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 


Abstammung von einer anderen grossen Muskelgruppe noch eine 
wesentliche Verlagerung der Anlage nachweisen. Infolgedessen ist 
die jeweils zu durchmusternde Zahl von Schnitten der Serie viel 
kleiner als beim Studium des Tensor tympani. 

Da der Bezirk, der hier in Frage kommt, sich räumlich an 
den Entwicklungsbezirk des Tensor tympani anschliesst, so schliesst 
sich auch die Beschreibung der Schnitte an das entsprechende 
Kapitel der früheren Arbeit an und kann ganz im Zusammenhang 
gelesen werden. Gelegentlich war es nicht zu vermeiden, eine 
Abbildung zu wiederholen. Sie wurde aber aus dem Gesichts- 
punkte dieser Arbeit neu gezeichnet. 

Während damals nicht näher auf die Entwicklung der 
Gehörknöchelchen eingegangen wurde, wird uns hier die Ent- 
wicklung des Stapes in höherem Grade interessieren. Durch 
>romans eingehende Arbeit!) schien die Frage der Steigbügel- 
entwicklung in ein definitives Stadium eingetreten zu sein. Es 
ist aber unseres Erachtens Fuchs?) gelungen, einen in mancher 
Hinsicht von dem Bromanschen abweichenden Entwicklungs- 
modus zu begründen, so dass eine vergleichende Kritik der 
Resultate beider Autoren an der Hand unserer Schnitte nicht 
umgangen werden konnte. 

Das Thema soll in der Weise behandelt werden, dass zunächst 
das Protokoll jeder Serie, dann das Resume der einzelnen Stadien 
und endlich die zusammenfassende Schilderung des Entwicklungs- 
ganges gegeben wird. 


I. Embryo a. 10,5 mm Scheitelsteisslänge. 

Schnittdicke 0,01 mm; Färbung mit Hämalaun. Schnittebene 
verläuft frontal, senkrecht zur ersten Kiemenfurche. 

Die Betrachtung beginnt mit Schnitt 118, der in meiner 
früheren Arbeit beschrieben und als Fig. 2 auf Taf. VI abgebildet 
wurde. Das dort angeschnittene Labyrinthbläschen erweitert in 
den folgenden Schnitten das Lumen und bleibt von dem Nervus 
facialis und der Vena capitis lateralis (primitive Jugularvene) 
durch eine ganz homogene Schicht von Blastem getrennt, in 


!) J. Broman. Die Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen 
beim Menschen. Anatom. Hefte 1898, I. Bd. 11, S. 509. 

®, Hugo Fuchs. Bemerkungen über die Herkunft und Entwicklung 
der (rehörknöchelchen bei Kaninchen-Embryonen. Archiv f. Anat. u. Physiol., 
Anat. Abt., Suppl. 1905. 


54 Rud. Eschweiler: 


welchem nicht die geringste Andeutung von Organanlagen zu 
sehen ist. Ebensowenig ist eine konzentrische Schichtung des 
Blastems vorhanden, die auf die Stapesanlage hinweisen könnte, 
Fig. 1 auf Taf. III gibt die Ansicht von Schnitt 123 der Serie 
wieder. L ist das Labyrinthlumen, N? der Nervus facialis, 
der, aus seinem Ganglion kommend, nach unten verläuft. V.j. ist 
die primitive Jugularvene (Vena capitis lateralis). A und B sind 
erster, resp. zweiter Kiemenbogen, getrennt durch die erste 
Schlundtasche (I). Die Kombination von Labyrinthblase, Vena 
capitis lateralis und dem aus seinem Ganglion nach abwärts 
ziehenden Facialnerven beweist, dass wir uns hier in der Region 
befinden, wo die Anlage des Stapes und seines Muskels erfolgt. Da 
hier keine Andeutung irgend einer Organtrennung besteht, so muss 
angenommen werden, dass bei dem Schweinsembryo von 10,5 mm 
Scheitelsteisslänge weder Stapes noch Musculus stapedius an- 
gelegt sind. 
II. Embryo b. 13 mm Scheitelsteisslänge. 

Diese Serie wurde neu hergestellt, ist also in der früheren 
Arbeit nicht benutzt. Der Unterschied zwischen dieser Serie 
und derjenigen von 14mm ist aber nicht so gross, dass nicht 
die Beschreibung an die damals gegebene angeschlossen werden 
könnte. Die Schnittdicke beträgt 0,01 mm. Die Färbung erfolgte 
mit Hämalaun und Kongorot. 

Die Betrachtung der Serie beginnt mit Schnitt Nr. 13, der 
den ersten Anschnitt der Labyrinthkapsel enthält. Dieser Schnitt 
ist in Fig. 2 auf Taf. III abgebildet. Die beiden Kiemenbogen 
sind durch ihre resp. Nerven — N5 — trigeminus, N? — facialis 
markiert und durch die Schlundtasche resp. den Paukenspalt I, 
sowie durch die ihm gegenüberliegende Einsenkung des Ektoderms 
isthmusförmig voneinander getrennt. Bei Bl lagert dem 
Nervus facialis eine Blastemmasse auf: die erste Andeutung einer 
Differenzierung des Reichertschen Knorpels. Nach oben und 
medial von diesem Blastem ist ein arterielles verzweigtes Gefäss a 
angeschnitten. Dieses ist ableitbar aus der embryonalen Arteria 
carotis. Medial von der einen grossen venösen Raum darstellenden 
Vena capitis lateralis (V. j.) liegt ein dem Vagus-Glossopharyngeus- 
gebiet angehörendes Ganglion GI. 

In den folgenden Schnitten entwickelt sich rasch der Hohl- 
raum des Labyrinths, während sich das Lumen der Schlundtasche 


[b) 
[sb 1 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 


verkleinert. Das Blastem Bl begleitet den Nervus facialis nach 
hinten (aboralwärts), ist dabei aber kleiner, auf einen mehr 
rundlichen aber später schärfer umschriebenen Bezirk beschränkt 
(im Querschnittbilde). 

In Schnitt 22, Fig. 3, zeigt sich folgendes Bild. Der 
Paukenspalt, resp. die aboralste Partie der Schlundtasche ist 
stark verkleinert (I). Zwischen ihr und dem Labyrinth (L) ist 
ein rundlicher Blastemhaufen, der zentral einen Gefässquerschnitt 
enthält, zu sehen. Dieser Blastemhaufen ist als die erste 
Stapesanlage zu betrachten und wurde demgemäss mit St be- 
zeichnet. Der kleine Gefässquerschnitt im Innern lässt sich aus 
dem Blutgefässe a der Fig. 2 ableiten. Man kann diese Anlage 
wohl kaum einem Kiemenbogen zurechnen, am ersten gehört 
sie zum periotischen Blastem. Zum ersten Kiemenbogen gehört 
sie sicher nicht, ob sie zum zweiten oder zum periotischen 
Blastem gehört, ist schwer zu entscheiden (siehe später). Das 
dem Nervus facialis an- und aufliegende Blastem Bl ist kleiner 
ım Querschnitt und schärfer gegen die Nachbarschaft abgegrenzt. 
Vom unteren Rande des Nervus facialis geht ein Nerv (n) bogen- 
förmig nach innen und nach unten verlaufend ab und vereinigt 
sich mit dem Ganglion Gl. Gleich nach der Abzweigung dieses 
kleinen Nerven aus dem Facialis geht ein Nervenfaden nach 
oben, in das der medialen Seite des Nervus facialis anliegende 
Blastem Bl über. Dieses Blastem darf als die erste Andeutung 
einer Stapedius-Anlage angesehen werden und würde daher 
mit Stp bezeichnet. 

In Schnitt 27 schon ist von diesem Blastem nichts mehr 
übrig, nur auf dem Nervus facialis sieht man noch wie eine 
Haube einen dunkelgefärbten Blastemhaufen. Es ist dies das 
Ende des Reichertschen Blastems. Dasselbe löst sich im 
umgebenden Blastem völlig auf, so dass Beziehungen zwischen der 
Anlage des Reichertschen Knorpels und der Anlage der 
Labyrinthkapsel in diesem Stadium noch nicht bestehen. In 
Schnitt 32 ist auch das Schlundtaschenlumen geschwunden. In 
Schnitt 36 tritt das Facialis-Ganglion am oberen Pol der Labyrinth- 
anlage auf. In Schnitt 38 hat der Nervus facialis seine Biegung 
nach oben gemacht, so dass er nunmehr im Längsschnitt und in 
Verbindung mit seinem Ganglion erscheint. Der Zellhaufen, 
welcher den Stapes markiert, verschwindet so allmählich, dass 


56 Rud. Eschweiler: 


sich eine Schnittnummer, die den letzten Anschnitt enthielte, 
gar nicht angeben lässt. Jedenfalls ist dort, wo der vertikale 
Facialisverlauf beginnt, keine Spur einer Stapesanlage zwischen 
ihm und der Labyrinthblase mehr zu sehen. 


III. Embryo c. 15,25 mm Steisslänge. 

Schnittdicke 0,01; Färbung mit Hämalaun. 

Die Beschreibung der Serie beginnt mit Schnitt 186, dar- 
gestellt in Fig. 4 auf Taf. Ill. Das Bild wird charakterisiert durch 
drei Blastemanlagen, die des Stapes St, die des Hammeramboss- 
Massivs M und die des Reichertschen Knorpels Re. Die 
aborale Ecke der ersten Schlundtasche, die nunmehr als Pauken- 
höhle bezeichnet sei (P), endigt blind. Sie trennt die Stapes- 
anlage St von dem Blastem beider Kiemenbogen, ganz besonders 
von dem des Hyoidbogens. Diese Trennung ist durch die bedeutende 
Entfaltung der Paukentasche bedingt. Der Nervus facialis ist an 
seinem Abgang vom Ganglion und in der Gegend des zweiten 
Kiemenbogens angeschnitten (N7). Im Bereich des zweiten 
Bogens hat sich ein Blastemstück, die Anlage des Reichertschen 
Knorpels Re, differenziert, die dem Nervus facialis aufliegt. Über 
ihr ist die Chorda tympani (ch) sichtbar, die der Vereinigung 
mit dem Facialis zustrebt. 

Schon in Schnitt 189 ist vom Paukenspalt nichts mehr zu sehen. 

Schnitt 195 ist in Fig. 5, Taf. III, dargestellt. Die beiden 
Abschnitte des Nervus facialis streben ihrer Vereinigung zu. Aus 
dem Hammeramboss-Massiv hat sich der Amboss (JJ), in seinem 
Längsschnitt als solcher zu erkennen, losgelöst und ist mit der 
Stapesaniage St in Verbindung getreten. Letztere wird von der 
Arteria stapedialis durchzogen. Die Chorda tympani (ch) ist im 
Begriff, sich mit dem Nervus facialis zu vereinigen. Medial von 
ihrem Querschnitt und nach oben hin ist das Blastem Bl, d.h. 
das aborale Stück des Hyoidbogens resp. des aus ihm sich diffe- 
renzierenden Reichertschen Knorpels ganz difius. Es ver- 
schmilzt mit der Amboßstapesverbindung. In Schnitt 199 legt 
sich neben den Nervus facialis ein Zellenhaufen, dessen Kerne 
mehr spindelförmig sind und mit ihrer Längsachse in der Schnitt- 
richtung liegen, so dass ein streifiger, faseriger Charakter dieser 
Blastemmasse zustande kommt. Der Stapes verschwindet aus 
dem Bilde. 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 57 


In Schnitt 203 hat sich das Bild Fig. 6, Taf. II, entwickelt. 
Die Vereinigung der Schenkel des Nervus facialis steht nahe 
bevor. Medial vom unteren Nervenquerschnitt liegt diesem die 
geschilderte Blastemmasse von faserigem Baue an. In dieselbe 
tritt ein kleiner Nervenfaden aus dem Nervus facialis ein. Dieser 
Blastemhaufen ist mit Sicherheit als Anlage des Musculus 
stapedius zu betrachten. Sie hat zu dem Stapes noch keine 
Beziehungen. 

In Schnitt 206 ist die Vereinigung der beiden Abschnitte 
des Nervus facialis vollzogen. Dem medialen Rand desselben 
liegt noch ein Rest der Stapediusanlage an, die in Schnitt 210 
vollständig geschwunden ist. Die in der vorigen Serie abgebildete 
Abzweigung eines Nervenfadens zum Glossopharyngeusganglion 
findet in dieser Serie in Schnitt 211 statt. Eine Versorgung der 
Muskelanlage von diesem Zweige aus kann nicht konstatiert 
werden. Eine Verbindung des aboralen Endes des Reichert- 
schen Knorpels resp. Blastems mit dem Blastem der Labyrinth- 
kapsel findet auch jetzt noch nicht statt. Nervus facialis und 
Vena capitis lateralis scheiden dieses Ende deutlich von der 
Labyrinthkapsel. 

IlIa. Embryo von 16,5 mm Länge. 

Dieser Embryo enthält nur eine gewisse Verdeutlichung der 
Ergebnisse des vorhergehenden Stadiums, da die Färbung stärker 
ist. Die Distanz der Stapediusanlage von der Abzweigungsstelle 
der Chorda tympani aus dem Nervus facialis beträgt drei Schnitt- 
dicken. Im übrigen kann auf die Wiedergabe des Protokolls 
verzichtet werden. 


IV. Embryo d. 20,5 mm Scheitelsteisslänge. 
Sehnittdicke 0,01 mm. Färbung mit Hämalaun. 
Entsprechend der Grössenzunahme sind die vorknorpligen 
(Gehörknöchelchen wiederum deutlicher gegen ihre Nachbarschaft 
abgegrenzt. Die ersten Zellen, welche faserige Struktur der 
Muskelanlage verraten, treten im Schnitt 244 auf. In Schnitt 248 
tritt aus der medialen Peripherie des Nervus facialis ein Ast in 
die Muskelanlage ein und zwar aus dem Nervenstamm. 

In Fig. 7, Taf. III, ist Schnitt 250 der Serie abgebildet. 
Der Stapes zeigt schon Sanduhrform auf dem Querschnitt und 
wird von der Arteria stapedialis durchsetzt. Der Amboss und 


Rud. Eschweiler: 


(db | 
q 


der Reichertsche Knorpel stehen in blastematöser Verbindung. 
Aus dem Nervus facialis löst sich der den Musculus stapedius 
versorgende Nervenast ab. Die Muskelanlage ist schärfer als im 
vorigen Stadium gegen ihre Umgebung abgesetzt und erscheint 
schmaler, schlanker. Die Faserrichtung der Zellen ist nach oben 
und etwas nach aussen gerichtet, nach der Stelle hin, wo Stapes 
Ineus und Reichertscher Knorpel zusammenfliessen. Das 
Labyrinth ist an zwei Stellen angeschnitten. 


In Schnitt 252 löst sich vom Nervus facialis und zwar an 
der ventralen Seite seines Querschnitts ein ziemlich voluminöser 
Nerv los, der über die Vena capitis lateralis hinweg mit dem 
Ganglion Gl in Verbindung tritt. Es ist aber auch mit starker 
Vergrösserung festzustellen, dass der Nerv des Musculus stapedius 
nicht aus ihm, sondern direkt aus dem Nervenstamm des Nervus 
facialis abzweigt. Der Reichertsche Vorknorpel löst sich 
wieder in eine bBlastemmasse auf, welche lateral von der Vena 
capitis lateralis und dem Nervus facialis liegt. Bei Verfolgen 
der Schnitte nach hinten lässt sich nachweisen, dass diese 
DBlastemmasse zwar noch nicht als Anlage eines Skelettstückes zu 
identifizieren ist, dass sie aber einen dichten Mesenchymstreifen 
darstellt, der die Verbindung zwischen der schon jungknorpligen 
— Zellen mit viel Interzellularsubstanz — Schädelbasis und der 
Labyrinthkapsel — nur blastematös — darstellt. Von der Anlage 
eines Intercalare kann man nicht reden. 


V. Embryo e. 25 mm Länge. 

Schnittdicke 0,015. Färbung mit Hämalaun. 

Die Betrachtung der Serie beginnt mit Schnitt 284, Fig. 8, 
Taf. III. Das Labyrinth, dessen vorknorplige Kapsel jetzt fast 
komplett ist, ist an drei Stellen angeschnitten. Der Stapes (St) 
ist in seinem hinterem Schenkel getroffen, der Amboss in seinem 
Processus posterior, dessen konisch zulaufendes Ende in rundem 
Querschnitt erscheint (J). Der Reichertsche Knorpel (Re) 
beginnt nach oben einzubiegen zur Verbindung mit dem Schläfen- 
bein. Zwischen ihm und dem Stapes befindet sich eine derbe, 
zellige und faserige Blastemmasse, welche die Sehne des Musculus 
stapedius in sich beherbergt, ohne sie deutlich differenziert 
erscheinen zu lassen. Unter dem Reichertschen Knorpel und 
medial vom unteren Facialisquerschnitt liegt ein kleines Ganglion, 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 59 


welches einen Nervenfaden aus dem Plexus tympanicus aufnimmt 
und einen anderen nach der Vena capitis lateralis hin entsendet. 
In den folgenden Schnitten hebt sich die Sehne des Musculus 
stapedius immer deutlicher von der Nachbarschaft ab und geht 
sehr bald in den Muskelbauch über. Letzterer hat im Vergleich 
zu den vorigen Stadien eine Drehung erfahren, derart, dass er, 
wenn wir ihn als Pyramide auffassen, mit seiner Basis nach 
hinten verschoben wurde. Dadurch trifft jetzt die Schnittebene 
den Muskelkonus mehr senkrecht zu seiner Achse und die Fasern 
erscheinen im ovalen Querschnitt. 

In Schnitt 290, Fig. 9, Taf. III, ist der Stapes nur mit seiner 
hintersten Kante sichtbar. Er wird noch durch einen kleinen 
Komplex dunkler gefärbter Zellen markiert. Der Reichertsche 
Knorpel ist im Kontakt mit der Labyrinthkapsel (LK) resp. dem 
Schläfenbein, und zwar hat sich nicht etwa die Anlage eines 
Intercalare gebildet, sondern der Reichertsche Knorpel ist 
weiter nach hinten und oben. die Labyrinthkapsel unter Umfassung 
des Nervus facialis weiter nach aussen und unten differenziert 
und beide Teile sind in Verbindung getreten. Die Vereinigung 
der Querschnitte des Nervus facialis ist vollzogen. Zuerst sind 
nur die am oralen Nervenrande gelegenen Fasern im Schnitt 
getroffen, wodurch die Sanduhrform des Nervenschnittbildes 
zustande kommt. Der Muskelkonus des Musculus stapedius ist 
in faserigem Querschnitt getroffen; er liegt dem Nerven enge an. 

Je mehr die Serie aboralwärts fortschreitet, um so 
mehr wird der Muskelkonus tangential von der Schnittebene 
getroffen. 

In Schnitt 296 ist der Nerveneintritt in den Muskelbauch 
enthalten. Das}Bild ist in Fig. 10, Taf. III, wiedergegeben. Das 
in der Längsrichtung getroffene Stück des Nervus facialis, welchem 
der Muskelbauch aufsitzt, ist nunmehr in eine Knorpelnische des 
Schläfenbeins eingebettet. Der Muskelbauch ist förmlich mit dem 
Nerven verfilzt, der mehrere Äste zwischen die Muskelfasern 
entsendet. Auch hier ıst die Nervenversorgung eine direkte aus 
dem Nervenstamm. Die Abzweigung des Facialisastes zu dem 
Ganglion des Glossopharyngeusgebietes erfolgt in Schnitt 299, 
wo vom Musculus stapedius nur noch die punktförmigen Quer- 
schnitte einiger Endfasern zu sehen sind. In Schnitt 305 ist 
auch die letzte Spur des Muskels verschwunden. 


60 Rud. Eschweiler: 


VI. Embryo f. 30 mm Scheitelsteisslänge. 
Schnittdicke 0,01 mm; Färbung mit Hämalaun und Kongorot. 
Infolge der Färbung mit Kongorot, die ziemlich kräftig 

gewirkt hat, erscheint das Nervengewebe von derbfaseriger 
Struktur im Gegensatz zu der Hämalaunfärbung, die vom Nerven 
nur die Zellkerne hervorhebt und den Nervenstamm hyalin 
erscheinen lässt. In der Zeichnung kommt dies entsprechend 
zum Ausdruck. (Vergl. Fig. 1—10 mit Fig. 11—15.) 

Die Unterschiede dieser Serie von der vorhergehenden sind 
mehr graduell als prinzipiell. Die Schnittebene verläuft in etwas 
anderer Richtung, wodurch Stapes und Musculus stapedius im 
Schnittbilde mehr in eine Ebene verlegt werden, als in der 
vorhergehenden Serie. 

Die erste sicher als Muskelsehne zu bezeichnende Partie 
findet sich in Schnitt 252 der Serie, wieder an der Stelle zwischen 
teichertschem Knorpel, Stapes und Nervus facialis. 

Schon in Schnitt 253 sind Fasern zu erkennen und in 
Schnitt 256 präsentiert sich das Bild Fig. 11, Taf. III. Die 
Bezeichnungen sind ohne weiteres verständlich. Wiederum sitzt 
der Musculus stapedius dem Nerven sehr innig auf. Der Verlauf 
seiner Sehne ist noch durch dichtes Bindegewebe, welches vom 
Muskel zum Stapeskopf zieht, angedeutet. Es ist eben zu 
beachten, dass sich bei der Entwicklung die Sonderung der ein- 
zelnen Teile voneinander allmählich vollzieht. Der Nerv n ist 
der mehrfach erwähnte, aber nur in der Serie 2 abgebildete Nerv, 
der eine Verbindung des Facialis- mit dem Glossopharyngeus- 
gebiet herstellt. Auch hier, wo er durch die Abweichung der 
Schnittebene schon vor Auftreten des Muskels im Bilde zu sehen 
ist — sein Abgang vom Nerven liegt in dem weiter oralwärts 
liegenden Schnitt 248 — ist es deutlich, dass er zur Versorgung 
des Musculus stapedius nicht beiträgt. 

In Schnitt 263 ergibt sich das Bild der Fig. 12, Taf. II. 
Vom Stapes erscheint noch sein hinterer Schenkel. An der Spitze 
des kegelförmigen Schnittes durch ihn zieht der Nervus facialis 
von oben nach unten. Seiner ventralen Partie sitzt der Muskel 
auf, in dessen Innerem die Verzweigungen des Muskelnerven 
sichtbar sind. Muskel und Nervus facialis sind in eine Nische 
des knorpeligen Schläfenbeins gebettet, die lateralwärts von dem 
mit dem Schläfenbein verschmolzenen Reichertschen Knorpel 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 61 


gebildet wird. Hier reichen einige Fasern des Muskels so nahe 
an das jungknorpelige Gewebe heran, dass man wohl behaupten 
darf, der Muskel entspringe jetzt zum Teil von seiner Knorpelnische. 


VII. Embryo 8. 53 mm Scheitelsteisslänge. 

Entkalkung in 5°/oiger Salpetersäure; Einbettung in Celloidin; 
Färbung mit Hämalaun und Kongorot; Schnittdicke 0,025 mm. 

Bei Betrachtung der Serie in der Reihenfolge von vorn 
nach hinten erscheint zunächst der Sehnenansatz des Muskels 
am Steigbügel, dann folgen etwas schräge Querschnitte der Sehne, 
die schon sehr scharf von ihrer Nachbarschaft abgehoben ist, 
und schliesslich erscheinen schräge (uerschnitte des Muskelkonus. 
Wo der Nerv eintritt ist der Muskelkonus aus den Schnitten 
geschwunden. Der Ansatz der Sehne am Stapes findet im 
Schnitt 255 statt. Sie verläuft — ausgehend vom Insertions- 
punkt — nach hinten, unten und aussen. 

Schnitt 259 ist in Fig. 13, Taf. III abgebildet. Der Sehnen- 
querschnitt Stp ist durch einen bogenförmigen Faserzug mit dem 
oberen Rande der Nische der Fenestra vestibuli verbunden. Der 
Reichertsche Knorpel bildet mit einem ihm entgegengewach- 
senen Vorsprung des Schläfenbeins die zur Aufnahme des Nervus 
facialis und des Muskels dienende Nische. Der Stapes ist in 
seinem hinteren Schenkel angeschnitten. Im Labyrinth ist teils der 
perilymphatische Raum, teils der endolymphatische angeschnitten. 
Die Fenestra cochleae (f. c.) ist deutlich zu erkennen, da jetzt die 
Labyrinthkapsel aus vollkommen differenziertem Knorpel besteht. 

In Schnitt 261 beginnen Muskelfasern im Querschnittsbilde 
des Musculus stapedius aufzutreten. Der Nervus facialis nimmt 
vertikale Verlaufsrichtung an und erscheint infolgedessen im 
Längsschnitt. Der Stapes verschwindet aus dem Bilde. Seine 
Lage ist in Schnitt 267, Fig. 14, Taf. III, nur noch dadurch 
angedeutet, dass die aborale Circumferenz der Fenestra vestibuli 
angeschnitten ist und durch dichtere Häufung von nichtknorpeligen 
Zellen angedeutet wird (f. v.). Der Nervus facialis beginnt der 
Vereinigung seines oberen und unteren Ouerschnittes zuzustreben. 
Der oberen Partie liegt der im schrägen Querschnitt getroffene 
Muskelbauch an, der entsprechend dem Verhalten seiner Sehne 
sehr scharf gegen die Nachbarschaft abgesetzt ist und schon mit 
einer Muskelscheide ausgestattet erscheint. 


% 


62 Rud. Eschweiler: 


Schon in Sehnitt 261 ist die Vereinigung der Nervenstrecken 
vollzogen. In Schnitt 271 legt sich der Muskelbauch so innig 
dem Nerven an, dass man fast von einem Entspringen vom Nerven 
reden könnte. Es wird damit der Zustand noch gewahrt, der 
in viel höherem Maße bei den jüngeren Stadien zu beobachten 
war, nämlich ein festes Haften des Muskelbauchs am Nerv. In 
Schnitt 273 geht vom Nervus facialis der Verbindungsast zum 
Glossopharyngeusgebiet ab. Der Bauch des Musculus stapedius 
ist sehr reduziert. 

In Schnitt 276 ist der Muskelnerv zu beobachten (Fig. 15, 
Taf. II). Die hinterste Ecke der Stapediusnische ist erreicht; 
in ihr ist der Nervus facialis, der den Musculus stapedius ver- 
sorgende Nervenast und der letzte Rest vom Muskelbauch 
gelegen. Es ist ersichtlich, dass der Muskelnerv nunmehr viel 
selbständiger in den Muskel eintritt und eine längere extra- 
muskuläre Strecke hat als in den früheren Stadien. Infolge der 
Schnittrichtung ist das Entspringen der Fasern vom Knorpel nicht 
deutlich zu beobachten. Es lässt sich aber durch Rekonstruktion 
feststellen, dass die Knorpelnische sich durch Diekerwerden ihrer 
Wand allseitig verengt hat und den Muskel umfasst, so dass er 
nun in Beziehung zum Perichondrium tritt. 

Zusammenfassende Beschreibung der einzelnen 
Serien. 


I. Embryo von 10,5 mm Länge. 


Trotz genauesten Absuchens des Beobachtungsterrains, d.h. 
des Blastems der beiden Kiemenbogen im Bereich der Labyrinth- 
blase und des periotischen Blastems gelingt es nicht, auch nur 
eine Andeutung einer Organanlage in diesen nachzuweisen. Auch 
ist die Trennung der drei Bezirke: 1. Kiemenbogen, 2. Kiemen- 
bogen und Labyrinthanlage sehr wenig prägnant. Medianwärts 
gehen sie kontinuierlich ineinander über und es ist sehr willkürlich, 
den Nervus facialis als trennendes Agers anzusprechen. Lediglich 
an der Körperoberfläche bildet die erste Kiemenfurche und ihr 
entsprechend im Innern die erste Schlundtasche eine Trennung 
der peripheren Kiemenbogengegend. Beim Embryo von 10,5 mm 
Länge ist also noch kein Stapes und kein Musculus stapedius 
angelegt. 


) 
w 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 6: 


II. Embryo von 13 mm Länge. 

In diesem Stadium ist eine deutliche Abgrenzung der beiden 
Kiemenbogen dadurch erfolgt, dass die Schlundtasche erheblich 
stärker ausgebildet ist und aboralwärts tiefer in das Blastem 
hineinreicht. Aber auch jetzt noch ist, wie Fig. 3 zeigt, zwar die 
Trennung des ersten und zweiten Bogens deutlich, aber die des 
zweiten Bogens vom Labyrinthblastem weniger deutlich. Um den 
Nerven des zweiten Bogens, den Nervus facialis herum, häufen 
sich die Blastemzellen in kompakter Substanz. Sie bilden in 
erster Linie die blastematöse Anlage des Reichertschen Knorpels 
(Bl in Fig. 2). Zwischen der Labyrinthblase und dem aboralen 
Ende der ersten Schlundtasche hat in diesem Stadium das Blastem 
in der Nachbarschaft des zweiten Bogens und des periotischen 
Blastems in rundlichem Bezirk stärkere Färbung angenommen und 
lässt die Andeutung einer konzentrischen Schichtung erkennen. 
Da dieser Bezirk schon von einem kleinen Gefäss durchsetzt 
wird, welches sich aus der Carotis ableiten lässt, so ist diese 
Anlage mit Sicherheit als die Stapesanlage zu bezeichnen. Das 
Blastem, welches dem Querschnitt des Nervus facialis wie eine 
Kappe aufsitzt (Bl Fig. 5), enthält, noch nicht deutlich differenziert, 
aber aus den folgenden Serien mit Sicherheit bestimmbar, die 
Anlage des Musculus stapedius (Stp). Diese Anlage scheint in 
Fig. 3 eine gesonderte Nervenversorgung zu bekommen und zwar 
indirekt aus einem vom Facialis zum Glossopharyngeusgebiet 
ziehenden Nerven. Nach vollzogener deutlicher Differenzierung 
dieses Blastems zum Muskel ist aber keine Rede mehr von einer 
solchen indirekten Versorgung. Später wird, da Fuchs eine 
solche beim Kaninchen beobachtet hat, noch einmal auf diesen 
Punkt zurückgegriffen werden. 

Stapesanlage und Stapediusblastem sind deutlich voneinander 
geschieden. Ebenso sind Stapes und Labyrinthblase voneinander 
getrennt durch helleres Mesenchym — „intermediäre Zone“. Es 
ist also aus der Beobachtung dieses Stadiums, bei der zum ersten- 
mal die deutliche Differenzierung des Stapes erfolgt ist, nicht 
ohne weiteres zu sagen, ob der Stapes zum periodischen Blastem 
oder zum zweiten Kiemenbogen gehört. Keinesfalls besteht in 
diesem Stadium eine Trennung der Stapesanlage vom zweiten 
Kiemenbogen durch Zwischenlagerung der Schlundtasche. Der 
Musculus stapedius hingegen ist als echter Abkömmling des 


64 Rud. Eschweiler: 


zweiten Kiemenbogens zu betrachten. Er hat aber noch keine 
Beziehungen zum Stapes. 


III. Embryo von 15,25 und 16,5 mm Länge. 

Wiederum hat die Ausstülpung der Schlundtasche nach hinten 
(aboralwärts) einen grossen Fortschritt gemacht. Zwischen dem 
Schnitt durch die Stapesanlage, die hier an ihrem oralen Pol 
getroffen ist (Fig. 4 St) und dem Blastem des Reichertschen 
Knorpels ist das aborale Ende der Pauke (P) eingeschoben. Wenn 
man nur dieses Bild betrachtet, könnte allerdings der Zusammen- 
hang des Stapes mit dem zweiten Kiemenbogen als ausgeschlossen 
gelten. Der Reichertsche Knorpel resp. sein Blastem, der Amboss 
und der Stapes sind nunmehr deutlich aus dem Blastem gesondert, 
wenn auch noch keine Spur von Knorpelstruktur zu sehen ist. 
Das dem Nervus facialis aufliegende Blastem Bl, welches nun- 
mehr als Reichertscher Vorknorpel (Re) bezeichnet wurde, 
verjüngt sich in der aboralen Partie und geht hier in einem 
gleichmässig dichten Blastemhaufen auf, der dort liegt, wo der 
Amboss und der Stapes zusammentreften. Es ist dies das um- 
strittene Feld, wo die Meinungen über die Verbindung des 
Reichertschen Knorpels mit dem anderen Visceralskelett so 
sehr differiert haben. Ziemlich unabhängig von dem Blastem 
des Reichertschen Knorpels differenziert sich an der medialen 
Seite des Nervus facialis ein Zellhaufen, der schon Andeutung 
von Faserzügen durch Parallelstellung seiner spindligen Kerne 
hat (Fig. 6 Stp). In diesen Blastemhaufen hinein gibt der Nervus 
facialis einen direkt aus ihm entspringenden Nervenfaden ab. 
Eine Verbindung dieses Blastems mit dem Stapes ist noch nicht 
nachzuweisen. Andererseits ist aber auch die allseitige Isolierung 
des Stapes nicht mehr vorhanden. Es muss angenommen werden, 
dass in dem Blastemhaufen, der die Annäherung von Reichert- 
schem Knorpel, Stapes und Amboss bedeutet, auch die erste 
Andeutung eines Anwachsens des Muskels an den Steigbügel 
enthalten ist. Der Musculus stapedius ist vom Reichertschen 
Blastem losgelöst, dagegen mit dem Stapes in Beziehungen getreten. 
Der Muskel liegt dem Nervus facialis auf und wird von ihm direkt 
versorgt. 

IV. Embryo von 20,5 mm Länge. 

Dieser Embryo weist gegen den von 15,25 mm nur graduelle 

Unterschiede auf. Die Anlage des Muskels ist noch schärfer von 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 65 


ihrer Nachbarschaft gesondert als vorher. Das Blastem an der 
Vereinigungsstelle von Reichertschem Knorpel, Stapes und 
Amboss ist ebenfalls schärfer abgegrenzt, räumlich mehr beschränkt 
und lässt schon die Lage der Muskelsehne ahnen. Die Nerven- 
versorgung direkt aus dem Nervus facialis ist deutlich. Die 
Frage der Abstammung des Stapes erledigt sich in diesem Stadium, 
so sehr haben sich die Verhältnisse schon dem definitiven Zustand 
genähert. 
V. Embryo von 25 mm Länge. 

Dieses Stadium ist besonders dadurch charakterisiert, dass 
die Muskelsehne aus dem Blastem hervorzutreten beginnt. Auch 
der Muskelbauch hat wieder Fortschritte in seiner Demarkation 
gegen die Umgebung gemacht. Während vorher sich der 
Reichertsche Knorpel, der Steigbügel und der Amboss in 
eine dichte Blastemmasse auflösten, ist nunmehr mit Fortschreiten 
der typischen Knorpelbildung eine deutliche Sonderung dieser 
Teile eingetreten. Die Verbindung des Steigbügels mit dem 
Reichertschen Knorpel schwindet. Es findet keine Rückbildung 
einer vorher bestehenden Verbindung statt; vielmehr stellt sich 
bei der Differenzierung des Knorpels aus dem blastem heraus, 
dass der Reichertsche Knorpel nicht mit dem Steigbügel 
in Verbindung tritt, sondern mit einem Knorpelstück, welches 
von der Labyrinthkapsel nach unten verläuft, dem Intercalare 
(Dreyfus, Fuchs) oder Laterohyale (Broman). Von einem 
Ligamentum hyo-stapediale (Fuchs, 1. c., 5. 75) kann man kaum 
reden; man müsste denn die erste Andeutung von der Sehne 
des Musculus stapedius für ein solches Ligament halten. 

Das Gewebsstück, welches von den Autoren Intercalare 
genannt wurde, ist in Fig. 9 zwischen Re und LK abgebildet. 
Es bildet mit der Wand der Pars inferior labyrinthi eine Nische, 
die den vertikalen Facialisverlauf samt dem Musculus stapedius 
aufnimmt. An seiner lateralen Seite ist der Processus brevis 
Inceudis befestigt. Wie wir später sehen werden, kommt diesem 
Stück des Visceralskeletts keine selbständige Stellung und kein 
eigener Name zu. 

Die Längsachse des Muskels verläuft in diesem Stadium 
noch stärker nach hinten. Der Muskel erscheint auf dem Schnitt 
abgeplattet kegelförmig, und ist dort, wo keine Sehne mehr zu 
sehen ist, scharf gegen seine Nachbarschaft abgesetzt (Fig. 8 Stp). 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. Abt.1. 5 


66 Rud. Eschweiler: 


Der Muskel klebt noch am Nerven (Fig. 10). Er verfilzt gewisser- 
massen mit ihm und erhält dabei seine Innervation. Eine 
Annäherung des Muskels an die Wand der Knorpelnische findet 
nicht statt. 

VI. Embryo von 30 mm Länge. 

Ein Zusammenhang des Reichertschen Knorpels mit dem 
Stapes ist kaum mehr nachzuweisen. Es ist nur noch die Muskel- 
sehne mit dem ihr benachbarten Bindegewebe, welche eine Ver- 
bindung beider vortäuscht. Man sieht deutlich, wie der Muskel 
an seinem Ursprung weiter entwickelt ist, als an seinem Ansatz. 
Seine Ausbildung findet also in aboral-oraler Richtung statt. In 
diesem Stadium tritt der Muskelursprung zum erstenmal in Be- 
ziehungen zur Wand seiner Nische. Er entspringt zwar noch 
vom Nervenstamm, aus dem er Zweige empfängt, aber er greift 
hinter ihm herum auf das Intercalare resp. den Reichertschen 
Knorpel über, von dem einige Fasern ihren Ursprung nehmen. 
Diese Verhältnisse sind in Fig. 13 dargestellt, es muss aber 
betont werden, dass dieses Bild dem hintersten Ende des Muskels 
entspricht und dass noch in den unmittelbar vorhergehenden 
Schnitten ein Haften an der Fläche des Nerven stattfindet. 
Reichertscher Knorpel und Intercalare gehen in ähnlicher 
Weise ineinander über wie im vorigen Stadium, doch hat man 
den Eindruck, dass an dem in Fig. 12 mit Re bezeichneten 
Knorpelstück der Reichertsche Knorpel den grössten Anteil hat. 


VII. Embryo von 53 mm Länge. 

Die Entwicklung des Stapes und des Musculus stapedius 
nähert sich rasch dem definitiven Zustand. Eine Verbindung des 
Reichertschen Knorpels mit dem Steigbügel besteht in keiner 
Weise. Dicht hinter der Verbindung des langen Amboßschenkels 
mit dem Stapes erscheint am Stapeskopf die Muskelsehne in 
scharfumschriebenem Querschnitt. Die Sehne ist ziemlich kurz 
und leicht konisch. Nach Beginn des muskulären Abschnittes 
des Musculus stapedius vergrössert sich der Querschnitt rasch. 
Der ziemlich dicke Muskelbauch legt sich der medialen Seite des 
Nervus facialis an, liegt aber mehr neben ihm als an ihm. Man 
hat durchaus nicht mehr den Eindruck des Herauswachsens aus 
dem Nerven. Auch findet kein multipler Eintritt von Nerven- 
fasern in den Muskel statt, sondern ein grösseres Stämmchen tritt 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 67 


in ihn ein, wobei zum erstenmal eine extramuskuläre Strecke des 
Muskelnerven zu sehen ist. Der letzte Rest des Muskelbauchs 
verliert sich in der Knorpelnische und bezieht hier Ursprungs- 
fasern vom lockeren Perichondrium. Die Knorpelnische ist 
gewissermassen um den Muskel herumgewachsen. 


VIII. Der definitive Zustand. 

Bezüglich der Anatomie des knöchernen Felsenbeins kann 
auf meine frühere Arbeit verwiesen werden, wo der Knochen 
eine genaue Beschreibung und Abbildung erfuhr. 

Der Muskelbauch des Musculus stapedius liegt in der Fossa 
muscularis minor eingebettet und wird überlagert von dem bogen- 
förmig zum Foramen stylomastoideum verlaufenden Nervus facialis. 
Damals wurde schon darauf hingewiesen, dass die Muskelgrube 
eine Vertiefung des Facialiskanals darstellt. Somit bekommt man 
bei der Präparation den Muskel erst zu Gesicht, wenn man den 
Nervus facialis nach oben umschlägt. Bei dieser Manipulation 
löst sich der Nerv ohne Zerren und ohne Gewaltanwendung leicht 
vom Muskelbauch, während er an der Spitze des Muskelkegels 
und an der Sehne fester mit ihm zusammenhängt. Es besteht 
demgemäss eine innige Befestigung des Muskelbauchs am Nerven, 
wie wir sie beim Embryo sahen, im erwachsenen Zustande nicht 
mehr. Wenn man den Muskelbauch aus seiner Grube heraus- 
wälzen will, so muss man einige Ursprungsfasern lösen, was 
allerdings ohne grosse Mühe geht. In Anbetracht der minimalen 
Arbeitsleistung, die dem Muskel zukommt, ist auch seine Anheftung 
an der Ursprungsstelle nur locker. Der Muskelbauch ist platt- 
pyramidenförmig mit etwas kolbiger Basis. Er entwickelt eine 
kurze Endsehne, welche am Stapes dicht unter seinem Köpfchen 
inseriert. Die Richtung der Sehne und der Längsachse des 
Muskelkegels verläuft in der Ebene, welche man durch die Stapes- 
schenkel gelegt denkt. Die Zugrichtung entspricht also ziemlich 
derjenigen beim Menschen. 


Zusammenfassung. 
Die erste Andeutung des Stapes sowohl wie der Anlage 
des Musculus stapedius enthält der Schweinsembryo von 13 mm 
Scheitelsteisslänge. In Fig. 5 ist die Stapesanlage mit St 
bezeichnet. Der konzentrische geschichtete runde Zellhaufen ist 
mit Sicherheit als Steigbügelanlage zu bezeichnen, weil er von 


Iz 


68 Rud. Eschweiler: 


einem Gefäss — der Arteria stapedialis — zentral durchsetzt 
wird und weil in den folgenden Serien seine kontinuierliche 
Weiterentwicklung zum Stapes genau zu verfolgen ist. Wie aus 
der Abbildung sich ergibt, liegt die Anlage zwischen dem aboralen 
Ende der ersten Schlundtasche und dem Blastem des zweiten 
Kiemenbogens einerseits und dem Labyrinth andererseits. Durch 
die Schlundtasche ist eine völlige Trennung vom ersten Kiemen- 
bogen bewirkt, der somit für die Genese der Anlage gar nicht in 
Betracht kommt. Eine deutliche Trennung vom Blastem oder, 
besser gesagt, der Region des zweiten Kiemenbogens ist aber in 
diesem Stadium nicht vorhanden. Die Anlage ist vielmehr sowohl 
vom periotischen Blastem, wie von dem dem Nervus facialis auf- 
liegenden Blastem, welches sich aus der Region des zweiten 
Kiemenbogens differenziert hat, durch je eine helle intermediäre 
Zone getrennt, und es ist somit sehr schwer, wenn nicht unmöglich, 
aus diesem Befunde heraus den Stapes dem einen oder anderen 
zuzuschreiben. Broman glaubt bekanntlich, die Frage nach 
der Herkunft des Stapes definitiv dahin entschieden zu haben, 
dass er ihn aus einer einheitlichen Anlage entstehen lässt, die 
dem Hyoidbogen resp. dem zweiten Kiemenbogen angehört. 
Fuchs hat dann aus seinen Studien an Kaninchenembryonen den 
Schluss gezogen, dass der Stapes nicht dem Hyoidbogen, sondern 
dem periotischen Blastem entstamme. Eine Hauptstütze für seine 
Ansicht sieht er darin, dass er (S. 60) sagt: „Alle diese Figuren 
zeigen zunächst deutlich, dass das Stapesblastem medial von der 
dorsalen Kante der ersten Schlundtasche liegt; ganz besonders 
deutlich tritt dies in Fig. 14 auf Taf. V zutage. Und alle diese 
Figuren lehren auch, dass das Stapesblasten topographisch zur 
Labyrinthanlage gehört.“ Diese Beweisführung ist nicht ganz 
überzeugend. Die Fig. 14 von Fuchs entspricht meiner Fig. 4 
(Stadium von 15,25 mm). Auf ihr ist allerdings die Stapesanlage 
durch die Schlundtasche (P) vollkommen gegen den zweiten 
Kiemenbogen abgesetzt, aber diese Trennung ist, wenn man die 
Fig. 4 mit Fig. 2 vergleicht, eine sekundäre, die durch stärkere 
Ausstülpung der Schlundtasche zustande kommt. In dem Stadium 
von 13 mm Länge (Fig. 2) ist die Stapesanlage zwar medial von 
dem Schlundtaschenquerschnitt gelegen, aber doch nicht so gegen 
den Bezirk des zweiten Kiemenbogens abgegrenzt, dass man von 
räumlicher Trennung reden könnte. Diese unsere kritische Be- 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 69 


merkung richtet sich indessen nur gegen die Art der Beweisführung, 
resp. gegen die Beweiskraft dieses einen von Fuchs betonten 
Faktums. In der Sache selbst stimme ich Fuchs völlig zu und 
zwar aus folgenden Gründen: Der Stapes entwickelt sich, wie aus 
dem kontinuierlichen Fortschreiten seiner Entwicklung hervorgeht, 
zweifellos aus einem Kern. Nicht die mindeste Andeutung für 
eine separate Anlage der Fussplatte besteht. Diese geschlossene 
Entwicklung geht topographisch und histologisch Schritt für 
Schritt mit der Entwicklung des periotischen Blastems. Man 
kann zwar in meiner Serie nicht verfolgen, wie etwa eine Ab- 
spaltung der Stapesanlage vom periotischen Blastem erfolgt, aber 
wenn man die Serie II von vorne nach hinten durchsieht, und 
von Fig. 2 zu Fig. 53 kommt — zwischen beiden Bildern liegen 
acht Schnitte — so überzeugt man sich, dass schon in diesem 
primitiven Stadium eine Trennung beider Entwicklungsbezirke, 
nämlich der Stapes- und Labyrinthregion einerseits und der 
Gegend des Hyoidbogens andererseits besteht. Eine Trennung, 
die auch durch die Zwischenlagerung des arteriellen Gefässes a 
auf Fig. 2 äusserlich in Erscheinung tritt. Späterhin findet ja 
eine Annäherung des Reichertschen Blastems an den Stapes 
statt, aber diese ist sekundär und auch vorübergehend, da bei 
weiterer Entwicklung wieder eine Selbständigkeit des Stapes ein- 
tritt. Berücksichtigt man ferner Fig. 1, wo von der Stapesanlage 
noch nichts zu sehen ist, so muss man sich überzeugen, dass die 
Ursprungsstätte des Stapes in dem Raum zwischen dem Nervus 
facialis und der Vena capitis lateralis einerseits und dem Labyrinth 
andererseits zu suchen ist. Dieser Raum ist aber durch Vene und 
Nerv gänzlich vom Kiemenbogenblastem getrennt. Späterhin mit 
dem Auswachsen der Teile verwischt sich diese Trennung, bis dann 
mit tieferer Ausstülpung der Schlundtasche wieder eine ganz 
scharfe Sonderung vom Bezirk des zweiten Kiemenbogens eintritt. 

Der zweite Grund ist das Verhalten des Musculus stapedius. 
Derselbe ist sicher ein Abkömmling des zweiten Kiemenbogens. 
Er hat aber in seiner ersten Anlage gar keine Beziehung zum 
Stapes, dagegen ganz enge Beziehungen zum Reichertschen 
Knorpel. Erst sekundär tritt er mit dem Steigbügel in Ver- 
bindung, im Gegensatz zum Tensor tympani, der genetisch zum 
Hammer gehört. Wäre der Stapes ein Abkömmling des zweiten 
Kiemenbogens, so müssten die Anlagen beider in primitivem 


70 Rud. Eschweiler: 


Zustande zusammenhängen. Die Nervenversorgung des Muskels 
durch den Nervus facialis kann also nicht zum Beweise für die 
Zugehörigkeit des Stapes zum Hyoidbogen verwendet werden. 
Hierin befinde ich mich im Gegensatz zu Broman, der sich 
dahin äussert, dass für die Entstehung des Stapes aus dem 
zweiten Kiemenbogen „auch dasvon Rab 1 hervorgehobene Faktum, 
dass der Musculus stapedius von dem Nerv des Hyoidbogens, dem 
Nervus facialis, innerviert wird“ (S. 616) spricht. 

Während der Stapes seit Jahrzehnten zu den meist durch- 
forschten und meist umstrittenen Skelettanlagen gehört, ist man 
dem Musculus stapedius noch nicht bis auf seine ersten Anlagen 
nachgegangen. Allerdings ist das Blastem, dem der Muskel 
entstammt, von den Forschern gesehen worden. Broman z.B. 
gibt ihm den Namen „Facialismantel“ (S. 562). Im übrigen 
erwähnen sowohl Broman wie Fuchs den Muskel erst, wenn 
er deutlich differenziert ist. 

Die erste ganz zweifellos als Muskelanlage zu be- 
zeichnende Blastemmasse haben wir beim Embryo von 15,25 mm 
Länge beobachtet. Es ist eine relativ voluminöse, durch Parallel- 
lagerung der spindelförmigen Kerne faserig aussehende Blastem- 
masse, die dem Nervus facialis medial dicht aufsitzt und nach 
oben hin (dorsalwärts) mit dem Reichertschen Blastem noch 
zusammenhängt. Die Anlage liegt dort, wo der Nervus facialis 
anfängt, aus dem horizontalen Verlauf in seine Biegung nach 
oben überzugehen (der Verlauf in centripetaler Richtung gedacht, 
entsprechend dem Betrachtungsmodus der Serien). Demgemäss 
ist aus dem Schnittbilde der Stapes schon verschwunden, d.h. die 
Anlage liegt aboralwärts vom Stapes. 

Mit ziemlich grosser Sicherheit kann man aber diese Anlage 
schon beim Embryo von 13 mm Länge identifizieren. Es ist 
allerdings sehr schwer, einen Blastemhaufen genau zu lokalisieren. 
Gegen die Annahme, dass der beim Embryo von 13 mm Länge 
mit Stp bezeichnete Zellhaufen schon die erste Anlage des 
Muskels ist, sprach anfangs der Umstand, dass diese supponierte 
Muskelanlage gleichzeitig mit dem ersten Anschnitt des Stapes 
im Bilde erscheint, im Gegensatz zu dem eben erwähnten Bilde 
des Embryos von 15,25 mm. Da man nun die Schnittebene auch 
bei grösster Sorgfalt nie in genau gleiche Richtung bei zwei 
Serien bringen kann, und da auch durch die Veränderung der 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. el: 


Krümmungsverhältnisse des Embryokopfes bei fortschreitender 
Entwicklung Verschiebungen der Organe in ihrer Lage zu einander 
vorkommen (vergleiche meine frühere Arbeit S. 152), so suchte 
ich nach einem Punctum fixum nahe der Muskelanlage. Als 
solches glaube ich die Abgangsstelle der Chorda tympani vom 
Nervus facialis bezeichnen zu können. Wenn man von diesem 
Punkte aus die Zahl der Schnitte bis zum deutlich ausgeprägten 
Muskelblastem feststellt, so ergeben sich für das Stadium von 
13 mm 11 Schnitte, für das von 15,25 mm 5 Schnitte und für 
das von 16,5 mm 3 Schnitte. Es besteht somit eine ziemlich 
übereinstimmende Topographie und eine anscheinend gesetzmässige 
Wanderung der Anlage oralwärts. Auffallend ist im Stadium von 
13 mm Länge der Eintritt eines Nervenfadens in die Muskel- 
anlage, der nicht direkt aus dem Nervus facialis, sondern aus 
einem Seitenast dieses Nerves entspringt. Da Fuchs den 
Musculus stapedius beim Kaninchen aus einem Verbindungsast 
des Nervus facialis mit dem Glossopharyngeusgebiet innerviert 
werden lässt, so glaubte ich hier im primitiven Stadium seine 
Angaben auch für den Schweinsembryo bestätigen zu können. 
Die Durchsicht aller älteren Serien zeigt indessen, dass die 
Muskelanlage resp. der Muskel direkt aus dem Nervus facialis 
versorgt wird. 

Die Muskelanlage wird bei fortschreitender Entwicklung 
immer deutlicher gegen ihre Nachbarschaft abgegrenzt, einmal 
durch eigene fortschreitende histologische Differenzierung, dann 
auch durch Aufhellung der Umgebung, d. h. dadurch, dass die 
nicht zu einem bleibenden Organ werdenden Blastemzellen den 
Charakter indifferenten hellen Bindegewebes annehmen. Dies 
letztere ist besonders auch bei dem Blastem des zweiten Kiemen- 
bogens zu beobachten. Dadurch tritt eine Sonderung der Muskel- 
anlage vom Reichertschen Blastem auf und wir sehen in Fig. 7 
beim Embryo von 20,5 mm Länge, wie die Muskelanlage gegen 
den Reichertschen Vorknorpel schon ziemlich gut abgesetzt 
erscheint. Zum Stapes bestehen noch keine Beziehungen. Diese 
bilden sich erst beim Embryo von 25mm Länge (Fig. 8, 9, 10). 
Hier ist der Reichertsche Knorpel schon auf einer ziemlich 
vorgeschrittenen Entwicklungsstufe angelangt und mit dem jung- 
knorpligen Stapes durch eine dichte Zellmasse verbunden. Diese 
Zellmasse als Ligamentum hyo-stapediale zu bezeichnen, halte ich 


| 
[865] 


Rud. Eschweiler: 


nicht für richtige. Wenn man jeden Blastemstrang, der nur im 
primitiven Entwicklungsstadium zu sehen ist, benennen wollte, 
so wäre der Namen kein Ende. Auch weckt man durch solche 
Bezeichnungen den Anschein, als ob es sich um Gebilde handele, 
die angelegt werden und dann wieder vergehen. Es handelt sich 
aber hier nicht um Entstehen und Vergehen, sondern um all- 
mähliches Herausentwickeln der Organe aus einem Blastemhaufen, 
wobei durch nicht gleichmässige Aufhellung des unbenutzten 
Blastems zum indifterenten Bindegewebe vorübergehend Schnitt- 
bilder entstehen, die sehr wechselnd sind, da individuelle Ver- 
schiedenheiten und rasche Veränderungen in kleinen Zeiträumen 
vorkommen. Dieser Ansicht ist auch Fuchs (S. 134). Ich 
möchte aber noch etwas weiter gehen und auch noch andere 
Gebilde als nicht aufgehelltes Bindegewebe bezeichnen. Zunächst, 
wie eben bemerkt, das Ligamentum hyo-stapediale oder Interhyale. 
Der so benannte Zellkomplex ist allerdings auf einer gewissen 
Entwicklungsstufe deutlich zu sehen, besonders deshalb, weil er 
die Sehnenanlage des Musculus stapedius enthält. Wenn man die 
Bilder Fig. 5, 6, 7, 8, 9 der Reihe nach betrachtet, so sieht man, 
wie aus dem Blastemhaufen, wo Stapes, Incus und Reichert- 
scher Knorpel zusammenstossen, sich diese Skeletteile immer 
deutlicher sondern, wie zwischen Reichertschem Knorpel und 
Stapes ein Zellhaufen übrig bleibt, in dem der in Fig.8 mit Stp 
bezeichnete dunkle Komplex sich abhebt. Dieser Komplex ent- 
spricht der Spitze des Muskelkonus des Musculus stapedius, resp. 
seinem Sehnenende, welches nunmehr an den Stapes herantritt. 
Der Muskelbauch selbst ist schon deutlich gegen seine Nachbar- 
schaft abgesetzt. 

Auch ist in diesem Stadium zum erstenmale zu sehen, 
wie das aborale Ende des Reichertschen Knorpels mit der 
Labyrinthkapsel in Verbindung tritt. An dieser Verbindungs- 
stelle ist, wie eben erwähnt, das Intercalare beschrieben worden. 
Durch die Verschmelzung des Reichertschen Knorpels mit der 
Labyrinthwand ist nunmehr eine Nische des Schläfenbeins gebildet, 
in welche die uns hier interessierenden Teile eingebettet sind. Sie 
ist das von Drüner und Fuchs sogenannte „Antrum petrosum 
laterale“. In dieser Nische verläuft der Nervus facialis vertikal 
und mit ihm der Musculus stapedius, der jetzt erst die Möglich- 
keit bekommt, mit dem Schläfenbein in Beziehung zu treten. 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. U) 


Beim Embryo von 25 mm Länge ist davon noch nichts zu sehen. Der 
Muskel liegt teils dem Facialis auf (Fig. 9), teils verfilzt sich 
seine Basis fest mit dem Nerv (Fig. 10). Aber schon im nächst- 
folgendem Stadium greift der Muskel hinter dem Nervus facialis 
herum auf die mediale Wand der Nische über (Fig. 12). Seine Sehne 
ist noch von dichtem Gewebe eingehüllt und viel weniger differenziert 
als die Muskelbasis. An allen Serien kann man beobachten, wie 
der Muskel an seiner Basis stets am weitesten entwickelt ist. 

In Fig. 11 ist dargestellt, wie jetzt das sogen. Ligamentum 
hyo-stapediale nur noch schattenhaft eine Verbindung des Stapes 
mit dem Reichertschen Knorpel darstellt und tatsächlich nur 
die noch bindegewebig umhüllte Sehne des Musculus stapedius 
repräsentiert. Die völlige Differenzierung der Sehne ist in dem 
letzten Stadium von 55 mm Länge enthalten. Die Sehne erscheint 
im Querschnitt scharf umschrieben, weil der Bindegewebsmantel 
verschwunden ist (Fig. 13). Von dem Sehnenquerschnitt zieht 
ein Zellstrang zum hinteren Rande der Nische der Fenestra 
vestibuli. Ich möchte ihm aber keine Bedeutung beimessen, 
sondern ihn wie oben ausgeführt erklären. 

Der Muskelbauch liegt dem Nervus facialis noch enge an, 
bezieht aber kaum mehr Ursprungsfasern von ihm. Es ist somit 
ein dem definitiven Zustande entsprechendes Verhalten erreicht. 
Das hinterste Ende des Muskelbauchs verliert sich in der Nische 
(Antrum petrosum laterale) und ist dabei etwas vom Nerven 
abgerückt, so dass eine extramuskuläre Strecke des Muskelnerves 
zu beobachten ist. Der Muskel inseriert jetzt an dem von den 
Autoren Intercalare oder Laterohyale genannten Skeletteil. In 
der Literatur wird die Entwicklung des aboralen Endes des 
teichertschen Knorpels so dargestellt, als ob die Verbindung 
desselben mit dem Schläfenbein durch ein selbständig angelegtes 
Zwischenstück, eben das Intercalare, erfolge. Es ist darüber ge- 
stritten worden, ob dieses Zwischenstück zum Hyoidbogen oder 
zum Schläfenbein resp. zum periotischen Blastem gehöre. Fuchs 
sagt bei Besprechung dieser Frage: „Wichtig wäre es zu wissen, 
ob das Intercalare etwa zuerst mit der Labyrinthkapsel oder zuerst 
mit dem Reichertschen Knorpel verschmilzt, oder ob es mit 
beiden zugleich verschmilzt“ (S. 131). 

In meinen Serien ist der Gang der Entwicklung so, dass, 
wie ich schon in meiner früheren Arbeit betonte, die Entwicklung 


14 Rud. Eschweiler: 


der Kiemenbogen und speziell des Reichertschen und Meckel- 
schen Knorpels in oral-aboraler Richtung fortschreitet; successive 
lösen sich aus dem Blastem der Kiemenbogen das Blastem der 
Visceralknorpel und endlich diese selbst heraus. Zu einer Zeit, 
wo in unserem jetzigen Terrain noch alles Blastemhaufen ist, ist 
in der Gegend der Mundhöhle schon Knorpelbildung zu beobachten. 
Nun entwickelt sich in der aboralen Richtung immer mehr Blastem 
zu Vorknorpel resp. Knorpel. In gleicher Weise entwickelt sich 
das periotische Blastem zu Vorknorpel und Knorpel und schickt 
um den Nervus facialis herum einen Fortsatz von werdendem 
Knorpel dem heranrückenden Reichertschen Knorpel entgegen. 
Beide Teile verschmelzen und es ist gar nicht möglich, die Stelle 
zu bezeichnen, wo sie verschmelzen. Es gibt also kein 
Intercalare. Es gibt nur, wenn die Verschmelzung fertig ist, 
eine spangenartige Verbindung des Reichertschen Knorpels 
mit der Labyrinthkapsel. 

Bei dieser Gelegenheit kann es kaum umgangen werden, 
nochmals gegen die grobmechanischen Auffassungen der Ent- 
wicklungsmechanik Front zu machen. Immer wieder stösst man in 
der Literatur auf Ausdrücke wie: Abschnürung, Einschnürung usw. 
durch Nerven und Gefässe, gerade als ob ein Kampf zwischen 
den Organanlagen bestände. Es ist aber unseres Erachtens keine 
mechanische Einwirkung der Organe auf einander, die zur 
definitiven Gestaltung führt, sondern es besteht eine im 
Organ liegende Tendenz zu typischer Gestaltung. 
Jedes Organ wächst aus sich heraus; keines stört das andere. 
Sie fügen sich vielmehr alle in das phylogenetisch erworbene 
Schema widerstandslos ein. 

Zum Schlusse mögen noch einige Bemerkungen zum Vergleich 
der Entwicklung des Musculus tensor tympani mit derjenigen des 
Musculus stapedius am Platze sein. | 

Besonders auffallend ist bei diesem Vergleich die sehr frühe 
Anlage des Musculus stapedius. Während bei dem Embryo von 
14 mm meiner früheren Arbeit weder eine als solche erkennbare 
Hammeranlage noch eine Hammermuskelanlage zu sehen ist, ist 
bei unserem Embryo von 13 mm Länge die Anlage des Stapes 
und des Musculus stapedius zu erkennen. Bezüglich des Stapes 
ist dies zum Teil darauf zurückzuführen, dass der Stapes, der, 
wie wir sahen, nicht vom Hyoidbogen abstammt, eine grössere 


Qt 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 


Selbständigkeit besitzt als der Hammer. Er setzt sich deutlicher 
ab, weil seine Nachbarschaft freier ist. Aber der Musculus 
stapedius ist nicht nur in diesem Stadium schon angelegt, sondern 
auch im folgenden von 15.25 mm so deutlich, wie nicht annähernd 
der Tensor tympani. Bei diesem Embryo kann man zwar schon 
ungefähr den Ort bestimmen, wo der Tensor tympanı sich 
entwickeln wird. Aber wenn man diese Verhältnisse mit der 
Fig. 6 vergleicht, wo nicht nur die Muskelanlage als solche 
deutlich erkennbar ist, sondern auch der Muskelnerv, so ist der 
Unterschied zugunsten des Musculus stapedius ganz eklatant. Es 
ist auffallend, dass sich die Autoren, soweit sie den Musculus 
stapedius flüchtig erwähnen, in umgekehrtem Sinne äussern. 
Broman betont ausdrücklich (S. 574), „dass der Musculus tensor 
tympani angelegt wird, ehe noch eine Andeutung des Musculus 
stapedius existiert“. Allerdings sahen wir schon, dass der ersten 
Anlage des Muskels bisher niemand nachgeing. Broman hat 
an menschlichen Embryonen studiert. Es müsste um die Gegen- 
sätze zu versöhnen, die Annahme gemacht werden, dass derartig 
grosse und fundamentale Unterschiede zwischen Menschen- und 
Tierembryonen bestehen. 

Ein zweiter Punkt der Unterscheidung ist darin gegeben, 
dass der Musculus tensor tympani und der Hammer genetisch in 
inniger Beziehung zueinander stehen. Sie sind gewissermassen 
aus einem Guss, aus demselben Blastem geschaffen. Der Musculus 
stapedius dagegen ist ein echter Abkömmling des Hyoidbogens und 
tritt erst sekundär mit dem Stapes, der dem periotischen Blastem 
entstammt, in Verbindung. 

Drittens endlich findet beim Musculus stapedius keine 
wesentliche Verlagerung der ersten Anlage statt, d. h derjenigen 
Blastemmasse, welche zuerst als Muskelanlage zu identifizieren 
ist. Ob nieht in noch früheren Stadien ein enger begrenztes 
gemeinsames Ursprungsgebiet für alle vom Nervus facialis ver- 
sorgten Muskeln nachweisbar ist, sowie eine sekundäre Verlagerung 
der im definitiven Zustand so weit auseinanderliegenden Muskeln, 
konnte an unseren Embryonen nicht entschieden werden. Wahr- 
scheinlich sind Säugetierembryonen überhaupt nicht geeignet zur 
Erforschung dieser Frage; will man aber niedrigere Tierformen 
im embryonalen Zustand heranziehen, so muss wieder die ganze 
komplizierte Erörterung über homologe Skeletteile und Organe 


76 vud..Eschweiler: 


aufgerollt werden. Die Verhältnisse liegen hier viel komplizierter 
als am Auge, wo es Nussbaum') bekanntlich gelang, sehr 
interessante Verlagerungen der Muskulatur nachzuweisen. 

Von Anfang an ist das Terrain, in dem sich die Entwicklung 
abspielt, gegeben. Wie wir sahen, findet eine geringe Wanderung 
der Muskelanlage oralwärts statt und eine gewisse Drehung des 
Muskels in der Weise, dass die Achse seiner Pyramide mit 
ihrem basalen Ende nach hinten (aboralwärts) verschoben wird. 
Aber diese Drehung ist gar nicht zu vergleichen mit der Ver- 
lagerung, die die Anlage des Musculus tensor tympani bei dem 
Längenwachstum der mehr oralen Partien des Kiemenbogens 
erleidet. 

Beiden Muskeln gemeinsam ist die Art der Entwicklung der 
an ihrem Platz angelangten Anlage zum Muskel. Bei beiden 
wird aus dem Blastem die Muskelfaser zuerst da entwickelt, wo 
der aborale Pol der Anlage sich befindet; das ist beim Musculus 
stapedius die Basis des Muskelkegels, die dem Nervus facialis 
aufsitzt. Bei beiden schreitet dann die Entwicklung der muskulären 
Elemente in aboral-oraler Richtung fort, so dass bei beiden, dem 
Nussbaum schen Gesetz entsprechend, die intramuskuläre Nerven- 
strecke in derselben Richtung laufend zu beobachten ist. 

Endlich gewinnen beide Muskeln dadurch erst den Anschluss 
an den Knochen, dass der Knochen nischenförmig um sie herum- 
wächst. Bei beiden ist also der Ursprung vom Schläfenbein 
ein sekundärer. 


!) M. Nussbaum. Die Entwicklung des Auges im Handbuch der 
Augenheilkunde von Graefe-Saemisch. 


Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel III. 


1. Embryo von 10,5 mm Scheitel-Steisslänge. Schnitt 123. Beschreibung 
siehe Seite 54. 


2. Embryo 
3. Embryo 
4. Embryo 
5. Embryo 
6. Embryo 
7. Embryo 


8. Embryo 
9. Embryo 
10. Embryo 
11. Embryo 
12. Embryo 
13. Embryo 
14. Embryo 
15. Embryo 
a 


B = Zweiter Kiemenbogen. 

Bl = Blastem des Reichertschen Knorpels. 

ch = Chorda tympani. 

f. c. — Fenestra cochleae. 

f.v. — Fenestra vestibuli. 

Gl = Ganglion aus dem Glossopharyngeusgebiet. 
el = Ganglion aus dem Plexus tympanicus. 

Je T—imeus: 

L L'’= Labyrinth. 

Lk = Labyrinthkapsel. 

M = Malleus. 

N’ = Nervus trigeminus. 

N’ = Nervus facialis. 

n = Verbindungsnerv zwischen N? und dem Glossopharyngeus. 
P == Paukenhöhle resp. erste Schlundtasche (TI). 
Re = Reichertscher Knorpel resp. Blastem. 

St == Stapes. 

Stp — Musculus stapedius resp. Anlage desselben. 
V.j. = Vena capitis lateralis sive Vena 

I — Erste Schlundtasche. 


von 13 mm Länge. 
von 13 mm Länge. 
von 15,25 mm Länge. 
von 15,25 mm Länge. 
von 15,25 


von 20,5 


von 
von 
von 
von 
von 
von 
von 
von 


25 mm Länge. Schnitt 284. 
25 mm Länge. Schnitt 290. 
25 mm Länge. Schnitt 296. 
30 mm Länge. Schnitt 256. 
30 mm Länge. Schnitt 263. 
55 mm Länge. Schnitt 259. 
55 mm Länge. Schnitt 267. 
535 mm Länge. Schnitt 276. 
Zeichenerklärung. 


mm Länge. 
mm Länge. 


Schnitt 13. 
Schnitt 22. 


Schnitt 186. 
Schnitt 19. 
Schnitt 203. 
Schnitt 250. 


Erster Kiemenbogen. 
Arterielles Gefäss, aus der Carotis primitiva stammend. 


Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 


Beschreibung : 
Beschreibung : 


Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 
Beschreibung 


jug. primitiya. 


a a Qu OOo or Or 
SESEIEDESEITTS 


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Über eine feine Struktureigentümlichkeit der 
Epithelzellen der Gallenblase.') 
Von 
Dr. G. D’Agata 


Ehren-Assistenten am Institut für allgemeine Pathologie und Histologie 
zu Pavia (Vorstand Prof. C. Golgi). 


Mit 2 Textfiguren. 


Nach den wichtigen Mitteilungen Golgis (1) über den 
inneren Netzapparat der Nervenzellen hat eine ganze Reihe von 
Untersuchern diese Struktureigentümlichkeit in zahlreichen anderen 
Zellelementen, sowohl normalen als pathologischen, zur Anschauung 
gebracht. 

Es mögen hier in chronologischer Aufeinanderfolge erwähnt 
werden: die Untersuchungen Verattis (2) über die Nervenzellen 
des Sympathicus, jene von Pensa (3) über die Zellen der Neben- 
nieren und von Negri (4) über die Zellen des Pankreas, des 
Parotis, der Schilddrüse, des Epithels der Nebenhoden und des 
Primäreies. 

Auf diese Studien folgten die Untersuchungen Pensas (5) 
über die Zellen der Nierenkapseln und der Knorpelzellen, 
jene Verattis (6) über die Muskelfasern, ferner die Studien 
Marenehis (7) über die Zellen der Cutis bei Ammocoetes 
branchialis, jene von Gemelli (S) über die Zellen der glandulären 
Partie der Hypophyse, von Ancona (9) über jene der Tränen- 
drüse, von Brugnatelli (10) über die Nierenzellen, von 
Stropeni (11) über die Leberzellen, von Vecchi (12) über 
die Deciduazellen, von Bizzozero (13) über die Zellen der 
Talgdrüsen, von Maccabruni (14) über die Megaryocyten, von 
Riquier (15) über die Luteinzellen, von Lucioni (16) über die 
Zellen der weichen Muttermale. Ein möglicherweise dem Golgi- 
schen entsprechender Netzapparat ist ferner von Sinigaglia (17) 
in den roten Blutkörperchen der Amphibien beschrieben worden. 

Wie man sieht, ist es gelungen, den inneren Netzapparat 
bei einer grossen Anzahl von verschiedenartigen Gebilden zur 
=; ı) Die mikroskopischen Präparate sind in der Sitzung vom 12. Juli 1910 
der „Societa Medico-Chirurgiea“* zu Pavia demonstriert worden. 


Struktureigentümlichkeit der Epithelzellen der Gallenblase. 79 


Anschauung zu bringen; ja, selbst unter pathologischen Verhält- 
nissen ist derselbe — mehr oder weniger modifiziert — angetroffen 
worden. Ferner ist der Apparat auch zum Gegenstand von Studien 
geworden in verschiedenen Funktionsperioden mancher Kategorien 
von Grebilden. So hat Golgi (15) im vergangenen Jahre Bericht 
erstattet über die Veränderungen des Netzapparates der Magen- 
schleimhautzellen, zusammenhängend mit den die Gestalt und 
Zusammensetzung der Epithelien betreffenden, mit der Schleim- 
entartung derselben verknüpften Modifikationen. 

Wie ich bereits bekannt gemacht habe, ist es mir durch 
einfaches Auskratzen möglich gewesen, in den Magenschleimhaut- 
zellen von Triton beständig eine Änderung der Gestalt und Lage 
des Netzapparates je nach den verschiedenen biologischen Zuständen 
der Epithelien zu Gesicht zu bekommen (19). 

Vorliegende kurze Mitteilung hat nun den Zweck, auf das 
am inneren Netzapparat der Fpithelzellen der Gallenblase Fest- 
gestellte aufmerksam zu machen. Ich halte es insbesondere für 
angezeigt, die von mir erzielten Resultate bekannt zu machen, 
weil Policard (20) in letzter Zeit in der „Societe de Biologie“ 
die Mitteilung gemacht hat, es sei ihm möglich gewesen, in den 
Epithelzellen der Gallenblase ein angeblich in der Basalpartie 
der (Grebilde vorkommendes „dispositif mitochondrial“ darzustellen. 

Nach Policard zeigt sich .diese mitochondriale Anordnung 
aus dünnen, unregelmässig verteilten granulösen bezw. varikösen 
Fäden von verschiedener Länge und Dicke zusammengesetzt. 

Mit Hilfe des neuen (olgischen Verfahrens (arsenige Säure) 
habe ich bei verschiedenen Tierarten — namentlich Meer- 
schweinchen — einen ächten inneren Netzapparat zur Wahr- 
nehmung bringen können, morphologisch und topographisch diffe- 
renzierbar von jenem von dem französischen Forscher beschriebenen. 

Dieser Apparat erscheint als ein einfacher, aus einigen, 
mehr oder weniger groben, miteinander zu einem unregelmässig 
gestalteten, nicht sehr komplizierten Netzwerk verflochtenen Fäden 
bestehend. In den durch Schaben der Schleimhautoberfläche ge- 
wonnenen Epithelfragmenten erscheint der Apparat als ein offener, 
unregelmässig gestalteter Ring, aus Fäden zusammengesetzt, die 
sich miteinander zu Gebilden verflechten, ähnlich den in Fig. I — 
auf die ich verweise — dargestellten. Dieses Geflecht liegt in 
der zwischen dem Kern und dem freien Rande der Zellen befind- 


s0 Dr. G: Dy’ Ag data; 


lichen Partie. Von einer solchen Lage überzeugt man sich leicht an 
senkrecht zur Schleimhautoberfläche geführten Schnitten (s. Fig. ID). 

Dieser endocelluläre Apparat ist in bezug auf Gestalt, Sitz 
und sonstige Beziehungen konstant. 


Fig.d 


Di, 


ss o 
Br 


ee 


#7 


Ich halte es für unnütz, auf die Morphologie des von mir 
zur Anschauung gebrachten Apparates hier näher einzugehen. 
Hervorheben möchte ich nur, dass der von mir erhobene Befund 
sich wohl kaum mit dem von Policard mitgeteilten identi- 
fizieren lässt. 

Es liefert dies einen neuen Anhaltspunkt für die Annahme, 
dass der Netzapparat und der mitochondriale zwei verschieden 
beschaffene und verschieden zu deutende Bildungen darstellen, 
eine Auffassung, die von «olgi (1) vertreten wurde und zu deren 
Gunsten die Erfahrungen Verattis(6) und Perroncitos (21) — 
denen ich jetzt vorliegenden bescheidenen Beitrag hinzufüge — 
sprechen dürften. 


Literaturverzeichnis. 


1. Golgi: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1898 —1899. 
Derselbe: Anat. Anz., Verhand. d. Anat. Gesell. 1900. 
Derselbe: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908. 
2. Veratti: Anat. Anzeiger, Vol. XV, 1898. 
3. Pensa: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1899. 
4, Negri: Boll. Societä Medieo-Chirurg. di Pavia 1909. 
5. Pensa: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1901. 
6. Veratti: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1909. 
7. Marenghi: Memorie R. Istit. Lombardo di Scienze e Lettere 1903. 
8. Gemelli: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1900. 


Struktureigentümlichkeit der Epithelzellen der Gallenblase. 81 


Ancona: Dissert. laurea Pavia 1909. 

Brugnatelli: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908. 
Stropeni: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908. 

Vecchi: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908. 

Bizzozero e Botterselle: Arch. Scienze Mediche, No. 12, 1909, 
Maccabruni: Boll. Societ4 Medico-Chirurg. di Pavia 1909. 


. Riquier: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1909. 


Lucioni: Arch. Scienze Mediche, No. 21, 1909. 


. Sinigaglia: Arch. Scienze Mediche, No. 29, 1910. 


Golgi: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1909. 
D’Agata: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1910. 
Policard: Compt. rend. Soci6te de Biologie, Paris, No. 24. 1909. 


. Perroncito: Atti Reale Accadem. dei Lincei 1910. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.l. 6 


Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula Il. 


Von 
J. H. F. Kohlbrugge. 


Mit 2 Textfiguren. 

Unter dem gleichen Titel brachte ich im vergangenen 
Jahre Mitteilungen über das Eindringen der Spermatozoiden in 
die Blastula bei Fledermäusen. Ich zeigte, dass, wenn diese sich 
bereits so weit entwickelt hat, dass das Entoderm ausgebildet 
ist und der embryonale Knoten sich deutlich vom Trophoblast 
abhebt, immer neue Spermien in die Zellen des Embryo eindringen. 
Ich sprach am Schluss den Wunsch aus, dass durch Nachprüfung 
bei anderen Tieren recht bald festgestellt werden möchte, ob hier 
eine Erscheinung vorliegt, die für alle Säugetiere eilt. 


Inzwischen hatte ich Gelegenheit, diese Verhältnisse bei 
Kaninchen nachzuprüfen. Es wurden die Weibchen eine be- 


Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula II. to) 


stimmte Anzahl Stunden nach der persönlich beobachteten Be- 
gattung getötet und dann der Geschlechtsapparat in Schnittserien 
zerlegt, um festzustellen, was aus den Spermatozoiden geworden 
war, die in die Vagina ejakuliert waren. Es war mir besonders 
darum zu tun, festzustellen, ob die Spermien auch, noch vor 
Ausbildung der Blastula, in die sich teilenden Furchungskugeln 
eindringen. Dies geschieht, wie ich früher hervorhob, bei Fleder- 
mäusen nicht, bei diesen ist auch die Morula noch lange von der 
Zona pellucida umschlossen, und diese scheint ausser dem ersten 
befruchtenden Spermatozoid keine weiteren durchzulassen. Man 
kann dies als feststehend annehmen, da mir sehr viele Eier aus 
allen Stadien vorliegen, in denen niemals Spermien gefunden 
wurden, so lange die Zona sie umgab. 

Bei Kaninchen verhält sich die Sache ganz anders. Die 
Eier zeigen zwar stets die Zona bei den hier beobachteten 
Stadien von 2, 4. 6, 8 Furchungskugeln, aber diese Zona hält 
die Spermatozoiden nicht zurück. So lange nur zwei Furchungs- 
kugeln vorhanden sind, sieht man zwar zuweilen einige Spermien 
in der Zona, aber niemals in den Furchungszellen oder zwischen 
diesen. Ist die Teilung aber weiter fortgeschritten (4, 6, S Zellen), 
dann zeigt fast jeder Durchschnitt solch eines Eies mehrere 
Spermien. Die meisten findet man am Innenrande der Zona 
und also zwischen dieser und den Eizellen, andere sind aber 
bereits in diese Zellen eingedrungen. Die beiden Abbildungen 
zeigen dies deutlich, die eine zeigt vier, die andere sechs Zellen. 
Diese sind von der Zona umschlossen, der zuweilen noch Zellen 
der Granulosa anliegen, und das ganze wird von einer zweiten 
Schicht (Aussenzona) umhüllt, welche weit dicker ist als die 
eigentliche Zona. Kirkham!) gab vor kurzem Abbildungen 
der Eier von Mäusen, die die gleiche doppelte Umhüllung zeigen. 


24 Stunden nach der Cohabitation fand ich nur zwei Zellen, 
nach 30 Stunden deren vier und nach 48 Stunden sechs bis acht. 
Es scheint, dass die Spermien in dem Protoplasma zu kleinen, 
länglichen, tonnenförmigen Gebilden anschwellen, die das Chromatin 
nur an dem einen Pol zeigen. Solche wurden in beiden Figuren 
abgebildet und mit K bezeichnet. Ich habe sie nirgends in die 


!) Maturation of the Egg of the white mouse. Transactions Connecticut 
Academy, Vol. XIII, p. 65, 1907, Textfigur 1—4. 


6* 


54 I. HH. FIRohIhTmeR er 


Kerne der Zellen eindringen sehen, auch sah ich nicht, dass sie 
sich diesen Kernen anlegten wie bei den Fledermäusen. Ich 
kann noch hinzufügen, dass bei älteren Stadien, also bei der 
eigentlichen Blastula, ebensogut Spermien in deren Zellen treten, 
wie dies für Fledermäuse festgestellt wurde. Damit ist nun 
wahrscheinlich gemacht, dass gleiches für alle Säugetiere gilt; 
es werden jetzt die Haifische bearbeitet, über die ich später 
berichten werde. 


Fig. 2. 


Ich fasse diese Erscheinung so auf, dass die Spermatozoiden 
einerseits als Aktivitäts- oder Energiespender zu betrachten sind, 
welche die Eizellen reizen, zur Teilung anregen, andererseits 
nehme ich an, dass die Spermatozoiden dem Ei Nahrungsstoffe 
zuführen, so lange dieses noch frei schwebt, also noch nicht mit 
der Uteruswand verklebt ist. Legt sich das Ei aber an die 
Mucosa an, dann spielen die Spermien wieder eine Rolle bei 
dieser Verklebung oder Umwachsung (Einbettung), wie ich bei 
Fledermäusen gezeigt habe. Bei Kaninchen konnte ich diese 
Stadien noch nicht beobachten. 


Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula II. 8 


Ob das Eindringen der Spermien auch irgend welche Rolle 
bei der Vererbung spielt, ist natürlich auf dem bisher befolgten 
Wege nicht zu ermitteln; das wird sich nur durch das Experiment 
feststellen lassen, indem man ein zweites vom ersten ganz ver- 
schiedenes Männchen einige Stunden nach der Befruchtung zu 
dem Weibchen lässt, oder dessen Samen künstlich injiziert. Ob 
auf diesem Wege etwas zu erreichen ist, bleibt abzuwarten. Die 
ersten Schritte in dieser Richtung sind getan, aber ich fürchte 
dabei auf grosse Schwierigkeiten zu stossen, die auseinander- 
zusetzen hier wohl nicht der Ort ist. 


Utrecht, den 15. Dezember 1910. 


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87 


Aus der Universitäts - Augenklinik in Freiburg i. Br. (Direktor: Geheimrat 
Professor Dr. Th. Axenfeld). 
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes 
im Auge der Wirbeltierembryonen und in 
Chorioidealsarkomen. 


Von 
Dr. Aurel v. Szily, Privatdozent und I. Assistent der Klinik. 


Hierzu Tafel IV— VII. 


Inhalt: Seite 

1; anlage Re; N 87 

IsBeschreipender&Reilt a8... 7. 1.1222 Ber il) 
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1. Einleitung. 


Die dunklen Pigmente, die sogenannten Melanine, erfreuen 
sich einer weiten Verbreitung in der Tierreihe. Die dunklen 
Farbstoffe der Tegumente und Tegumentanhänge von Vertebraten 
und Avertebraten, die gefärbten Inhaltsbestandteile aller gewöhn- 
lichen Pigmentzellen des Bindegewebes, ferner der Chromatophoren, 
der Zellen des Pigmentepithels der Retina, der melanotischen 
Tumoren usw. gehören alle in diese Gruppe hinein. 

Unsere Kenntnisse über die Genese der eben erwähnten 
schwarzen Farbstoffe müssen aber noch recht dürftige genannt 
werden. 

Soviel steht wohl fest, dass die von vielen Seiten her in 
Angriff genommene chemische Analyse der natürlichen Farbstoffe 
noch zu keiner einwandfreien Lösung der Frage nach der Her- 
kunft des Melanins geführt hat. Während man früher nicht 
daran zweifelte, dass die dunklen Pigmente der Haut, sowie auch 
der Hautgebilde dem Blutfarbstoff entstammen, neigt man heute 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 7 


35 Aurel v. Szily: 


einer anderen Ansicht zu. Man glaubt nicht mehr, dass sie ein- 
fach aufgespeicherte Abkömmlinge der Blutfarbstoffe sind, sondern 
führt sie mit Vorliebe auf komplizierte lokale Stoffwechselvorgänge 
in der betreffenden pigmentführenden Zelle selbst zurück. 

Die Beweise, welche als Stütze für die Annahme einer 
autochthonen Bildung des Pigments in der Zelle angeführt und 
gegenüber ihrer Abstammung aus dem Blutfarbstoffe geltend 
gemacht werden, sind zweierlei Art. Der erste Beweis ist ein 
negativer, und bezieht sich darauf, dass die sogenannten „Melanine“ 
im Gegensatz zu den Blutfarbstoffen kein Eisen enthielten. Dieser 
"Beweis ist jedoch kein zwingender. Ich erwähne bloss, dass z. B. 
M.B. Schmidt (104—106; 1859—1900) und E. Neumann (82; 
1888) an sicher hämatogenen Pigmenten den Mangel an Eisen 
nachweisen konnten. Fehlender Eisengehalt kann also zur Ent- 
scheidung der Frage weder in dem einen, noch im andern Sinne 
verwendet werden, denn es kann sich ja immerhin beim Melanin 
um ein spätes, jenseits der Hämosiderinreaktion befindliches 
Stadium des Blutpigmentes handeln (Schmidt). 

Einen viel wichtigeren Beweis für die mögliche Unabhängig- 
keit der Melaninentstehung vom Blutfarbstoff bildet der positive 
Nachweis der Bildung von melaninähnlichen Stoffen aus gewöhn- 
lichem Eiweiss, wonach alle bisher bekannten tierischen Farb- 
stoffe auf eine chromogene Gruppe des Eiweissmoleküls als 
Muttersubstanz zurückzuführen wären. Aber auch dieser Beweis 
ist kein unfehlbarer und der Skeptiker wird mit Recht zuvor 
noch den Nachweis der chemischen Identität des künstlichen 
Melaninfarbstoffes mit dem natürlichen Melanin einfordern dürfen. 

Ein solcher Beweis ist jedoch schon deshalb mit den grössten 
Schwierigkeiten verbunden, weil es sich gezeigt hat, dass von 
den bisher untersuchten pathologischen und normalen Melaninen 
nicht zwei die gleiche Zusammensetzung haben. 

Die grosse Bedeutung, welche den Fermenten im Chemismus 
der Zelle zukommt. liess endlich in einigen Forschern die Ver- 
mutung aufkommen, dass auch bei der Bildung der mannigfaltigen 
Farben in der Natur fermentative Vorgänge eine Rolle spielen. 
Bertrand (11; 1896) verdanken wir die Entdeckung, dass gewisse 
Pflanzen ein oxydatives Ferment (Tyrosinase) enthalten, das Tyrosin 
unter Bildung dunkler gefärbter Substanzen zu oxydieren vermag. 
Seither ist der Nachweis der Tyrosinase in den Körpersäften und 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 89 


Organextrakten der verschiedensten Pflanzen und Tiere gelungen. 
Die Umwandlung des Tyrosins in künstliches Melanin unter Ein- 
wirkung der Tyrosinase erfolgt unter Abgabe von Wasserstoff 
und Aufnahme von Sauerstoff ohne eine wesentliche Verschiebung 
des Verhältnisses zwischen Stickstoff und Kohlenstoff. 

Das von C. Neuberg (83; 1908) aus einem melanotischen 
Nebennierentumor gewonnene ÖOrganextrakt blieb zwar ohne 
Einfluss auf das Tyrosin, vermochte jedoch auf Adrenalin und 
p-Oxyphenyläthylamin unter Farbstoffbildung einzuwirken. Eine 
weitgehende Bedeutung erhält aber diese Feststellung durch die 
Angaben Halles, wonach das Adrenalin in dem tierischen 
Organismus über die Stufe des p-Oxyphenyläthylamins aus Tyrosin 
entsteht. 

Nach Jäger (53; 1909) ist die Melaninproduktion bei der 
Melanosarkomatose chemisch charakterisiert als ein oxydativer 
Umwandlungsprozess des Suprarenins, der im Zytoplasma unter 
der Wirkung spezifischer Zellfermente abläuft. Die chemische 
Auslösung des Farbstoffes erfolgt nach der Meinung dieses Autors 
auf enzymatischem Wege, wobei ihn dann die Zelle selbst synthetisch 
durch ihre spezifische Tätigkeit erzeugt: eine autochthone, meta- 
bolische Pigmentbildung (S. 86). 

Ö.v. Fürth (24; 1909), dem wir zahlreiche wertvolle Unter- 
suchungen über die Synthese der tierischen Farbstoffe verdanken, 
zerlegt die Prozesse physiologischer und pathologischer Melanin- 
bildung auf Grund der bisherigen Erfahrungen in zwei Phasen: 

1. Die Abspaltung zyklischer Komplexe aus dem Eiweiss- 

molekül, wobei an die Mitwirkung autolytischer Fermente 
gedacht werden könnte und 

2. die Überführung dieser zyklischen Komplexe durch die 

Wirkung oxydativer Fermente in Melanine. 

Es erscheint nach v. Fürth nicht unwahrscheinlich, 
dass dieser Vorgang zuweilen noch dadurch kompliziert 
wird, dass 

3. accessorische Gruppen (schwefelhaltige und eisenhaltige 

Komplexe und möglicherweise auch verzweigte aliphatische 
Ketten) in den Kondensationsprozess einbezogen werden. 

Diese eben erwähnte Anschauung v. Fürths, welche die 
herrschende Ansicht der physiologischen Chemiker über das 
Wesen und die Entstehungsbedingungen der Melanine treffend 


Tr 


90 Aurelin.Szuly: 


kennzeichnet, besitzt selbstverständlich bloss den Wert einer 
glücklich gewählten Arbeitshypothese. Ihre Richtigkeit werden 
erst weitere Untersuchungen beweisen müssen. 

In derallerletzten Zeit gelang esnun H. Eppinger (20; 1910), 
einen sicheren Beweis für die Entstehung des Melanins aus dem 
Tryptophan zu erbringen. Er konnte in einem pathologischen 
Falle von Melaninbildung einen Zwischenkörper isolieren, der 
leicht unter Kondensation, bei gleichzeitiger Oxydation in einen 
schwarzen Farbstoff übergeht, ähnlich wie Anilin in Anilinschwarz. 
Es bleibt abzuwarten, ob die von Eppinger beschriebene Substanz 
auch alle Fälle von normaler Pigmentbildung zu erklären vermag. 

Aber selbst eine eindeutige Beantwortung der hier ihrer 
Lösung harrenden wichtigen chemischen Fragen vorausgesetzt, 
muss bei Zeiten davor gewarnt werden, die Ergebnisse der 
Laboratoriumsversuche auf Vorgänge zu übertragen, wie sie im 
lebenden Organismus stattfinden. Diese Versuchung ist leider 
gross und nur allzuleicht wird der physiologische Chemiker, ver- 
trauend auf seine ungleich exakteren Methoden, den Chemismus 
des Laboratoriums auf die lebendige Tier- und Pflanzenwelt un- 
eingeschränkt übertragen wollen. Auf der anderen Seite blickt 
der Morphologe mit Anerkennung und Zuversicht auf die schönen 
Erfolge des Biochemikers, der ihn durch Versuche in vitro über 
den Abbau und die Synthese aller im Organismus vorkommenden 
Stoffe belehrt. Fehlte es doch selbst von seiten ausgezeichneter 
Morphologen nicht an der Mahnung: „Physikalische und chemische 
Betrachtungsweise sind auszubauen und gegenüber der morpho- 
logischen in den Vordergrund zu stellen“ (Albrecht in „Zellular- 
Pathologie“, 3; 1907). 

Es wäre jedoch sicherlich gefehlt, wenn wir den Sinn dieser 
Worte Eugen Albrechts so deuteten, als müssten bei der 
Entscheidung biologischer Fragen morphologische Momente hinter 
die Resultate der physikalisch-chemischen Experimente zurück- 
treten. Ein solches Prinzip ist bei Vorgängen, soweit sie sich 
innerhalb der Zelle abspielen, nicht am Platze. Hier gehen 
morphologische und chemische Veränderungen Hand in Hand 
und es ist die Aufgabe des Biologen, den Zusammenhang dieser 
beiden Vorgänge zu erkennen und ihrer Bedeutung nach im 
einzelnen richtig zu würdigen. Dass hierbei je nach der Arbeits- 
richtung des betreffenden Forschers bald die eine, bald die andere 


Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 91 


Seite der Frage über Gebühr in den Vordergrund tritt, ist leicht 
denkbar. Es muss also hier, wie auf allen wissenschaftlichen 
Grenzgebieten, von Zeit zu Zeit von sachkundiger Hand die 
Bilanz gezogen werden, um auch dem mehr spezialistisch geschulten 
Forscher über den tatsächlichen Bestand des wissenschaftlichen 
Schatzes zu orientieren. 

In der Pigmentfrage steht augenblicklich infolge von zahl- 
reichen wichtigen Feststellungen die chemische Betrachtungsweise 
im Vordergrund und man hört nicht selten die Behauptung, es 
sei zwecklos, an die Lösung des Problems der Melaningenese 
anders als mit rein chemischen Methoden heranzutreten. 

Es ist daher vielleicht zeitgemäss, dieser fälschlichen 
Anschauung gegenüber dem vernachlässigten morphologischen 
Standpunkt erneute und gebührende Geltung zu verschaffen. 

Der morphologischen Bearbeitung der Frage nach der 
Pigmentgenese ergibt sich aber meines Erachtens eine Frage- 
stellung von selbst, die ich in den folgenden zwei Punkten fest- 
legen möchte: 

1. liegt den durch die Chemiker isolierten Melaninkörnern 

ein heterogenes, etwa eiweissartiges Stroma zugrunde ? 

2. wenn ja, von welchem Teile der Zelle, resp. von welcher 

Zellgruppe sind diese Stromata herzuleiten ? 

Als Vorläufer der Ansicht, dass in den Granulis der echten 
Pigmentzellen organisierte lebende Teile vorliegen, ist vor allem 
der Begründer der „Granulalehre“ Altmann selbst zu nennen. 
Aber erst Reinke (97; 1894) hat den einwandfreien Nachweis 
erbracht. dass es sich, wenigstens in den von ihm untersuchten 
Fällen von Pigmentierung, nicht bloss um eine körnige Farbstoff- 
abscheidung handelt, sondern um wirkliche Granula, d. h. um 
Organellen, an welche der Farbstoff gebunden ist. Erhat bekanntlich 
bei den Pigmentzellen der Salamanderlarve nachgewiesen, dass 
der Farbkörper durch Oxydation zerstört werden kann und dass 
alsdann ungefärbte Granula hinterbleiben, welche ihrerseits durch 
Safranin tingierbar sind. 

Nach Galeotti (25; 1895) sollen bei Kröten und Frosch- 
embryonen in den Epithelzellen mit Fuchsin darstellbare Körnchen 
vorkommen, die sich späterhin in echtes Pigment verwandeln. Form 
und Anordnung dieser Körnchen lässt nach Galeotti keinen 
Zweifel zu, dass es sich um Jugendzustände des Pigments handelt. 


92 Aurel y. Szily: 


Auf ähnliche Weise geht auch nach Alfred Fischel 
(21; 1896) die Entwicklung des Pigments vor sich. Er fand, 
dass sich innerhalb der späteren Pigmentzellen in immer reich- 
licherer Weise Körnchen entwickeln, die anfangs lichter sind 
und erst später eine dunklere Färbung annehmen. Diese helleren 
Körnchen sieht Fischel als Pigmentbildner an, die durch 
spezifische Umwandlung oder Zusammensetzung mit einem Farb- 
stoff zu Pigment werden. 

Nach Leydig, Reinke u.a. sollen die Augen albinotischer 
Tiere in den Retinaepithelien an Stelle der gefärbten Körperchen 
ungefärbte gleicher Art aufweisen. 

Es scheint danach zweifellos zu sein, dass gewisse Pigment- 
zellen und besonders die typischen Chromatophoren besondere 
Granula hervorbringen, in welchen sich die Farbstoffbildung 
lokalisiert, und die daher als primitive, farblose Pigmentträger 
zu bezeichnen sind. Inwieweit freilich die Körner aktiv an der 
Farbstoffbildung beteiligt sind, bleibt auf Grund dieser Unter- 
suchungen nach wie vor unentschieden. 

Die zweite wichtige Frage, die hier noch von morphologischer 
Seite ihrer Beantwortung harrt, ist die: von welchem Teile der 
Zelle resp. von welcher Zelleruppe sind diese Stromata herzuleiten ? 

Für die grössere Zahl der Autoren, die die Pigmentfrage 
mit der Bioblastenlehre Altmanns in Beziehung bringen, ist die 
nächstliegende Annahme die, dass die Stromata unabhängig vom 
Zellkern im Cytoplasma entstehen. Zwar konnten am Zellkern 
die verschiedensten Veränderungen in der Färbbarkeit, in der 
Form und Zahl der Nukleolen usf. erkannt werden, aber der 
Nachweis einer direkten Beteiligung des Zellkerns an der Bildung 
der Primärgranula ist bisher nicht gelungen. Den darauf bezüg- 
lichen Angaben von Galeotti (25; 1895) stehen ebenso bestimmte 
negative Erhebungen von M. Heidenhain (41; 1907) gegenüber. 

Es wurde daher auch Behauptungen, die den Zellkern zur 
Pigmentbildung in Beziehung brachten, bis auf den heutigen Tag 
wenig Beachtung geschenkt. Wir müssen aber an diese Frage 
schon deshalb ausführlicher herantreten, weil sie in Verbindung 
steht mit jenem wichtigen allgemein-biologischen Problem über 
die bisher noch wenig bekannte Wechselbeziehung zwischen 
Protoplasma und Zellkern, auf die ich weiter unten noch näher 
zu sprechen komme. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 93 


Von den älteren Beobachtern, die für eine Beteiligung des 
Zellkerns an der Pigmententstehung eintraten, ist vielleicht an 
erster Stelle Mertsching (72; 1889) zu nennen. Er stützt 
seine Ansicht durch Befunde an den Querschnitten der Haarrinde 
und an Melanosarkomzellen, wo nach seiner Meinung das Pigment 
zuerst in der sogenannten Kernmembran auftreten soll. Bei 
Mertsching finde ich zuerst die Ansicht deutlich ausgesprochen, 
der wir im folgenden noch öfters begegnen werden, dass die 
Pigmentbildung im Bindegewebe ebenso wie in der Epidermis 
in Beziehung zum Zerfall der Zelle, in erster Linie des Zell- 
kerns steht. 

Weitere Angaben über Pigmenteinschlüsse in den Zellkernen 
der verschiedensten Tierarten haben Steinhaus, Leydig, 
Maurer, Ajello, Rosenstad u. a. gemacht. Bei der Bewertung 
solcher Behauptungen ist aber grösste Vorsicht geboten, weil 
infolge der bekannten Anlagerungen des Pigmentes an die Kern- 
membran eine Entscheidung der Frage, ob es sich im gegebenen 
Falle tatsächlich um eine intranukleäre Lagerung der 
Pigmentkörnchen handelt, oft mit den grössten Schwierigkeiten 
verbunden ist. Gelegentlich seiner Untersuchungen über die 
Beziehungen zwischen den Pigmentbändern des Mantels und denen 
der Schale bei Helix nemoralis L. und hortensis Müller, 
hat Distaso (17; 1908) einen direkten Zerfall des Kerns in 
Pigment beobachten können. 

Unter den Dermatologen hat sich namentlich Jarisch 
(56; 1892) auf Grund seiner Befunde an Schwänzen von etwa 
15 bis 20 mm langen Tritonlarven zugunsten der Herkunft des 
Pigments aus Kernsubstanz ausgesprochen, ohne indes wirkliche 
Beweise für die Richtigkeit seiner Anschauung geliefert zu haben. 

Für das Melanosarkom hat vielleicht zuerst Lukjanow 
(68; 1891) den Pigmentierungsvorgang als einen teilweisen oder 
vollständigen Kerntod aufgefasst, wobei die freigewordenen Plasmo- 
somen sich zum Pigment umwandeln sollten. 

Ausser den technischen Schwierigkeiten, welche bei der 
Entscheidung der Frage über den Austritt von Kernteilchen ins 
Cytoplasma eine glatte, einwandfreie Beurteilung sehr erschwerten, 
standen für eine ganze Reihe von Forschern einer solchen Mög- 
lichkeit von vornherein noch andere, nicht. weniger wichtige 
theoretische Bedenken entgegen. 


94 Aurel v. Szyli: 


Ich erinnere bloss an jene verbreitete Anschauung, die bis 
zur neuesten Zeit inHeidenhain (41: 1907) ihren gewichtigsten 
Vertreter fand, wonäch der Kern innerhalb des Zellprotoplasmas 
in der Teilungsruhe in vollständigem Zustande der Untätigkeit 
verharren soll. Er bildete sozusagen den ruhenden Punkt inner- 
halb des funktionierenden Protoplasmas. Die Aufgabe des Zell- 
kerns beschränkt sich nach dieser Auffassung ausschliesslich auf 
den schöpferischen Akt der Erzeugung neuer lebender Teile. 
Demnach wäre der Kern im Wechselverhältnis mit dem Proto- 
plasma in den meisten Fällen, vielleicht nur mit Ausnahme der 
Drüsenzellen im Sekretionszustand, allein der nehmende Teil, der 
aus dem Gesamtstoffumsatz der Zelle für seinen Bestand und für 
die Bewahrung seiner spezifischen Qualität gewissermaßen den 
grösseren praktischen Vorteil zöge. 

Als besonders wichtige und lehrreiche Beweise für die 
Bedeutung des Kerns in der Zelle werden die schönen Experi- 
mente M. Nussbaums (85; 1885) und A. Grubers (33; 1883) 
angeführt, welche den einwandfreien Beweis lieferten, dass kern- 
lose Teilstücke von Infusorien unfehlbar zugrunde gehen. A.Gruber 
schliesst aus seinen Versuchen an „Actinophrys“, dass der Kern 
keine Bedeutung für diejenigen Funktionen des Zellkörpers hat, 
welche nicht direkt in Beziehung zur Fortpflanzung stehen, also 
zur Bewegung (Pseudopodienbildung), zur Nahrungsaufnahme, 
Exkretion (Pulsation der kontraktilen Vakuole) und zum Wachstum; 
auch auf die äussere Gestalt kann er einflusslos sein. 

Eine Ergänzung zu diesen eben erwähnten Experimenten 
ist nın von Verworn (111; 1888) gemacht worden. Er ent- 
fernte bei Thalassicola, einem durch seine Grösse ausgezeichneten 
Radiolar, den Kern und fand, dass derselbe, selbst wenn er vor 
allen Schädlichkeiten geschützt blieb, nach einiger Zeit stets 
zugrunde ging, ohne die geringsten Regenerationserscheinungen 
erkennen zu lassen. 

Aus ähnlichen Versuchen, deren Zahl bis zur neuesten Zeit 
aus der Literatur beliebig vermehrt werden könnte, geht deutlich 
hervor, dass weder der Kern, noch das Protoplasma allein, die 
Hauptrolle im Leben der Zelle spielt, sondern beide in gleicher 
Weise am Zustandekommen der Lebenserscheinungen beteiligt 
sind (Verworn). Eine ähnliche Ansicht verfichtt Rabl in 
seiner an der Universität Leipzig gehaltenen Antrittsvorlesung 


Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 95 


(1906), in welcher er gegen die Theorien Weismanns und 
O.Hertwigs Stellung nimmt, wonach die chromatische Substanz 
der (reschlechtskerne als der alleinige Träger der „Vererbungs- 
substanz“ anzusehen wäre. Er hält zur Vererbung, zur Wieder- 
holung der Entwicklungsprozesse, als deren Endresultat die 
Eigenschaften der Eltern im Kinde wieder erscheinen, alle 
Zellbestandteile in gleicher Weise für nötig. Er gelangt unter 
Berücksichtigung aller wichtigen Versuchsergebnisse zu dem 
Schlusse, dass die Qualitäten der Teile des Kerns nur bei 
qualitativ gleicher Teilung des Protoplasmas unverändert erhalten 
bleiben können, dass dagegen ungleiche Teilung des Protoplasmas 
eine qualitative Veränderung des Kerns in Gefolge haben muss. 

Nach Rabl (95; 1906) stehen Kern und Protoplasma in 
den innigsten Wechselbeziehungen zueinander. Diese Wechsel- 
wirkungen zwischen Kern und Protoplasma sind materieller oder 
substantieller Art. Das Protoplasma nimmt zweifellos Substanzen 
aus der Umgebung auf und gibt dieselben zum Teil an den Kern 
ab, zum Teil werden sie von ihm selbst weiter verarbeitet. Er 
empfängt aber auch — und darin erblicke ich gegenüber den 
Ansichten Heidenhains einen prinzipiellen Fortschritt — 
Substanzen aus dem Kern, diese verbinden sich ihrerseits mit 
gewissen Substanzen des Protoplasmas und aus dieser Verbindung 
gehen neue Substanzen mit neuen Eigenschaften hervor. 

Es sei jedoch ausdrücklich hervorgehoben, dass diese Auf- 
fassung C. Rabls über die Abgabe von Stoffen aus dem Kern 
ans Cytoplasma sich lediglich auf das veränderte Kernbild stützt, 
welches Drüsenzellen im Stadium der lebhaften Sekretion dar- 
bieten. Von der Abgabe morphologisch sichtbarer Teile 
aus dem Kernbestand ans Cytoplasma ist nirgends die Rede. 

Durch die grundlegenden Untersuchungen Richard 
Hertwigs (45; 1898 und 47; 1903) ist die Frage der Kern- 
plasmabeziehung in eine neue und sowohl für die allgemeine 
Biologie, als auch im speziellen für die Pigmentgenese gleich 
bedeutungsvolle Phase getreten. Ich kann nicht umhin, auf die 
mit dieser Frage zusammenhängende Literatur hier etwas genauer 
einzugehen, obwohl sie sich zum grössten Teil vorläufig auf 
niedrig organisierte Tiere bezieht. Die Übertragung der Ergeb- 
nisse dieser Forschung auf die Metazoenzelle hat aber schon 
begonnen und verspricht uns auch hier viel neue und wichtige 


96 Aurel v. Szily: 


Aufschlüsse zu geben über die mannigfaltigen, bisher unbekannten 
Wechselbeziehungen zwischen Zellkern und Protoplasma. 

R. Hertwigs Untersuchungen beziehen sich auf die Proto- 
zoen. Er fand im Jahre 1898 (45) bei Actinosphaerium Eich- 
horni das Plasma von zahlreichen, oft in Strängen gelagerten 
chromatischen Körperchen durchsetzt, denen er einige Jahre 
später (1902) den Namen „Chromidien“ gab. Die Körnchen 
stammen aus dem Kern und spielen eine wichtige Rolle im Zell- 
leben. Sie nehmen bei übermässiger Fütterung, wie auch bei 
intensivem Hunger an Masse zu. Ihre Beziehung zum Kern 
wird dadurch besonders deutlich gemacht, dass sich diese unter 
Umständen ganz in Chromidien auflösen können. Bei Mono- 
thalamien ist wiederum der umgekehrte Vorgang zu beobachten. 
Hier treten die Chromidien in Form eines distinkten Chromidial- 
netzes auf, das wieder Beziehungen zu dem Kern zeigt, aus dem 
sich Kerne sogar neu bilden können. 

Nach weiteren Untersuchungen Hertwigs kommt bei den 
von ihm untersuchten Protozoen ein Chromidialapparat normaler- 
weise immer vor und scheint aus Chromatin und Nukleolar- 
substanz zusammengesetzt zu sein. Die Chromidien der Pro- 
tistenzelle sind nach seiner Meinung vergleichbar mit jenen 
Chromatinpartikeln, die bei der Eireifung aus den Kernen von 
Metazoeneizellen auswandern können. 

Das Hauptergebnis seiner Untersuchungen hat Richard 
Hertwig dahin zusammengefasst: „dass jeder Zelle normaler- 
weise eine bestimmte Korrelation von Plasma- und Kernmasse 
zukommt“. Diese Gesetzmässigkeit bezeichnet er als die „Kern- 
plasmarelation“ (47; 1903 und 48; 1903). Die Wechselwirkung 
von Kern und Plasma denkt sich Hertwig so, dass der Kern 
zunächst dem Protoplasma Teile entnimmt, wobei dieses in eine 
funktionierende Substanz und in einen in den Kern eintretenden 
Rest gespalten wird. Die hierdurch erfolgende Zunahme der 
Kernsubstanz nennt er: „funktionelles Wachstum des Kerns“. 
Dieses funktionelle Wachstum des Kerns kann unter patholo- 
gischen Bedingungen zu seiner Hypertrophie führen. Es besteht 
dann ein Missverhältnis zwischen Kern und Plasma, welches 
dadurch wieder seinen Ausgleich finden kann, dass weitere Assi- 
milation von Stoften unterbleibt und der Kern durch Resorption 
und durch Abgabe an das Plasma seinen Inhalt reduziert. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. si 


In solchen Fällen wird die „Kernplasmarelation“ dadurch wieder 
hergestellt, dass Chromatin in das Protoplasma ausgestossen 
wird, wo es sich dann unter Umständen zu einer bräunlichen 
Masse verfärbt. 

Die Umwandlung von Chromidien in Pigment hat R.Hertwig 
bei Actinosphaerium beobachtet. Sie tritt hier unter verschiedenen 
Bedingungen auf: bei der Encystierung, bei übermässiger 
Fütterung und bei Hunger. Also überall dort, wo auf natürliche 
oder künstliche Weise der Gleichgewichtszustand zwischen Proto- 
‚plasma und Zellkern eine Störung erfuhr. Wenn der Kern im 
Verhältnis zum umgebenden Cytoplasma über eine gewisse Grenze 
sich vergrössert, muss, wie schon erwähnt, damit das Gleich- 
gewicht wieder hergestellt wird, ein Teil des Chromatins ans 
Plasma abgegeben werden. Das abgestossene überschüssige 
Chromatin oder die Chromidien, wie wir diese Chromatinbrocken 
von nun an nennen wollen, werden entweder verbraucht resor- 
biert, oder in bräunliche Pigmentkörner verwandelt. 

Durch die eben erwähnten grundlegenden Untersuchungen 
Hertwigs, und nicht weniger auch infolge der an sie geknüpften 
klaren und logischen Folgerungen eröffneten sich ganz neue 
Ausblicke für die gesamte feinere Zellforschung. Es wurden 
jedoch nicht nur von neuen Gesichtspunkten aus weitere Daten 
zur Bestätigung und Ausbau der Hertwigschen Lehren 
gesammelt. Jetzt, wo der Bann gebrochen war, der bis dahin 
für die meisten Autoren die Annahme eines Austritts von Kern- 
teilchen in das Cytoplasma unmöglich erscheinen liess, war die 
Zeit gekommen, um auch ältere Angaben erneut auf ihre Richtig- 
keit zu prüfen und mit den Ideen Hertwigs in Beziehung zu 
bringen. 

Da sind zunächst jene immer wiederkehrenden Angaben über 
die Beziehungen gewisser spezifischer Strukturen in den Drüsen- 
zellen zu dem Zellkern einer Nachprüfung zu unterziehen. 

M. Nnssbaum (84; 1877—1879) hat bekanntlich in 
Pankreaszellen von Amphibien fadig strukturierte Körper be- 
schrieben, die er als „Nebenkerne“ bezeichnet und denen gleich- 
setzt, die in Spermatiden und den Dotterkernen der Eier vor- 
kommen. Ähnliche eigenartige, sich stark mit Chromatinfarb- 
stoffen tingierende Fäden hat Gaule (26—28; 1880—1881) in 
Blutkörperchen, Pankreas- und Leberzellen vom Frosch gesehen. 


98 Aurel v. Szily: 


Ogata (87; 1853) hat dann ausdrücklich betont, dass sie aus 
Körpern bestehen, die aus dem Kern in das Plasma ausgetreten 
sind. Eine Ansicht, der M. Heidenhain aufs bestimmteste 
entgegentritt. Platner (91; 1886) hat diese Nebenkerne mit 
der Bildung der Zymogene in Beziehung gebracht und fand, dass 
sie mit dem Auftreten der letzteren verschwinden. Ähnliche 
Angaben macht auch Mathews (70; 1899) auf Grund von sorg- 
fältigen Untersuchungen an Pankreaszellen von Necturus und 
Leberzellen vom Frosch. All diese Autoren stimmen darin 
überein, dass die fraglichen Gebilde stark chromatisch sind, wahr- 
scheinlich aus einem Nukleoalbumin bestehen und direkt vom 
Chromatin des Kerns abzuleiten sind. Über die Art und Weise 
ihrer Abstammung aus dem Kern hat sich Laguesse (65; 1899) 
geäussert. Nach seiner Meinung sollen sie durch ungleiche 
(heteropole) Kernteilung entstehen. Er hält sie für: „une sorte 
d’apport nutritif du noyau au Protoplasme“. 

Als Zellstrukturen, die vielleicht mit den Chromidien der 
Protisten vergleichbar sind, wären dann noch die „Mitochondria“ 
Bendas (10; 1902) zu nennen. Es sind das Körnchen, die dieser 
Forscher vor allem in den Samenbildungszellen gefunden hatte 
und die durch besondere Methoden von anderen Zelleinschlüssen 
unterschieden werden können. Sie bilden den Spiralfaden der 
Spermien. Benda hält sie nach weiteren Untersuchungen an 
Wimper- und Muskelzellen für spezifisch motorische Apparate. 
Eine Reihe von weiteren wichtigen Beobachtungen verdanken wir 
Meves (79; 1901) über die sich zu körnigen Fäden aneinander 
fügenden Mitochondrien, den sogenannten Chondromiten. Sie 
bilden einen regelmässigen Befund bei der Spermatogenese. 

Es sei hier noch kurz an andere Differenzierungen im 
Cytoplasma erinnert, an die sogenannten Pseudochromosomen, 
Zentralkapseln (auch Centroformien und Archoplasmaschleifen 
genannt), unter welchem Namen mehr oder weniger zusammen- 
gehörige Gebilde beschrieben wurden. Auffallend ist ihre morpho- 
logische und tinktorielle Ähnlichkeit mit richtigen Chromosomen. 
Trotzdem betont M. Heidenhain (41; 1907) ihre Entstehung 
im Cytoplasma, während Folke Henschen (42; 1903) für eine 
Abstammung aus dem Kern eintrat. 

Ebenso werden von manchen Autoren die von Holmgren 
(51; 1901) beschriebenen Trophospongien hierher gezählt, wenig- 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 39 


stens diejenigen intensiv tingierbaren Netze, welche je nach ver- 
schiedenen Funktionszuständen der Drüsenepithelien ein ver- 
schiedenartiges Aussehen haben und mit Kernfarbstoffen gefärbt 
werden können. 

Zu entscheiden wäre weiterhin, ob die von v. Lenhossck 
so genannten Tigroidscholien, die je nach dem Funktions- 
zustande der Ganglienzellen grosse Verschiedenheiten zeigen 
sollen, wirklich mit dem ÜChromatin der Zellkerne verwandt, 
oder gar, wie manche glauben, mit ihm identisch sind. Auch 
M. Heidenhain (41; 1911) hat sich neuerdings der Ansicht 
angeschlossen, „dass das Tigroid aller Wahrscheinlichkeit nach 
ein Cytochromatin ist, und wir sind deswegen berechtigt, 
die weitere Frage anzuschliessen, ob das Tigroid bei dem relativ 
geringen Volumen des Kerns eventuell bestimmt ist dessen Masse 
zu substituiren.* (8. 870). 

Endlich sei noch der im Jahre 1898 von Ü. Golgi 
beschriebene Apparato reticolare erwähnt, der ein an Chromsilber- 
präparaten der Ganglienzellen sichtbares, merkwürdiges Netzwerk 
darstellt. Später haben Negri (81; 1899), Pensa (89; 1899) 
und Kopsch (61; 1902) dieses Netzwerk mit derselben Methode 
auch in den verschiedensten Drüsenzellen nachgewiesen, während 
Marenghi (69; 1903) über ähnliche Befunde in den Epidermis- 
zellen von Ammocoetes, Veratti (110; 1902) in den quer- 
gestreiften Muskelfasern bei Larven von Gastrophilus equi 
berichtet. 

Einen weiteren Ausbau erhielt die Lehre vom Hertwigschen 
Chromidialapparat durch Beiträge von seiten der Mitarbeiter 
und Schüler dieses hervorragenden Forschers. 

Hier sind zunächst die interessanten Mitteilungen G old- 
schmidts zu erwähnen. Die Untersuchungen von Goldschmidt 
(29; 1904) beziehen sich auf den gemeinen Spulwurm, Ascaris 
lumbricoides L., Ascaris megalocephala Cloqu. Es handelt sich 
zugleich um den ersten Versuch einer systematischen Übertragung 
der Hertwigschen Beobachtungen auf die Metazoenzelle. 

Die Gewebe der Ascariden zeichnen sich zum Teil dadurch 
aus, dass sie nicht durch Zellteilung wachsen, sondern durch 
ungeheure Grössenzunahme einer geringen Zahl von Zellen. So 
besteht nach Goldschmidt der rund 7 cem haltende Ösophagus 
aus 35 Zellen, das Exkretionsorgan aus drei Zellen, der 


100 Aurel v.8zily: 


Enddarm, die Lippen, der Spiculaapparat aus einigen wenigen 
grossen Zellen. Naturgemäss bieten alle diese Zellen allerlei 
merkwürdige funktionelle Strukturen dar. 

Die intensive Ausprägung des Uhromidialapparates lässt das 
Material für die in Frage stehenden Untersuchungen äusserst 
geeignet erscheinen. Die Struktur findet sich nach Feststellungen 
von Goldsehmidt nur in den Zellen von lebhafter Funktion, 
also in Epithelmuskelzellen, Körpermuskelzellen, Muskelzellen der 
inneren Organe. resorbierenden Epithelien und Drüsenzellen. Der 
Chromidialapparat besteht auseinem System von Fäden, Chromidial- 
fäden, Chromidialsträngen, die typische Reaktion, Struktur und 
Anordnung innerhalb des Cytoplasmas zeigen. Sie färben sich 
stets intensiv chromatisch, in gleichem Farbenton, wie das 
Chromatin des Kerns. Die einzelnen Fäden verlaufen meist stark 
gewunden durch das Cytoplasma, sind von wechselndem Umfang 
und meist fein vakuolisiert. Am dichtesten sammeln sich die 
Fäden immer um den Kern, den sie völlig umspinnen können. 
Auch direkte Beziehungen zum Kern sind nachzuweisen: Auf- 
lagerungen der Fäden auf die Kernmembran, wahrscheinlich auch 
Eindringen in den Kern. Sodann treten aus den Kernen bisweilen 
chromatische Körper aus, die mit der Neubildung der Chromidien 
zusammenhängen. 

Überaus bemerkenswert sind die Angaben Goldschmidts 
über die wechselnde Struktur des Chromidialapparates je nach 
dem Funktionszustand der betreffenden Zelle. Bald ist er mächtig 
entwickelt, bald schwach oder fehlt sogar vollständig. Nach- 
weislich hängt dies mit verschiedenen Funktionszuständen der 
Zelle zusammen. Zunächst ergibt sich die Regel, dass stärker 
beanspruchte, funktionsmannigfaltigere Zellen auch reichere 
Chromidienbildung aufweisen. Bei den Drüsenzellen sehen wir 
die Uhromidien nur auftreten, wenn der Kern ruht, gänzlich 
fehlen, wenn er in Wechselbeziehung zum Plasma tritt. In den 
Darmepithelzellen treten sie nur auf, wenn die Zelle in lebhafter 
Funktion ist, was durch die Anwesenheit von Nahrungströpfchen 
bewiesen wird; in gehungerten Tieren, also bei untätigen Darm- 
zellen, verschwinden sie. In den Muskelzellen konnte endlich 
(oldschmidt den direkten experimentellen Beweis des Zusammen- 
hangs mit der Funktion liefern. — Bei starker Funktion (Tetanus, 
Alkoholreizung) vermehren sie sich zunächst mächtig und degene- 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 101 


rieren schliesslich bei übermässiger Beanspruchung ohne die 
Möglichkeit eines Ersatzes. Sie werden aufgebraucht. 

Wie wir aus diesem kurzen Auszug der Goldschmidtschen 
Abhandlung sehen, besteht zwischen dem Chromidialapparat der 
Protozoen und der niedrig organisierten Metazoen die weitgehendste 
Übereinstimmung, nicht nur in morphologischer Beziehung, sondern 
auch was die Abhängigkeit vom jeweiligen Funktionszustand der 
Zelle anbelangt. 

Der erste Versuch, auf Grund dieser neuen Entdeckungen 
die Pigmentbildung in Melanosarkomen einer genauen Prüfung 
zu unterziehen, stammt von R. Rössle (99; 1904) und ist unter 
der persönlichen Leitung Hertwigs ausgeführt worden. 

Der bemerkenswerteste Befund, welcher sich hier seinen 
Augen darbot, ward zugleich bestimmend für seine ganzen 
Ansichten über den Pigmentierungsvorgang in diesen Geschwülsten: 
der grosse Gehalt der Kerne an Nukleolarsubstanz. Diese 
Überproduktion an Nukleolarsubstanz ergab sich nicht so sehr 
in den pigmentfreien und protoplasmaarmen Rundzellen, als 
vielmehr ganz besonders in den pigmentierten Spindelzellen und 
Rundzellen und zwar denjenigen, deren Pigmentreichtum noch 
nicht beträchtlich war, die also in Pigmentbildung offenbar 
begriffen waren. An anderen Zellen befand sich die Nukleolar- 
substanz in lebhafter Umbildung und Verarbeitung. Man findet 
an solchen Nukleolen: Abschnürung von Tröpfchen, Bildung 
von Ketten- und Flaschenformen und vakuolenartigen Aufhellungen. 
Im Anschluss daran glaubt Rössle schliesslich auch den Austritt 
von Nukleolarsubstanz aus dem Kern und die Umbildung der- 
selben im Protoplasma zu Pigment festgestellt zu haben. 

Der typische Pigmentierungsvorgang verläuft nun nach 
seiner Meinung auf folgende Weise: Der in den jugendlichen 
Stadien noch chromatinreiche Kern, mit wenig Nukleolarsubstanz, 
verarmt zunächst beim Anwachsen der Zelle über ein gewisses 
Maß mehr und mehr an Chromatin, bereichert sich aber offenbar 
auf dessen Kosten mit Nukleolarsubstanz. Rössle bezeichnet 
dieses Stadium: die grosse pigmentlose Rundzelle (I. Stadium). 
In diesem Stadium pflegen nicht selten Mitosen aufzutreten. Auf 
diese Weise entstehen dann pigmentlose Rundzellen mit relativ 
grossem bläschenförmigem Kern und meist bereits recht grossen 
und zahlreichen Kernkörperchen. Weiterhin wächst die Zelle 


102 Aurel v. Szily: 


offenbar sehr schnell in typischer Weise aus, wobei das Plasma 
bedeutend an Masse zunimmt und zunächst plumpe Fortsätze 
bildet. Stadium der pigmentlosen grossen Spindelzelle (II. Stadium). 


In allen diesen Entwicklungsstufen soll die Färbung des 
Kerns oft deutlich die lebhafte Verarbeitung von Chromatin zu 
Nukleolarsubstanz erkennen lassen, indem die ursprünglichen 
blauen Kernnetze bei der Färbung mit Hämatoxylin-Eosin einen 
deutlich rötlich-violetten Ton annehmen. 


Ist erst das meiste Chromatin in Nukleolarsubstanz ver- 
wandelt, so besteht unter Umständen der Kern überhaupt fast 
ausschliesslich aus dem Kernsaft und einem im Mittelpunkt des- 
selben schwimmenden riesenhaften Nukleolus. Während die 
Anhäufung von Nukleolarsubstanz nun weiter fortschreitet, sendet 
das Protoplasma mehr und feinere Ausläufer aus. Stadium der 
pigmentlosen Chromatophore (III. Stadium). 


Nun beginnt die Pigmentierung. Überrascht man ihre 
Entstehung, so sieht man aus dem Kern Teilchen austreten, 
welche die Farbenreaktion der Kernkörperchen geben, und später 
den Kern mit einem bräunlich-schwärzlichen Mantel umgeben. 
Aus diesem Vorgang wird dann sehr schnell die typische Chro- 
matophore (IV. Stadium), die grosse, protoplasmareiche Zelle, mit 
ovalem bläschenförmigem Kern und langen bandartigen Ausläufern, 
welche das Pigment zuerst ausschliesslich beherbergen. 


Während der Zelleib nun stärker gefärbt wird, behält er 
anfangs noch die spezifische amöbenähnliche Form bei. Bald 
aber verliert er seine Ausläufer, und die Zelle erhält die Form 
einer stumpfen Spindel. Stadium der pigmentierten Spindelzelle 
(V. Stadium). 


Von da ab ist zweierlei möglich: entweder wird die Spindel- 
form beibehalten, indem sich die Zelle verschmälert und stärker 
(absolut und relativ) pigmentiert; solche Zellen legen sich dann 
den Alveolarsepten parallel an, so dass sie einen Teil derselben 
zu bilden scheinen und dazu beitragen, diese breiter und pig- 
mentreicher erscheinen zu lassen und die Grenze zwischen Stroma 
und Geschwulstmasse zu verwischen. Solche Partien machen 
vollkommen den Eindruck von einem stark pigmentierten Spindel- 
zellensarkom:; in dieser Form können sich die veränderten 
Chromatophoren, sogar unter hochgradiger Verschmälerung, 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 103 


Dunkelfärbung und Kernverkleinerung, lange halten. Oder aber 
die pigmentierte Spindelzelle kugelt sich immer mehr ab, und 
verkleinert sich im ganzen (pigmentierte Rundzelle), bis der Farb- 
stoff zu vollkommen undurchsichtigen, fast schwarzen, den Kern 
ganz verbergenden Schollen kondensiert ist 

Die bösartigen Zellen sind die Jugendformen der Melano- 
sarkomzelle, welche sich, wie schon oben erwähnt, nach Rössles 
Ansicht durch eine Überproduktion von Nukleolarsubstanz aus- 
zeichnen. Neben dieser Art der Pigmentierung läuft aber noch 
eine zweite einher, die Rössle als Pigmentdegeneration bezeichnet. 
Der Kern entledigt sich seines Inhalts, die herausgeschleuderte 
Nukleolarsubstanz verwandelt sich innerhalb des Zelleibes in 
massenhaftes Pigment. Da sich jedoch die in Pigmentdegeneration 
befindlichen Zellen nicht teilen, so ist diese Art der Pigmentierung 
für die Frage des Geschwulstwachstums belanglos. Es ist also 
für diesen Fall der übliche Vergleich der Geschwulstzellen mit 
embryonalen Zellen richtig; die Degeneration ist aber etwas, was 
mit dem Wachstum des Tumors in keiner Beziehung steht. 

Was die Abhängigkeit der Pigmentbildung von den Blut- 
gefässen anbetrifft, so stellt sich Rössle dieselbe lediglich als 
eine indirekte vor. Grössere dünnwandige Gefässe, sowie Zirku- 
lationsstörungen jeglicher Art (namentlich Stauungen) sollen die 
Ernährungsgrösse der Sarkomzelle derart beeinflussen, dass eine 
Pigmentbildung erfolgt. Während bei normaler Kapillarernährung 
die Sarkomzellen sich offenbar ohne Erschöpfung und Ende, und 
ohne Veränderung ihres morphologischen Charakters weiterzuteilen 
vermögen, erlischt diese Fähigkeit sofort, sobald sie bei der 
Wucherung an ein grösseres dünnwandiges Gefäss (Prokapillaren) 
oder in die Nähe eines Lymphgefässes gelangen. Dasselbe 
geschieht, wenn im Geschwulstgewebe neue, durchlässige (refässe 
gebildet werden. An solchen Stellen tritt alsbald eine Über- 
ernährung ein, deren Folge das Aufhören der Teilung und die 
Pigmentbildung ist. 

Eine Bestätigung der Angaben von Rössle für Melano- 
sarkom hat Staffel (1906 Münch. med. Wochenschrift) beim 
Xeroderma pigmentosum geliefert. Er legt das Hauptgewicht 
auf das Austreten von nukleolärer Substanz ins Plasma, ohne jedoch, 
wie mir scheint, für diese Behauptung zwingende Beweise erbracht 
zu haben. 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. fo) 


104 Aurel w Szily: 


Die Reihe dieser Mitteilungen beschliesst eine erst kürzlich 
erschienene Monographie von E. Meirowsky (76; 1910).') 


Dieser Autor hat seine Objekte zumeist mit absolutem 
Alkohol fixiert, und nach Einbettung in Celloidin, gelegentlich 
auch in Paraffin, nach der von Pappenheim angegebenen und 
von Unna für Schnittfärbung modifizierten Methylgrün-Pyronin- 
methode gefärbt. 

Untersucht wurden auf verschiedene Weise vorbehandelte 
Hautstücke, Teile von pigmentierten Geschwülsten und embryonale 
Augen. 

Er findet überall, wo es zur Pigmentbildung kommt, zunächst 
eine Vermehrung der pyroninroten Kernsubstanz. Unter dieser 
Bezeichnung versteht er jene färberisch darstellbare Kernsubstanz, 
welche bei der von ihm benutzten Färbung durch das Pyronin 
rot gefärbt erscheint. In den darauf folgenden Stadien soll die 
pyroninrote Kernsubstanz zum Teil in die Kernmembran über- 
fliessen, zum grösseren Teil jedoch ins Cytoplasma ausgestossen 
werden. Die pyroninrote Kernsubstanz erscheint im Protoplasma 
entweder in Gestalt von kugeligen oder feinkörnigen, oder aber 
auch verschieden geformten Gebilden. Wenn nun an diesen 
Vorgang anschliessend die Pigmentierung eintrat, so konnten alle 
Nuancen von der pyroninroten Kernsubstanz bis zum tiefen 
Schwarz der ähnlich geformten Pigmentteilchen aufgefunden 
werden. 

Aus diesem Verhalten schliesst Meirowsky darauf, dass 
die rote Kernsubstanz in Pigment übergeht. 


Was die Natur der durch Pyronin rot gefärbten Kernsubstanz 
anbelangt, so handelt es sich nach der Ansicht von Meirowsky 
in der Hauptsache um Nukleolarsubstanz, aber nicht ausschliesslich 
um solche, da gleichzeitig in derselben färberischen Darstellung 
auch andere Kernbestandteile erscheinen, die mit den Nukleolen 
diejenigen physikalischen und chemischen Eigenschaften gemein 
haben, die die gleiche Färbung bedingen. Er bringt daher für 
die durch ihn mit der Pigmentbildung in Beziehung gebrachte 
rote Kernsubstanz die indifferente Bezeichnung „pyrenoide (naclı 
Jäger wohl richtiger pyronoide) Substanz“ in Vorschlag. 


!) Die früheren Arbeiten dieses Autors über denselben Gegenstand 
sind im Literaturverzeichnis vermerkt. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 105 


Jäger (53; 1909) wendet sich in einer kürzlich erschienenen 
Arbeit gegen die Eiweiss-Natur der von Meirowsky für Farb- 
stoffträger erklärten „pyronoiden Substanz“. Es handelt sich 
vielmehr um eine aliphatische Verbindung, also um einen fett- 
verwandten Stoff, der sich weiterhin in Myelin umwandelt. 
Mit dem Beweise ihrer Fettnatur würde die pyronoide Substanz 
natürlich aus dem Problem der Melaningenese ausscheiden. Er 
betont ausdrücklich, dass morphologische Daten in der Pigment- 
bildungsfrage keine Rolle spielten und entwickelt eine chemische 
Theorie, die am Eingange dieses Literaturberichts kurz wieder- 
gegeben ist. 

Die an diese Mitteilungen geknüpfte Polemik zwischen 
Meirowsky und Jäger (54; 1910) hat zu keiner weiteren 
Klärung der Frage geführt. 


II. Beschreibender Teil. 


Die vorliegenden Untersuchungen sind an embryonalen 
Wirbeltier-Augen und melanotischen Tumoren des menschlichen 
Auges ausgeführt worden. Es wurde ausschliesslich gut konser- 
viertes Material benützt. Ich stehe dabei, wie ich schon in einer 
früheren Arbeit (109: 1908) ausgeführt habe, auf dem Standpunkte, 
dass die Fixierung bei weitem den wichtigsten Teil der histo- 
logischen Methodik darstellt, welcher gegenüber die färberischen 
Methoden in den meisten Fällen bloss eine untergeordnete Rolle 
spielen. Was diese letzteren anlangt, so gebe ich, wenn irgendwie 
möglich, dem einfachsten Verfahren den Vorzug. 

Als Fixierungsflüssigkeiten haben sich hauptsächlich die 
Zenkersche Lösung, conc. Sublimat-Eisessig, Flemmings 
Gemisch und die Lenhosscksche Flüssigkeit bewährt. Besondere 
Beachtung verdient die Zeitdauer der Fixierung, die bei kleinen 
Objekten sich oft nicht über einige Minuten zu erstrecken 
braucht. Genauere Angaben über diesen Teil meiner Technik, 
sowie die benützte Einbettungsmethode enthält meine oben er- 
wähnte Arbeit. 

Weiterhin habe ich besonderes Gewicht darauf gelegt, zur 
Darstellung der hier zu beschreibenden Strukturen möglichst 
leicht ausführbare Färbemethoden anzuwenden. Hierbei erwies 
sich erfreulicherweise die Delafieldsche Hämatoxylin-Eosin- 
Methode als vorzüglich brauchbar. Zur Ergänzung und für 


g* 


106 Aurel y. Szily: 


besondere Zwecke sind zahlreiche Serien mit der R. Heiden- 
hainschen Eisen-Hämatoxylin-Methode, mit Hämatoxylin- 
Säurefuchsin-Pikrinsäure nach Van Gieson, mit Ehrlichs 
Triacid und der Unna-Pappenheimschen Methylgrün-Pyronin- 
färbung behandelt worden. 

Ich beginne mit der Besprechung der Pigmententwicklung 
in embryonalen Augen. 

Unsere Kenntnisse über die Entwicklung des Pigmentes im 
Auge haben in den letzten Jahrzehnten grosse Wandlungen 
durchgemacht. Den älteren Autoren, deren Arbeiten noch vor den 
70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen sind, war die 
genetische Differenz von Pigmentepithel und Chorioidea überhaupt 
noch unbekannt. 

Remak (98; 1855) vertrat noch die Ansicht, dass die 
äussere Lamelle der Augenblase die gemeinschaftliche Anlage der 
Chorioidea, der Processus ciliares und der Iris bilde. Erst 
Kölliker (59; 1861) hat den Nachweis geliefert, dass die Pig- 
mentschicht der Retina „aus der äusseren Lamelle der sekundären 
Augenblase sich entwickelt“. Von demselben Autor stammt die 
heutzutage allgemein anerkannte Entdeckung, dass die Pigment- 
schicht an der hinteren Irisfläche aus derselben Matrix ent- 
stehe, dass also das hintere Irispigment dem „Retinalpigment“ 
Babuchins homolog sei. 

Diese richtige Vorstellung Köllikers wurde zeitweilig 
durch ihr widersprechende irrtümliche Angaben Arnolds (5: 
1574) getrübt. Nach Arnold sollte nämlich das Augenblasen- 
pigment nicht in der Pigmentlamelle, sondern unter gleichzeitiger 
Atrophie und schliesslich vollständigem Schwund der äusseren 
Lamellen als selbständige Schicht zwischen den beiden Blättern 
der Augenblase entstehen. 

Der Irrtum Arnolds ist einige Jahre später durch 
Kesslers (58; 1877) ausgezeichnete Untersuchungen aufgeklärt 
worden. Die Entstehung des Pigmentes im Auge fand durch 
diesen Forscher in Text und Bild eine so vollständige Bearbeitung, 
dass die seitherigen Untersucher ihr nichts Wesentliches hinzu- 
zufügen vermochten. 

Die späteren Mitteilungen beschränkten sich daher lediglich 
auf Angaben darüber, an welcher Stelle das Pigment zuerst in 
die Erscheinung tritt und in welcher Richtung es sich weiter-. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 107 


verbreitet. Hierbei haben sich zwischen den einzelnen Tierspezies 
geringfügige Unterschiede ergeben. M. Nussbaum (86; 1899) 
hat aber vollständig recht, wenn er diesen Angaben keinen allzu 
grossen Wert beimisst. Alles was wir wissen ist vorläufig in dem 
Satz ausgedrückt: das äussere Blatt der sekundären Augenblase 
entwickelt sich zur Pigmentschicht der Retina. Über das Wesen 
des Vorganges haben wir vorläufig noch keine richtige Vor- 
stellung. Er meint (loe. eit., S. 16): „Die Sache wird nicht 
klarer, wenn man in dogmatischer Weise über derartige Vorgänge 
viel zu reden versucht. Sie sind vorläufig nur zu registrieren, 
nicht zu erklären.“ | 

Ein Versuch, den Zellkern mit der Entstehung des Melanins 
im Pigmentepithel des Auges in Beziehung zu bringen, stammt 
von Meirowsky (76; 1910), über dessen Arbeit in der Ein- 
leitung berichtet wurde. Seine Beweise an den Pigmentepithelien 
von Rindsembryonen müssen in dieser Hinsicht recht armselig 
genannt werden. Wenig vertrauenerweckend in bezug auf die 
technischen Leistungen dieses Autors klingt auch die am Schlusse 
dieses Kapitels gegebene Erklärung: „Ferner wurden zahlreiche 
Untersuchungen am bebrüteten Hühnchenei angestellt und an 
diesem Objekt die Bildung des retinalen Pigments studiert. Für 
die Frage der Pigmentbildung erwies es sich jedoch als unge- 
eignet, da die Fixierung des wasserreichen Gewebes nicht exakt 
gelang.“ 

Die neueste Erscheinung auf diesem Gebiete ist die Arbeit 
von Seefelder (107; 1910), die zwar die Frage der Pigment- 
genese auch nicht weiter bringt, aber dafür wenigstens den 
Vorzug hat, dass die betreffenden Beobachtungen ausschliesslich 
an Serien von gut konserviertem menschlichem Material ange- 
stellt sind, die ihm von den Besitzern dieser Kostbarkeiten 
bereitwilligst zur Verfügung gestellt wurden. 

Er findet die ersten Anfänge der Pigmententwicklung bei 
6,25—6,5 mm langen menschlichen Embryonen. Das Pigment ist 
bei diesen sowohl in der basalen als in der freien Protoplasma- 
hälfte in Form von kleinsten, stark lichtreflektierenden, gelblich- 
bräunlichen runden Tröpfchen oder kurzen Stäbchen abgelagert. Es 
findet sich in diesen allerfrühesten Stadien noch ausschliesslich in der 
Nähe des dorsalen (oberen) Umschlagsrandes, während es auf der 
ventralen Seite vollständig fehlt. Auch ist es nicht in den direkten 


108 Aurel v. Szily: 


am Umschlagsrande, sondern erst in den etwas weiter rückwärts 
befindlichen Zellen (etwa der vierten bis fünften Zellenreihe vom 
Umschlagsrande an gerechnet) nachweisbar. Von hier an finden 
sich aber bis in die Nähe des Äquator bulbi Zellen, welche 
bereits Pigment enthalten. Man kann auch nicht sagen, dass 
dessen Menge vom Umschlagsrande nach dem Äquator hin 
gradatim abnimmt, sondern es enthalten manchmal die Zellen in 
der Gegend des Äquators viel mehr Pigment, als solche, welche 
näher am Becherrande liegen. Im allgemeinen ist die freie (innere 
Zellhälfte) stärker pigmentiert als die basale, doch sind die 
Unterschiede zunächst noch sehr unbedeutend und kaum in die 
Augen springend. Die Intensität der Pigmentierung fand 
Seefelder sehr verschieden. Die Farbe schwankt daher zwischen 
einem ganz hellen Gelb und einem schönen Kastanienbraun. 

Was die Behauptung Rabls (94; 1900) anbelangt wonach 
das Pigment wie in allen pigmentierten Epithelien, so auch in 
den Zellen des Tapetum nigrum zunächst nur an der freien Seite 
auftritt, fand Seefelder für den Menschen nicht zutreffend. 
Ebensowenig teilt er die von Scherl (103; 1893) und Krückmann 
(62; 1899) vertretene Meinung, wonach das Retinalpigment bei 
den Vögeln zuerst an der basalen Seite auftritt. Er findet hier 
wie dort die allerersten Pigmentspuren über die ganze Pigment- 
epithelzelle verteilt. Kurze Zeit darauf ist jedoch beim Hühnchen 
nur noch die basale Zellhälfte mit Pigment beladen, während die 
freie Seite ganz pigmentlos erscheint. Anders ist das spätere 
Verhalten beim Menschen. Hier ist in entsprechend alten Ent- 
wicklungsstadien das Pigment auf die äussere und innere Zell- 
hälfte annähernd gleichmässig verteilt. 

Die Intensität der Pigmentierung nimmt im weiteren Ver- 
laufe der Entwicklung rasch zu. Die Zunahme äussert sich 
einerseits in der Vermehrung der Zahl und in einem Grösser- 
werden der Pigmentkörnchen, andererseits in einer dunkleren 
Färbung des Pigments. 

Die Teilung der Pigmentepithelien erfolgt nach Seefelder 
bei den jüngsten Stadien ausschliesslich durch Mitose. Etwa von 
dem Ende des dritten Monats nimmt die Zahl der Mitosen in 
dem Pigmentepithel erheblich ab. Daraus und aus dem Vor- 
handensein von zahlreichen mehrkernigen Zellen schliesst 
Seefelder mit einiger Bestimmtheit auf eine intensive amito- 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 109 


tische Kern- bezw. Zellteilung bei menschlichen Föten, vorwiegend 
im fünften Monat der Schwangerschaft. 

Über die Art der Entstehung des Pigments konnte Seefelder 
selbst bei den jüngsten Stadien nichts Bestimmtes ermitteln. 
„Man ist einfach“ — sagt er auf S. 432 — „vor die Tatsache 
gestellt, dass es vorhanden ist, ohne sehen zu können, woher es 
gekommen ist. Trotz sorgfältigster Untersuchung der benach- 
barten noch pigmentlosen Zellen und deren Umgebung habe ich 
dort keine Veränderungen bemerken können, welche mit dem 
Vorgange der Pigmentbildung in Zusammenhang zu bringen 
gewesen wären.“ — „Ich lasse mich deshalb“ — auf 8. 433 — 
„auf die Streitfrage nach der Herkunft des Pigmentepithels“ 
(soll heissen Pigmentes)“ gar nicht ein, da ich keine leeren 
Hypothesen aufstellen möchte.“ 

Das günstigste Beobachtungsmaterial für Untersuchungen 
über die Entstehung des Pigmentes im Auge des Hühnchens sind 
meines Erachtens Embryonen vom vierten und fünften Tage der 
Bebrütung. 

Das Pigment tritt hier bekanntlich vorwiegend in Form von 
dünnen stäbchenförmigen Gebilden in die Erscheinung. Daneben 
findet man seltener auch rundliche und spindelförmige Pigment- 
einschlüsse. Auffallend ist die Ansammlung der pigmentierten 
Stäbehen im Gebiete der basalen Zellperipherie, also dort, wo 
bereits in diesem Stadium die embryonale Choriocapillaris das 
Auge umspinnt. Es sei jedoch gleich vorneweg gesagt, dass 
zwischen diesem zuerst in die Erscheinung tretenden Pigment- 
partikelchen und den äusseren Blutgefässen direkte Beziehungen 
in keinem Stadium der Entwicklung nachgewiesen werden konnten. 

Als besonders wichtige Feststellung, welche für die ganze 
weitere Auffassung der Pigmentgenese von ausschlaggebender 
Bedeutung sein musste, kann aie Tatsache gelten: dass neben 
den Pigmentstäbchen auch Gebilde von ganz identischer Grösse, 
Form und Aussehen vorhanden sind, welche auf diesem Stadium 
noch keine Spur einer Pigmentierung aufweisen. Diese Zellein- 
schlüsse färben sich intensiv mit allen Kernfärbemitteln. Da man 
nun im selben Gesichtsfeld den Übergang dieser unpigmentierten 
chromatinhaltigen Stäbchen in richtige Pigmenteinschlüsse Schritt 
für Schritt verfolgen kann, so unterliegt es keinem Zweifel, dass 
sie als die jüngeren Stadien des Pigmentes anzusprechen sind. 


110 Aurel v. Szily: 


Weitere Untersuchungen führten zur Feststellung der neuen 
und interessanten Tatsache, dass die unpigmentierten chromatin- 
haltigen Stäbchen im Cytoplasma des Pigmentepithels des 
Hühnchens in ihrer Gesamtheit von den Zellkernen des äusseren 
Blattes des Augenbechers, des sog. Pigmentblattes herzuleiten 
sind. Ihre Entwicklung vollzieht sich auf die folgende Weise:') 

Man findet nicht selten bei optimaler Einstellung des Kern- 
querschnittes einen kleinsten zierlichen Fortsatz am Kern sitzen 
(Taf. IV, Fig. 1), der zunächst so aussieht wie die feinste Duplikatur 
der Kernmembran. Die Kernstruktur wird durch das Auftreten 
dieser Fortsätze keineswegs verändert, das Chromatingerüst zeigt 
das gewöhnliche Bild, wie es dem ruhenden Zellkern an dieser 
Stelle zukommt. Er verrät den Zustand der Tätigkeit nicht ein- 
mal durch intensivere Färbbarkeit seines Bestandes. Es sind in 
diesem Stadium ein bis zwei Nucleolen vorhanden, der eine zu- 
meist in der Mitte des Kerns, der andere mehr oder weniger 
peripherisch gelagert. 

Eine Bevorzugung der basalen oder der freien Zellhälfte 
findet nicht statt. Wir sehen im Gegensatz zur ersten Abbildung 
in Fig. 2 (Taf. IV) einen ebensolchen Fortsatz in der Nähe der 
freien Zellperipherie entspringen. 

Direkte Beziehungen zu dem Chromatingerüst des Zellkerns 
sind in den meisten Fällen nachweisbar, im Sinne eines kon- 
tinuirlichen Zusammenhanges. In selteneren Fällen können die 
Fortsätze durch Vermittlung des Kerngerüstes bis an den Nucleolus 
verfolgt werden. (Taf. IV, Fig. 5). 

Die nächste Abbildung (Taf. IV, Fig.4) kann insofern als sehr 
günstig bezeichnet werden, als hier der ganze Entwicklungsgang 
an der Hand eines einzigen Zellbildes klar zutage tritt. Es ist 
zunächst ein kräftiger seitlicher Fortsatz zu sehen, dessen 
Zusammenhang mit dem Chromatingerüst des Zellkerns über 
jeden Zweifel erhaben ist. Im Bilde nach unten, gegen die freie 
Oberfläche zu, erblicken wir*einen solchen Fortsatz gerade im 
Moment der Ablösung. Ein zarter Faden vermittelt noch eine 


!) Sämtliche Abbildungen von Querschnitten durch das Pigmentepithel 
der embryonalen Augen sind so orientiert, dass die ursprünglich freie Ober- 
fläche, welche der Retina zugewendet ist, nach unten zu liegen kommt. In 
der Zeichnung nach oben liegen die basalen Zellteile, an welche sich das 
umliegende gefässführende Bindegewebe anschmiegt. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. Ian 


Verbindung mit der Stelle des früheren Zusammenhanges. Dieses 
eben abgestossene Chromatinstäbchen ist noch gänzlich unpig- 
mentiert, ebenso ein Teil der frei im Cytoplasma liegenden Ein 
schlüsse von ganz identischem Aussehen. Von diesen noch gänzlich 
unpigmentierten Chromatinpartikelchen bis zum fertigausgebildetem 
Pigmenteinschluss, sind auf dieser Abbildung sämtliche Übergänge 
nebeneinander zu sehen. 

Die Fortsätze können noch im Zusammenhange mit der 
Zelle zu ganz imposanter Länge heranwachsen, wobei nicht selten 
bereits am distalen Ende die Pigmentierung einsetzt (Taf. IV, 
Fig. 5). Die Umwandlung, durch welche das Chromatinstäbchen 
endlich zum sog. Pigment wird, beginnt an einem Ende, in 
selteneren Fällen an beiden Enden zugleich, wobei in den mitt- 
leren Gebieten eine hellere Stelle, welche den Chromatinfarbstoff 
annimmt, sich noch einige Zeit erhält. 

Mächtige Fortsätze zeigen die Zellkerne auf Fig. 6 und 7 
(Taf. IV), welche etwas älteren Entwicklungsstadien angehören. 
Auf der ersteren Abbildung (Taf. IV. Fig. 6) ist die Pigmentierung 
der kräftigen Chromatinfortsätze noch im Zusammenhange mit 
dem Zellkern recht intensiv. Daneben findet sich an dem kleineren 

er.beiden auf dieser Abbildung sichtbaren Zellkerne, auch noch ein 
schmächtigerer keulenförmiger Fortsatz, der seiner Form nach an die 
Jüngeren Stadien erinnert, mit denen die Reihe begonnen wurde, nur 
dass bei diesem hier die Pigmentumwandlung schon eingesetzt bat. 

Die zweite Abbildung (Taf. IV, Fig. 7) zeigt an dem nach 
unten (retinalwärts) gerichteten Fortsatz das seltene Vorkommnis, 
dass die Pigmentierung manchmal ausnahmsweise auch an dem 
medialen Ende des Fortsatzes beginnen kann, also dort, wo das 
Stäbehen mit seiner Basis noch an der Kernmembran festsitzt. 

Diese Serie beschliesst ein Bild des Pigmentepithels vom 
Hühnchen, welches auf das Gebiet von vier Zellen sich erstreckt 
(Taf. IV, Fig. 8). Man sieht noch zahlreiche Fortsätze an den 
Kernen, der eine Zellkern besitzt zwei solcher Fortsätze, die in 
nächster Nälie voneinander entspringen und deren Zusammenhang 
mit dem Chromatingerüst des Kerns deutlich zutage tritt. Die 
Zahl der von einem Kern zu gleicher Zeit entspringenden Fort- 
sätze beträgt gewöhnlich eins bis zwei; in selteneren Fällen 
kommen auch drei zur Beobachtung, doch weisen dann dieselben 
gewöhnlich erhebliche Altersunterschiede auf. 


112 Aurel v. Szily: 


Auf derselben Tafel befinden sich einige Stadien von Mitosen 
aus dem Pigmentblatt des Hühnchens am vierten Tage der 
Bebrütung. Ich verzichte hier darauf, eine bis in die Einzelheiten 
gehende Schilderung dieses Vorganges an der Hand einer lücken- 
losen Serie von Kernbildern aus allen Stadien der Mitose zu 
geben. Es soll hier nur ein kurzer Hinweis geschehen auf jene 
Vorgänge, welche im Verlaufe der Mitosen im Pigmentblatt des 
Hühnchens die Bedeutung von Kernbestandteilen für die Melanin- 
bildung erkennen lassen. 

Schon geraume Zeit, bevor die eigentliche Kernteilung 
einsetzt, kann man an solchen Zellen tiefgehende Veränderungen 
wahrnehmen. Die Zellen, die bekanntlich auf der, dem Lumen des 
Sehventrikels zugekehrten Oberfläche gelegen sind, runden sich 
ab, das Chromatin der Kerne wird grobscholliger, und bildet 
stellenweise feinere und dickere Forsätze (Taf. IV, Fig. 9). In dem 
darauffolgenden Stadium, welches man schon als Prophase der 
Mitose bezeichnen könnte, ist der Nucleolus vollständig ver- 
schwunden, das Chromatin beginnt in einzelne Brocken zu zer- 
fallen. Die Chromatinfortsätze haben sich vergrössert; neben dem 
einen Kern ist ein solcher losgelöster Fortsatz sichtbar, der im 
Cytoplasma liegend sich eben zu pigmentieren beginnt (Taf. IV, 
Fig. 10). 

Die nächste Abbildung (Taf. IV, Fig. 11) zeigt ein Stadium, 
welches vielleicht nur um geringes älter ist, wie das vorher- 
gehende. Hier ist am Kern nur ein einziger Fortsatz sichtbar. 
Dafür befinden sich im Cytoplasma zwei bereits losgelöste Chro- 
matinpartikelchen und auf der anderen Seite neben dem Kern 
zwei Pigmenteinschlüsse von ganz identischer Form und Grösse. 
Es kommt hier die Gesetzmässigkeit, die ich weiter unten durch 
andere Befunde noch ergänzen werde, zum Ausdruck, wonach die 
zuerst erscheinenden Pigmentträger, abgesehen vom Farbstoff, 
in morphologischer Beziehung mit den daselbst gebildeten 
Chromatineinschlüssen vollkommen identifiziert werden können. 

Während der Metaphase der Mitose sieht man die hier 
stäbehenförmigen Chromosomen nicht selten sich abnorm ver- 
längern (Taf. IV, Fig. 12), wobei sich dann einzelne loslösen und 
in einiger Entfernung von dem Mutterknäuel liegen (Taf. IV, 
Fig. 13). Alsbald beginnt an solchen versprengten Chromatin- 
teilchen die Pigmentierung, während aus den allmählich äquatorial 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 115 
angeordneten Ohromosomenschleifen immer neue Teile hinzu- 
kommen. Diese lebhafte Abstossung von Chromatinbrocken 
während der Mitose mit nachfolgender Pigmentierung hat zur 
Folge, dass sich gerade die älteren Stadien der Mitosen im 
äusseren Blatte des Augenbechers vom Hühnchen durch einen 
besonderen Reichtum an pigmentierten Zelleinschlüssen auszeichnen 
(Bars V. Fig: 14). 

Ich werde weiter unten versuchen, für diesen bemerkens- 
werten Vorgang der Uhromidialabstossung im Verlaufe der Mitose 
eine einigermassen befriedigende Deutung zu geben. 

Ich gehe jetzt über zur Schilderung der Entwicklung des 
Pigmentes im Auge der Säugetierembryonen auf Grund meiner 
Befunde beim Kaninchen. Hier eignen sich am besten die Stadien 
von der tiefen Linsengrube bis zur vollständigen Abschnürung 
der Linse (11., 12., 13. Tag nach der Befruchtung). Ausserdem 
standen mir noch für diese Untersuchungen einige Serien von 
Meerschweinchen, Rind, Katze, Hund und eine einzige aus ent- 
sprechendem Stadium vom Mensch zur Verfügung. 

Die Bildung des Pigmentes vollzieht sich nun hier auf eine 
wesentlich verschiedene Art, wie beim Hühnchen. Während es 
sich dort um einen Austritt von einzelnen Chromatinteilchen aus 
dem intakten Zellkern handelte, haben wir es hier mit tief- 
greifenderen Veränderungen zu tun, wobei der Kern zum Schluss 
in den meisten Fällen in toto aufgebraucht wird. 

Ich möchte hier gleich vorwegnehmen, dass ganz ähnliche 
Kernveränderungen auch im Anschluss an andere, ausgesprochen 
degenerative Prozesse vorkommen können, über die ich ein 
andermal zusammenhängend berichten möchte. 

Ausserdem soll zur Vermeidung einer jeden falschen Deutung 
meiner weiteren Ausführungen bereits an dieser Stelle betont 
werden, dass die hier zu beschreibenden Zelldegenerationen sich 
stets nur auf eine Anzahl von Kernindividuen beziehen. Es 
unterliegen diesen Veränderungen bloss jene vielleicht über- 
schüssigen Zellkerne die aus dem Gefüge des ursprünglich mehr- 
zeiligen äusseren Blattes des Augenbechers herausfallen. Nach 
Ablauf dieser Veränderungen wird das Pigmentblatt durch eine 
kontinuierliche Reihe kernhaltiger Epithelzellen gebildet, welche 
die zu Pigment umgeformten Reste jener eben erwähnten, für 
überschüssig erklärten, degenerierenden Kerne in sich aufnehmen. 


114 Anırlel ws zilg: 


Auf Taf. IV, Fig. 15, ist ein Teil des Querschnittes durch 
das Pigmentblatt eines elf Tage alten Kaninchenembryo zu sehen. 
Die Kerne sind in zwei Reihen angeordnet, die Zellgrenzen nur 
andeutungsweise erkennbar. Die grossen bläschenförmigen Kerne 
enthalten ein ziemlich gleichmässig verteiltes Uhromatingerüst 
mit mehreren (in der Regel zwei bis vier) Nukleolen. Neben 
diesen intakten, normalen Zellkernen sind noch andere im selben 
Schnitt zu sehen, die im ganzen etwas zusammengeschrumpft 
erscheinen, wobei ihr Chromatin sich in stark färbbare Klumpen 
zusammenzuballen beginnt. Ein Vorgang, den man im Sinne der 
Gellularpathologie als Karyorrhexis bezeichnen könnte. Ausser 
diesen intensiv färbbaren schrumpfenden Kernen sind im Üyto- 
plasma auch frei einzelne Chromatinschollen sichtbar. Da nun 
von diesen letzteren, bis zu den tiefschwarzen Pigmenteinschlüssen 
von ganz ähnlicher Form und Aussehen, alle Zwischenstadien 
vorhanden sind, unterliegt es keinem Zweifel, dass diese Chromatin- 
brocken ein jüngeres Stadium des Pigmentes darstellen und 
in ihrer Gesamtheit auf das Chromatin des Kerns zurück- 
zuführen sind. 

Sehr schön kommt auch auf der nächsten Abbildung (Taf. IV, 
Fig. 16) dieser Entwicklungsmodus zum Ausdruck. Man sieht 
hier zwischen einer Anzahl normaler Zellkerne zerstreut auch 
solche, welche auf verschiedenen Stufen der Pigmentumwandlung 
sich befinden. Die Kernmembran ist hier noch erhalten, während 
das Chromatin in grössere und kleinere Brocken zerfällt. Was 
diesem Bild besondere Beweiskraft verleiht, ist der Umstand, 
dass stellenweise noch innerhalb der als Rest der Kernmembran 
gedeuteten Begrenzung der Uhromatinanhäufungen bereits die 
Pigmentierung einsetzt. 

Ich möchte an dieser Stelle eine Erklärung von mehr 
allgemeiner Bedeutung abgeben, die sich auf die Begrenzung der 
einzelnen Zellen in diesem Stadium bezieht. Diese Frage muss 
hier schon deshalb ventiliert werden, weil sie uns über das 
spätere Schicksal der frei gewordenen Chromatinschollen Auf- 
klärung gibt. 

Meine durch zahlreiche Beobachtungen begründete Ansicht 
lässt sich dahin zusammenfassen, dass die embryonalen Zellen in 
diesem Stadium gegeneinander nicht scharf abgegrenzt sind, 
sondern ein sogenanntes Zellsyneytium bilden. Besonders aus- 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 115 


geprägt finde ich dieses Verhalten im Pigmentepithel des Anges. 
Hier sind in diesem Stadium des intensiven Wachstums, das mit 
hochgradigen Kernverschiebungen einhergeht, mit den besten 
Methoden Zellgrenzen nicht nachweisbar. Eine Ausnahme bilden 
vielleicht nur Zellen, die sich zur Mitose anschicken und gegen 
die umliegenden mehr oder weniger deutlich abzugrenzen pflegen. 

Aus diesem Verhalten ergibt sich dann die natürliche 
Folgerung, dass die Protoplasmareste und Uhromatinschollen der 
in Pigmentumwandlung begriffenen Zellen von den Nachbarzellen 
aufgenommen, assimiliert oder als Pigmenteinschlüsse weiter- 
geführt werden.') 

Sehr auffallend ist z. B. diese mangelnde Zellbegrenzung 
auf der nächsten Abbildung (Taf. IV, Fig. 17). Die dunklen, zumeist 
aus zwei bis vier Schollen bestehenden rundlichen Einschlüsse 
sind in Pigmentumwandlung begriffene Zellkerne. Es ist wahrlich 
nicht möglich, sie dem Gebiete einer bestimmten Zelle zuzuteilen. 

Oft bleiben die Chromatinschollen, die aus einem einzigen 
Kern entstehen, noch einige Zeit durch Vermittlung einer weniger 
kompakten, zuweilen nur sich mit Plasmafarbstoffen färbenden 
Substanz verbunden, in einem Haufen liegen. Einige dieser 
Schollen zeigen in diesem Falle noch vor ihrem Ausschwärmen 
mehr oder weniger deutliche Pigmentierung (Taf. V, Fig. 18). 

Die Verteilung des Pigmentes bei seinem ersten Erscheinen 
im Auge der Säugerembryonen ist keiner bestimmten Regel unter- 
worfen. Nicht selten findet man die Pigmenteinschlüsse zuerst 
in der Nähe der ursprünglich freien Oberfläche (Taf. V, Fig. 19). 
Gewöhnlich sind sie aber über den ganzen Querschnitt gleich- 
mässig verteilt. 

Einige Worte auch über das Entstehen von Anhäufungen 
von Pigmentschollen, wie sie auf den Figuren 19 und 20 der 
Taf. V zu sehen sind und die gewöhnlich schon bei schwacher 
Vergrösserung ins Auge fallen. Sie kommen dadurch zustande, 
dass nicht selten zwei oder mehr Kerne nebeneinander einer 
gleichzeitigen Pigmentumwandlung anheimfallen. Dadurch kommen 
zunächst Lücken im Protoplasma zustande, die von grösseren und 


!) Bezüglich der Frage des Zusammenhanges embryonaler Zellen, 
sowie die Übernahme von Zellprodukten in das Gebiet benachbarter Zellen 
verweise ich auf meine frühere Arbeit: Über das Entstehen eines fibril- 
lären etc. (109; 1908). 


116 Aurel v. Szily: 


kleineren Chromatinschollen erfüllt werden (Taf. V, Fig. 20) und 
die später nach vollendeter Pigmentierung die oben erwähnten 
Pigmentkonglomerate bilden. 

Zwei aufeinander folgende Stadien der Pigmentumwandlung 
zeigen die beiden nächsten Abbildungen auf Taf. V. Auf der 
ersten (Taf. V, Fig. 21) sehen wir inmitten des verflüssigten 
Uytoplasma den geschrumpften Zellkern liegen, dessen Chromatin 
zu kugeligen Gebilden zusammengeballt erscheint. Die nächste 
Abbildung (Taf. V, Fig. 22) zeigt das darauffolgende Stadium des 
Zerbröckelns und Pigmentierung. Die Kernmembran ist geborsten 
und die zum Teil schon intensiv gebräunten Ohromatinschollen 
schwärmen ins Gebiet der intakten Nachbarzellen aus. 

Neben dem Chromatinzerfall des ganzen Kernindividuums 
ist nicht selten ein Austritt des Nukleolus aus dem sonst intakten 
Zellkern zu beobachten. Dieser Vorgang, der sich nicht aus- 
schliesslich auf das Pigmentblatt beschränkt, sondern in diesem 
Stadium in der Embryonalanlage sehr verbreitet vorkommt, voll- 
zieht sich auf die folgende Weise. Der randständige Nukleolus 
buckelt an einer Stelle die Kernmembran vor, wobei nicht selten 
das Chromatingerüst der Umgebung etwas gelockert erscheint 
(Taf. V, Fig. 23). Im nächsten Stadium rückt der Nukleolus ins 
umliegende Cytoplasma weiter vor, die Kernmembran flaschen- 
halsförmig nach sich ziehend (Taf. V, Fig. 24). Endlich löst er 
sich vom Kern gänzlich los und liegt frei in einer Delle des 
letzteren" (Taf V, Eig.25). 

Eine besonders lebhafte Produktion von Chromatinschollen 
findet in der Nähe der Übergangsstelle von Pigment- und Retinal- 
blatt statt, im Anschluss an Mitosenbildungen, die bekanntlich 
in diesem Stadium vorwiegend an jener Stelle vorzukommen 
pflegen. 

Auf Taf. V, Fig. 26, sind drei Zellkerne zu sehen, die in 
ihrer natürlichen Reihenfolge von links nach rechts drei aufein- 
anderfolgende Prophasen der Mitose darstellen. Diese beginnt 
mit dem Anwachsen der chromatischen Substanz im Kern, die 
alsbald sich zu kleinen Schollen oder Tröpfehen, den sogenannten 
Chromosomen, umwandelt. In diesem Stadium gehört die Ab- 
stossung von Chromatinteilchen zur Regel. Sehr deutlich zeigt 
diesen Vorgang auch die nächstfolgende Abbildung (Taf. V, 
Fig. 27). 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. E17 


Einen nicht unwichtigen Punkt von allgemeiner Bedeutung 
bildet die Frage, ob die vollentwickelten Pigmentschollen leblose 
Zelleinschlüsse darstellen, oder ob man sie als lebende Organellen 
ansprechen darf. Ich glaube mit Bestimmtheit zugunsten dieser 
letzteren Auffassung eintreten zu dürfen. Ich halte mich dazu 
vor allem auf Grund der Feststellung für berechtigt, dass es mir 
gelang, eine Vermehrung der bereits pigmentierten Zelleinschlüsse 
durch Zerschnürung (Fragmentierung) nachzuweisen. Auf Taf. V, 
Fig. 28, sind verschiedene solche Teilungsstadien in der natür- 
lichen Reihenfolge abgebildet. 

Zur Schilderung der Chromatinabstossung im Verlaufe der 
mitotischen Kernteilung bei Säugerembryonen wähle ich absichtlich 
nicht Bilder aus dem Pigmentblatt des Auges. Dies geschieht 
einmal deshalb, weil es sich dabei keineswegs um einen Vorgang 
handelt, der nur in Verbindung mit der Pigmentgenese vorkommt, 
und dann auch, weil die Ausdehnung des Phänomens der Chro- 
midialausstossung auf eine grössere Gruppe embryonaler Zellen 
meines Erachtens zugleich ein besseres Verständnis der analogen 
Vorgänge in bösartigen Geschwülsten des Erwachsenen gewähr- 
leistet. 

Eine solche Serie mitotischer Kernteilungsfiguren aus der 
Mittelhirnwandung des zwölftägigen Kaninchenembryo sehen wir 
auf Taf. V abgebildet. Sie beginnt mit dem Verschwinden des 
Nukleclus und der Bildung der sogenannten Chromosomen, die 
hier bei der von mir geübten Technik Tropfenform besitzen. Die 
Kernmembran ist in diesem Stadium noch erhalten (Taf. V, 
Fig. 29). Alsbald wird aber letztere stellenweise etwas undeutlich, 
und nun beginnt die Auswanderung der Chromatintröpfchen (Taf. V, 
Fig. 30). Jetzt beginnt sich auch die in Teilung befindliche Zelle 
Hand in Hand mit dem Verschwinden der Kernmembran gegen 
die Umgebung deutlicher abzugrenzen (Taf. V, Fig. 31). In den 
darauffolgenden Stadien nimmt die Abstossung von Chromatin 
noch weiter zu, wobei es unter Umständen vielleicht auch zu 
einer Verschiebung mehrerer solcher versprengter Uhromatin- 
brocken kommt (Taf. V, Fig. 32). Schon jetzt macht sich eine 
deutliche Verminderung der Färbbarkeit der eliminierten Chro- 
matinbrocken bemerkbar, die weiterhin immer deutlicher zutage 
tritt. Während dieselben anfangs die Kernfarbstoffe ebenso 
intensiv annahmen und behielten, wie die Chromosomen des 


115 Aurel v. Szily: 


Zellkerns, nimmt ihre Färbbarkeit mit zunehmendem Alter der 
Mitose an Intensität ab und schliesslich färben sie sich nur noch 
mit Eosin, im Farbenton des Cytoplasma. Dieses Verhalten zeigen 
die letzten Glieder der Serie (Taf. V, Fig. 33—38) deutlich. Aber 
auch in der letzten Abbildung, welche einen Kern in der Telo- 
phase der Teilung darstellt, sind die abgestossenen Chromatin- 
brocken als kompaktere, mit Eosin rötlich gefärbte Schollen im 
Zellplasma deutlich erkennbar. 

Nur noch einige Worte über das Verhalten des Nukleolus 
während der Kernteilung. Wir haben gesehen, dass dieser in der 
Regel in der Prophase zur Teilung undeutlich wird und färberisch 
nicht mehr nachzuweisen ist. Der Zeitpunkt seines Verschwindens 
scheint jedoch nicht an eine bestimmte Phase der Teilung 
gebunden zu sein. Ich habe ihn hier zuweilen noch in ziemlich 
späten Stadien der Mitose (vollausgebildete Tochtersegmente) 
auffinden können. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die 
auf Taf. V, Fig. 35-38, abgebildeten gröberen mit Eosin 
gefärbten Schollen im Cytoplasma für Reste des Nukleolus halte. 
Auf der einen Zeichnung (Taf. V, Fig. 37) zeigt der Einschluss eine 
deutliche Ähnlichkeit mit dem in Zerfall begriffenen Nukleolus, den 
O0. Hertwigin dem sich zur ersten Richtungsspindel umbildenden 
Keimbläschen von Limax maximus dargestellt hat (1909, S. 218). 

Bezüglich der Frage nach der Herkunft des Chorioideal- 
pigmentes möchte ich bloss einige kurze Angaben machen. Diese 
Frage ist von keiner geringen Bedentung für die Beurteilung der 
in der Aderhaut primär entstehenden malignen Geschwülste. Ich 
erinnere bloss an die bereits vor Jahren von Th. Leber geäusserte 
Anschauung über die Mitbeteiligung des Pigmentepithels bei der 
Geschwulstbildung in der Aderhaut, die erst in der allerletzten 
Zeit durch Wieting und Hamdi (113; 1907) von neuem zur 
Diskussion gestellt wurde. Nach der Ansicht der beiden zuletzt 
erwähnten Autoren sollen die Melanoblastome des Augeninnern 
von den epithelialen Elementen der Retina ihren Ursprung nehmen. 
Sie sind also richtige Neuroepitheliome, die aus Zellkomplexen 
hervorgehen, welche in der Aderhaut versprengt wurden, vielleicht 
auch im Sinne Schwalbes und Borsts nur missbildete 
Elemente sind. 

Die von ophthalmologischer Seite als unumstösslich sicher 
hingestellte sarkomatöse Natur der malignen Melanome soll nach 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 119 


der Ansicht von Wieting und Ilamdi einer Revision auf Grund 
entwicklungsgeschichtlicher und vergleichend-anatomischer Beob- 
achtungen bedürfen. 

Diese Autoren gehen sogar so weit, dass sie der Chorioidea 
die Fähigkeit, Pigment zu bilden, vollständig absprechen. Nach der 
Meinung von Wieting und Hamdi findet die primäre Entstehung 
des melanotischen Pigmentes ausschliesslich im Epithel statt. 

Hiermit berühren wir eine Streitfrage, in welcher sich bis 
zur neuesten Zeit zwei geradezu diametral entgegengesetzte 
Meinungen gegenüber stehen. Es handelt sich um die Herkunft 
der Pigmentzellen in den epithelialen Zellschichten. 

Für das in der Epidermis vorkommende Pigment war eine 
zelluläre Entstehung, da doch dort keine Blutgefässe anzutreffen 
sind, das Zunächstliegende. Kölliker (60: 1897) hat dann auf 
die Möglichkeit hingewiesen, dass es sich um aus der Cutis ein- 
gewanderte pigmentierte Bindegewebszellen handeln könnte. Von 
den Zellen ektodermaler Herkunft ist von Kölliker nur der 
Pigmentlage der Netzhaut, sowie den pigmentierten Nervenzellen 
die Fähigkeit, Pigment zu bilden, zuerkannt worden. In allen 
anderen Fällen soll es sich um eine Pigmentierung durch Ein- 
wanderung von pigmentführenden Zellen aus dem benachbarten 
Bindegewebe zwischen die Epithelzellanlagen handeln. Bekanntlich 
erklären Äby, Kölliker, Riehl, Karg u.a. die Pigmentzellen 
für Abkömmlinge der gewöhnlichen Bindegewebszellen, Ehrmann 
(19; 1896) dagegen behauptet, sie seien besondere mesodermale 
Pigmentbildner (Melanoblasten). 

Einer konsequenten Durchführung dieser Theorie der sekun- 
dären Pigmentierung der Epithelien vom Bindegewebe aus haben 
sich aber in der Folge grosse Schwierigkeiten entgegengestellt. 
Man hat Befunde mitgeteilt, welche mit dieser Anschauung nicht 
nur unvereinbar waren, sondern gerade das Gegenteil zu beweisen 
scheinen. 

Die vielumstrittene Pigmentfrage hat inzwischen in den 
Naevi ein Lieblingsobjekt gefunden. Nach dem neuesten Be- 
arbeiter der Frage der Pigmentgenese an diesem Objekt. Dalla 
Favera (16; 1908) sind die Chromatophoren der Naevi durch- 
weg epithelialen Ursprungs. Nach seiner Meinung sprechen 
dafür eine Reihe von Beweismomenten: die Elemente, die wir 
als Chromatophoren auffassen, sind vom übrigen Epithel durchaus 


Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1I. 9 


120 Aurel v. Szily: 


nicht zu trennen; sie sind zwischen den Epidermiszellen ein- 
gelagert, sie erleiden wie diese eine Schwellung, sie bieten die 
degenerativen Erscheinungen dar, die den Epithelien bei dem 
Naevusprozesse eigen sind. Seine Ansicht deckt sich daher mit 
der kürzlich von Wieting und Hamdi geäusserten Anschauung, 
wonach diese Chromatophoren besonders differenzierte Epithel- 
zellen seien, denen die Fähigkeit, Pigment zu bilden, in viel 
höherem Grade als den übrigen Elementen zukommt. 

Dem Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut 
hat erst kürzlich M. Wolfrum (114; 1909) eine Arbeit gewidmet. 

Bezüglich des Pigmentes der Eier von Rana esculenta und 
temporaria hat in der allerletzten Zeit K. Wagner (112; 1910) 
bewiesen, dass beim Auftreten des ersten Pigmentes der Eier 
keine primären Melanoblasten im Spiele sind, die etwa das 
Pigment aus dem Stroma des Ovariums in die Eier transportieren, 
sondern dass das Pigment im Ei selbst gebildet wird. 

Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass die zuletzt erwähnten 
Autoren, die für das Entstehen von Pigment im Epithel eintraten, 
die Beteiligung des Zellkerns an der Pigmentgenese als überaus 
wahrscheinlich hinstellen, ohne jedoch selbst hierfür einen stich- 
haltigen Beweis erbracht zu haben. So sagt z. B. Wolfrum 
(114; 1909) in seiner Arbeit über Naevus der Bindehaut und 
Chorioidea: „Manchmal konnte man wirklich im Zweifel darüber 
sein, ob nicht einzelne sehr kleine Pigmentkörnchen noch dem 
Kern selbst angehören. Ich lasse jedoch diese Frage offen, da 
sie ebenso wie die, ob das Pigment in ‚Nukleolarsubstanzen‘ des 
Kerns seine Vorstufen besitze, ein Spezialstudium erfordert. 
Jedenfalls aber sprechen diese Befunde für die Berechtigung 
solcher Anschauungen“ (S. 239). 

Die von Wieting und Hamdi vertretene Ansicht, wonach 
die echten Melanoblastome des Augenhintergrundes epithelialer 
Natur wären, hat zur Voraussetzung, dass die Stromazellen der 
Chorioidea nicht die Fähigkeit besitzen, Pigment zu bilden. Das 
Pigment stammt nach ihrer Meinung unter normalen Umständen 
ausschliesslich vom Pigmentblatt der Retina her. Man darf daher 
nach der theoretischen Schlussfolgerung dieser Autoren erst dann 
„Melanosarkome“ der Chorioidea anerkennen, wenn erwiesen wäre, 
dass durch die physiologische passive Beladung mit Pigment die 
Bindegewebszellen selber zur Pigmentbildung befähigt würden. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 123] 


Diese Auffassung ist insofern unzutreffend, als den Binde- 
gewebszellen der Aderhaut die spontane Pigmentbildung keines- 
wegs abgesprochen werden darf. 

Über die Pigmentgenese in der Aderhaut, Iris und Ciliar- 
körper kann ich auf Grund meiner eigenen Beobachtungen in 
Kürze folgendes mitteilen. Das Pigment der Uvea ist zweifachen 
Ursprungs. Erstens einmal treten im Gebiete der Iris und des 
Ciliarkörpers zahlreiche Zellindividuen aus dem Verbande des 
Pigmentepithels ins umgebende Bindegewebe über. An der 
Bildung von solchen pigmentierten Wanderzellen nimmt der 
gesamte vordere Abschnitt des Pigmentblattes des Augenbechers 
vom Pupillarrande bis zur Ora serrata teil. Der Austritt von 
einzelnen pigmentierten Zellen und Zellgruppen findet beim 
Hühnchen in den ersten 14 Tagen der Entwicklung in grossem 
Umfange statt. Beim Mensch beginnt dieser Vorgang Ende des 
dritten Monats und ist bei der Geburt noch nicht beendet. Die 
ersten Angaben über die Entstehung von pigmentierten Wander- 
zellen aus dem Pigmentblatt des Augenbechers stammen von 
W. H. Lewis. Für die sogenannten Klumpenzellen in der Iris 
des Erwachsenen haben Elschnig und Lauber die Herkunft 
aus dem Pigmentblatt der Iris verfochten. 

Die Hauptmasse des Chorioidealpigmentes entsteht jedoch 
gänzlich unabhängig von dem Pigmentepithel zuerst in der 
Grenzschicht zwischen Ader- und Lederhaut, im hinteren Bulbus- 
abschnitt. Die ersten Spuren des Pigmentes bindegewebigen 
Ursprungs treten im Gegensatz zu den eben erwähnten ekto- 
dermalen Pigmentzellen des Ciliarteiles zuerst in einiger Ent- 
fernung um den Sehnervenkopf herum in die Erscheinung. Den 
wichtigsten Beweis für die Unabhängigkeit des eigentlichen 
Chorioidealpigmentes von den Pigmentzellen des Augenbechers 
erblicke ich in dem Umstande, dass die ersten Pigmentkörnchen 
stets in den peripherischsten Zellschichten der Aderhaut gefunden 
werden, oberhalb der Schicht der groben Aderhautgefässe, an der 
Stelle der späteren Suprachorioidea. Von hier aus schreitet die 
Pigmentierung allmählich nach innen, in der Richtung nach dem 
Pigmentepithel zu, fort. Die ersten Pigmentkörnchen der Ader- 
hautstromazellen unterscheiden sich in Farbe und Form ganz 
erheblich von den Pigmenteinschlüssen der retinalen Pigment- 
zellen. Vor dem Auftreten des Pigmentes in der Aderhaut können 


9* 


122 Aurel v. Szily: 


an den Zellkernen ganz ähnliche Veränderungen beobachtet 
werden, wie es gewisse Zellen in den von mir untersuchten 
Aderhautsarkomen aufwiesen. Das Pigment mesodermalen Ur- 
sprungs tritt beim Menschen kurz vor der Geburt, oder noch 
später in die Erscheinung und erreicht seine volle Ausbildung 
erst im Verlaufe der ersten Lebensjahre. 


Aus dieser Schilderung geht hervor, dass entgegen der 
Ansicht von Wieting und Hamdi der Chorioidea die Fähigkeit, 
Pigment zu bilden, unzweifelhaft zukommt. Wir sind daher 
berechtigt so lange von Melanosarkomen der Aderhaut zu sprechen, 
bis mindestens einwandfrei erwiesen ist, dass ein solcher Tumor 
vom Pigmentblatt der Retina seinen Ursprung nahm. Dieser 
Beweis steht aber zurzeit noch aus. 


Ich kehre jetzt wieder zur Beschreibung meiner eigenen 
Untersuchungen zurück. 

Im Anschluss an meine Befunde bei Embryonen habe ich 
die melanotischen Tumoren des Auges!) von diesem neuen Gesichts- 
punkte aus einer Prüfung unterzogen. Diese ergab im grossen 
und ganzen eine prinzipielle Übereinstimmung mit der embryonalen 
Pigmentgenese, insofern auch hier die Muttersubstanz des nicht 
hämatogenen Pigmentes ausschliesslich auf den Zellkern zurück- 
geführt werden konnte. 

Das ausgezeichnet konservierte Material ist mir von meinem 
verehrten Chef und Lehrer, Herrn Geheimrat Professor Dr. 
Th. Axenfeld und Herrn Professor Dr. W. Stock für den Zweck 
dieser Untersuchungen bereitwilligst zur Verfügung gestellt worden 
wofür ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche. 

Es handelt sich um typische Pigmentzellensarkome, mit 
leicht angedeutetem alveolären Charakter, mit nicht zu reich- 
licher Gefässverteilung, stellenweise kleinen Blutungen. 


Die Pigmentierung verläuft hier nicht nach einem einheit- 
lichen Typus, wie wir es an dem embryologischen Material fest- 
stellen konnten. Ich war bestrebt, aus diesem Chaos von 


!) Bezüglich der Anatomie und Histologie der Sarkome des Auges 
verweise ich auf die Arbeit von F. Schieck (Das Melanosarkom als einzige 
Sarkomform des Uvealtraktus.. Bergmann, Wiesbaden 1906). Über die 
Herkunft des nicht hämatogenen Pigmentes enthält diese Abhandlung keine 
näheren Angaben. 


3 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 12: 


Zellbildern die zusammengehörenden Phasen der Pigmentbildung 
herauszufinden. 

Dies geschah zunächst auf die umständliche Art, dass jedes 
Zellbild genau mit dem Zeichenapparat entworfen wurde, bis sich 
die Figuren von selbst zu einer lückenlosen Reihenfolge zusammen- 
schlossen. 

Ich führe nunmehr die meines Erachtens zusammengehören- 
den Entwicklungsserien einzeln vor und beginne mit der Pigmen- 
tierung im Verlaufe der mitotischen Zellteilung in Melano- 
sarkomen. 

Ich kann aus eigener Erfahrung die Angabe Rössles (99; 
1904, S. 305) bestätigen. wonach man stark pigmentierte Zellen 
so gut wie gar nicht in Mitose anzutreffen pflegt. Jedenfalls 
gehört ein solches Verhalten zur Seltenheit. Ob nur die wenig 
oder gar nicht pigmentierten Sarkomzellen vermehrungsfähig sind, 
oder aber ob diese pigmentierten Melanomzellen im Prodomal- 
stadium der Mitose ihr Pigment wieder verlieren, darüber kann 
ich keine bestimmten Angaben machen. 

Zellen, die sich zur Mitose anschicken, zeichnen sich schon 
geraume Zeit vor der Auflösung der Kernmembran durch beson- 
dere Strukturveränderungen aus. Sie runden sich zumeist etwas 
ab, das ÜOytoplasma erscheint durchsichtiger, wie aufgelockert. 
Hand in Hand mit diesen Veränderungen im Zelleib erweitert 
sich die Kernwandung bläschenförmig, wobei sein Chromatininhalt 
zu Tröpfehen zerfällt. In diesen Zeitpunkt fällt auch gewöhnlich 
die Auflösung des Nukleolus. Besondere Beachtung verdienen 
zahlreiche kleine Einschlüsse im Cytoplasma, die sich mit allen 
Kernfarbstoffen intensiv färben und deutliche Beziehungen zum 
Chromatingerüst des Zellkerns erkennen lassen (Taf. VI, Fig. 39). 
Wenn die Kernmembran erst verschwunden ist, kommt es zur 
Bildung des Mutterknäuels. Die Nukleintröpfehen liegen eng 
beieinander, die Zwischensubstanz färbt sich leicht mit Eosin. 
Sie enthält vielleicht Bestandteile des aufgelösten Nukleolus. Sehr 
deutlich ist auch in diesem Stadium das Ausschwärmen einzelner 
Chromatinteilchen ins Cytoplasma (Taf. VI, Fig. 40). Bemerkens- 
wert ist weiterhin die Übereinstimmung zwischen den Nuklein- 
tröpfehen und der Grösse und Form der ausgestossenen Kern- 
substanz. Sehr deutlich kommt dies auf dem nächsten Stadium 
zum Ausdruck, wo sich die Kernsegmente eben im Äquator der 


124 Aurel v. Szily: 


andeutungsweise sichtbaren Spindel anordnen (Taf VI, Fig. 41). 
So erwünscht es wäre, durch Zählmethoden den sicheren Nachweis 
einer Eliminierung von Chromosomen während der Mitose zu 
liefern, so musste ich nach vielen vergeblichen Bemühungen 
schliesslich darauf verzichten. Es ist schlechterdings unmöglich, 
die konstante Chromosomenzahl der Melanosarkomzellen auch 
nur mit annähernder Genauigkeit festzustellen. Die Loslösung 
von Chromatinteilchen lässt sich bis zum Stadium der Tochter- 
sterne in der Anaphase der Teilung verfolgen (Taf. VI, Fig. 42). 
Es sei hier ganz kurz auf die von D. v. Hansemann (37; 1891) 
beschriebenen „versprengten Chromatinschleifen“ im Verlaufe der 
mitotischen Kernteilung der Carcinomzellen verwiesen. Er ist 
geneiet, sie für den Ausdruck einer atypischen Kernteilung anzu- 
sehen. Ich werde weiter unten versuchen, dieses Phänomen im 
Anschlusse an die bereits erwähnten analogen Erscheinungen in 
lebhaft wachsenden normalen embryonalen Zellen zu erklären und 
beschränke mich hier auf die Feststellung des allgemeinen Vor- 
kommens dieser Chromatinversprengungen im Verlaufe der 
mitotischen Zellkernteilung unter normalen und pathologischen 
Verhältnissen. 

Im weiteren Verlaufe der Kernsegmentierung können die 
versprengten Kernbestandteile an Grösse bedeutend zunehmen 
(Taf. VI, Fig. 43). Dies geschieht einmal dadurch, dass zwei 
oder mehrere Chromatinbrocken miteinander verschmelzen, zum 
grössten Teil jedoch wahrscheinlich durch aktives Wachstum der 
einzelnen Einschlüsse, die man auch nach ihrer Loslösung vom 
Kern keineswegs als tote Masse betrachten darf. Sie behalten 
zweifellos auch während ihrer Lage im Cytoplasma als lebende 
Zellorganellen den eigenen Stoffwechsel, die Fähigkeit des 
Wachstums, vielleicht auch die der Vermehrung, wie ich es weiter 
oben für die Pigmenteinschlüsse im Auge der Kaninchenembryonen 
nachweisen Konnte. 

Im nächsten Stadium beginnt nun die Umwandlung der 
Uhromatinschollen in Pigment (Taf. VI, Fig. 44). Zunächst nimmt 
die Affinität der Chromatinschollen zu den Kernfarbstoffen merklich 
ab. Sie werden etwas blasser, einige von ihnen nehmen bereits 
einen gelblichen Farbenton an. In dem folgenden Stadium, welches 
sich auch durch erhebliches Wachstum der Zelleinschlüsse aus- 
zeichnet, haben sich alle zu gelblichbraunen Gebilden umgewandelt, 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 125 


in welchen jedoch auch einzelne schwarze Pünktchen sichtbar 
sind (Taf. VI, Fig. 45). Aber sowohl hier, als auch in dem 
folgenden Stadium der Telophase der Teilung sind noch junge 
unpigmentierte Chromatinteilchen neben den zum Teil intensiv 
pigmentierten Einschlüssen sichtbar. Die Serie beschliesst eine 
eben aus der Mitose hervorgegangene Tochterzelle mit kleinem, 
intensiv färbbarem Kern und pigmentierten Einschlüssen (Taf. VI, 
Fig. 46). 

Als einen bemerkenswerten Gegensatz zu dem eben 
beschriebenen Entstehungsmodus. der Chromidien im Verlaufe der 
mitotischen Zellkernteilung bei Embryonen der höheren Wirbel- 
tiere und Geschwulstzellen möchte ich hier das Auswandern der 
Sekundärkerne aus dem polyenergiden Primärkern von Aula- 
cantha scolymantha, einem Protisten, hinstellen, nach den 
schönen Befunden von Borgert (13; 1909). Es differenzieren 
sich hier bei Beginn aus dem sogenannten Ohromatingerüst des 
grossen Primärkerns die Chromosomen (Sekundärkerne) zunächst 
an der Peripherie des Kerns. Die Kernmembran löst sich dann 
völlig auf und die Sekundärkerne treten nach und nach ins 
Endoplasma über. Sie erscheinen zunächst als kleine Caryosom- 
kerne, die zuweilen noch die schleifenförmige Chromosomenform 
besitzen. Später teilen sich die Caryosome mitotisch, indem ein 
jedes in ca. zehn bis zwölf Teilchromosomen zerfällt. Ein grosser 
Teil des chromatischen Materials, also der im Primärkern vor- 
gebildeten Sekundärkerne, bildet einen grossen kernartigen Binnen- 
körper, der später aufgelöst wird und mithin als somatischer 
Rest zu betrachten ist. Ich erwähne diesen Befund ohne Kom- 
mentar, bloss weil er eine ganz merkwürdige Umkehrung der 
von mir bei Wirbeltierzellen im Verlaufe der Mitose gefundenen 
Vorgänge darzustellen scheint. 

Den zweifellos verbreitetsten und daher wichtigsten Modus 
der Pigmentierung finden wir weiterhin auf Taf. VI abgebildet. 
Es muss allerdings zugegeben werden, dass gerade dieser Vorgang 
der Pigmentbildung für den Skeptiker weniger überzeugend 
erscheinen kann. Ich halte mich jedoch auf Grund sorgfältiger 
Untersuchungen für ermächtigt, ihn mitzuteilen, und rechne 
bestimmt darauf, dass er bei einer Nachprüfung als der gewöhn- 
liche Pigmentierungsmodus der Melanosarkomzelle Anerkennung 
finden wird. 


126 Aurel v. Szily: 


Dieser Vorgang wird eingeleitet durch eine in grossem 
Maßstabe einhergehende Ausstossung von Chromidialsubstanz ins 
Cytoplasma (Taf. VI, Fig. 47). Man findet solchen Austritt vor- 
wiegend in Zellen mit kleinem Protoplasmaleib und relativ grossem 
Kern, für welche also die von R. Hertwig als Vorbedingung 
einer Chromidienbildung angesehene Störung der „Kernplasma- 
relationen“ sicher zu recht besteht. Die ausgestossene Chromatin- 
masse verliert unter Umständen ihre Affinität zu Chromatinfarb- 
stofien, ist aber als schollige Einlagerung im Cvtoplasma noch 
deutlich erkennbar (Taf. VI, Fig. 48). Den Schlussakt bildet die 
Umwandlung der Chromatinelemente im Cytoplasma in Pigment. 
wobei zugleich durch Verkleinerung des Zellkerns, zwischen dem 
letzteren und dem Uytoplasma wieder normale Massenbeziehungen 
herbeigeführt werden (Taf. VI, Fig. 49). 

Während diese beiden zuerst erwähnten Arten der Pigmen- 
tierung im Melanosarkom durchweg den Charakter aktiver oder 
produktiver Zellveränderungen an sich trugen, treten bei den jetzt 
zu beschreibenden Formen deutlich degenerative Momente in den 
Vordergrund. 

Einer dieser Vorgänge beginnt mit dem Ausströmen des 
Chromatingehalts des Kerns ins Cytoplasma (Taf. VI, Fig. 50) 
wobei die Kernmembran an einer nmschriebenen Stelle einreisst. 
Bald erscheint das Chromatingerüst durch den Verlust gelichtet. 

Der Nukleolus pflegt schon frühzeitig herausgeschleudert 
zu werden. Endlich bleibt nur noch die Kernmembran mit 
einigen dürftigen anhaftenden Chromatinresten übrig (Taf. VI, 
Fig. 51). Diese Veränderung führt zu einem Zustand, wie er auf 
der nächsten Abbildung (Taf. VI, Fig. 52) zu sehen ist. Hier 
haben sich die spärlichen Reste von chromatischer Substanz, und 
ausschliesslich nur diese, pigmentiert. 

Zuweilen kommt es auch zur Pigmentierung der frei 
gewordenen, nicht resorbierten Nukleolen und des Kernsaftes. 
Kombination mit der vorhin an lebensfähigen Zellen beschriebenen 
Chromidienbildung mit nachträglicher Pigmentierung kommt vor. 

Die grössten Schwierigkeiten für eine einigermassen richtige 
Deutung boten Anhäufungen runder, intensiv pigmentierter Gebilde, 
die oft in kaum feststellbarer Anzahl neben- und übereinander 
in wenig Protoplasma gebettet vorkommen. Die Grösse und Form 
dieser Einschlüsse entspricht etwa den kleineren Zellkernen der 


Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 127 


umliegenden Melanomzellen. Die (rebilde kommen vorwiegend in 
der Nähe von grösseren (Gefässen und Blutungen vor, und 
entstehen nach meinen Feststellungen auf die folgende Weise: 

Den Ausgangspunkt bilden rundliche Zellen mit einem unver- 
hältnismässig grossen Kern. Die mittleren Teile des Kerns nimmt 
ein riesenhafter Nukleolus ein, der schon auf diesem Stadium 
Vakuolen erkennen lässt, die von den meisten Autoren als 
Degenerationserscheinungen gedeutet werden (Taf. VI, Fig. 53). 
Diese Zellen mit hypertrophiertem Nukleolus im Melanosarkom 
sind schon bekannt, und u. a. von Trambusti und Oppenheimer 
beschrieben worden. Auf diese haben Rössle und Meirowsky 
bei ihrer Erklärung der Pigmentgenese in Melanosarkomen, 
wie schon in der Einleitung erwähnt, ganz besonderes (Gewicht 
gelegt. 

Ich finde nun alsbald eine beginnende Zersplitterung des 
Nukleolus (Taf. VII, Fig. 53). Dabei hypertrophiert der Kern und 
lässt an seiner Oberfläche beginnende Lappenbildung erkennen 
(Taf. VII, Fig. 54). Das Cytoplasma ist nur in beschränktem 
Maße imstande, diesem abnormen Wachstum des Kerns zu folgen. 
Es entstehen auf diese Weise relativ grosse Zellen, die aber fast 
vollständig erfüllt werden von einem riesenmässigen gelappten 
Kern, der bis zu 20 Nukleolen und darüber enthält. Bereits in 
diesem Stadium: schnüren sich einzelne Fragmente vom Kern ab, 
so dass mehrkernige Riesenzellen entstehen (Taf. VII, Fig. 55). 
Eine Verwechslung dieser Gebilde mit degenerierten Pigment- 
epithelien ist bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu vermeiden. 

Das Riesenwachstum des Zellkerns bedeutet eine tiefgreifende 
Schädigung der normalen „Kernplasmarelationen“. Zur Schaffung 
halbwegs normaler Beziehungen ist eine Reduktion des Kern- 
bestandes unbedingt erforderlich. Das geschieht nun auf die 
Weise, dass sich einzelne Teile vom Kern abschnüren und als- 
bald einer Degeneration anheimfallen. Diese besteht nun darin, 
dass ihr Chromatin sich innerhalb der Kernmembran bis auf 
geringe Reste auflöst, und ihre Affinität zu den Chromatinfarb- 
stoffen verliert. Auf Taf. VII, Fig. 57, ist eine solche mehrkernige 
Riesenzelle zu sehen, mit Kernfragmenten in den verschiedensten 
Stadien der Degeneration. Ein Kernrest erhält sich dabei in der 
Regel (Taf. VII, Fig. 58), woraus man auf die reparative Tendenz 
des Vorganges schliessen kann. 


jr 
[80] 
©) 


Aurel wszily: 


Wenn nun, und das ist von ausschlaggebender Bedeutung, 
eine solche Zelle der Pigmentierung anheimfällt, so ist es stets 
ohne Ausnahme ein Chromatinrest im Cytoplasma, welcher sich 
zu pigmentieren beginnt, wobei zuweilen die ursprüngliche Struktur 
dieses Kernderivates von neuem wieder zum Vorschein kommt 
(Taf. VII, Fig. 59). Auf der nächsten Abbildung erkennen wir, 
dass der Pigmentierungsvorgang wesentliche Fortschritte gemacht 
hat (Taf. VII, Fig. 60). Daneben sind auch andere Formen der 
Kerndegeneration vorhanden, bei welcher statt einer Abnahme 
der Färbbarkeit die Bildung intensiv gefärbter Schollen im Vorder- 
grund steht. Bald fällt auch dieser Chromatinklumpen der 
Pigmentumwandlung anheim. Der Kernrest macht noch eine 
letzte Anstrengung, durch eine Mitose die Oberhand zu gewinnen 
(Taf. VII, Fig. 61), aber er trägt dadurch bloss zur Vermehrung 
des Chromatingehaltes bei und die Pigmentierung schreitet unauf- 
haltsam weiter. 

Auf diese Weise kommen schliesslich vollständig pigmentierte 
Kernkonglomerate zustande, wie eines auf Taf. VII, Fig. 62, abge- 
bildet ist. Wie weit dabei ausserdem noch Verschmelzungen 
mehrerer Zellindividuen eine Rolle spielten, vermag ich nicht ohne 
weiteres zu unterscheiden. 


Der mit der Entstehung dieser eben erwähnten Riesenzellen 
einhergehenden multiplen Kernfragmentierung ist ein Vorgang 
zur Seite zu stellen, der wesentlich einfacher verläuft und wobei 
in der Regel nur ein einziges Kernfragment gebildet wird. 

Einen solchen Vorgang sehen wir auf Taf. VII, Fig. 63, 
dargestellt. 

Der normale Zellkern, dessen relativ kleiner Nukleolus in 
der Mitte gelegen ist, erscheint an einer Stelle llaschenhalsförmig 
ausgezogen. Alsbald löst sich diese Kernknospe vollständig vom 
übrigen Kern ab und liegt nun frei im Cytoplasma in einer 
kleinen Eindellung des Kerns (Taf. VII, Fig. 64). Dieses Bild 
erinnert einigermassen an die sogenannten Guarnierischen 
Körperchen bei der Vaceineerkrankung des Hornhautepithels. 
Auch solche kleine losgelöste Kernknospen werden alsbald in 
Pigment verwandelt (Taf. VII, Fig. 65). 


Die beiden zuletzt zu beschreibenden kurzen Serien zeigen 
Kernbilder vom wohlbekannten degenerativen Typus. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 129 


Zunächst ein Zellkern in Karyorrhexis (Taf. VII, Fig. 66). 
Daneben sind auch vereinzelte schwach gefärbte Chromatinschollen 
im Cytoplasma sichtbar, die daran denken lassen, dass hier der 
Zerfall vielleicht einen Kern in der Prophase zur Mitose über- 
rascht hat. Dasselbe gilt für das nächste Bild (Taf. VII, Fig. 67), 
in welchem die Chromatinballen ausserhalb der Kernmembran 
liegen. Wie ein solcher Kern nach vollzogener Pigmentierung 
aussieht, zeigt uns Taf. VII, Fig. 68. 

Schliesslich ein sogenannter pyknotischer Zellkern (Taf. VII, 
Fig. 69). Dieser ist anfangs intensiv färbbar, später verliert er 
seine Färbbarkeit immer mehr (Taf. VII, Fig. 70). Schliesslich 
wird er in toto zu Pigment verwandelt, wobei das Uytoplasma 
hier ebenso wie bei der vorhergehenden Form keine Spur von 
Pigment sonst aufzuweisen braucht (Taf. VII, Fig. 71). 


III. Kritischer Teil. 


Überblicken wir die Resultate der eben mitgeteilten Unter- 
suchungen, so kann als ihr wichtigstes Ergebnis die neue und 
interessante Feststellung gelten, wonach die Bedeutung der 
chromatischen Kernsubstanz in der Metazoenzelle im Sinne der 
bisherigen Forschung in vieler Hinsicht zu eng umgrenzt worden 
ist. Für viele Untersucher ist der Zellkern bis auf den heutigen 
Tag lediglich das Fortpflanzungsorgan der Zelle, der im übrigen, 
in der Teilungsruhe, hinter seiner Begrenzungsmembran in 
ziemlicher Untätigkeit verharrt. Hier wartet er nach dieser 
Anschauung inmitten des Cytoplasma und doch dem regen Stoft- 
wechsel des letzteren bis zu einem gewissen Grad entrückt, auf 
das Eintreten des Zeitpunktes, wo er in das Leben des Organismus 
schöpferisch eingreifend das höchste Wunder der Natur vollbringt: 
die Zeugung artgleicher Individuen. 

Dadurch wurde der Kernsubstanz eine vom Protoplasma 
verschiedene Aufgabe zugeteilt. Für sie, als Eigenschaftsträgerin 
des Organismus, als dessen Erbmasse (Idioplasma) war dieses 
Entrücktsein zugleich eine unvermissbare Bedingung für die Er- 
haltung und Weiterleitung der in ihr enthaltenen vererbbaren 
Eigenschaften. 

Die Annahme, wonach die Kernsubstanz (das Chromatin) in 
erster Reihe als die von den Eltern auf das Kind übertragene 
Erbmases angesehen werden muss, wird durch mehrere wichtige 


150 Aurel v. Szily: 

Feststellungen gestützt. Abgesehen davon, dass die Kerne die 
einzigen, an Masse äquivalenten Stoffe bei dem Akte der Be- 
fruchtung darstellen, findet nachher bei jeder weiteren Karyokinese 
eine ganz gleichmässige Verteilung der halbierten Chromatin- 
schleifen auf die Tochterkerne statt. Dieser Vorgang ist der 
Annahme überaus günstig, welche das Chromatin für den Träger 
der Vererbung ansieht, indem die Kernsubstanz jedesmal in zwei 
gleiche Hälften zerlegt wird und somit auch die Eigenschaften 
der Mutterzelle zu gleichen Teilen den beiden Tochterzellen 
überliefert werden. 

Als eine überaus wichtige Stütze für die Ansicht, dass das 
Chromatin des Kerns der Träger der vererbbaren Eigenschaften 
ist, wird mit Recht das Phänomen der Chromatinreduktion im 
Verlaufe der Ovogenese herangezogen. 

Es wird dabei bekanntlich sowohl in den männlichen wie 
in den weiblichen Geschlechtsprodukten die färbbare Kernsubstanz 
ihrer Masse und der Zahl der Chromosomen nach auf die Hälfte 
reduziert. Erst durch die Befruchtung, welche auf der Ver- 
schmelzung zweier Kerne beruht, wird dann die volle Substanz- 
masse und die volle Anzahl der Chromosomen eines Normalkerns 
wieder hergestellt. Ei- und Samenkern werden also zunächst 
durch Reduktionsteilung zu Halbkernen umgewandelt, die dann 
durch Verschmelzung erst zu einem Vollkern, dem Keimkern 
der befruchteten Eizelle werden. 

Die Reduktion des Chromatins vor der eigentlichen Be- 
fruchtung, d.h. der Verschmelzung des Spermakerns mit dem 
Eikern ist von der allergrössten Wichtigkeit für das gesamte 
Problem der Vererbung. Sieht man nämlich mit der über- 
wiegenden Mehrzahl der Forscher, als deren hervorragendste 
Vertreter Weismann, O0. Hertwig, Roux zu nennen sind, 
das Chromatin des Kerns als den Träger der erblichen Eigen- 
schaften an, so muss man als den wichtigsten Akt bei der 
Befruchtung die Verschmelzung von äquivalenten Kernmassen 
väterlichen und mütterlichen Chromatins annehmen. Diese Annahme 
wird durch die Erfahrung unterstützt, dass der geschlechtlich 
erzeugte Organismus Eigenschaften seiner beiden Erzeuger in 
etwa gleichem Maße in sich vereinigt. 

Wenn nun bei der Befruchtung die gesamte, nicht reduzierte 
Chromatinmenge zur Verschmelzung käme, so würde daraus ein 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 3} 


Kern mit doppelter Chromatinmasse und doppelter Chromosomen- 
zahl hervorgehen. Ebenso würden alle aus diesem Kern hervor- 
gehenden Segmente beschaffen sein und der veränderte Charakter 
der Nachkommenschaft ist im Sinne der oben erwähnten Theorie 
notgedrungen die Folge. 

Damit diese Summation von Kernsubstanz in den auf- 
einanderfolgenden Generationen nicht eintrete, muss schon vor 
der Befruchtung eine Reduktion des Chromatins stattfinden. 
Würde aber eine solche Reduktion ausbleiben, so wären nach 
0. Hertwig (43; 1909, S. 307) auch ganz abgesehen von den 
(Gesichtspunkten des Vererbungsproblems unhaltbare Zustände, 
Riesenkerne, ein Missverhältnis von Kern und Protoplasma die Folge. 

Und dadurch wird das Problem der Chromatinreduktion 
bei der Eireifung schon einigermaßen hinübergeleitet zur andern, 
nicht minder wichtigen biologischen Frage, die Richard 
Hertwig als „die Kernplasmarelation“ bezeichnet hat. 

Ein anderer Vorgang, wobei es sich ebenfalls um einen 
Übertritt von chromatischer Substanz ins Cytoplasma handelt, 
ist das von Boveri entdeckte Phänomen der Chromatindiminution. 

Diese beruht bekanntlich darauf, dass bei der Entwicklung 
der Zellengenerationen, die bei Ascaris megalocephala aus dem 
befruchteten Ei hervorgehen, auf einem bestimmten Stadium im 
Verlaufe der Karyokinese Bestandteile der einzelnen Chromo- 
somen abstossen, wodurch die Konstitution des Kerns eine 
Änderung erfährt. Die Angaben von Boveri sind später von 
zahlreichen Untersuchern bestätigt und auch auf die Oogenese 
anderer Wirbellosen ausgedehnt worden. Die Art und Weise 
der Diminution variiert ein wenig bei den verschiedenen Spezies. 
Es ergeben sich auch insofern noch Unterschiede, als die Zahl 
der Chromosomen in den diminuierten Kerpen einmal trotz ein- 
getretener Diminution gleich bleiben kann, das anderemal auf 
die Hälfte vermindert wird. Der Vorgang der Chromatindiminution 
wiederholt sich im ganzen viermal. Die zuletzt, im 32-Zellen- 
stadium zurückgebliebene einzige Zelle mit ursprünglichem Kern 
ist die Urgeschlechtszelle. Von ihr leiten sich durch weitere 
einfache Teilung die Ei- und Samenzellen des Embryo ab, die 
anderen Zellen, welche die „Chromatindiminution“ erfahren haben, 
bauen die übrigen Gewebe des Körpers auf (Somazellen nach 
Weismann). 


152 Aurel v. Szily: 


Weit entfernt davon, die von mir im vorhergehenden Teil 
dieser Arbeit beschriebene Chromatinabstossung im Verlauf der 
Mitose während der normalen Entwicklung bei Embryonen und 
in Geschwülsten, mit den eben erwähnten Vorgängen von eminent 
wichtiger theoretischer Bedeutung vergleichen zu wollen, sei es 
mir doch gestattet, auf die bestehende oberflächliche morpho- 
logische Ähnlichkeit hinzuweisen. 

Es handelt sich hier wie dort um Eliminierung eines Teiles 
des Chromatinbestandes des Zellkerns, ohne merkliche Gefährdung 
der spezifischen Eigenschaften der betreffenden Zelle. In dieser 
Beziehung fehlt also den hier mitgeteilten Befunden das 
Wunderbare, Überraschende vollkommen. Sie sind nicht mehr 
beispiellos. 

Anders steht es bezüglich der theoretischen Deutung des 
von mir beschriebenen Phänomens. Diese kann sich auf Grund 
der aus den Vorgängen bei der Reduktionsteilung gezogenen 
Konsequenzen nur die eine bereits anerkannte Annahme zu nutze 
machen, wonach die Erbmasse bis zu einem gewissen Grade teil- 
bar ist, ohne dass ihre Eigenschaft aus sich das ganze zu 
reproduzieren, verloren ginge. Auf meine Untersuchungen über- 
tragen, lautet diese Regel folgendermassen: Gewisse embryonale 
Zellen und die Tumorzellen im Melanosarkom besitzen die 
Fähigkeit, während der Mitose Teile ihres Chromatinbestandes 
ans Uytoplasma abzugeben, ohne ihrer spezifischen Eigenschaften 
verlustig zu werden. 

Die theoretische Deutung dieses Vorganges musste aber 
andere Wege gehen, als diejenige bei der Reife der männlichen 
und der weiblichen Geschlechtsprodukte. Und hier glaube ich 
keinen unrichtigen Schritt zu tun, wenn ich mich behufs einer 
Erklärung für meine Befunde in den Ideenkreis begebe, dem 
zuerst, und wie mir scheint bisher am treftendsten R. Hertwig 
Ausdruck verliehen hat. 

Ich denke dabei an das von R. Hertwig formulierte 
Gesetz der „Kernplasmarelation“, dessen Inhalt und Bedeutung 
ich ja in der Einleitung zu dieser Arbeit schon kurz skizziert 
habe. Der wichtigste Umstand, der mich veranlasst, meine 
Befunde in den Kreis der Hertwigschen Ideen hinüberzuleiten, 
ist die Feststellung, dass in allen Fällen, wo ein Austritt von 
Chromatin aus dem Zellkern, eine sogenannte Chromidienbildung, 


.. < H . 29 
Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 133 


stattfindet, es sich sehr wohl um eine Störung in den normalen 
Wechselwirkungen zwischen Kern- und Zellsubstanz handeln konnte. 

Da sind zunächst die Mitosen in embryonalen Geweben. 
Es ist wohl kaum anzuzweifeln, dass im Organismus während 
der Entwicklung, namentlich anfangs, im Stadium des rapiden 
Wachstums ein erhebliches Plus an Nährmitteln vorhanden ist, 
dass der Organismus sozusagen überernährt wird. Die Über- 
ernährung führt, wie es ja Hertwig durch seine Experimente 
deutlich zeigen konnte, zu einer Hypertrophie des Kerns. Dadurch 
wird der Gleichgewichtszustand zwischen Kern und Plasma getrübt 
und eine Funktionsstörung ist unvermeidlich, wenn hier der 
natürliche Regulierungsvorgang nicht eingreifen würde. Dieser 
besteht darin, dass Teile aus dem überernährten Kern ausgeschaltet 
werden. Dieselben Chromatinteilchen, die solange sie sich 
innerhalb der Kernmembran des hypertrophierten Kerns befinden, 
für diesen überflüssig, für die gesamte Zelle sogar schädlich 
sind, werden wieder zu nützlichen Zellbestandteilen, sobald sie 
aus dem Kernverbande ausgeschieden werden. Dem Zellproto- 
plasma mit seinem lebhaften Stoffwechsel, seinen Fermenten etc. 
überliefert, wird ihr kostbares Material bald zu nützlichen Nähr- 
stofften verwandelt. Unter Umständen findet statt einer Assimi- 
lierung die Überführung in wichtige Zelleinschlüsse statt. Als 
ein weiteres Beispiel dafür haben wir durch vorliegende Arbeit 
die Umwandlung solcher Chromidien in Pigmenteinschlüsse kennen 
gelernt. 

Dasselbe gilt auch für die Mitosen in Melanosarkomen, bei 
denen ich die lebhafteste Chromidienbildung in der Nähe von 
Blutgefässen und von Hämorrhagien festgestellt habe, also 
überall dort, wo die Nahrungsmittelzufuhr am reichlichsten war. 
Durch die reichliche Chromatinverschleuderung bei der Mitose im 
Melanosarkom gelangt der oft betonte embryonale Charakter 
dieser Tumorzellen deutlich zum Ausdruck. 

Ich kann bei der theoretischen Bewertung meiner Unter- 
suchungsergebnisse der in obiger Beschreibung der eigenen 
Befunde absichtlich übergangenen Frage nicht ausweichen, ob es 
sich bei der von mir mitgeteilten Ausstossung von Kernbestand- 
teilen tatsächlich um Chromatin handelt, oder ob nicht aus- 
schliesslich andere weniger wichtige Kernbestandteile dabei be- 
teiligt sind. Ich werde zu dieser Fragestellung durch die Angaben 


154 Aukvel vw. Szily: 


der Autoren gedrängt, die, wie Meirowsky und zum Teil auch 
Rössle, den Nukleolus des Zellkerns bei der Pigmentierung im 
Melanosarkom die Hauptrolle spielen lassen. 

Bekanntlich wurde der Ausdruck Chromatin von Flemming 
für diejenigen Bestandteile des Zellkerns eingeführt, die sich mit 
bestimmten Färbemitteln, wie z.B. den basischen Anilinfarb- 
stoffen, tingieren. Es ist dies dieselbe Substanz, die auch in 
den Chromosomen, die ebendaher den Namen führen, enthalten 
ist. Nun hat später M. Heidenhain eine ganz andere Substanz, 
eine Substanz, die er anfangs als Lanthanin bezeichnet hatte, 
gleichfalls mit dem Namen CUhromatin belegt, nur nannte er sie, 
da sie sich mit sauren Anilinfarbstoffen tingiert, Oxychromatin, 
während er gleichzeitig für das „Chromatin der Autoren“ oder 
das „Chromatin der Chromosomen“ den Ausdruck Basichromatin 
einzuführen suchte. 

Nach Heidenhain ist es möglich, dass die eine Art des 
Chromatins in die andere übergeführt, dass z. B. das Basi- 
chromatin durch Abgabe von Phosphor in Oxychromatin, oder dieses 
umgekehrt durch Aufnahme von Phosphor in Basichromatin 
umgewandelt werden könnte. 

C. Rabl meint dagegen, dass wir in der Beurteilung des 
färberischen Verhaltens der Kern- und Plasmabestandteile im 
äussersten Grade vorsichtig und zurückhaltend sein müssen, da 
wir ja vorläufig keine einigermaßen plausible Theorie der Färbung 
organischer oder richtiger organisierter Substanzen besitzen. 
Ebensowenig wissen wir über die Beziehungen der beiden Sub- 
stanzen zueinander, wie sie sich histologisch, wie sie sich chemisch 
gegenseitig verhalten. 

Trotz solcher beherzigenswerter Mahnungen sind auf Grund 
oft recht geringfügiger tinktorieller Unterschiede im Zellkern 
noch eine ganze Reihe verschiedener Substanzen beschrieben 
und mit neuen Namen belegt worden. So unterscheidet z. B. 
Pappenheim (SS; 1908) einmal Nuklein, ferner Basipara- 
chromatin, Oxychromatin, Basiplastin und Oxyplastin. Die letzten 
vier Substanzen gehören als Plastinsubstanzen zusammen, und 
stehen dem Chromatin (Basichromatin Heidenhains) gegenüber. 

Von allen diesen Kernbestandteilen interessiert uns nebst 
dem Chromatin am meisten die sogenannte Nukleolarsubstanz. 
Was versteht man unter Nukleolen ? 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 155 


Häcker (36; 1899) erklärt die Nukleolen für strukturlose, 
unorganisierte Körper. Auch Flemming hält die Dinge, die 
wir Nukleolen nennen, für keine morphologisch wichtigen Teile 
des Kerns. Sie sind nach seiner Meinung nur Ablagerungen von 
Substanzen, welche für den Stoffwechsel im Kern verbraucht und 
wieder neu gebildet werden. Sie würden damit gewiss physio- 
logisch wichtige Teile des Kerns bleiben, — was ohnehin durch 
ihr fast allgemeines Vorkommen genügend erwiesen ist, — aber 
doch keine eigentlich organischen, d. h. morphologisch wichtigen 
Kernbestandteile. 

Balbiani (6; 1881) geht schon einen Schritt weiter auf 
dem Wege der Erkenntnis. Auch er glaubt, dass die Nukleolar- 
substanz ein Stoffwechselprodukt darstellt. Er erkennt aber 
schon, dass die Ausbildung des Nukleolus in einem gewissen 
Abhängigkeitsverhältnis zur Intensität und vegetativen Leistungen 
von Kern und Zelle steht. 

M. Heidenhain hat endlich die Entstehung der Nukleolen 
durch folgende chemische Überlegungen zu erklären versucht: 
Hereingetragen werden in den Kern eiweissreiche Nukleoalbumine, 
die hier auf nicht näher bekannte Weise in Nukleoproteide 
umgesetzt werden. Die eiweissreichen Nukleoproteide würden 
nun fernerhin durch Abspaltung (basischer) Eiweisse in phosphor- 
reiche Nukleoproteide, das sind Basichromatine übergeführt werden. 
Das abgespaltene (basische) Eiweiss wird, falls es nicht aus dem Kern 
auszutreten vermag, oder zum Aufbau anderer Kernbestandteile 
verwendet wird, in der Nukleolarsubstanz aufgesammelt. 

Ich berufe mich auf die Meinung dieses ausgezeichneten 
Oytologen ausdrücklich, gegenüber der erst kürzlich aufgestellten 
Behauptung von Jäger (53; 1909) wonach die Oberfläche des 
Kerns ebenso wie der Nukleolus — der Lieferant der pyronoiden 
Substanz Meirowskys — von einer fettartigen Substanz gebildet 
werden. Jäger stützt sich dabei auf Eugen Albrecht als 
(rewährsmann. 

Die Nukleolen sind zumeist gänzlich strukturlos; es ist 
indessen die Regel (Montgomery), dass innerhalb der grösseren 
Nukleolen Vakuolen auftreten (Nervenzellen, Eizellen, gross- 
kernige Drüsenzellen), und diese können bei massenhaftem Vor- 
kommen wabige, netzige, fädige Strukturerscheinungen hervor- 


bringen, welche Heidenhain als Pseudostrukturen ansieht. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 10 


136 Aurel v. Szily: 


Die Teilungserscheinungen der Nukleolen scheidet Mont- 
gomery (50; 1898) in zwei Arten: 1. der Nukleolus verlängert 
und zerlegt sich in zwei oder mehrere Teilstücke, welche selbst 
wiederum teilungsfähig sind, 2. der Nukleolus unterliegt dem 
gleichzeitigen Zerfall in eine Vielzahl granulärer Teilstücke. Den 
zweiten Modus hält der Autor für Degeneration. 

Dass Nukleolen aus dem ruhenden Kern gelegentlich aus- 
gestossen werden, ist öfters behauptet und ebenso oft bestritten 
worden. Heidenhain (41; 1907) hat einen solchen Vorgang 
nur ausnahmsweise beobachtet, wenn zuvor bei flach geformten 
Kernen (Kerne der Kapillarwände und des Bindegewebes) der 
Nukleolus mit der Kernmembran sich verlötet und die Verlötungs- 
stelle nach aussen sich öffnet. 

Die Möglichkeit einer solchen Ausstossung ist aber neuerdings 
von Montgomery an einem Objekt gezeigt worden, das jede 
Täuschung ausschliesst. 

Es handelt sich um einzellige Drüsen von Piseicola rapax. 
Der Vorgang wird eingeleitet durch ein kolossales Wachstuni 
von Zelle und Kern. Während der Wachstumszunahme des 
Kerns nimmt auch der ursprünglich einfache Nukleolus an Masse 
zu, verlängert sich, wird unregelmässig und zerfällt schliesslich 
in eine sehr grosse Anzahl von Fragmenten, welche sich weiterhin 
teilen, so dass auf der Höhe der Entwicklung bis zu 300 Nukleolen 
vorhanden sein dürften. Sobald die Sekretion einsetzt, beginnt 
der Kern an Grösse abzunehmen und lässt von da ab seine 
Nukleolen allmählich in das Zellplasma übertreten. Es fehlt 
jedoch nach der Meinung dieses Autors jede direkte Beziehung 
zur Bildung der Sekretkörperchen. Schliesslich bleibt in dem 
sehr verkleinerten Kern nur ein einziger Nukleolus zurück. Die 
ausgestossenen Nukleolen verlieren allmählich ihre Färbbarkeit, ver- 
schmelzen untereinander und verschwinden schliesslich vollständig. 

Besonderes Interesse verdienen die Angaben der Autoren 
über das Verhalten der Nukleolen im Verlaufe der Zellteilung 

Man hat früher angenommen, dass der Nukleolus sich bei 
der Amitose durch Abschnürung teilt. Heidenhain hält diese 
Teilung für eine passive, da ja die Nukleolen nach seiner Auf- 
fassung lebloser Natur sind. Hierfür spricht auch nach seiner 
Meinung, dass das Verhalten der Nukleolen während der Mitose 
in prinzipienloser Weise variiert. 


Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 137 


Im Verlaufe der indirekten Teilung (Mitose) soll nun der 
allgemeine biologische Charakter der Nukleolen als unorganisierter, 
zur gänzlichen Ausscheidung bestimmter Stoffe am deutlichsten 
zum Vorschein kommen. Es sind bei den verschiedenen Zell- 
arten bisher die folgenden Verhaltungsmöglichkeiten beobachtet 
worden: 1. Es verschwinden die Nukleolen zu allermeist in der 
Prophase der Mitose, solange die Kernmembran noch erhalten 
ist; dies ist das gewöhnliche Vorkommen. 2. Sind die Nukleolen 
besonders gross oder dicht, so ereignet es sich, dass sie auch 
nach der Auflösung der Kernmembran eine Zeitlang fortbestehen 
und in das Plasma hinein zu liegen kommen, wo sie dann 
allmählich resorbiert werden; diese aus dem Kernraum befreiten 
und in den Zelleib eingelagerten Nukleolen nennt man nach 
Häcker Metanukleolen. 3. Ferner mag es unter Umständen 
vorkommen, dass die Metanukleolen, wenn sie zufällig die ent- 
sprechende Lage haben, in die Tochterkerne übergehen. {(Ver- 
gleiche Heidenhain |. c., S. 192.) 

In der Regel verschwinden die Nukleolen während der 
früheren Knäuelstadien spurlos, woraus wohl mit einigem Recht 
gefolgert werden kann, dass sie keine lebenswichtigen Organe 
darstellen. 

Die von Wendt (bei Pflanzen) behauptete Teilnahme der 
Nukleolarsubstanz am Aufbau der Chromosomen hält Heidenhain 
für höchst unwahrscheinlich. 

Eine Vertiefung unserer Anschauungen über die Bedeutung 
der einzelnen Kernbestandteile ist durch die moderne Protozoen- 
forschung angebahnt worden und verspricht in der Zukunft auch 
für die Lehre von der Organisation der Metazoenzelle frucht- 
bringend zu werden. 

Bei gewissen Protozoen kommen nämlich oft zwei für ver- 
schiedene Zwecke dienende Kernbestandteile zeitlebens gesondert 
vor, die Schaudinn (102; 1904) als die Stoffwechsel- und 
Geschlechtskernsubstanz bezeichnet. Die Untersuchungen dieses 
ausgezeichneten Forschers bezogen sich auf das Chromidialnetz 
der beschalten Rhizopoden, die er als verteilte Geschlechtskern- 
substanz aufzufassen geneigt war. Es entging seinem weit- 
gehenden Blicke nicht, dass sich dadurch für die gesamte Zell- 
forschung neue Perspektiven eröffnen, wie aus seinen eigenen 
Worten hervorgeht: „Die Aufgabe der weiteren Forschung wird 

10* 


135 Aurelvw Dzily: 


es nun sein, auch die Zellen der höheren Wesen auf das Vor- 
handensein dieser zwei bei gewissen Protozoen für verschiedene 
Zwecke ausgebildeten Kernbestandteile der Stoffwechsel- und 
Geschlechtskernsubstanz zu untersuchen und ihr Verhalten 
zueinander festzustellen.“ 

Aus diesen und den daran anknüpfenden Untersuchungen 
von v. Prowazek (93; 1904) und Leger (66; 1904) an Blut- 
tlagellaten und Gregarinen ergab sich eine allgemeine Gesetzlichkeit, 
die man als „Doppelkernigkeit der tierischen Zellen“ bezeichnen 
kann. Nach Schaudinn und v. Prowazek besteht der Kern 
eines ruhenden Trypanosoma oder Herpetomonas aus zwei 
ineinandergeschalteten Kernen, die sich bei der Umbildung des 
Ookineten zum Trypanosoma voneinander trennen. Der eine 
wird zum Geschlechtskern, der andere zum Bewegungskern oder 
Blepharoplast. Nach Weismann wären dieselben als propa- 
gatorischer und somatischer Kern zu bezeichnen. 

Bei den in ihrem Bewegungsapparat höchst organisierten 
Formen der Trypanosomen und Infusoren bleibt die Trennung 
der beiden Kerne dauernd bestehen. 

Beide haben nur ein kurzes Stadium, das beide Kerne 
vereinigt zeigt; das ist gleich nach der Befruchtung. Bei beiden 
folgt alsbald eine Teilung des befruchteten Kerns, die nichts 
anderes ist, als die Zerlegung in den propagatorischen und 
somatischen Teil. Schaudinn schildert in seiner bahnbrechenden 
Trypanosomenarbeit, dass diese erste Teilung, die zur Bildung 
des Bewegungskerns führt, eine heteropole ist und zwei ver- 
schiedenartige Kerne liefert. 

Für die Ei- und Samenzelle von Dytiscus, einem Metazoen, 
ist die Zweikernigkeit auch deutlich nachweisbar. Sonst tritt 
jedoch bei den Metazoenzellen die völlige Trennung beider Kern- 
arten nur in wenigen Fällen ein. Wo sie jedoch nach Gold- 
schmidt vorhanden ist, wie z. B. bei allen Arten von funktions- 
tätigen Zellen, im Gegensatz zu Stützzellen und Deckzellen, tritt 
der somatische Kern in Form eines Chromidialapparates in die 
Erscheinung. Hier ergibt sich also wiederum ein Anknüpfungs- 
punkt für die Erklärung ähnlicher Vorgänge in höher organisierten 
Metazoenzellen. 

Am schwersten ist eine Unterscheidung in obigem Sinne 
durchzuführen, wenn die Sonderung innerhalb eines einheitlichen 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 139 


Kerns vorgeht, derart, dass die Existenz von zwei Arten von 
Chromatin erschlossen werden muss. In sehr glücklicher Weise 
hat dies neuerdings Lubosch (67; 1902) durchgeführt, indem 
er die Begriffe des Idiochromatins und Trophochromatins auf- 
stellte. Er wird dazu vor allen Dingen durch die Verhältnisse 
des Amphibienkeimbläschens geführt. Die Nukleolengenerationen, 
die hier vor allem nach Carnoys bekannten Untersuchungen 
während der Wachstumsperiode auftreten, sind eben Ausdruck 
dieses Trophochromatins. Der somatische Kern funktioniert hier 
während der trophischen Periode der Zelle, ohne aber seine 
Lagerung innerhalb des Amphinukleus aufzugeben. Der gleiche 
Fall dürfte auch vorliegen, wenn die trophischen Prozesse deutliche 
Beziehungen zu einem Nukleolus zeigen, wie z. B. in den Entoderm- 
zellen der Nassa-Embryonen nach R. W. Hoffmann (50; 1892), 
der Nukleolus enthält dann hier das Trophochromatin. 

Weitaus die häufigste Art, in der sich die Existenz der 
beiden Kernarten ausprägt, ist die eines zeitweiligen Auftretens 
der somatischen Kernsubstanz im Plasma in Form von Chromidien. 

Goldschmidt (29; 1904) fasst auf Grund dieser eben 
erwähnten und anderen Angaben aus der Literatur sowie der eigenen 
Untersuchungen an Ascariden seine Ansicht in folgenden Sätzen 
zusammen, die ich ihrer Wichtigkeit halber hier wörtlich wiedergebe: 

„Jede tierische Zelle ist ihrem Wesen nach doppelkernig: 
sie enthält einen somatischen und einen propagatorischen Kern. 
Ersterer steht den somatischen Funktionen, Stoffwechsel und 
Bewegung vor und kann vorherrschend Stoffwechselkern oder 
Bewegungskern sein. Der propagatorische Kern enthält vor 
allem die Vererbungssubstanzen, denen auch die Fähigkeit 
zukommt, einen neuen Stoffwechselkern zu erzeugen. Die beiden 
Kernarten sind gewöhnlich in einem Kern, dem Amphinukleus, 
vereinigt. Die Trennung kann in mehr oder minder hohem 
Maße erfolgen; eine völlige Trennung ist selten, am häufigsten 
eine Trennung in einen vorwiegend propagatorischen aber doch 
gemischten Kern, den Zellkern im gebräuchlichen Sinne, und in 
die Hauptmasse des somatischen Kerns, den Chromidialapparat. 

Die vollständige Trennung beider Kernarten dürfte nur in 
wenigen Fällen vorliegen, im Zusammenhang mit der Fortpflanzung 
bei den Protozoen, ferner in der Oogenese und Spermatogenese 
der Metazoen. 


140 Aurel v. Szily: 


In (Grewebezellen kann die Trennung möglicherweise auch 
gar nicht bemerkbar sein, wie in den meisten nicht lebhaft 
funktionierenden Zellen, auch fertig ausgebildeten Eizellen. Inner- 
halb des Kerns kann sie dann besonders bei Eizellen bemerkbar 
werden in der Unterscheidung zweier Chromatinarten, des Idio- 
chromatins und Trophochromatins. Deutlich wird dann die 
Trennung, wenn Teile des somatischen Kerns ins Plama gelangen, 
hier Chromidien bilden. Bei Drüsenzellen besonders tritt dies 
in regelmässigen Perioden ein, bei Eizellen während der Dotter- 
bildung. Eine nahezu vollständige Trennung kann dann in 
Ganglienzellen und Muskelzellen verwirklicht sein. Der somatische 
Kern liegt als Chromidialapparat im Plasma, steht aber in engster 
Verbindung mit dem vorwiegend propagatorischen Kern, von dem 
aus er immer neu ersetzt wird. 

Zellen mit nur propagatorischem Kern, der aber ja den 
somatischen neubilden kann, sind wohl nur in den Gameten der 
Protozoen und in gewissen Nährzellen des Ovariums gegeben, 
möglicherweise auch in manchen Spermatozoenarten. 

Zellen mit nur somatischem Kern sind auch möglich: der 
Restkörper der Gregarinen, die diminuierten Zellen von Ascaris, 
gewisse Muskelzellen.“ 

Dieser, in den soeben mitgeteilten Worten Goldschmidts 
geäusserten Doppelkernigkeit der Metazoenzelle tritt neuerdings 
Hartmann (38; 1911) auf Grund seiner an zahlreichen Protisten- 
kernen gesammelten Beobachtungen entgegen. Nach der Ansicht 
dieses ausgezeichneten Forschers kann von einer eigentlichen 
Doppelkernigkeit streng genommen nur bei Ciliaten, einem Teil 
der Rhizopoden und Gregarinen, sowie bei Myxosporidien die 
Rede sein, da nur hier ganze Kerne als somatische Kerne zugrunde 
gehen. Der Makronukleus der Infusorien, der Goldschmidt 
als Grundlage für die Ausdehnung des Begriffs der Doppel- 
kernigkeit auf die Metazoenzelle dient, kann aber berechtigter- 
weise nur mit dem Kern der Metazoenzelle selbst, nicht aber 
mit den Chromidien einer Körperzelle eines Metazoons homo- 
logisiert werden. Diese Auffassung begründet Hartmann mit 
dem von ihm zuerst aufgestellten Satz, wonach von einer eigent- 
lichen Doppelkernigkeit nur dann gesprochen werden darf, wenn 
durch eine polare Teilung des individualisierten Centriols, sei sie 
homopol oder heteropol, zwei distinkte Kernindividuen gebildet 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 141 


werden. Dieser Zustand findet sich aber nur bei einem kleinen 
Teil der Protozoen. Die Bildung vegetativer Chromidien ist 
hingegen eine Eigentümlichkeit, die unter Umständen jedem ein- 
wertigen Kern, der stark funktioniert, zukommen kann, und 
ist z. B. auch vom Makronukleus der Infusorien durch Comes 
bekannt. 

Wir wollen nun dieses noch strittige Gebiet verlassen und 
uns der Frage zuwenden: 

Was lässt sich aus dieser Fülle von Befunden für unsere 
spezielle Frage der Pigmentgenese aus dem Zellkern frucht- 
bringend verwerten ? 

Da müssen wir zunächst den Übertritt von Chromatinteilen 
aus dem Kern ins Cytoplasma als eine verbreitete Eigenschaft 
der tierischen Zelle unter normalen und pathologischen Umständen 
erwähnen. Zweitens sind wir nach Kenntnisnahme der Forschungs- 
ergebnisse an Wirbellosen nicht mehr gezwungen, das Gewicht 
auf die Frage zu legen, ob es sich im einzelnen Falle um Aus- 
tritt von Chromatin, oder bloss um die Eliminierung von unbrauch- 
barer Nukleolarsubstanz handelt. Wir haben gelernt, an Stelle 
der umständlichen und unsicheren Unterscheidung von Kern- 
bestandteilen auf Grund tinktorieller Besonderheiten das ungleich 
wichtigere morphologisch-funktionelle Moment zu setzen. Wir 
unterscheiden zwischen dem eigentlichen Chromatin, als Fort- 
pflanzungsanteil des Kerns, dem Idiochromatin, einerseits und 
den übrigen Bestandteilen des Kerns, die aus sämtlichen Zwischen- 
stufen des An- und Abbaues des Chromatins bestehen, anderer- 
seits. Wir bezeichnen diese letzteren mit Lubosch (64; 1902) 
als das Trophochromatin. Die Nukleolen sind unter diesem 
zuletzt erwähnten Sammelbegriff untergebracht. 

Diese Feststellungen und Überlegungen im Vereine mit der 
von R. Hertwig proklamierten Gesetzmässigkeit der Kernplasma- 
relationen sind imstande, sowohl die weiter oben beschriebenen 
Vorgänge im Verlaufe der Mitose in embryonalen Zellen und in 
Geschwülsten, als auch die Ausstossung von Chromatinsubstanz 
in weiterem Sinne aus dem sonst intakten, ruhenden Zellkern zu 
erklären. 

Es erübrigt nur noch einige Worte zu sagen über die 
Deutung jener Befunde, bei welchen die Pigmentbildung mit 
Umwandlungen der gesamten Kernsubstanz einhergeht, die man 


142 Aurelv. Szily: 


im Sinne der heutigen Cytopathologie degenerative Vorgänge 
nennt. Ich rechne hierher die Entstehungsweise des Pigmentes 
im Auge der Wirbeltierembryonen und die mannigfaltigen Arten 
von Pigmentbildung in Melanosarkomen, wobei der Kern restlos 
aufgebraucht wird. 

Wir kommen damit wiederum auf ein Gebiet zu sprechen, 
das zu mehr als einer Fragestellung innige Beziehungen hat. 
Die Pigmentgenese spielt dabei vielleicht nur eine untergeordnete 
Rolle, gegenüber der grossen allgemeinen Bedeutung, welche 
diesen Vorgängen für die gesamte feinere Zellpathologie zukommt. 

Es wird heutzutage von vielen Autoren über spezifische 
Zellveränderungen und Zelleinschlüsse bei ansteckenden Krank- 
heiten gearbeitet, ohne jegliche Kenntnis der mannigfaltigen 
Umwandlungen, welche die Zelle aus sich selbst heraus oder 
unter dem Einflusse nichtspezifischer äusserer Einflüsse durch- 
zumachen vermag. Ich erinnere in dieser Hinsicht an die kolossale 
Literatur betreffend die vermeintlichen Erreger der Vaceine- 
erkrankung der Hornhaut, des Trachoms, der verschiedenen 
malignen Geschwülste ete. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, 
dass hier die genaue Kenntnis der feineren Zellpathologie uns 
vor manchem Irrtum zu bewahren imstande ist. Dass solche 
Irrtümer wohl möglich sind, dafür liessen sich zahlreiche Beispiele 
aus der bezeichneten Literatur anführen, auf die ich hier gerne 
verzichten will. Ich behalte mir aber vor, auf die verbreiteten 
Degenerationserscheinungen bei Embryonen, ihre Beziehungen 
zur Zellpathologie und ihre Bedeutung als Entwicklungsfaktor in 
einer besonderen Arbeit binnen kurzem zurückzukommen. 

Zuletzt berichtete Reichenow (96; 1908) bei seinen 
Untersuchungen über Rückbildungserscheinungen am Anurendarm 
über Zelldegenerationen, die einige Ähnlichkeit mit den von mir 
beschriebenen Kernveränderungen aufweisen. Beziehungen zur 
Pigmentbildung hat dieser Autor nicht festgestellt. Die Ver- 
änderungen im Protoplasma traten in Form von zunehmender 
Vakuolisierung auf. Die ersten Anzeichen der beginnenden 
Depression am Kern machen sich in Zusammenklumpungen der 
vorher fein verteilten Chromatinbröckchen bemerkbar, das Linin- 
gerüst wird grobmaschiger, die Nukleolen verschwinden. 

Auf vorgerückterem Stadium der Degeneration verwischen 
ich die charakteristischen Kernstrukturen immer mehr. An 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 143 


Stelle des Lininnetzes durchziehen nur einige wenige plumpe 
Balken den Kern, bis schliesslich auch diese verschwinden. Das 
zusammengeklumpte Chromatin geht später in eine kugelige 
Form über, die Reichenow als ein Zeichen dafür ansieht, dass 
eine chemische Rückbildung stattgefunden hat, die den lebenden 
Stoff in einen toten verwandelt. Diese kugligen Tropfen liegen 
gewöhnlich der Kernmembran dicht an, die in der Regel gut 
erhalten bleibt. 

Diese Bilder erinnern an diejenigen, welche Amann (4; 
1895) in Uteruscareinomen und degenerierenden Nierenepithelien 
gesehen hat, und als „Kernwandhyperchromatose“ bezeichnet. 

Die eng zusammenliegenden degenerierenden Zellen besitzen 
nach Reichenow die Neigung zu Verschmelzungen. Es entstehen 
dadurch Bilder, die nach der Ansicht dieses Autors leicht den 
Pathologen in die Gefahr bringen, sie falsch zu deuten, unter 
Umständen sogar — wie es ja bereits nicht einmal geschehen 
ist — für richtige „Erreger“ zu halten. 

Die Abschnürung von kleinen Kernstücken hält Reichenow 
ebenso wie die Zerschnürung des ganzen Kerns in zwei oder 
mehrere Teilstücke für den Ausdruck eines Versuches, der 
beginnenden Degeneration Herr zu werden. Der abgelöste 
Chromatinklumpen scheint sich sogleich durch Flüssigkeitsauf- 
nahme zu vergrössern; er erhält sofort den Charakter einer 
unbelebten Masse, indem er Tropfenform annimmt. Auf diese 
Weise können Gebilde entstehen, die ausserordentlich an die be- 
kannten bei Vaccine zur Beobachtung kommenden G uarnierischen 
Körperchen erinnern. 

Gewiss ist nun die Frage berechtigt, ob es wohl angängig 
sei, den normalen Pigmentierungsvorgang in der Augenanlage 
des Säugetierembryo mit Kernveränderungen in Beziehung zu 
bringen, die wir auf Grund unserer heutigen Kenntnisse der 
Cytopathologie für degenerative Vorgänge erklären müssen. Man 
bedenke demgegenüber, dass die Zerlegung einer Anzahl von 
Zellen in Baumaterial zugunsten der Überlebenden, selbst im 
gewohnten Bilde der Degeneration verlaufend, nicht gleichlautend 
mit „degenerativem Vorgang“ zu sein braucht. Er kann im 
Gegenteil, da es sich ja bloss um eine Umformung des Kern- 
materials handelt, im Sinne der Gesamtanlage für den Ausdruck 
eines erhöhten aktiven oder produktiven Zustandes gelten. 


144 Aurelv. Szily: 


Bei einem Erklärungsversuch dieser zuletzt erwähnten Er- 
scheinungen muss vor allem die Frage beantwortet werden: sind 
Kernveränderungen von degenerativem Typus, in direktem Anschluss 
an die zuerst beschriebene Chromatinverschleuderung, in sich 
teilenden lebensfähigen Zellen denkbar, oder handelt es sich 
vielleicht um einen prinzipiell verschiedenen Vorgang, der schliesslich 
nur durch Zufall zu demselben Endresultat, zur Pigmentbildung 
führt ? 

Ich glaube auf Grund meiner Erfahrungen an reichlichem 
embryologischen Material mich zur Ansicht bekennen zu dürfen, 
dass ein solcher Zusammenhang im Sinne einer Steigerung, aus- 
gehend vom Typus der Chromatinausstossung aus dem intakten 
Kern bis zum vollständigen Kernaufbrauch, tatsächlich besteht. 

Auch die Hertwigsche Lehre von den „Kernplasma- 
relationen“, in deren Bann ich meine Ausführungen gestellt habe, 
ist einer solchen Anschauung durchaus günstig. Derselbe Impuls, 
der in mässigem Grade tätig, im Sinne dieser Lehre, den Kern 
zu geringgradiger Hypertrophie und in der Folge zur Bildung 
von Chromidien veranlasst, führt, über eine gewisse Grenze 
gesteigert, ein Versagen der natürlichen Regulierungsvorgänge 
und somit den Verfall der ganzen Zelle herbei. 


Mit der Feststellung der Herkunft des Pigmentes vom Zell- 
kern und der Beschreibung der einzelnen Phasen der Entstehung 
ist die Aufgabe des Morphologen beendet. Nun hat die Arbeit 
des Biochemikers ergänzend einzugreifen, und uns über die bei 
der Pigmentumwandlung wirksamen chemischen und fermentativen 
Prozesse genauer zu unterrichten. Hierbei wird die chemische 
Forschung die u. a. durch vorliegende Untersuchungen festgestellte 
Tatsache berücksichtigen müssen, dass es sich bei der Pigmen- 
tierung der tierischen Zelle nicht bloss um eine Aufspeicherung 
von im Blute kreisenden Substanzen handelt, die durch bestimmte 
(sewebsarten zurückbehalten und dort durch spezifische Zell- 
fermente in Pigment überführt werden. Das Primäre sind viel- 
mehr die hier beschriebenen morphologischen Veränderungen an 
den Kernen der betreffenden Zellarten, woran sich dann erst 
sekundär die Umwandlung in Pigment anschliesst. 


Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 145 


Eine solche Auffassung der autochthonen Pigmentierung der 
tierischen Zellen ist mit den Ergebnissen der modernen physio- 
logisch chemischen Forschung keineswegs unvereinbar. Ange- 
nommen, die von uns beschriebenen verschleuderten Chromatin- 
teilchen bildeten das Rohmaterial für die Pigmentgenese, und 
seien mit dem Zwischenkörper des Tryptophans im Sinne von 
H. Eppinger (20; 1910) oder vielleicht mit diesem selbst 
identisch. Es käme dann als weitere, vorläufig hypothetische 
Annahme hinzu, dass die unter normalen oder pathologischen 
Verhältnissen eliminierten Chromatinpartikelchen unter der Wirkung 
von spezifischen Zellfermenten — vielleicht der Tyrosinase — in 
Pigment umgewandelt würden. 

Solange das Chromatin, die Muttersubstanz des Pigmentes 
sich innerhalb der normalen Kernmembran befindet, ist es vor 
der schwärzenden Wirkung der Zellfermente geschützt. Diese 
können ihre Wirkung auf die Chromatinbrocken erst ausüben, 
wenn die Kernmembran normalerweise im Verlaufe der Mitose 
zeitweise verschwindet, oder wenn einzelne Chromatinpartikelchen 
in der Teilungsruhe unter den eben beschriebenen Umständen 
aus dem Kern eliminiert werden. 

Wie weit dieser eben entwickelte Ideengang für alle Fälle 
von normaler und pathologischer Pigmentierung zutrifft, bleibt 
weiteren Untersuchungen vorbehalten. 


IV. Zusammenfassung. 


1. Den schwarzen Pigmenten des Auges und der bösartigen 
Geschwülste liegen in allen Fällen farblose Stromata, 
die sogenannten Pigmentträger, zugrunde. 

2. Die farblosen Pigmentträger unterscheiden sich bei den 
verschiedenen Tierspezies und je nach dem Orte ihres 
Vorkommens morphologisch wesentlich voneinander. Ihre 
Form ist aber für die betreffende Stelle typisch und 
deckt sich vollständig mit der Form der daselbst zuerst 
in Erscheinung tretenden Melaninpartikelchen. 

3. Die farblosen Pigmentträger der Metazoen stammen in 
allen von mir untersuchten Fällen ausschliesslich vom 
Zellkern ab. Ihr Entstehen direkter Weise aus dem 
Chromatin der Kerne und ihr Übergang ins Cytoplasma 
kann genau verfolgt werden. Sie färben sich leicht und 


146 


—I 


Aurel v. Szily: 


intensiv mit allen Kernfärbemitteln und sind den 
„Chromidien“* Hertwigs gleichzusetzen. 


Je nach dem verschiedenen Verhalten des Zellkerns bei 


der Bildung der farblosen Pigmentträger lässt sich eine 
Einteilung in zwei Haupttypen für alle Fälle leicht durch- 
führen. Sie sind nach dem heutigen Stande unserer 
Kenntnisse über Kernstruktur und Kerntod als der 
aktive oder produktive und der degenerative 
Typus zu bezeichnen. 

Der aktive oder produktive Typus wird dadurch 
ausgezeichnet, dass in diesem Falle der Zellkern durch 
die Abgabe von Chromidialsubstanz an das Cytoplasma 
in seinen vitalen Funktionen keinerlei irgendwie bemerkens- 
werte Einbusse erleidet. Nach diesem Typus entstehen 
die farblosen Pigmentträger im Pigmentepithel der Netz- 
haut beim Hühnchen in der Teilungsruhe des Zellkerns. 
Ausserdem gehören in diese Rubrik die sehr verbreitete 
Abstossung von Chromidialsubstanz in der Prophase zur 
mitotischen Zellkernteilung in embryonalen Zellen und 
bei Geschwülsten. 


. Der degenerative Typus ist mit einem vollständigen 


oder teilweisen Kernaufbrauch verbunden. Als Beispiel 
für den vollständigen Aufbrauch von Kernsubstanz bei 
der Pigmententwicklung dienen einerseits die Pigment- 
epithelien im Auge von Säugerembryonen, andererseits 
die im Texte genau gekennzeichneten verschiedenen Arten 
von Pigmentierung in Melanosarkomen. Einen teilweisen 
Kernaufbrauch von degenerativem Typus mit nachfolgender 
Pigmentierung finden wir bei Kernfragmentierungen in 
rasch wachsenden bösartigen Geschwülsten. 


. Die Umwandlung der farblosen Pigmentträger in Pigment 


erfolgt wahrscheinlich unter dem Einfluss von spezifischen 
Zellfermenten. Die letzteren können ihre Wirkung auf 
das Chromatin, die Muttersubstanz des Pigmentes, erst 
dann ausüben, wenn die Kernmembran normalerweise im 
Verlaufe der Mitose zeitweise verschwindet, oder wenn 
einzelne Chromatinpartikelchen in der Teilungsruhe unter 
den eben beschriebenen Umständen aus dem Kern eliminiert 
werden. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 147 


Die in dieser Arbeit niedergelegten Befunde enthalten das 
Resultat von Untersuchungen die sich auf eine Reihe von Jahren 
ausdehnen und in verschiedenen Instituten angestellt worden sind. 
Die ersten damit zusammenhängenden Beobachtungen machte 
ich während meiner Arbeitszeit im l. Anatomischen Institut in 
Budapest. Die Untersuchungen habe ich später im Freiburger 
Anatomischen Institut fortgesetzt und im Laboratorium der 
Universitäts-Augenklinik in Freiburg zum Abschluss gebracht. 
Meinen verehrten Lehrern und Chefs, Herrn Hofrat Prof. Dr. 
M. v. Lenhossek in Budapest und den Herren Geheimräten 
Prof. Dr. R. Wiedersheim und Prof. Dr. Th. Axenfeld in 
Freiburg i. Br. erlaube ich mir auch an dieser Stelle für ihre 
gütige Unterstützung ergebenst zu danken. 


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ziehung zur Kernteilung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 26, S. 313—369, 1886. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. I. ul 


152 


92. 


93. 


94. 


9. 


96. 


97. 


1: 


112. 


Aue. Sizalayz: 


Platner, G.: Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Teilungs- 
erscheinungen. Arch. f. mikr. Anat.. Bd. 33, S. 125—152 und S. 180 bis 
215, 1889. 

v. Prowazek, S.: Die Entwicklung von Herpetomonas. Arb. a. d. 
Kais. Gesundheitsamte, Bd. 31, 1904. 

Rabl, ©.: Über den Bau und die Entwicklung der Linse. Zeitschr. 
f. wiss. Zool., Bd. 63, 65 und 67. Leipzig 1900. 

Derselbe: Über „Organbildende Substanzen“ und ihre Bedeutung für 
die Vererbung. (Antrittsvorlesung in Leipzig.) Leipzig 1906. 
Reichenow, E.: Die Rückbildungserscheinungen am Anurendarm 
während der Metamorphose und ihre Bedeutung für die Zellforschung. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 72, S. 671—718, 1908. 

Reinke, F.: Zellstudien. €. Über Pigment, seine Entstehung und 
Bedeutung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 43, S. 377—422, 1894. 

Remak, R.: Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbeltiere. 
Berlin 1855. 


. Rössle, R.:.Der Pigmentierungsvorgang im Melanosarkom. Zeitschr. 


f. Krebsforsch., Bd. 2, S. 291, 1904. 


. Rohde, E.: Untersuchungen über den Bau der Zelle I und IH. 


Zeitschr. f. wiss. Zool., 1903, 1904. 
Schaudinn, F.: Untersuchungen über die Fortpflanzung einiger 
Rhizopoden. Arb.a.d. Kais. Gesundheitsamt, 1903. 


. Derselbe: Generations- und Wirtswechsel bei Trypanosoma und Spiro- 


chaete. Arb. a. d. Kais. Gesundheitsamt, 1904. 


. Scherl: Einige Untersuchungen über das Pigment des Auges. 


v. Gräfes Arch. f. Ophth., Bd. 39, 1893. 

Schmidt, M. B.: Über die Verwandtschaft der hämatogenen und 
autochthonen Pigmente und deren Stellung zu sog. Haemosiderinen. 
Virchows Arch., Bd. 115, 1889. 


. Derselbe: Hämorrhagie und Pigmentbildung. Ergebnisse der allgem. 


Pathologie von Lubarsch-Ostertag, Abt. 2, 1895 und 3. Jahrg., 1896. 


. Derselbe: Über das Hämosiderin und Melanin. Virchows Arch, 


Bd. 163, 1900. 


. Seefelder, R.: Beiträge zur Histogenese und Histologie der Netz- 


haut, des Pigmentepithels und der Sehnerven. (Nach Untersuchungen 
am Menschen.) v. Gräfes Arch. f. Ophth., Bd. 73, H. 3, 1910. 


. v. Szily, A.: Histiogenetische Untersuchungen. Anatomische Hefte, 


Ba. 33, H. 2, S. 227-314, 1907. 


. Derselbe: Über das Entstehen eines fibrillären Stützgewebes im Embryo 


und dessen Verhältnis zur Glaskörperfrage. Anatomische Hefte, Bd. 35, 
H. 3, S. 651— 757, 1908. 


. Veratti, E.: Ricerche sulla fine struttura della fibra muscolare 


striata. Mem. Ist. Lombard., 1902. 

Verworn, M.: Biologische Protistenstudien. Zeitschr. f. wiss. Zool., 
Bd. 46, 1888. 

Wagner, K.: Die Herkunft des Eipigmentes der Amphibien. Zool. 
Anz., Bd. 35, Nr. 17, 1910. 


119. 


114. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 153 


Wieting und Hamdi: Über die physiologische und pathologische 
Melaninpigmentierung und den epithelialen Ursprung der Melanoblastome. 
Ein primäres Melanoblastom der Gallenblase. Zieglers Beiträge zur 
pathol. Anat. und zur allgem. Pathol., Bd. 42, S. 23—84, 1907. 
Wolfrum, M.: Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der 
Aderhaut und seine Beziehungen zu den melanotischen Tumoren. 
Ein Beitrag zu der Lehre von der Geschwulstentwicklung am Auge. 
v. Gräfes Arch. f. Ophth., Bd. 71, S. 195—282, 1909. 


VI Erklärung der Abbildungen auf Taf. IV—VIl 


Alle Figuren sind bei Zeiss’ Apochr. 2 mm, Comp.-Okular Nr. 18, die 
Umrisse mit dem Ab b&schen Zeichenapparat entworfen. Wo keine andere 
Angabe steht, ist als Fixation Zenkersche Lösung benützt worden. Die 
reproduzierten Präparate sind durchweg mit Delafieldschem Hämatoxylin- 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Eosin gefärbt. 


Tafel IV. 


Fig. 1—8. Teile eines Querschnittes durch das Pigmentblatt des 
Hühnchens. 4.—5. Tag der Bebrütung. 


1. Junger Chromatinfortsatz am Zellkern. Pigmenteinschlüsse im 
basalen Zellteil. 

2. Junger Chromatinfortsatz am Zellkern. Pigmenteinschlüsse in der 
Nähe der basalen Zellperipherie. 

3. Wachsender Chromatinfortsatz in der Gegend des Nukleolus ent- 
springend. 

4. Beginnende Ablösung der Chromatinfortsätze am Zellkern. Im 
Cytoplasma sind alle Stadien vom pigmentfreien Chromatinstäbchen 
bis zu den dunklen Pigmenteinschlüssen nebeneinander zu sehen. 

5. Kräftige Chromatinfortsätze am Zellkern. Der eine beginnt sich 
noch im Zusammenhange mit dem Zellkern zu pigmentieren. 

6. Mächtige Chromatinfortsätze am Kern, die sich zum Teil noch im Zu- 
sammenhange mit dem Chromatingerüst des Zellkerns pigmentieren. 

7. Chromatinfortsätze am Zellkern. 

8. Drei von den abgebildeten Zellkernen tragen Chromatinfortsätze. 
Daneben im (Cytoplasma zahlreiche abgestossene pigmentfreie 
Stäbchen. Übergänge von diesen bis zu den Melaninstäbchen sind 
reichlich vorhanden. 


Fig. 9—14. Mitosenbilder aus dem Pigmentblatt des Hühnchens. 
4. Tag der Bebrütung. 
9. Frühes Prodromalstadium. Etwas dichteres Chromatinnetz. Nukleolus 
noch da. Vier Chromatinfortsätze von verschiedener Dicke. 


Fig. 10. Zwei Kerne am Anfang der Prophase. Beginnende Chromosomen- 


bildung Zahlreiche Fortsätze. Einer bereits losgelöst. 
11% 


Fig. 


Fig. 


>' 


16. 


Aurel v. Szily: 


Prophase. Kernmembran noch erhalten. Zahlreiche losgelöste 
Chromatinpartikelchen im Cytoplasma. 

Knäuelbildung. Einzelne Chromatinschleifen gewaltig verlängert. 
Das verdickte Ende im Begriffe sich loszulösen. 

Knäuelbildung. Ausschwärmen von Chromatinteilen mit beginnender 
Pigmentierung. 

Äquatorialplatte. Zahlreiche unpigmentierte und pigmentierte Zell- 
einschlüsse. 


Fig. 15—17. Teile eines Querschnittes durch das Pigmentblatt des 
11 Tage alten Kaninchenembryo. 


Sechs normale Zellkerne. Dazwischen verschiedene Kerne in 
Pigmentumwandlung. Freie unpigmentierte und pigmentierte 
Chromatinschollen. 

Kerne in Pigmentumwandlung. Die Kernmembran ist noch erhalten, 
der Chromatinbestand in Schollen gruppiert. Die Pigmentierung 
beginnt stellenweise noch innerhalb der Kernmembran. 

Intensiv gefärbte Chromatinschollen in Cytoplasma. Kernderivate. 


Tafel V. 


Fig. 15—28. Teile eines Querschnittes durch das Pigmentblatt 
des 12 Tage alten Kaninchenembryo. 


Kerne in vorgeschrittenen Phasen der Pigmentumwandlung. 
Kerne in Pigmentumwandlung. Ausschwärmende Chromatinschollen. 
Beziehungen zur Mitose. 

Kerne in Pigmentumwandlung. Dadurch bedingte Lücke im 
Oytoplasma. 

Kern in Pigmentumwandlung. Erstes Stadium: unpigmentierte 
Chromatinschollen. 

Kern in Pigmentumwandlung. Zweites Stadium: Ausschwärmen 
und beginnende Pigmentierung. 

Nukleolenaustritt 1. 

Nukleolenaustritt 1. 

Nukleolenaustritt III. 

Prodromalstadien der Mitose in Beziehung zur Pigmentbildung. 
Uhromatinaustritt aus dem Kern in der Prophase der Teilung. 
Die aufeinanderfolgenden Teilungsstadien der pigmentierten Zell- 
einschlüsse. 


Fig. 293—37. Mitosenbilder aus der Mittelhirnwandung des 12 Tage 
alten Kaninchenembryo. 


Prophase I. Bildung von Nukleinspindeln. 

Prophase II. Austritt von Chromatinspindeln. 

Knäuelbildung I. Die Kernmembran ist verschwunden. Austritt 
von geformten Chromatinteilen ins Uytoplasma. 

Knäuelbildung II. Versprengte Chromatinteile. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 155 


33. Übergang zur sog. Äquatorialplatte. Zahlreiche Chromatinbrocken 
im Cytoplasma, die zum Teil ihre Färbbarkeit einbüssen. 

34. Äquatorialanordnung mit beginnendem Auseinanderweichen der 
Tochtersegmente. 

35. Die Tochtersegmente haben die beiden gegenüberliegenden Pole 
erreicht. Zahlreiche Kernderivate befinden sich verstreut im Cyto- 
plasma, die sich mit Chromatinfarbstoffen nur mehr schwach färben. 

36. Telophase der Teilung. Zahlreiche zum Teil vakuolig aufgetriebene 
Zelleinschlüsse, die vom Kern abstammen. 

37. Teilung des Zellkörpers. Die Tochterchromosomen schliessen sich 
zu den neuen Kernen zusammen. Zahlreiche mit Eosin gefärbte 
Einschlüsse, die vom Mutterkern herstammen. 

Fig. 385. Chromatinverschleuderung im Verlaufe der Mitose in 
Chorioidealsarkomen. 

38. Prodromalstadium. Grosser bläschenförmiger Kern. Nukleintröpfchen 
in der Kernperipherie. Zahlreiche Chromatinschollen im pigment- 
freien Cytoplasma zum Teil gerade in Austritt begriffen. 

Tafel VI 
Fig. 39—46. Chromatinverschleuderung im Verlaufe der Mitose in 
Chorioidealsarkomen. (Fortsetzung.) 

39. Prophase. Kernmembran und Nukleolus verschwunden. Lebhaftes 
Ausschwärmen von Kernbestandteilen ins Cytoplasma. 

40. Anaphase. Äquatorialplatte. Vergrösserung und Zusammenfliessen 
der Kernderivate im Oytoplasma. 

41. Metaphase der Teilung I. Beginnende Wanderung der Tochter- 
chromosome zum Pol. Zahlreiche Schollen im Cytoplasma. 

. 42. Metaphase der Teilung II. Die Polwanderung ist weiter vor- 
geschritten. Anwachsen der ausgestossenen Kernteile deutlich. 

43. Metaphase der Teilung III. Beginnende Pigmentierung der ver- 
sprengten Kernderivate im Uytoplasma. 

44. Telophase I. Zunehmende Pigmentierung. 

45. Telophase II. Teilung des Zellkörpers. 

46. Tochterzelle mit ruhendem Kern und Pigmentschollen im Cytoplasma. 

Fig. 47—53. Zellbilder aus einem pigmentierten Chorioidealsarkom. 

47. Chromatinaustritt aus dem ruhenden Kern. 

48. Das im Cytoplasma angehäufte Chromatin verliert seine Affinität 
zu den Kernfarbstoffen. 

49. Das ausgestossene Chromatin wird in Pigment verwandelt. 

50. Öffnung der Kernmembran. Ausströmen des Kerninhalts ins 
Cytoplasma. 

51. Der Kern hat sich seines Inhalts entleert. Bloss die Kernmembran 
und spärliche Chromatinreste bleiben sichtbar. 

52. Pigmentumwandlung der Chromatinreste. 

53. Runde Zelle mit grossem Kern und Riesennukleolus. 


Aurel v. $Szily: Über die Entstehung ete. 


Tafel VII. 


. 54—71. Zellbilder aus einem pigmentierten Chorioidealsarkom. 


Zersplitterung des Nukleolus. 

Anwachsen des Kerns, weitere Zersplitterung des Nukleolus. 
Bildung von Kernfragmenten in der Zelle mit riesenhaften 
Dimensionen. 

Kernfragmente in verschiedenen Stadien des Zerfalles. 
Fortschreitender Kernzerfall. 

Erstes Auftreten von Pigment an der Stelle der Kernderivate. 
Fortschreitende Pigmentierung der Kernderivate. 

Fortschreitende Pigmentierung der Kernderivate. Der Rest vom 
Zellkern in Mitose. 

Pigmentkonglomerat. Der grosse Haufen von Kernderivaten in 
Pigment verwandelt. 

Bildung von Kernknospe. 

Abschnürung der Kernknospe. 

Pigmentumwandlung der Kernknospe. 

Karyorrhexis 1. 

Karyorrhexis II. 

Karyorrhexis in Pigment verwandelt. 

Pyknose I. 

Pyknose II. 

Pyknotischer Kern in Pigment verwandelt. 


157 


Histologisches und embryologisches Institut der k. u. k. tierärztlichen 
Hochschule in Wien. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion 
der Lamellenkörperchen. 
Von 


Prof. Siegmund v. Schumacher. 


Hierzu Tafel VIII und 4 Textfiguren. 


Einleitung. 

Die unmittelbare Veranlassung zu vorliegender Mitteilung gab 
mir eine Arbeit Michailows (7) über „Die Struktur der Vater- 
Pacinischen Körperchen und ihre phvsiologische Bedeutung“, 
auf die ich erst durch ein Referat im Anatomischen Zentralblatt 
aufmerksam gemacht wurde. Michailow gelangt auf Grund 
des Nachweises von reichlichen Kapillaren im Inneren der Vater- 
Pacinischen Körperchen zu einer ganz ähnlichen Hypothese über 
die Funktion der Lamellenkörperchen, wie ich sie vor einiger 
Zeit ausgesprochen habe (12). Meine diesbezüglichen Aus- 
einandersetzungen scheinen Michailow entgangen zu sein, was 
begreiflich erscheint, da die Überschrift der betreffenden Arbeit 
nicht vermuten liess, dass der Inhalt sich mit den Lamellen- 
körperchen beschäftigt. Daher möchte ich hier nochmals zu 
dieser Frage Stellung nehmen, um so mehr, als ich durch inzwischen 
angestellte Untersuchungen imstande bin, meine Hypothese über 
die Funktion der Lamellenkörperchen besser zu begründen, als 
dies seinerzeit möglich war. 

Michailow gibt zunächst eine historische Übersicht über 
die Entwicklung der Lehre vom Aufbau der typischen Vater- 
Pacinischen Körperchen, namentlich auch von der Art der 
Nervenendigungen im Innenkolben. Nach der Ansicht Michailows 
gehören die im Innenkolben zu findenden Kerne Wanderzellen 
an und der Innenkolben selbst stellt (ähnlich wie die inter- 
kapsulären Zwischenräume) einen mit Blutserum angefüllten 
Hohlraum dar. Unter dem Einflusse veränderter Bedingungen, 


namentlich der Einwirkung von Reagentien, gerinnt das Blut- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 11% 


155 Siegmundv. Schumacher: 


serum und kann in diesem Zustande Zellstrukturen vortäuschen. 
Das den Innenkolben erfüllende Blutserum stammt aus den im 
Innenkolben vorhandenen Blutkapillaren und ebenso dürften aus 
letzteren die Leukozyten ausgewandert sein. Eingehend befasst 
sich Michailow mit der Frage der Vaskularisation der Lamellen- 
körperchen. 

Schon seit langem ist es bekannt, dass die Vater- 
Pacinischen Körperchen ihre eigenen Blutgefässe besitzen. 

So finden sich nach Kölliker (5) im Stiele und den 
benachbarten Teilen der Körperchen, weniger häufig am anderen 
Ende derselben, wo die Lamellen nicht selten durch einen Längs- 
strang (Lig. intercapsulare) verbunden sind, einzelne feine Blut- 
gefässverästelungen. 

Ausführliche und vollkommen zutreffende Mitteilungen über 
die Gefässe der Vater-Pacinischen Körperchen machte schon 
Herbst (3) im Jahre 1848. „An den beiden Seiten der Körperchen 
liegen zwei Blutgefässe, von denen das eine gross, das andere 
aber nur etwa !/s so weit ist; zahlreiche Äste derselben dringen 
in die Oberfläche und in die peripherischen Kapseln, zu deren 
besseren Versorgung das grössere Blutgefäss einen Hauptzweig 
quer über die Mitte des Körperchens sendet. Ferner befindet 
sich ein ansehnliches arterielles Gefäss, als Begleiter der Nerven- 
faser, im Stiele. Dasselbe dringt in die Basis des Körperchens, 
nimmt an allen Windungen der Nervenfaser teil, gibt nach allen 
Seiten an die Kapselinterstitien Äste, welche durch Zellgewebe 
in ihrer Lage erhalten werden, sich wie andere Kapillargefässe, 
nach einem kürzeren oder längeren Laufe schlingenförmig um- 
biegen und gegen den Stiel zurückkehren. Der Stamm dieses 
Gefässes ist bis zum Boden der innersten Kapsel sichtbar.“ „Ein 
anderes Blutgefäss dringt in das peripherische Ende des Körperchens, 
erstreckt sich in gerader oder schräger Richtung gegen den 
oberen Teil des innersten Kapselsystems und gibt zahlreiche 
Äste an die äusseren Kapseln, welche zum Teil mit den -vom 
zentralen Ende hier ihnen entgegenkommenden anastomosieren.“ 

Nach Michailow beschäftigte sich in letzter Zeit mit der 
Frage der Gefässversorgung der Vater-Pacinischen Körperchen 
Kowrygin im Laboratorium Dogiels und gelangte zu dem 
Schlusse, dass in die Innenkolben der Körperchen Kapillaren ein- 
dringen. Auf Grund solcher Präparate Kowrygins schreibt 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 159 


Dogiel, dass feine Arterienzweige mit den Nerven in jedes 
Körperchen eintreten und sich in Kapillaren auflösen ; letztere 
dringen in die Zwischenräume zwischen den äusseren und den 
nach innen zu gelegenen Lamellen ein, ziehen sich hier auf 
eine ziemlich grosse Entfernung hin, oft sogar bis zur Hälfte 
der Länge des Körperchens und bilden ein feinschlingiges Netz. 
Ausserdem dringen eine bis zwei kleine Arterien in das Körperchen 
von seiten des Poles ein, welcher der Stelle des Nerveneintrittes 
gegenüberliegt (nicht selten in der (regend des Lig. interlamellare), 
und zerfallen hier in Kapillaren, deren Schlingen auf eine kleine 
Strecke in die Zwischenräume zwischen den Aussenkapseln ein- 
dringen. Die beiden Kapillarsysteme können untereinander durch 
lange Anastomosen verbunden sein. Schliesslich lässt sich bei 
manchen Körperchen nachweisen, dass ein bis zwei Kapillar- 
schlingen mit den Nervenfasern zusammengehen und diese bis 
zum Innenkolben begleiten, wobei sie sogar mitunter in den 
letzteren eindringen, sich jedoch nicht weiter als bis zum Anfangs- 
teil desselben erstrecken. 

Michailow gelang es bei der Katze (im Mesenterium, 
Pankreas und anderen Organen) durch Injektion nachzuweisen, 
dass in jedes Vater-Pacinische Körperchen in der Gegend 
der Nerveneintrittstelle Kapillaren eindringen, sich im Innen- 
kolben verzweigen, verflechten, anastomosieren und so einen 
komplizierten Knäuel bilden. Dieser Knäuel hat der Form des 
Innenkolbens entsprechend eine längliche Gestalt und breitet sich 
hauptsächlich in der Hälfte des Innenkolbens aus, die die Nerven- 
eintrittstelle trägt. Aber auch in der anderen Hälfte des 
Körperchens sind Kapillaren vorhanden, die entweder Zweige des 
beschriebenen Glomerulus darstellen oder vom entgegengesetzten 
Pole in das Körperchen eindringen; so dass in manchen Körperchen 
im Bereiche des ganzen Innenkolbens Kapillaren zu finden sind. 
Michailow konnte aber in keinem Falle, trotz vollkommen 
gelungener Injektion, das Eindringen von Kapillaren in das 
Kapselsystem eines Körperchens beobachten. 

An der Oberfläche der Lamellenkörperchen gelang Michailow 
der Nachweis eines feinen elastischen Fasernetzes. 

Bezüglich der Funktion der Vater - Pacinischen 
Körperchen äussert sich Michailow folgendermassen: „Wir 


haben schon gesehen, dass in dem Innenkolben der Vater- 
12* 


160 Siegmund v. Schumacher: 


Pacinischen Körperchen ein Knäuel von Blutkapillaren vor- 
handen ist. Aus diesen Kapillaren muss unter dem KEinflusse 
ihres Blutdruckes das Blutserum in die benachbarten Gewebe 
transsudieren. Wir haben gleichfalls gesehen, dass in dem Innen- 
kolben ebenfalls ein kompliziert gebauter Nervenendapparat des 
Körperchens vorhanden ist. Wenn wir nun annehmen, dass der 
Blutdruck in den Kapillaren aus irgend einem Grunde sich ver- 
grössert, so können folglich einerseits die Kapillaren sich erweitern, 
andrerseits kann die Filtration des Blutserums aus ihnen in den 
benachbarten Raum einen intensiveren Charakter annehmen. 
Unserer Meinung nach muss der eine, sowie auch der andere 
Umstand unbedingt als Erreger des Nervenendapparates des 
Vater-Pacinischen Körperchens dienen, wobei, dank der 
unmittelbaren Berührung zwischen diesem Nervenendapparat und 
dem Glomerulus der Blutkapillaren, d. h. dank der angepassten 
Struktur der Körperchen, sogar die minimalsten Schwankungen 
des Blutdruckes in diesen Kapillaren durch die Vater- 
Pacinischen Körperchen leicht wahrgenommen und registriert 
werden können.“ „Das aus dem Glomerulus der Blutkapillaren 
in den Hohlraum transsudierende und von hier wiederum in die 
interkapsulären Zwischenräume durchdringende Blutserum ist 
imstande, das Körperchen so weit auszudehnen, als es die Elastizität 
des beschriebenen Netzchens gestattet. Dank der Anwesenheit 
dieses Netzchens geschieht es, dass alle Hohlräume des Körperchens 
beim varlıierenden Quantum des das letztere ausfüllenden Blut- 
serums stets durch dieses vollständig ausgefüllt sind.“ 

Demnach scheint Michailow die Hypothese sehr wahr- 
scheinlich, „dass die typischen Vater-Pacinischen Körperchen 
solche Nervenendapparate vorstellen, welche Registratoren des 
Blutdruckes in den Kapillaren (und folglich auch im ganzen 
Blutgefäßsystem) sind, d. h. als Anfänge des zentripetalen Weges 
desjenigen Reflexbogens erscheinen, dank welchem die Regulation 
des Blutdruckes verwirklicht wird.“ 

Schon vor längerer Zeit glaubte Thoma (14) die von ihm 
in allen Teilen des Aortensystems gefundenen Vater-Pacinischen 
INörperchen als Regulationsvorrichtungen des (efässtonus an- 
sprechen zu dürfen. Allerdings stellt sich Thoma die Einwirkung 
des Füllungsgrades der Gefässe auf die Nervenendigungen in 
den Lamellenkörperchen wesentlich anders vor als Michailow. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 161 


Thoma äussert sich diesbezüglich folgendermassen: „Dieselben 
(erg. Pacinischen Körperchen) liegen in den äussersten Zonen 
der Adventitia oder unmittelbar nach aussen von dieser. Sie 
erscheinen demgemäss vorzüglich geeignet, die leisen Vibrationen, 
die jeder strömenden Bewegung zukommen, zu perzipieren und 
als Nervenerregungen auf die Gefässmuskeln überzuleiten.“ 

Auch Rainer (S) spricht in einer jüngst erschienenen 
kurzen Mitteilung über besonders modifizierte Vater-Pacinische 
Körperchen, die retroperitoneal zwischen der Wurzel des Mesocolon 
transversum und Mesenterium im adventitiellen Gewebe der 
grossen Venen gelegen sind, den Gedanken aus, dass diese Körperchen 
zu dem Füllungsgrade der Venen in funktioneller Beziehung 
stehen. 

Nach Van de Velde (15) tritt in den basalen Pol der 
Vater-Pacinischen Körperchen meistens eine kleine Arterie 
ein, welche sich in interkapsuläre Kapillaren teilt. Aus dem Bau 
und der Lage der Körperchen ist zu entnehmen, dass diese 
besonders für Druck empfindlich sind. „Auch ihre Lage im Pankreas 
lässt hierauf schliessen: Wenn dieses seine Wirkung entfaltet, 
erweitern sich die Blutgefässe des Organs und üben schon hier- 
durch einen Druck auf die in dieser Drüse gelegenen Körperchen 
aus. Dieser Druck ist jedoch nicht nur extrakapsulär vorhanden ; 
er wird auch interkapsulär gerade durch die früher genannten 
in die Körperchen eintretenden Kapillaren hervorgerufen, sei es, 
dass die Nervenendigung gedrückt wird durch die Ausdehnung 
von den Kapillaren allein, sei es, dass eine Vermehrung der 
interkapsulären Flüssigkeit durch grössere Blutzufuhr entsteht 
und diese einen grösseren Druck zustande bringt. In beiden 
Fällen kann dann ein Reflex auf andere Digestionsorgane vom 
Pankreas aus ausgelöst werden.“ 

Aus diesen Angaben geht hervor, dass in letzter Zeit sich 
die Auffassung über die Funktion der Vater-Pacinischen 
Körperchen, wenigstens bei einigen Autoren, insofern geändert 
hat, als die Körperchen nicht mehr im gewöhnlichen Sinne des 
Wortes als Drucksinnesorgane aufgefasst werden, sondern ihnen 
bei der Regulierung des Blutdruckes eine wichtige Rolle zuge- 
schrieben wird. In diesem Sinne habe ich mich schon vor dem 
Erscheinen der zitierten Arbeiten von Michailow, Rainer 
und Van de Velde ausgesprochen. 


162 Siegmundv. Schumacher: 


Ich machte seinerzeit auf das Vorkommen von kleinen 
Lamellenkörperchen in der Nähe des von mir als arterio-venöse 
Anastomose (resp. als eine Gruppe von solchen) erkannten Glomus 
coccygeum des Menschen!) und in der (allerdings nicht unmittel- 
baren) Nachbarschaft der dem Glomus coceygeum bei Säugetieren 
entsprechenden Glomeruli caudales aufmerksam. Gewöhnlich 
liegen diese in kleineren oder grösseren Gruppen beisammen und 
speziell beim Menschen kommen in der Gegend des Glomus 
coccygeum kleine Lamellenkörperchen vor, die oft in grosser 
Anzahl eng aneinanderliegend von einer dichten fibrösen gemein- 
samen Kapsel umgeben sind. Diese Lagebeziehung der Lamellen- 
körperchen zu den arterio-venösen Anastomosen liess an eine 
funktionelle Beziehung zwischen ersteren und letzteren denken, 
namentlich nachdem in der Nähe der arterio-venösen Anastomosen 
an den Endphalangen der Fledermäuse ebenfalls das Vorkommen 
von Gruppen Vater-Pacinischer Körperchen nachgewiesen 
worden war. Diesbezüglich hatte schon Grosser (1) vor mir 
den Gedanken eines funktionellen Zusammenhanges zwischen 
Lamellenkörperchen und Anastomosen ausgesprochen, indem er 
glaubt, dass erstere als eine Art Indikator für den Füllungsgrad 
der Anastomose funktionieren könnten. 

Ich schrieb seinerzeit über die mutmassliche Funktion der 
in der Nähe von arterio-venösen Anastomosen gelegenen Lamellen- 
körperchen folgendermassen: „Mir scheint die Annahme ebenfalls 
plausibel, dass diese Nervenendkörperchen funktionell mit den 
Anastomosen in Beziehung stehen. Es wäre dieser Zusammenhang 
vielleicht in der Art denkbar, dass die Lamellenkörperchen eine 
Art von Feuchtigkeitsregulatoren darstellen. Es dürfte zugunsten 
dieser Anschauung auch der Bau der Lamellenkörperchen sprechen. 
Die Hülle besteht bekanntlich aus einer grossen Anzahl von 
ineinander geschachtelten Kapseln, die Bindegewebsfasern und 
Flüssigkeit enthalten. Würde nun aus irgend einem Grunde der 
Druck im Kapillargebiete steigen, so wäre die nächste Folge eine 
stärkere Transsudation von Flüssigkeit aus den Kapillaren, eine 
stärkere Durchfeuchtung des Gewebes. Liegen im Bereiche der 
stärker durchfeuchteten Stelle Lamellenkörperchen, so würden 
ihre Kapseln Flüssigkeit aufnehmen, stärker verquellen und dadurch 


'; Beim Menschen hatten in der Gegend des Glomus coccygeum schon 
vor mir Luschka, Walker und Stoerk Lamellenkörperchen gesehen. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 165 


einen Druck auf den Innenkolben resp. auf den Achsenzylinder 
ausüben. Dieser Nervenreiz könnte auf die Vasomotoren über- 
tragen werden und diese würden die Anastomosen erweitern, SO 
dass die Nebenschliessung zwischen Arterie und Vene hergestellt 
wird und der Druck im entsprechenden Kapillargebiet sinkt. 
Aber auch dort, wo keine Anastomosen vorhanden sind, wäre an 
die Möglichkeit einer ähnlichen Funktion der Lamellenkörperchen 
zu denken, an eine Quellung bei stärkerer Durchfeuchtung und 
an eine reflektorische Beeinflussung der (Grefässweite in der Art, 
dass der Blutdruck sinkt. Mir scheint diese Hypothese der 
Funktion der Lamellenkörperchen eher annehmbar zu sein, als 
ihre ihnen gewöhnlich zugeschriebene Bestimmung, dem Druck- 
sinne zu dienen. In gewissem Sinne würden sie ja auch nach 
meiner Hypothese als Druckkörperchen wirken, indem auch ich 
mir vorstelle, dass die Nervenendigungen in den Körperchen durch 
Druck erregt werden, nämlich durch den Druck, den die Lamellen 
infolge ihrer grösseren Flüssigkeitsaufnahme, infolge ihrer Ver- 
quellung ausüben. Namentlich scheint diese Auffassung durch 
die für gewöhnliche Drucksinnesorgane schwer verständliche 
Lokalisation der Vater-Pacinischen Körperchen gestützt.“ 

Aus dem Vergleiche der oben ausführlich wiedergegebenen 
Ansicht Michailows und meinen seinerzeit gemachten Aus- 
führungen ergibt sich ohne weiteres die Übereinstimmung in 
unserer Auffassung von der Funktion der Lamellenkörperchen. 
Der einzige nennenswerte Unterschied besteht darin, dass 
Michailow annimmt, dass eine Flüssigkeitstranssudation aus 
den im Innenkolben selbst gelegenen Kapillaren stattfindet und 
eventuell die Erweiterung der Kapillaren direkt auf die Nerven- 
endigungen im Innenkolben einwirken kann, während ich mir 
vorstellte, dass die (rewebsflüssigkeit von aussen her in die 
Körperchen eindringt und sie zur Aufquellung bringt. Ich hatte 
seinerzeit das Vorkommen von Blutgefässen in den Lamellen- 
körperchen nicht beachtet, möchte aber erwähnen, dass nach dem 
Nachweis eines Kapillarknäuels im Inneren des Körperchens der 
(redanke Michailows auch mir naheliegend erscheint, dass 
nämlich bei steigendem Blutdruck in den Kapillaren zunächst 
Flüssigkeit in die Lamellenräume transsudiert und so einen Druck 
auf die Nervenendigungen ausübt. Unterstützend dürfte dabei 
der in der Umgebung der Körperchen herrschende Flüssigkeits- 


164 Siegmundv. Schumacher: 


druck insofern wirken, als bei grösserem Aussendruck eine 
Diffusion von Flüssigkeit aus dem Körperchen in das umgebende 
(zewebe verhindert wird oder bei geringer Flüssigkeitsmenge in 
den äusseren Lamellenräumen von aussen her in diese Flüssig- 
keit diffundiert. Schliesslich dürfte auch noch die ausserordentlich 
innige Anlagerung der Körperchen an grössere (sefässe (Arterien, 
Venen und Lymphgefässe), wie sie ausnahmslos im Mesenterium 
der Katze zu finden ist, funktionell von Bedeutung sein. Diese 
Lagerung ist derart, dass bei einer Erweiterung der Gefässe ein 
direkter Druck auf die Körperchen ausgeübt werden muss. 


Die Lamellen und der ‚„Innenkolben“ der Vater- 
Pacinischen Körperchen. 

Nach Key und Retzius (4) erscheinen die Kapsellinien 
der Vater-Pacinischen Körperchen oft nur einfach: nach 
Behandlung mit Osmiumsäure sieht man sie indessen sich der 
Länge nach in zwei spalten. Die Kerne liegen im Innern der 
durch die Spaltung entstandenen Räume, an der Oberfläche der 
Wandhäutchen, die den Spaltraum begrenzen. „Diesen Struktur- 
verhältnissen zufolge mag man nicht, wie von den Verfassern 
bisher geschehen ist, als Kapseln die oben erwähnten Kapsellinien 
betrachten ; eine Kapsel ist nach unserer Auffassung der die albumin- 
haltige Flüssigkeit und die feinen Fibrillen enthaltende Raum mit 
seinen beiderseits begrenzenden, mit Zellenhäutchen bekleideten 
Wänden, welche, wenn ihrer zwei der angrenzenden Kapseln dicht 
beisammen liegen, im optischen Querschnitt als einfache Linien er- 
scheinen können. Den die Flüssigkeit und die Fibrillen enthaltenden 
Raum selbst kann man einen Kapselraum oder Intrakapsularraum 
(den Interkapsularraum anderer Verfasser) nennen, wogegen die 
Räume zwischen den Kapseln Spaltenräume genannt werden können.“ 

Diese Schilderung scheint mir nach meinen Untersuchungen 
vollkommen zutreffend zu sein. Häufig sieht man, wie sich 
Kapsellinien stellenweise spalten (Fig. 1 und 2, Taf. VII) und 
erkennt dann, dass die Kerne in den so entstehenden Spalt- 
räumen liegen. Im übrigen ist färberisch in den Spalträumen 
kein Inhalt nachzuweisen, während in den Kapselräumen (Intra- 
kapsularräumen) die Flüssigkeit je nach ihrem Eiweissgehalt eine 
schwächere oder intensivere Färbung annimmt. Des besseren 
Verständnisses halber sei auf das Schema Textfig. 1 verwiesen. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 165 


Wir haben uns demnach die Kapseln (Lamellen) als mit 
Flüssigkeit gefüllte Hohlkapseln (Hohllamellen) vorzustellen, deren 
Wände von einem Bindegewebshäutchen und diesem oberflächlich 
aufgelagerten ganz flachen Zellen gebildet werden. Es ist wohl 
anzunehmen, dass intra vitam die Wandungen zweier benachbarter 
Lamellen so dicht aneinander liegen, dass zwischen ihnen Kein 
Spaltraum vorhanden ist. Letzterer kann aber infolge der Ein- 
wirkung verschiedener Agentien postmortal auftreten, indem sich 
die Wandungen zweier benachbarter Kapseln von einander 
abheben, ein Zeichen, dass diese untereinander keinerlei Ver- 
bindung eingehen, während die bindegewebigen Wandungen ein 
und derselben Kapsel untereinander durch verschieden stark aus- 
gebildete Fibrillen oder Fibrillenbündel verbunden sind. Die 
Kapsellinien sind demnach als Doppellinien aufzufassen, erscheinen 
aber bei dichter Aneinanderlagerung einfach. Die Kapseln hätte 
man sich etwa in der Weise entstanden zu denken, dass sie zunächst 
als kompakte Bindegewebshäutchen, deren Oberflächen mit endothel- 
artigen Zellen bekleidet sind, auftreten. Im Innern dieser 
Bindegewebshäutchen sammelt sich weiterhin Flüssigkeit an, so 
dass hierdurch die Randpartien der Häutchen mit den aufliegenden 
Zellen auseinandergedrängt werden und zwischen den beiden Rand- 
teilen der Lamellenraum entsteht. Als Zeichen des ursprünglichen 
Zusammenhanges der beiden nunmehr durch die Flüssigkeit aus- 
einandergedrängten Randteile sieht man noch einzelne Fibrillen 
oder Fibrillenbündel, welche die beiden Wandungen einer Lamelle 
untereinander verbinden. 

Wie schon erwähnt, konnte Michailow an der Oberfläche 
der Vater-Pacinischen Körperchen der Katze ein feines 
elastisches Netz nachweisen. Ein Körperchen würde sich nach 
Michailow so weit ausdehnen können, als es die Elastizität 
dieses Netzchens gestattet. Infolge der Anwesenheit desselben 
sollen alle Hohlräume des Körperchens beim variierenden Quantum 
des das letztere ausfüllenden Blutserums stets durch dieses voll- 
ständig ausgefüllt sein. 

Elastische Fasern in den Lamellen sind schon von Henle 
und Kölliker (2) gesehen worden. Sie erwähnen diesbezüglich, 
dass man bei Betrachtung von Kapselfragmenten bei stärkerer 
Vergrösserung ausser den Elementen des Bindegewebes häufig 
die blassen, geraden, stellenweise verästelten und in Essigsäure 


166 Siegmundv. Schumacher: 


unlöslichen Fasern erkennen kann, welche in der Lamina fusca, 
Zonula Zinnii und an anderen Stellen vorkommen. 

Nach Key und Retzius (4) sieht man oft, sowohl am Gipfel 
der Körperchen als auch am Stiel, besonders am Anfange des 
Innenkolbens, ringförmige Einschnürungen von eireulären elastischen 
Fasern herrührend, welche in den Kapselhäutchen verlaufen. 
Diese Ringe sind vorzugsweise zu sehen, wenn die Kapseln eine 
Schwellung erlitten hatten. 

Das von Michailow an der Oberfläche der Lamellen- 
körperchen, d.h. in der Aussenwand der äussersten Lamelle 
gelegene elastische Netz lässt sich leicht nachweisen, sowohl an 
isolierten Körperchen durch die Einwirkung von Essigsäure, 
Kalilauge oder mit irgend einem Färbemittel für elastische Fasern, 
als auch an Schnitten. Besonders eignen sich hierzu nicht zu 
dünne, mit Resorein-Fuchsin gefärbte Längsschnitte, die durch 
die Peripherie des Körperchens gehen, so dass ein Teil der 
Lamellen mehr oder weniger schräg getroffen ist. Am reinen 
(uerschnitt durch die Lamellen sind die elastischen Fasern des 
Netzes allerdings auch in Form von feinsten Punkten zu sehen, 
aber bei der Feinheit der einzelnen Fasern immerhin schwieriger 
nachzuweisen, als wenn die Lamellen mehr tangential getroffen 
sind. Bei günstiger Schnittrichtung lässt sich, ebenso wie am 
isolierten Körperchen, nachweisen, dass ein elastisches Fasernetz 
nicht nur in der Aussenwand der oberflächlichsten Lamelle vor- 
handen ist, sondern auch in der Innenwand derselben und weiterhin 
noch in den Wänden von zwei bis drei nach innen folgenden 
Lamellen; allerdings werden die elastischen Fasernetze von der 
Oberfläche gegen das Innere hin immer feiner und mit Resorein- 
Fuchsin schwächer färbbar. Die elastischen Fasern verlaufen ge- 
streckt, zeigen eine etwas verschiedene Dicke, sind im allgemeinen 
aber als fein zu bezeichnen und zeigen keine bestimmte Richtung. 

Was den „Innenkolben“ betrifft, so will ich hier nicht alle 
verschiedenen Angaben, die diesbezüglich gemacht wurden, wieder- 
holen, sondern nur die wichtigsten Anschauungen über den Bau 
desselben herausgreifen. Eingehende Literaturangaben finden sich 
bei Key und Retzius (4) und bei Merkel (6). 

In letzter Zeit wird mit Recht ziemlich allgemein ange- 
nommen, dass im Innenkolben der Lamellenkörperchen keine 
„sekundären Sinneszellen“ vorkommen. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 167 


Nach Kölliker (5) ist der Innenkolben ein heller, fein- 
körniger und mit zarten Kernen (Zellen?) versehener weicher 
Strang, der als eine Art einfacher Bindesubstanz aufzufassen ist, 
um so mehr, als er wenigstens in seinen äusseren Teilen wie 
aus zarten, dicht beisammen liegenden Kapseln zu bestehen scheint. 

Rauber (9) bemerkt bezüglich des Innenkolbens folgendes: 
„Ich selbst sah im Innenkolben einer grösseren Zahl von Vater- 
schen Körpern des Menschen, der Katze und des Kaninchens 
sowohl Kerne als Längsstreifen. Die Kerne sind sehr deutlich 
beim Kaninchen. In manchen Fällen lassen sich von diesen aus- 
gehend Streifenfortsätze erkennen. Die Längsstreifen waren bei 
allen drei Arten in einzelnen Fällen und wenn die Kerne sich 
nur spärlich vorhanden zeigten, sehr ausgeprägt und konnten 
deren fünf bis neun jederseits gezählt werden. In einer anderen 
Reihe von Körpern war der Innenkolben infolge der allmählichen 
Abnahme der Dicke der Kapseln von dem inneren Kapselsystem 
nicht scharf abgegrenzt und konnte man zwischen zwei, drei und 
vier Streifen wählen, welche den Anfang des Innenkolbens dar- 
stellen sollten.“ 

Nach Key und Retzius zeigt der Innenkolben hier und 
da eine Längsstreifung mit längsgehenden kleinen Spalten, wie 
auch eine konzentrische Anordnung, aber keine weitere Fibril- 
lierung, sondern ist schwach körnig. 

Im Lehrbuche der Histologie von Stöhr (13) wird der 
Innenkolben als eine feinkörnige Masse beschrieben, welche kon- 
zentrische Schichtung zeigt und an der Peripherie spärliche Kerne 
aufweist. 

Wie schon einleitend bemerkt, hält Michailow in Über- 
einstimmung mit einigen anderen Autoren den Innenkolben für 
einen mit Blutserum angefüllten Hohlraum und die in diesem 
vorkommenden Kerne für Kerne von Wanderzellen, welche aus 
den Kapillaren im Innern des Körperchens ausgewandert sein 
dürften. 

Eingehender muss ich mich mit den Angaben Merkels 
über den Bau des Innenkolbens befassen, da sie den von mir 
erhobenen Befunden sehr nahe kommen, ja in den Hauptpunkten 
mit diesen vollkommen übereinstimmen. Merkel bezeichnet den 
Innenkolben der Autoren seiner Struktur nach als „inneres 
Lamellensystem“. In dem inneren Lamellensystem der 


168 Siegmundv. Schumacher: 


Vaterschen Körperchen der Vögel sieht man am Querschnitt 
an den beiden Schmalseiten der bandartigen Nervenfaser die zu 
zwei Reihen angeordneten Kerne und erkennt, wie aus dem sie 
umgebenden sehr spärlichen Protoplasma die Lamellen hervor- 
gehen. „Man hat also Halbrinnen vor sich, welche durch die 
beiden Zellenreihen zusammengehalten werden. Kennt man diesen 
Bau, dann erklärt sich auch die Längsstreifung ganz einfach als 
der optische Durchschnitt der übereinander liegenden Lamellen.“ 
Auch bei den Krauseschen Endkolben der Säugetiere ist der 
„Innenkolben“ nach Merkel nichts anderes, als ein System von 
übereinander gelagerten Lamellen und es tritt die Längsstreifung 
meist weit schärfer hervor als bei den Vaterschen Körperchen 
der Vögel. Querschnitte zeigen die einzelnen Lamellen sehr 
deutlich. Letztere bilden auch hier keine Röhren mit ringförmigem 
Durchschnitt, obgleich dickere und schief ausgefallene Schnitte 
oft genug solche vortäuschen. „Von den Schmalseiten der Ter- 
minalfaser geht auf feinen @uerschnitten ein streifenförmiger 
Kontur aus, an welchen die Lamellen herantreten. Man kann 
ihn nach seinem Aussehen am besten mit dem Namen ‚Raphe:‘ 
bezeichnen.“ Die Vaterschen Körperchen der Säugetiere zeigen 
genau das innere Lamellensystem wie die bisher beschriebenen 
Körperchen. „Besieht man feine Querschnitte sorgfältig gehärteter 
Körperchen, dann fällt auf den ersten Blick die lamellöse Schichtung 
und die von beiden Seiten der Terminalfaser ausgehende Raphe 
auf. Auch erkennt man stets in den äusseren Lamellen Kerne, 
welche nach der Spezies in grösserer oder geringerer Menge 
vorhanden sind.“ Soweit die Darstellung Merkels über den 
„Innenkolben“. 

An (uerschnitten durch Lamellenkörperchen aus dem Mesen- 
terium der Katze, worauf sich meine Untersuchungen zunächst 
beziehen, konnte ich in Übereinstimmung mit Merkel nach- 
weisen, dass die Lamellen bis an den zentralen Achsenzylinder 
heranreichen, so dass zwischen letzterem und den innersten 
Lamellen kein Spaltraum übrig bleibt, der etwa als Innenkolben 
gedeutet werden könnte. Die innersten sechs bis zwölf unmittel- 
bar dem zentralen Achsenzylinder aufgelagerten schmalen Lamellen 
zeigen aber gegenüber den weiter peripher folgenden einen auf- 
fallenden Unterschied (siehe das Schema Textfig. 1 und Fig. 1 
und 2, Taf. VIII). Sie erscheinen am Querschnitt nämlich nicht 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 169 


als geschlossene Reife, wie dies schon Merkel richtig erkannt 
hat, sondern sichelförmig, also als Halbreife, deren etwas 
zugespitzte Enden nicht in die der Halbreife der anderen Seite 


(N | 


er, il; 


Schema des Innenteiles eines Lamellenkörperchens im Querschnitt. Der 
abgeflachte Achsenzylinder A wird von sechs Halblamellenpaaren H umfasst, 
welche in ihrer Gesamtheit den Innenkolben bilden. Die Kanten der Halb- 
lamellen schliessen im Vereine mit der innersten kontinuierlichen Lamelle 
ik den gemeinsamen Spaltraum gS ab. K — Kern im gemeinsamen Spalt- 
raum, L — Lamellenraum, S — Spaltraum zwischen zwei Lamellen. 


übergehen, sondern sie höchstens berühren, meistens aber mit 
denen der anderen Seite einen kleinen Spaltraum einschliessen. 
Demnach sind die innersten Lamellen als Halblamellen aufzufassen, 
die alle in derselben Weise zum Achsenzylinder orientiert sind. 

Der Achsenzylinder ist für gewöhnlich mehr oder weniger 
abgeplattet, so dass er am (uerschnitt spindelförmig erscheint. 
An die Breitseiten des Achsenzylinders lagert sich unmittelbar 
das innerste Halblamellenpaar an, dieses von aussen umfassend 
das zweite usf. Indem sich die etwas zugespitzten Enden der 
Halblamellenpaare gewöhnlich nicht berühren, sondern in einem 
kleinen Abstande voneinander enden, schliessen sie in ihrer 
Gesamtheit je einen Spaltraum ein, der in die Verlängerung der 
Schmalseiten des Achsenzylinders zu liegen kommt. Denkt man 
sich den Achsenzylinder herausgezogen, so begrenzen beide 
innersten Halblamellen im Vereine mit den zugespitzten Enden 
der nach aussen folgenden Halblamellen einen spaltförmigen 


170 Siegmundv. Schumacher: 


Raum. Der mittlere Teil dieses „gemeinsamen zentralen Spalt- 
raumes“ wird vom Achsenzylinder eingenommen, von dem stellen- 
weise Fortsätze weiter peripher in den Spaltraum hineinzuragen 
scheinen (Raphe Merkels), die möglicherweise den von Retzius 
(10, 11) an Golgi-Präparaten gesehenen Fortsätzen des Achsen- 
zylinders entsprechen. Nach Retzius strahlen diese Fortsätze 
vom Nervenfaserstamm und vom Endköpfchen wie kleine knopf- 
förmige Sprossen zu beiden Seiten aus. Ausserdem dürften die 
beiden bis an die Kanten des zentralen Achsenzylinders heran- 
reichenden Spalträume als Durchtrittspforten für die von 
mehreren Autoren beschriebenen, vom Achsenzylinder abgehenden 
Seitenäste bestimmt sein. Erwähnt sei hier noch, dass die 
unmittelbar an die Schmalseiten des Achsenzylinders sich an- 
schliessenden Teile des gemeinsamen Spaltraumes, gewöhnlich 
eine feinkörnige Masse enthalten, die vielleicht als Protoplasma 
der im Spaltraum liegenden Lamellenzellen aufzufassen ist. 

Der gemeinsame zentrale Spaltraum hält keine bestimmte 
Richtung zur Breiten- oder Diekenachse des Körperchens ein, 
bald fällt er mit dem Breitendurchmesser zusammen, bald steht 
er vertikal oder schräg zu ihm. 

Die Lamellenkerne der Halblamellen sind im allgemeinen 
ebenso gelagert wie die der kontinuierlichen Lamellen; nur wenn 
ein Kern an der Spitze einer Sichel gelegen ist, erscheint er 
entweder abgeknickt und förmlich um die Spitze herumgelegt 
oder er endet im gemeinsamen Spaltraum wie abgehackt, also 
nicht zugespitzt wie die übrigen Kerndurchschnitte. Häufig findet 
man auch im gemeinsamen Spaltraum freiliegende Kerne, die am 
@uerschnitte nicht länglich zugespitzt. sondern mehr oder weniger 
rundlich erscheinen (Fig. 1, K, Taf. VIII). Ich glaube aber, dass 
es sich auch bei diesen Kernen um Lamellenkerne handelt und 
nicht um Kerne von Lymphozyten — als Kerne (polymorph- 
kerniger) Leukozyten sind sie schon infolge ihrer Gestalt nicht 
anzusprechen — die wegen der veränderten Raumbedingungen, 
die sie an dieser Stelle finden, eine etwas abweichende Form 
angenommen haben. 

Nach aussen von dem Halblamellenkomplex (Innenkolben) 
schliesst sich stets eine Lage schmaler, dichtgedrängter, kon- 
tinuierlicher Lamellen an und erst noch weiter peripher folgen 
die Lamellen mit ihren breiten Lamellenräumen. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 171 


Die innerste kontinuierliche Lamelle begrenzt mit dem 
äussersten Halblamellenpaar gewöhnlich einen mehr oder weniger 
deutlichen Spaltraum, in den sich der gemeinsame Spaltraum 
beiderseits öffnet. Gerade dort, wo der gemeinsame Spaltraum 
durch die erste kontinuierliche Lamelle abgegrenzt wird, liegt 
sehr häufig ein Kern (Fig. 2,K, Taf. VIII), so dass man in dieser 
Lagerung eine gewisse Ähnlichkeit mit der Lagerung der Kerne 
in zwei Längsreihen bei den Lamellenkörperchen der Vögel 
erkennen kann. 

Als „Innenkolben“ oder „‚inneresLamellensystem“ 
(Merkel) möchte ich demnach jenen zentralen Teil 
desLamellenkörperchens bezeichnen, der zum Unter- 
schiede von den weiter peripher gelegenen Anteilen 
des Körperchensnicht von kontinuierlichen, sondern 
von sechs bis zwölf Paaren von Halblamellen 
gebildet wird. Die Halblamellenpaare fassen zwischen 
sich einen gemeinsamen Spaltraum, dessen zentraler 
Anteil vollständig vom flachgedrückten zentralen 
Achsenzylinder ausgefüllt wird. 

Die lamellöse Struktur des Innenkolbens ist nicht nur am 
Querschnitte, sondern auch am Längsschnitte zu erkennen (Fig. 9, 
Taf. VIII), nur kommt natürlich an letzterem die charakteristische 
Zusammensetzung des Innenkolbens aus Halblamellen nicht zum 
Ausdruck. 

Der Querdurchmesser des Innenkolbens (nach meiner Defi- 
nition) beträgt im Durchschnitte etwa 35 «, hängt aber von der 
Gesamtgrösse des Körperchens ab, so dass die Dicke des Innen- 
kolbens nicht unerheblich schwankt, was von allen Autoren 
hervorgehoben wird. 

An seinem distalen Ende enthält der Innenkolben auffallend 
viele Kerne, die nicht mehr so regelmässig angeordnet sind wie 
in seinen übrigen Teilen. Hier kommen auch Kerne vor, die an 
Leukozytenkerne erinnern, wahrscheinlich aber auch den Lamellen- 
kernen zuzurechnen sind. Auch die Lamellen lassen an dieser 
Stelle nicht mehr die regelmässige Anordnung erkennen wie in 
anderen Teilen des Innenkolbens. In einem Falle, in dem der 
Achsenzylinder an seinem distalen Ende gegabelt war, sah ich 
jeden der beiden Teiläste von kontinuierlichen Lamellen umgeben, 
so dass in diesem Falle jede der Halblamellen des Innenkolbens 


172 Siegmundv. Schumacher: 


in ihrem distalsten Anteile sich zu einer kontinuierlichen Lamelle 
geschlossen hat. 

Erwähnt sei noch, dass ich den gemeinsamen zentralen 
Spaltraum deutlicher an Lamellenkörperchen einer verbluteten 
als an denen einer mit Kochsalzlösung von der Aorta aus 
injizierten Katze ausgeprägt fand, was ja begreiflich erscheint, 
wenn man annimmt, dass durch die Injektion alle Kapselräume 
stärker gefüllt werden. Die natürliche Folge der stärkeren 
Füllung der Kapselräume muss eine Einschränkung der Spalt- 
räume sein. 

Wie schon erwähnt, reichen die zugespitzten Enden (am 
Querschnitte gesehen) der Halblamellen mitunter ganz aneinander 
heran. In diesen Fällen bekommt man den Eindruck einer Naht, 
die von den Schmalseiten des Achsenzylinders ausgehend jeder- 
seits nahezu bis zur innersten kontinuierlichen Lamelle reicht 
(Fig. 2, Taf. VII). 

Der Innenkolben mit den dicht gedrängten unmittelbar nach 
aussen an ihn sich anschliessenden Kapseln erscheint am gefärbten 
Präparat etwas dunkler als die peripheren Teile des Lamellen- 
körperchens und zwar einerseits infolge der dichteren Lagerung 
der Kapseln, andererseits infolge des etwas stärker färbbaren 
Kapselinhaltes. Die stärkere Färbbarkeit der Kapselflüssigkeit 
gegen die Achse des Körperchens hin dürfte auf einen grösseren 
Eiweissgehalt derselben zurückzuführen sein. 

An der Längsachse der Lamellenkörperchen können drei 
verschiedene Abschnitte unterschieden werden (siehe Schema 
Textfig. 2). Der erste Abschnitt reicht vom basalen (— proxi- 
malen) Pol des Körperchens bis zur Basis der innersten Lamelle 
und soll als „proximaler Achsenteil“ bezeichnet werden. Er wird 
von den Nerven und von den mit diesen eindringenden Kapillaren 
eingenommen. In seiner ganzen Ausdehnung nehmen die Lamellen 
ihren Ausgang. 

Der zweite Abschnitt oder „zentrale Achsenteil“ entspricht 
der Ausdehnung der innersten Lamelle, er wird vom zentralen 
Achsenzylinder erfüllt. 

Der dritte Abschnitt oder „distale Achsenteil“ erstreckt 
sich vom distalen Ende des zentralen Achsenzylinders bis zum 
distalen Pol des Körperchens. In seinem Bereiche liegt, wenigstens 
annähernd, das Ligamentum interlamellare, wenn ein solches 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 173 


vorhanden ist, was übrigens nicht häufig der Fall zu sein scheint; 
ausserdem können in ihm vom distalen Pole aus eintretende 
Kapillaren vorkommen. J 


St 


pA za dA 


Fig. 2. 
Schema eines Medianschnittes durch ein Lamellenkörperchen. pA = proximaler 
Achsenteil, zZA — zentraler Achsenteil, dA — distaler Achsenteil, I —= Innen- 
kolben, St — Stiel des Körperchens. 


Die Längenausdehnung des Innenkolbens fällt nicht genau 
mit der des zentralen Achsenteiles zusammen, sondern erstere 
überragt letztere sowohl distal als proximal. 

Für den von mir als proximalen Achsenteil benannten 
Abschnitt wird von Key und Retzius die Bezeichnung „Stiel“ 
gebraucht. Ich glaube, dass letztere Bezeichnung nach Analogie 
an anderen Organen und in Übereinstimmung mit anderen Autoren 
besser für das ausserhalb des Körperchens gelegene und in dessen 
basalen Pol eindringende (Gefäss- und Nervenbündel reserviert 
werden soll. 


Eigene Untersuchungen über die Blutgefässe der 
Lamellenkörperchen. 
Die Durchsicht meiner Präparate von Lamellenkörperchen 
aus der Gegend der Steissbeinspitze des Menschen und im Schwanze 
langschwänziger Säugetiere ergab, dass auch ohne vorhergegangene 


Injektion Kapillaren in Lamellenkörperchen leicht nachzuweisen sind. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 13 


174 Siegmundv.Schumacher: 


So konnte ich in einzelnen Körperchen in der Nähe des 
Glomus coceygeum eines jungen Weibes ziemlich reichliche Kapil- 
laren eindringen sehen (Fig. 3, Taf. VIII). Die Kapillaren sind 
hier leicht erkennbar, da alle rote Blutkörperchen enthalten. Es 
handelt sich um ein Injektionspräparat, wobei die Injektions- 
masse zwar nicht in die Kapillaren der Lamellenkörperchen ein- 
gedrungen ist, wohl aber das Blut bis dorthin vorgetrieben wurde. 
Namentlich finden sich gefüllte Kapillaren in den verhältnismässig 
dicht liegenden äusseren Kapseln der Körperchen. Sie dringen 
an verschiedenen Stellen von aussen her in die Körperchen ein 
— keineswegs etwa nur in der Gegend der Pole, wie dies von 
Michailow beschrieben wurde — und sind an den Reihen- 
schnitten auf ziemlich weite Strecken in ihrem im allgemeinen 
schrägen Verlaufe durch die Kapseln zu verfolgen. 

Ebenso konnte ich bei zwei Neugeborenen an einzelnen 
Vater-Pacinischen Körperchen die äusseren Kapseln durch- 
setzende Kapillaren nachweisen, die bis gegen die mittleren 
Lamellen zu verfolgen sind. 

An Querschnitten durch ein Lamellenkörperchen aus dem 
Schwanze des Iltis sah ich vom basalen Pol mit dem Nerven drei 
Kapillaren in das Körperchen eindringen, von denen zwei Blut- 
körperchen enthielten. Die Kapillaren erreichten aber nicht die 
Basis der innersten Kapsel, also nicht den zentralen Achsenteil 
des Körperchens. In Fig. 4, Taf. VII, habe ich einen Längsschnitt 
(der etwas seitlich von der Achse des Körperchens geführt ist) durch 
ein nicht injiziertes Körperchen aus dem Schwanze eines Macacus 
rhesus abgebildet. Man sieht mehrere Kapillaren in der Gegend des 
basalen Achsenteiles, Kapillarquerschnitte in der Gegend des distalen 
Poles in Bindegewebe eingebettet und an verschiedenen anderen 
Stellen des Körperchens teils längs, teils schräg getroffene Kapillaren. 

Bezüglich des Gefäßsystems der zusammengesetzten Lamellen- 
körperchen in der Nähe des Glomus coceygeum, die, wie schon 
erwähnt, aus kleineren oder grösseren Gruppen dicht aneinander 
gedrängter kleiner Einzelkörperchen bestehen und von einer 
gemeinsamen dicken fibrösen Kapsel umgeben sind, scheint 
bemerkenswert, dass präkapillare Gefässe und Kapillaren allent- 
halben zwischen den einzelnen Körperchen, also innerhalb der 
gemeinsamen Kapsel, in verhältnismässig grosser Menge zu finden 
sind, ohne aber in die einzelnen Lamellenkörperchen einzudringen. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 75 


Nimmt man an, dass bei erhöhtem Blutdruck aus den 
Gefässen innerhalb der zusammengesetzten Lamellenkörperchen 
eine stärkere Flüssigkeitstranssudation erfolgt, so muss der 
Turgor im Innern eines derartigen Komplexes von Lamellen- 
körperchen wesentlich steigen und könnte eventuell als Reiz auf 
die Nervenendigungen in den Körperchen in der schon oben 
erwähnten Art wirken. Es würde bei dieser Annahme auch der 
Zweck der dichten gemeinsamen Kapsel verständlich; es käme ihr 
die Aufgabe zu, eine Transsudation aus dem Innern des Lamellen- 
körperchen-Komplexes in die Umgebung zu verhindern, so dass 
der Effekt des Flüssigkeitsdruckes auf die einzelnen Körperchen 
und auf die in diesen sich befindenden Nervenendigungen ein 
wesentlich höherer sein wird, als wenn keine gemeinsame Kapsel 
vorhanden wäre. Der gemeinsamen Kapsel dürfte demnach die- 
selbe Funktion zukommen, wie den äusseren Lamellen der einzeln 
liegenden grossen Vater-Pacinischen Körperchen, vorausgesetzt, 
dass die Annahme von der Nervenerregung in den Lamellen- 
körperchen durch stärkere Transsudation aus den Eigengefässen 
des Körperchens zutrifft. 

Eingehendere Untersuchungen über die (refässe der Lamellen- 
körperchen habe ich am Mesenterium der Katze vorgenommen. 
Zu diesem Zwecke wurden die Mesenterialgefässe von der Aorta 
abdominalis aus mit Berlinerblau bei zwei Katzen injiziert. Bei 
der ersten Katze gelang die Injektion nicht vollkommen, indem 
die Eigengefässe der Lamellenkörperchen des Mesenteriums nur 
in einzelnen Fällen unvollständig gefüllt waren, in anderen gar 
nicht. Die Ursache des teilweisen Misslingens der Injektion dürfte 
wohl darin zu suchen sein, dass ich zu kurz nach dem Tode 
(etwa eine Stunde) die Injektion vornahm. Bei der zweiten Katze 
injizierte ich erst 24 Stunden nach dem Tode und hier gelang 
die Injektion gut, so dass nahezu jedes Körperchen injizierte 
Eigengefässe zeigt. Das ganze Gekröse samt dem Darm wurde 
in 10°/o Formalinlösung gehärtet, dann in Alkohol gebracht, 
Gekrösestückchen mit Lamellenkörperchen herausgeschnitten, in 
Xylol aufgehellt und unter dem stereoskopischen Mikroskop 
untersucht. 

Zunächst fällt die bekannte Tatsache auf, dass die Lamellen- 
körperchen des Mesenteriums hauptsächlich den grösseren Gefässen 
angeschlossen liegen. Ja es ist überhaupt kein Körperchen zu 

13% 


176 Siegmundv. Schumacher: 


finden, das nicht mit einem Teile seiner Oberfläche einer wenig- 
stens kleineren Arterie und Vene angelagert wäre; auch die 
grossen Lymphgefässe liegen oft unmittelbar an die Oberfläche 
der Körperchen angeschmiegt (Fig. 5, Taf. VIII. Die Lamellen- 
körperchen sind im allgemeinen so orientiert, dass ihre Längs- 
achse mit der Verlaufsrichtung der Gefässe zusammenfällt. Nur 
ausnahmsweise liegt ein Körperchen schräg zu einem grösseren 
(Gefäßstamm. Sehr häufig sitzen Lamellenkörperchen in dem 
Teilungswinkel der grösseren (Grefässe, so dass sie von zwei Seiten 
von Gefässen umfangen werden. Oft zweigt von den grösseren 
(sefässen, denen ein Körperchen aufliegt, ein Ast (von der Arterie 
oder Vene oder von beiden) ab, umschlingt bogenförmig den 
distalen Pol des Körperchens, sich innig an seine Oberfiäche 
anlegend, oder aber es zieht ein Gefässast quer bogenförmig über 
das Körperchen, wie dies schon Herbst erwähnte. In manchen 
Fällen schliessen die grösseren Gefässe im Vereine mit den von 
ihnen ausgehenden feineren Ästen und Präkapillaren einen förm- 
lichen Gefässkranz um die grösste Peripherie des Körperchens ab. 

Die Anlagerung der grösseren Gefässe an die Lamellen- 
körperchen ist eine so innige, dass man an Schnittpräparaten bei 
stark gefüllten (refässen die Körperchen im Bereiche der An- 
lagerungsstelle der Gefässe häufig eingedrückt findet. Dieser 
Umstand spricht, wie schon oben angedeutet, dafür, dass die 
innige Lagebeziehung der Körperchen zu den Gefässen funktionell 
nicht bedeutungslos sein dürfte. Bei stärkerer Füllung müssen 
die anliegenden (Grefässe einen stärkeren Druck auf die Oberfläche 
der Körperchen ausüben, der auf das Innere derselben übertragen, 
als Reiz auf die Nervenendigungen wirken könnte. In ähnlicher 
Weise stellt sich Thoma, wie schon hervorgehoben, eine direkte 
Einwirkung des Gefässtonus auf die Lamellenkörperchen vor. 

Bezüglich der in die Körperchen eindringenden (Gefässe ist 
am aufgehellten Präparat zu erkennen, dass diese nicht als direkte 
Zweige von Arterien oder Venen abgehen, sondern dass sich noch 
ausserhalb des Körperchens in der Nähe seines basalen Poles ein 
Kapillarnetz bildet, in das sich sowohl Arterien- als auch Venen- 
äste auflösen (Fig. 7, Taf. VIII). Nebenbei bemerkt sei hier, 
dass ich in der Nähe dieses ausserhalb des Körperchens gelegenen 
(reflechtes in einem Falle (Fig. 7, An) zwei direkte Verbindungen 
zwischen einem Arterien- und Venenstamm (arterio-venöse Ana- 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 177 
stomosen) nachweisen konnte. Von dem erwähnten Kapillarnetz 
dringen gewöhnlich mehrere Äste mit den Nerven oder auch in ihrer 
Nähe in die Basis des Körperchens ein und bilden hier abermals 
ein Kapillarnetz mit mehr oder weniger reichlichen Schlingen. 
Von diesem Netz entspringt eine Kapillarschlinge (Fig. 7 und 9, 
Taf. VII), die weiter distal in der Achse des Körperchens vor- 
dringt, mit ihrem Scheitel aber höchstens den Boden der innersten 
Lamelle erreicht, also bis zur distalen Grenze des proximalen 
Achsenteiles vordringt, wie dies schon zutreffend von Herbst (3) 
beschrieben wurde. Diese Kapillarschlinge scheint in jedem 
Körperchen vorhanden zu sein und zeichnet sich durch etwas 
weiteres Kaliber als die feinsten, z. B. in dem die Körperchen 
umgebenden Fettgewebe gelegenen Kapillaren, aus. Bedeutend 
seltener dringen Kapillaren an anderen Stellen in die Körperchen 
ein. Allerdings fällt hier die Entscheidung, ob die Kapillaren 
die oberflächlichen Lamellen durchsetzen oder nur an der Ober- 
fläche des Körperchens liegen, nicht leicht. Nur in einem Falle 
sah ich mit Bestimmtheit am aufgehellten Präparat eine Kapillare 
am distalen Pol des Körperchens eintreten, die eine Schlinge 
bildete, deren Scheitel bis zum distalen Ende des zentralen 
Achsenteiles vordrang. Niemals konnte ich, im Gegensatz zu 
Michailow, ein Kapillarnetz im Bereiche des ganzen Innen- 
kolbens finden; stets entbehrte der zentrale Achsenteil der 
Kapillaren. Möglicherweise ist das Verhalten der Gefässe in den 
Lamellenkörperchen verschiedener Körpergegenden ein etwas ver- 
schiedenes. 

An Schnitten durch injizierte Körperchen konnte das 
geschilderte Verhalten der Gefässe im Innern der Lamellen- 
körperchen bestätigt werden, so dass dem oben gesagten nicht 
viel hinzuzufügen bleibt. Im basalen Anteil der Körperchen findet 
man stets nicht nur axial, sondern an verschiedenen Stellen, oft 
auch nahe der Oberfläche des Körperchens, Kapillaren zwischen 
den Lamellen (Fig. 9, Tat. VIII), auch im distalen Abschnitt der 
Körperchen sind Kapillaren nachzuweisen, die keineswegs nur 
axial verlaufen. Stets bleibt aber derInnenkolbenin 
seinem Hauptabschnitt, der der Ausdehnung des 
zentralen Achsenteiles entspricht, vollkommen 
getässfrei. Wenn auch die Injektion unvollkommen sein 
sollte, so müssten im Bereiche des Innenkolbens wenigstens die 


178 Siegmundv. Schumacher: 


Durchschnitte leerer Kapillaren nachzuweisen sein, was aber in 
keinem Falle möglich war. Erwähnenswert scheint mir noch, dass 
man manchesmal an einem basal in ein Körperchen eindringenden 
Gefäss eirculäre Muskelfasern nachweisen kann, so dass demnach 
nicht ausschliesslich Kapillaren, sondern wenigstens mitunter auch 
kleinste Arterien in das Körperchen eintreten. 


Experimentelle Untersuchungen. 


Von den sehr spärlichen bisher angestellten Versuchen die 
Frage der Funktion der Lamellenkörperchen experimentell zu 
lösen, will ich hier die von Rauber (9) erwähnen. Nach Rauber 
sind die Vaterschen Körperchen selbst für sehr geringen Druck 
äusserst empfindlich. Bedeckt man die Körperchen mit Gläschen 
im Gewicht von 2 mg bis 1 g, so nimmt bei Mensch und Katze 
ihr Längendurchmesser beiläufig um !/s, ihr Breitendurchmesser 
um "/ı, beim Hahn Längen- und Breitendurchmesser um '/ıo ZU. 
An dieser Zunahme des Längen- und Breitendurchmessers 
beteiligen sich in von aussen nach innen abnehmender Stärke 
die verschiedenen Kapseln. „Schon bei geringem Drucke, 
kleinerem, als man von vornherein annehmen sollte, wurde das 
Maximum der Ausdehnung erreicht. Nur selten wirkte eine 
Belastung von über 1 g noch ausdehnend, sei das diesem nahe 
Gewicht in allmählicher Steigerung oder sogleich aufgelegt worden. 
Dagegen zeigte sich meist, dass nach der Entfernung einer Last 
von 50 mg das Körperchen seine frühere Gestalt verloren hatte, 
abgeplattet, verzogen, vernichtet war.“ 

Ausgehend von der Vorstellung, dass auf eine stärkere 
Durchfeuchtung des umgebenden (rewebes die Lamellenkörperchen 
mit einer Aufquellung reagieren dürften, unternahm ich schon 
seinerzeit, bald nach dem Erscheinen meiner Arbeit über das 
Glomus coceygeum und die Glomeruli caudales, worin ich meine 
Ansicht über die Funktion der Lamellenkörperchen auseinander- 
gesetzt hatte, diesbezügliche Versuche. 


Von drei jungen Katzen wurden Stücke des Mesenteriums, 
welche Vater-Pacinische Körperchen enthielten, auf einen 
Korkrahmen unter möglichster Vermeidung von Zerrungen mit 
Nadeln aufgespannt und zunächst ohne jeden Zusatz (und ohne 
Deckglas) unter dem Mikroskop mittels eines Okularmikrometers 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 179 


gemessen.) Hierauf wurde ein Tropfen physiologischer, auf 
Körpertemperatur erwärmter Kochsalzlösung auf das beobachtete 
Lamellenkörperchen gebracht, ohne dessen Lage zu verändern 
und abermals gemessen. Hierbei stellte sich sofort nach der 
Befeuchtung oder nur kurze Zeit (wenige Sekunden) nachher eine 
Formveränderung am Lamellenkörperchen ein und zwar im gegen- 
teiligen Sinne als erwartet worden war, indem nämlich in der 
Regel eine Verkürzung sowohl des Längen- wie des Breiten- 
durchmessers des Körperchens eintrat. In einigen Fällen konnte 
nicht mit voller Bestimmtheit die Längenabnahme der beiden 
Durchmesser nachgewiesen. sicher aber eine Längenzunahme der- 
selben ausgeschlossen werden. Die Messungen wurden allerdings 
wesentlich durch das die Körperchen umgebende Fettgewebe 
erschwert. Nach der Befeuchtung scheint das Gewebe über die 
Ränder des Körperchens gegen dessen Mitte etwas vorzurücken, 
wodurch die Umrisse des Körperchens verschleiert werden und 
eine scharfe Einstellung auf dieselben erschwert wird. 


Zunächst dachte ich daran, dass die Längenabnahme der 
beiden Durchmesser eine Folge der Konzentration oder der 
Temperatur der Kochsalzlösung sein könnte und versuchte deshalb 
mit stärkeren und schwächeren Kochsalzlösungen, dann mit 
wärmeren und kälteren Lösungen, aber immer mit demselben 
Erfolge. Stets konnte eine Längenzunahme der beiden Durch- 
messer ausgeschlossen, hingegen eine Längenabnahme derselben 
mit ziemlich grosser Sicherheit nachgewiesen werden. Ich habe 
seinerzeit die Veröffentlichung dieser Versuche unterlassen, da 
ich mir die Erscheinungen nicht erklären konnte und ich mir 
dachte, dass vielleicht doch Beobachtungsfehler, bedingt durch 
die erwähnten Verschiebungen des Fettgewebes in der Umgebung 
der Körperchen, vorliegen könnten. 


Angeregt durch die Arbeit Michailows nahm ich abermals 
die Versuche auf und zwar in einer etwas anderen Anordnung. 
Ich suchte nämlich durch erhöhten Druck in den Mesenterial- 

gefässen die Form der Lamellenkörperchen zu beeinflussen. Zu 
diesem Zwecke wurde folgendermassen vorgegangen: 


') Selbstverständlich wurde diese Prozedur möglichst rasch und 
unmittelbar nach dem Tode der Katze vorgenommen, so dass das beobachtete 
Mesenteriumstück noch nicht ausgetrocknet war. 


180 Siegmundv. Schumacher: 


Eine Katze wurde in Narkose durch Durchschneiden der 
Carotiden verbluten gelassen, dann die Brust- und Bauchhöhle 
eröffnet und eine Kanüle in die Aorta descendens vor dem Abgange 
der A. mesenterica superior eingebunden. Hierauf wurde ein Stück 
des Mesenteriums, in welchem ein Lamellenkörperchen möglichst frei 
lag, unter dem Mikroskope auf einen Korkrahmen mit Nadeln 
fixiert und die Länge und Breite des beobachteten Körperchens 
gemessen. Nachdem dies geschehen war, injizierte der Assistent 
bei mässigem Drucke physiologische, auf Körpertemperatur erwärmte 
Kochsalzlösung, während ich unter dem Mikroskope das vorher 
gemessene Lamellenkörperchen beobachtete. Während der Injektion 
sieht man, dass das Körperchen eine Formveränderung eingeht, 
die auf den ersten Blick nicht leicht zu definieren ist. Die Umrisse 
des Körperchens werden unschärfer, man muss auf ein anderes 
Niveau mit der Mikrometerschraube einstellen, um die Konturen 
wieder deutlich zu sehen und die Durchmesser genau messen zu 
können. Die Messung nach der Injektion ergab wieder, sowie 
nach der Befeuchtung eines Lamellenkörperchens am heraus- 
geschnittenen Gekrösestück, eine Verkürzung des Längen- sowie 
des Breitendurchmessers des Körperchens. 

So betrug in dem ersten diesbezüglichen Versuch: 
die Länge des Lamellenkörperchens vor der Injektion 1152 u; 


die Breite „ 2 NE e 720 u; 
die Länge „ u nach „ = Ir: 
die Breite „ a Bas e 688 u. 


Nach diesem Versuche wurden die Baucheingeweide samt 
der Aorta abdominalis herausgenommen, die A. coeliaca und die 
Aorta kaudal vom Abgange der A. mesenterica superior unter- 
bunden, wieder ein Teil des Mesenteriums mit einem Lamellen- 
körperchen unter das Mikroskop gebracht und gemessen. Hier- 
bei blieb die Kanüle in die Aorta abdominalis eingebunden 
und nun wurde nach der Messung des eingestellten Lamellen 
körperchens neuerdings physiologische Kochsalzlösung injiziert 
und nach der Injektion abermals gemessen. Hierbei ergaben sich 
folgende Maße: 


Länge des Körperchens vor der Injektiin . 928 u; 
breiten . ei, 2 er 5b0rn- 
Länge „ e nachzee 2 EUNA TEE 
Breite „ 5 u: 5 DSH: 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 181 


Dieser Versuch wurde bei einer zweiten Katze wiederholt, 
nur wurden hier schon gleich anfangs die Baucheingeweide samt 
der Aorta abdominalis herausgenommen und von letzterer aus 
(kranial vom Abgange der A. mesenterica superior nach Unter- 
bindung der A. coeliaca und des kaudalen Abschnittes der Aorta 
abdominalis) physiologische Kochsalzlösung injiziert. Ein vor und 
nach der Injektion gemessenes Lamellenkörperchen zeigte dieselben 
Veränderungen wie in den früheren Fällen; das heisst nach der 
Injektion — nachdem in diesem Falle allerdings auch auf die 
Oberfläche des beobachteten Gekrösestückchens physiologische Koch- 
salzlösung gebracht worden war — erschien der Längen- wie der 
Breitendurchmesser verkürzt: 


Länge des Körperchens vor der Injektion . 1360 u; 
Breite), h Se = 2800725 
Länge „ n nach „ " SIEHE 
Breite „ n era; R 26838. 1 


Hierauf wurde ein (rekrösestück mit einem anderen Lamellen- 
körperchen herausgeschnitten, eingestellt und gemessen, dann mit 
physiologischer Kochsalzlösung befeuchtet und abermals gemessen: 

Länge des Körperchens vor der Befeuchtung 1200 u; 


Breite „ 2 rs r 768 u; 
Länge „ u nach „ R 1168 u; 
Breite , 5 an; n 720 u. 


Weiterhin wurde ein Lamellenkörperchen vollkommen aus 
seiner Umgebung herauspräpariert, was unter Zuhilfenahme einer 
Lupe nicht schwer gelingt. Man spaltet zu diesem Zwecke die 
Tunica serosa mit einer spitzen Lanzette, worauf sich das 
Lamellenkörperchen aus dem Fettgewebe der Lamina mesenterii 
propria herausschälen lässt, so dass es vollständig frei, ohne 
anlagerndes Fettgewebe, unter dem Mikroskop beobachtet werden 
kann. Nun wurde das isolierte Körperchen zunächst auf einen 
Objektträger gebracht und ohne Zusatz (und ohne Deckgläschen) 
gemessen, hierauf wurde ein Tropfen physiologischer Kochsalz- 
lösung zugesetzt, so dass das Körperchen allseitig von Flüssigkeit 
umgeben war und abermals gemessen: 


Länge des Körperchens vor dem Flüssigkeitszusatz . 1200 u; 
Breite » » D) D) » . 832 u; 
Länge „ ; nach‘; , r 7 Mo 2: 


Breite „ 4 Susıla Y 2 


182 ‘Siegmund v. Schumacher: 


Noch später, etwa 2!/» Stunden nach dem Tode der Katze, 
wurden noch zwei weitere Körperchen isoliert, gemessen und 
befeuchtet. In diesen beiden Fällen konnte aber keine Verkürzung 
der beiden Durchmesser der Körperchen nach der Befeuchtung 
mehr nachgewiesen werden, eher erschienen nach dem Kochsalz- 
lösungzusatz die Durchmesser etwas vergrössert. 

Ein weiterer Versuch mit Injektion von physiologischer Koch- 
salzlösung durch die A. mesenterica superior bei einer dritten (alten) 
Katze ergab verhältnismässig geringfügige Änderungen in den 
Dimensionen eines beobachteten Körperchens: 


Länge des Körperchens vor der Injektion . . 992 u; 
Breite „ £ a 2 OHCALOTRE 
Länge „ Li nach „ 4 N 33 
Breite „ N Eu; s 624 u. 


Bei einer vierten und letzten (jungen) Katze ergab die 
Messung eines Körperchens vor und nach der Injektion von 
physiologischer Kochsalzlösung durch die Aorta abdominalis: 

Länge des Körperchens vor der Injektion . 1120 u; 


Breite ” „ » BD) » ö 560 u; 
Länge „ u nach „ L 104096: 
Breite „ e N n na Bl 2NHE 


Die aus den mitgeteilten Versuchen sich ergebende, auf den 
ersten Blick überraschende und unerwartete Tatsache der Abnahme 
des Längen- und Breitendurchmessers der Lamellenkörperchen 
sowohl bei grösserem Druck in den Gefässen als auch bei 
stärkerer Durchfeuchtung des umgebenden Gewebes würde sich 
leicht erklären lassen, wenn nachgewiesen werden kann, dass die 
Lamellenkörperchen bei verhältnismässig geringem Blutdruck, 
resp. schwacher Durchfeuchtung des anliegenden Gewebes keine 
Eiform besitzen, sondern abgeplattet sind, so dass also ihr Quer- 
schnitt nicht kreisförmig, sondern elliptisch wäre. 

Wir können die drei Dimensionen eines Lamellenkörperchens 
als Länge, Breite und Dicke bezeichnen. Die Länge und Breite 
würden parallel zur Oberfläche des Gekröses liegen, die Dicke 
senkrecht darauf, wobei also nachzuweisen wäre, dass die Breite 
im allgemeinen grösser ist als die Dicke. Würden nun, beim 
Zutrefien dieser Annahme, die Körperchen bei stärkerer Durch- 
feuchtung aufgebläht, so würde die nächste Folge die sein, dass 
die Körperchen, von der Fläche betrachtet, kürzer und schmäler er- 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc, 153 


scheinen werden, wobei natürlich ihr Dickendurchmesser zunehmen 
würde. Sind die äussersten Lamellen der Körperchen nicht oder nur 
sehr wenig dehnbar, so könnte die Aufblähung nur so weit gehen, 
bis die Dicke gleich gross wie die Breite des Körperchens geworden 
ist, so dass das Körperchen am Querschnitt Kreisförmig und nicht 
mehr elliptisch wie im kollabierten Zustande erscheinen würde. 

So zahlreiche Maßangaben über die an verschiedenen Ört- 
lichkeiten vorkommenden Vater-Pacinischen Körperchen, 
namentlich in der älteren Literatur, auch vorliegen, so beschränken 
sich diese nahezu ausnahmslos nur auf zwei Dimensionen, nämlich 
auf die Länge und Breite der Körperchen. Nur Rauber (9) 
spricht ausser von einer Länge und Breite auch von einer Dicke 
der Körperchen, ohne aber im allgemeinen für letztere gesonderte 
Zahlen anzugeben. Nur von den Lamellenkörperchen in den 
Gelenkkapseln des Hahnes bemerkt Rauber, „dass ihr Dicken- 
durchmesser etwas unter den Breitendurchmesser zurücksinkt“. 

In der Erwartung, die an frischen Lamellenkörperchen durch 
verschiedene Füllung der Gefässe resp. verschieden starke Durch- 
feuchtung des umgebenden Gewebes erzeugten Formveränderungen 
auch am konservierten Material nachweisen zu können, liess ich 
eine Katze verbluten, während einer zweiten gleichgrossen Katze, 
ohne sie vorher verbluten zu lassen, unmittelbar nach dem Nar- 
kosetode in die Aorta descendens ein grösseres Quantum auf 
Körpertemperatur erwärmter physiologischer Kochsalzlösung inji- 
ziert wurde. Die Baucheingeweide beider Katzen wurden in das 
gleichgrosse Quantum 10°/o Formalin eingelegt und nach ein- 
wöchentlicher Härtung wurde von beiden Katzen aus dem Gekröse 
eine grössere Anzahl von Stückchen mit Vater-Pacinischen 
Körperchen herausgeschnitten. Hierbei wurde die Schnittrichtung 
so gewählt, dass später eine Orientierung der Körperchen nach 
ihrer Längsachse möglich war. Die auf diese Weise gewonnenen 
Präparate wurden in genau gleicher Art weiterbehandelt, in 
Celloidin eingebettet und in Schnittreihen zerlegt. Die Schnitt- 
richtung wurde so gewählt, dass die Körperchen möglichst genau 
quer getroffen waren. 

Es war zu erwarten, dass die Körperchen der verbluteten Katze 
eine grössere Differenz zwischen Breiten- und Dickendurchmesser 
zeigen würden als die der injizierten Katze, vorausgesetzt, dass 
die Formen in ihrem natürlichen Zustande fixiert worden waren. 


184 Siegmundv. Schumacher: 


Leider war diesbezüglich das Ergebnis kein ganz einwand- 
freies, indem alle Lamellenkörperchen, sowohl von der injizierten 
als auch der verbluteten Katze, an ihrer Oberfläche stellenweise 
Schrumpfungen zeigten und zwar in der Richtung der Längsachse 
der Körperchen. Auch ein Fixierungsversuch in Formol-Alkohol 
ergab keine besseren Resultate. Wenn daher auch die Einzel- 
maße nicht in jedem Falle genau mit den Maßen der Körperchen 
im frischen Zustande übereinstimmen werden, so dürften doch 
die Durchschnittsmaße einen annähernd richtigen Ausdruck der 
Formverhältnisse der Körperchen geben. Von den Körperchen 
der verbluteten und der injizierten Katze wurden je zehn 
gemessen und zwar wurde in der Serie einer der Schnitte hierzu 
gewählt, der annähernd durch die Mitte des Körperchens geht. 
Ausdrücklich sei hervorgehoben, dass unter den zu messenden 
Körperchen keinerlei Auswahl getroffen, sondern die ersten zehn 
geschnittenen Körperchen beider Katzen gemessen wurden. In 
beistehender Tabelle führe ich die absoluten Breiten- und Dicken- 
maße der Körperchen der verbluteten und injizierten Katze und 
die daraus sich ergebenden Durchschnittsmaße an. Bemerkt sei 
hier noch, dass nahezu ausnahmslos der kleinere Durchmesser 
des Körperchenquerschnittes, also die Dicke, senkrecht auf die 
Fläche des Gekröses zu stehen kommt, während der grössere 
Durchmesser, die Breite, in der Fläche des Gekröses liegt. Nur 
in der unmittelbaren Nachbarschaft der grossen Gefässe, wo die 
Lamina mesenterii propria reichliches Fettgewebe führt, kommen 
Ausnahmen von dieser Regel vor. 


Injizierte Katze Verblutete Katze 
Nr. | Breite in « | Dicke in « Nr. Breite in« | Dicke in a 
1 560 560 1 512 | 384 
2 464 432 2 448 400 
b) 544 | 512 3 60 | 304 
Re 576 512 4 512 | 448 
5) 544 544 5 | 560 368 
6 576 512 Bun 464 384 
7 688 | 640 7 592 | 416 
3 544 368 8 464 | 320 
g | 480 | 480 9 512 | 512 
10 544 | 464 10 560 400 
Durch-) Pe | Br Durch- 2 | One 
schnitt 552 | 502.4 schnitt 518.4 | 393.6 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 185 


Aus den vorstehenden Zahlen ergibt sich zunächst, wie ja 
zu erwarten war, dass der Querschnitt der Lamellenkörperchen 
der injizierten Katze von der Kreisform weniger abweicht als der 
der verbluteten Katze, indem sich bei ersterem im Durchschnitt 
die Breite zur Dicke verhält wie 552:502,4, bei letzterem wie 
518,4:393,6. Setzt man in beiden Fällen die Breite = 1, so 
ergibt sich für die Körperchen der injizierten Katze eine Dicke 
von 0,910, für die der verbluteten von 0,759. In Textfig. 3 
habe ich dieses Verhältnis bildlich ausgedrückt. 


a { 


Durchschnittliche Umrisse des Querschnittes von Lamellenkörperchen; a nach 
Kochsalzinjektion in die Gefässe, b nach Verblutung. 


Bei ein und demselben Körperchen müsste bei der Zunahme 
des Diekendurchmessers eine entsprechende Abnahme des Breiten- 
durchmessers eintreten; man würde demnach bei der injizierten 
Katze einen im Durchschnitt kleineren Breitendurchmesser 
erwarten als bei der verbluteten Katze. Dass der gefundene 
Durchschnittswert für den Breitendurchmesser bei der injizierten 
Katze grösser ist als bei der verbluteten, dürfte sich einerseits 
durch die verschiedene Grösse der Lamellenkörperchen bei ein 
und derselben Katze erklären lassen — es könnten ja zufällig 
bei der injizierten Katze verhältnismässig breite Körperchen zur 
Messung gelangt sein — andererseits durch die längst bekannte 
Tatsache, dass bei verschiedenen Katzen die Lamellenkörperchen 
in hohem Grade verschiedene Durchschnittsdimensionen aufweisen, 
so dass in diesem Falle die injizierte Katze durch Lamellen- 
körperchen grösserer Dimensionen gegenüber der verbluteten 
ausgezeichnet gewesen sein könnte. 

Bei Betrachtung der einzelnen Werte der Körperchen- 
dimensionen beider Katzen findet man, dass bei der injizierten 


186 Siegmund v. Schumacher: 


Katze drei von zehn Körperchen genau gleichbreit und gleichdick 
erscheinen, während dies bei der verbluteten Katze nur für eins 
von zehn Körperchen zutrifft. Die grössten Differenzen zwischen 
Breite und Dicke zeigt das Körperchen Nr. 3 der verbluteten 
Katze mit 560 « Breite und 304 «u Dicke, bei der injizierten 
Katze Nr. S mit 544 4 Breite und 368 « Dicke. Demnach 
erreicht keines von den Körperchen der injizierten Katze, in 
bezug auf die Grösse der Differenz zwischen Breiten- und Dicken- 
durchmesser, das am meisten abgeflachte Körperchen der ver- 
bluteten Katze. Es kann somit ein Körperchen derart auf- 
gebläht werden, dass es am Querschnitt kreisförmig erscheint, 
während andererseits ein Körperchen so weit kollabieren kann, 
dass sein Dickendurchmesser nicht viel mehr als die Hälfte des 
Breitendurchmessers beträgt (Dicke: Breite = 304:560), wobei 
nicht gesagt sein soll, dass nicht noch eine grössere Differenz 
zwischen Dicken- und Breitendurchmesser erreicht werden könnte. 
In Textfig. 4 sind diese beiden Grenzfälle bildlich dargestellt. 


h 


0 
Fig. 4. 
Querschnittsumrisse, a eines maximal aufgeblähten Lamellenkörperchens nach 
Kochsalzinjektion in die Gefässe. b eines maximal kollabierten Körperchens 
nach Verblutung. 


Jedenfalls ergibt sich aus dem angeführten Verhältnis des 
Dicken- zum Breitendurchmesser, dass im allgemeinen die 
beiden Querdurchmesser nicht gleichgross sind, 
dass also nahezu alle Körperchen in der Richtung 
der Flächenausdehnung des Gekröses abgeflacht 
erscheinen und dass nur bei extremer Füllung der 
Lamellenräume ihre Querdurchmesser gleichgross 
werden können. Würde man ein Körperchen auf seine 
Schmalseite (Kante) eingestellt haben und nun durch Injektion den 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 157 


Druck in den Gefässen erhöhen, so wäre zu erwarten, dass bei 
der Injektion der @Querdurchmesser zunehmen und der Längs- 
durchmesser abnehmen würde. Da aber, wie schon gesagt, die 
Körperchen im allgemeinen so orientiert sind, dass ihre Breite 
(d. i. der grössere Querdurchmesser) mit der Fläche des Gekröses 
zusammenfällt und nur dort, wo die Lamina mesenterii propria 
durch reichliches Fettgewebe ausgezeichnet ist, d. i. an Stellen, wo 
überhaupt im frischen Zustande eine Messung der Körperchen infolge 
der beträchtlichen Dicke des Gekröses ausgeschlossen erscheint, 
die Körperchen auch anders eingestellt sein können, erklärt es 
sich, dass in allen beobachteten Fällen eine Abnahme des queren 
Durchmessers nach der Injektion resp. nach der Befeuchtung der 
Körperchen eingetreten ist. 

Dass die Iamellenkörperchen in der Regel nicht walzen- 
förmig, sondern abgeflacht sind, lässt sich ohne weiteres an 
isolierten Körperchen sowohl im frischen als auch im fixierten 
Zustande unter dem stereoskopischen Mikroskope nachweisen.!) 

Wurde schon durch die Belastungsversuche von Rauber 
gezeigt, dass die Lamellenkörperchen durch geringen auf ihre 
Oberfläche wirkenden Druck ihre Gestalt verändern, so ergaben 
meine Versuche, dass ebenso eine Formveränderung der Körper- 
chen eintritt bei stärkerer Füllung ihrer Lamellenräume, bedingt 
durch stärkeren Druck in den EFigengefässen des Körperchens 
und, wie es scheint, auch durch stärkere Durchfeuchtung des 
umgebenden tewebes, wobei es wahrscheinlich zu einer Diffusion 
von der Umgebung in die Lamellenräume kommt. Wir haben 
uns vorzustellen, dass bei mässigem Blutdruck und 
daher auch bei mässiger Durchfeuchtung des 
Gewebes die Körperchen in mässigem Grade kolla- 


!) Bemerkt sei hier noch, dass nach der Kochsalzinjektion das 
Mesenterium bedeutend dicker erscheint als nach der Verblutung; die Lamina 
mesenterii propria ist aufgequollen. Man könnte vielleicht daran denken, 
dass diese Aufquellung des Mesenteriums die Ursache für die Formver- 
änderung der Lamellenkörperchen ist, so dass diese durch die unmittelbare 
Anlagerung der beiden Tunicae serosae abgeflacht werden und sobald durch 
Aufquellung der Lamina propria mehr Raum für die Lamellenkörperchen 
geschaffen wird, diese, ihrer Elastizität folgend, sich mehr der Kugelform 
nähern. Gegen diese Auffassung spricht aber die Tatsache, dass auch voll- 
ständig isolierte Körperchen für gewöhnlich abgeflacht erscheinen und erst 
nach Befeuchtung walzenförmig werden. 


188 Siegmundv. Schumacher: 


biert sind, während sie bei wachsendem Blutdruck 
so weit aufgebläht werden, als es die oberfläch- 
lichsten Lamellen gestatten. Dass es hierbei nicht zu 
einer Vergrösserung der Oberfläche der Körperchen kommt, dass 
also die Körperchen bei höherem Blutdruck nicht in allen ihren 
Dimensionen zunehmen, muss auf einer geringen Ausdehnungs- 
fähigkeit der Lamellenwände beruhen. Veränderungsfähig 
ist nur das Volumen, nicht aber die Grösse der Ober- 
fläche. Geht ein Körperchen aus dem kollabierten 
in den aufgeblähten Zustand über, so muss ent- 
sprechend der Dickenzunahme die Breite und auch 
die Länge abnehmen; es muss sich das Körperchen 
mehr oder weniger der Kugelform nähern. 

Bei starker Füllung der Lamellenräume mit Flüssigkeit 
muss ein Druck auf die Nervenendigungen im Innern des 
Körperchens ausgeübt werden. Dieser Druck wird allerdings so 
lange schwach sein, als das Körperchen noch abgeflacht ist, 
sobald es aber Walzenform angenommen hat und sich nicht mehr 
weiter aufblähen kann, wird die Druckwirkung auf die Nerven- 
endigungen im Innern des Körperchens voll zur Geltung gelangen. 
Da der Innenkolben, sowie das ganze übrige Körperchen aus mit 
Flüssigkeit gefüllten Lamellen aufgebaut wird, so erscheint er 
sehr gut geeignet, einen Druck auf den Achsenzylinder zu 
übertragen. 

Es ist anzunehmen, dass die Nervenendigungen im Körper- 
chen durch den auf sie ausgeübten Druck erregt werden, dass 
diese Erregung zentripetal weitergeleitet und auf die Vasomo- 
toren übertragen wird, so dass in dem Gefässgebiete, wo das 
stark gefüllte Körperchen, von dem die Erregung ausging, 
gelegen ist, der Blutdruck sinkt. Bei steigendem Blutdruck in 
einem (refässgebiete, das Lamellenkörperchen enthält, muss auch 
der Druck in den reichlichen Eigengefässen der Körperchen 
zunehmen und die unmittelbare Folge wird eine stärkere Trans- 
sudation aus den Binnengefässen des Körperchens in die Lamellen- 
räume hinein sein, letztere werden stärker gefüllt, der Binnen- 
druck des Körperchens steigt, die Nervenendigungen im Körperchen 
werden erregt. 

Die Versuche lassen vermuten, dass auch eine stärkere 
Durchfeuchtung des Gewebes in der Umgebung der Körperchen, 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 189 


wie eine solche bei höherem Blutdruck eintreten muss, aufquellend 
auf die Körperchen einwirkt. Es dürfte von aussen her in das 
Körperchen hinein Flüssigkeit diffundieren, vorausgesetzt, dass 
im Innern der Körperchen ein kleinerer Flüssigkeitsdruck herrscht 
als in der Umgebung. Wenigstens wird ein grosser Flüssigkeits- 
gehalt des umgebenden (Gewebes bei steigendem Druck im 
Körperchen eine Diffusion aus dem Körperchen in die Umgebung 
bis zu einem gewissen Grade verhindern und so einer Abnahme 
der Blähung des Körperchens entgegenwirken. 

Ausserdem dürfte auch der innigen Lagebeziehung der 
Lamellenkörperchen zu grösseren (refässen, wie man sie an vielen 
Örtlichkeiten findet, eine funktionelle Bedeutung zukommen und 
zwar in der Art, dass, wie dies schon Thoma (14) ausgesprochen 
hat, stark gefüllte Gefässe einen Druck auf die Oberfläche der 
Körperchen ausüben, der auf die Nervenendigungen übertragen 
werden könnte und zwar um so wirksamer, je stärker die Körperchen 
mit Flüssigkeit gefüllt sind. 

So dürften alle drei Momente, nämlich starke 
Füllung der Binnengefässe des Körperchens, hoch- 
gradige Durchfeuchtung des umgebenden Gewebes 
und starke Füllung der dem Körperchen ober- 
flächlich angelagerten Gefässe gleichzeitig zu- 
sammenwirken können, um den Druckeffekt auf die 
Nervenendigungen im Körperchen zu erhöhen. 

Weiterhin spricht, wie schon früher hervorgehoben, die 
Lokalisation für die Auffassung der Lamellenkörperchen als Blut- 
druckregulatoren: Das oft massenhafte Vorkommen derselben in 
der Nähe der arterio-venösen Anastomosen (in den Endphalangen 
der Fledermäuse, in der Gegend des Glomus coccygeum beim 
Menschen, im Schwanze der langschwänzigen Säugetiere), die wohl 
allgemein als blutdruckregulatorische Apparate aufgefasst werden; 
die Lagerung in der Adventitia (oder deren unmittelbaren Nach- 
barschaft), der Aorta und ihrer grösseren Äste (Thoma); das 
reichliche Vorhandensein in serösen Häuten (Mesenterium der 
Katze) und in den Gelenkskapseln, wo ja eine Feuchtigkeits- 
regulation von grösster Bedeutung ist. Auch das Vorkommen 
der Körperchen an den Fingern, speziell an den Endgliedern, das 
wohl zunächst die Ursache war, die Körperchen als Drucksinnes- 


organe aufzufassen, spricht eher für als gegen die Auffassung, 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.77. Abt.1I. 14 


190 Siegmundv. Schumacher: 


dass die Lamellenkörperchen Blutdruckregulatoren sind. Gerade hier 
ist ja eine prompte Wärmeregulation nötig und diese geht Hand 
in Hand mit der Blutdruckregulation. 

Freilich muss die hier entwickelte Auffassung der Lamellen- 
körperchen als Blutdruckregulatoren vor der Hand noch Hypothese 
bleiben, aber wie mir scheint, eine besser begründete als die, 
welche den Lamellenkörperchen die Funktion von Drucksinnes- 
organen beilegt. Für die erstere Hypothese spricht der Bau der 
Körperchen, ihre Lokalisation und das Ergebnis der Versuche, 
indem gezeigt werden Konnte, dass bei stärkerem Druck in den 
Gefässen sich die Körperchen aufblähen, während sie bei 
schwächerem Blutdruck kollabieren. 


Zusammenfassung. 


Die Lamellenkörperchen sind aus Hohllamellen (Hohlkapseln) 
aufgebaut. Jede Lamelle besteht aus zwei bindegewebigen Wan- 
dungen, zwischen denen ein spaltförmiger, mit Flüssigkeit gefüllter 
Raum gelegen ist (Key und Retzius). Die Oberfläche der 
Lamellen ist von flachen Zellen bekleidet. Die Hohllamellen sind 
einander nur angelagert, nicht miteinander fester verbunden. 
Infolgedessen können sich zwei benachbarte Lamellen voneinander 
abheben (wahrscheinlich nur postmortal), wodurch ein Spaltraum 
entsteht. Die Spalträume sind zum Unterschiede von den Lamellen- 
räumen nicht mit Flüssigkeit gefüllt, enthalten auch keine Binde- 
gewebsfibrillen. 

Ein elastisches Fasernetz findet sich nicht nur an der Ober- 
fläche der Lamellenkörperchen (Michailow), sondern es konnte 
ein solches in den Wandungen der drei bis vier äussersten Lamellen 
nachgewiesen werden. 

Der Innenkolben ist ebenso aus Lamellen aufgebaut, wie die 
nach aussen von ihm gelegenen Anteile des Körperchens (Merkel). 
Die Lamellen des Innenkolbens unterscheiden sich aber von den 
weiter peripher gelegenen dadurch, dass sie nicht geschlossene 
doppelwandige Röhren darstellen, sondern nur doppelwandige 
Halbrinnen, die paarweise konzentrisch um den zentralen Achsen- 
zylinder angeordnet sind. Die Kanten der Halblamellen des Innen- 
kolbens sind so orientiert, dass sie in ihrer Gesamtheit entweder 
einen ganz schmalen Spaltraum jederseits einschliessen, der in 
der Verlängerung der Schmalseiten des zentralen Achsenzylinders 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 191 


gelegen ist; oder es können die Kanten der Halblamellenpaare sich 
berühren, so dass in der Verlängerung der Schmalseiten des Achsen- 
zylinders eine Art Naht entsteht. 

Die im Innenkolben gelegenen Zellkerne sind prinzipiell 
nicht verschieden von den übrigen an der Oberfläche der Lamellen 
gelegenen Kernen. 

Die dunklere Färbung (am gefärbten Präparat) des Achsen- 
zylinders ist bedingt durch die stärkere Färbbarkeit der in seinen 
Lamellenräumen enthaltenen Flüssigkeit und die geringere Weite 
der Lamellenräume (dichtere Lagerung der Kapselwände). 

Blutgefässe dringen, wie längst bekannt, hauptsächlich in 
der Gegend des basalen Poles mit den Nerven in die Lamellen- 
körperchen ein, seltener am distalen Pole oder an anderen Stellen 
der Oberfläche und bilden im basalen Abschnitt der Körperchen 
ein schlingenreiches Kapillarnetz, von dem eine Schlinge bis an 
die Basis des Innenkolbens heranreicht, oder höchstens nur auf eine 
ganz kurze Strecke in den Anfangsteil des Innenkolbens eindringt. 
Der Hauptteil des Innenkolbens bleibt (wenigstens bei den Lamellen- 
körperchen im Mesenterium der Katze) stets gefässfrei. In allen 
übrigen Teilen des Körperchens können Kapillaren vorkommen. 

Bei steigendem Druck in den Gefässen blähen sich die 
Lamellenkörperchen infolge stärkerer Füllung ihrer Lamellen- 
räume auf; sie nähern sich mehr der Kugelform, während sie für 
gewöhnlich mehr oder weniger abgeflacht (kollabiert) erscheinen, 
so dass ihr Dickendurchmesser hinter dem Breitendurchmesser 
zurücksteht. Die Füllung der Körperchen kann so weit gehen, 
bis der Dickendurchmesser gleich dem Breitendurchmesser wird. 
Eine Oberflächenvergrösserung findet hierbei nicht statt. 

Eine Aufblähung der Körperchen scheint auch bei stärkerer 
Durchfeuchtung des dieselben umgebenden Gewebes einzutreten. 

Die Anlagerung der Lamellenkörperchen im Mesenterium 
der Katze an grössere Gefässe ist eine so innige, dass wahr- 
scheinlich bei starker Füllung der Gefässe auf die Oberfläche der 
Körperchen ein Druck ausgeübt wird. 

Der Bau, die Lage und die Versuchsergebnisse sprechen 
dafür, dass die Lamellenkörperchen Blutdruckregulatoren sind. 


Wien, Anfang März 1911. 


14* 


192 


I) 


Ne) 


Fig. 


Siegmundv. Schumacher: 


Literaturverzeichnis. 


Grosser, O.: Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Gefäss- 
systems der Ohiropteren. Anat. Hefte, H. 55, 1901. 

Henle, J. und Kölliker, X.: Über die Pacinischen Körperchen 
an den Nerven des Menschen und der Säugetiere. Zürich 1844. 
Herbst, @G.: Die Pacinischen Körper und ihre Bedeutung. Ein 
Beitrag zur Kenntnis der Nervenprimitivfasern. Göttingen 1848. 
Key, A. und Retzius, G.: Studien in der Anatomie des Nerven- 
systems. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 9, 1873. 

Kölliker, A.: Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Bd. I, 1889. 
Merkel, Fr.: Über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut 
der Wirbeltiere. Rostock 1850. 

Michailow, S.: Die Struktur der typischen Vater-Pacinischen 
Körperchen und ihre physiologische Bedeutung. Folia neuro-biolog., 
Ba. II, 1909. 

Rainer, Fr. J.: Sur l’existence d’un type geant de corpuscule de 
Pacini. Compt. rend. Soc. biol. Paris, T. 67, 1909. 

Rauber, A.: Untersuchungen über das Vorkommen und die Bedeutung 
der Vaterschen Körper. München 1867. 

Retzius, G@.: DiePacinischen Körperchen in Golgischer Färbung. 
Biolog. Untersuch., N. F., Bd. 6, 1894. 

Derselbe: Zur Frage von der Endigungsweise der peripherischen sensiblen 
Nerven. Biolog. Untersuch., N. F., Bd. 8, 1898. 

v. Schumacher, $.: Über das Glomus coccygeum des Menschen und 
die Glomeruli caudales der Säugetiere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 71, 1907. 
Stöhr, Ph.: Lehrbuch der Histologie und mikroskopischen Anatomie 
des Menschen. 13. Aufl., 1909. 

Thoma, R.: Über die Abhängigkeit der Bindegewebsneubildung in 
der Arterienintima von den mechanischen Bedingungen des Blutumlaufes. 
lI. Das Verhalten der Arterien in Amputationsstümpfen. Virchows 
Arch., Bd. 95, 1884. 

Van de Velde, E.: Die fibrilläre Struktur der Nervenendorgane. 
Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. 26, 1909. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII. 


(Sämtliche Abbildungen sind mit dem Prisma entworfen.) 


1. Zentraler Anteil eines Querschnittes durch ein Lamellenkörperchen 
aus dem Mesenterium einer verbluteten Katze. 10°/ Formalin, 
Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 680fach. A — zen- 
traler Achsenzylinder, I = Innenkolben, gS — gemeinsamer Spalt- 
raum, begrenzt von den Kanten der Halblamellen des Innenkolbens 
und der innersten kontinuierlichen Lamelle, kL = innerste kon- 
tinuierliche Lamelle, K = Kern im gemeinsamen Spaltraum, 
L = Lamellenräume, S — Spalträume. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


5, 6, 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 193 


Zentraler Anteil eines Querschnittes durch ein Lamellenkörperchen 
aus dem Mesenterium von derselben Katze wie Fig. 1. Behandlung, 
Vergrösserung und Bezeichnungen wie in Fig. 1. Die Kanten der 
inneren Halblamellen des Innenkolbens berühren sich, so dass an 
dieser Stelle statt eines gemeinsamen Spaltraumes eine Art Naht 
entsteht. 

Schrägschnitt durch ein Lamellenkörperchen aus der Nähe des Glomus 
coceygeum eines jungen Weibes. 10°/o Formalin, Delafieldsches 
Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 250fach. Alle Kapillaren des Lamellen- 
körperchens enthalten rote Blutkörperchen. 

Längsschnitt (etwas seitlich vom Achsenzylinder) durch ein Lamellen- 
körperchen aus dem Schwanze eines Macacus rhesus. Zenkersche 
Flüssigkeit, Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 85fach. 
Drei längs getroffene Kapillaren — K im basalen Achsenteil, mehrere 
im Bindegewebe eingebettete Querschnitte von Kapillaren in der 
Gegend des distalen Poles und Durchschnitte durch Kapillaren an 
verschiedenen anderen Stellen des Körperchens. 

7 und 8. Lamellenkörperchen aus dem Mesenterium der Katze. 
Gefässe mit Berlinerblau injiziert; 10° Formalin mit Xylol auf- 
gehellt, ungefärbt. Vergr. 85fach. Arterien (= A) dunkelgrau, 
Venen (= V) und Kapillaren schwarz. Die Abbildungen zeigen 
die innige Lagebeziehung der Lamellenkörperchen zu den Gefässen. 
Die Binnengefässe der Körperchen (= K) sind nur in Fig. 7 gut 
gefüllt, teilweise auch in Fig. 5. 

Zeigt ein Körperchen, das ausser Blutgefässen auch einem grösseren 
Lymphgefäss (— L) innig anliegt. 

Zwei unmittelbar einander angelagerte Körperchen. Zwischen den 
Berührungsflächen zieht eine grössere Arterie und Vene. 

In kleiner Entfernung von der Basis des Körperchens sind zwei 
arterio-venöse Anastomosen (= An) sichtbar. Von dem in der 
Nähe der Basis des Körperchens gelegenen Kapillarnetz zweigt 
das Binnengefässnetz des Körperchens (= K) ab. In diesem 
erkennt man deutlich eine etwas stärkere Schlinge, die bis zum 
zentralen Achsenteil des Körperchens reicht. 

Arterie und Vene liegen so innig dem Körperchen an, dass sie 
dessen Oberflächenkrümmung mitmachen. 

Längsschnitt durch ein Lamellenkörperchen aus dem Mesenterium 
der Katze. Gefässinjektion mit Berlinerblau. 10°, Formalin, 
Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 17Ofach. Reichliche 
Kapillaren nicht nur im proximalen Achsenteil, sondern auch an 


anderen Stellen in den Lamellenräumen. K = Kapillarschlinge, 
die bis gegen die Basis des Innenkolbens reicht. A — zentraler 
Achsenzylinder, I — Innenkolben, S = Spaltraum zwischen Innen- 


kolben und innerster kontinuierlicher Lamelle. iL — innerste, dicht 
gelagerte kontinuierliche Lamellen. 


194 


Aus der Prosektur des Krankenhauses Balachany (Baku). 


Studien über den Bau und das Wachstum der 


Nervenzellen. 


Von 
M. Mühlmann. 


Hierzu Tafel IX. 


Die Entwicklung der Nervenzelle ist vielfach Gegenstand 
der Untersuchung gewesen. Dabei wurde die Aufmerksamkeit 
hauptsächlich auf die Bildung der Nervenzelle aus dem indifferenten 
Zustand gerichtet. Weniger bekannt ist das Wachstum der 
Nervenzelle von dem Moment an, als sie den indifferenten Zustand 
bereits hinter sich hat und zu einem Bestandteil des Nerven- 
systems geworden ist. Folgende Untersuchung hat den Zweck 
diese Lücke auszufüllen. Als Untersuchungsobjekte dienten 
Nervenzellen vom Rind, Mensch, Schaf, Kaninchen und Meer- 
schweinchen. Von allen diesen Tieren wurden Embryonen von 
möglichst frühem Alter an, aber mit bereits ausgebildeten Nerven- 
zellen in verschiedenen Entwicklungsstadien bis zum erwachsenen 
Alter hin der Untersuchung unterzogen. Die Verhältnisse bei 
allen diesen Säugetieren erwiesen sich ziemlich gleich. Da die 
grösste Zahl der untersuchten Embryonen dem Rind angehörte, 
so halten wir uns bei der Darstellung der Untersuchungsergebnisse 
hauptsächlich an dieses Tier. 

Die Tiere wurden sofort nach dem Schlachten längs der Wirbelsäule 
zerlegt, so dass Spinalganglien und Rückenmarksstücke erwachsener Tiere 
etwa 30 Minuten nach dem Tode derselben in die gewünschte Fixier- 
flüssigkeit gebracht wurden. Embryonen bekam ich etwa 20 Minuten nach 
dem Tode der Mutter. Vom Schaf und den übrigen untersuchten Tieren 
konnte das Material erst in einem kurzen Intervall nach dem Tode des 
Tieres zur Untersuchung gelangen. 

Die Objekte wurden in Sublimat, Zenkerformol oder Orthscher 
Flüssigkeit fixiert, mitBöhmers, Hansens, Heidenhains Hämatoxylin, 
Giemsas Methylenazureosingemisch!)und Biondis Dreifarbengemisch?) ge- 


') Das Giemsagemisch wurde in 5°'o Lösung gebraucht, die Präparate 
darin 24 Stunden gelassen, dann mit Alkohol entfärbt. Manchmal wurde 
ein minimaler vorheriger Zusatz von Essigsäure erforderlich. 

°) Biondis Lösung wurde in üblicher starker Verdünnung mit gleich- 
falls geringem Essigsäurezusatz gebraucht. Stetige Kontrolle des Papierfleckens. 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 195 


färbt, sowie auch in Flemmings Lösung fixiert oder nach Mar chi bearbeitet. 
Spezielle mikrochemische Untersuchungen, welche angewandt wurden, finden 
an entsprechender Stelle Besprechung. Die Studien der Neurofibrillen- 
entwicklung haben wir unterlassen, da hierüber für die Fötalperiode ein- 
gehende Untersuchungen von Bielschowsky und Brodmann, 
Gierlich und Herxheimer und Held vorliegen. Ich unterlasse auch 
eine Literaturübersicht über den Bau und die Zusammensetzung des Kernes, 
welcher in der vorliegenden Untersuchung hauptsächlich in Betracht kam, 
weil das meiste, was bezüglich desselben bekannt ist, nicht die Nervenzelle, 
sondern hauptsächlich die Eizelle betrifft, und darüber gibt es eingehende 
Übersichten in den Monographien von ©. Hertwig, M. Heidenhain, 
Ogneff, Ruzicka, Zaccharias, Carnoyund Lebrun, Montgomery 
und anderen. Das ganze, was vom Kern der Nervenzelle bekannt ist, findet 
unten Berücksichtigung. 


Rind. 

Nachdem die Untersuchung beendet war, liessen sich in 
verschiedenen Wachstumsperioden des Organismus eigentümliche 
Veränderungen nachweisen, die die Einteilung des embryonalen 
Wachstums in mehrere Stadien als zweckmässig erwiesen. Die 
folgenden vier Stadien, nach welchen die Darlegung der Unter- 
suchungsergebnisse geordnet ist, entsprechen etwa denjenigen eines 
kleinen, mittelgrossen, grösseren und grossen Embryo. 


17 Stadıum. 


Von kleineren Embryonen (2—6 cm) wurden 13 Exemplare') 
untersucht. Die Befunde bei ihnen sind ziemlich gleichartig, 
weshalb sie zusammen geordnet werden. 

Im Hämatoxylineosinpräparat ist das Protoplasma rot, leicht 
gekörnt, der Kern nimmt etwa °/s der Grösse des Zelleibes ein, 
ist rund, durch einen scharfen Rand vom Protoplasma abgegrenzt. 
Der Kern enthält zahlreiche dunkelviolett gefärbte Körnchen, 
von denen mehrere sich durch ihre Grösse auszeichnen. Wir 
wollen die letzteren zunächst alle als Kernkörperchen, Nukleolen, 
bezeichnen. Sie treten in verschiedener Zahl auf, selten in der 
Einzahl, meist drei, vier und fünf. Manchmal lassen sich auch 
sechs und sieben Nukleolen zählen. Die Nukleolen sind meist 
gleichgross, besonders wenn sie in grösserer Zahl auftreten, 
manchmal ist ein Körperchen grösser als die übrigen. Dies ist 
am häufigsten der Fall, wenn ein Kernkörperchen, und das ist 


!) Davon 1&2tm, 332,5 cm,1ä3cm, 133,5cm,1&3,7 cm, la4cm, 
1&45cm, 15cm, 225,5 und 136 cm. 


196 M. Mühlmann: 


das grössere, mehr zentralwärts liegt, die übrigen peripherisch 
im Kern. Es ist eine ziemlich gewöhnliche Erscheinung, dass 
die Körperchen im Kern randständig sind, gewissermassen als 
Verdickung des Kernrandes erscheinen. Ihre Form ist dann 
nicht selten halbmondförmig, kappenartig. Sonst ist die Form 
des Kernkörperchens ziemlich verschieden, selten vollkommen 
kreisrund. Eine nähere Struktur lässt sich in den Nukleolen 
wegen ihrer Kleinheit nicht wahrnehmen. Ihr Durchmesser über- 
steigt kaum 0,001 mm. Im Kern lassen sich manchmal violette 
(durch Alaunhämatoxylin) oder schwarze (durch Eisenhämatoxylin) 
in Fäden geordnete Kügelchen oder Stäbchen unterscheiden, 
welche die Nukleolen untereinander verbinden. 

Das Eisenhämatoxylinpräparat, in welchem das Protoplasma 
vollständig entfärbt ist und als homogene grauliche oder spärlich 
gekörnte Masse erscheint, bringt die Nukleolen am schärfsten in 
Form von schwarzen Körnern hervor. Die Zahl, Lage, Grösse 
und Form der Körperchen ist hier gleichfalls besser zu über- 
sehen, als in anders gefärbten Präparaten (Fig. 1). 

Bei Giemsafärbung ist das Protoplasma bläulich, der Kern 
rötlich, die Kernkörperchen bläulichviolett. Es lassen sich diese 
Nuancen nicht immer schön hervorbringen, und die rote Farbe 
tritt oft zurück. Niemals werden die Körperchen in derselben 
grossen Anzahl wie im Hämatoxylinpräparat mitgefärbt. 

Bei Biondifärbung ist das Protoplasma rötlich, im Kern 
tritt die grüne Farbe in den Vordergrund. Es lässt sich gut 
wahrnehmen, dass die grüne Farbe nicht durch die gleichmässige 
Färbung aller Kernteile hervorgebracht wird. Die geringe Grösse 
dieser gefärbten Teile lässt sie aber nicht immer distinkt 
abgrenzen und manchmal ist der Kern diffus grün gefärbt 
(Fig. 2a). Gewöhnlich aber scheint ein spärlich rötliches oder 
ungefärbtes Netz im Kern vorzuliegen, in dessen Knoten grüne 
Körner eingelagert sind (Fig. 2b), diese grünen Körner entsprechen 
den Nukleolen. Allerdings lassen sich niemals diese grünen 
Körperchen in derselben Menge nachweisen, wie im Hämatoxylin- 
präparat. An einem Präparat konnte ich feine grüne unregel- 
mässig gefärbte Fäden unterscheiden, die die Nukleolen mit- 
einander verbanden. 

Wir sehen also, dass nicht alle Färbemittel: die verschiedenen 
Bestandteile der Nervenzelle gleich tingieren. Nur die Hämatoxylin- 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 197 


präparate liefern gleiche Bilder, mag es Hansens, Böhmers 
oder Eisenhämatoxylin sein. Es treten da im Kerne mehrere 
grössere Körner von verschiedener Form und zahlreiche kleinere 
meist rundliche Körnchen auf. Alle sind gleich gefärbt und 
stellen also die chromatische Substanz des Kernes dar. Gemäss 
dem üblichen Gebrauch müssen wir die grösseren als Nukleolen 
bezeichnen, die anderen einfach als Chromatinkörnchen. In den 
Nukleolen lässt sich vorläufig keine Differenzierung unterscheiden; 
der Rand ist stärker als das Innere gefärbt, aber das kann ein- 
fach auch eine optische Erscheinung sein. Sowohl die Chromatin- 
körnchen, wie die Nukleolen sind keineswegs kreisrund, sondern 
von sehr variabler Form, die sich der runden nähert. 

Die Metallverbindungen des Hämatoxylins färben haupt- 
sächlich basophile Substanzen, sie können aber mitunter auch 
oxyphile Substanzen tingieren. Es wäre also auf Grund des 
Hämatoxylinpräparates unrichtig, auf die Natur der gefärbten 
Körnchen zu schliessen. Carnoy und Lebrun führten ausge- 
dehnte Untersuchungen über die Natur der Kernsubstanzen im 
Batrachierei aus und erklären die darin beobachteten Nukleolen 
gegenüber den Untersuchungen von Zaccharias u.a. für nuklein- 
haltige. Diesen Standpunkt teilt mit einigen Einschränkungen 
auch Lubosch. Die Autoren geben zwar an, dass sie sowohl 
Hämatoxylin-, als Methylgrünfärbungen anwendeten, aber aus den 
Schilderungen und Zeichnungen Carnoys und Lebruns ist deutlich 
zu ersehen, dass sie ihre Schlüsse aus Hämatoxylinpräparaten 
zogen. Die Untersuchungen an den Nervenzellen zeigen mit 
Evidenz, dass die Methylgrünpräparate von den Hämatoxylin- 
präparaten insofern abweichen, als nicht alles Chromatin vom 
Methylgrün angegriffen wird. Es wurde eine geringere Körner- 
zahl durch Biondis Gemisch grün gefärbt, somit sind nicht alle 
Chromatinkörner basophil. Wir wissen andererseits nach den 
Untersuchungen von Pappenheim, dass Methylgrün die ganz 
spezifische Eigentümlichkeit besitzt, aus allen sonstigen chromo- 
philen Substraten bloss Nuklein zu tingieren. Damit ist aber 
nicht gesagt, dass alles, was von Methylgrün nicht tingiert wird, 
nicht basophil sein kann. Nuklein wird von stark alkalischem 
Methylgrün dissociert, bei Anwendung aber von anderen Basen- 
srundlagen lassen sich, wie die Untersuchungen von Mosse 
zeigten, noch andere basophile Substanzen tingieren, die somit 


195 M. Mühimann: 


als schwächer basophil erscheinen. Die von mir zu diesem Zwecke 
angewendete neutrale Methylenazureosinlösung in der Form von 
Giemsas (Gemisch hat die Verhältnisse nur insofern aufgeklärt, 
als sie die Natur des Protoplasmas und des Kernes der embryonalen 
Nervenzelle als oxyphiler Substanz deutlich zum Vorschein brachte. 
Die durch das Hämatoxylin tingierten Kernkörperchen sind nicht 
alle durch Giemsa gefärbt worden; die gefärbten zeigen eine 
violette Farbe, also ein (semisch von oxy- und basophilen 
Substanzen. 

Nun fragt es sich, wie können wir die erhaltenen Färbungs- 
verhältnisse auf die Frage nach dem Nukleingehalt der Chromatin- 
körper des Kernes anwenden? Den. einzigen Anhaltspunkt gibt 
die Baso- und Oxyphilie der Farbstoffe, resp. der Kernsubstanzen, 
und da steht die Sache jetzt so, dass zu den Nukleinsubstanzen 
dasjenige gerechnet wird, was stärker basophil ist. Dazu gehören 
die das Methylgrün aufnehmenden Substanzen. Dann wird in 
der jungen Nervenzelle nur ein sehr geringer Teil nukleinhaltig 
sein und zwar ein oder zwei Kernkörperchen. Das einzige Mittel, 
diese Frage auf mikrochemischem Wege zu lösen, ist die Benutzung 
des Verdauungsversuches und die Probe der Löslichkeitsverhältnisse 
der Zellbestandteile in Säuren etc. 

Die Anstellung der Verdauungsproben mit den Elementen 
des Zentralnervensystems sind insofern nicht ganz einfach, weil 
der Verdauungssaft nicht leicht ins Innere der Nervenzelle ein- 
zudringen scheint: wenigstens muss ich so aus der Tatsache 
schliessen, dass zahlreiche von mir behufs Entscheidung mancher 
biochemischen Fragen bezüglich des Baues der Nervenzelle ange- 
stellte Verdauungsversuche sehr ungleichmässig ausfielen. Wenn 
ich aus allen Versuchen den Durchschnittsschluss ziehen darf, so 
hat sich immerhin ein grosser Unterschied zwischen dem Ver- 
halten der jungen und alten Teile gegenüber dem Verdauungs- 
saft erwiesen. Während der künstliche Magensaft in der 
erwachsenen Zelle innerhalb 24 Stunden den Kern samt dem 
Kernkörperchen auflöst (s. u.), bleiben beim 8 cm grossen 
Embryo alle Teile der Kerne der Nervenzellen ziemlich gut 
erhalten. Wir haben also kein Recht; den embryonalen Nukleolen 
in diesem Stadium die nukleinige Natur abzusprechen und können 
die Methylgrünfärbung nicht für ein ausreichendes Mittel zur 
Unterscheidung der nukleinhaltigen und nukleinlosen Teile ansehen, 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen 199 


da ja nicht alle Kernteile gleichmässig vom Methylgrün tingiert 
wurden. Wohl aber kann das Verhalten der Substanzen zu 
diesem Farbstoff als ein Differenzierungsmittel dienen für die 
Abschätzung der Beziehung der Substanzen zum Nuklein. 
Da die Basophilie nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse 
vom Reichtum an Nukleinsäure abhängt, so ist die Stärke der 
Basophilie ein Zeichen der Höhe des Gehaltes an Nukleinsäure 
oder der Bindung derselben mit Basen. Die Tinktion mit 
Methylgrün bedeutet wohl entweder einen reicheren Gehalt an 
Nukleinsäure oder eine schwächere Bindung derselben. Dass 
Nuklein auch den methylgrünnegativen Teilen nicht fehlt, zeigen 
die Verdauungsversuche. Das Löslichkeitsvermögen in 0,2 — 3"/o 
Salzsäure wenigstens innerhalb von ein bis zwei Stunden entspricht 
dem Verdaulichkeitsvermögen dieser Substanzen. Das Verhalten 
der Körner bei der Giemsafärbung bestätigt gewissermassen 
die mikrochemische Reaktion. Die violette Färbung der Nukleolen 
müssen wir im Sinne Mosses deuten, dass die methylgrünlosen 
Körner schwächer alkalisch sind. Dem Gesagten zufolge können 
wir den Schluss ziehen, dass die methylgrünnegativen aber 
methylenblaupositiven Körner entweder weniger Nuklein enthalten 
oder die Nukleinsäure darin stärker gebunden ist, weshalb sie 
das Methylgrün nicht aufnehmen. 

Wir haben somit zweierlei oder vielmehr dreierlei Chromatin- 
körner im Kerne der Nervenzellen zu unterscheiden. Erstens 
die meist grösseren, in der Zahl von eins, zwei, seltener drei, 
welche vom Methylgrün tingiert werden und also nukleinreicher 
sind, oder die Nukleinsäure am schwächsten gebunden enthalten. 
Wir können sie nicht mit den gebräuchlichen Terminis klassı- 
fizieren: sie gehören zwar zu den Nucleoies nucl&iniens Carnoys 
und Lebruns, aber auch die von ihnen sich unterscheidenden 
übrigen Körner sind gleichfalls nukleinhaltig. Wir wollen sie 
als Primärnukleolen bezeichnen. Die übrigen grösseren 
Körner, welche von Methylgrün nicht gefärbt werden, wohl aber 
Hämatoxylin und Methylenblau aufnehmen, wollen wir als 
Sekundärnukleolen nennen. Den auf der Hand liegenden 
Namen „Paranukleolen“ möchte ich für dieses Entwicklungs- 
stadium deshalb nicht gebrauchen, weil damit nukleinlose Bestand- 
teile des Kernes bezeichnet werden. Schliesslich die kleineren 
Teile, welche nur vom Hämatoxylin gefärbt werden und im 


200 M. Mühlmann: 


ganzen Kernraum punktförmig zerstreut sind, wollen wir als 
Kernkörnchen bezeichnen. Sie sind möglicherweise nur chromatische 
Ablagerungen in den Knoten des Plastinnetzes. Ob sie auch 
Methylgrün aufnehmen, ist wegen der Kleinheit dieser Elemente 
nicht mit Sicherheit zu sagen. Es ist also immerhin evident, 
dass Carnoys und Lebruns Behauptungen bezüglich der nuklein- 
haltigen Natur der Nukleolen nicht allein für Eier, sondern auch 
für Nervenzellen zu Recht bestehen, dass in einem gewissen 
Stadium der Entwicklung die Nukleolen .derselben wirklich zu 
den „Nucleoles nucleinieres“ gehören. 


II. -Stadıum. 


Hierzu gehören sechs Embryonen von 7'/s bis 14 cm Länge.!) 
Das Verhalten der verschiedenen Teile der Nervenzellen zu den 
Farbstoffen ist bei ihnen ziemlich gleichartig. Doch gleicht es 
nicht dem Verhalten derselben bei den kleineren Embryonen der 
ersten Reihe. 

Protoplasma. 

Das Protoplasma der Nervenzellen ist im Hämatoxylin- 
präparat etwas stärker und fleckig, allerdings undeutlich und 
unförmig gefärbt, im Eisenhämatoxylin ist eine randständige 
Körnelung zu verzeichnen. Somit sehen wir hier die erste 
Andeutung der Nisslschollen. 

Die biologische Bedeutung der Nisslschen Körperchen ist 
bis jetzt noch in Dunkel gehüllt. Es wird ihnen eine nervöse 
Funktion ziemlich allgemein abgesprochen und eine trophische 
zugeschrieben. Es ist aber selbst ihre Präexistenz nicht durch- 
aus festgestellt. Als ich vor einigen Jahren in einem Vortrag 
in der Deutschen Pathol. Gesellschaft die Ansicht von Chenzinsky 
vertrat, wonach die Tigroidsubstanz keine präexistenten Gebilde 
darstellen sondern nur Knotenpunkte an der Stelle der Neuro- 
fibrillenkreuzungen, in welchen Farbstoffe sich leichter ablagern, 
wurde mir von Schwalbe und Schridde erwidert, ich wäre 
im Irrtum. Ich habe mich seit jener Zeit mit dieser Frage ein- 
gehend befasst und kann doch den Standpunkt nicht aufgeben, 
dass die Nisslkörper keine präexistenten Gebilde der Nerven- 
zelle darstellen. Es stehen hier bekanntlich zwei Ansichten 
schroff gegenüber. Ein Teil der Autoren glaubt die Tigroid- 


1) 2& 7! cm, 1&8cm, 2&1lcem und 1& 14 cm. 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 201 


substanz in der lebenden Zelle gesehen zu haben (v. Lenhossck, 
Obersteiner); dagegen glauben Ziehen und Held, dass sie 
sich beim Absterben der Zelle bilde. Bethe u.a. halten es 
für möglich, dass sie dank ihrem Brechungsvermögen in der 
frischen Zelle unsichtbar ist und die beim Absterben der 
Zelle zustandekommenden Änderungen des Brechungsvermögens 
verschiedener Zellteile sie zum Vorschein bringt. Nissl spricht 
sich nicht ganz bestimmt aus, aber er schreibt mit anderen 
dieser Frage keinen grossen Wert zu, da er nur dem Äquivalent- 
bilde, welches nach ganz bestimmter Bearbeitung der Nerven- 
zelle entsteht, eine anatomische und pathologische Bedeutung 
zukommen lässt. Ich bin sehr geneigt, mich Ziehens Ansicht 
aus folgenden Gründen anzuschliessen : 

Die morphologische Natur der Tigroidsubstanz entspricht 
nicht geformten lebenden Zellteilen. Für solche ist die Inkonstanz 
der Form, die Variabilität charakteristisch. Ein lebender Zell- 
teil bewahrt nicht, wie die Tigroidschollen, ständig dieselbe Form 
bei verschiedenen Individuen, in verschiedenem Alter, unter ver- 
schiedenen physiologischen Umständen. Die Tigroidsubstanz 
ändert ihre Form nur unter pathologischen Umständen, bei der 
Desintegration der Zelle. Unter physiologischen Umständen ver- 
hält sie sich ziemlich gleich, abgesehen von Reiz- und Ermüdungs- 
zuständen, welche den Aggregatzustand der ganzen Zelle ändern 
und passiv die Tigroidsubstanz mit begreifen. Aber auch bei 
dieser Änderung ihrer Form verliert die Tigroidsubstanz nicht 
oder kaum eine andere Eigenschaft, welche an lebenden Teilen 
gleichfalls unbekannt ist, nämlich das gesetzmässige Verhalten 
der einzelnen Schollen zueinander. Die Schollen sind beinahe 
mathematisch genau gegeneinander abgegrenzt (besonders gut an 
Rinderrückenmarkszellen zu sehen) und hängen in ihrer Anordnung 
nur von der Zellkonstruktion und den Fortsatzrichtungen ab. 
Alle Schollen sehen ziemlich gleich aus, und wenn Abweichungen 
in dieser Hinsicht zu konstatieren sind, so hängen sie von der 
Lage derselben am Zentrum oder an der Peripherie der Zelle, 
also von äusserer Beschränkung und nicht von der inneren 
Struktur der Schollen ab; diese Abweichungen ändern nicht die 
allgemeine Konfiguration ihrer Form und die Gruppierung der 
Körnchen, aus welchen die Schollen bestehen; man sieht also, 
dass die Schollen hie und da zusammengedrückt, resp. ausgezogen 


202 M. Mühlmann: 


sind, dass die Formänderung also passiv ist. Eine derartige 
kristallartige Anordnungsweise passt nicht für lebende Zellteile, 
wenn man unter solchen selbständige entwicklungsfähige Teile, 
wie wir sie am Kern, an den Fortsätzen kennen, zu verstehen hat. 

Wenn man die Nervenzelle der Trypsinverdauung aussetzt, 
so löst sich alles darin auf, mit Ausnahme der Neurofibrillen. 
Nach der Silberimprägnation bekommt man dann das schönste 
Bild der Neurofibrillen: die leeren Lücken zwischen den Neuro- 
fibrillen geben das Bild der Nisslschollen (Fig. 3). Am besten 
empfehle ich dazu folgendes Verfahren: dünne Ochsenrückenmarks- 
scheiben auf einen Tag in 5°/o Formalin, auf drei Tage in 
Trypsinlösung mit Chloroformzusatz, darauf in 12"/o Formalin, 
Gefrierschnitte und weitere Bearbeitung nach Bielschowsky. 
Mencl will bei der Neurofibrillenimprägnation gleichsam ein 
negatives Bild der „tigroiden Achsen“ Studnickas bekommen 
haben, glaubt aber den Verlauf der Neurofibrillen von der Lage 
der NissIschollen abhängig zu machen. Er gibt ja selbst die 
Möglichkeit zu, dass die Neurofibrillen primär, die Nisslschollen 
sekundär auftreten: es ist dann nicht einzusehen, weshalb sich 
die ersteren in ihrer Lagerung den anderen unterordnen müssen, 
um so mehr als die Resistenz der Neurofibrillen grösser ist als 
diejenige der Nisslsubstanz. 

Die vorgeführten Tatsachen lassen uns die Nisslschollen 
als eine gleichmässig in der Zelle aufgelöste Masse vorstellen, 
welche die freien Räume zwischen den Neurofibrillenbündeln ein- 
nimmt, beim Absterben eine Art Gerinnung erfährt und so einen 
Abguss des Neurofibrillengitters liefert. Diese Vorstellung wird 
wohl im Einklange mit den Tatsachen stehen, die auch Bethe 
bei seinen Untersuchungen dieser Frage gewann und die auch 
aus den Schilderungen Ramon y Cajals zu erschliessen sind. 
Bezüglich der chemischen Natur der Nisslschollen wissen wir 
recht wenig. Nach Macallum und Scott enthalten dieselben 
Eisen und Phosphor und reihen sich demnach den Nuklein- 
substanzen an. Scott und Holmgren glauben, Basichromatin 
trete aus dem Kern der Nervenzellen in das Cytoplasma derselben 
hinein. Sollen die Bilder, auf welche die Autoren sich beziehen, 
eine solche Deutung der Tatsachen zulassen, so kann dies nur 
für ein gewisses Entwicklungsstadium richtig sein. Denn in der 
erwachsenen Zelle ist ein grosser Haufen von Chromatin da, 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 203 


welchen man sich schon deshalb nicht als aus dem Kern her- 
gekommen vorstellen kann, da im Kern der erwachsenen Nerven- 
zelle beinahe kein Chromatin vorhanden ist. Man müsste dann 
einen fortwährenden Zufluss von Chromatin aus dem Kern zulassen, 
welches nicht verbraucht wird. Dann müsste Chromatin zu einem 
Rückstandsmaterial werden. Für eine solche Annahme gibt es 
weder hier, noch in der Biologie überhaupt Anhaltspunkte. Das 
Chromatin der Nisslschollen entspricht jedenfalls nicht dem 
Nuklein, wie manche geneigt sind anzunehmen. Die Verdauungs- 
versuche fallen hier ebenso schwerdeutig aus, wie vom Kern, 
was die Verschiedenartigkeit der Angaben der Autoren erklärt. 
Ich habe hier zwar ungleiche Ergebnisse erhalten; da man aber 
nach dem Verdauungsversuche Schnitte bekommen kann, an 
welchen keine Nisslfärbung zu erhalten ist, darf geschlossen 
werden, dass der Verdauungssaft die Schollen auflösen kann. An 
nicht ganz frischen Nervenzellen, sowie an formalinisierten lassen 
sie sich nach dem Verdauungsversuch gut färben; da haben wir 
wohl dieselbe noch nicht erklärte Erscheinung, welche Ernst 
an den Radspeichenfiguren der Nervenfasern bekam, wo die 
Trypsinverdauung nach Formalinhärtung sie besser darstellen 
lässt, also ohne dieselbe. 

Gleiche Schwierigkeiten zeigt das Verhalten der Nissl- 
schollen zum Methylgrün. Trotz entgegengesetzter Angaben 
(Rosin) fand ich keine Konstanz in diesem Verhalten. Beim 
Öchsenembryo, sowie beim Kaninchen konnte ich mittels der 
Biondifärbung regelmässiger die Methylgrüntinktion der Nissl- 
schollen erhalten, beim erwachsenen Rind und beim Menschen selten. 

Steht also die Natur der Nisslschollen noch im Unklaren, 
so ist meiner Ansicht nach von Bedeutung die Tatsache der 
Beziehung derselben zu Neurofibrillen, welche Beziehung schon 
von anderen Autoren (Ramon y Cajal u. a.) angedeutet wurde. 
Die Mannigfaltigkeit der Schollenbilder an verschiedenartigen 
Nervenzentra wird dann durch die Mannigfaltigkeit der Neuro- 
fibrillenstrukturen an diesen Zentren bedingt sein, umgekehrt 
gleichartige Nisslbilder sehen wir an Nervenzellen derselben 
Region, wo die Neurofibrillen adäquate Richtungen einschlagen. 
Das erste Erscheinen der Tigroidsubstanz in unserem zweiten 
Embryonalstadium des Rindes hängt damit zusammen, dass in 
diesem Stadium das erste Neurofibrillenbild zustande kommt. 


204 M. Mühlmann: 


Kern. 

Der Kern der Nervenzelle (Fig. 4), welcher etwa die Hälfte 
der Zelle einnimmt, besteht im Hämatoxylineosinpräparat, ebenso 
wie in der ersten Embryonenreihe, aus einer rötlichen Grundlage, 
in welcher violette Körnchen netzförmig reichlich zerstreut sind, 
die Rötung ist aber intensiver als diejenige des Protoplasma und 
unter den Körnchen treten die grösseren nicht in ebenso reich- 
licher Zahl auf, wie bei den kleineren Embryonen, und zwar 
treffen wir häufiger ein bis vier Körperchen, seltener fünf und 
sechs, am häufigsten ist die Zahl drei vertreten. Dann lässt sich 
ein Unterschied in bezug auf die Grösse der Körperchen in dem 
Sinne wahrnehmen, dass eins gewöhnlich die übrigen überwiegt. 
In den grösseren Kernkörperchen lässt das Hämatoxylineosin- 
präparat eine deutliche Struktur konstatieren, indem sie aus 
einer homogenen rötlichen Grundlage bestehen, welche von einer 
violetten Kugel dicht umgeben ist; dieser violette Rand enthält 
eine stärkere Substanzverdickung, welche die Hämatoxylinfärbung 
aufnimmt. Im Eisenhämatoxylinpräparat kann man nicht selten 
eine kettenförmige Verbindung zwischen den einzelnen Kern- 
körperchen konstatieren, wobei die Ketten aus kurzen Stäbchen 
bestehen (Fig. 5). 

Das Giemsapräparat lässt eine Andeutung von Tigroid- 
substanz im Zelleib, eine indifferente Färbung der Kernsubstanz 
und eine gleichmässig blaue Durchtränkung aller Kernkörperchen 
mit Ausnahme der Kernkörnchen hervortreten. 

Die Differenz in der Farbstoffverwandtschaft zwischen den 
verschiedenen Körperchen tritt am deutlichsten im Biondi- 
präparat auf, wo nur die grösseren Körperchen (eins, zwei, selten 
drei) von Methylgrün gefärbt werden. Das Protoplasma ist hier 
rot gefärbt und die Kernmasse besteht aus einem indifferenten 
Netz, welches durch die intensive Färbung der grossen Körperchen 
einen grünen Schimmer bekommt. Die kleinen Körperchen 
(Sekundärnukleolen), sowie die Körnchen bleiben ungefärbt, oder 
sind in rötlichem Ton homogen verwischt. 

Im gefärbten Nukleolus des Biondipräparates, besonders 
wo er einzeln im Kern vertreten ist, lässt sich an entsprechenden 
Schnitten eine weitere Differenzierung konstatieren: der Nukleolus 
erscheint nicht durchweg grün gefärbt, sondern an vielen Schnitten 
nur in der Peripherie. Er besteht dann aus einem grünen Ring, 

. 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 205 


welcher eine indifferent gefärbte Masse umgibt (Fig. 6). Am 
grünen Rande ist oft eine ebenso gefärbte punktförmige Ver- 
dickung zu sehen. Manchmal ist nicht der ganze Rand grün 
gefärbt, sondern nur ein Teil desselben. Da an vielen Nukleolen- 
schnitten nicht der grüne Rand, sondern nur seine punktförmige 
Verdickung nachweisbar ist, und an anderen Zelldurchschnitten 
statt dessen eine diffus grüne Färbung der Nukleoli vorliegt, so 
muss man sich vorstellen, dass die methylgrünpositive Masse nicht 
kegelförmig den Nukleolus umgibt, sondern ihn schalenartig, 
dachförmig bedeckt. 

Die nukleinigen Schollen am Rande der Nervenzellnukleoli 
wurden zuerst von Levi bei niederen Wirbeltieren gesehen. 
Ziehen und Marinesco bestätigen den Befund. Ramon y 
Cajal, sowie Lenhossek haben diese chromatische Decke an 
den Nukleolen der menschlichen Nervenzellen nicht bestätigen 
können. Das könnte daher kommen, dass die letzteren Forscher 
Nervenzellen erwachsener Leute und von Kindern höheren Alters 
untersuchten, denn in einem gewissen Stadium der embryonalen 
Entwicklung, ebenso wie im ersten Jahresalter konnte ich die 
nukleinhaltige Hülle der Nukleolen beim Menschen ebensogut 
nachweisen, wie beim Rinderembryo. Ich glaube durch das 
Vorhergehende genügend klar gelegt zu haben, dass ich unter 
. der nukleinhaltigen Hülle den Methylgrün aufnehmenden Ring 
verstehe, und in dieser Hinsicht stimme ich in dieser Deutung 
der Methylgrünfärbung v. Lenhossek und Levi vollkommen 
bei. Beim Menschen ist dieser Ring sehr fein (Fig. 16), noch 
feiner wurde er von mir beim Schaf konstatiert, ziemlich dick 
ist er beim Meerschweinchen (Fig. 7), weniger dick beim Kaninchen. 

Ramon y Cajal verneint die Existenz der peripherischen 
Konzentration des Chromatins an den Nukleolen und meint, 
Levis und v. Lenhosseks Beobachtungen verdankten ihre 
Befunde der Fixierung in Sublimat, wogegen seine Fixierung in 
Alkohol ein richtigeres Bild der netzförmigen Ausbreitung des 
Chromatins lieferte. Meiner Ansicht nach kommt die Differenz 
in den Beobachtungen in erster Linie von der Verschiedenheit 
der untersuchten Objekte her. Wie aus dieser Abhandlung 
ersichtlich sein wird, wandert die Nukleinverteilung im Laufe der 
Entwicklung von einem Kernteil in den anderen, seine Lokalisation 


hängt vom Alterszustand der Nervenzelle ab. Die Fixierung 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. Abt. 1. 15 


206 M. Mühlmann: 


spielt hierbei keine so grosse Rolle, wie Cajal meint. Eigentlich 
ist es etwas gewagt sowohl Alkohol als Sublimat als Fixierungs- 
mittel für das Nervensystem zu betrachten, beide verzerren das 
Lebensbild der Nervenzelle beträchtlich. Durch Alkohol schrumpfen 
dieselben vielleicht noch stärker als nach Sublimat in konzen- 
trierter Lösung; aber das Durchschnittsbild der Nukleinverteilung 
wird durch die Fixierungsart nicht gestört, indem nach beiden 
Fixierungsarten dieselbe netzförmige Verteilung des Chromatins, 
also auch des Nukleins, beobachtet werden kann. Abgesehen 
von diesen Erwägungen ist der nukleinige Ring der 
Nervenzellnukleoli bei der Biondifärbung eine 
so morphologisch -typische, für ein bestimmtes 
Wachstumsstadium charakteristische Erscheinungs- 
form, dass man ihn unmöglich zu den Kunstprodukten zählen kann. 

Wir kehren zu den Präparaten des Rinderembrvo des 
Il. Stadiums zurück. 

Wenn man die Hämatoxylinpräparate mit den Biondi- 
präparaten vergleicht, so sieht man einen grossen Unterschied 
in der Färbung der Nukleolen, indem an den ersteren die Färbung 
des Nukleolenrandes, besonders der Verdickungen desselben 
(Fig. 4), beinahe stets vorhanden ist, während an den Biondi- 
präparaten die Methylgrüntinktion dieser Nukleolenteile weniger 
häufig beobachtet wird. Es ist also auch hieraus zu ersehen, 
dass nicht der ganze Nukleolenrand stark basichromatisch ist und 
die chromatische Hülle der Nukleolen ausserhalb der nukleinigen 
Schale nukleinlos ist. 

Die Färbung des nukleinigen Ringes, resp. der nukleinigen 
Schale ist nicht die einzige Form, in welcher die Methylgrün- 
tinktion bei der Biondifärbung der Nervenzellen im II. Stadium 
sich verwirklicht, an vielen Zellen lässt sich eine unbestimmte, 
netzartige, punktförmige, unterbrochene Tinktion des einen oder 
des anderen Kernteiles wahrnehmen. Trotz der Unbestimmtheit 
der Färbung lässt sich doch dieselbe an die Nukleolen anknüpfen. 
Man kann aber mittels der Methylgrünfärbung nie dieselbe Zahl 
von Nukleolen auffinden, welche man mittels der Hämatoxylin- 
färbung sieht, und da das Methylgrün gewöhnlich nur die grossen 
Nukleolen tingiert, die Tinktion der Nukleolenschalen gar aus- 
schliesslich an den letzteren geschieht, so kann man für dieses 
Stadium noch bestimmter als für das erstere behaupten, dass 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 207 


vom Methylgrün nur die Primärnukleolen gefärbt werden. 
Andererseits muss bemerkt werden, dass die Methylgrüntinktion, 
in welcher Form sie auch erscheinen mag, beinahe in jeder Zelle 
aufgefunden werden kann (sie ist manchmal selbst bei der 
stärksten Vergrösserung nur stäubchengross), und da sie nur die 
Primärnukleolen stempelt, so muss gefolgert werden, dass die 
Reduktion der Nukleolenzahl, welche in diesem Stadium im Ver- 
gleich mit dem ersteren beobachtet wird, auf Kosten der 
Sekundärnukleolen geschieht. Es findet also zunächst ein Schwund 
derjenigen Teile statt, welche nukleinärmer sind. 

Zusammenfassung der Ergebnisse der Unter- 
suchung des Il. Stadiums. Im Protoplasma beginnt eine 
schwach basichromatische Körnelung aufzutreten, die im Zusammen- 
hang mit der Neurofibrillenbildung steht. Sie scheint nukleinfrei 
zu sein. Die Nukleolen nehmen an Grösse zu, an Zahl ab. Die 
Reduktion der Zahl findet auf Kosten der Sekundärnukleolen 
statt. Gleichzeitig tritt eine Differenzierung der Primärnukleolen- 
teile ein, die nukleinreichen Teile nehmen die Peripherie, 
die nukleinarmen oder nukleinlosen den inneren Raum der 
Nukleolen ein. 


Ill. Stadium. 


Es wurden acht Stück von 17 — 20 cm Länge!) untersucht. 
Ich reihe diese an Grösse stärker wie früher voneinander sich unter- 
scheidenden Embryonen aneinander, weil die Verhältnisse bei 
ihnen ziemlich übereinstimmen. Die Nisslschen Körperchen 
treten hier bei den grösseren Exemplaren am besten im Giemsa- 
präparat hervor. Ausserdem ist jetzt im Protoplasma eine neue 
Erscheinung zu sehen: es sind darin hellglänzende minime 
Körnchen vereinzelt zerstreut. Sie sind bei ihrer Kleinheit auch 
mit den fstärksten Vergrösserungen im ungefärbten Präparat 
schwer aufzufinden. Dagegen sind sie leicht nach der Fixierung 
in Flemmingscher Lösung oder nach Marchi, wo die Osmium- 
säure dieser Körnchen schwärzt, zu sehen. Ihre Form scheint 
rund zu sein, die Zahl ist in diesem Stadium gering. Mit dem 
weiteren Wachstum der Zellen werden sie grösser, dann ist ihre 
Form besser erkennbar, sie sind dann unregelmässig rund, ver- 
mehren sich dabei an Zahl. Beim Erwachsenen gewinnen sie 


1\ 1&17cm, 2&18cm, 1&20cm, 1&25cm, 1327 cmund 2428 cm. 
15% 


208 M. Mühlmann: 


eine gelbe bis braune Beifärbung und werden als Pigmente 
gekennzeichnet. Die an ihnen entdeckten lipoiden Eigenschaften 
haben ihnen den Namen lipoide Pigmente verliehen. Wir 
wollen diese Bezeichnung auch für das embryonale Stadium bei- 
behalten, obwohl hier das pigmentierte Aussehen noch fehlt und 
nur die lipoiden Eigenschaften vorhanden sind. Diese lipoiden 
Körnchen der Nervenzellen wurden von mir nicht bei allen 
Embryonen des II. Stadiums gefunden, sondern nur bei einem 
17, einem 18, einem 27 cm grossen. In späteren Stadien werden 
sie regelmässiger beobachtet. 

Die übrigen Zellteile unterscheiden sich vom vorhergehenden 
Zustand dadurch, dass mit der Zunahme der Zellgrösse eine 
weitere Abnahme der Kerngrösse und der Nukleolenzahl statt- 
greift. Der Kern ist immerhin nicht kleiner als die halbe Zell- 
dimension. Die meisten Kerne (Fig. 8) enthalten eine Nukleole und 
zahlreiche punktförmige Körnchen. Man begegnet mehrnukleoligen 
Kernen, aber die Zahl derselben tritt im Vergleich mit den ein- 
nukleoligen zurück. Unter den mehrnukleoligen macht sich in 
bezug auf die Nukleolenzahl auch eine stufenförmige Reihe 
bemerkbar, indem fünf Nukleolen seltener als vier, diese seltener 
als drei auftreten. Dabei kann man aber nicht behaupten, dass 
dieses Verhältnis in einem Zusammenhang mit der Grösse der 
Embryonen dieser Reihe steht, dass also eine stufenförmige 
Abnahme der Nukleolenzahl parallel mit der Grössenzunahme 
der Embryonen gehe. Eher kann man eine Abnahme der Nukleolen- 
zahl bei allen Embryonen dieses Stadiums im Vergleich mit den 
zwei vorhergehenden Stadien konstatieren; sicher ist auch die 
Zahl der Nukleolen im dritten Embryonalstadium im allgemeinen 
grösser, als beim mehrmonatlichen Fötus, geschweige denn beim 
erwachsenen Tier, wo die Nukleolenzahl auf eins regelmässig 
reduziert ist und ein zweinukleoliger Kern nur eine Ausnahme dar- 
stellt; aber in kleinen Wachstumsgrenzen sind die Schwankungen 
zwischen verschiedenen Individuen sehr gross. Das sind wohl 
individuelle Schwankungen, die in dieselbe Reihe zu stellen sind, 
wie individuelle Schwankungen der Grösse, Ernährung etc. des 
erwachsenen Organismus, und die grösstenteils hereditärer Natur 
sind. Gewöhnlich werden mehrnukleolige Kerne in den Spinal- 
ganglienzellen angetroffen, viel häufiger als in den Rückenmarks- 
zellen. Die Nukleolen sind miteinander durch chromatische 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 209 


Fäden verbunden, welche aus minimen Körnchen und Stäbchen 
bestehen. Häufig ziehen diese kettenförmigen Fäden strahlig von 
dem zentralgelegenen Primärnukleolus zum Kernrand hin. Diese 
Ketten bilden auch das einzige den Kern ausser den Nukleolen 
zusammensetzende Material. Die Zwischenräume sind farblos, 
sie scheinen auch substanzlos zu sein. Daher das rarefizierte 
Aussehen der Kerne. 

In den Fällen, wo mehrere Nukleolen vorhanden sind, ist 
gewöhnlich einer grösser, als die übrigen. Die kleineren Nukleolen 
zeigen keineswegs eine Rundform, wie es die grossen tun; sie 
nehmen oft unregelmässig eckige und stäbchenförmige (Gestalten 
an (Fig. 9), und liegen im letzteren Falle wie Radspeichen 
gegenüber dem axial gelegenen grossen Nukleolus da, insbesondere 
bei Eisenhämatoxylinpräparaten. Nicht selten sind auch die 
kleinen Nukleolen zu Verdickungen der chromatischen Fäden 
reduziert und liegen unregelmässig im Kernraume, aber häufiger 
liegen sie dann direkt dem Rande des grossen Nukleolus an, an 
eins, zwei und drei Stellen knotenartige Verdickungen des 
Randes bildend.. Das ist gut an Alaunhämatoxylinpräparaten 
sichtbar. 

Die Giemsafärbung ergibt nichts Charakteristisches. Blaue 
Tigroidsubstanz im Protoplasma, rötlicher Kern, blaue Nukleolen 
mit einem Stich ins Rötliche zentralwärts; die kleinen Nukleolen 
werden nicht blau mitgefärbt, ebensowenig die Ketten. In den 
Nukleolen scheint der peripherische Teil intensiver blau gefärbt 
zu sein, als der zentrale. 

Die Färbung mit Biondis Gemisch zeigt im Vergleich 
mit dem vorhergehenden Stadium keine grossen Differenzen. Im 
Protoplasma nur oxyphile Färbbarkeit, im Kernleib rarefizierte 
oxyphile Granulierung. Es lässt sich nur ein Kernkörperchen 
mit Methylgrün deutlich tingieren: Ein grosser Nukleolus, die 
übrigen Körperchen sind in der oxyphilen Granulierung verwischt. 
In dieser Hinsicht könnte man von einem Unterschied zwischen 
diesem und dem vorhergehenden Stadium reden, da dort ausser 
dem Primärnukleolus hie und da noch der eine oder der andere 
Sekundärnukleolus von Methylgrün tingiert wird, hier aber nur 
der Primärnukleolus. Darin finden wir wiederum dieselbe Ver- 
teilung der Nukleinsubstanz an der Peripherie des Körperchens. 
Je nach dem Durchschnitt treffen wir die grüne Tinktion entweder 


210 M. Mühlmann: 


in Form eines dünnen Ringes (wie in Fig. 17) oder von einem 
Kügelchen am Nukleolenrande. Manchmal ist der grosse Nukleolus 
im Durchschnitt diffus grün gefärbt, wobei in seinem Zentrum 
ein helles Körperchen auftritt, von welchem bald die Rede sein 
wird. Es muss aber hinzugefügt werden, dass der Befund der 
nukleinigen Nukleolenhülle, wie überhaupt der Methylgrünfärbung 
hier noch unregelmässiger beobachtet wird, als im zweiten 
Stadium: an vielen Zellen hinterlässt das Methylgrün keine 
deutlichen Spuren. 

Um zu entscheiden, ob in den Fällen, wo das Methylgrün 
den Nukleolus nicht färbt, derselbe nukleinlos ist, stellte ich 
Verdauungsproben an. Nach einer vierstündigen Einwirkung des 
künstlichen Magensaftes auf das Mark eines 22 und eines 24 cm 
grossen Embryos blieben die Kerne der Spinalganglienzellen mit 
ihrer Netzstruktur gut erhalten und in denselben konnte ein 
Kernkörperchen gut unterschieden werden. Zum Unterschied von 
den jüngeren Embryonen waren jetzt einzelne Nervenzellen stärker 
verändert, besonders nach einer 24stündigen Einwirkung des 
Magensaftes konnten in mehreren Nervenzellen der Spinalganglien 
keine Kerne mit ihrem Gesamtinhalt mehr gefunden werden: 
der Zelleib war gleichmässig destruiert. Die meisten Zellen 
waren jedoch noch gut erhalten, aber in den Kernen war gewöhnlich 
nur ein Nukleolus sichtbar. Die kleineren Nukleolen sind sowohl 
aus den Zellen des Rückenmarkes, als aus denjenigen der Spinal- 
ganglien verschwunden. Wir bekommen also hier einen unzwei- 
deutigen Beweis dafür, dass zwischen den Primär- und Sekundär- 
nukleolen ein grosser chemischer Unterschied existiert. Die 
ersteren sind Nukleinträger par excellence. Sie werden mit der 
Entwicklung auf die Einzahl reduziert. Die Sekundärnukleolen 
sind also in der Konstitution, wie sie anfangs auftreten, ver- 
gängliche Gebilde. Sie verkleinern sich, verlieren die Nuklein- 
reste, verwandeln sich vielleicht in nukleinlose Körner und 
Körnchen, oder in die methylgrünnegativen Randverdickungen der 
Primärnukleoli. Da wo im Kern nur ein Nukleolus vorliegt, ist 
es der Primärnukleolus, die Sekundärnukleolen sind also destruiert. 
Da wo neben dem grossen Nukleolus mehrere kleinere vorkommen, 
handelt es sich nicht mehr um Sekundärnukleolen, wie wir sie 
:nfangs kennen lernten, da sie kein Nuklein mehr enthalten, 
sondern um Neben- oder Paranukleolen, da sie jetzt aus nuklein- 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 2 


freien Eiweisskörpern bestehen. Wenn wir jetzt von einem 
Nukleolus sprechen, ist damit der einzige grosse Primärnukleolus 
gemeint. 

In demselben tritt jetzt eine Erscheinung auf, welche wir 
im vorhergehenden Stadium nicht sahen und welche ihn von den 
Nebennukleolen sehr unterscheidet: es treten darin wie erwähnt 
glänzende kristallartige Körperchen in einer grossen Anzahl auf. 
Besonders schön sind sieim Biondipräparat sichtbar (vgl. Fig. 16 
des IV. Stadiums). Sie sind farblos, hellglänzend; die Form ist 
unregelmässig eckig. Bei der Färbung mit Osmiumsäure (nach 
Flemming, Marchi) sind sie schwarz konturiert (vgl. Fig. 15). 
Es handelt sich also um das Auftreten von „Lipoidosomen“. 
Ich wähle diese Bezeichnung für die Fettreaktionen gebenden 
Körperchen im Nukleolus der Nervenzellen, um sie von den ihnen 
nahe stehenden lipoiden Pigmenten zu unterscheiden. Beide 
machen einen verschiedenen Gang in den Wachstumsperioden des 
Organismus durch. Die lipoiden Pigmente entstehen in Form 
von Lipoidkörnern im Protoplasma der Nervenzellen, wie wir 
sahen, sehr frühzeitig, sammeln sich allmählich im Zellkörper an 
und erreichen ihre grösste Entwicklung im hohen Alter. Die 
Lipoidosomen entstehen gleichfalls sehr frühzeitig, scheinen früher 
im Nukleolus aufzutreten als die Lipoidkörper des Protoplasmas. 
Es ist sehr schwer, bei der minimen Grösse der Lipoidosomen 
genau das erste Auftreten im Kernkörperchen zu bestimmen. 
Wenn wir aber die Tatsache in Betracht ziehen, dass sie in 
diesem III. Stadium viel regelmässiger in der Nervenzelle auf- 
gefunden werden, als die lipoiden Körner im Protoplasma, so ist 
wohl die Annahme zulässig, dass die Lipoidosomen früher auf- 
treten, als die Protoplasmakörner. Ihre Entwicklung an Zahl 
und Grösse wollen wir vorläufig bei Seite lassen. Sie unter- 
scheiden sich in ihrer Entwicklung von den Lipoidkörperchen 
des Protoplasmas dadurch, dass sie ihre lipoiden Eigenschaften 
und eckigen Formen nicht bis ins hohe Alter bewahren, sondern 
früh verlieren: namentlich beim Menschen konnte ich sie mit 
diesen Eigenschaften versehen bis nur etwa zum 30. Lebensjahre 
verfolgen, beim Rind habe ich sie noch bei einer etwa zwei 
Jahre alten Kuh gesehen. Im höheren Alter bekommen die 
Lipoidosomen eine Rundform und erscheinen als vakuolenähnliche 
Gebilde, weshalb sie als Vakuolen schon längst bekannt sind. 


212 M. Mühlmann: 


Die (Geschichte dieser Vakuolen ist eng mit der Frage der 
„Nukleoluli“ oder „Nukleolini“ verbunden. Die letzteren wurden 
hauptsächlich an Eiern beobachtet und bald als feste, geformte, 
bald als form- und leblose Gebilde geschildert. Einerseits sind 
im Keimfleck feste Körper beschrieben worden (Schrön, 
Lavdowski, Rohde, Lubosch, Heidenhain), die alle von 
M. Heidenhain als leblose Ablagerungsprodukte angesehen 
werden. Andererseits sind in demselben Vakuolen beschrieben, 
dienach Häcker, Balbiani, Carnoy und Lebrun organisierte 
Teile der Nukleolen darstellen sollen, indem sie nach den beiden 
erstgenannten Autoren periodisch sich bilden, nach den letzteren 
aus der Grundsubstanz der Nukleolen bestehen; Flemming, 
Montgomery, Lubosch, Heidenhain stimmen dem nicht 
bei. Heidenhain summiert die Beobachtungen der meisten 
Autoren über die Vakuolen in der Weise, dass er sie als 
Zersetzungserscheinungen der nukleolären Masse betrachtet, was 
ja mit seiner Anschauung von den Nukleolen als strukturlosen 
unorganisierten Körpern zusammenfällt. 

Aus den Beobachtungen an tierischen Eiern tritt mit Evidenz 
hervor, dass die Autoren die Nukleini als feste leblose Körper 
von den Vakuolen scharf trennen. Beide sollen miteinander 
nichts zu tun haben. Nur Flemming hält die Schrönschen 
Körper gleichfalls für Vakuolen. 

Nicht so steht es mit den wenigen Beobachtungen analoger 
Gebilde an den Nervenzellen. Vakuolenähnliche Gebilde der 
Kernkörperchen derselben sind schon längst bekannt. Sie haben 
allerdings bis jetzt noch keinen Eingang in die Lehrbücher der 
Histologie gefunden. Wenigstens finde ich darüber keine Erwähnung 
bei Stöhr, Böhm und Davidoff, Kultschitzki. Auch ist 
darüber in den speziellen Monographien betreffend die Histologie 
des Nervensystems bei Kölliker, Goldscheider und Flatau, 
Carriere nichts zu finden. Aber v. Lenhossek, ÖOber- 
steiner, Ramon y Cajal tun derselben bereits Erwähnung. 
Ramon y Cajal hält sie für Vakuolen, die anderen beiden für 
fixe morphologische Gebilde. v. Lenhossck färbte sie mit 
Hämatoxylin, Obersteiner mit Karmin. Eingehend wurden 
sie von Ruzicka untersucht. Er konnte sie in den Nerven- 
zellen vermittels der Färbung mit erwärmten Anilinfarbstoften 
regelmässig darstellen. 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 213 


Ich will hier nicht näher auf die Difterenzen eingehen, 
welche zwischen den Autoren bezüglich der Schilderung der 
Eigenschaften und der Bedeutung dieser Gebilde obwalten. Ich 
halte das für eine müssige Sache, weil alle Autoren meiner 
Ansicht nach Gebilde von derselben oder analogen biologischen 
Bedeutung sahen, und die Differenzen in der Deutung derselben 
bald als Vakuolen, bald als fester Körper daher kommen, dass 
die Gebilde von den Forschern an verschiedenen Objekten beobachtet 
wurden, an Eiern und Nervenzellen, deren einzelne Zellbestand- 
teile zwar ähnlich, aber doch nicht identisch zu sein brauchen. 
Ganz besonders aber glaube ich die Differenzen davon ableiten 
zu sollen, dass auch an den Zellen desselben Gewebssystems die 
Beobachtungen bei verschiedenen Entwicklungsperioden der 
betreffenden Tiere geschahen. Im Laufe meiner Untersuchung 
hat sich herausgestellt, dass die vakuolenähnlichen Gebilde mit 
der Entwicklung der Zelle in engem Zusammenhange stehen. 
Vom Entwicklungsstadium der Zelle hängt ihre 
Existenz, Grösse Form Zahl und chemische 
Reaktion ab. 

Die Fragen der Existenz, Form und Reaktion der Lipoido- 
somen wurden schon berührt. Bezüglich der Form ist wegen 
ihrer geringen Grösse schwer etwas Näheres zu sagen. Sie ist 
unregelmässig eckig, bald rundlich, der Glanz gibt ihnen ein 
kristalloides Aussehen. Im vakuolären Stadium sind sie rund. 
Mehrere Lipoidosomen in einer Nukleole sind niemals von der- 
selben Gestalt und Grösse. (Gewöhnlich ist eine grössere von 
kleineren umgeben. Das gleiche ist mit den Vakuolen der 
Falle Mit dem Grössenwachstum der Nukleolen wächst die Grösse 
der Lipoidosomen; in einer älteren Nukleole können jedoch 
einzelne Lipoidosomen angetroffen werden, die kleiner sind, als 
diejenigen einer jüngeren Nukleole. 

Was die chemische Reaktion anbetrifft, so wurde das Ver- 
halten zur Osmiumsäure schon besprochen. Dass es eine Fett- 
reaktion ist, bezeugt das Fehlen der ÖOsmiumschwärzung nach 
Einwirkung von Alkoholäther. Die Osmiumschwärzung selbst ist 
an und für sich ziemlich charakteristisch; sie fällt intensiv lack- 
schwarz aus, und nicht nur an Flemming-Präparaten, sondern 
auch an den Marchischen, was nach Wlassak für eine Neutral- 
fettreaktion spricht. Die Entscheidung hierüber ist von Wichtigkeit, 


214 M. Mühlmann: 


weil man in Anbetracht des kristallinischen Aussehens geneigt 
sein könnte, die Lipoidosomen der Nervenzellen für Myelin- 
produkte zu halten. Protagon und Leeithin geben nach Wlassak 
bei der Marchischen Behandlung nicht die erwähnte tiefschwarze 
Färbung. Das spricht aber nicht ganz gegen die myelinige 
Natur derselben. Neutralfettreaktion gibt nur der dicke Rand 
der Lipoidosomen; es ist also möglich, dass wir es da mit einer 
myelinigen Figur zu tun haben, welche eine fettige Umwandlung 
an der Peripherie erfährt. Wenn wir in Erwägung ziehen, dass 
Myelin in seiner chemischen Konstitution uns noch nicht genau 
bekannt ist und nach den neueren Untersuchungen (vgl. Aschoff) 
eine fettige Metamorphose erfahren kann, so wird unsere 
Betrachtungsweise nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen 
sein. Allerdings konnte ich mittels der Weigertschen Mark- 
scheidenfärbung keine blauen Figuren im Zentrum der Nukleolen 
erzielen, aber Weigerts Färbung ist für die Myelinfrage nicht 
entscheidend. 

Etwas weiteres über die chemische Natur der Lipoidosomen 
zu erfahren, ist mir wegen ihrer geringen Grösse nicht gelungen. 
Bei Hämatoxylinfärbung erscheinen sie nicht in Form von glänzenden 
Körnchen, sondern sie sind gefärbt. Am schönsten sind in 
Hämatoxylinpräparaten jeder Art (auch bei der Markscheiden- 
färbung) diese Gebilde im Vakuolenzustand zu sehen, aber dann 
ist von Färbung keine Spur daran vorhanden. Die Färbung mit 
Anilinfarben nach Ruzi@cka habe ich vielfach versucht; sie 
gelingt nicht regelmässig, die Gebilde werden damit auch im 
vakuolären Zustand, allerdings schwach, gefärbt. Wie dies zu 
verwerten ist, ist mir noch nicht klar. Mit Neutralrot und 
Nilblausulfat bekam ich negative Ergebnisse. 


IV. Stadium. 


Von grossen Rinderembryonen wurde einer von 35 cm, einer 
von 38 cm, einer von 50 cm und einer von 65 cm Länge untersucht. 

Hier finden wir einen Übergang zu den Verhältnissen, wie 
sie bei der erwachsenen Zelle beobachtet werden. Im Protoplasma 
distinkte Tigroidsubstanz; sie nimmt Methylenblau, einigermassen 
Hämatoxylin und unregelmässig Methylgrün auf. Das lipoide 
Pigment ist im Zelleib etwas dichter gelagert, also noch nicht 
an einem Zellteil lokalisiert, wie es beim Erwachsenen der Fall 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 215 


ist. Die lipoiden Körnchen werden nun etwas grösser, ihre Form 
ist wegen ihrer Kleinheit noch nicht genau festzustellen. Der 
Kern nimmt jetzt nicht mehr ganz die Hälfte des Zellraums ein. 
Er ist rarefiziert, von undicht gelagerten oxyphilen und mit 
Hämatoxylin sich färbenden Körnchen ausgefüllt, die ebenso wie 
früher Knötchen eines engmaschigen Netzes zu bilden scheinen. 
Der Nukleolus ist noch regelmässiger in der Einzahl repräsentiert. 
Man trifit auch zwei, drei und vier Nukleolen an, aber nur aus- 
nahmsweise. Jedenfalls ist die Nukleolenzahl fünf und sechs, 
wie es im vorhergehenden Stadium noch möglich war, hier nicht 
mehr anzutreffen. Wo mehrere Nukleolen vorliegen, ist, wie 
dort, nur einer gross. 

Das Verhalten bei der Biondifärbung erwies sich ungleich. 
Beim 35 cm Fötus entsprach die Tinktion ungefähr derjenigen 
der dritten Gruppe. Dagegen gab das Methylgrün bei den beiden 
übrigen Embryonen keine lokalisierte Tinktion der Nukleoli. 
Nach der Biondifärbung (Fig. 16) ist das Protoplasma rot oder 
rötlichbraun, der Kern zeigt eine rar angeordnete Granulierung 
in derselben Nuance, der grosse Nukleolus ist von einer schwer 
definierbaren Farbe, welche ein Gemisch von rot und blau oder 
Grün darstellt; bald überwiegt die eine, bald die andere Farbe, 
aber auch bei dem sicheren Beigemisch von Grün ist dieses 
letztere an keinem bestimmten Teil zu lokalisieren, um so mehr 
als die Nukleoli keine deutliche Differenzierung ihrer Teile zeigen. 
Man kann von einer Auflösung der Nukleinsubstanz und 
einer gleichmässigen Diffusion derselben im Nukleolus reden. 

Wir haben auch im ersten Embryonalstadium eine gleich- 
mässig grüne Nukleolenfärbung, ja sogar Kernfärbung konstatieren 
können, aber der Unterschied zwischen jener Färbung und dieser 
im IV. Stadium ist sehr gross: im ersten Stadium ist die grüne 
Färbung intensiv, im vierten ist sie schwach und mit der roten 
Farbe vermischt. Dort handelt es sich um eine Konzentration 
des Nukleins, hier um eine Auflösung desselben. Ich mache hier 
auf diesen letzten Ausdruck besonders aufmerksam, weil er in 
demselben Sinne weiter unten wiederholt wird, unter Auflösung 
soll also gleichsam eine Verringerung der Nuklein- 
substanz verstanden werden. 

Dass eine solche Verringerung wirklich eingetreten ist, zeigt 
die Verdauungsprobe. Beim 35 em-Embryo ist nach der vier- 


216 M. Mühlmann: 


stündigen Einwirkung des künstlichen Magensaftes die Konfiguration 
des Kernes ncoh erhalten geblieben, aber vom Nukleolus ist darin 
nichts zu ermitteln und durch ‚Farbstoffe auch nichts mehr zu 
enthüllen. Somit zeigen die Nervenzellen in diesem IV. Ent- 
wicklungsstadium einen grossen Unterschied vom vorhergehenden, 
wo der Nukleolus selbst nach 24 stündiger Einwirkung des Ver- 
dauungssaftes nicht aufgelöst wurde. Der Verlust der Widerstands- 
fähigkeit gegenüber dem Verdauungssafte, welcher die Zellen 
dieser Gruppe den Zellen der erwachsenen nähert, war der Grund, 
weshalb ich alle vier Embryonen in eine Reihe stellte, obwohl 
beim kleineren die Darstellung der Nukleolenhülle durch Methyl- 
grün noch erhalten blieb. Die Auflösung der Nukleinsubstanz 
geschieht wohl im Laufe des Wachstums allmählich, und weder 
die feine Färbung mit Methylgrün noch die grobe Verdauungs- 
probe sind jede für sich imstande, diesen Übergangsmoment fest- 
zulegen, dagegen glauben wir eben durch die Kombination dieser 
beiden Proben denselben festgestellt zu haben. 

Eine schwache Basichromatie besitzt der Nukleolus noch 
immer, da er von Methylenblau angegriffen wird, wogegen die 
Kernnetzgranulierung bei der Giemsafärbung rot ist. Diese 
Basichromatie gehört aber wohl kaum der Nukleinsubstanz an, 
wie es aus der Verdauungsprobe zu erschliessen ist. Man kann 
also jetzt Zaccharias Recht geben, dass der Nukleolus keine 
Nucleole nucleinien Carnoys ist, ohne aber damit dem Nukleolus 
völlig basichromatische Eigenschaft abzusprechen, wie es Heiden- 
hain tut. Die Primärnukleolen der ersten Embryonenreihe und 
der Nukleolus der letzten Embryonenreihe sind also ganz ver- 
schiedene Dinge. Dort waren sie Nucl&oles nucleiniens, jetzt sind 
sie keine mehr. 

V. Stadium. 

Die Nervenzellen der erwachsenen Tiere sind in ver- 
schiedenen Altersstadien nicht gleichwertig: die Zelle hohen Alters 
unterscheidet sich erheblich von derjenigen des jüngeren. Es 
wäre deshalb unrichtig, sie in einer Reihe zu vereinigen. Da es 
mir aber nicht gelungen war, in bezug auf das Alter der 
erwachsenen Tiere dieselbe grosse Wahl beim Rindermaterial zu 
treffen, wie es mir für das fötale Alter gelang, und ich für das 
grosse Vieh keine genauen Data über das Alter derselben 
bekommen konnte, so bleibt mir nichts übrig, als die Zellen der 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. DT 


Erwachsenen in ein Stadium zu vereinigen. Doch konnte ich 
ungefähr den Verlauf der Veränderungen während des Wachstums 
der Erwachsenen anmerken. 

Während mittels der Methylenblau- und Hämatoxylinfärbung 
die Nisslschen Körperchen in den Rückenmarkszellen nachweis- 
bar sind, lassen sie sich durch Methylgrün nicht tingieren. 
Das lipoide Pigment beschränkt sich haufenweise auf einen Zellteil. 
Der pigmentierte Teil vergrössert sich mit dem Alter auf Kosten 
des unpigmentierten. Der Kern stellt ein rarefiziertes Netz dar 
und nimmt nur oxyphile Farbstoffe auf. Man trifft darin gewöhn- 
lich einen Nukleolus; zweien begegnet man ausnahmsweise bei 
jüngeren Individuen. Ausserdem werden von Hämatoxylin im 
Kern oxyphile punktförmige Körnchen gefärbt. Sie liegen oft 
dem Nukleolenrande an (Fig. 10, lla). Grössere Körperchen, 
welche im Hämatoxylinpräparat sichtbar sind, scheinen zusammen- 
geballte kleinere zu sein. Ihr Aussehen und schliessliches Ver- 
schwinden nach längerer Differenzierung des Eisenhämatoxylin- 
präparates spricht dafür, dass sie den Sekundärnukleolen nicht 
gleichzustellen sind. Es sind also Paranukleolen (Fig. 11b, 12). 

Nach Ramon y Cajal besteht der Nukleolus aus kleinen 
mikrokkenähnlichen Kügelchen, Heidenhain hält denselben für 
ein unorganisiertes Gebilde. Ich glaube kaum, dass ein unor- 
ganisiertes Gebilde im Laufe des Lebens derartige Substanz- 
umwandlungen zeigen könnte, wie wir sie am Nukleolus kennen 
gelernt haben. Die Lipoidosomenbildung kann wohl auch zur 
Charakteristik des Kernkörperchens als lebenden Bestandteils des 
Kerne beitragen. Das Hämatoxylin, welches sonst ganz geringe 
Differenzierungen erkennen lässt, färbt den Nukleolus kaum und 
ganz homogen: es wird im Nukleolus eigentlich nicht der ganze 
Durchschnitt tingiert, sondern nur sein Rand, welcher violett 
erscheint und eine, zwei oder drei Verdiekungen, Polkörperchen, 
enthält, die Masse des Nukleolus bekommt einen unbestimmten 
hellbläulichen Teint. Wenn man mit Hämatoxylin gefärbte 
Körnchen in den Nukleolen antrifft, so sind sie vereinzelt und 
entsprechen den Lipoidosomen, zumal sie bei jungen Tieren 
beobachtet werden. Von Methylenblau wird der Nukleolus 
gleichsam diffus gefärbt. Das Methylgrün hinterlässt an ihnen 
entweder gar keine Spuren, oder nur geringe in einer ganz 
diffusen Art. Bei Biondifärbung werden die Nukleolen meistens 


218 M. Mühlmann: 


rot gefärbt, selten kommt dazu ein grüner Hauch, welcher 
zusammen mit der roten Färbung eine blaue oder unbestimmte 
Verfärbung erzeugt. Die durch diese Verfärbung sich anscheinend 
kundgebende fragliche Beimischung von Nukleinsubstanz gehört 
aber wohl kaum derselben an, da schon nach vierstündiger Ein- 
wirkung von künstlichem Magensaft eine vollständige Auflösung 
der Nukleoli zustande kommt; der Kern erscheint dann als ein 
ganz homogenes substanzloses Gebilde. An vielen Zellen lässt 
das ungefärbte Präparat nach dem Verdauungsversuch allerdings 
noch einen Rest vom Kernkörperchen sehen, von welchem kanal- 
artige Lücken der zersprengten protoplasmatischen Substanz nach 
der Peripherie hinziehen. Von Kernstruktur ist dabei aber keine 
Spur mehr zu sehen. 

Ich möchte an dieser Stelle nochmals an die Widerspenstig- 
keit der Verdauungsversuche bei den Nervenzellen erinnern. Es 
bleiben bei diesen Versuchen noch eine grosse Menge von Zellen 
gut konserviert. Das kommt entschieden daher, dass der Magen- 
saft nicht alle Zellen gleichmässig durchtränkt, denn gewöhnlich 
widerstehen nicht einzelne Zellen unter vielen, die verdaut werden, 
sondern mehrere zusammenhängende auf einmal. Der Unterschied 
zwischen embryonalen Zellen und denjenigen erwachsener Tiere 
tritt nichtsdestoweniger ganz deutlich hervor, da bei den Embryonen 
des I. Stadiums derartige Verstümmelungen der Zellen, wie sie 
beim Erwachsenen beobachtet werden, nicht vorkommen. 

Nach einer 24stündigen Einwirkung des künstlichen Magen- 
saftes verschwindet jede Spur vom Nukleolus. Nach dieser Frist 
werden aber auch die Kerne anderer Gewebszellen, z. B. des 
Bindegewebes, aufgelöst und nur das Nuklein der weissen Blut- 
körper bleibt nach dem Verdauungsversuch erhalten und wird 
mit Methylgrün gefärbt. Um so interessanter ist der Unterschied 
der Zellen erwachsener Tiere von denjenigen der fötalen, bei 
welchen auch nach 24stündiger Einwirkung des Magensaftes die 
Kerne samt den Nukleolen aller ihrer Gewebe intakt bleiben. 
Das nach einer 24stündigen Einwirkung des Magensaftes mit 
Hämatoxylin gefärbte Mark des erwachsenen Tieres zeigt in den 
Nervenzellen noch eine Andeutung von Protoplasma mit einer 
bläulichen Färbung desselben, an Stelle des Kernes hinterbleibt 
aber ein leerer Raum, den ich als homogen bezeichnete, weil er 
nicht einfach eine Höhle darstellt, sondern eine ungefärbte oder 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 219 


vielmehr etwas gelb verfärbte homogene Masse, vielleicht eine 
gelatinöse Grundsubstanz, in die sich die verdaute Eiweissmasse 
umwandelte. Vom Kernkörperchen ist keine Spur zu sehen. Wir 
haben also Recht, das Nuklein als gänzlich aus dem Kern 
geschwunden zu betrachten. 

Was die Lipoidosomen anbetrifft, so zeigen sie das schon 
früher berichtete Verhalten. Die Zahl der Vakuolen ist bei 
älteren Tieren ebenso wie bei jungen ziemlich gross: gewöhnlich 
ist eine grosse von mehreren (5—10) kleineren umgeben (Fig. 10). 
In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Nervenzellen der Rinder 
von denjenigen des Menschen. Beim letzteren sind die Lipoido- 
somen in grösserer Anzahl bei jungen Individuen vertreten. Wenn 
sie sich in Vakuolen umwandeln, vermindert sich ihre Zahl und 
bei alten Leuten ist nur eine Vakuole zu finden. Im Greisen- 
alter: schwinden am grössten Teil der Nervenzellen auch die 
letzteren. 

Da es mir in den früheren Arbeiten nicht gelang, eine 
kolorierte Abbildung von Lipoidosomen beizugeben, welche sie 
dank der Osmiumschwärzung am besten demonstriert, so tue ich 
es hier in Fig. 15, welche die Rückenmarkszelle einer etwa zwei- 
jährigen Kuh darstellt. Da ist auch das lipoide Pigment des 
Protoplasma zu sehen. 

Mensch. 

Obwohl das Studium der Entwicklung der Nervenzellen beim 
Rind alle charakteristischen Züge der Veränderungen, welche bei 
Säugetieren überhaupt beobachtet werden, erkennen lässt, und 
wir bei der Schilderung der Wachstumsveränderungen der Rinder- 
nervenzellen die bedeutenderen Abweichungen, welche bei anderen 
Säugetieren vorkommen, jedesmal notierten, sei dennoch auf 
einige Einzelheiten im Wachstum der Nervenzellen des Menschen 
und anderer untersuchten Tiere hingewiesen, die uns nicht ganz 
wertlos zu sein scheinen. 

Der Wert der histologischen Untersuchung der menschlichen 
Embryonen steht derjenigen der tierischen nach, weil die ersteren 
selten so lebensfrisch erhalten werden können, wie die letzteren. 
Wenn die Leichenmaceration auf die Gewebe überhaupt deletär 
wirkt, so ist das in höchstem Maße beim Nervengewebe der Fall. 
Trotz allem Entgegenkommen des Leiters der geburtshülflichen 
Abteilung des Krankenhauses Balachany, Herrn Dr. Mitrofanow. 


220 M. Mühlmann: 


welcher für mich die menschlichen Embryonen so rasch als 
möglich in die Fixationsflüssigkeit brachte, konnte ich hier selten 
so scharfe Bilder bekommen, wie es bei tierischen möglich war. 

Von menschlichen Embryonen wurden Exemplare von 2, 3, 
5, 11 und 20 em untersucht, dann mehrere neugeborene Kinder 
und Nervenelemente erwachsener Leute verschiedenen Alters. Die 
Präparate wurden wie oben bearbeitet. 

Beim 2-, 3- und 5 em-Embryo nimmt der Kern mehr als 
die Hälfte der Zellgrösse ein. Der Zelleib wird zwar durch 
Hämatoxylin nur ganz schwach tingiert, er wird ebensowenig 
von Methylgrün angegriften, aber Methylenblau färbt ihn; so muss 
denn darin neben Oxychromatin eine Beimischung von Basichromatin 
angenommen werden. Im Kern lassen alle neutralen (Gemische 
ein oxyphiles neben einem basophilen Körnchennetz erkennen 
und in demselben mehrere Nukleolen, welche von Hämatoxylin, 
Methylenblau und Methylgrün tingiert werden. Es muss somit 
ein reichlicher Gehalt von Nuklein im Kern der embryonalen 
menschlichen Nervenzelle anerkannt werden. Verdauungsversuche 
konnte ich mit diesem geringen Material allerdings nicht anstellen. 
Die Zahl der Kernkörperchen ist nicht so gross, wie beim Rind, 
im Durchschnitt etwa vier. Beim 5 cm langen Embryo ist die Zahl 
der Nukleolen etwas geringer: neben ein bis zwei grösseren lassen 
sich aber mehrere kleinere Körnchen wahrnehmen. In den 
grösseren lässt das Hämatoxylin randige Verdickungen wahr- 
nehmen. Auch das grüne Kernnetz des Biondipräparates lässt im 
Zentrum einen rundlicheckigen grünen Ring mit zwei bis drei 
Verdickungen, welche eben diese Eckigkeit demselben verleihen, 
unterscheiden. Sonst sind keine Differenzierungen in den Nukle- 
olen zu sehen. 

Beim 11- und 20 cm-Embryo haben sich die Verhältnisse 
insofern geändert, als der Kern einen geringeren Zellteil ein- 
nimmt, beim 20 cm grossen etwa ein drittel, und das Über- 
wiegen der geringeren Nukleolenzahl mehr zum Vorschein kommt. 
Eine nukleinige Schale ist im Kernkörperchen schwach angedeutet, 
indem im Biondipräparat zwei bis drei grüne Knötchen an der 
Peripherie desselben durch eine schwache, kaum wahrnehmbare 
Bogenlinie verbunden sind oder aber der nukleolige Ring in 
vollem Umfang in grüner Farbe zum Vorschein kommt (Fig. 17). 
Der Nukleolus sieht nicht homogen aus, sondern etwas punktiert. 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. Dal 


Beim Neugeborenen kommen die Nisslschen Körper ganz 
gut zum Vorschein. Im Kern hinterlässt Methylgrün nur frag- 
liche Spuren, aber im rötlichen Kernkörperchen des Biondi- 
präparates ist ein grünes Körperchen von unregelmässiger, manchmal 
stäbchenförmiger Form nachweisbar: es liegt meistens an der 
Peripherie der Nukleole. Zentralwärts sind jetzt in der Nukleole 
bereits ein bis zwei vakuolenartig-glänzende Figuren sichtbar, die 
osmiert schwarze händer enthalten. Die Einzahl der Nukleole 
ist die Regel, zwei werden seltener beobachtet, mehr kaum. 

Bei erstjährigen Kindern und bei einem vierjährigen Mädchen 
war der Nukleolus der Nervenzellen meist grün verfärbt und zur 
roten Farbe beigemischt. Nur bei einem 1!/smonatlichen zurück- 
gekommenen, unausgetragenen Kinde konnte der nukleinige 
Ring der Nukleole ganz gut mit Methylgrün gefärbt werden. 
Sonst aber verschwindet im Kern die nukleinige Färbung all- 
mählich, und bei Erwachsenen ist sie nicht mehr sichtbar. 
Dagegen lässt sich dieselbe an den Nisslschen Körperchen 
manchmal hervorbringen. Dass die letztere wohl kaum einem 
Nukleingehalt derselben zuzuschreiben ist, zeigen die Verdauungs- 
proben an frischen Rinderzellen, nach welchen die Nisslschen 
Körper weder sichtbar noch darstellbar sind. 

Über die Lipoidosomen und das lipoide Pigment habe ich 
dem (resagten nichts hinzuzufügen. An den Fig. 13 und 14 
demonstriere ich die Lipoidosomenfärbung durch Osmiumsäure 
bei einem vierjährigen Kinde und einem 1Sjährigen Manne. Beim 
ersteren sieht man in der Hypoglossuskernnervenzelle (a) bereits 
den Beginn der Lipoidbildung im Protoplasma in Form von spär- 
lichen Körnchen. Die Fig. 14 zeigt eine Purkinjesche Zelle des 
Kleinhirns, wo lipoides Pigment spärlich oder gar nicht auftritt, 
dagegen aber die kristallinische Form der Lipoidosomen in ganz 
eklatanter Weise demonstriert werden kann. 

Wenn wir die Veränderungen im Nukleingebiet der Nerven- 
zellen des Menschen und beim Rind in bezug auf deren Alter 
miteinander vergleichen. so ist der Unterschied sehr gross: beim 
neugeborenen Menschen z. B. ist die nukleinige Färbung in den 
Nukleolen stärker als beim neugeborenen Rind. Wenn wir aber 
die Körpergrösse eines neugeborenen Menschen mit der eines 
neugeborenen Kalbes vergleichen, so werden wir im Bau der 


Fötalnervenzellen des Menschen und des Rindes keinen grossen 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 16 


222 M. Mühlmann: 


Unterschied finden. Reiche Methylgrünfärbung des Kernes finden 
wir beim 2—5 em grossen menschlichen Fötus, entsprechend also 
dem Befunde im ersten Embryonalstadium des Rindes, wo die 
Grösse des Tieres ungefähr dieselbe ist. Das Überwuchern der 
nukleinigen Färbung in die Peripherie des Nukleolus sahen wir 
beim menschlichen Fötus von 11 und 20 cm; beim Rinde sahen 
wir dasselbe im Il. Stadium von 8—14 cm Grösse. Beim neu- 
geborenen Menschen unterscheiden sich die Verhältnisse von den 
vorhergehenden des 20 cm grossen Fötus wenig, aber die peri- 
pherische nukleinige Schale der Nukleoli kommt nicht mehr 
deutlich zum Vorschein: der Grösse nach entspricht der Neu- 
geborene (Beine abgerechnet) dem III. Rinderstadium. Dass die 
Verhältnisse bei Kindern in den ersten Lebensjahren denjenigen 
des Rindes im IV. Embryonalstadium entsprechen, werden wir 
nacıı dem oben Gesagten nicht befremdlich finden. Der Befund 
am 1'/smonatlichen Kind stellt nicht nur keine Ausnahme vor, 
sondern bestätigt vielmehr die Abhängigkeit des geschilderten 
Verhaltens von der Grösse des Organismus. Es handelte sich 
um ein frühgeborenes Kind, welches 1000 gr wog. Es war etwa 
halb so gross, als ein normales Neugeborenes (ich habe es leider 
bei der Sektion nicht gemessen, da ich damals nicht voraussah, 
dass die Grössenmessung von Bedeutung sich erweisen werde). 
Die Sektion ergab ausser hochgradiger Abmagerung keine Ver- 
änderung an den Organen. 


Andere Säugetiere. 

Vom Schaf sind Nervenzellen von Embryonen von 2, 5, 10, 
12, 26, 27 und 32 cm Länge und von erwachsenen Tieren unter- 
sucht worden. 

Die histologischen Bilder entsprechen im allgemeinen den- 
jenigen des Rindes. Der nukleinige Ring der Nukleolen wurde 
bereits an 10—12 cm grossen Embryonen beobachtet. Bei den 
26—32 cm grossen war der Nukleolus im Biondipräparate ent- 
weder grün diffus gefärbt oder er enthielt einen grünen Flecken 
am Rande, während er selbst in unbestimmter rötlicher Farbe 
erschien, oder er zeigte keine grüne Beifärbung. Bei einem 
27 cm grossen Embryo konnte der grüne Nukleolenring mit 
einer Verdickung nachgewiesen werden. Bei allen diesen grösseren 
Embryonen konnten auch die Lipoidosomen in grösserer Zahl 


D 
D 


N) 
SS] 
SD 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 


im Biondipräparat konstatiert werden. Ihre kristallinische 
Form, der helle Glanz dokumentierte sie ganz zweifellos als 
Lipoidosomen, aber mit der Osmiumfärbung wurde keine 
Schwärzung derselben erreicht. Dagegen konnten mittels der- 
selben vereinzelte lipoide Körnchen im Protoplasma des 27 cm 
grossen Fötus nachgewiesen werden. 

An den Nervenzellen von erwachsenen Hammeln konnte mit 
der Biondifärbung keine basichromatische Färbung erzielt 
werden: sowohl das Protoplasma als der Kern samt dem Kern- 
körperchen sind rot gefärbt. An den Vorderhornzellen eines jungen 
Hammels konnte der Rand der Lipoidosomen ebenso wie die 
lipoiden Körner des Protoplasmas geschwärzt werden. 

Von Meerschweinchen und Kaninchen konnte ich 
nur Embryonen und verhältnismässig junge Tiere, ein bis zwei 
Jahre alte, zur Untersuchung bekommen. Selbst bei ziemlich 
schweren erwachsenen Kaninchen (1850 gr) und Meerschweinchen 
(800 gr) konnte der nukleinige Ring im Querschnitt der Nerven- 
zelle, ebenso wie bei den neugeborenen Tieren, nachgewiesen 
werden; beim Kaninchen ist er feiner als beim Meerschweinchen. 
Die Fig. 7 stellt eine Rückenmarkszelle eines drei Wochen alten 
Meerschweinchens mit Biondis Dreifarbgemisch gefärbt dar. 
Das Protoplasma und der Kern sind rötlichbraun, das Kern- 
körperchen mehr homogen in derselben Farbe tingiert, von einem 
grünen Ring umgeben, welcher an drei Stellen Verdickungen 
zeigt. Ausser dem grossen Nukleolus enthält der Kern einen 
grün gefärbten kleineren. An den anliegenden Neurogliazellen tritt 
gegenüber den Nervenzellen ein Reichtum des Kernes an nuklein- 
haltiger Substanz deutlich hervor. 

Vakuolen sind in den Kernen erwachsener Nervenzellen, 
sowie Lipoidosomen bei jüngeren Tieren nachweisbar. 

Der Fund des nukleinigen Ringes der Nukleolen bei ver- 
hältnismässig älteren kleinen Nageltieren steht keineswegs in 
Widerspruch mit den Befunden bei grösseren Säugetieren. Die 
histologischen Veränderungen an den Nervenzellen, welche ich bei 
verschiedenen Tieren und beim Menschen schilderte, können als 
Funktionen des betreftenden Organismus nur im Zusammenhang 
mit seiner Grösse in der Wachstumsperiode betrachtet werden, 
für den Zustand des erwachsenen Individuums kann das Alter 


nur bei wenigen Tieren als Maßstab dienen, da bei den meisten 
16* 


224 M. Mühlmann: 


die natürliche Lebensdauer unbekannt ist; besonders gilt das für 
die Haustiere, welche wohl: selten eines natürlichen Todes an 
Altersschwäche sterben. Die charakteristischen Veränderungen 
in bezug auf den Nukleingehalt des Zellkernes haben wir gut bei 
Rinder- und Schafembryonen beobachten können und sie bei einer 
(srösse derselben verfolgen können, die diejenige des erwachsenen 
Meerschweinchens oder Kaninchens nicht überschreitet (III. Em- 
bryonalstadium); so können wir bloss auf diese Tatsache auf- 
merksam machen und daran denken lassen, dass die phylo- 
genetische Untersuchung die skizzierten Veränderungen zu einer 
Funktion nicht so sehr des Alters des Tieres, als seiner Grösse 
macht. 

Zum Schluss will ich noch über die Untersuchung der 
Nervenzellen von einer Katze (35 cm lang) am Ende der Schwanger- 
schaft und ihrer zwei Früchte (7 cm lang) berichten. 

Im Alaunhämatoxylinpräparat besteht der Unterschied haupt- 
sächlich im Kernbild. Der Kern enthält bei den Feten ausser 
einer grossen Nukleole noch zwei bis drei kleinere, wogegen bei 
der Mutter ausser der Nukleole nur ein Paar Körnchen im 
eosinroten Netz des Kernes eingelagert sind. Im Eisenhäma- 
toxylinpräparat erscheinen jedoch auch bei der Mutter kleine 
Nukleolen (ein bis drei), die im Biondipräparat fehlen. Der 
Rand des Nukleolus zeigt bei der Mutter leichte Verdickungen. 
Bei der Biondifärbung stellt der Kern der fötalen Nervenzellen 
ein rarefiziertes grünes Netz dar, in welchem der Nukleolus 
einem grünen Knoten oder einem feinen grünen Ringe mit 
Randverdickung und farblosem Inhalt entspricht; in den mütter- 
lichen Zellen ist der Kern durchaus rot, rarefiziert, in dem 
Nukleolus ist zur rötlichen Farbe eine grüne diffus beigemischt. 

Der Zusammenhang zwischen den Bildern der Nuklein- 
wanderung in der Nervenzelle und der Tiergrösse lässt sich an 
den Befunden bei der Katze ebensogut sehen, wie bei den 
vorhergehenden Tieren. Wir sehen nämlich im Kern der erwach- 
senen Katze noch ein Beigemisch von stark basophiler Substanz. 
insofern entspricht der Befund nicht demjenigen des erwachsenen 
Menschen oder Rindes, aber die untersuchte Katze war 35 cm 
lang, entsprach also den Rinderfeten des III. —IV. Stadiums, mit 
deren histologischen Nervenzellenbefunden das geschilderte Ver- 
halten der Nervenzellen der erwachsenen Katze ungefähr zusammen- 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 225 


fällt. Der Befund an den Feten der Katze entspricht dem bei 
den Rinderfeten des II. Stadiums, mit deren Grösse die ersteren 
auch zusammenfallen. 


Ergebnis. 


Das Wachstum der Nervenzellen lässt in der Zusammen- 
setzung aller ihrer Teile charakteristische Züge erkennen. Das 
Protoplasma unterscheidet sich schon frühzeitig von demjenigen 
anderer Gewebszellen, indem es mit einer basichromatischen 
Substanz versehen wird. Die Basichromatie derselben unter- 
scheidet sich nicht unwesentlich von derjenigen der Kernsubstanzen. 
Anfangs ist diese basichromatische Substanz ordnungslos, körnig- 
diffus im Protoplasma zerstreut, bald aber sammelt sie sich in 
interfaseiculären Schollen an und bildet die Tigroidsubstanz. In 
der lebenden Zelle ist die Tigroidsubstanz wahrscheinlich in einem 
gleichmässig gelösten Zustand, sie wird körnig bei der Leichen- 
starre der Zelle. Sie muss eine wichtige physiologische Bedeutung 
haben, da sie in enger Beziehung zu den Neurofibrillen steht 
und die Maschen zwischen den Bündeln derselben ausfüllt. Wenn 
die Tigroidsubstanz bereits gut ausgesprochen ist, treten im 
Protoplasma ungeordnet vereinzelte fettige Körnchen auf. Im 
Laufe des Wachstums vermehren sich diese Körnchen, bekommen 
ein farbiges Beigemisch, welches sie zu Pigment macht, und 
treten schliesslich beim erwachsenen in grossen Haufen auf. Im 
hohen Alter kann die lipoide Eigenschaft verloren gehen und es 
binterbleibt nur der Pigmentcharakter. 

Im Kern ist anfangs ein reichlicher Nukleingehalt wahr- 
nehmbar, welcher allmählich reduziert wird, indem er von 
mehreren Nukleolen auf einen übergeht, an diesem dann eine 
äussere Schale bildet, darauf im Nukleolus aufgelöst wird und 
schliesslich aus dem Kernbereich schwindet. Im Nukleolus bilden 
sich die Lipoidosomen, die in bezug auf ihre chemischen Eigen- 
schaften eine vollkommene Analogie mit denjenigen des Proto- 
plasmas aufweisen, aber sich mit zunehmendem Alter nicht 
anhäufen, sondern in noch jugendlichem Alter verschwinden und 
Vakuolen hinterlassen. 


Ich habe mich in dieser Abhandlung, bemüht nur Tatsachen 
mitzuteilen, wie sie sich in der Entwicklungsgeschichte der 


226 M. Mühlmann: 


Nervenzelle kundgeben, ohne auf die Frage nach ihrer biologischen 
Bedeutung einzugehen. Es ist auch nicht leicht, alle Tatsachen in 
eine harmonische Lehre zu vereinigen. Der Sinn des allmählichen 
Schwundes der Nukleinsubstanz ist aber wohl leicht begreiflich. 

Das Nuklein ist bekanntlich derjenige Bestandteil der Zelle, 
worin die formative Tätigkeit derselben zuerst ausgelöst wird; 
eine Verringerung resp. ein Schwund der Nukleinsubstanz muss 
zu einer Verringerung dieser Tätigkeit führen. In der Tat wissen 
wir, dass am Nervensystem höherer Vertebraten die regenerative 
Tätigkeit der Nervenzellen am schwächsten ausgesprochen, wenn 
nicht überhaupt unbekannt ist. Unsere Untersuchung lehrt, dass 
der Verlust dieser regenerativen Tätigkeit sehr tief wurzelt und 
in der Struktur der Nervenzellen begründet ist. Der Schwund der 
Zellreproduktion muss im Nervensystem tatsächlich sehr früh 
beginnen. Karyokinetische Figuren habe ich am Kern der Nerven- 
zellen niemals gesehen. Es lassen sich in den jüngeren Stadien 
zwei und mehr Nervenzellen nebeneinander derartig gelagert 
beobachten, dass sie sich als Ergebnis einer soeben erfolgten 
Teilung einer Mutterzelle betrachten lassen (Fig. 5e). Aber den 
Teilungsmoment selbst konnte ich nicht wahrnehmen. So muss 
denn in Anbetracht des Fehlens der mitotischen Figuren der 
Prozess als Folge amitotischer Teilung angesehen werden. Die 
Amitose muss im Kern so geschwind geschehen, dass sie sich 
nicht fixieren lässt und nur das Endmoment zum Vorschein bringt. 
Aber auch solche Tochterzellenbildungen, wie sie die Fig. 5 wieder- 
gibt, werden nicht häufig beobachtet. im mittleren und höheren 
Embryonalstadium, geschweige denn bei Erwachsenen gar nicht; 
so muss denn gesagt werden, dass den Nervenzellen eine Ver- 
mehrungsfähigkeit so gut wie abgeht. In den ersten Embryonal- 
stadien ist ein Rückenmarksdurchschnitt von Zellen überhäuft. 
Die Zellen liegen eng nebeneinander, enthalten sehr wenig Proto- 
plasma, so dass eigentlich nur Kerne sichtbar sind, welche das 
(rewebe dicht durchsetzen. Mit dem Fortschritt des Wachstums 
werden die Räume zwischen den Kernen grösser. Es bildet sich 
um einen Teil derselben mehr Protoplasma aus, andere Kerne 
verschwinden. Die Protoplasmabildung wird zuerst in den Vorder- 
hörnern reichlicher beobachtet, an den Hinterhörnern bleibt die 
Kernanhäufung länger bestehen. Parallel mit dem Kernschwund 
bildet sich die Faserung stärker aus. 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 227 


Es findet also keine Vermehrung von Zellen, sondern viel- 
mehr ein Schwund derselben statt, an den hinterbliebenen wächst 
zwar die absolute Grösse der Kerne, aber sie tritt im Vergleich 
mit der Protoplasmabildung an Grösse zurück, ihre relative (rrösse 
wird also reduziert. Die Vergrösserung des Kernes geschieht 
nicht auf Kosten der formativen Massen, sondern infolge Aus- 
bildung anderweitiger Substanzen, die nichts für die Frucht- 
bildungsfunktion beibringen. Die mathematisch genaue Abrundung 
des Kernes, die Rarefizierung desselben, die Verminderung der 
Nukleolenzahl, die Entstehung von Lipoidosomen zeigt vielmehr, 
dass die Vergrösserung des Kernes eine Reduktionserscheinung 
darstellt. Auch in der anwachsenden Protoplasmamasse muss die 
Fruchtlosigkeit, also das Fehlen der Anfrischung, zu degenerativen 
Veränderungen führen, welche wir in der lipoiden Pigmentierung 
kennen gelernt haben. Sowohl die Lipoidosomen, als das lipoide 
Pigment sind also Rückstandsprodukte der im Wachstum und 
Vermehrung zurückgebliebenen Zelle. 

Die Ursache, weshalb die Vermehrung der Nervenzellen 
frühzeitig stockt und in denselben Rückbildungsveränderungen 
auftreten, wurde von mir in den Wachstumsbedingungen des 
Organismus erblickt. Die Wege, welche mich zu dieser Ansicht 
führten, und die Tatsachen, welche mich zu derselben brachten, 
sind anderweitig eingehend mitgeteilt. Hier wollen wir nur mit 
denjenigen Tatsachen rechnen, welche bei der in dieser Abhandlung 
geschilderten Untersuchung gewonnen wurden. Da glaube ich 
genügend klargelegt zu haben, dass die Veränderungen in der 
Nervenzelle, speziell in ihrem Kerne, welcher in einer Nuklein- 
elimination bestehen, bei verschiedenen Säugetieren insofern ganz 
gleichmässig verlaufen, als die verschiedenen Phasen dieser Elimi- 
nation nicht bei gleichem Alter dieser Tiere gleich sind, sondern 
bei gleicher Grösse derselben. Die Grösse des Tieres ist es, 
welche diese Veränderungen leitet. Ungefähr bei derselben 
Grösse des Organismus wandert das Nuklein vom Kernleibe zum 
Nukleolus, vom Nukleolenleibe zu dessen Peripherie, um sich dann 
aufzulösen und zu verschwinden. Ungefähr bei derselben Grösse 
des Organismus bilden sich im Zelleibe und im Zellkerne Rück- 
standsprodukte aus. Es ist also die Grösse der Masse, ihr 
Wachstum, welche eine Ernährungsstörung in den Nervenzellen 
bewirkt und die Reduktionsveränderungen leitet: die wohl nur durch 


225 M. Mühlmann: 


Ernährungsstörungen hervorgebracht werden können. Das Wachs- 
tum gibt eine Richtschnur nicht nur für progressive Prozesse, 
sondern auch für regressive. Warum der Regress am ehesten 
am Nervensystem entsteht, darüber lehrt das Nähere die physi- 
kalische Wachstumstheorie. 

Mittels derselben können wir auch den Unterschied im 
Verlauf der Lipoidbildung im Zellkern und im Zelleibe erklären. 
Da wir in den lipoiden Körnern Rückbildungsprodukte erblicken, 
so kann ihre Menge und die Zeit, wann sie entstehen und ver- 
gehen, von lokalen Ursachen ihrer Bildung, von den Besonder- 
heiten der Struktur des Protoplasmas und der Nukleolen der 
Nervenzelle abhängen. Die Lipoidkörnelungen bilden sich infolge 
von Ernährungsmangel an der Nervenzelle, welche durch das 
Wachstum bedingt und gesteigert wird. Da sie Rückstands- 
produkte immerhin organisierter, lebender Zellteile darstellen, so 
muss ein Zeitpunkt kommen, in dem ebenso wie die Lebens- 
tätigkeit dieser Teile zurückgeht, auch die Produktion dieser 
Rückstände aufhören muss. Der Nukleolus als zentraler Zellteil 
befindet sich in ungünstigeren Ernährungsverhältnissen als der 
peripherische. Wir haben darin eine frühere Entstehung, aber 
auch ein früheres Verschwinden der Rückstandsablagerungen zu 
erwarten. Das erste Moment der Lipoidosomenbildung ist wegen 
ihrer geringen (rösse schwer zu erfassen; doch konnten wir sie 
beim Menschen, ebenso wie bei den Nagetieren, in einer früheren 
Entwicklungsperiode beobachten, als die Lipoidkörnelung im 
Protoplasma. Am evidentesten konnten wir das frühere Ver- 
schwinden der Lipoidosomen im Vergleich mit den Plasma- 
lipoiden studieren. Das Verschwinden der ersteren geschieht im 
blühendsten Lebensalter, während die Plasmakörnelung erst im 
höchsten Alter des Organismus ihre lipoide Reaktion verliert. 
Das frühere Entstehen und Vergehen der Lipoidosomen kommt 
also von der zentralen Lage derselben im Nukleolus der Nerven- 
zelle. Auch hierin bewährt sich somit die Gültigkeit der physi- 
kalischen Wachstumstheorie. 


Nachtrag. 
Aus dem inzwischen mir zugegangenen Artikel von G.Mari- 
nesco: „Recherches sur le noyau et le nucleole de la cellule 
nerveuse a l’&tat normal et pathologique*“ (Arch. für Psychologie 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 229 


und Neurologie, Bd. V, 1905), welchen ich beim Verfassen der 
‚vorliegenden Arbeit nur aus dem Zitat bei Ramon y Cajal 
kannte, ersehe ich, dass er beim menschlichen Fötus die all- 
mähliche Abnahme der Zahl der sich basisch färbenden Nukleolen 
konstatierte; der schliesslich bleibende eine Nukleolus wird 
amphophil. Auch Ramon y Cajal spricht die Vermutung aus, 
dass die Änderung der Färbeeigenschaften der Kernbestandteile 
wohl mit dem Alter in Zusammenhang stehe. 


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230 M. Mühlmann: 


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Zaccharias: Die chemische Beschaffenheit von Protoplasma und Zell- 
kern. Fortschritte der Botanik, Bd. III, 1907. 

Ziehen: Nervensystem. Jena 1899. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. 


Fig. 1. a = Spinalganglienzelle, b und ce — Rückenmarksnervenzelle eines 
2!’ cm grossen Rinderembryo. Fixierung: Orthsche Mischung. 
Färbung: Eisenhämatoxylin nach M. Heidenhain. Vergr. 2340. 

Fig. 2. Spinalganglienzellen eines 5!/» cm grossen Rinderembryo. Fixierung: 
Zenkerformol. Färbung: Biondis Dreifarbgemisch. Vergr. 2340. 
a — diffuse, b — differenzierte Methylgrünfärbung. 

Fig. 3. Rückenmarkszelle eines erwachsenen Ochsen nach Trypsineinwirkung 
mit Silber nach Bielschowsky imprägniert. Vergr. 667. 

Fig. 4. Spinalganglienzelle eines 11 cm grossen Embryo. Fixierung: 
Sublimat. Färbung: Böhmers Hämatoxylineosin. Vergr. 2000. 


er LTE 


„10. 


She. 


212: 


0: 


Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 231 


a — Rückenmarksnervenzelle, b und ce — Spinalganglienzellen 
eines 14 cm langen Embryo. Fixierung: Sublimat. Färbung: 
Eisenhämatoxylin. Vergr. 2000. 

Rückenmarksnervenzelle eines 11 cm grossen Embryo. Fixierung: 
Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 1334. 
Rückenmarksnervenzelle eines Meerschweinchens. 3 Wochen alt. 
Fixierung: Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 1040. 

a und ce — Spinalganglienzellen, b — Rückenmarksnervenzelle 
eines 27 cm langen Rinderembryo. Formalinhärtung. Eisen- 
hämatoxylinfärbung. Vergr. 1040. 

Rückenmarksnervenzelle eines 13 cm grossen Embryo. Fixierung: 
Sublimat. Färbung: Eisenhämatoxylin. Vergr. 520. 
Rückenmarksnervenzelle eines erwachsenen Ochsen. Formalin- 
härtung. Färbung: Hansens Hämatoxylin. Vergr. 780. Zwei 
Paranukleolen, wovon einer frei im Kernleibe, der andere der 
Nukleole anliegend. 

Spinalganglienzellen eines erwachsenen Ochsen. Fixierung: Sublimat. 
Färbung: a — Alaunhämatoxylin, b — Eisenhämatoxylin. Vergr. 780. 
a mit Polverdiekungen des Nukleolenrandes, b mit Paranukleolen- 
rudimenten im Kern. 

Rückenmarksnervenzelle eines erwachsenen Ochsen mit drei Para- 
nukleolen und einer Polverdickung des Nukleolenrandes. Formalin- 
härtung. Eisenhämatoxylinfärbung. Vergr. ca. 600. 

a — Hypoglossuskernzelle, b — Vaguskernzelle eines vierjährigen 
Mädchens. Bearbeitung nach Marchi. 

Purkinjesche Kleinhirnnervenzelle eines 18jährigen Mannes. 
Bearbeitung nach Marchi. Nachfärbung mit Safranin. Vergr. 2000. 
Rückenmarkszelle einer zweijährigen Kuh. Bearbeitung nach 
Marchi. Nachfärbung mit Safranin. Vergr. 2000. 
Rückenmarkszelle eines 33 cm grossen Rinderembryo. Fixierung: 
Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 780. 

Spinalganglienzelle eines fünfmonatlichen menschlichen Fötus. 
Fixierung: Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 780. 


[9 


v 


Aus dem anatomisch-histologischen Laboratorium der Universität 
St. Petersburg. 


Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 
Von 


W. Hworostuchin. 


Hierzu Tafel X. 


In zahlreichen histologischen Arbeiten kommen die Autoren 
neuerer Zeit einstimmig zum Ergebnis der sekretorischon Tätig- 
keit des Epithels, welches die Plexus chorioidei bedeckt; diese 
Befunde werden auch durch Versuche eines verstärkten Zuflusses 
der cerebrospinalen Flüssigkeit bestätigt. Die vielfachen Unter- 
suchungen aus der letzten Zeit beweisen, dass die Forschungen 
auf diesem Gebiet energisch fortgesetzt werden, doch sind viele 
Seiten der Frage entweder noch gar nicht oder nur unvollständig 
untersucht worden. 

Auf Rat meines hochverehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. 
A.S. Dogiel, habe ich versucht, so viel als möglich diese Lücken 
auszufüllen. Ich spreche ihm hier meinen Dank aus! 


Kurze Übersicht der neueren Literatur. 

Ich verweise zunächst auf die Arbeit von Galeotti (1897). Beim 
Studium der vergleichenden Anatomie des Diencephalon verschiedener Wirbel- 
tiere vermerkte er die sekretorische Tätigkeit des Epithels der Plexus 
chorioidei. Den Sekretionsprozess selber hat er recht ausführlich beschrieben. 
Im Kern sollen sich kleine Granula bilden, die später ins Protoplasma über- 
treten und zur Peripherie der Zelle rücken. Beim Abrücken derselben vom 
Kern nehmen sie allmählich an Grösse zu und werden schliesslich in die 
Gehirnventrikel ausgeschieden. Ferner beobachtete Galeotti die Umwandlung 
fuchsinophiler Granula in Pigmentkörner. Findlay (1899) hält gleich 
Galeotti die Plexus für sekretorische Organe. Er sah im Protoplasma der 
Epithelzellen überall zahlreiche homogene Sekretgranula, im apikalen Abschnitt 
einiger Zellen jedoch Vakuolen, welche infolge einer Zerstörung der Zell- 
membran in den Liquor cerebrospinalis übergingen. 

Studniäka (1900) konnte beim Studium des Ependyms bei ver- 
schiedenen vorwiegend niederen Wirbeltieren die Ausstossung der Sekret- 
tropfen nicht nur aus dem Epithel der Plexus chorioidei, sondern auch aus 
den Ependymzellen verschiedener Abschnitte der Gehirnventrikel (Wandungen 
der Paraphyse, Fossa rhomboidea u. a.) beobachten. Diese Beobachtungen 


.. De = 99 
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 2,33 


veranlassten ihn, die Vermutung auszusprechen, dass das ganze Ependym 
sich an der Sekretion beteilige. Hierbei nimmt er jedoch an, dass in Berück- 
sichtigung der histologischen Struktureigentümlichkeiten der einzelnen Epen- 
dymabschnitte auch ein Unterschied in den Sekretprodukten erwartet werden 
müsse. | 

Fast zu denselben Ergebnissen wie Galeotti gelangte auch Francini 
(1907). Unter anderem beschrieb er in den Epithelzellen des Plexus chorioi- 
deus Tropfen mit intensiv gefärbtem Saume. 

Cavazzani (189), PaulClaisse et Charles Levi (1897) und 
Loeper (1904) studierten den Plexus chorioideus in pathologischen Fällen 
und gelangten hinsichtlich seiner sekretorischen Tätigkeit zu positiven 
Ergebnissen. 

Cappelleti (1901), Petit et Girard (1901) und Meek (1907) kon- 
statierten bei Einwirkung von Pilokarpin, Muskarin und anderer Substanzen 
eine Zunahme der ÜÖerebrospinalflüssigkeit, wobei Petit et Girard sowie 
Meek an dem nach den Versuchen fixierten Material ausserdem charak- 
teristische Veränderungen im Epithel der Plexus gesehen haben. Petit et 
Girard schreiben hierüber folgendermassen: „la hauteur des el&ments 
epitheliaux s’accroit, la differenciation en deux zones s’exagere, la zone distale 
prend un d@veloppement exagere et Ja production des globules hialins devient 
plus active qu’ a l’e&tat normal; en an mot, ces dl&ments hypersecretent.“ 
Fast dasselbe vermerkt auch Meek: „a differentiation inte two zones, a 
basal granular, and an outer clear... The granulations, however, are 
always heavier and more compact toward the base of the cell. Clear spaces 
begin to appear toward the lop, and rarely dues the stainable cytoplasm 
extend to the upper cell wall. Masses of larger granules are common in 
the upper part of the cell where the lines forming the reticulations cross.“ 

Ohne mich ausführlich bei einer Reihe anderer Arbeiten von Ima- 
mura, Loeper, Schläpfer, Joschimura u.a. aufzuhalten, will ich nur 
einige interessante Angaben aus denselben hier wiedergeben. Imamura 
(1902) beschreibt glänzende, fettartige Körner, welche eine Reaktion mit 
Ösmiumsäure ergeben. Loeper (1904) beobachtete Glykogenkörner sowie 
kleine und grössere fettartige Gebilde, die häufig das Aussehen einer Morula 
haben; sie werden durch Äther, Xylol gelöst. während Osmiumsäure sie 
schwach färbt. Schläpfer (1905) nahm Sekrettropfen mit lipoider Hülle 
wahr. Joschimura (1909) schliesslich fand in den Epithelzellen des Plexus 
Leeithin, Fett, Fibrin und Glykogen. 


Material und Technik. 

Ich studierte die Plexus chorioidei hauptsächlich an fixiertem Material, 
das ich verschiedenen Säugetieren (Katze, Maus, Kaninchen, Hase, Pferd, 
Affe u. a.) unter normalen Bedingungen entnahm. Ausserdem untersuchte 
ich auch lebendes Gewebe in cerebrospinaler Flüssigkeit oder in physio- 
logischer Kochsalzlösung. Zur Fixierung versuchte ich viele der in der 
mikroskopischen Technik gebräuchlichsten Gemische, wobei die Mehrzahl 
derselben sich untauglich erwies. Einige derselben enthielten keine Osmium- 
säure, infolgedessen zahlreiche fettähnliche Einschlüsse in dem Epithel 


234 W. Hworostuchin: 


unsichtbar blieben (Gemische von Carnoy-Gilson, Lenhossck, konzen- 
trierte Sublimatlösung in physiologischer Kochsalzlösung u. a.); andere 
Gemische enthielten Osmiumsäure, doch auch eine grosse Menge Essigsäure, 
welche, soviel ich beurteilen kann, Veränderungen in diesem zarten Organ 
verursachte (die Mitochondrien löste u. a.). Die besten Resultate ergab die 
Fixierung der Präparate nach Altmann und abgeänderte Verfahren dieser 
(1° Osmiumsäure und 2'»°o Kaliumbichromatlösung zu gleichen Teilen). 
Gewöhnlich fixierte ich die Präparate 24 Stunden lang, wusch sie darauf in 
Wasser aus und härtete sie in Alkohol von steigender Konzentration, schloss 
sie in Paraffin ein und fertigte aus ihnen Schnitte von 3—4 „ Dicke an. 
Zur Färbung benutzte ich hauptsächlich saures Fuchsin und Hämatoxylin 
nach Heidenhain. 


Bau des Epithels der Plexus chorioidei. 

Meine Untersuchungen bestätigen teilweise die Beobachtungen 
der angeführten Forscher, teilweise ergeben sie neue Befunde, die 
ich nachstehend beschreiben werde. 

Die Form der Epithelzellen, welche die Oberfläche des 
Plexus chorioideus des vierten Ventrikels und der Seitenventrikel 
bekleiden, ist äusserst mannigfaltig. Gewöhnlich weisen die Zellen 
kubische Form auf, oder ihr Längsdurchmesser ist beträchtlich 
grösser als der Querdurchmesser oder umgekehrt der Querdurch- 
messer ist grösser als der Längsdurchmesser (Fig. I). Bereits 
diese Grössenschwankungen der Zellen geben Veranlassung zur 
Annahme, dass hierbei der Funktionszustand eine gewisse Rolle 
spielt, obgleich beim Studium eines dermassen zarten Objektes, 
wie es die Plexus chorioidei sind, die Möglichkeit einer Form- 
veränderung der Zelle durch rein mechanische Ursachen, wie z. B. 
durch Zerrung der Membran während der Präparation u. dgl. ins 
Auge gefasst werden muss. 

Bereits bei Hüchtiger Durchsicht der Präparate ist es jedoch 
nicht schwer, in den einzelnen Zellen eine wechselnde Menge von 
Granula wahrzunehmen (Fig. I), während bei einer genauen 
Beobachtung ein gewisser Unterschied in dem Bau der Granula 
erkannt werden kann. 

So fand ich häufig im Epithel, welches den Plexus chorioideus 
der Seitenventrikel und des vierten (Grehirnventrikels der Katze 
auskleidet (nach einer Fixierung desselben in modifiziertem 
Altmannschen Gemisch mit nachfolgender Hämatoxylinfärbung 
nach Heidenhain) kubische Zellen, deren Protoplasma eine 
beträchtliche Menge körniger Fäden, welche ihrer Form und ihrer 


Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 235 


Lage nach an Mitochondrien erinnern, sowie eine geringe Anzahl 
einzelner Granula enthielten. Diese körnigen Fäden haben gewöhn- 
lich Komma-, Bogen- oder Stäbchenform, doch werden auch wellen- 
förmige Fäden verschiedener Länge angetroffen. Diese Gebilde 
sind in der ganzen Zelle verstreut, wenngleich sie in grösserer 
Zahl neben dem Kern im distalen Teil der Zelle sich vorfinden 
(Fig. I und Fig. II, Zelle 2). 

In einigen Zellen derselben Form ist umgekehrt eine grössere 
Menge isolierter Körner und eine unbedeutende Anzahl von Fäden 
vorhanden. Die Körnchen selber sind in diesen Fällen verschieden 
gross (Fig. II, Zelle 1 und 3: Fig. VI, Zelle 2). Derartige Bilder 
habe ich auch bisweilen auf Präparaten gesehen, die nach dem 
Originalverfahren von Altmann behandelt worden waren. 

Fernerhin werden auf Präparaten, die nach denselben Ver- 
fahren bearbeitet worden sind, Zellen angetroffen, in denen nur 
kleine, mehr oder weniger gleichmässig gefärbte Granula, häufig 
in dermassen grosser Anzahl, dass die ganze Zelle von ihnen 
angefüllt zu sein scheint, sich vorfinden. Die Granula sind in 
diesen Fällen hauptsächlich im distalen Zellabschnitt, sowie zu 
beiden Seiten des Kerns angeordnet; bisweilen jedoch werden 
einige Granula auch unterhalb des Kerns angetroffen (Fig. VII, 
Zelle 1, Fig. IV, Fig. V, Zelle 4). 

Ausserdem sind auch Bilder wie folgt sichtbar: die ganze 
Zelle von mehr oder weniger länglicher Form ist dicht angefüllt 
von Granulis der verschiedensten Form und der verschiedensten 
Färbungsintensität; dieselben sind unregelmässig in der Zelle ver- 
streut, wobei die grössten und am stärksten gefärbten Granulain dem 
distalen Zellteil sich vorfinden (Fig. V, Zelle 7; Fig. VI, Zelle 1 und 3). 

In anderen hohen Zellen werden neben kleinen homogenen 
Granulis bisweilen hauptsächlich in der Nähe des Zellgipfels 
besondere grosse „Granula mit hellem Zentrum“ oder „Tropfen 
mit stark gefärbtem Saum“, wie sie von einigen Forschern 
bezeichnet werden, angetroffen (Fig. V, Zelle 3 und 6; Fig. VII, 
Zelle 2). Sie erinnern einigermassen an die von M. Heidenhain 
in der Beckendrüse von Triton helveticus, von Nicolas in den 
Tränendrüsen sowie von anderen Forschern in Drüsen mit flüssiger 
Sekretion beschriebenen „Halbmondkörperchen“. 

Am häufigsten finden sich jedoch in den hohen Zellen ausser 
verschiedenen Granulaarten noch Vakuolen. Sie sind gewöhnlich 


236 W. Hworostuehin: 


neben den „Granulis mit hellem Zentrum“ gelegen und infolge- 
dessen bisweilen schwer von ihnen zu unterscheiden (Fig. \V. 
Zelle 1 und 2; Fig. VII, Zelle 3 und 4). 

Wie aus der vorliegenden Darstellung hervorgeht, ist zwischen 
der Zellform und der Struktur derselben eine gewisse (Gresetz- 
mässigkeit vorhanden. Diese (Gresetzmässigkeit kann natürlich 
nur als allgemeine Regel, als Bilder, die am häufigsten anzutreffen 
sind, angesehen werden; in seltenen Fällen fand ich jedoch auch 
Ausnahmen von dieser Regel, die jedoch eine Erklärung zuliessen. 

Die vermerkte (resetzmässigkeit, das Vorhandensein von 
Mitochondrien und Halbmondkörperchen geben meiner Meinung 
nach einen Hinweis auf den Sekretionsmechanismus des Plexus- 
epithels. Soviel ich beurteilen kann, verläuft der Sekretions- 
prozess folgendermassen: die einzelnen Chondriomitenkörner 
nehmen an Umfang zu. als nähmen sie Nährmaterial aus dem 
Protoplasma auf: derartige Körner treten in stets zunehmender 
Zahl auf, während die Zahl der Chondriomiten abnimmt. Weiter- 
hin nehmen die Körner (Granula) an Grösse zu, in ihnen geht 
ein komplizierter Prozess vor sich, der sich äusserlich durch eine 
intensivere Färbung der Granula mit saurem Fuchsin und Häma- 
toxylin nach Heidenhain dokumentiert. Alsdann folgt gleich- 
sam eine Lösung und Umwandlung derselben in Sekrettropfen. 

Von der Richtigkeit der hier dargelegten Annahme werde 
ich überzeugt durch die in letzter Zeit angestellten Unter- 
suchungen an verschiedenen typischen Drüsen. So fanden Regaud 
et Mawas (1909) Mitochondrien in der Parotis und der Sub- 
maxillaris und vermerkten ihre Beteiligung an der Sekretions- 
tätigkeit,. dasselbe beschrieb auch Regaud (1909) in der Niere, 
Policard (1909) und Fiessinger (1909) in der Leber u. a. 

Unwillkürlich taucht nun die Frage auf, was denn die 
Epithelzellen des Plexus chorioideus vorbereiten ? 

Auf meinen nach Altmanns Verfahren behandelten Prä- 
paraten sind fast immer in den Zellen Körner zweierlei Art 
sichtbar. Die einen derselben färben sich mit saurem Fuchsin und 
haben die Form und die Grösse typischer Sekretgranula; andere 
färben sich mit Osmiumsäure schwarz (bei Kaninchen und Hasen), 
oder dunkelgrau (beim Pferd) oder hellgrau mit einem gelblichen 
Farbenton (bei Katzen u. a.); ihre Grösse und Form ist äusserst 
verschieden. In einigen Zellen sind sie klein und einzeln ver- 


Zur Frage über den Bau des Plexus chorioidenus. 237 


streut (Fig. VIII; Fig. I, Zelle d); in anderen liegen derartige 
Körner in Gruppen, vorwiegend zu vier, zusammen. Ausser 
kleinen Körnern und einzelnen kleinen Anhäufungen derselben 
sind in den Zellen auch grössere Granula sichtbar (Fig. I). Am 
häufigsten besonders bei Katzen, Pferden, Hasen und Kaninchen 
werden grosse, bald homogene, bald körnige, kugelförmige Gebilde, 
oder wie sie von einigen Autoren bezeichnet werden „Gebilde 
von Morulaform“ angetroffen (Fig. V, Zelle 1 und 3; Fig. I, 
Zelle ce; Fig. VI). 

In welchem Wechselverhältnis beide Arten von Granula 
stehen, habe ich nicht feststellen können ; ich will nur vermerken, 
dass in Zellen, in denen viele fuchsinophile Granula vorhanden 
sind, die mit Osmiumsäure gefärbten kugelförmigen Gebilde nur in 
geringer Zahl sichtbar sind. nicht selten nur ein grosses (rebilde 
im basalen Teil der Zelle. 

Auf Grund meiner Beobachtungen kann ich mit Bestimmt- 
heit aussagen, dass Meek mit seiner Behauptung, als würden 
die grossen kugelförmigen Gebilde unter normalen Bedingungen 
nur bei Kaninchen angetroffen, nieht im Recht ist; unrichtig sind 
meiner Meinung nach auch seine Schlüsse über zweierlei Arten 
von Sekretion. Es ist schwer, anzunehmen, dass bei allen von 
mir untersuchten Tieren (Katzen, Pferden, Hasen u. a.) die 
Epithelzellen des Plexus chorioideus sich unter anormalen Be- 
dingungen befunden haben. Diese Gebilde haben ausserdem auch 
viele andere Forscher beschrieben, wobei sie am häufigsten für 
Tropfen einer fettähnlichen Substanz gehalten wurden (Loeper, 
Engel [1909], Imamura); Galeotti und einige andere 
erklärten sie für Pigment, Joschimura für Leeithin. Auf Grund 
einer Reihe von Reaktionen, in Berücksichtigung der Lösung der 
Substanz der kugelförmigen Gebilde in Alkohol und Äther, ihres 
Verhaltens zu Osmiumsäure und zu der speziellen Reaktion von 
Ciaccio!), halte ich es für das wahrscheinlichste, dass in den 
Bestand dieser Gebilde Lecithin eingeht. 

Galeotti. Engel und einige andere Autoren beschreiben 
noch besondere grosse basophile Gebilde. Ich sah sie nur ein- 


!; Das Nachweisverfahren von Leeithin nach Ciaccio gründet sich 
auf die Tatsache, dass das Lecithin nach einer Behandlung mit alkalischen 
Bicbromaten in den gewöhnlichen Fettlösungsmitteln unlöslich wird. Diese 
Reaktion ergab jedoch bei mir nicht immer günstige Resultate. 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 7 


239 W. Hworostuchin: 


bis zweimal in Präparaten, die nach Hermann und Galeotti 
fixiert und mit saurem Fuchsin und Lichtgrün gefärbt worden 
waren. Zunächst hielt ich sie für grosse basophile Gebilde, bei 
einer genaueren Untersuchung und nach Fixierung von Teilen 
desselben Stückes in verschiedenen Flüssigkeiten habe ich mich 
davon überzeugt, dass hier dieselben fettähnlichen (Leeithin) Gebilde 
vorliegen, welche ich soeben beschrieben habe. 


Auf ungefärbten, in Hermannscher Flüssigkeit fixierten 
Präparaten erscheinen sie matt, auf solchen, die mit Lichtgrün 
gefärbt waren, weisen sie einen leicht grünlichen Ton, wie das 
gesamte Protoplasma, auf. Es liegt kein Grund vor, anzunehmen, 
dass die basophilen Granula bei der Behandlung zerstört werden, 
da das fixierte Material dasselbe Strukturbild vom Epithel des 
Plexus chorioideus ergibt, wie frisches Gewebe (Fig. XII). 

Am Schlusse der Beschreibung der sekretorischen Erschei- 
nungen im Epithel muss ich noch die Frage über die Beteiligung des 
Kernes an diesem Prozesse berühren. Eine unmittelbare Beteiligung 
des Kerns an der Bildung der Sekretgranula, wie sie einige 
Autoren beschreiben (Galeotti u. a.), habe ich nicht gesehen. 
Ich kann nur angeben, dass ich Kernveränderungen in verschiedenen 
Phasen der sekretorischen Tätigkeit der Zellen gesehen habe, 
jedoch keinerlei (resetzmässigkeit festzustellen vermochte. Ich 
lasse daher diese Frage offen. Das einzige, was ich über die 
Kerne in den Epithelzellen des Plexus chorioideus aussagen kann, 
ist, dass ich vielfach beim Hasen, seltener bei Affen, noch seltener 
bei Katzen, Pferden und anderen Tieren, zweikernige Zellen 
wahrgenommen habe (Fig. IX; Fig. I, Zelle b). In einigen Fällen 
berührten sich die Kerne (Fig. X). Da ich in den Kernen keine 
Mitosen gesehen habe, einige Bilder jedoch auf eine direkte 
Teilung hinwiesen, so ist die Annahme zulässig, dass sich die 
Kerne hier amitotisch teilen. 

Häufiger als auf Schnitten habe ich zweikernige Zellen auf 
Flächenpräparaten nach Behandlung derselben mit Methylenblau 
gesehen. In ein bis zwei Fällen habe ich (beim Hasen) drei- 
kernige Zellen gesehen (Fig. IX). 

Soviel mir bekannt ist, ist eine Teilung der Epithelzellen 
und speziell zwei- und dreikerniger Zellen von niemand früher 
im Epithel des Plexus chorioideus vermerkt worden. 


Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 28: 


Nerven der Plexus chorioidei. 

Nachdem ich mich von der sekretorischen Tätigkeit des 
den Plexus chorioideus bedeckenden Epithels überzeugt hatte, 
interessierte mich die Frage über die Ausbreitung der Nerven 
in diesem Organ. Literaturangaben über diese Nerven sind nur 
wenige vorhanden; sie geben keine positive Antwort auf die 
gestellte Frage. In der älteren Arbeit von Benedikt (1874) 
sind nur einige Hinweise darauf vorhanden, dass in dem Plexus 
chorioideus des vierten Ventrikels Äste vom Nervus vagus teils 
mit den Blutgefässen, teils jedoch anscheinend zum Epithel des 
Plexus verlaufen. 

Einige neue Befunde ergaben die Arbeiten von Findlay 
(1599) und Bochenek (1899). Findlay hat entgegen Bochenek 
nur vaso-motorische Nervenfasern gesehen, während letzterer beim 
Frosch in der Paraphyse ein grosses Geflecht auf den Blutgefässen 
beschreibt, welches Ästchen zum Plexus chorioideus der Seiten- 
ventrikel abgibt. Die das Geflecht bildenden Nerven stammen, 
wie Bochenek nachweisen konnte, aus den die Carotis cerebralis 
umflechtenden Plexus sympathicus. 

Aus dem Mitgeteilten geht hervor, dass noch niemand aus- 
führlich die Nervenverteilung in den Plexus chorioidei selber 
verfolgt hat, infolgedessen ich mich bemüht habe, diese Frage 
vermittels einer Färbung der Nerven mit Methylenblau klar- 
zustellen. Ich färbte hierbei folgendermassen: am Gehirn eines 
frisch getöteten Tieres öftnete ich vorsichtig die Gehirnventrikel. 
Ich entfernte die überflüssigen Gehirnteile, wobei ich nur diejenigen 
Gehirnabschnitte unberührt liess, welche dem Plexus chorioideus 
anliegen; darauf feuchtete ich die Oberfläche des letzteren mit 
einer geringen Menge einer schwachen Methylenblaulösung 
('/s/o—/ı6°/o) an, worauf das Präparat in einem Tihermostaten 
auf eine für verschiedene Tiere verschiedene Zeit aufgestellt 
wurde; von Zeit zu Zeit kontrollierte ich den Verlauf der Färbung 
unter dem Mikroskop. Ich fixierte die Präparate nach der Färbung 
in molybdänsaurem Ammonium. 

Mein Hauptaugenmerk richtete ich auf das Studium der 
Nerven des Plexus chorioideus des vierten Ventrikels und der 
Seitenventrikel. In dem Teil des Plexus chorioideus des dritten 
Ventrikels, welcher dem Foramen Monroi gegenüber liegt, habe 
ich ein grosses breitmaschiges Geflecht aus sehr dicken mark- 

1Y7G 


I4U W. Hworostuchin: 


haltigen und marklosen Nervenfasern gesehen. Im Plexus 
chorioideus des Seitenventrikels habe ich an verschiedenen Stellen 
ein breitmaschiges Geflecht aus markhaltigen und marklosen 
Fasern angetroffen; nirgends waren dieselben jedoch so dick, wie 
in dem angegebenen Geflecht des dritten Ventrikels. Bisweilen 
habe ich wahrnehmen können, dass von einem Ast des Greflechts 
sich feinere Zweige absondern, die ihrerseits in noch feinere 
zerfielen. Letztere vertlechten sich miteinander, wobei das gebildete 
(reflecht unmittelbar unter dem Epithel des Plexus liegt (Fig. XII). 

In einigen Fällen konnte ich feststellen, dass von einigen 
Astehen des subepithelialen Geflechts feine Fädchen abgingen, 
die auf der Oberfläche der Epithelzellen endigten. Ausser diesem 
(Geflecht werden natürlich stets von ihnen deutlich unterschiedliche 
(reflechte auf den zahlreichen Blutgefässen angetroffen. 

In dem Plexus chorioideus des vierten Ventrikels sah ich 
den Eintritt dicker Nervenfasern mit der Arteria cerebelli inferior 
posterior; auch in ihm habe ich wie in dem Plexus der Seitenventrikel 
häufig zarte subepitheliale (reflechte sowie Greflechte auf den Blut- 
gefüssen beobachtet. 

Ependym. 

ei der Fixierung ganzer (Gehirne kleiner Tiere hatte ich 
(elegenheit, auch den Bau des Ependyms des Seitenventrikels 
kennen zu lernen. Auf derartigen Präparaten konnte ich in 
den Ependymzellen deutlich sowohl fuchsinophile Granula als auch 
Vakuolen wahrnehmen. Diese Bilder bestätigen die von Stud- 
nıcka (1900) ausgesprochene Annahme von einer sekretorischen 
Tätigkeit überhaupt des Ependyms der Gehirnhöhlen. 


Ergebnisse. 


Das Studium des feineren Baues des den Plexus chorioideus 
des Seitenventrikels und des vierten Gehirnventrikels bedeckenden 
Epithels ergibt positive Resultate hinsichtlich der Beteiligung 
derselben an der Bildung des Liquor cerebrospinalis. 

In den ruhenden Drüsenzellen des Plexus chorioideus sowie 
in den frühen Sekretionsstadien sind Mitochondrien vorhanden, 
hinsichtlich derer Gründe vorliegen, sie für identisch mit den 
vegetativen Fäden Altmanns zu halten. In den späteren 
Sekretionsstadien sind in den Epithelzellen Gebilde sichtbar. die 
an die Halbmondkörperchen von M. Heidenhain erinnern. 


Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 241 


Zahlreiche Nervenfasern bilden im Plexus chorioideus 
gröbere und feinere Geflechte sowohl auf den Blutgefässen als 
auch unterhalb des Plexusepithels, wobei vom  subepithelialen 
Geflecht feinste Fädchen abgehen, welche auf der Oberfläche der 
Epithelzellen endigen. 

Die Epithelzellen des Plexus chorioideus enthalten gewöhnlich 
einen Kern, doch werden auch zwei- und dreikernige Zellen 
angetroffen, wobei die Teilung des Kerns augenscheinlich durch 
Amitose erfolgt. 

Hinsichtlich der von den Drüsenzellen ausgearbeiteten Produkte 
gelang es mir nur festzustellen, dass unter ihnen Leeithin vor- 
handen ist. 


242 W. Hworostuchin: 
Literaturverzeichnis. 


Benedikt‘): Über die Innervation des Plexus chorioideus inferior. 
Schmidts Jahrbücher, 1874. 

Bochenek: Über die Nervendigungen in den Plexus chorioidei des 
Frosches. Bull. inter. de l’Acad. de Cracovie, Nr. 7, 1899. 

Cappelleti'): L’ecoulement du liquide cerebrospinal par la fistule 
cephalorach. en conditions norm. et sous l’influence de quelques 
medicaments. Arch. Ital. de Biol., Vol. 36, 1901. 

Cavazzani'): Sur la eirculation du liquide cerebro-spinal. Arch. Ital. 
de Biol., Vol. 18, 1893. 

Ciaccio: Über das Vorkommen von Lecithin in den cellularen Ent- 
zündungsprodukten und über besondere lipoidbildende Zellen (Leeithin- 
zellen). Zentralbl. Allg. Path., 1909, Bd. 20, Nr. 9. 

Champy: A propos de mitochondries des cellules glandulaires et des 
cellules renales. Comp. rend. de la Soeiet&e Biol., 1909. 

Engel: Über die Sekretionserscheinung in den Zellen der Plexus chorioidei 
des Menschen. Arch. f. Zellforsch., H. I, 1908. 

Fiessinger: Contributions a l’&tude des degenerescen. de la cellule 
hepatique. Comp. rend. d. 1. Soc. Biol., 1909. 

Findlay: The choroid plexus of the lateral ventrieles of the brain. Brain 
Nr. 86, Vol. 22, 1899. 

Francini'): Sulla struttura e la funzione dei plessi corioidei. Lo speri- 
mentale., Bd. LXI, 1907. 

Galeotti: Studio morfologico e citologico della volta del’diencephalo in 
acluni vertebrati. Riviste di Patolog. nerv. e ment, 1897. 

Derselbe: Über die Granulationen in den Zellen. Int. Monatsschr. f. Anat. 
u. Phys., Bd. XII, 189. 

Haeckel: Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie der Plexus 
chorioid. Virchows Arch., Bd. 16, 1859. 

Heidenhain: Plasma und Zellen. 1907. 

Imamura: Beiträge zur Histologie des Plexus chorioideus des Menschen. 
Arb. a. d. Neurol. Inst. a. d. Wien. Univ., H. VIII, 1902. 


Joscehimura: Das histochemische Verhalten des menschlichen Plexus 
chorioideus. Arb. a. d. Neurol. Inst. a. d. Wien. Univ., Bd. 18, H. I, 1909 


Loeper: Sur quelques points de l’histologie normale et pathologique des 
plexus chorioides de l’homme. Comp. rend. de la Soc. Biol., T. 56, 1904. 

Meek: A study of the choroid plexus. Journal of Comparative Neurol. 
and Psychol., Vol. XVII, Nr. 3, 1907. 

Pettit et Girard: Processus secret. dans les cellules de revetement des 
plexus chor. des vent. lat., consecutives a l’administ. de muscarin et 
d’ether. Comp. rend. de la Soc. Biol., T. 53, 1901. 

Polieard: Notes histophysiologiques sur la cellule hepatique. Comp. 
rend. de la Soc. Biol., 1909. 


') Diese Arbeiten waren mir nur in Auszügen bekannt. 


Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 243 


Prenant: Les mitochondries et l’ergastoplasme. Journ. de l’Anatom. et 
de la Phys., Nr. 3, 1910. 

Regaud et Mawas: Sur les mitochondries des glandes salivaires chez 
les mammiferes. Comp. rend. de la Soc. Biol., 1909. 
Dieselben: Ergastoplasme et mitochondries dans les cellules de la glande 
sous-maxillaire de ’homme. Comp. rend. de la Soc. Biol., 1909. 
Regaud: Partieipation du chondriome A la formation des grains de 
segregation dans les cellules des tubes contournes du rein. Comp. 
rend. de la Soc. Biol., 1909. 

Schläpfer'): Über den Bau und die Funktion der Epithelzellen des 
Plexus chorioideus Zieglers Beiträge, VII, 1905. 

Studniäka: Untersuchungen über den Bau des Ependyms der nervösen 
Zentralorgane. Anat. Hefte, H. XLVIII, 1900. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel X. 


Fig. 1. Katze. Schnitt durch den Plexus chorioideus des vierten Hirn- 
ventrikels. Behandlung nach Altmann. Reichert, homog. 
Immers. !/ı2. Okul. Leitz I. Eingeschobener Tubus. Abbildung 
vergrössert. a — Vakuolen; b — zweikernige Zelle; € —= grosses 
fettähnliches Gebilde; d — zwei Arten von Granula: 1. fuchsinophile, 
2. mit Ösmiumsäure gefärbte; e == Durchschnitt einer drüsenförmigen 
Einsenkung des Plexus chorioideus. Sämtliche Zellen enthalten 
fuchsinophile Zellen in verschiedener Menge. 

Fig. 2. Katze. Das den Seitenventrikel bedeckende Epithel. Fixiert. in 
dem modifizierten Gemisch von Altmann. Färbung mit Häma- 
toxylin nach Heidenhain. Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm. 
Comp.-Okul, 8. Tubuslänge 160. Mitochondrien sowie eine geringe 
Menge von Granula sichtbar 

Fig. 3. Katze. Seitenventrikel. Fixierung, Färbung und Vergrösserung 
wie in Fig. 2 In der mittleren Zelle sind Mitochondrien und 
kleine Granula, in den seitlich gelegenen eine grössere Anzahl von 
Granula sichtbar. 

Fig. 4. Maus. Seitenventrikel. Fixierung und Färbung nach Altmann. 

Apochromat Zeiss 1,30, 2 mm. Okul. Reichert 4. Tubus- 

länge 160. Fuchsinophile Körner. 

Pferd. Seitenventrikel. Fixierung und Färbung wie in Fig. 4. 

Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm. Comp.-Okul. 8. Tubuslänge 160, 

Fuchsinophile Körner; Haibmondkörperchen; Vakuolen; fettähnliche 

rebilde. 

Fig. 6. Katze. Vierter Ventrikel. Fixierung und Färbung wie in Fig. 2. 
Apochromat Zeiss 1.30, 2 mm. Comp.-Okul. 8. 

Fig. 7. Katze. Seitenventrikel. Behandlung wie in Fig. 2. Zeiss, Apo- 
chromat 1,50, 2 mm. Comp.-Okul. 8. Tubuslänge 160. 


= 
IS 
oo. 


!) Diese Arbeiten waren mir nur in Auszügen bekannt. 


Fig. 
Fig. 


ig. 13. 


10. 
julk 


W. Hworostuehin: Zur Frage über den Bau ete. 


Affe. Seitenventrikel. Fixierung und Färbung nach Altmann. 
Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm. Comp.-Okul. 12. Tubuslänge 160. 
Zwei Arten von Granula. 

Affe. Vierter Ventrikel. Behandlung nach Altmann; Tusch- 
zeichnung. Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm. Comp.-Okul. 12. 
Tubuslänge 160. 

Dasselbe Präparat. Vergrösserung wie in Fig. 7. 

Hase. Seitenventrikel. Oberflächenansicht. Färbung in Methylen- 
blau: fixiert in molybdänsaurem Ammonium. Vergrösserung wie 
in Fig... a = in Alkohol aufgelöste fettähnliche Gebilde 

Katze. Seitenventrikel. Frisches Gewebe in physiologischer Koch- 
salzlösung. Sofort nach Eröffnung des Seitenventrikels abgezeichnet. 
Reichert, homog. Immers. !"ı2; Okul.4. a = fettähnliche Ge- 
bilde. Überall sind verschieden grosse glänzende Körner sichtbar. 
Pferd. Seitenventrikel. Nervengeflecht im Plexus chorioideus. 
Gefärbt mit Methylenblau; fixiert in molybdänsaurem Ammonium. 
Reichert, homog. Immers. !Jı2; Comp.-Okul. 8. a — Blutgefässe; 
b = markhaltige Nervenfasern; ce —= vasomotorische Nervenfasern; 
d = marklose Nervenfasern. In der Tiefe ist das zarte subepitheliale 
(Geflecht sichtbar. 


[88} 
mg 
1 


Betrachtungen über den tatsächlichen Bau und 
die künstlich hervorgerufenen Deformationen der 
markhaltigen Nervenfaser. 


Von 
J. Nageotte. 


Hierzu Tafel XI und 4 Textfiguren. 


Nichts ist leichter, als künstliche Netze in der Markscheide 
der Nervenfasern sichtbar werden zu lassen; daher beschäftigen 
sich seit langem schon die Histologen mit diesen Bildungen. 
Erst kürzlich hat Nemiloff in zwei seiner Arbeiten sie wieder 
aufleben lassen, indem er versuchte, ihnen mit Hilfe der Ehr- 
lichschen Methode Beweiskraft zu verleihen.!) 

Ich möchte den Mechanismus beleuchten, der jene Netz- 
bildungen hervorruft und zeigen, wie sie gewöhnlich von wichtigen 
Veränderungen des Achsenzylinders begleitet sind. Ich dächte, 
es wäre an der Zeit, diese Artefakte auszuscheiden und eine 
genaue Beschreibung der Struktur der Nervenfaser, jenes wunder- 
baren Kraftleiters, zu geben, der man früher oder später das 
(reheimnis des nervösen Fluidums ablocken wird. 

Ich werde zuerst zeigen, wie die Nervenfaser gebildet ist,?) 
wobei ich in allem auf dem Standpunkte objektiver Kritik bleiben 
werde. Alsdann werde ich auf die Veränderungen der Nerven- 
fasern eingehen. Es wird hier nur von der peripherischen Nerven- 
faser die Rede sein; die zentrale Nervenfaser weicht in bezug 
auf die Anordnung ihrer Elemente ein wenig von der peripheren 
ab, ohne jedoch im Bauprinzip wesentlich verschieden zu sein. 
Ich habe nur die Nerven der Säugetiere gründlich untersucht — 


) Anton Nemiloff: Finige Beobachtungen über den Bau des 
Nervengewebes bei Ganoiden und Knochenfischen. Teil II: Der Bau der 
Nervenfasern. Arch. f. mikr. Anat.. Band 72, 1908. — Derselbe: Über die 
Beziehung der sogenannten Zellen der Schwannschen Scheide zum 
Myelin in den Nervenfasern von Säugetieren. Ibid., Bd. 76, 1910. 

?) Ausführliche anatomische Einzelheiten, sowie ein Expose der 
Fragen, die nicht in den Rahmen dieser Arbeit gehören, findet man in einer 
Reihe von Mitteilungen (Societe de Biologie 1909 et 1910. Academie des 
Sciences 1910. Comptes rendus de l’Association des Anatomistes 12 e r&union. 
Bruxelles 1910.) 


246 J. Nageotte: 


aber ich habe mich davon überzeugen können, dass, abgesehen 
von der Zahl der Schwannschen Zellen, kaum ein Unterschied 
zwischen den Nerven der Fische und denen der höheren Säuge- 
tiere besteht ; in diesem Punkte stimme ich durchaus mit Nemiloff 
überein. 


I. Die tatsächliche Struktur der markhaltigen 
Nervenfaser. 

Die nebenstehende schematische Darstellung (S. 247) fasst zu- 
sammen, was ich in bezug auf die markhaltige Faser in Erfahrung 
gebracht habe. Trotz ihres schematischen Charakters ist sie mit dem 
Bestreben, die Formen und tatsächlichen Verhältnisse im ganzen 
wie im einzelnen genau innezuhalten, hergestellt. Es finden sich 
auf dieser Zeichnung Linien, deren Genauigkeit als absolut sicher 
gelten darf und andere, die nur als wahrscheinlich bestehende 
anzusehen sind; erstere sind diejenigen, die auf Grund wieder- 
holter Beobachtungen an der überlebenden Nervenfaser ohne 
Einwirkung eines Fixierungsmittels festgestellt wurden; letztere 
sind diejenigen, welche die für histologische Untersuchungen 
angewandten technischen Verfahren ergaben; selbst zahlreiche, 
verschiedene und zusammenlaufende technische Verfahren können 
nur zu Resultaten führen, die man nicht anders als wahr- 
scheinliche und annähernd richtige bezeichnen darf. 


a) Morphologie der markhaltigen Nervenfaser in 
den interannulären Segmenten. 

Die allgemeine Form der Faser, ihrer Einschnürungen und Ein- 
kerbungen ergibt sich aus der Untersuchung eines gleich nach 
seiner Entnahme in einer adäquaten Flüssigkeit (humor aqueus, 
Blutserum, 1°/o Kochsalzlösung, Lösung von zitronensaurem Natron 
von gleichem osmotischem Druck [A = — 0,55)|, dissoziierten 
Nerven. Wenn man vorsichtig zu Wege geht, über eine gute 
Objektivlinse verfügt und die Beleuchtung sorgfältig reguliert, 
dann sieht man diejenigen Fasern, die von den Zufällen der 
Zerfaserung verschont geblieben sind, sich in einer Reinheit der 
Linien und Beständigkeit der Form darstellen, die von der Treue 
der erhaltenen Bilder zeugen. Es genügt einmal eine unberührte 
Faser gesehen zu haben, um zu verstehen, dass kein Artefakt 
diesen zarten Kristallzylinder herzustellen vermöchte, der als 
die primitive Form erscheint, aus der die ganze Reihe der 


Über die markhaltige Nervenfaser. 247 


traumatischen Veränderungen entspringt, die man auf dem übrigen 
Teil des Präparates beobachten kann. 


6.Sch. 
. 
F.My. 
k 
CN egyl. 
Soll Rm.6.Sch. 
C.My. N‘ il 
NE. 
D.6.Sch. 
B. ep. 


Fig. 1. Graphisch perspektivische Darstellung einer markhaltigen Nervenfaser. 
Daneben rechts der Schnürring im Längsschnitt gesehen. F.My. — Myelin- 
blätter; C.My. — Chondriomiten der Markscheide; C'.My. = Die von den 
Chondriomiten auf der Oberfläche der Scheide gebildete Zeichnung; B. ep. = 
Bracelet epineux (die Stacheln sind nur in der unteren Hälfte dargestellt); 
C.Cyl. = Chondriomiten des Achsenzylinders; 1.I'. = Schmidt-Lanter- 
mansche Einkerbung, enthaltend das Rezzonicosche Gerüst und Körner 
(diese letzten nur auf einem Teil ihrer. Ausdehnung dargestellt); G.Sch. = 
Schwannsche Scheide; D.G.Sch. — Blende der Schwannschen Scheide; 
Rm.C. Sch. — Protoplasmatisches marginales Netz der Schwann schen 
Zelle; N.F. — Neurofibrillen. 


248 J. Nageoötte: 


Man erkennt, dass der Achsenzylinder enorm ist im Ver- 
hältnis zu dem Fortsatze des Zellkörpers, aus dem er hervor- 
gegangen ist: ferner, dass die Markscheide in der ganzen Aus- 
dehnung ein und derselben Faser eine durchaus gleichförmige 
Dicke besitzt, die kaum ein Drittel vom Durchmesser des Achsen- 
zylinders beträgt; bei den meisten Fasern ist das Verhältnis 
sogar bedeutend geringer: !/a, !/s, '/)s, ja noch weniger. Die 
Abplattung der Faser durch den Druck des Deckglases kann 
allerdings den Achsenzylinder umfangreicher erscheinen lassen, 
als er ist. Dieses ist Ursache von Irrtümern, die jedoch minimal 
sind, wenn man sich an diejenigen Fasern hält, deren Kaliber 
auf einer gewissen Strecke sich merklich gleich bleibt. Sobald 
also die Markscheide eine Dicke annimmt, die derjenigen des 
Achsenzylinderdurchmessers gleich oder ihr überlegen ist, kann 
man getrost behaupten, dass ein Artefakt vorliegt. Wollte man 
solche Bilder als der Wirklichkeit entsprechend auffassen, so 
hiesse das einen groben Irrtum begehen, der viele andere nach 
sich zieht, wie wir weiterhin sehen werden. 

Bei der Zerfaserung frischer Nerven sieht man auch sehr 
gut die C'hondriomiten des Achsenzylinders. Doch scheinen 
hier im Gegensatz zu dem, was von anderer Seite behauptet 
wird, die Neurofibrillen selbst mit Hilfe von Belichtung auf 
dunklem Grunde (Paraboloid-Hohlspiegel von Siedentopf) nicht 
sichtbar zu werden — ausgenommen vielleicht unter gewissen 
physiologischen Bedingungen. 


Blättrige Struktur der Markscheide. 

Wenn wir einen Augenblick die normalen Bilder verlassen, 
um die traumatischen Artefakte zu betrachten, so sehen wir, 
dass sich die Substanz der Nervenscheide bei leichter Verletzung 
in äusserst dünne Lamellen spaltet. Diese Gebilde sind _ seit 
langem bekannt, sind aber oft falsch gedeutet worden. Manche 
Autoren beschreiben Fäden, die in Wirklichkeit nur optische 
Schnitte von dünnen Lamellen sind; es bilden sich bei den ver- 
schiedenen Arten von Veränderungen der Nervenscheide keinerlei 
Fäden, die Lamellen trennen sich vielmehr indem sie vielerlei 
Windungen beschreiben und so jede für sich allein sichtbar wird. 
Die Spaltung beginnt mit den Schmidt-Lantermanschen 
Einkerbungen und gibt über den schon Mauthner bekannten 


Über die markhaltige Nervenfaser. 249 


blättrigen Bau des Myelins wertvolle Aufschlüsse, die durch ver- 
schiedene andere Tatsachen bestätigt werden. Da dieses ein für 
die Physiker äusserst interessanter Punkt ist, will ich etwas 
länger dabei verweilen... Man kann diese Struktur sehr leicht 
auf Querschnitten von Nerven sichtbar werden lassen; es genügt, 
die Nerven einen Tag in Kaliumbichromat mit 2,5°/o Essigsäure 
zu fixieren und sie mit Eisenhämatoxylin zu färben. Man bemerkt 
alsdann ein Quellen des Myelins, das um so stärker ist, je grösser 
der Zusatz an Essigsäure ist, und das von einem entsprechenden 
Schrumpfen des Achsenzylinders begleitet wird, der auf dem 
Schnitt ein sternförmiges Aussehen annimmt. Das (Quellen der 
Scheide wird durch das Auseinandertreten der Blätter verursacht, 
die sich wunderbar schön. in Form von sechs bis sieben kon- 
zentrischen Kreisen darstellen. Ein sternförmiges Gebilde, das 
vom Achsenzylinder ausgeht, durchschneidet diese Kreise und 
bringt eine Zeichnung hervor, die einem Spinngewebe oder dem 
(Querschnitt eines Baumstammes gleicht. Wir werden weiterhin 
sehen, dass diese strahlentörmig angeordneten Bahnen aus Proto- 
plasma bestehen, das sich direkt auf den Achsenzylinder fort- 
setzend die unzähligen Chondromiten der Markscheide enthält. 
Je nachdem nur Kaliumbichromat mit Essigsäure verwendet wird 
oder der Fixierung ein mehr oder weniger langes Verweilen in 
einfachem Kaliumbichromat folgt, werden entweder die proto- 
plasmatischen Linien oder die Kreise des Myelins besser zum 
Vorschein kommen. (Photo. 20 und 23 der Taf. XJ). 

Diese Zerlegung der Markscheide durch Kaliumbichromat 
mit Essigsäure zeigt also, ebenso wie die Dissoziation im frischen 
Zustande, den blättrigen Bau der Markscheide. Sie spaltet diese 
aber in eine viel geringere Anzahl von Blättern. Da die Zahl 
der so sichtbar werdenden Blätter sich ziemlich gleich bleibt 
(ich habe nur die gröbsten Fasern im Auge) und ihre Dicke 
gleich ist, so denke ich, dass jedes von ihnen aus der Verlötung 
einer bestimmten Anzahl feinerer, elementarer Lamellen besteht; 
die Leichtigkeit, mit der sie sich trennen, lässt mich annehmen, 
dass sie im lebenden Zustande durch äusserst feine Schichten 
einer Substanz voneinander isoliert sind, die nur zu quellen 
braucht, um die beobachteten Wirkungen hervorzurufen. 

Man könnte vermuten, dass die so erscheinenden Kreise 
nicht das Mvelin selbst, sondern gerade diese hypothetische 


250 J. Nageotte: 


Substanz darstellen, die zwischen den Blättern des Myelins ein- 
gelagert zu sein scheint. Aus verschiedenen Gründen halte ich 
letztere Annahme nicht für richtig. Übrigens ist dies aber 
durchaus unwichtig; in jedem Falle ist das physikalische Resultat 
dasselbe: 


Die Nervenscheide ist wie ein Kondensator gebaut. 


Um einen solchen Bau besser zu verstehen, bringe man 
auf chemischem Wege gewonnenes, in Alkohol gelöstes reines 
Myelin in Wasser und untersuche die Mischung unter dem 
Mikroskop. Diese Substanz lagert sich in Gestalt von Hohl- 
kugeln ab, von denen Hohlzylinder ausgehen, die wirklichen 
Nervenschläuchen zum Verwechseln ähnlich sehen. In jedem der 
erhaltenen Bilder sind die Wände wie die Scheide der Nerven- 
faser an jedem ihrer Punkte von gleicher Dicke, sie besitzen 
dasselbe glänzende Aussehen und doppelte Lichtbrechung. Meist 
sieht man sehr deutlich, dass diese Wände Streifungen zeigen 
und sogar eine viel deutlichere blättrige Struktur besitzen als 
die Scheide der Nervenfaser, da sie ohne Hilfe von Dissoziation 
erscheint. 

Die chemische Substanz, die man Myelin nennt, besitzt also 
die Eigenschaft, sich in Lamellen anzuordnen, wenn sie durch 
ein auflösendes Reagens wie Alkohol flüssig gemacht ist und 
durch Zusatz von Wasser in den Zustand grosser Zerteilung 
gebracht wird. Diese Eigenschaft macht es zu einem flüssigen 
Kristalle, was man an seiner doppelten Lichtbrechung erkennt. 
Das Experiment zeigt, dass die sich so bildenden Lamellen- 
systeme sich so viel man will auseinander ziehen lassen, aber 
nicht wieder zusammengehen. Da sie jeder Elastizität bar sind, 
behalten sie die einmal angenommenen Dimensionen; wir werden 
später diesen Mangel an Elastizität bei den Veränderungen der 
Markscheide unter dem Einfluss von Verletzungen näher betrachten. 
Eine Folge dieser physikalischen Eigentümlichkeiten ist die 
Beständigkeit der Bildungen in Gestalt von Hohlzylindern, trotz- 
dem die flüssige Natur der Substanz das Bestreben zeigen müsste, 
eine sphärische (Gestalt anzunehmen. Da die Zylinder nun aber 
geschlossen und ihre Kapazität begrenzt ist, könnte eine solche 
Umwandlung nur dank einer Zusammenziehung der Wände, 
begleitet von einer Verdickung der Lamellen zustande kommen, 


Über die markhaltige Nervenfaser. 251 


was mir unter den gegebenen Bedingungen des Experiments nicht 
möglich scheint. Dies alles zeigt, dass in der Myelin gewisse 
Kräfte vorhanden sind, die teils als Antagonisten der ober- 
tlächlichen Spannung wirken. 

Die Umbildung des Zylinders in Kugeln kann also nur 
durch Segmentierung stattfinden, wenn die Zylinder lang genug 
sind, und das findet in der Tat bei der Wallerschen Entartung 
statt, wenn der Achsenzylinder zerfällt. Die Konsistenz des 
normalen Zylinders genügt, um diese Neigung zur Segmentierung 
zu verhindern, die sich im Beginn der Wallerschen Entartung 
oder bei eben ausgeschnittenen Nerven durch eine rosenkranz- 
förmige Bildung äussert, die den Anfang eines Zerfalls des 
Zylinders andeutet. 

Die Markscheide der lebenden Faser bleibt also im Gleich- 
gewicht in ihrer zylindrischen Form, ohne dass man irgend einen 
Stützapparat für sie anzunehmen brauchte. Der gegenseitige 
Druck der Fasern im Nerven kann nur dazu beitragen, dieses 
(Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Selbstverständlich kann aber 
dieser ganze Bau, der auf dem Spiel der molekulären Kräfte 
beruht, nur in den Grenzen der gewöhnlichen Dimensionen der 
Nervenfasern stabil bleiben. 


b) Die Ranvierschen Schnürringe und die Doubles 
bracelets Epineux. 

Die Morphologie der Schnürringe beruht natürlich auf dem 
blättrigen Bau des Myelins und darum verweise ich an dieser 
Stelle darauf. Mein Schema, die Textfig. 2 und die Fig. 1—14 
der Taf. XI zeigen, wie die Scheide sich am äussersten Ende 
jedes Segments umbiegt, indem sie einen regulären Bogen 
beschreibt, um sich senkrecht zu dem Achsenzylinder zu stellen, 
und nun den verengten Teil desselben ringförmig zu umgeben. 
Auf diesem ganzen Wege behält die Scheide ihre unveränderte 
Dicke; da der Teil des Achsenzylinders, auf dem sie endet, 
ebenfalls genau zylindrisch ist, so setzt sich also im normalen 
Schnitte die Markscheide auf dem Achsenzylinder fest, und zwar 
so, dass jedes Blatt der Scheide mit seinem Rande dem Achsenzylinder 
anhaftet. Alle Flächen haben hier eine geometrische Form und 
die Winkel sind scharf ausspringend, weil die Elementarlamellen 
der Markscheide alle in derselben Höhe durchschnitten sind. 


[&S} 
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IN 


J. Nageotte: 


Man hat viel über die Morphologie dieses Teiles der Nerven- 
faser gestritten und scheint im allgemeinen der von Nemiloff 
vertretenen Meinung beizustimmen: Der Achsenzylinder behalte 


Fig. 2. Ranviersche Schnürringe N. ischiadieus des Kaninchens; die 
Fasern wurden unter den gröbsten ausgewählt. Vergrösserung 1150. Apo- 
chromat 2 mm, Apert. 1,40, Comp.-Okul. 4, Zeiss. (Die photographischen 
Negative wurden mit 650 Durchmesser hergestellt.) a und b — frische 
Nerven, dissoziiert in einer isotonischen Lösung von zitronensaurem Natron. 
Man bemerkt die regelmässig zylindrische Form des engen Teils des Achsen- 
zylinders und das Fehlen von renflements biconiques; die Regelmässigkeit der 
Kurven, welche die gegeneinander lehnenden Myelinkuppeln beschreiben: die 
scharfen Winkel, die die beiden Oberflächen dieser Kuppeln mit der zylin- 
drischen Wand des sie durchschneidenden Kanals bilden; endlich die feine 
Querstreifung dieser Wand. ce = ein in Laguessescher Flüssigkeit J 
fixierter Nerv, mit Säurefuchsin gefärbt (Paraffinschnitt). Man sieht den 
„eylindre de renforcement de la gaine du cylindraxe“ sich ohne Unterbrechung 
auf der ganzen Länge des engen Teils des Achsenzylinders hinziehen. Die 
Markscheide ist auf der Höhe ihrer Einfügung in den engen Teil des Achsen- 
zylinders etwas verdickt, infolge einer an dieser Stelle stattfindenden Spaltung 
in Lamellen, die in der Figur nicht deutlich zu sehen ist; im übrigen Teil 
ihres Verlaufes hat die Scheide wie auch der Achsenzylinder an Dicke ver- 
loren. d = ein Nerv, der 14 Tage lang in 5°o Kaliumbichromat im Wärme- 
schranke fixiert und mit Säurefuchsin nach Altmann gefärbt wurde (Paraffin- 
Schnitt). Double bracelet &pineux, diskontinuierliche Bildung; Stacheln von 
verschiedener Länge. Der Achsenzylinder ist nicht sichtbar. Man sieht, die 
Faser seitlich begrenzend, die Balken des „reseau protoplasmique marginal“ 
der Schwannschen Zelle. 


sein Volumen auf der Höhe des Schnürringes. Ich werde weiter- 
hin darlegen, auf welche Artefakte und physiologische Besonderheiten 
dieser Irrtum sich gründet. 


Über die markhaltige Nervenfaser. 253 


Es genügt, einmal einen intakten Schnürring an einer 
durchaus frischen Nervenfaser beobachtet zu haben, was aller- 
dings ziemlich schwer ist, um über diesen Punkt ins Klare zu 
kommen.) 


Das Studium der traumatischen Veränderungen der Schnür- 
ring-Partie ist gleichfalls lehrreich; es gestattet ein deutliches 
Erkennen der Insertion einer jeden durch Spaltung isolierten 
Marklamelle auf den verengten Teil des Achsenzylinders. Ja, 
gerade unter diesem mehr oder weniger deutlich ausgeprägten 
Bilde stellte sich die grosse Mehrzahl der Schnürringe selbst in 
den am besten gelungenen Dissoziationen dar. Die Empfindlichkeit 
dieser Teile ist so gross, dass man nur ausnahmsweise im über- 
lebenden Nerven einen ganz intakten Schnürring findet; das, was 
man gewöhnlich sieht, sind Schnürringe, von denen nur die Hälfte 
oder ein Viertel ihren normalen Bau bewahrt haben, sowie die 
meisten der von mir photographierten. Es kann jedoch über die 
tatsächliche Gestalt der Schnürringe kein Zweifel bestehen, 
höchstens könnte man über den genauen Abstand zwischen den 
zwei Myelinkuppeln streiten; sehr oft erscheint dieses infolge der 
erlittenen Zerrungen übertrieben. Indem ich mich auf diejenigen 
Bilder stütze, die mir am wenigsten deformiert schienen, glaube 
ich annehmen zu dürfen, dass sie ungefähr den vierten Teil der 
Dicke der Markscheide beträgt; das ungefähr zeigen die Präparate, 


!) Das technische Verfahren, welches mir die besten Resultate 
gegeben hat, ist folgendes: Bei einem jungen Kaninchen, das durch Verbluten 
getötet wurde, legt man den Ischiadicus sorgfältig bloss, schneidet dann 
mit der Spitze eines haarscharfen Seziermessers den N. tibialis int. der 
Länge nach auf, durchschneidet den Ischiadicus mit der Schere und isoliert 
ein Fragment von 5—6 mm, das man in einem Tropfen physiologischer 
Kochsalzlösung oder besser in einer Lösung von zitronensaurem Natron von 
gleichem osmotischem Druck auf den Objektträger bringt. Mit Hilfe von 
Nadeln befreit man dieses Fragment von seiner zuvor geöffneten Scheide, 
wobei man jede Zerrung sorgfältig vermeidet; es bleibt ein Nervenzylinder, 
der unter dem Druck des Deckglases platt gedrückt wird. Die Bündel der 
Wurzeln der Spinalnerven haben entgegen aller meiner Erwartung keine so 
guten Resultate gegeben. Dünne Membranen, deren Studium oft anempfohlen 
wurde, in der Absicht, jede traumatische Veränderung zu vermeiden, enthalten 
zu feine Nervenfasern, als dass man die Morphologie der Schnürringe an 
ihnen analysieren könnte; das beweist die Tatsache, dass keiner der Autoren, 
die dieses Verfahren angewendet haben, die wesentlichen Punkte des Auf- 
baus dieses Teiles gesehen haben. 

Archiv f.mikr. Anat. Bd.77. Abt. I. 18 


254 J. Nageotte: 


auf denen die „bracelets“ nach Fixierung in Kaliumbichromat, 
mit Säurefuchsin nach Altmann oder frisch nach Ehrlich- 
Bethe gefärbt sind. Übrigens wird diese Entfernung zwischen den 
Kuppeln je nach dem Spannungsgrad des Nerven verschieden sein. 

Mehrere Reagentien gestatten die Gestalt der Schnürringe 
wenigstens in ihren Hauptlinien zu erhalten: Osmiumsäure, 
besonders Osmiumehromsäure und die Laguessesche Flüssigkeit J; 
man darf aber die Nerven nicht spannen, wie man es gewöhnlich 
tut: Die Längsschnitte solcher Stücke präsentieren sich zwar 
lange nicht so schön, man vermeidet jedoch die Zerrungen, die 
beim Fixieren eintreten können und eine verhängnisvolle Wirkung 
auf die Schnürringe ausüben. Natürlich leidet die Sauberkeit 
der Linien und an die Stelle der geometrischen Kurven treten 
mehr oder weniger eckige Konturen. Endlich darf man nicht 
vergessen, dass selbst in den besten Präparaten nur eine sehr 
geringe Anzahl gut fixierter Schnürringe sich vorfindet (Textfig. 2, e). 

Der verjüngte Teil des Achsenzylinders, der — ich wieder- 
hole es — durchaus zylindrisch ist und, wenn intakt, keine Spur 
von doppelkegelförmiger Verdickung zeigt, bildet alsodenSchluss- 
stein für das Gewölbe der Markscheide. Der Kontakt wird 
hergestellt mit Hilfe eines merkwürdigen Gebildes, das ich im 
vorigen Jahre beschrieben habe: es ist das „Double bracelet 
epineux“. Die Struktur desselben ist kompliziert, es besteht 
1. aus einer nicht unterbrochenen zylindrischen Scheide, die den 
Achsenzylinder in Höhe des Schnürringes umgibt und die ich 
„eylindre de renforcement de la gaine du cylindraxe“ genannt 
habe; 2. aus einer Serie kreisrunder Kämme („eretes“), fünf oder 
sechs für jede Hälfte; 3. aus den auf diesen Kämmen sitzenden 
Stacheln. Von alledem sieht man im frischen Zustand nur die 
kreisrunden Kämme, die in Gestalt einer feinen Streifung auf 
der Innenseite des zylindrischen Kanals erscheinen, der durch 
die Durchbohrung der Markscheide seitens des verjüngten Teiles 
des Achsenzylinders entstanden ist (Fig. 2a und b, Phot. 4 der 
Taf. XD. Dieses genügt, um die Gewissheit zu haben, dass die 
„bracelets“ im lebenden Zustande vorhanden sind und im all- 
gemeinen eine Form haben, die grosse Ähnlichkeit mit derjenigen 
besitzt, die wir sehen, wenn man sie elektiv färbt. 

Dagegen werde ich mich wohl hüten, zu behaupten, dass in 
Wirklichkeit solche Stacheln existieren, wie wir sie in den 


Uber die markhaltige Nervenfaser. 259 


Präparaten zu sehen bekommen. Gewiss existiert da aber eine 
Substanz, die sich von allen benachbarten unterscheidet. Wenn 
man nämlich einen Nerven eine Zeitlang — vielleicht eine Woche, 
in Kaliumbichromat fixiert, dann erscheint die Markscheide mit 
den Resten der Chondriome angefüllt, die zumeist stark ver- 
ändert sind. Diese Reste, die sich lebhaft färben und eine Art 
Netz bilden, ähnlich dem Protoplasmagerüst Nemiloffs, ver- 
decken zum Teil die „Doubles bracelets epineux“. Hat man 
dagegen die Nerven zwei Wochen lang in Doppelchromsaurem 
Kali gelassen, dann färben sich die Chondriomreste kaum und 
die bracelets wie auch die Körner der Schmidt-Lanter- 
manschen Einkerbungen treten prächtig gefärbt hervor: ein 
längeres Verweilen nimmt diesen beiden Organiten die Möglichkeit 
sich zu färben. Die bracelets bestehen also aus einer Substanz, 
deren Färbung eine andere Zeitdauer erfordert als die der 
Chondriome. 

Hätte Nemiloff das von mir angegebene Verfahren ange- 
wandt, so hätte er sicher nicht so leichthin behauptet, dass sie 
durch ich weiss nicht welches Artefakt entstehen. Sein Irrtum ist 
um so weniger verständlich, als die „bracelets“ sehr gut nach Ehrlich 
gefärbt werden können (Textfig. 3, Phot. 21 b., c.,d., Taf. XJ). 
Allerdings ist es sehr schwierig, sie intakt zu erhalten, wegen 
der Manipulationen, denen der frische Nerv bei dem Ehrlich schen 
Verfahren unterworfen ist. Bald sind sie allein, bald zusammen 
mit dem Achsenzylinder gefärbt, niemals aber habe ich gleich- 
zeitig mit ihnen Fetzen von Protoplasma gefärbt gesehen. Die 
Art und Weise des Färbens ist verschieden. Man kann einfach 
eine dünne zylindrische Scheide haben, die den verjüngten Teil 
des Achsenzylinders umhüllt, oder dieselbe Scheide mit parallelen 
Kreisen, oder endlich eine vollständige Bildung mit Stacheln. Im 
letzteren Falle aber schlägt sich das Blau in solcher Menge 
nieder, dass alle Einzelheiten sich in der Trübung der gesamten 
Bildung verlieren und dass die Trennung, die zwischen den beiden 
Hälften des bracelet besteht, kaum sichtbar wird. Es kommt 
vor, dass nur eine Hälfte sich färbt, während die andere voll- 
kommen unsichtbar bleibt (Fig. 3, f). 

Sehr oft werden die Bilder durch Läsionen verändert. Die 
bracelets können in einen langen gleichförmigen Streifen ver- 
wandelt werden, der sich am Achsenzylinder entlang zieht. Eine 

18* 


256 J. Nageotte: 


interessante Veränderung erscheint aber unter dem Einfluss nicht 
so starker Verletzungen: zuerst können die zwei Hälften weit 
auseinander klaffen (Phot. 21, d); oft ist die Bildung durch 
Zerrung dissoziiert und man sieht eine Serie von Kreisen, die 
sich in drei bis vier voneinander getrennten Ringen zusammen- 
schliessen (Fig. 3, e.. g.), einer dieser Ringe kann schräg stehen 
und in einem Punkte dem darüber liegenden Ringe, in einem 
diametral gegenüberliegenden Punkte dem unter ihm befindlichen 
‘- Ringe anliegen. Alle diese Besonderheiten sind leicht zu ver- 


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Fig. 3. Fasern von der Cauda equina des Meerschweinchens, mit Methylen- 
blau nach Ehrlich-Bethe gefärbt. Apochromat 2 mm, Apert. 1,40, Comp.- 
Okul. 8, Zeiss. Camera lucida. Vergrösserung 1350. a—d = verschiedene 
Bilder von „Doubles bracelets epineux“, wenn sie nicht traumatisch verändert 
sind; e und g — Veränderungen infolge von Spalten des Myelin in Lamellen; 
bei f hat sich nur eine Hälfte des bracelet gefärbt; h — eine Nervenfaser, 
wo das Chondriom der Markscheide gefärbt ist: man bemerkt die Dicke des 
Achsenzylinders (vielleicht etwas übertrieben durch einen gewissen Grad der 
Abplattung der Faser beim Präparieren), die Regelmässigkeit der Konturen 
und die Dünne der Markscheide. Die Chondriomiten sind an den Rändern der 
Faser dargestellt wie sie auf dem optischen axialen Schnitt erscheinen; im 
übrigen Teil der Faser wurden sie so gezeichnet, wie man sie bei Ein- 
stellung auf die Oberfläche sieht. 


Uber die markhaltige Nervenfaser. 257 


stehen, wenn man die Bildung kennt. Ein Blick auf die Reihe 
der traumatischen Spaltungen des Myelins an diesem Punkte 
genügt, um auf die Erklärung hingeführt zu werden, die man 
diesen Abweichungen im Aussehen der bracelets geben muss 
(Phot. 3—14 der Taf. XI). 

Alles in allem gibt die Ehrlichsche Methode interessante 
Resultate in bezug auf das Studium der Doubles bracelets &pineux: 
sie trägt zur Erbringung des Beweises bei, dass hier eine besondere 
Substanz vorhanden ist, fähig sich elektiv zu färben, selbst wenn 
ihre Gestalt eine Veränderung erlitt; sie zeigt auch, dass die 
Substanz wohl kaum dem Achsenzylinder anliegt, denn oft sieht 
man diesen, sehr geschrumpft, hineingleiten in die zu weiten 
bracelets, die sich von ıhm getrennt und ihre ursprünglichen 
Dimensionen und ihre Form behalten haben; aber die durch das 
Methylenblau gegebenen Bilder sind infolge der Bedingungen, 
unter denen es angewandt wird, nicht so regelmässig und nicht 
so genau. wie diejenigen, welche man nach der Altmannschen 
Methode nach Fixierung mit Kaliumbichromat erhält. 

Ich gehe hier nicht auf die Lage der Neurofibrillen in der Höhe 
der Schnürringe ein; ich habe feststellen können, dass sie dieselben 
durchschneiden, ohne eine andere Veränderung als ein durch die 
Verjüngung des Achsenzylinders bedingtes Zusammenrücken zu 
erleiden. Die interfibrilläre Substanz erleidet keine Unter- 
brechung; die einzige Substanz, die in dem verengten Teil des 
Achsenzylinders fehlt, ist die Flüssigkeit, die das physiologische 
Ödem der interannulären Segmente verursacht ; ist diese Flüssigkeit 
ausgeflossen, dann nimmt der Achsenzylinder überall den Durch- 
messer an, den er normaler Weise beim passieren der Schnür- 
ringe besitzt. 

Die Morphologie der Schnürringe wird vervollständigt durch 
die besondere Anordnung, welche die Schwannsche Scheide auf 
dieser Höhe annimmt. Diese Scheide folgt dem Myelin getreulich 
bis in die Nähe des Achsenzylinders, dann schlägt sie sich um 
und begibt sich zu dem Myelin des benachbarten Segments. Da 
die beiden Segmente der Markscheide an dem Punkte, wo sie 
sich an den Achsenzylinder ansetzen, einander sehr nahe sind, 
nimmt die Schwannsche Scheide die Form an, die ein elastischer 
Schlauch haben würde, den man umschnürt hätte und es erscheint 
eine Blende in der Höhlung des Achsenzylinders. Diese Blende, 


258 J. Nageotte: 


bestehend aus zwei Schichten, durch deren enge Öffnung der 
Achsenzylinder geht, habe ich in einer anderen Arbeit näher be- 
schrieben; ich will hier nicht weiter darauf zurückkommen und nur 
daran erinnern, wie wenig Raum hier für die Ranviersche Ver- 
wachsungsscheibe (disque de sondure), dieSchiefferdeckersche 
/wischenscheibe, den Zwischenring Nemiloffs, übrig bleibt. Ich 
habe keine Gelegenheit gehabt, diesen Ring nach der Ehrlichschen 
Methode zu beobachten, aber ich kenne ihn aus den metallischen 
Niederschlägen, die bei Behandlung mit Höllenstein sich darauf 
festsetzen und ihm ein so übertriebenes Volumen geben. 

Warum schlägt sich das Silber in solcher Menge in Form 
eines bisweilen hohl erscheinenden Ringes nieder? Ich wüsste es 
nicht zu sagen; doch kann ich behaupten, dass im lebenden Zustand 
hier kein Platz für eine so voluminöse Bildung vorhanden ist. Es 
sind also diese Bildungen, die nach Nemiloff in den mit Methylen- 
blau hergestellten Präparaten wieder erscheinen, zum grossen Teil 
durch die technische Behandlung erzeugte Kunstprodukte. 

Ist der Raum zwischen der Öffnung der Blende und dem 
Achsenzylinder sehr klein, so befindet sich jedoch oberhalb der 
Scheide, wie Fig. 1 (rechts) schematisch darstellt, ein ziemlich 
grosser leerer Raum zwischen der Schwannschen Scheide und 
dem Mvelin. Dieser Raum wird durch ein unregelmässig geformtes 
Stück Protoplasma ausgefüllt, welches sich ohne Unterbrechung 
in die Gerüstfäden fortsetzt, denen ich den Namen „reseau proto- 
plasmique marginal de la cellule de Schwann“ gegeben habe. 


c) Die Schmidt-Lantermanschen Einkerbungen, ihre 
körnige Struktur und das Rezzonicosche Gerüst. 


Das tatsächliche Vorhandensein der Schmidt-Lanter- 
manschen Kerbungen, deren Morphologie sehr leicht am frischen 
Nerven sich studieren lässt, unterliegt keinem Zweifel mehr; 
nicht so ihr Inhalt, der nur mit Hilfe von Reagentien sichtbar wird. 

Die von mir beschriebene Körnelung wird durch eine 
einzige Behandlungsmethode, Fixierung mit Chromsäure, sichtbar. 
Die ihr zugrunde liegende Substanz existiert sicher. Aber nimmt 
sie in Wirklichkeit die Form von Körnchen an, und unterscheidet 
sie sich überhaupt von der Substanz der Rezzonicoschen 
Fäden? Niemand vermag es zu sagen, einstweilen muss man 
sich mit der Beschreibung der Befunde begnügen. 


Über die markhaltige Nervenfaser. 259 


Die Rezzonicoschen Fäden dagegen werden nach vier 
Methoden gefärbt. 1. Behandlung mit Silber, durch die sie 
zuerst gesehen wurden; 2. Fixierung mit Laguessescher 
Flüssigkeit J, nach welcher wir sie in saurem Fuchsin in einer 
Form, die Fig. 1 genau wiedergibt, färben konnten, 3. Fixierung 
durch Kaliumbichromat mit Essigsäure, gleichfalls mit Färbung 
durch Säurefuchsin; 4. endlich durch Osmiumsäure Durch 
letztere habe ich sie kürzlich in Form von Fäden. die kaum 
dunkler waren, als der Rest der Faser, sehen können. Bei dieser 
Behandlung zeigen sie die gleiche Anordnung wie bei Fixierung 
durch Laguessesche Flüssigkeit J. Golgi und seine Schülerin 
G. Cattani sagen, dass sie dieselben bei allen gebräuchlichen 
Färbungen und bei Behandlung mit Osmiumsäure gesehen haben ; 
die von ihnen gegebenen Beschreibungen und Abbildungen lassen 
mich jedoch vermuten, dass sie in Wirklichkeit nur die von den 
abgespaltenen Myelin-Lamellen auf der Höhe der veränderten 
Einkerbungen gebildeten Zeichnungen gesehen haben. 

Vielleicht muss man zu diesen vier Techniken noch die 
Behandlung nach R. Cajal mit salpetersaurem Silber hinzufügen, 
wenn ich Fig. 14 der Taf. XXI dieses Archiv Bd. LXXII richtig 
verstehe, wo Nemiloff eine Struktur darstellt, die den 
Rezzonicoschen Fäden ähnelt; übrigens deutet genannter 
Autor sie nicht in diesem Sinne. Jedenfalls wäre es interessant, 
diesen Punkt klar zu stellen. 


d) Das Protoplasma der Markscheide und ihre 
Mitochondrien. 

Hier kommen wir auf ein Gebiet, das ganz dem Bereich 
der technischen Verfahren und Färbemittel angehört. Die 
beobachteten Bilder beruhen auf keinem Befund im frischen 
Zustande und können nur mit Hilfe von Kenntnissen aus der 
allgemeinen Zellenlehre diskutiert werden. (Gewiss kann man 
durch eine Reihe zusammenstellender Vergleichungen von den 
Mitochondrien der Markscheide bis zu denen der Geschlechts- 
zellen und Protozoen fortschreiten, die ihrerseits direkt sichtbar 
sind; aber ich verschweige es nicht, dass hier, wie überhaupt bei 
den meisten Fragen auf dem Gebiet der Zellenlehre, ein gewisses 
Maß von Auslegung mitspielt. das zu allen möglichen Diskussionen 
Anlass geben kann. Eines der Argumente zugunsten der An- 


260 J. Nageotte: 


nahme, dass die von unseren Techniken gegebenen Bilder in 
Wirklichkeit existieren, ist folgendes: Das Chondriom des Achsen- 
zylinderss und das der Neurogliazelle (F. Bollscher Reif) 
erscheinen bei entsprechender Behandlung so, wie man sie ohne 
Färbung, im frischen Zustande sieht. 

Das Myelin lässt im frischen Zustande, ausgenommen eine 
sehr leichte Längsstreifung, keine Struktur sehen. Diese Längs- 
streifung erscheint bei gewissen Belichtungen auf optischen 
Axial-Schnitten und steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem 
blättrigen Bau in Beziehung. Einmal glaubte ich mit Hilfe des 
Paraboloidhohlspiegels eine doppelte Schrägstreifung zu sehen, 
die das Aussehen der Mitochondrien zeigte. Diese Bilder habe 
ich aber später nicht wiederfinden können und denke, dass 
sie von den Diffraktionsstreifen herrührten. Es wäre interessant, 
die Photographie mit ultravioletten Strahlen zu versuchen, die 
ich noch nicht vornehmen konnte. 

Mit diesem Vorbehalt und nachdem so der Grad des Ver- 
trauens, das man dem protoplasmatischen Bau der Markscheide 
schenken darf, bestimmt ist, werde ich in Kürze angeben, was 
man beobachtet. 

Auf Fig. 23 der Taf. XI erscheint die Markscheide, wie 
wir es gesehen haben, durch das regelmässige Auseinandertreiben 
ihrer Blätter gequollen, während der Achsenzylinder zusammen- 
geschrumpft ist und verloren hat, was die Scheide gewonnen. 
Vom Achsenzylinder, der ein sternförmiges Aussehen bekommen 
hat, gehen zahlreiche Fortsätze aus, die sich verzweigen und 
sich an der Peripherie festsetzen, indem sie die Myelinblätter 
durchschneiden und mit ihnen ein wahres Spinnengewebe 
bilden. Alle diese Trabekeln sind augenscheinlieh infolge des 
(Juellens der Scheide sehr deformiert, aber alles spricht dafür, 
dass diese Deformation systematisch ist und sich auf ein Aus- 
ziehen in einer einzigen Richtung beschränkt. Sie liegen dem 
Achsenzylinder fest an, in dessen Substanz sie sich fortzusetzen 
scheinen. Augenscheinlich muss man ihrer Wirkung dieses stern- 
artige Aussehen des Achsenzylinders zuschreiben, das jedesmal 
eintritt, wenn er unter dem Einfluss eines Reagens zusammen- 
schrumpft. Dieses Aussehen ist übrigens schon seit langem 
bemerkt worden, ohne dass man jedoch, meines Wissens wenigstens, 
die Ursache geahnt hätte. Die Trabekeln sind von verschiedenem 


Über die markhaltige Nervenfaser. 261 


Kaliber; es gibt Hauptbalken und Verzweigungen von allmählich 
abnehmenden Grössenverhältnissen. 

Ich denke, dass es sich da um das Protoplasma der 
Markscheide handelt; demnach gehört dieses Protoplasma zum 
Achsenzylinder, wie sein Übergehen auf letzteren es anzeigt. 
Die protoplasmatische Natur dieser Bildung scheint mir fest 
begründet durch das Vorhandensein zahlloser Stäbchen in diesem 
Balkenwerk, die dessen Chondriom darstellen. 

Will man diese Chondriomiten gut sehen, so muss man 
nach Fixierung mit Kaliumbichromat und Essigsäure, mit Säure- 
fuchsin nach Altmann färben. Alsdann sieht man granulöse 
Stäbchen sich massenhaft vom Achsenzylinder nach der Peripherie 
der Faser hinziehen, nicht genau in radialer Richtung, sondern 
in Längs- und Querrichtung sich durchkreuzend. Diese Stäbchen, 
die, wie ich es angegeben habe, durch die — etwas modifizierte — 
bBendasche Methode gefärbt werden können, sind in die Länge 
gereckt und ihre Richtung ist durch die von mir erwähnte 
Technik etwas verändert. Man kann sie jedoch in ihrer wahren 
Lage sehen, wenn man sie zuerst ganz kurze Zeit in Formol 
(zu 10°/o) mit Zusatz von 1°/o Chlornatrium fixiert und sie dann 
einen Tag ohne vorheriges Waschen in Kaliumbichromat mit 
wenig Essigsäure behandelt. Man kann so dazu gelangen, die 
Markscheide und den Achsenzylinder in ihren genauen Proportionen 
zu fixieren und man sieht die Chondrioconten an ihrem Platz 
nicht in die Länge gezogen, sondern sich durchflechtend eine 
feine sehr regelmässige Guillochierung zeigend:; jeder Chondriomit 
besitzt eine Dicke, die etwa dem Raum gleichkommt, der ihn 
von seinem Nachbar trennt. 

Das peripherische Ende der Chondriomiten bildet eine sehr 
charakteristische Punktierung an der Oberfläche der Nervenfaser. 
Ist die Färbung sehr rein, dann sind die Punkte isoliert; oft aber 
sieht man sie wie durch ein blasses Balkenwerk verbunden, das 
wahrscheinlich die Spur der protoplasmaarmen Balken darstellt, 
wofern nicht diese Bildung von dem Schatten herrührt, der eine 
Folge der schrägen Richtung der Chondriomiten ist. 

Ist die Fixierung nicht gut, dann zeigen die Chondriomiten 
eine starke Neigung, in Reihen, dann in Paketen zusammenzukleben. 
Die Punktierung an der Oberfläche erleidet dadurch eine Veränderung 
und ‚wird in ein Netz mit unregelmässigen Maschen verwandelt. 


262 J. Nageotte: 


Dieses Chondriomwerk erfreut sich einer besonderen Eigen- 
schaft, die ihm einen Platz für sich unter seinen Stammver- 
wandten anweist: es verträgt sich sehr gut mit Essigsäure, 
vorausgesetzt, dass die Dosis nicht zu stark ist. Aber — und 
dieses ist merkwürdig — das gleiche gilt für die Chondriomiten 
des Achsenzylinders, die sich auch nach Uhromessigsäure ziemlich 
gut färben. Die Chondriomiten der Nervenzelle dagegen fürchten 
die Essigsäure im selben Maße wie die Chondriomiten es im 
allgemeinen tun und färben sich absolut nicht auf den Schnitten, 
wo das Chondriom des Myelins sehr gut sichtbar wird. 

Wenn man den Grad des Vertrauens, das man einer Struktur 
schenken darf, nach der Zahl der Techniken bemisst, durch welche 
diese Struktur sichtbar wird, dann müssen die Chondriomiten 
der Markscheide einen recht hohen Platz in der Achtung der 
Histologen einnehmen. Ohne von der Fixierung und Färbung 
durch Osmiumsäure zu reden, auf die ich später noch, gelegent- 
lich des Lantermanschen Netzes, zurückkomme,. sieht man 
sie bei vier Arten von Fixierung. 1. Formol, gefolgt von Beizen 
mit Chromessigsäure, wobei sie ihre Form und ihre natürliche 
Lage beibehalten können; 2. Kaliumbichromat mit Essigsäure, 
das sie in die Länge gezogen, in Gestalt von granulösen Stäbchen 
zeigt; 3. einfaches Kaliumbichromat, das sie in einigen ganz 
bestimmten Punkten korrekt fixiert, wenn sie dieselben auch aus- 
reckt; endlich 4. die Ehrlichsche Methode. 

Letztgenannte Technik ist ganz besonders wichtig wegen 
des vielleicht etwas übertriebenen Rufes, den sie besitzt, die 
Strukturen nicht zu deformieren. Ich habe mich kürzlich über- 
zeugen können, dass das Methylenblau, auf überlebenden Nerven 
angewandt, nicht nur die von Nemiloff beschriebenen trauma- 
tischen Artefakte färbt, sondern auch das Chondriom der Scheide 
in derjenigen Form, die ich für die wirkliche halte. Durch 
Behandlung der Spinalwurzeln des Meerschweinchens mit der 
'/s°/o blauen Lösung in 1°/o Salzwasser habe ich in Fasern, deren 
Markscheide ihre Dünne und Regelmässigkeit behalten hatte, feine 
schräg sich durchkreuzende und an der Oberfläche der letzteren 
die charakteristische oben beschriebene Punktzeichnung erhalten. 

Durchaus klar sind die Bilder in den Präparaten, die mit 
Ammoniakmolybdat fixiert, mit Salzwasser gewaschen und in 
Balsam eingedeckt sind (Textfig. 3, h, Phot. 19a und b, Taf. XI). 


Über die markhaltige Nervenfaser. 263 


Zwei Punkte sind betreffs der Technik zu beachten. Erstens: 
die stets sehr kurzen Teilstücke der Fasern, in welchen die 
Färbung der Chondriomiten vor sich geht, sitzen stets in der 
Nähe einer Verletzung der Faser, z. B. auf der Höhe der durch- 
schnittenen Enden, und mit Vorliebe sogar auf sehr kleinen 
Stücken, die ganz isoliert, aber nicht zerdrückt wurden, wenn 
man zweimal ansetzte, um die Wurzel zu durchschneiden. Es 
scheint, dass das Methylenblau durch das Innere der Faser ein- 
dringen muss, um sich auf dem Chondriom des Myelins festsetzen 
zu können. 

Zweitens: diese Teilstücke der Fasern werden wunderbar 
durch das Methylenblau fixiert, denn das Myelin behält vollkommen 
seine Gestalt und Dünne trotz aller späteren Behandlungen, 
welche die nicht gefärbten Teile der Markscheide stark alterieren. 
An diesen Punkten ist die Fixierung der Markscheide so gut, 
wie die durch Osmiumsäure erzielte, und wie bei letzterer wird 
das Myelin spröde. Eine fixierende Wirkung gewisser Färbemittel 
auf die verschiedenen (rewebe ist nicht unbekannt; hier ist sie 
sanz besonders beachtenswert, weil sie mit dem Prinzip der 
Ehrlichschen Methode in Widerspruch zu stehen scheint. Fixiert 
hier wirklich das Blau oder rührt die Fixierung von der Wirkung 
des Molybdats auf die mit Blau imprägnierten Teile her? Ich 
vermag es nicht zu entscheiden, aber es ist sicher, dass das 
Molybdat diese Wirkung nicht auf diejenigen Teile ausübt, die 
nicht gefärbt sind. Hierbei möchte ich bemerken, dass eine gute 
Fixierung nicht das gleichzeitige Steifwerden sämtlicher Bestand- 
teile des Protoplasmas nötig macht, wohl aber voraussetzt, dass 
keiner derselben eine Veränderung seiner Gestaltung durch die 
Wirkung der angewandten Reagentien erleide. Bei der Mark- 
scheide z. B. gestattet das Ineinandergreifen der verschiedenen 
Substanzen die Vermutung, dass die Fixierung gut sein kann, 
wenn einige gehärtet sind, die anderen indifferent bleiben; so 
könnte eine vollkommene Fixierung der Lamellen des Myelins 
die Deformationen des Protoplasmagerüstes verhindern und 
umgekehrt könnte das Gerinnen des Protoplasmas unter guten 
Bedingungen die Lamellen des Myelins festigen bis zu dem Augen- 
blick, wo diese ihrerseits durch ein anderes Reagens fixiert oder 
aufgelöst wären — in letzterem Falle hätte die Veränderung 
der lipoiden Bestandteile keinen Einfluss mehr auf die Morphologie 


264 J. Nageotte: 


der eiweisshaltigen Struktur. Das geht wahrscheinlich bei der 
Fixierung der Markscheide nach der Ehrlich-Betheschen 
Methode vor sich, denn es ist kaum anzunehmen, dass das 
Methylenblau während der wenigen Minuten seiner Anwendung 
das eigentliche Myelin unlöslich macht. | 

Wie dem auch sei, es ergibt sich hieraus, dass das von 
Nemiloff gefärbte künstliche Netz nicht von einer Umwandlung 
der Scheide infolge der Einwirkung des Molybdats oder des 
Montierens der Nervenfaser in Balsam herrühren kann; die 
Bildung des Netzes muss vor der Färbung oder gleichzeitig mit 
ihr erfolgt sein; sie ist tatsächlich, wie wir es sehen werden, 
durch eine Verletzung der Fasern während der Entnahme des 
Nerven verursacht. 

Hier dürfte wohl das Aufzählen der Bestandteile der Nerven- 
fasern ein Ende haben. Die Scehwannsche Zelle und die 
Schwannsche Scheide sind Nebenapparate, wie ich, gestützt 
auf Gründe, die von der Histologie der normalen Zelle wie auch aus 
dem Zustand der Zelle bei der Wallerschen Entartung her- 
geleitet waren, wiederholt bemerkt habe. Das Protoplasma der 
Schwannschen Zelle, das äusserst zahlreiche Granulationen 
besitzt, enthält auch Mitochondrien, die von denjenigen der 
Nervenfaser durchaus verschieden sind und die man weder in 
den Schmidt-Lantermanschen Kerben und noch weniger 
selbstverständlich in dem Protoplasma der Markscheide wieder- 
findet. Dies ist natürlich kein unumstösslicher Beweis für die 
verschiedene Natur der beiden Protoplasmen, da wir ja wissen, 
dass in ein und demselben Zellenelement, je nach der Gegend, 
mehrere Arten von Mitochondrien sich finden können, und das 
Neuron ist ein gutes Beispiel für eine solche Anlage. Nichts- 
destoweniger scheint mir der Zusammenhang von Achsenzylinder 
und Markscheide unendlich viel enger als der von der Mark- 
scheide und der Schwannschen Zelle. 


II. Die künstlichen Netze, das Quellen des Myelins 
und die Schrumpfung des Achsenzylinders. 

Das so gebrechliche Gebäude der markhaltigen Nervenfaser 
erleidet gar leicht Veränderungen, und welches auch deren 
Ursache sein mag, sie führen fast immer zu demselben Ergebnis: 
der Achsenzylinder verliert sein Wasser und die Markscheide 


Über die markhaltige Nervenfaser. 265 


nimmt es auf, woraus eine Umkehrung in ihrem gegenseitigen 
Verhältnis entsteht. 


a) Physiologische Veränderungen. 

Es gibt indessen einen Fall, wo der Achsenzylinder seinen 
flüssigen Inhalt ausfliessen lässt, ohne dass die Markscheide sich 
desselben bemächtigt: dieses tritt ein im Beginn der Waller- 
schen Entartung. Dieser Vorgang ist von Mönckeberg und 
Bethe mit Hilfe von Osmiumsäure untersucht worden. Ich habe 
jene Untersuchungen jüngst wieder aufgenommen und habe am 
frischen Nerven den Vorgang verfolgen können. 

Bereits am zweiten Tage, wenn der durchschnittene Nerv 
an Ort und Stelle im lebenden Tiere geblieben ist — nach 
wenigen Augenblicken, wenn das ausgeschnittene Nervenstück in 
eine Kochsalzlösung mit Caleiumsalzzusatz gelegt wurde!) — sieht 
man, wie der Achsenzylinder zusammenschrumpft und das Kaliber 
annimmt, das er normaler Weise an den Schnürringen besitzt; 
dabei verliert er eine Flüssigkeit, die sich zwischen ihm und der 
an ihrem Platze verbliebenen Markscheide ansammelt. 

In dieser Periode ist die Markscheide nämlich noch intakt. 
Eine Reihe von quer verlaufenden Fäden, welche die Schicht 
der ausgeflossenen Flüssigkeit durchziehen, verbinden diese 
Scheide mit dem geschrumpften Achsenzylinder und erhalten 
ihn in der Achse des Hohlraums. Eine aufmerksame Beob- 
achtung zeigt, dass diese Fäden in Wirklichkeit die optischen 
Schnitte eines Lamellensystems sind, die vieleckige Grübchen 
umgrenzen. Ich bin zu der festen Überzeugung gelangt, dass 
es sich da um die Hauptbalken des protoplasmatischen Apparats 
des Myelins handelt, die sich, wie wir es gesehen haben, in die 
Substanz des Achsenzylinders fortsetzen und sich in die Länge 
strecken, ehe sie brechen. 

Später treten Segmentierungen ein: 

l. Segmentierung der Schicht der ausgetretenen Flüssigkeit 

in Gestalt von Tropfen, die sich rosenkranzförmig 
anordnen; 


!) Mönckeberg und Bethe haben die Segmentierung sich in der 
Leiche vollziehen sehen, aber sie haben sie nicht an den isolierten Nerven 
beobachten können, wahrscheinlich weil sie sich einer reinen Chlornatrium- 
lösung bedienten. 


266 J. Nageotte: 


2. Segmentierung der geschrumpften Substanz des Achsen- 
zylinders, welche die körnig-fettige Entartung erleidet 
und infolge der Veränderungen, welche in der sie 
umgebenden Flüssigkeit vorgegangen sind, in Stücke 
zerbricht ; 

3. Segmentierung des Myelinschlauches, der sich in immer 
kleinere regelmässige eirunde oder kreisrunde Teilchen 
auflöst, ohne die Dicke seiner Wände zu verändern. 

Während dieser ganzen Periode der Zerteilung bleiben die 
Mitochondrien des Myelins unversehrt, solange das Myelin eine 
Hohlkugelgestalt behält; es ist meiner Ansicht nach lebend und 
seine Segmentierung ist eine Äusserung dieses Lebens. 

Lässt man die Nerven mehrere Tage (wenigstens fünf) in 
einer reinen Chlornatriumlösung, wo sie sich nicht segmentieren 
können. und bringt man sie alsdann in die Lockesche Flüssigkeit, 
die das zur Entwicklung des Lebens notwendige Quantum Chlor- 
kalzium enthält, so segmentiert sich die Nervenfaser nicht mehr, 
obgleich ihre Morphologie unversehrt geblieben ist und die 
Mitochondrien des Myelins sich noch färben können: der Tod 
ist eingetreten und die Wallersche Entartung kann nicht mehr 
stattfinden. 


Ich gehe nicht näher auf diesen Prozess ein, dessen erste 
Phasen allein in den Rahmen dieser Arbeit gehören, weil sie vom 
ersten Augenblick an beobachtet werden, wenn man den frischen 
Nerven untersucht. Ich verweise nur noch darauf, dass die ersten 
Vacuolen, welche den Beginn der Wallerschen Entartung 
anzeigen, in der Nähe der Ranvierschen Schnürringe, zwischen 
der Markscheide und dem Achsenzylinder erscheinen; da auch 
zeigen sich die ersten Spuren der Gerinnselscheide. 


b) Traumatische Veränderungen. 


Die Schrumpfung des Achsenzylinders wird beschleunigt 
durch die Verletzungen, die während der Dissoziation stattfinden 
und kann sogar in reiner Chlornatriumlösung vor sich gehen. 
Dies erklärt, warum es fast unmöglich ist, durch die Ehrlich- 
sche Methode die korrekte Form des Achsenzylinders in der 
Nachbarschaft der Schnürringe zu erlangen. Selbst auf den 
Präparaten, wo die Achsenzylinder auf einem grossen Teil ihrer 


Über die markhaltige Nervenfaser. 267 


Längsausdehnung ihren normalen Durchmesser behielten, sah ich 
die Endstücke der interannulären Segmente geschrumpft und den 
dünnen Zylinder des Schnürrings mit dem dicken Zylinder der 
interannulären Segmente durch einen länglichen Kegel verbunden, 
der die halbkugelförmige Kuppel ersetzt, die tatsächlich an diesem 
Punkte vorhanden ist. 

Unabhängig von dieser Veränderung, die sich unmerklich 
an die oben beschriebenen physiologischen Vorgänge anschliesst, 
führen Verletzungen verschiedene Veränderungen herbei: 

1. Es erscheinen sehr leicht Abspaltungen des Mvelins, 
über die ich mich oben eingehend geäussert habe. Ich 
füge hier nur ein paar Worte hinzu, um darauf auf- 
merksam zu machen, dass dieses Abspalten der konzen- 
trischen Lamellen den protoplasmatischen Bau zerstört, 
von dem man keine Spur sieht. Bleiben die Chondrio- 
somen in den durch die Verletzung hervorgerufenen 
dünnen Lamellen kleben oder werden sie ausgeschieden ? 
Es war mir unmöglich, dieses zu ergründen. die abge- 
spaltenen Lamellen erscheinen durchaus homogen. Eine 
andere Frage bleibt gleichfalls ungelöst, nämlich die, 
welche sich auf die genaue Zusammensetzung der Lamellen 
der Markscheide bezieht. Sind sie aus reinem Myelin 
gebildet oder sind ihnen mehrere fettige Bestandteile 
beigemischt oder besitzen sie gar eine Art eiweisshaltigen 
Stromas? Wir wissen es nicht; eines aber ist sicher: 
sie verdanken den grössten Teil ihrer physikalischen 
Eigenschaften dem unter dem Namen „Myelin“ als selb- 
ständig bekannten Körper. 

2. Ist die Verletzung stärker, so bilden sich kleine sphärische 
Einstülpungen. deren Innenraum durch einen schmalen 
Spalt mit dem Äusseren in Verbindung steht und deren 
Vorsprünge in der Substanz des Achsenzylinders einen 
Druck ausüben, ohne dass die allgemeine Form der Faser 
verändert wird. Dieses rührt von dem bereits von mir 
betonten Mangel an Elastizität der Scheide her; wird sie 
ein wenig gezerrt, so strecken sich ihre Lamellen und 
dann wird ihre Oberfläche für den Raum, den sie aus- 
füllen soll und für die Form, die die Oberflächenspannung 
ihr aufzwingt, zu gross, der überschüssige Stoff kriecht 


268 J. Nageotte: 


in die Falten hinein, deren Form ebenfalls durch die 
Spannungskraft bedingt wird. 


an 


3. Bei höherem (rrade vervielfältigen sich diese Einstülpungen 
dermassen, dass sie einander berühren; dann findet eine 
vollständige Veränderung der Struktur der Faser statt. 
Der Achsenzylinder verliert seine Flüssigkeit und nimmt 
das sehr verminderte Volumen an, das er normalerweise 
auf der Höhe der Schnürringe hat. Die Flüssigkeit findet 
sich in der Markscheide wieder, die gequollen ist, ıhre 
Homogenität verloren hat und das Aussehen von zer- 
stossenem Glas annimmt. Derselbe Artefakt tritt ein, 
wenn man den Nerven in einer hypotonischen Flüssigkeit 
zerzupft. 

Die Bilder verändern sich übrigens je nach den Umständen, die 
sie hervorgerufen haben; bald sieht man lichtbrechende Fetzen in 
der aus dem Achsenzylinder ausgetretenen Flüssigkeit herum- 
schwimmen, indem sie sich mehr oder weniger um die Schmidt- 
Lantermanschen Einkerbungen gruppieren, bald bildet sich 
ein lichtbrechendes, mehr oder weniger regelmässiges Netz. Durch 
Färbung dieser Artefakte mit Methylenblau erhielt ich alle von 
Nemiloff dargestellten Bilder. Netze und Fragmente sind 
übrigens ungefärbt sehr gut sichtbar. Man kann sie auch, wie 
das normale Myelin, mit Osmiumsäure färben. 


Da sich gerade an denjenigen Punkten, wo die Fasern ver- 
letzt wurden, das Chondriom nach der Ehrlichschen Methode 
auf zufällig unversehrt gebliebenen Fragmenten von Fasern färbt, 
so kann es vorkommen, dass man den Übergang zwischen dem 
sogenannten protoplasmatischen Netz Nemiloffs zu der tat- 
sächlichen Struktur sieht. Fig. 4 stellt eine Faser dar, wo dieses 
der Fall ist: die Markscheide erscheint darauf an nebeneinander 
liegenden Punkten in zwei verschiedenen Formen: 

1. Fragmente des dünnen Myelimschlauchs mit regelmässig 
gelagerten Chondrioconten, die einen dicken Achsenzylinder 
umhüllen (oben): 

2. ein unregelmässiges Netz, das einen dünnen Achsen- 
zylinder umgibt. 

Eine dieser Formen ist sicher die ursprüngliche und die 

andere ist durch Artefakt aus ihr entstanden. Ich glaube nicht, 


Über die markhaltige Nervenfaser. 269 


dass es irgend jemand in den Sinn kommen könnte, dieses Netz 
für die ursprüngliche Form anzusprechen. 


Fig. 4. Eine Faser aus der Cauda equina des Meerschweinchens, nach 
Ehrlich-Bethe. Apochromat 2 mm, num. Apert. 1,40, Comp -Okul. 4, 
Zeiss, Camera lucida. Vergrösserung 650 Durchmesser. Oben einRanvier- 
scher Schnürring, in dessen Nähe ein gewisser Teil der Markscheide korrekt 
gefärbt und fixiert ist, wobei ihre Chondriosomen sichtbar werden; dieser 
Abschnitt, der durch die Fixierung sehr spröde geworden ist, ist beim Zer- 
zupfen zerbrochen: auf derselben Höhe hat der Achsenzylinder seine normale 
Dicke behalten; die Schwann sche Scheide ist künstlich ausgedehnt und von 
der Markscheide getrennt. Unten ist die Markscheide, infolge eines vor jeder 
Fixierung und Färbung vorgekommenen Trauma, in ein unregelmässiges 
Netz umgewandelt worden. In den Maschen dieses Netzes findet sich eine 
Flüssigkeit vor, die aus dem geschrumpften Achsenzylinder ausgeflossen ist. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 19 


270 I. Na eotiber 


e) Durch Reagentien hervorgerufene Veränderungen. 

Diese sind interessanter, weil es möglich ist ihre Form zu 
regulieren, was gestattet ihren Mechanismus zu ergründen und 
nützliche Aufschlüsse betretis der normalen Zusammensetzung der 
Markscheide zu gewinnen. 


Viele Reagentien rufen ein umgekehrtes Verhältnis zwischen 
dem Durchmesser des Achsenzylinders und der Dicke der Mark- 
scheide hervor; hierzu gehören: Kaliumbichromat, Höllenstein, 
Alkohol usw. 

Alle diese Veränderungen lassen sich auf zwei Typen 
zurückführen: Die einen entstehen aus der regelmässigen Spaltung 
der Blätter des Myelins und deren Anseinandergehen durch das 
Eindringen einer zwischen dieselben gelangenden Flüssigkeit oder 
durch Quellung einer hypothetischen Substanz, die sich normaler- 
weise zwischen den Blättern befindet (Kaliumbichromat mit Essig- 
säure). Die anderen erklären sich aus dem Auftreten eines Netzes, 
das man bald das Lantermansche Netz, bald das Neuro- 
keratinnetz genannt hat, trotzdem seine Natur, wie wir sehen 
werden. sich gleich bleibt. 

Es ist überflüssig, auf die Veränderungen des ersten Typus 
zurückzukommen, über die ich im Verlauf meiner Darlegung alle 
die näheren Angaben gemacht habe, die ich besitze. 

Die Veränderungen der zweiten Art nähern sich bis zu 
einem gewissen Punkte den traumatischen Läsionen. Ich greife 
als Typen diejenigen heraus, welche sich in den mit Osmiumsäure 
schlecht fixierten Fasern bilden und diejenigen, welche von der 
Behandlung mit Formol herrühren. Erstere bilden das Lanter- 
mansche Netz, letztere dürfte man mit dem Neurokeratinnetz 
in Verbindung bringen. 

1. Das Lantermansche Netz. Wenn man in einer 
schwachen Osmiumlösung einen nicht einmal besonders volumi- 
nösen Nerven, wie den Ischiadicus des Kaninchens, fixiert und 
nach Einbetten in Paraffin Längsschnitte vornimmt, dann bemerkt 
man beträchtliche Verschiedenheiten zwischen den äusseren und 
den inneren Nervenfasern (vgl. Phot. 18, Taf. XD. Eırstere 
tragen auf ihrer Oberfläche eine feine schwarze Punktierung, 
deren Aussehen genau dasselbe ist wie das der Zeichnung, die 
durch die äussersten Enden der Chondriomiten gebildet wird: 


Uber die markhaltige Nervenfaser. 271 


auf den optischen Schnitten der Markscheide sieht man eben das- 
selbe Geflecht von mehr oder weniger granulierten Stäbchen. 

Je näher man aber an die tiefer gelegenen Fasern kommt, 
desto mehr sieht man dieses Bild sich verändern; die schwarzen 
Stäbchen treten zusammen. bilden zuerst längliche Massen, die 
schräg in der Scheide liegen und dann wirkliche Täfelchen mit 
eirundem oder kreisrundem Umriss, die immer mehr an Umfang 
zunehmen und der Faser ein unregelmässig getüpfeltes Aussehen 
verleihen (Phot. 17, Taf. XI). An den Stellen, wo die Veränderung 
am ausgeprägtesten ist, bemerkt man eine gewisse Verdickung 
der Scheide auf Kosten des Achsenzylinders. 

Es gibt also in der Markscheide eine Substanz, die unter 
dem Einfluss einer schlechten Fixierung sich in immer umfang- 
reicheren Massen ansammelt: diese Substanz ist viel osmio- 
reduktiver als der übrige Teil der Scheide. Wo hat sie Ihren 
Sitz im lebenden Zustande? Das ist ein dunkler Punkt. Das 
Aussehen der peripherischen Nervenfasern macht den Eindruck, 
als ob es die Chondriomiten wären, die sich so schwarz abheben. 
Gestützt auf die Tatsache, dass die Chondriomiten so leicht 
zusammenkleben, wenn die Fixierung ungenügend ist, hatte ich 
zuerst gedacht, dass die grossen Flecken auf den Fasern, im 
Zentrum des Präparates, von dem Zusammenkleben und der Ver- 
schmelzung von Chondriomitengruppen herrühre. Ich habe mich 
dann aber davon überzeugen können, dass die Chondriomiten in 
dem Neurokeratinnetz bleiben, das — wie wir sehen werden — 
mit der zwischen den schwarzen Flecken sitzenden Substanz 
identisch ist oder beinahe. Doch gleichviel: mag die osmio- 
reduktive Substanz zuerst auf dem CUhondriom fixiert werden oder 
das Aussehen der peripherischen Faser schon ein Artefakt sein, 
die Hauptsache ist, dass in der Myelinschicht unter dem Einfluss 
einer mangelhaften Fixierung ein Vacuolisationsprozess stattfindet 
durch Ansammlung einer im lebenden Zustand zerstreut lagernden 
Substanz. 

Wenn man nun einen solchen Schnitt mit Terpentin behandelt, 
dann sieht man die schwarzen Flecken vollständig verschwinden, 
während die graue Färbung der zwischengelagerten Substanz sich 
kaum verändert: aus einer fleckigen wird eine netzartige Scheide. 
Hat man das Myelin aufgelöst, wie G. Cattani es mit Terpentin 


zu tun dachte? Ich weiss es nicht; sicher ist jedoch, dass man 
19* 


2372 J. Nageotte: 


die osmio-reduktive Substanz aufgelöst hat. Das graue Netz, 
das um so feinere und mehr linienförmige Maschen hat, je 
mehr die Faser an der Oberfläche liegt, ist das Lanterman- 
sche Netz, dessen künstlicher Charakter also offenbar wird. 

Wenn man die Schnitte mit schwachem Wasserstoffsuperoxyd 
bleicht und mit Säurefuchsin nach Altmann neu färbt, dann tingiert 
sich dieses Netz lebhaft und man kann es besser studieren 
(Phot. 18). Man erkennt dann an seinem gut ausgebildeten Teil, 
wo die Maschen weit sind, dass das Netz in Wirklichkeit doppelt 
ist: es bildet eine innere und eine äussere Scheide, die durch 
Trabekeln verbunden sind und gibt getreu das bekannte Bild des 
Neurokeratinnetzes wieder, mit dem Unterschied, dass es viel 
mehr abgeplattet ist, weil die Verdickung des Myelins schwach ist. 

Aber man begreift, dass man, wenn die in den Maschen 
enthaltene Substanz quellen sollte, ein typisches Neurokeratinnetz 
erhalten würde. 

Solche kleinmaschige Netze sind unlängst von Spuler, 
Ernst und Fuchs beschrieben und als „Radspeichenbau“ der 
Markscheide bezeichnet worden. Ich habe mir die Arbeiten der 
beiden erstgenannten Autoren nicht verschaffen können, aber nach 
der Beschreibung und den Figuren, die Fuchs!) gibt, der sich 
ganz der Meinung jener Autoren anschliesst, ist über die Natur 
dieser Netze kein Zweifel möglich: sie sind eine genaue Wieder- 
gabe dessen, was man in den Fasern sieht, die sich in mittlerer 
Entfernung von der Peripherie befinden eines mit Osmiumsäure 
behandelten, mit Wasserstoffsuperoxyd gebleichten und mit Säure- 
fuchsin wieder gefärbten Nervs (Phot. 18). 

2. Das Neurokeratinnetz: Verständigen wir uns vor 
allem über den Ausdruck. Das Ewald- und Kühnesche Neuro- 
keratin ist ein in der Markscheide gebildetes und gründlich 
entfettetes Netz; aber unter gewissen Bedingungen sieht man 
auch ohne Entfettung sehr deutlich ein Netz, das genau dieselbe 
Gestaltung besitzt. Da man andererseits jetzt weiss, dass die 
chemischen Merkmale der von Ewald und Kühne Neurokeratin 
genannten Substanz nicht den geringsten Wert besitzen, so hat 
es nichts zu sagen, wenn man diesem Wort nur eine rein 
morphologische Bedeutung beimisst. Ein sehr gutes Mittel, das 


", Hugo Fuchs: Bemerkungen über den Bau der Markscheide am 
Wirbeltiernerven. Anat. Anz., Bd. XXX, 1907. 


N 
—I 
oo 


Uber die markhaltige Nervenfaser. 


Neurokeratinnetz hervortreten zu lassen, ist das Fixieren mit 
Formol. Wenn man kurze Zeit mit Formol — warm — mit 
Salzzusatz fixiert und sofort in Kaliumbichromat mit Essigsäure 
behandelt, kann man eine korrekte Fixierung der Markscheide 
erhalten, die ihre normale Dünne bewahrt und in der sich kein 
Netz gebildet hat. Wenn man aber lange in Formol fixiert oder 
nach Fixierung lange in Wasser auswäscht, dann sieht man, dass 
ein stark lichtbrechendes Netz mit mehr oder weniger grossen 
Maschen sich bildet. Wenn man mit Alkohol behandelt, erfolgt 
das (Quellen der Maschen sofort und ist viel besser sichtbar. Die 
Balken des Netzes verschmälern sich dann bedeutend und wenn 
man sie mit Säurefuchsin (Phot. 15, Taf. XI) oder Hämatoxylin 
färbt, erhält man ein durchaus typisches Neurokeratinnetz. Ein 
Punkt ist erstens zu beachten: Nemiloff, der sein proto- 
plasmatisches Netz mit dem Neurokeratinnetz für identisch hielt, 
worin er recht hat, behauptet, dass dieses Netz sich in das Proto- 
plasma der Schwannschen Zelle fortsetzt. Das nun ist durchaus 
unzutreffend. Daraus, dass zwei einander eng sich anschmiegende 
Substanzen in gewissen Farbelösungen zusammen gefärbt werden 
können, darf man nicht den Schluss ziehen, dass sie ein und 
dasselbe Ganze bilden. Durch ein anderes Verfahren könnte man 
sie vielleicht einzeln färben: dies ist der Fall für dieSchwannsche 
Zelle und das Neurokeratinnetz. In meinem Memoire au Congres 
des Anatomistes (Bruxelles 1910) habe ich die einfachen Tech- 
niken angegeben, die es gestatten. Der Unterschied, der zwischen 
dem Chondriom der Schwannschen Zelle und dem des Myelins 
besteht, spricht auch ganz zugunsten der Scheidung dieser zwei 
Protoplasmen — wie ich es bereits bemerkt habe. 

Der zweite interessante Punkt beim Neurokeratinnetz ist, 
festzustellen, was in den Maschen gelegen ist und woraus die 
Balken bestehen. Nemiloff hat die Frage in einer sehr ein- 
fachen Weise gelöst - ohne sie überhaupt aufzuwerfen. Sind 
die Balken das Protoplasma, dann befindet sich das Myelin in 
den Maschen. Ich bemerke nebenbei, wenn das stimmte, dann 
wäre nichts leichter, als auf der lebenden Faser die dicken Balken 
des sogenannten protoplasmatischen Netzes zu sehen wegen des 
enormen Brechungsunterschiedes, der zwischen dem Protoplasma 
und dem Myelin besteht; wenn man auf der unberührten frischen 
Faser absolut nichts sieht, so ist das Protoplasma in Wirklichkeit 


274 J. Nageotte: 


in so feinen Trabekeln verteilt, dass jede optische Analyse ohne 
die spezifischen Färbungen unmöglich wird. Und wie sollte das 
Myelin mit seinen so besonderen physikalischen Eigenschaften es 
wohl anfangen, sich in den Maschen eines grobschwammigen 
(Gewebes unterzubringen und Polarisationsachsen geben, die ganz 
regelmässig in der Richtung der Faser verlaufen ? 

In der Tat, das Myelin — ich meine hier die besondere 
fettartige Substanz, die durch chemische Mittel isoliert werden 
kann — sitzt, so lange die Faser nicht entfettet ist, in den 
Balken und nicht in den Maschen, wie die Untersuchung bei 
polarisiertem Lichte zeigt, und wie das starke Brechungsver- 
mögen des Netzes in den im Wasser untersuchten Fasern es 
vermuten lassen könnte. 

Was ist also in den Maschen? Eine sehr stark osmio- 
reduktive, aber selır wenig lichtbrechende Substanz, die in Form 
von schwarzen Flecken erscheint, wenn man die Fasern eines 
mit Formol fixierten und dann mit Osmiumsäure behandelten 
Nerven dissoziiert (Phot. 16, Taf. XI). Das Aussehen ist das- 
selbe wie das der tiefliegenden Fasern in einem Nerven, den 
man direkt in schwacher Osmiumsäure fixiert hat. Folglich ist 
das Neurokeratinnetz mit dem Lantermanschen Netz identisch: 
es entsteht aus einer Vacuolisation der Markscheide, erzeugt 
durch eine tropfenförmige Anhäufung einer ursprünglich zer- 
streuten Substanz. Der einzige Unterschied besteht darin, dass 
eine Quellung dieser Vacuolen in Wasser und besonders in Alkohol 
eintritt, woher Verdickung der Markscheide und Schrumpfung des 
Achsenzylinders. Im typischen Neurokeratinnetz ist auch Myelin 
von den Balken durch Alkohol abgelöst, aber dies ist sekundär. 

Tatsächlich ist dieses Neurokeratinnetz, wenigstens so wie 
man es nach Fixierung in Formol beobachtet, kein wirkliches 
Netz; die isolierten Balken, die man zu sehen glaubt, sind nur 
die optischen Schnitte von Wänden, die zwischen den Vacuolen 
liegen oder die linienförmigen Verdickungen, die sich an den 
Treffpunkten der Wände bilden; aber es besteht keine Verbindung 
zwischen den Hohlräumen der Vacuolen. In den durch Läsionen 
erzeugten unregelmässigen Netzen entstehen die Maschen nicht 
durch die Quellung einer tropfenförmig angehäuften Substanz, 
sondern durch die Zerreissung der Markscheide bei dem brutalen 
Eindringen der aus dem Achsenzylinder ausgetretenen Flüssigkeit. 


Über die markhaltige Nervenfaser. 275 

Man wird bemerken, dass die osmio-reduktive Substanz, die 
nach Fixierung durch Osmiumsäure oder durch Formol isoliert 
wird, sich nicht nur in Tropfen auf der ganzen Ausdehnung des 
Markkegels, sondern auch in Blättern ansammelt, welche die 
Membran der Schmidt-Lantermanschen Einkerbung auf 
beiden Seiten bekleiden. Daher erscheinen letztere auch in Gestalt 
von breiten schwarzen Streifen (Phot. 16 und 17, Taf. XI). 

Ist durch längeres Verweilen im Wasser oder besser noch 
durch Behandlung mit Alkohol die Quellung jener Substanz 
erfolgt, dann bilden sich grosse kreisrunde Vacuolen, welche die 
Faser ausdehnen, den Achsenzylinder zusammenpressen und die 
isolierte trichterförmige Membran der Einkerbung umschliessen 
(Phot. 15). Die gleiche Umbildung findet statt, wenn man die 
mit Osmiumsäure behandelten Fasern mit Terpentin behandelt. 

Es schlägt sich gleichfalls eine kreisförmige Anhäufung 
dieser Substanz rund um die „bracelets epineux“ nieder, so dass 
nach der Quellung auch an dieser Stelle eine grosse kreisförmige 
Vacuole erscheint, deren Druck die Konvexität der Kuppel ver- 
wischt, in welche die interannulären Segmente des Achsenzylinders 
enden. (Compte-rendu de l’Association des Anatomistes. Bruxelles 
19105. Rat. Il, Eig.11a.) 

Diese fettartige Substanz, die unter gewissen Bedingungen 
im Wasser quillt!), zeigt dann Eigenschaften, die von den vorhin 
beobachteten etwas verschieden sind. 

Wenn man eine nur kurze Zeit mit Formol fixierte Faser 
mit Osmiumsäure warm behandelt, dann sind die von ihr 
gebildeten Anhäufungen tiefschwarz gefärbt und lösen sich nur 
sehr langsam und sehr unvollkommen in den in Balsam mon- 
tierten Präparaten. Hat der Nerv dagegen nach Fixierung mit 
Formol lange im Wasser gelegen, dann färben sich die Anhäufungen 
nicht so gut und lösen sich sofort, wenn man sie mit Xylol 
behandelt, wobei sie einige unregelmässige schwarze Granulationen 
zurücklassen. 

Höchst wahrscheinlich ist es dieselbe Substanz, welche die 
Markscheide der in reines Wasser gelegten frischen Fasern zum 
(Quellen bringt. 

') Ich wüsste zur Zeit nicht zu sagen, ob diese Eigenschaft, die für 


einen fettartigen Körper eher ungewöhnlich ist, den fettartigen Bestandteilen 
selbst oder einer beigemischten eiweisshaltigen Substanz zuzuschreiben ist. 


276 J. Nageotte: 


Ihre physiologische Rolle scheint gross zu sein, denn ihre 
Menge nimmt in den Anfangsstadien der Wallerschen Degene- 
ration bedeutend ab, wie ich es jüngst bewiesen habe. In 
jedem Fall ist sie die unmittelbare Ursache für die Bildung der 
künstlichen Netze, die man den Reagentien verdankt. 


Schlussfolgerung. 


Das sind die Tatsachen, die seit langem von mir beobachtet 
und kontrolliert wurden. Bei den hier formulierten Auslegungen 
habe ich mich einzig und allein von diesen Tatsachen leiten lassen. 
Nichts weiter wollte ich sein als treuer Dolmetsch der Natur. 

So wurde ich zu einer Auffassung der Nervenfaser gebracht, 
die auf den ersten Blick befremdlich scheinen könnte, denn das 
Protoplasma, das die Markscheide bildet, hat meines Wissens 
kein Analogon. Das liegt daran, dass die kristallartigen Eigen- 
schaften des Deutoplasmas, d. h. des eigentlichen Myelins, in der 
Zusammensetzung dieser organisierten, lebenden Maschine eine 
hervorragende Rolle spielen. 

Man wird vielleicht schwer verstehen, wie die Blätter des 
Myelins, ohne ihre Kontinuität zu verlieren, von den proto- 
plasmatischen Balken, die ihrerseits auch keine Unterbrechung 
erleiden, durchschnitten werden können. Aber man darf nicht 
vergessen, dass wir uns auf dem (Gebiet der Mizellen befinden: 
im Protoplasma ist jede Substanz im kolloiden Zustand. Was die 
scheinbare Kontinuität seiner Strukturen bildet, ist nicht eine 
tatsächliche Kontinuität der Substanz. wie unsere Sinne sie uns 
vortäuschen, sondern das Ergebnis molekularer Kräfte, die in 
bestimmten Richtungen wirken, wenn auch die verschiedenen 
Arten von Mizellen gemischt sind; nichts hindert uns folglich, 
anzunehmen, dass zwei Strukturen, die einander durchdringen, 
jede ihre Kontinuität bewahren. 

Ein höchst lehrreiches Schauspiel bietet uns die Segmen- 
tierung der überlebenden Nervenfasern, die in einer geeigneten 
Flüssigkeit dissoziiert und unter dem Mikroskop untersucht werden. 
Manchmal kann der Beobachter in wenigen Sekunden eine Seg- 
mentierung vor seinen Augen sich bilden sehen: der Myelin- 
schlauch schnürt sich ein, die Blätter löten sich zusammen, die 
Trennung findet statt, man befindet sich vor zwei Segmenten, 
deren entsprechende äusserste Enden durch zwei genau halb- 


LS) 
—] 
—] 


Uber die markhaltige Nervenfaser. 


kugelförmige Kuppeln gebildet werden, deren Wand auf allen 
ihren Punkten genau dieselbe Dicke und das gleiche Aussehen 
wie der übrige Teil der Markscheide hat. Die Verletzung ist 
erfolgt und ist augenblicklich vernarbt, ohne eine Spur zu hinter- 
lassen. Es ist natürlich unmöglich, die Beschaffenheit dieser 
Kuppeln selbst, die der Beobachter vor seinen Augen sich bilden 
sah, histologisch zu studieren; aber man kann dieses an voll- 
kommen ähnlichen Kuppeln tun, an einem Nerven, der die natür- 
liche oder künstliche Wallersche Entartung erlitten hat. In 
solchem Falle findet man nun die CUhondriomiten mit derselben 
Regelmässigkeit gelagert, wie in den anderen Teilen der Scheide. 
Unter der Bedingung, dass die Blätter des Myelins weder Zerrung 
noch Dislokation erlitten haben — Veränderungen, die, einst- 
weilen wenigstens, wie wir sahen, nicht umkehrbar sind — die 
Scheide sich trennen und sich augenblicklich wieder von selbst 
zusammenlöten kann, ohne dass in ihrem Protoplasma die 
geringste Spur einer Zerreissung zurückbleibt. Dieses zeigt, dass 
die ganze so überaus komplizierte Struktur aus der kontinuier- 
lichen Tätigkeit der molekularen Kräfte entspringt, die in den 
hier vorhandenen Stoffen wirken. Nichts ist hier endgültig 
gefesselt; alles wird an Ort und Stelle gebracht und erhalten 
durch Kraftlinien, die bei Eintritt einer Störung die Struktur 
sofort wieder herstellen, vorausgesetzt, dass diese Störung nicht 
über eine gewisse Grenze hinausgeht. 

Man kann also das Prinzip der Anordnung dieser unzähligen 
Teilchen mit dem eines magnetischen Feldes vergleichen, mit 
dem Unterschied, dass jede Mizelle in sich selbst die Kraft trägt, 
die ihr ihren Platz in dem Ganzen anweist. 

Zum Schluss erinnere ich an die so interessante Beobachtung 
von Fabre-Domergue, die Faur&-Fremiet!') zitiert: Eine 
Infusorie, von der ein Stück eingeklemmt und die somit ihrer 
Bewegungsfreiheit beraubt war, versuchte zu entkommen; bei 
jeder Anstrengung riss das Protoplasma weit auf, reparierte sich 
aber von selbst, sobald das kleine Lebewesen innehielt. Trotz 
aller seiner Kompliziertheit, verhält sich das Protoplasma, aus 
welchem die Markscheide besteht, nicht anders. 


Parıs, den 1. März 1911. 


!) Faur6-Fremiet: Etude sur les mitochondries des Protozoaires 
et des cellules sexuelles. Arch. d’Anat. microsc., XI, 1910. 


J. Nageotte: 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. 


Sämtliche Photographien sind unter derselben Vergrösserung von 650 Durch- 
messer eingestellt worden. Apochr. 2 mm, Apert. 1,40, Comp.-Ok. 4, Zeiss. 


Fig. 1-14. Fasern vom Ischiadieus des Kaninchens, die in frischem Zustande 


[bj 
& 
3 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


in Salzwasser zu 1°, (Fig. 2, 6, 8, 9, 11 12, 13, 14) oder in einer 
zitronensauren Natronlösung von gleichem osmotischem Druck 
fixiert wurden. 

1. Zwei unberührte grobe Fasern mit ihren Schmidt-Lanter- 
man schen Einkerbungen. 

2. Zwei grobe Fasern, an deren Einkerbungen infolge eines leichten 
Trauma Spaltung eingetreten ist. 

3. Eine Faser, die Quetschungen und Zerrungen in der Gegend eines 
Schnürringes erlitten hat; Bildung eines unregelmässigen Netzes 
und Verschmälerung des Achsenzylinders in dem verletzten Teile. 

4. Intakter Schnürring (das gleiche Negativ wie Fig. 2b). 

Verschiedene Formen traumatischer Veränderung mit blättrig 

sich abhebendem Myelin oder Auseinanderklaffen der Segmente. 

In Fig. 9 und 12 bemerkt man Bruchstellen an der Markscheide im 

Innern der Röhre. 


15 und 16. Fasern vom Ischiadieus des Kaninchens in Formol zu 10°.» 

fixiert und zerzupft. 

15. Eine mit Säurefuchsin gefärbte und in Alkohol gequollene Faser. 
Neurokeratinnetz; kreisrunde Vakuole auf der Höhe jeder Ein- 
kerbung, enthaltend eine trichterförmige Membran mit Schrumpfung 
des Achsenzylinders durch an dieser Stelle erfolgende Zusammen- 
pressung. 

16. Nicht gequollene, mit Osmium gefärbte Faser. Osmiumempfindliche 
Substanz, die sich anhäuft entsprechend den Maschen des Netzes 
auf der vorhergehenden Abbildung; Niederschlag derselben Substanz 
auf der Seite der Einkerbungen, die hier keine Vacuolen bilden. 


17 und 15. Fasern vom Ischiadicus des Kaninchens in Osmiumsäure 

zu !/soo fixiert. 

17. Dissoziierte, in Balsam montierte Faser. Das Aussehen ist das 
gleiche wie auf Fig. 16. 

15. Längsschnitt nach Paraffineinbettung: Entfärbung in Wasserstoff- 
superoxyd und Neufärbung mit Säurefuchsin. Lanterman sches 
Netz, dessen Maschen grösser werden, je weiter man sich von der 
Peripherie des Nerven entfernt (rechts). Vgl. diese Abbildung mit 
der vorigen und mit Fig 15. 

19. Fasern von der Cauda equina des Meerschweinchens nach Ehrlich- 
Bethe, in Balsam montiert. Chondrioconten der Markscheide; 
das gegenseitige Verhältnis von Achsenzylinder- und Markscheiden- 
dicke ist unverändert geblieben. a Einstellung auf die Oberfläche; 
b Einstellung auf den Achsenschnitt. Diese Abbildung, die mir 


Fig. : 


Fig. 


Fig. 


Über die markhaltige Nervenfaser. 279 


viele Mühe gekostet hat, gibt jedoch gar nicht die Klarheit des 
Präparates wieder, wegen der grossen Schwierigkeiten, denen man 
bei der photographischen Wiedergabe so komplizierter und kleiner 
Bilder begegnet; man sieht aber nur, dass die Markscheide ihren 
normalen Durchmesser behalten hat (vgl. mit Textfig. 3, h, die ein 
gleiches, vermittelst der Camera lucida, gezeichnetes Präparat 
darstellt. , 

Ischiadieus des Kaninchens. Kaliumbichromat mit Essigsäure 1 Tag, 
Kaliumbichromat 3 Monate. Einbettung in Paraffin, Färbung mit 
Eisenhämatoxylin.. Abspaltung der Myelinblätter; der strahlen- 
förmige protoplasmatische Bau ist wenig sichtbar. 

a Ischiadicus des Meerschweinchens, Kaliumbichromat 2 Wochen, 
Paraffin, Altmannsche Färbung. b—d Cauda equina des Meer- 
schweinchens nach Ehrlich-Bethe. Verschiedene Formen und 
Veränderungen der Doubles bracelets @pineux. 

Ischiadicus des Meerschweinchens, Kaliumbichromat mit Essigsäure 
(1,25°)0 Essigsäure) 1 Tag, Paraffin, Altmannsche Färbung. 
Chondriome der Markscheide. 

Ischiadicus des Meerschweinchens, Kaliumbichromat mit Essigsäure 
(2,50 °/ Essigsäure) 1 Tag, Paraffın, Eisenhämatoxylin. Abspaltung 
der Blätter des Myelins; strahlenförmige Balken des Protoplasmas 
(vgl. Fig. 20). 


250 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern, 
nach Untersuchungen am Hühnchen. 


Von 


M. v. Lenhossek, Budapest. 


PR % 
Hierzu Tafel XI]. 


Die Literatur ermangelt nicht der Angaben über die Ent- 
wicklung der Zonulafasern, doch prüft man die betreffenden 
Äusserungen etwas genauer, so findet man, dass sie zumeist 
weniger auf unmittelbarer Beobachtung der histogenetischen 
Vorgänge, als vielmehr auf dem Studium des Verhaltens der 
Zonulafasern im entwickelten Auge beruhen, also mehr oder 
weniger nur Rückschlüsse aus dem fertigen Zustand auf die mut- 
massliche Entwicklung sind. Es ist aber klar, dass in dieser 
Frage die unmittelbare Beobachtung der Entwicklungsvorgänge 
das letzte Wort zu reden hat. Von diesem Gesichtspunkte aus 
dürften die mitzuteilenden Untersuchungen, die die fraglichen 
Vorgänge von den ersten Stadien an auf Grund unmittelbarer, 
zusammenhängender Beobachtung verfolgen, einige Beachtung 


verdienen. 
Material, Technik. 


Als Objekt diente das Auge des Hühnchens, und zwar 
wurden die Stadien vom 4.bis zum 21. Tage der Bebrütung 
geprüft. Meine Resultate verdanke ich in erster Reihe der An- 
wendung eines Verfahrens, das meines Wissens auf diesem Gebiet 
bisher noch nicht benutzt wurde. Es ist dies die R. y Cajalsche 
Silbermethode, wie sie zur Darstellung der Neurofibrillen ange- 
wendet wird. Sie gibt eine überraschend scharfe Färbung sowohl 
der Glaskörperfibrillen, wie auch der Zonulafasern, und zwar von 
allem Anfange an. Schon in sehr frühen Stadien, wo man an 
den nach den gewöhnlichen Methoden gefärbten embryologischen 
Schnittserien den Glaskörperraum gewöhnlich fast ganz leer findet, 
sieht man diesen Raum an den nach Cajal behandelten Präparaten 
durch einen Filz zarter, distinkt gefärbter schwarzer Fäserchen 
gleichmässig erfüllt. Allerdings färben sich in ähnlicher Weise 
ab und zu, nicht regelmässig, auch Gerinnsel in den Hohlräumen 
der Hirnbläschen, wodurch der Verdacht wachgerufen werden 
könnte, dass auch der vermeintliche Glaskörperfilz einer solchen 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 281 


Beurteilung anheimfällt, sei es, dass er in seiner (resamtheit ein 
Gerinnsel ist, sei es. dass er aus einem Gemisch von wirklichen 
Glaskörperfibrillen und Gerinnselfäden besteht. Allein die nähere 
Prüfung der Präparate lässt diesen Verdacht als unbegründet von 
der Hand weisen. Das Gerinnsel in den Hirnventrikeln weist 
einen ganz anderen Öbarakter auf als der Glaskörperfilz. Es ist 
stark körnig, unregelmässig, während das Glaskörperretikulum 
an gelungenen Präparaten aus glatten, scharf gezeichneten Fäden 
besteht. Besonders beweisend aber für die Realität dieses Faser- 
werkes ist der Umstand, dass darin sozusagen von den frühesten 
Stadien an bestimmte Faserrichtungen typisch hervortreten, was 
ja bei einem Gerinnsel nicht wohl der Fall sein könnte. 

Übrigens bleiben die Niederschläge in den Hohlräumen der 
Hirnbläschen weg, wenn man zur Fixierung statt des Alkohol- 
ammoniakgemisches 15°/,iges Formalin benutzt, bei 24stündiger 
Anwendung. Der Glaskörper kommt auch hierbei zur Darstellung, 
allerdings nicht in so vollkommener Weise, wie bei der anderen 
Fixierung, indem die Fibrillen keine schwarze, sondern eine 
blassere, mehr braune oder gelbe Färbung annehmen und auch 
etwas gröber und körniger erscheinen als an den Alkoholpräparaten. 
Ich habe mich daher hauptsächlich an die letztere Fixierung 
gehalten, obgleich die Formalinfixierung vor ihr den grossen 
Vorzug hat, dass sie es ermöglicht, das Auge in allen Stadien 
seiner Entwicklung prall, den Glaskörperfilz ohne nennenswerte 
Schrumpfungen durch alle Phasen der Behandlung hindurch- 
zuführen, was bei der Alkoholammoniakfixierung nicht immer 
gelingt. Bei beiden Fixierungen kommt es häufig vor, dass der 
letzte Akt der Präparation, nämlich das Auflegen des Deckglases, 
den zarten Faserfilz in Unordnung bringt, ja sogar teilweise 
zerstört. Ich habe es daher für zweckmässig befunden, einen 
Teil meiner Präparate nach Art der Golgipräparate ohne Deck- 
glas aufzuheben. Ja selbst bei dem Bedecken des Schnittes mit 
Kanadabalsam muss vorsichtig vorgegangen werden, damit das 
feine Fasernetz nicht Schaden leidet. 


1. Die Zonula im Auge des entwickelten Huhnes. 
(Fig. .1.) 

3evor ich auf den eigentlichen Gegenstand meiner Mitteilung, 

nämlich auf die Entwicklung der Zonula eingehen würde, scheint 


282 M. v. Lenhossek: 


es mir angebracht, eine gedrängte Übersicht des Verhaltens der 
Zonula im Auge des entwickelten Huhnes zu geben. Es dürfte 
dies schon aus dem Grunde nicht überflüssig sein, weil die Lite- 
ratur meines Wissens keine einzige genauere Beschreibung der 
Vogelzonula aufweist. Die ausführlichste Darstellung habe ich 
noch in der kürzlich erschienenen Monographie des Vogelauges 
von V.Franz (Lit. 1, S. 205) gefunden. Sie besteht aus den 
folgenden paar Zeilen: „Nicht viei zu bemerken habe ich über 
die Zonulafasern. Sie entspringen sowohl von der distalen Partie 
der vitrealen Zone (des Giliarkörpers), als auch in der lentalen 
Zone, als auch an der distalen Kante der lentalen Faltenreihe. 
Sie inserieren natürlich an die Linse, und zwar in bedeutend 
breiterem Bereiche als die Ciliarfalten selbst.“ 

Ebensowenig gibt es in der Literatur eine gute Abbildung 
der Vogelzonula. In Fig. 1 habe ich diesem Mangel einiger- 
massen abzuhelfen gesucht. 

Die Untersuchung des Zonulaapparates der Vögel ergibt 
zunächst die auf den ersten Blick auffallend erscheinende Tat- 
sache, dass dieser Apparat hier verhältnismässig schwach ent- 
wickelt ist, bedeutend schwächer als derjenige der Säuger und 
besonders des Menschen, bei dem die Zonula überhaupt die 
stärkste Entwicklung zeigt. Weder mit freiem Auge, noch mit 
der Lupe lässt sich beim Huhn etwas von den Zonulafasern 
wahrnehmen, während bei den Säugern und dem Menschen bei 
entsprechender Präparationsmethode !) die Zonulafasern schon bei 
schwacher Lupenvergrösserung auf das schärfste hervortreten und 
die bekannten zierlichen Bilder geben. Die schwache Entwicklung 
dieses doch unzweifelhaft im Dienste der Akkomodation stehenden 
Apparates beim Vogel könnte deshalb auffallend erscheinen, weil 
das Vogelauge bekanntlich in bezug auf die Akkomodation hoch 
über dem Säugerauge steht. V. Franz sagt: (S. 263) „Durch 
die Akkommodation bekommt das Vogelauge sein charakteristisches 
Grepräge. Das Vogelauge ist das Akkommodationsauge zaı’ &Soynv, 
es verfügt über die beste, präziseste Akkommodation und ist 
daher auch besser als irgend ein anderes Auge für diese Funktion 
ausgerüstet.“ 


') Fixierung des Auges in 100/o-igem Formalin während 24 Stunden, 
frontale Halbierung des Auges, Abtragung der Cornea und der Iris, Lupen- 
untersuchung. 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 285 


Allein die Erklärung für diese scheinbar sinnwidrige Tat- 
sache ist unschwer zu finden. Das Vogelauge besitzt eine Ein- 
richtung, die im Auge des Säugetieres nicht vorhanden ist und 
die uns das Zurücktreten des Zonulaapparates verständlich macht. 
Es ist dies die unmittelbare Verwachsung der Ciliarfortsätze mit 
der Linse. Wie Fig. 1 zeigt, schliessen sich die schmalen 
kammförmigen Ciliarfortsätze unter leichter Verbreiterung un- 
mittelbar der Linse an, und zwar an einer etwas vor dem Linsen- 
äquator und vor dem breitesten Teil des Linsenwulstes gelegenen 
Stelle. An der Verwachsungsstelle sehen wir das ganze Epithel 
des Ciliarfortsatzes zu einer dicken Cuticula umgewandelt, die 
mit der Linsenkapsel auf das innigste verschmolzen erscheint. 
Was also im Säugerauge die Zonula allein zu besorgen hat, 
nämlich das Gespannthalten der Linse im nicht akkommodierten 
Zustande, wird hier zum grossen Teil durch die Ciliarfortsätze 
bewirkt 

Der Komplex der Zonulafasern befindet sich in dem schmalen, 
auf dem Durchschnitte die Form eines langausgezogenen Drei- 
eckes darbietenden Raume, der von dem Ciliarkörper, der Linse 
und dem Glaskörper umfasst wird. Nach hinten wird dieser 
Raum durch die vordere Verdichtungsmembran des Glaskörpers 
begrenzt. 

Diese Membran geht in der Literatur unter verschiedenen 
Namen. Retzius (2) und Salzmann (3) nennen sie z. B. 
„vordere Grenzschicht des Glaskörpers“ und unterscheiden sie 
von der Membrana hyaloidea.. Spee (4) spricht einfach von 
einer „Glaskörpermembran“. Mawas (5) bezeichnet sie, wie die 
meisten Forscher vor ihm, als „Hyaloidea“. Sie ist beim Vogel 
ausserordentlich stark entwickelt, beträchtlich stärker als z. B. beim 
Menschen, was meiner Ansicht nach mit der energischeren 
Akkommodationsfunktion des Vogelauges zusammenhängt. Ihr 
Zweck dürfte nämlich darin bestehen, bei der Akkommodation 
ein Vorwärtsquellen des Glaskörpers zu verhindern. 

Bei allen von mir angewendeten Färbungen erscheint diese 
Membran homogen; eine Zusammensetzung aus Fibrillen lässt 
sich an ihr nicht nachweisen. Am besten färbt sie sich noch mit 
sauren Anilinfarben, z. B. mit saurem Fuchsin, aber auch mit 
diesen blass, bis auf ihren hinteren Rand, der an manchen Augen, 
nicht an allen, als dunkler gefärbter Grenzsaum hervortritt. Die 


284 M. v. Lenhosseck: 


Membran ist nach beiden Seiten hin scharf begrenzt. Sie fehlt 
noch im Bereich des hinteren Linsenpoles, hier berühren die 
Glaskörperfibrillen unmittelbar die hintere Linsenkapsel. Erst 
etwas seitlich davon bildet sie sich allmählich heraus Schon 
hinter dem Linsenäquator erreicht sie eine beträchtliche Dicke, 
wird aber nach aussen hin immer noch, bis zuletzt, stärker. 
Schon in einiger Entfernung vor der Ora terminalis ') lösen sich 
von Ihr an ihrer vorderen Fläche einzelne Membranellen ab, ohne 
aber der Membran als einheitlicher Haut Eintrag zu tun. Diese 
Häutchen setzen sich schief an dem vor der Ora termi- 
nalis gelegenen Teil des Ciliarepithels an. Im Bereich der Ora 
blättert sich aber die ganze Haut in eine Anzahl feiner Mem- 
branen auf und findet damit auch als einheitliche Haut ihr Ende. 
Diese Membranen endigen dann in verschiedener Weise; einzelne 
heften sich sofort an der Limitans interna der Retina propria 
an, gleich hinter der Ora, andere wieder strahlen in den Glas- 
körper aus und verlieren sich bald in ihm. Durch ihren welligen 
Verlauf erinnert der Komplex dieser Häutchen an ein Büschel 
welliger Haare. 

Die ganze vordere Verdichtungshaut des Glaskörpers be- 
schränkt sich also auf das Gebiet zwischen hinterem Linsenpol 
und Ora terminalis, oder mit anderen Worten: auf das Gebiet 
des Zonularaumes. Von der Ora terminalis an, im Bereich der 
Retina propria, lässt sich am Glaskörper des Vogels keine aus- 
gesprochene Grenzhaut gegen die Netzhaut nachweisen. Eine 
Membrana hyaloidea ist hier also nicht vorhanden, wenn wir nicht 
etwa die eigentlich zur Netzhaut gehörige Limitans interna als 
solche bezeichnen wollen. 

Die Zonulafasern weisen dieselben histologischen Charaktere 
auf wie beim Säuger, nur sind sie im allgemeinen zarter. Wir 
sehen starre, geradlinig begrenzte, homogene Fäden, die sich in 
färberischer Beziehung indifferent verhalten, indem sie sich mit 
sehr verschiedenen Farbstoffen darstellen lassen. Sie sind von 
sehr verschiedener Dicke, ohne dass sich in der Anordnung der 
schwächeren und stärkeren Fasern eine Regelmässigkeit feststellen 
liesse. Viele von ihnen zeigen die Tendenz einer geringfügigen 
büschelförmigen Auflösung an ihren beiden Enden, besonders an 


') = serrata. Beim Huhn ist der Rand der Pars optica retinae nicht 
sezahnt. 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 285 


dem lenticulären Ende. Ich finde es nicht gerechtfertigt, die 
breiteren Mittelstücke der an ihren Enden aufgesplitterten Fasern 
als verklebte Fasergarben, d. h. als Komplexe verklebter Einzel- 
fibrillen aufzufassen. Dies wäre eine in physiologischer Beziehung 
sehr ungünstige Struktur, da die Fasergarben Gefahr liefen, bei 
den Zerrungen, denen die Fasern ausgesetzt sind, sich schliesslich 
in ihre Komponenten aufzulösen. Histologische Anhaltspunkte 
für eine solche Struktur habe ich nicht finden können und wie 
wir sehen werden, bietet auch die Histogenese der Zonulafibrillen 
nichts, was dafür spricht. 

Der Ursprung der Fasern umfasst das ganze Gebiet des 
Ciliarkörpers, mit Abrechnung eines schmalen Abschnittes vor 
der Ora terminalis, derjenigen Zone nämlich, die durch die sich 
hier ansetzenden Lamellen der Glaskörperhaut in Anspruch 
genommen wird. Bis zur Ora terminalis reicht also der Ursprung 
nicht. Auf diesem weiten Gebiet ist aber die Dichtigkeit des 
Ursprunges der Fasern verschieden. Am gedrängtesten entspringen 
sie an den Ciliarfortsätzen und den zwischen ihnen gelegenen 
Tälern. Dementsprechend ist die Anordnung der Zonulafasern 
in den vordersten Teilen des Zonularaumes, d. h. im ciliolentieu- 
lären Winkel am dichtesten; hier bilden sie eine dichte Streifung, 
in der stellenweise auch spitzwinklige Kreuzungen der Fasern 
nachzuweisen sind. Die Ciliarfortsätze entsenden nur an ihren 
Seitenflächen und hinteren Kanten Zonulafasern, nicht aber an 
ihrer vorderen Kante, und ebenso überschreitet das aus den 
Tälern zwischen den Fortsätzen entspringende Faserbündel mit 
seinen vordersten Fasern niemals das Niveau der Ciliarfortsätze. 
Nach hinten und nach den Seiten hin wird die Anordnung der 
Fasern lockerer, sie laufen in weiteren Abständen voneinander. 
Die Fasern im ciliolenticulären Winkel laufen schnurgerade, die 
weiter hinten folgenden beschreiben nach vorne konvexe sanfte 
Bögen, parallel der Krümmung der vorderen Verdichtungshaut 
des Glaskörpers. Zwischen den Zonulafasern findet sich nirgends 
eine Spur von Glaskörperfibrillen, es ist eine reinliche Scheidung 
von Glaskörper und Zonula vorhanden. 

Der Ansatz der Fasern erfolgt an der Linsenkapsel im 
Bereich des Linsenäquators und an den benachbarten Gebieten 
der vorderen und hinteren Fläche. An der letzteren umfasst die 
Ansatzzone ein viel ausgedehnteres (Gebiet als auf der vorderen 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 20 


286 M.v Lenhossck: 


Fläche, wo schon der Ansatz der Ciliarfortsätze die Grenze 
bezeichnet. Bemerkenswert ist, dass die Zonulafasern nach der 
Linse hin allmählich ihre Färbbarkeit verlieren; dicht an der 
Linse erscheinen sie an allen meinen Präparaten fast ganz 
ungefärbt. 

„Orbiculo-ciliare® und „intereiliare Fasern“ (Czermak), 
d. h. Fasern, die nicht zur Linse gehen, sondern verschiedene 
Punkte des CGiliarkörpers miteinander verbinden, lassen sich beim 
Huhn bestimmt ausschliessen, wohl aber glaube ich gefunden zu 
haben, dass die am weitesten hinten, nahe zur Ora terminalis 
entspringenden Fasern die Linse nicht immer erreichen, sondern 
sich nach längerem Verlauf schief der Glaskörpermembran an- 
schliessen und in einer Verschmelzung mit ihr auch ihr Ende 
finden. Es liegt hier allerdings eine gewisse Schwierigkeit 
vor, indem es nicht immer leicht ist, zu entscheiden, was schon 
Zonulafaser ist und was noch zu der Grenzmembran des Glas- 
körpers gehört, als ein sich von ihr ablösendes Häutchen. Wenn 
man aber in der schärferen Begrenzung und stärkeren Färbbarkeit 
Kriterien für die Zonulafasern erblickt, so darf man die betreffenden 
Fasern doch als Zonulafasern auffassen. Entwicklungsgeschichtlich 
lässt sich das Vorkommen derartig endigender Zonulafasern wohl 
verstehen. 

Was die feineren histologischen Verhältnisse des Ursprunges 
der Zonulafasern an der Pars ciliaris retinae betrifft, so zeigen 
meine Präparate nur so viel. dass sie sich mit der Limitans 
eiliaris interna!) verbinden. Ein Eindringen der Fasern direkt 
in das Epithel habe ich nicht beobachten können Ich möchte 
hier eine mir nicht unwichtig erscheinende Beobachtung erwähnen, 
die ebenfalls auf die innigen Beziehungen zwischen Zonulafasern 
und Limitans ciliaris hinweist. Es ist dies die Tatsache, dass 


!) Mit Wolfrum (6) halte ich es für das zweckmässigste, die innere 
Cuticula des Ciliarepithels als Limitans ciliaris interna zu bezeichnen, da 
sie die direkte Fortsetzung der Limitans interna retinae bildet. Ist zwischen 
den beiden Lagen des Ciliarepithels wirklich eine besondere Outicularmembran 
vorhanden, wie es zuerst Berger (7) behauptet hat, so müsste sie eigentlich 
Limitans ciliaris externa genannt werden, da sie unzweifelhaft die Fortsetzung 
des als Limitans externa retinae bezeichneten Schlussleistennetzes ist. Ich 
würde es aber trotzdem aus Gründen der Deutlichkeit vorziehen, diese Haut 
Limitans intermedia zu nennen und als Limitans ciliaris externa die zwischen 
Ciliarepithel und Bindegewebe befindliche Glashaut zu bezeichnen. 


Die Entwicklung und Bedeutung. der Zonulafasern. 237 


die Dicke und scharfe Ausprägung dieser Grenzhaut Hand in 
Hand geht mit der Dichtigkeit der von ihr entspringenden Zonula- 
fasern. Verfolgt man beim Huhne die Limitans eiliaris von der 
Ora terminalis nach den Ciliarfortsätzen hin, so sieht man, dass 
sie in dem Maße, wie die Zonulafasern reichlicher von ihr ent- 
springen, allmählich stärker wird. Am dicksten ist sie an den 
Ciliarfortsätzen. Wir haben hier also den Ausdruck einer gesetz- 
mässigen gegenseitigen Abhängigkeit und damit den Beweis einer 
Zusammengehörigkeit beider Gebilde. Ich bemerke, dass meine 
Beobachtungen in dieser Beziehung das gerade Gegenteil von 
dem ergeben haben, was Wolfrum (6) für den Menschen 
behauptet, dass nämlich die Limitans ceiliaris an den Stellen, wo 
viele Zonulafasern am Ciliarkörper entspringen, nicht nur nicht 
stärker, sondern im Gegenteil schwächer wird, ja sich überhaupt 
nicht nachweisen lässt. Beim Huhne ist der von mir angegebene 
Tatbestand leicht festzusteilen. 

Schliesslich möchte ich erwähnen, dass man an manchen 
Schnitten zwischen den eiliaren Wurzelteilen der Zonulafasern, 
besonders im Bereich des Orbiculus ciliaris, dicht am Epithel 
einzelne fortsatzlose, ganz freistehende Zellen findet, wie sie hier 
auch für Säuger schon von mehreren Seiten beschrieben sind 
Sie sind sehr spärlich, man findet deren höchstens zwei bis vier 
an je einer Seite des Schnittes. Mit den Zonulafasern haben sie 
bestimmt nichts zu tun; sie liegen gerade nur zwischen: ihnen. 
Sie sehen eher wie ausgeschaltete Epithelzellen, als wie Leukocyten 
oder Bindegewebszellen aus. Der Mechanismus ihrer Ausschaltung 
aus dem Epithel ist allerdings angesichts der Limitans ciliaris 
nicht leicht zu verstehen. 


2. Die Entwicklung der Zonula. 


a) Hühnchen vom 4. Tage. (Fig. 2.) 


Meine Untersuchungen setzen am 4. Tage der Bebrütung 
ein. Der Glaskörper stellt sich um diese Zeit bereits als ein 
selbständiges Netzwerk dar, das sich von seinem Mutterboden, für 


') Im Interesse der Kürze und Übersichtlichkeit meiner Darstellung 
habe ich in nachfolgender Beschreibung aus den von mir kontinuierlich von 
Tag zu Tag untersuchten Stadien nur einige mir besonders charakteristisch 
erscheinende herausgegriffen. 


20* 


283 M. v. Lenhossck: 


den ich nach wie vor in erster Linie die Linse halte, schon voll- 
kommen abgelöst hat, was sich in dem schon erfolgten Schwund der 
Basalkegel der Linsenzellen und besonders in der Gegenwart einer 
nirgends unterbrochenen Cuticularhaut im ganzen Umfang des 
Linsenbläschens ausspricht. Auch die Netzhaut grenzt sich gegen 
den Glaskörperfilz in ihrer ganzen Ausdehnung durch eine scharfe, 
ununterbrochene Cuticularhaut ab, und ist sie wirklich, wie das 
so viele Forscher behaupten, an der Bildung des Glaskörpers 
beteiligt, so gehören die entsprechenden Vorgänge einer früheren 
Periode an, denn vom 4. Tage an kann die Netzhaut angesichts 
ihrer Cuticula, der späteren Limitans interna, nicht mehr als 
Bildungsstätte des Glaskörpersin Betracht kommen. Der Glaskörper- 
filz wächst von nun an selbständig weiter; er trägt vollkommen die 
Bedingungen einer selbständigen Vermehrung und Differenzierung in 
sich. Ich finde darin nichts so auffallendes und unglaubliches, wie 
es Rabl (8) seinerzeit hinzustellen sich bemüssigt gesehen hat, 
und kann ihm nicht beistimmen, wenn er sagt, dass „eine solche 
Auffassung allen unseren histiologischen und histogenetischen 
Vorstellungen widerspricht.“ Der Glaskörper ist in dieser Be- 
ziehung kein Unikum, er verhält sich nicht anders, als das 
fibrilläre Bindegewebe, das ja bekanntlich von einem gewissen 
Zeitpunkt der Entwicklung an ebenfalls die Fähigkeit einer selb- 
ständigen, von der produktiven Tätigkeit cellulärer Elemente 
unabhängigen Vermehrung und Ausbreitung in sich trägt. Neuere 
Untersuchungen zeigen, dass auch bei der Entwicklung der fibril- 
lären Grundsubstanz des Zahnbeines und Knochengewebes ähnliche 
Vorgänge im Spiele sind. Auch bei der Vermehrung und dem 
Wachstum der Neuroglia dürfte über ein bestimmtes Stadium 
hinaus den Zellkörpern der Astrocyten keine so bedeutsame Rolle 
zukommen, vielmehr der Schwerpunkt des Wachstums in einer 
selbständigen Wucherung der Gliafasern liegen, obgleich ich der 
Überzeugung bin, dass diese ihren Zusammenhang mit den Zellen 
niemals ganz aufgeben. 

Doch gehören diese Fragen nicht in den Rahmen vor- 
liegender Untersuchung, und so will ich nicht länger bei ihnen 
verweilen. 

Fig. 4 zeigt, wie sich das Auge des viertägigen Hühnchens 
an Silberpräparaten darstellt. Am Linsenbläschen erscheint 
die proximale Wand bereits zu einem kräftigen Hügel hervor- 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 289 


gewölbt, doch haben die verlängerten Epithelzellen die noch dicke, 
mehrzeilige distale Wand noch nicht völlig erreicht, das Bläschen 
weist noch einen schmalen, halbmondförmigen, an den beiden 
Enden etwas erweiterten Hohlraum auf. Die proximale Fläche 
der Linse ist flach, die distale stark konvex. Die Cornea-Anlage 
liegt der Linse unmittelbar an. Sie besteht aus dem verhältnis- 
mässig hohen Epithel und aus der bekannten kernlosen „hyalinen“ 
Lage. Letztere ist nach hinten sehr scharf abgegrenzt und 
endigt seitlich zugeschärft, mit deutlichster Abgrenzung gegen 
das Mesenchym zwischen Ektoderm und Augenbecherrand. Am 
dicksten ist sie ungefähr vor dem Linsenäquator. Mit stärkeren 
Vergrösserungen betrachtet erscheint diese Lage nicht eigentlich 
homogen, sondern aus sehr zarten Fibrillen zusammengesetzt, 
die unter leichten Schlängelungen der Oberfläche parallel laufen. 
Mit Silber färbt sie sich gelblich, ihre Fibrillen zeigen nicht die 
Reaktion der Glaskörperfibrillen. 

Diese hyaline Lage wurde von Kessler im Jahre 1877 (9) 
entdeckt, und von ibm auch schon ziemlich genau beschrieben. 
Sehr ausführlich beschäftigte sich neuerdings Knape (10) mit ihr. 
Dieser Forscher leitet sie aus einer Umbildung des von mir (11) 
beschriebenen vorderen Glaskörpers ab, abweichend von Kessler, 
der in ihr ein Ausscheidungsprodukt des Epithels erblickte. Die 
Frage nach der Herkunft dieser Lage scheint mir durch die bis- 
herigen Untersuchungen nicht endgültig gelöst zu sein. Ich finde 
beim Hühnchen, dass sie sich gegen den vorderen Glaskörper 
stets scharf abgrenzt, was der Auffassung Knapes nicht gerade 
günstig ist. Die Bildungsweise und die weiteren Schicksale dieser 
Schichte verdienen wohi eine erneute Untersuchung, um so mehr 
als diese Frage auch in Betreff des Verhältnisses der ver- 
schiedenen Keimblätter zueinander von Interesse ist. 

Am Augenbecher ist ein beträchtlicher Diekenunterschied 
zwischen den beiden Blättern vorhanden. Das dünnere äussere 
Blatt weist schon bis zur Umbiegungsstelle Pigmentkörner in 
seinen Zellen auf, wenn auch noch in spärlicher Zahl. Das innere 
Blatt ist in seiner ganzen Ausdehnung von gleicher Dicke; die 
Unterscheidung einer Retina propria und einer Retina coeca ist 
also noch nicht möglich. Zwischen den beiden Blättern befindet 
sich noch ein spaltförmiger Raum, der am Rande des Augen- 
bechers eine geringe Erweiterung erkennen lässt. 


290 M. v. Lenhossek: 


Der schon ziemlich ansehnliche Glaskörperraum erscheint 
durch einen fädigen Glaskörper erfüllt. Die Fäden bilden ein 
ziemlich lockeres, weitmaschiges Geflecht; sie sind auch etwas 
kräftiger als in den späteren Stadien. 

Auch ein „vorderer Glaskörper“ ist noch nachzuweisen, 
allerdings nur mehr in seinen letzten Spuren, indem gerade nur 
seine seitlichsten Teile erhalten sind. In dem Winkel nämlich 
zwischen Augenbecherrand, Linsenperipherie und Corneaanlage 
findet man auf einem kleinen dreieckigen Raum besonders auf 
der einen Seite typisches Glaskörpergewebe, mit der charakte- 
ristischen schwarzen Färbung der Fibrillen, wodurch sich dieses 
(sewebe gegen das von der Seite herandringende Bindegewebe 
lebhaft abhebt. Mit dem Hauptteil des Glaskörpers hat dieses 
(sewebe keinen Zusammenhang, da sich Augenbecherrand und 
Linsenäquator unmittelbar berühren, ein „Isthmus“ also, wie wir 
ıhn im Auge der Säugerembryonen dieser Entwicklungsstufe 
sehen, nicht vorhanden ist. 

Die Anordnung der Fibrillen des Glaskörpers ist als unregel- 
mässig zu bezeichnen. Nur an einer Stelle lassen sie die ersten 
Anzeichen einer bestimmten Gruppierung erkennen. Es ist dies 
der vorderste Teil des Glaskörpers, die Gegend des Augenbecher- 
randes. Hier bekommt man an manchen Schnitten bei der 
Betrachtung mit schwachen Vergrösserungen den Eindruck, als 
wollte sich ein Bündelchen hervorheben, dessen Fasern von dem 
Umbiegungsrand der Netzhaut oder einer unmittelbar dahinter 
gelegenen Stelle ausgehen und divergierend nach hinten verlaufen. 
Merkwürdigerweise ist diese bündelartige Anordnung der Fasern 
immer nur auf der einen Seite des Schnittes, und zwar immer 
in der oben Hälfte des senkrecht durchschnittenen Auges zu er- 
kennen, welche Seite sich auch durch den weiter fortgeschrittenen 
Schwund des vorderen Glaskörpers etwas entwickelter zeigt. 
Das Bündelchen ist aber gerade nur andeutungsweise zu sehen; 
vielleicht würde es mir ohne die Kenntnis der späteren Stadien, 
wo es viel kräftiger hervortritt, garnicht aufgefallen sein. Die 
Netzhaut ist auch an der Ursprungsstelle dieses Bündels durch 
eine scharfe Limitans abgegrenzt. Es liegt kein Grund vor für 
die Annahme, dass das Bündelchen auf eine Bildung von Glas- 
körperfibrillen von seiten der Netzhaut zu beziehen sei. Unter- 
sucht man das Bündel mit stärkeren Vergrösserungen, so sieht 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 291 


man, dass seine Fasern mit der Limitans retinae zumeist gar nicht 
unmittelbar zusammenhängen, sondern selbständig im Glaskörper 
ihren Ursprung nehmen. 


b) Hühnchen vom 7.Tage. (Fig. 3.) 

Das Auge hat grosse Fortschritte gemacht. Die Linse ist 
nun schon auf beiden Seiten konvex, auf der vorderen aber noch 
stärker als auf der hinteren. Ein Hohlraum ist nicht mehr 
nachzuweisen. In der Äquatorgegend sehen wir die ersten 
Anzeichen des Linsenwulstes. In den zentralen Teilen der Linse 
sind die Kerne der Linsenfasern bereits geschwunden. Die Linsen- 
kapsel liegt auf dem Präparat der Linse überall dicht an. 

Zwischen Linse und Hornhaut hat sich nun schon eine 
ansehnliche vordere Kammer ausgebildet. Die frühere hyaline 
Schicht erscheint nun in ihrer hinteren Abteilung schon mit 
Kernen versehen, während ihr vorderer Teil, in dem wir vielleicht 
die Anlage der Bowmanschen Haut zu erblicken haben, noch 
kernlos ist. Ein weiterer Fortschritt gibt sich darin kund, dass 
die hyaline Schichte seitlich nicht mehr zugeschärft und gegen 
das Mesenchyn scharf abgesetzt endigt, sondern in die binde- 
gewebige Anlage der Sclera unmittelbar übergeht. 

An dem inneren Blatt des Augenbechers hat sich die 
bemerkenswerte Veränderung eingestellt, dass sich daran nun 
schon eine Pars optica und Pars coeca unterscheiden lässt. Die 
Netzhaut ist nämlich jetzt nicht mehr bis zur Umbiegungsstelle 
von gleicher Dicke, sondern verdünnt sich schon in einiger 
Entfernung davor. Doch ist der Diekenunterschied zwischen den 
beiden Teilen noch ziemlich geringfügig und die Stelle der 
späteren Ora terminalis nicht ganz genau festzustellen. Man 
kann an der Pars coeca schon eine Pars ciliaris und eine frei 
hervorstehende Pars iridica abgrenzen; letztere ergänzt sich 
schon durch den Anschluss einer schmalen Bindegewebsschicht 
an ihre vordere Fläche zu einer vollkommenen Iris. Ihr pupillarer 
vand berührt nicht unmittelbar die vordere Fläche der offenbar 
etwas geschrumpften und nach hinten verlagerten Linse; ein zartes 
Fädchen verbindet die beiden Gebilde miteinander, vielleicht ein 
abgelöstes Blättchen der vorderen Linsenkapsel. Die Pars ciliaris 
ist noch ganz glatt, sie weist noch keine Spur einer Falten- 
bildung auf. 


292 M. v. Lenhossek: 


Der Faserfilz des Glaskörpers ist nun zum grössten Teile 
dichter und zarter als auf der früheren Stufe. Er ist nicht mehr 
so ungeordnet wie früher, sondern lässt gewisse Fasersysteme 
typisch hervortreten. 

So nimmt ein charakteristisches Fasersystem von dem keil- 
förmig vorspringenden Sehnervenkopf und der Anlage des Kammes 
seinen Ursprung, um kelchartig divergierend und ein trichter- 
förmiges Gebiet umfassend nach der Linse hinzuziehen; letztere 
wird aber von diesen Fasern niemals ganz erreicht. 

Viel auffallender und für uns auch von grösserem Interesse 
ist ein zweites Bündel. Es beginnt in der Gegend der späteren 
Ora terminalis, d. h. an der Grenze des dicken und verdünnten 
Teiles der Netzhaut. Das Bündel besteht aus auffallend starken 
und regelmässig verlaufenden Glaskörperfasern, die zuerst dicht 
zusammengefasst geradeaus nach hinten ziehen, um sich aber 
bald aufzulockern und kelchartig auseinander zu weichen, wobei 
die innersten Fasern in der Richtung der zentralen Teile des 
(Glaskörpers ausstrahlen. Die meisten Fasern verlieren sich schon 
nach kürzerem Verlauf im Fibrillengewirr des Glaskörpers. ein- 
zelne zeichnen sich aber durch recht langen Verlauf aus, ja sie 
lassen sich als zusammenhängende scharfe Linie bis zum Sehnerven- 
kopf verfolgen, so dass durch sie der Glaskörper gewissermassen 
in zwei Schichten, eine kugelschalenartige Rindenschicht und eine 
kugelförmige innere Schicht geteilt wird. Ich habe dieses Stadium 
an mehreren Augen untersucht und das Verhalten des Bündels 
an allen gleich gefunden. 

Wir haben es offenbar mit demselben Bündel zu tun, dessen 
Andeutungen wir bereits beim viertägigen Hühnchen begegneten. 
Das Bündel weist aber hier eine gewisse Verlagerung gegen jenes 
Stadium auf. Am 4. Tag lag sein Ausgangspunkt am freien Rand 
des Augenbechers, hier liegt er beträchtlich weiter hinten, nämlich 
an der Stelle, wo sich das innere Netzhautblatt zu verdünnen 
beginnt. 

Eine genaue Prüfung der Verhältnisse ergibt, dass das 
Bündel eigentlich an Ort und Stelle geblieben ist, und dass sein 
Lagewechsel dadurch bedingt ist, dass mittlerweile aus dem Rande 
des Augenbechers die Pars coeca retinae hervorgewachsen ist, 
wodurch sich das in seiner topographischen Beziehung zur Netz- 
haut konservative Bündel scheinbar nach hinten verschoben hat. 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 295 


Die Pars coeca verdankt also ihre Entstehung nicht etwa einer 
eigentlichen Differenzierung des inneren Blattes in zwei Teile, 
in dem Sinne, dass der vordere Teil dieses Blattes bei dem gleich- 
mässigen expansiven Wachstum der Netzhaut in seiner Dicken- 
zunahme zurückbleibt, sondern sie entsteht in der Weise, dass 
sie als eine Neubildung aus dem Rande der späteren Pars optica 
hervorwächst, ähnlich wie etwa bei der Zahnentwicklung die 
Epithelscheide der Zahnwurzel aus dem Rande des Schmelzorganes. 
Ich möchte erwähnen, dass ich diese Art der Entstehung der 
Pars coeca retinae schon im Jahre 1903 (11, S. 100) für das 
Kaninchen beschrieben habe. 

Mit dem Hervorwachsen einer Pars coeca aus dem Becher- 
rand hat sich der Glaskörperraum nach vorne hin durch einen 
neuangesetzten Rezess erweitert. Das ganze auf dem Augen- 
durchschnitt dreieckig erscheinende Gebiet, das man von dem 
Hauptteil des Glaskörperraumes in der Weise abgrenzen kann, 
dass man vom hinteren Linsenpol zur Gegend der Ora terminalis 
eine Linie zieht, ist ein Novum. 

Dieser neue Raum zeigt sich schon mit Glaskörpergewebe 
erfüllt. Dieses hat hier aber eine besondere Beschaffenheit: es 
ist lockerer und grobfaseriger als der übrige Teil des Glas- 
körpers; es stellt sich ebenso dar, wie der ganze Glaskörper etwa 
am 4. Tage. Diese Beschaffenheit stimmt damit zusammen, dass 
dieser Teil des Glaskörpers erst kürzlich entstanden ist. 

Der neue Rezess des Glaskörperraumes ist für uns schon 
deshalb von besonderem Interesse, weil wir hier die Anlage des 
Zonularaumes vor uns haben. Das Gebiet der späteren Zonula 
ist also anfangs bis zur Wurzel der Iris von typischem Glas- 
körpergewebe erfüllt. Ich will noch hervorheben, dass in diesem 
(sewebe zunächst noch keine Spur einer bestimmten Anordnung 
der Fasern wahrzunehmen ist; das lockere Geflecht erscheint 
ganz unregelmässig. 

Doch kehren wir zu dem oben beschriebenen Faserbündel 
des Glaskörpers zurück. Zunächst einige historische Angaben. 
Das Bündel ist, so viel ich weiss, bisher beim Hühnchen nicht 
beschrieben worden, obgleich es eine sehr auffallende Bildung 
darstellt. Wohl aber habe ich es schon im Jahre 1905 beim 
Kaninchen als Isthmusbündel erwähnt (11, S. 51) und abgebildet. 
Es ist aber beim Kaninchen sehr schwach entwickelt und nur in 


294 M. v. Lenhosseck: 


den frühesten Stadien vorhanden. Auf der Entwicklungsstufe, wo 
es beim Huhn gerade auf dem Höhepunkt seiner Ausbildung 
steht, ist es beim Kaninchen bereits geschwunden. 

Wir kennen aber ein ganz ähnliches Bündel beim erwachsenen 
Frosch und es ist gewiss von Interesse, dass eine Anordnung, 
die im Glaskörper des Vogels nur embryonal als vorübergehende 
Erscheinung auftritt — denn, wie wir sehen werden, schwindet 
das Bündel bald —, beim Frosch als dauernde Bildung festgehalten 
ist. Hier wurde es im Jahre 1894 von Retzius (2) beschrieben 
und bildlich wiedergegeben. Aus der Fig. 10, Taf. XXXII des 
Retziusschen Werkes geht die Analogie des beim Frosch vor- 
handenen Glaskörperbündels mit dem von mir beim Hühnerembryo 
beobachteten klar hervor. Auch beim Frosch nimmt das Bündel 
von der Gegend der Ora terminalis seinen Ursprung, welche 
Stelle hier durch die circulär verlaufenden Äste der Vasa hyaloidea 
(s. Gaupp 12, 8. 859) gekennzeichnet ist, auch hier strahlt es 
nach hinten in den Glaskörper aus, mit dem Unterschiede nur, 
dass alle Fasern des Bündels mit ihren hinteren Enden die Netz- 
haut erreichen, um sich an ihrer Limitans zu inserieren, während 
beim Hühnchen dies nur für eine geringe Zahl von Fasern zutrifft. 

Ich schlage daher vor, das Bündel auch beim Hühnchen 
und auch bei anderen Embryonen, wo es noch beobachtet werden 
sollte, als Retziussches Bündel zu bezeichnen. 

Untersucht man die Stelle, wo sich das Bündel an der Ora 
terminalis anzusetzen scheint, mit stärkeren Vergrösserungen, so 
erkennt man, dass das Zeitwort „scheint“ hier wirklich angebracht 
ist. Die Fasern des Bündels reichen nämlich zumeist gar nicht 
bis unmittelbar an die Netzhaut heran. Dicht an der Innenfläche 
der Netzhaut findet sich an den Silberpräparaten eine homogene, 
gelblich gefärbte, nach dem Glaskörper hin verschwommen ver- 
laufende Substanzlage, vielleicht eine Verdichtung der inter- 
fibrillären Grundsubstanz des Glaskörpers oder ein Ausscheidungs- 
produkt der Netzhaut. Sie erstreckt sich von der Stelle der Ora 
terminalis aus längs der Pars coeca retinae bis zur Wurzel der 
Iris. Diese Substanzlage schiebt sich zwischen Glaskörperfibrillen 
und Netzhaut, aus ihr tauchen erst die Fasern des Retziusschen 
Bündels auf. 

Ich lege auf diese Beobachtung deshalb Gewicht, weil durch 
sie der Möglichkeit einer Intrepretation der hier beschriebenen 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 295 


Bilder vorgebeugt wird, die ich für eine falsche halten würde. 
Die Übergangsstelle der Pars optica und coeca retinae wird von 
manchen Forschern als besonders wichtig für die Entstehung des 
(laskörpers bezeichnet. Es könnte somit das Retziussche 
Bündel mit der vermeintlichen Bildung des Glaskörpers aus der 
genannten Stelle der Netzhaut in Verbindung gebracht werden, 
in dem Sinne, dass es gewissermassen das Hervorströmen der 
Glaskörperfibrillen aus der Netzhaut verkörpert. Es ist also 
wichtig zu wissen, dass die Fibrillen des Bündels mit der Netz- 
haut hier keinen unmittelbaren Zusammenhang haben. Überdies 
möchte ich auf die Gegenwart der Limitans interna an der 
betreffenden Netzhautstelle hinweisen, und ebenso auf den Umstand, 
dass hier an der Netzhaut überhaupt keine Spuren davon zu 
erkennen sind, dass sie sich irgendwie produktiv betätigt. Würde 
sie hier ein so dickes Faserbündel aus sich hervorgehen lassen, 
so müssten doch gewisse Veränderungen an ihr nachweisbar sein, 
zumindest eine Verdickung oder gewisse darauf hinweisende 
Erscheinungen an ihren Zellen. Nichts derartiges ist aber hier 
zu sehen. 

Die einzig richtige Beurteilung der Verhältnisse kann meiner 
Ansicht nach nur die sein, dass das Retziussche Bündel aus 
einer lokalen Verstärkung und bestimmten Zusammenordnung der 
schon früher angelegten Glaskörperfibrillen zustande gekommen 
ist, ähnlich wie sich in der Knochenspongiosa aus dem Balken- 
werk gewisse bestimmt orientierte stärkere Züge herausbilden. 
Die beschriebene Verdichtung der Grundsubstanz des Glaskörpers 
dicht an der Netzhaut könnte vielleicht den Zweck haben, in der 
weiteren Folge die innige Verschmelzung der Zonulafibrillen mit 
der Limitans ciliaris zu befördern. 


ec) Hühnchen vom 10. Tage. (Fig..4.) 

Die Vergleichung der bei derselben Vergrösserung gezeich- 
neten Fig. 3 und 4 zeigt, dass das Auge gegenüber seinem Ver- 
halten am 7. Tag etwa um ein Drittel seines Umfanges gewachsen ist 
und auch in seiner inneren Ausgestaltung beträchtliche Fortschritte 
gemacht hat. An der schon stark konvex vorspringenden Hornhaut 
ist das Epithel niedriger geworden, die Substantia propria erscheint 
nun ganz mit Kernen besetzt, bis auf einen schmalen Saum hinter 
dem Epithel: der Anlage der Bowmanschen Haut. 


296 M.v. LDenhossek: 


An der Linse ist der Linsenwulst schon ziemlich gut ent- 
wickelt, in Form einer länglichen spindelförmigen Verdickung der 
seitlichen Partien des vorderen Blattes. Der auf der Figur 
sichtbare spaltförmige Raum zwischen Linsenwulst und Linsen- 
fasern ist wohl als Kunstprodukt aufzufassen; war doch schon 
am 7. Tage von einem solchen Raume nichts zu sehen. Ein 
weiteres Kunstprodukt ist die Ablösung der vorderen Linsenkapsel 
von der Linse hinter dem Pupillarrand der Iris. 


Am Ciliarkörper erkennt man die Anfänge der Faltenbildung. 
Die ersten Falten scheinen aber nicht wie später meridional, 
sondern circulär zu verlaufen, da sie auf dem Meridionalschnitt 
quer getroffen sind. Man erkennt deren zwei bis drei. 


Der Dickenunterschied zwischen Pars optica und coeca 
retinae ist. nun viel grösser wie früher, wenn auch gegen das 
endgültige Verhalten noch stark rückständig. An der Grenze 
beider Abteilungen hat sich eine kleine faltenartige Abhebung der 
Netzhaut eingestellt, für deren Zustandekommen offenbar das sich 
hier anheftende Retziussche Bündel des Glaskörpers verantwort- 
lich zu machen ist 


Das fibrilläre Gerüstwerk des Glaskörpers ist an den Silber- 
präparaten prachtvoll zu sehen; es ist noch feiner und dichter 
als am 7. Tage. Nur im Zonularezess zeigt es immer noch eine 
lockere und grobfaserige Beschaffenheit, besonders auf der unteren 


Seite des Augendurchschnittes. 


Das vom Sehnervenkopf und vom Kamm ausgehende trichter- 
förmige Fasersystem des Glaskörpers ist im dargestellten Schnitt 
nicht getroffen. An anderen Schnitten ist es noch immer zu 
erkennen, wenn auch schon etwas reduziert. 


Das Retziussche Bündel verhält sich in den beiden Hälften 
des Schnittes wesentlich verschieden. Die Abbildung ist einem 
Frontalschnitt des Kopfes entnommen. Die Augen sind um diese 
Zeit beim Hühnchen noch fast ganz seitwärts gerichtet, wir haben 
also einen senkrechten, ungefähr in der Augenachse geführten 
Meridionalschnitt vor uns, an dem wir eine obere und untere 
Seite unterscheiden können. Das Bündel erscheint auf der unteren 
Seite stark rückständig gegenüber seinem Verhalten in der oberen 
Augenhälfte. Schon am 4. Tage haben wir einen ähnlichen Unter- 
schied zwischen den beiden Hälften des Auges feststellen können. 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 297 


Auf der unteren Seite zeigt das Bündel gegen den 7. Tag 
nur geringfügige Veränderungen. Sie bestehen im wesentlichen 
darin, dass der früher nur ganz wenig geöffnete Fächer des 
Bündels nun etwas weiter ausgebreitet ist. Die Fasern des 
Bündels divergieren von Anfang an. Ihre Anordnung ist sehr 
regelmässig; die äussersten Fasern schliessen sich in ihrem 
Verlaufe der inneren Fläche der Netzhaut an, von ihr durch 
eine schmale verdichtete homogene Belegschicht getrennt, nach 
innen lenkt der Gang der Fasern mehr und mehr einwärts um, 
die innersten schlagen schon die Richtung des Mittelpunktes des 
Glaskörpers ein. Alle Fasern laufen leicht bogenförmig, mit 
einwärts gekehrter Konkavität und unter ganz zarten welligen 
Krümmungen. Ein weiterer Unterschied gegen früher ist, dass 
nun die langen, bis zum Sehnervenkopf reichenden Fasern 
geschwunden sind: alle Fasern hören schon beträchtlich früher 
auf, die inneren früher als die äusseren. Immer noch sehen wir, 
wie am 7. Tage, die Fasern des Bündels nicht unmittelbar von 
der Limitans retinae entspringen, sondern aus einem schmalen 
Saum einer gelblich gefärbten verschwommenen homogenen Lage, 
die die Netzhaut an der betreffenden Stelle bedeckt. Sie erstreckt 
sich von der Ora terminalis aus längs des Ciliarkörpers fast bis 
zur Wurzel der Iris, aber auch eine kurze Strecke weit auf das 
Gebiet der Retina propria. Überall erscheint die Netzhaut von 
einer scharfen undurchbrochenen Limitans bedeckt. 

Eine sehr wichtige Beobachtung können wir machen, wenn 
wir das auffallend lockere Gerüstwerk des Zonularezesses der 
unteren Seite betrachten. Wichtig ist diese Beobachtung, weil 
uns hier die ersten Spuren der Entwicklung der Zonulafasern 
entgegentreten. 

Wir sehen nämlich, dass die Anordnung dieses Reticulums 
nicht mehr so durchaus regellos ist, wie am 7. Tage, indem darin 
schon die ersten Zeichen einer bestimmten Orientierung der 
Fasern zu erkennen sind. In dem Gerüstwerk heben sich nämlich 
einzelne stärkere und zusammenhängendere Züge hervor, und 
zwar alle in der Richtung der Verbindungslinie zwischen Ciliar- 
körper. und Linse gelegen. Wir haben es aber nicht mit 
isolierten Fasern zu tun, sondern nur mit stärkeren Balken des 
(rerüstes, die durch schief und quer verlaufende Fibrillen immer 
noch in netzförmigem Zusammenhang miteinander stehen. 


295 M. v. Lenhosseck: 


Die betreffenden Fasern reichen mit ihren Enden weder bis 
zur Linse. noch bis zum Glaskörper, ein Umstand, auf den ich 
besonderen Nachdruck legen möchte. Geht man ihnen in der 
Richtung des Ciliarkörpers nach, so sieht man, dass sie schon in 
einiger Entfernung davor aufhören; in der Nähe des Ciliarkörpers 
ist das Glaskörpernetz wieder ganz diffus. Ähnlich liegt die Sache 
an der Linse; hier ist noch hinzuzufügen, dass unmittelbar an dieser 
der Glaskörper eine besonders feine, dichte Beschaffenheit annimmt. 
Wir sehen also, dass die Differenzierung der Zonulafasern — denn 
um solche handelt es sich — mitten aus dem Glaskörper heraus 
erfolgt, unabhängig vom Ciliarkörper und der Linse. Die Zonula- 
fasern wachsen also nicht etwa aus dem Üiliarepithel hervor, wie 
das von manchen Forschern angenommen wird, sondern bilden 
sich selbständig aus dem Fibrillenwerk des Glaskörpers heraus. 

Betrachten wir nun die Verhältnisse in der oberen Hälfte 
des Auges. Hier hat sich alles von Grund aus umgestaltet. 
Statt des früheren schmalen Retziusschen Bündels sehen wir 
nun einen vollkommen geöffneten Fächer, eine Strahlensonne 
locker angeordneter, kräftiger Fasern von der Gegend der Ora 
terminalis und des Ciliarkörpers ausstrahlen. Der Fächer 
erscheint ganz einheitlich, alle seine Teile schliessen sich ohne 
Abgrenzung aneinander und es ist nur die Kenntnis der Ante- 
cedentien, die es gestattet, an ihm einen älteren Abschnitt, dem 
früheren Retziusschen Bündel entsprechend, und einen neu- 
hinzugekommenen zu unterscheiden. Das Retziussche Bündel 
dürfte etwa in dem äusseren Drittei des ganzen Fächers vertreten 
sein, in der Gruppe jener Fasern, die zum Teil parallel mit der Netz- 
hautoberfläche nach hinten ziehen, zum Teil etwas einwärts davon 
mehr nach den inneren Gebieten des Glaskörpers umlenken. An 
dem so abgegrenzten Retziusschen Fasersystem ist gegen früher 
unverkennbar eine Reduktion eingetreten. Sie spricht sich nicht 
nur in der loseren Beschaffenheit des Bündels aus, sondern vor 
allem auch darin, dass seine Fasern nun viel kürzer sind als 
vordem. Alle hören nun schon nach sehr kurzem Verlauf auf, 
indem sie sich im Netzwerk des Glaskörpers verlieren. 

Die neuentstandenen zwei Drittel des Faserfächers möchte 
ich wieder in zwei Teile trennen, und zwar ist es hier nicht die 
Herkunft, sondern das weitere Schicksal der beiden Abteilungen, 
die ihre Unterscheidung ermöglicht. Der eine Teil steht nämlich zu 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern 299 


der Bildung der vorderen Verdichtungsmembran des Glaskörpers in 
Beziehung, der andere zu der der Zonula. Es ist hier also gleich 
darauf hinzuweisen, dass diese beiden Gebilde, Verdichtungshaut 
und Zonula, in den ersten Stadien sich ganz gleich entwickeln. 
Der erstere Abschnitt begreift die Fasern in sich, die unter mehr 
oder minder querem Verlauf hinter die Linse hinziehen ; einzelne 
dieser Fasern sind recht lang, sie überschreiten auch die Mittel- 
linie. Die Fasern dieser Abteilung sind es, die in der weiteren 
Folge durch allmähliche Verstärkung und gegenseitige Ver- 
schmelzung die vordere Grenzmembran des Glaskörpers bilden. 
Der noch übrig bleibende Teil des Fächers ist der Zonulateil. 

Betrachten wir diesen letzteren Teil etwas näher. Was auf 
der anderen Seite erst angedeutet war, tritt uns hier nun schon 
ausgesprochen entgegen: in dem fibrillären Glaskörpergewebe, 
das den Zonularezess immer noch ausfüllt, herrscht nun unver- 
kennbar die vom Ciliarkörper zu den äquatorialen Teilen der 
Linse hinziehende Richtung vor. Immer noch handelt es sich 
aber nicht um isolierte Fasern, sondern um stärkere Züge des 
Reticulums, doch lassen sich die betreffenden Fasern nun schon 
auf längere Strecken verfolgen, teilweise unter spitzwinkligen 
Überkreuzungen. Im vordersten Teil des Rezesses, wo ihre 
Anordnung schon etwas dichter ist, scheinen die zonularen Züge 
schon bis zur Linsenkapsel zu reichen, weiter hinten ist dies 
noch nicht der Fall, indem unmittelbar an der Linse das Netz 
wieder diffus und zart wird, ebenso wie wir es auf der anderen 
Seite sahen. Nach der ciliaren Seite hin haben sich die zonularen 
Balken ebenfalls verlängert, sie würden die Limitans interna wohl 
auch erreichen, wäre hier nicht immer noch jene homogene Beleg- 
schicht vorhanden, die die Fasern von dem Epithel trennt. Ich 
bemerke, dass mir auf dem in der Abbildung wiedergegebenen 
Präparat dieser Zwischenraum infolge einer geringen Schrumpfung 
des Glaskörpers etwas erweitert zu sein scheint; in Wirklichkeit 
dürfte er wohl etwas schmäler sein. In der ganzen Ausdehnung 
der Retina coeca lässt sich an der Netzhaut die gleiche scharfe, 
nirgends unterbrochene Limitans nachweisen. 


d) Hühnchen vom 14. Tage. (Fig. 5.) 
Wegen der Grösse des Auges ist in der Fig. 5 nur der die 
Zonula und ihre Umgebung in sich begreifende Teil des Schnittes 


300 M. v. Lenhossek: 


bei derselben Vergrösserung wie die früheren Stadien dargestellt. 
Der Linsenwulst ist nun kräftig entwickelt; die Spalte, die ihn 
von den Linsenfasern trennt, und ebenso die geringfügige Ab- 
hebung der Linsenkapsel von der Oberfläche der Linse sind 
bestimmt Kunstprodukte. Am Ciliarkörper hat die Faltenbildung 
beträchtliche Fortschritte gemacht; der Schnitt scheint einem 
Tale zwischen zwei Oiliarfortsätzen zu entsprechen. Das Retzius- 
sche Bündel hat nun seine Rolle ausgespielt, es ist vollkommen 
geschwunden (in der Zeichnung ist der betreffende Teil des 
Schnittes nicht abgebildet); man findet im Glaskörper keine Fasern 
mehr, die von der Ora terminalis nach hinten ausstrahlen. Das 
Bündel ist also im Auge des Vogels eine vorübergehende embryo- 
nale Einrichtung, deren Bedeutung einstweilen nicht festzustellen 
ist. Vielleicht kann für die Beurteilung ihrer Bedeutung die 
Tatsache einen Anhaltspunkt abgeben, dass sich jene Fasern, 
woraus sich die vordere Glaskörperhaut und die Zonula bilden, 
an dieses Bündel anschliessen. 

Um so stärker sind nun die Fasern entwickelt, die von der 
Ora terminalis zur hinteren Linsenfläche ziehen. Jetzt kommt 
ihre Bedeutung auch schon deutlich zum Vorschein. Sie stehen 
unverkennbar zur Bildung der vorderen Verdichtungsmembran 
des Glaskörpers in Beziehung. Sie sind gegen früher beträchtlich 
verdickt; am kräftigsten sind die vordersten Fasern, die schon 
an das Zonulagebiet grenzen. Durch diese dicken Fasern wird 
nun schon eine scharfe Trennung des Glaskörpergebietes vom 
Zonulagebiet bewirkt; diese Abgrenzung ist der wesentlichste 
Fortschritt, den wir auf diesem Stadium feststellen können. Am 
10. Tage war von dieser Abgrenzung noch nichts zu sehen. Im 
Zonulagebiet sind die Fortschritte gegen den 10. Tag nicht sehr 
beträchtlich. Immer noch ist hier Glaskörper vorhanden, immer 
noch sind die vom Ciliarkörper zur Linse hinziehenden Zonula- 
fasern nicht selbständige Bildungen,. sondern nur Teile eines 
(rerüstwerkes. Verfolgt man sie nach ihren beiden Enden hin, 
so sieht man folgendes. Die Linsenkapsel erreichen sie nun fast 
alle. um sich unter Aufsplitterungen an sie anzusetzen. Bezüglich 
dieser Aufsplitterungen ist darauf hinzuweisen, dass sich hier in 
den früheren Stadien ein besonders dichter, feinfaseriger Teil 
des Glaskörpers befand, dessen Gegenwart hier vielleicht mit der 
büschelförmigen lentieulären Endigung der Zonulafasern in 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern 301 


beziehung zu bringen ist. An dem anderen Ende findet man, 
dass die Fasern an einer Stelle nun schon mit der Limitans 
eiliaris unmittelbar verschmolzen sind; es ist dies das Gebiet der 
Processus ciliares. Weiter nach hinten, im Gebiete des Orbiculus 
ist dies wohl stellenweise, aber nicht durchgehends der Fall. In 
den Mittelgebieten zwischen Ciliarfortsätzen und Ora terminalis 
ist immer noch jene homogene Belegschicht des Ciliarepithels zu 
sehen, wodurch die Zonulafasern an ihrem unmittelbaren Heran- 
treten an das Epithel gehindert werden; nach der Ora terminalis 
hin fehlt diese Substanz bereits und hier ist die Verschmelzung 
der Zonulafasern mit der Limitans ciliaris schon eingeleitet. 


c) Hühnchen vom 16. Tage. (Fig. 6.) 


Alle Teile des bei derselben Vergrösserung gezeichneten 
Auges scheinen gegen das letztbeschriebene Stadium vergrössert. 
Der Schnitt geht gerade durch die Anheftungsstelle eines Ciliar- 
fortsatzes an der Linse. Nicht leicht sind die pigmentierten 
Epithelvorsprünge an der hinteren Irisfläche zu erklären. An der 
Ora terminalis springt die Netzhaut faltenartig hervor, eine Folge 
der Reagenzienwirkung. Die hintere Abgrenzung des Zonula- 
raumes ist nun noch schärfer geworden, vermöge der Verdickung 
und dichteren Anordnung der vordersten Grenzfasern. Wahr- 
scheinlich haben wir es hier gar nicht mehr mit Fasern zu tun, sondern 
mit Durchschnitten feiner Membranen, die durch die flächenhafte 
Verschmelzung von Glaskörperfibrillen entstanden sind. Auch die 
Diekenzunahme der Fasern ist als Ergebnis einer Verschmelzung 
zu erklären. Die Zahl der stärkeren Fasern beträgt vier bis fünf; 
sie treten schon, besonders in ihren inneren, linsenwärts gelegenen 
Teilen in spitzwinklige, geflechtartige Anastomose miteinander. 
Nach hinten, gegen den eigentlichen Glaskörper hin, ist das System 
dieser Fasern noch nicht so scharf wie nach vorne abgesetzt. 

Wenn wir nun unsere Aufmerksamkeit dem Zonulagebiet 
zuwenden, so gewahren wir einen grossen, prinzipiellen Fort- 
schritt. Die Zonulafibrillen treten uns nun schon als isolierte 
Fasern entgegen. indem die zwischen ihnen gelegenen Glaskörper- 
fibrillen fast vollkommen geschwunden sind. Auch sind die Zonula- 
fasern gegen früher etwas stärker geworden. 

Die jungen Zonulafasern erreichen nun alle die Linsenkapsel, 
während am Ciliarkörper dies noch nicht durchgehends der Fall 

Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. Abt.1. 21 


302 M. v. Lenhossek: 


ist. Ein grosser Teil der Fasern ist hier immer noch durch die 
bewusste homogene Belegschicht vom Epithel getrennt. Mit 
stärkeren Vergrösserungen erkennt man aber, dass viele Fasern 
diese Schichte bereits durchsetzen, um sich mit der Limitans 
ciliaris zu verbinden. 


f) Hühnchen vom 21. Tage. 

Die Zonula kann nun als vollkommen entwickelt bezeichnet 
werden. Schon am 16. Tage war ja dies halb und halb der Fall; 
sie unterschied sich von dem fertigen Verhalten nur dadurch, 
dass sich ihre Fasern noch nicht alle unmittelbar mit der Limitans 
ciliaris verbanden, sondern zum Teil noch in der das Ciliar- 
epithel bedeckenden Belegschicht zu endigen schienen. Diese 
Schichte ist nun schon vollkommen geschwunden, und damit im 
Zusammenhange haben nun alle Zonulafasern den Anschluss an 
die Limitans des Oiliarkörpers gefunden 

Dagegen kann die Verdichtungshaut des Glaskörpers immer 
noch nicht als vollkommen fertig bezeichnet werden. Denn immer 
noch ist ihre Zusammensetzung aus geflechtartig verbundenen 
groben Fibrillen oder richtiger Durchschnitten von Membranen 
zu sehen. Besonders ist dies in ihrer peripheren Hälfte der Fall, 
während in ihrem hinter dem Linsenäquator und den Ciliarfort- 
sätzen gelegenen Teil der Verschmelzungsprozess schon grössere 
Fortschritte gemacht hat; von einer einheitlichen, nach beiden 
Seiten scharf begrenzten Membran kann aber auch hier noch 
nicht die Rede sein. Die letzten Vorgänge der Ausgestaltung 
der vorderen Verdichtungshaut des Glaskörpers gehören also der 
Zeit nach dem Ausschlüpfen des Hühnchens aus dem Ei an, einer 
Periode, auf die sich meine Untersuchungen nicht mehr erstrecken. 
Es ist aber nicht schwer, sich aus den bisher verfolgten Vor- 
gängen auch die letzten Stadien zu vergegenwärtigen. Sie bestehen 
unzweifelhaft darin. dass sich die schon beim Ausschlüpfen teil- 
weise netzförmig verbundenen Membranellen nun vollkommen 
zusammenschliessen und unter scharfer Abgrenzung nach beiden 
Seiten hin zur Grenzmembran werden. Der Zusammenschluss 
der Membranellen unterbleibt in den seitlichsten Teilen der Ver- 
dichtungshaut, woraus sich dann die Auflösung dieser Membran 
in feinere Häutchen in der Gegend der Ora terminalis beim 
entwickelten Huhn erklären lässt. 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 30 


Zusammenfassung der Befunde. 

Aus den dargelegten Beobachtungen geht bezüglich der 
Herkunft und Bedeutung der Zonulafasern eine Auffassung hervor, 
die mit der modernen Strömung in der Beurteilung dieser Fasern 
im Widerspruch steht und sich mehr an ältere, schon vor Jahr- 
zehnten und seitdem auch mehrfach ausgesprochene Ansichten 
anschliesst. Die Zonulafasern entstehen nach meinen Befunden 
keineswegs in der Weise, wie es neuerdings vielfach behauptet 
wird, dass sie aus dem Ciliarepithel, sei es als direkte Fortsätze 
der Zellen, sei es als deren exoplasmatische oder mehr sekret- 
artige Produkte hervorwachsen, um an die Linse heranzutreten 
und sich mit ihrer Kapsel zu verbinden, sondern sie bilden sich 
ohne jede Beteiligung der Retina ciliaris aus dem Glaskörper 
heraus, aus einer Differenzierung seines Fasergerüstes, aus 
einer Verstärkung und bestimmten Gruppierung von Glaskörper- 
fibrillen. 

„Zonula und Glaskörper gehören genetisch zusammen“ — 
diesen Satz habe auch ich als richtig befunden, aber nicht in 
dem Sinne, wie er aufgestellt worden ist, dass nämlich beide aus der- 
selben Grundlage, nämlich der Netzhaut, aber unabhängig von- 
einander, sozusagen als Geschwister, hervorgehen, sondern in der 
Bedeutung, dass der Glaskörper die Matrix abgibt, woraus sich 
die Zonulafasern herausbilden. 

Dem Auftreten der Zonulafasern selbst geht die Entstehung 
des Zonularaumes voraus. Dieser Raum entsteht auf einer 
bestimmten Stufe der Entwicklung als ein sekundärer Rezess des 
grossen Glaskörperraumes, im Zusammenhang mit dem Hervor- 
wachsen der Pars coeca retinae aus dem Rande des Augenbechers. 
Sowie diese Bucht entsteht, füllt sie sich auch schon mit typischem 
reticulären Glaskörper, indem Hand in Hand mit ihrer Bildung 
vom Hauptteil des Glaskörpers her die Fibrillen in den sich neu 
anlegenden Raum hineinwuchern. Während dieses Vorganges und 
auch später verhält sich das Ciliarepithel vollkommen passiv, was 
sich unter anderem in der Gegenwart einer undurchbrochenen 
Limitans ceiliaris an ihr kund gibt. 

Auf einer zweiten Stufe differenzieren sich in dem besonders 
lockeren, vollkommen ungeordneten Fasernetz des zonularen 
Glaskörpers einzelne stärkere Züge, die durch ihre Verlaufsrichtung 
und ihre Anordnung von ihrem ersten Auftreten an auf die 


21* 


304 M. v. Lenhosseck: 


späteren Zonulafasern hinweisen. Besonders betont zu werden 
verdient, dass ihre Differenzierung nicht im Anschluss an das 
Ciliarepithel, sondern aus der Mitte des zonularen Glaskörpers 
heraus erfolgt. Erst nachträglich verlängern sie sich an ihren 
Enden so weit, dass sie zunächst an die Linse und später auch 
an den Ciliarkörper den Anschluss gewinnen. 

Der Raum, worin sich später die Zonulafasern befinden, ist 
also zunächst von Glaskörpergewebe erfüllt, und die Zonulafasern 
sind in ihren ersten Stadien nichts anderes als stärker hervor- 
tretende Balken dieses Fasernetzes. 

Die weiteren Vorgänge lassen sich folgendermassen zusammen- 
fassen. Zunächst grenzt sich der Glaskörper gegen den Zonula- 
raum durch die Bildung der vorderen Verdichtungshaut ab. Die 
Entstehung dieser leitet sich schon sehr frühzeitig, schon 
am 7. Tage ein, indem ihrem Verlauf entsprechend stärkere 
(Glaskörperfasern zwischen Ora terminalis und hinterer Linsenfläche 
auftreten. Diese vereinigen sich zunächst zu einigen flächenhaft 
angeordneten Membranen, die dann kurze Zeit vor dem Aus- 
schlüpfen des Hühnchens aus dem Ei miteinander zu verschmelzen 
beginnen. Den Abschluss findet aber dieser Vorgang erst in den 
ersten Zeiten des postembryonalen Lebens. 

In dem nun nach hinten abgegrenzten Zonularaum tritt 
etwa am 16. Tage eine wesentliche Veränderung ein. Die zwischen 
den Zonulabalken befindlichen Fäserchen des Glaskörpernetzes 
unterliegen einer Resorption, während die Zonulabalken selbst 
erhalten bleiben und sich nun als selbständige Zonulafasern dar- 
stellen. 

Sie haben sich mittlerweile mit der Linsenkapsel verbunden, 
während die Verbindung mit der Limitans ciliarıs um diese Zeit 
noch keine vollkommene ist. Man findet auf dieser Entwicklungs- 
stufe immer noch wie früher eine schmale, saumförmige, homogene, 
verschwommene, an den Silberpräparaten gelblich gefärbte Beleg- 
schicht auf dem Ciliarepithel. durch die die Faserenden zum 
grossen Teil von dem Epithel getrennt werden. Wir haben es 
hier entweder mit einer Verdichtung der zwischen den Fibrillen 
befindlichen Grundsubstanz des Glaskörpers oder mit einem Aus- 
scheidungsprodukt des Ciliarepithels zu tun. Die Schichte dürfte 
die Bestimmung haben, die Verschmelzung der äusseren Enden 
der Zonulafasern mit der Limitans ciliaris zu befördern und zu einer 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 305 


besonders festen zu gestalten. Wie sie das tut, ist freilich einst- 
weilen nicht festzustellen. Erst mit ihrem Schwunde — gegen 
das Ende der Brutzeit — sehen wir diese Verschmelzung an allen 
Zonulafasern zum Abschluss gebracht. womit dann auch die 
Entwicklung des Zonulaapparates ihr Ende findet. 


Geschichtliches und Kritisches. 


Die Entstehung der Zonula aus dem Glaskörper ist eine 
alte Erkenntnis, und so kann die mitgeteilte Untersuchung kein 
anderes Verdienst für sich in Anspruch nehmen, als dasjenige, 
für eine schon vor langer Zeit aufgestellte, aber nieht genügend 
begründete Anschauung auf Grund einer neuen histologischen 
Methode und auf Grund zusammenhängender Beobachtung exakte 
Beweise erbracht zu haben. 

Statt einer erschöpfenden historischen Zusammenstellung 
möchte ich mich auf folgendes Zitat aus dem Werke von Retzius 
beschränken: „Es ist von mehreren Forschern (Lieberkühn, 
Angelucci, Loewe, Schwalbe, Haensell u. a.), welche die 
Entwicklung des Auges und vor allem des Glaskörpers studiert 
haben, schon vor langer Zeit hervorgehoben worden, dass die 
Zonula in ihrem Ursprung aus dem vorderen Glaskörpergewebe 
entsteht.“ Diese Liste möchte ich noch durch die Namen von 
Kölliker (1868), Iwanoff (1873), Salzmann (1900), de 
Waele (1902) und vor allem durch den von Retzius selbst 
(1894) ergänzen. 

Letzterer Forscher widmet in seiner wichtigen Abhandlung 
vom Jahre 1894 der Frage nach der Entstehung der Zonulafasern 
allerdings nur einige Zeilen, nach Untersuchungen an Kaninchen- 
embryonen, doch ist in jener knappen Darstellung eigentlich 
schon alles wesentliche enthalten. Der Glaskörper erstreckt sich. 
anfangs auch in das Gebiet der späteren Zonula hinein. Dann 
tritt hier ein System von feinen Fasern hervor, entsprechend 
dem Verlauf der späteren Zonulafasern. Allmählich grenzt sich 
der eigentliche Glaskörper durch eine Membran vom Zonula- 
gebiet ab. „Das noch zurückgebliebene Glaskörpergewebe, wird 
nebst den Blutgefässen resorbiert und nur die genannten Fasern 
bleiben.“ 

Die neuere Literatur weist zwei von dieser Darstellung 
abweichende Auffassungen auf. 


306 M. v. Lenhosseck: 


Nach der einen, die meines Wissens ausser ihrem Urheber, 
Nussbaum (12), keinen Anhänger gefunden hat, sollen sich im 
Zonulagebiet zur Zeit, da sich die Fasern zu entwickeln beginnen, 
gewisse freistehende Bindegewebszellen finden, aus denen diese 
Fasern auswachsen. „Ich habe bei 13 Tage alten Kaninchen die 
Zonulafasern als zu echten Bindegewebszellen gehörig erkennen 
können“ — sagt Nussbaum. Beim Huhn lässt sich jedenfalls 
nichts derartiges beobachten. Das Zonulagebiet entbehrt bei den 
Embryonen vollkommen der von Nussbaum beim Kaninchen 
beobachteten Zellen und somit kann hier schon aus diesem Grunde 
ein derartiger Entwicklungsmodus der Zonulafasern nicht in 
Betracht kommen. 

Nach der anderen, viel verbreiteteren Anschauung sind die 
Zonulafasern Fortsätze oder sekretartige Produkte der Epithel- 
zellen der Pars ciliaris retinae und wachsen als solche aus dem 
Epithel hervor, unabhängig vom Glaskörper. 

Als histogenetischen Vorgang, d. h. durch Vergleichung ver- 
schiedener Stadien, hat dieses Hervorwachsen noch niemand ver- 
foigt; immer nur handelt es sich um theoretische Ableitungen 
aus den Verhältnissen des Zonulaursprunges im Ciliarkörper 
erwachsener Tiere und besonders des erwachsenen Menschen. Im 
besonderen beruht die Angabe immer auf der Beobachtung, dass 
die Fasern nicht nur bis zur Limitans ciliaris verfolgt werden 
können, sondern mit den darunter befindlichen Epithelzellen in 
mehr oder weniger innige Beziehung treten. 

Der erste, der mit einer derartigen Angabe hervortrat, ist 
Schön (1895). Nach ihm sind die Zonulafasern protoplasmatische 
Fortsätze der oberflächlichen Epithelzellen der Pars ciliares retinae. 
„Jede Zelle sendet einen Fortsatz aus. Eine Anzahl davon ver- 
schmelzen zu je einer Faser.“ 

Agababow (1897) vermag die Zonulafasern ebenfalls über 
die Glashaut hinaus in das Epithel zu verfolgen, doch sieht er sie 
nicht als unmittelbare Fortsetzungen der Zellen, sondern als 
intercellulär verlaufende Fibrillen. 

Terriens (1898) Beobachtungen ergeben, dass die Zonula- 
fasern durch die ganze Dicke des zweischichtigen Ciliarepithels 
intercellulär hindurchdringen, um sich mit der darunter befind- 
lichen Glashaut zu vereinigen. Er fasst sie als Analoga der 
„Müllerschen Stützfasern“ der Netzhaut auf, als Stützfasern, 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 307 


die über die Netzhaut hinausgewachsen sind. Letztere Angabe 
muss den Verdacht wachrufen, dass Terrien zur Zeit, als er 
seine Abhandlung schrieb, über den feineren Bau der Netzhaut 
nicht ganz au fait war. „Stützfasern“, wie sie noch in den 
80er Jahren des vorigen Jahrhunderts angenommen wurden, gibt 
es ja in der Netzhaut gar nicht, sondern nur Stützzellen, mit 
denen die kernlosen Zonulafibrillen doch nicht verglichen werden 
können. 

Metzner (1903) kann die Fasern noch weiter verfolgen als 
Terrien, indem er sie durch das Ciliarepithel und auch das 
darunter gelegene Bindegewebe hindurch bis zwischen die glatten 
Muskelfasern des Akkommodationsmuskels gelangen lässt. 

Nach Wolfrum (6, 1908) dringen die Zonulafasern nicht 
so tief ein: sie endigen schon an der Grenze zwischen oberfläch- 
licher und tiefer Zellschichte, indem sie sich mit der hier befind- 
lichen Kittleiste verbinden. Das bemerkenswerteste Ergebnis der 
Untersuchungen Wolfrums ist, dass die Fasern nicht inter- 
cellulär verlaufen, wie es alle seine Vorgänger angegeben hatten, 
sondern innerhalb des Protoplasmas der pigmentlosen oberfläch- 
lichen Epithelzellen ihre Lage haben. 

Mavas endlich (1908 und 1910), der letzte Autor auf 
unserem Gebiet, kann den Fasern ebenfalls nur bis zur Grenz- 
linie zwischen den beiden Epithelzellenschichten nachgehen, be- 
schreibt und zeichnet sie aber wieder als intercelluläre Bildungen. 
Er fasst sie alsexoplasmatische Formationen der inneren Zellschicht 
auf. „La zonule de Zinn n’est qu’une depandance de la retine 
eiliaire.“ „En realite, Ja zonule de Zinn est un systeme de 
fibrilles, elaborees a la peripherie des territoires cellulaires de la 
couche des cellules claires, ce sont des productions exoplastiques 
de ces cellules.“ (5, S. 15.) 

Diesen Angaben stehen bestimmte Äusserungen anderer 
Forscher, teilweise auch aus neuerer Zeit, gegenüber, nach denen 
die Zonulafasern nur bis zur Limitans ciliaris interna gehen, dass 
sie in der Verschmelzung mit ihr ihr Ende finden. In .diesem 
Sinne haben sich z. B. Czermak (1887), Topolanski (1891), 
Salzmann (1900) und v. Ebner (1902) ausgesprochen. 

Wollte ich mich streng an meine eigenen Befunde halten, 
so müsste ich mich diesen letzteren Forschern anschliessen. Ich 
habe nämlich die Zonulafasern niemals, weder beim Vogel, noch 


308 M. v. Lenhosseck: 


bei Säugetieren und dem Menschen über die Limitans_ ciliaris 
hinaus in die Tiefe des Epithels verfolgen können. Es liegt mir 
aber fern, auf diesen negativen Befund Gewicht legen zu wollen, 
da ich nicht alle Methoden versucht habe, mit denen man fibrilläre 
Differenzierungen in einem Epithel zum Vorschein bringen kann. 
So habe ich z. B. die Heldsche Gliaprotoplasmamethode, der sich 
Wolfrum bediente, nicht angewendet, und so kann ich mich 
auch nicht für berechtigt halten, Zweifel an der Richtigkeit der 
Angaben der obengenannten Forscher und insbesondere an den- 
jenigen Wolfrums, die mir mit Rücksicht auf die von ihm 
benützte spezielle Technik am zuverlässigsten scheinen, aus- 
zusprechen. 

Anders liegt aber die Sache in bezug auf die Auffassung 
der fraglichen intraepithelialen Fasern. Hier darf eine Kritik 
wohl schon zu Worte kommen, auch wenn sie sich nicht auf 
eigene Beobachtungen stützt. 

Alle die genannten Forscher fassen die von ihnen beob- 
achteten intraepithelialen Fasern unbedenk'ich als unmittelbare 
Fortsetzungen der Zonulafasern, als ihre in das Epithel hinein- 
gesteckten Wurzelteile auf. Ist diese Auffassung richtig? Jeden- 
falls ist sie nicht die einzig mögliche Auslegung der Befunde, 
auch eine andere Auffassung ist möglich, und mir scheint gerade 
diese die zutreffende zu sein. Darnach hören die Zonulafasern 
schon an der Limitans ciliaris auf und die intra- oder intercellu- 
lären Fasern des Epithels sind nicht ihre eigentlichen Fortsetzungen, 
sondern etwas anderes, nämlich fibrilläre Differenzierungen des 
Protoplasmas der Epithelzellen, die sich im Anschluss an die 
Zonulafasern gebildet haben. Es ist hier auf die Analogie mit 
den Flimmerzellen hinzuweisen. Niemand wird es einfallen, die 
sogenannten Wimperwurzeln dieser Zellen, wie sie besonders im 
Darmepithel von Anodonta so schön entwickelt sind, als die 
eigentlichen Wurzelstücke der Flimmerhaare aufzufassen, vielmehr 
lässt man allgemein die Flimmerhaare erst an den Basalkörpern 
beginnen und erblickt in den Wimperwurzeln intracelluläre 
Differenzierungen, gleich den Muskel- und Nervenfibrillen. In 
ähnlicher Weise möchte ich auch die Fibrillen im Ciliarepithel 
beurteilt wissen; auch sie sind meiner Ansicht nach nicht mehr 
Zonulafasern, sondern Zellstrukturen der Epithelzellen. Sollte 
wirklich auch jede Fibrille in der Fortsetzung je einer Zonulafaser 


Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 309 


liegen, wie dies behauptet wird, so spricht dies nicht gegen diese 
Auffassung; auch bei den Flimmerzellen sehen wir ähnliches. 
Sie bilden sich wahrscheinlich erst nach der Geburt, wenn das 
Spiel der Akkommodation beginnt, infolge funktioneller Reize 
aus dem Protoplasma heraus, gleichsam als materialisierte Zugs- 
trajektorien. Für die Entstehung und Herkunft der Zonula kann 
man aus diesen Fibrillen keine Schlüsse ableiten. Ich möchte 
noch erwähnen, dass auch ihr färberisches Verhalten gegen ihre 
Auffassung als unmittelbare Fortsetzungen der Zonulafasern spricht ; 
wären sie solche, so müssten sie auch aus gleicher Substanz be- 
stehen, wie diese und daher auch mit allen Färbungen, mit denen 
sich die Zonulafasern darstellen lassen, sichtbar gemacht werden 
können. Das ist nun aber nicht der Fall; ich kann auf Grund 
eigener Erfahrungen bestimmt behaupten, dass man sie auch an 
Präparaten, wo die Zonulafibrillen stark gefärbt sind, nicht sieht. 
Um sie zum Vorschein zu bringen, muss man sich schon spezieller 
Methoden bedienen. Nach alledem scheint es mir, dass man diese 
fibrillären Strukturen des Epithels bisher nicht richtig beurteilt 
hat; mit der Erkenntnis ihrer wahren Natur werden natürlich 
auch die bisher aus ihrer Gegenwart abgeleiteten Schlüsse 
hinfällig. 


Literaturverzeichnis. 


1. Franz, V.: Das Vogelauge. Zool. Jahrb., Abt. f. Anat. u. Ontogenie 

der Tiere, Bd. 28, 1909, S. 73. 

Retzius, G.: Über den Bau des Glaskörpers und der Zonula Zinnii 

in dem Auge des Menschen und einiger Tiere. Biologische Unter- 

suchungen, Neue Folge, VI, 1894, S. 67. 

3 Salzmann, M.: Die Zonula ciliaris und ihr Verhältnis zur Umgebung. 
Wien 1900. 

4. v. Spee: Über den Bau der Zonulafasern und ihre Anordnung im 
menschlichen Auge. Verh. d. Anat. Gesellsch., XVI. Versammlung, Halle 
1902, S. 236. 

9. Mawas, J.: Recherches sur l’Anatomie et la Physiologie de la Region 
ceiliaire de la Retine. Lyon 1910. 

6. Wolfrum, M.: Über Ursprung und Ansatz der Zonulafasern im 
menschlichen Auge. Gräfes Arch. f. Ophthalm., Bd. LXIX, 1908, S. 148. 

‘. Berger, E.: Anatomie normale et pathologique de l’oeil. Paris, 
Masson, 1893. 


uw 


310  M.v. Lenhossek: Die Entwicklung und Bedeutung etec. 


8. Rabl, C.: Zur Frage nach der Entwicklung des Glaskörpers. Anat, 
Anz., Bd. XII, 1903, S. 574. : 

9. Kessler, L.: Zur Entwicklung des Auges der Wirbeltiere. Leipzig 1877. 

10. Knape, E. V.: Über die Entwicklung der Hornhaut des Hühnchens. 
Anat. Anz., Bd. 34, 1909, S. 417. 

11. v. Lenhossek, M.: Die Entwicklung des Glaskörpers. Leipzig 1903. 

12. Nussbaum, M.: Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges 
Gräfe-Sämisch, Handb. der gesamten Augenheilk., 2. Auflage, Bd. 2, 
1904, S. 41. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. 


Fig. 1. Meridionalschnitt durch das Auge des Huhnes. Schwache Ver- 

grösserung; ein Teil der Einzelheiten ist nach etwas stärkeren 

Vergrösserungen eingezeichnet. 

Auge des viertägigen Hühnchens, nach Cajal behandelt. Senk- 

rechter Durchschnitt. Leitz, Obj. 4, Ok. 1, Tubuslänge 160. Mit 

dem Zeissschen Zeichenapparat gezeichnet, bei Projektion des 

Bildes auf die Ebene des Arbeitstisches. 

Fig. 3. Auge des siebentägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz, Obj. 2, 
Ok. 1, Zeichenapparat. 

Fig. 4 Auge des zehntägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz, Obj. 2, 
Ok. 1, Zeichenapparat. 

Fig. 5. Aus dem Auge des l4tägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz, 
Obj. 2, Ok. 3, Zeichenapparat. 

Fig. 6. Aus dem Auge des 16tägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz, 
Obj. 2, Ok. 3, Zeichenapparat. 


180) 


Fig. 


Roma, 1910, Reale Accademia dei Lincei. 


Beiträge zur Biologie der Zelle (Mitochondrien, 
Chromidien, Golgisches Binnennetz in den Samen- 
zellen). 

Von 
Dr. A. Perroncito, Pavia. 


Selbstreferat seiner Abhandlung: 
„Contributo allo studio della biologia cellulare.“ (Mitocondri, Cromidii e 
Apparato reticolare interno nelle cellule spermatiche.) 


Hierzu 6 Textfiguren. 


In den letzten Jahren sind von verschiedenen Autoren 
Gebilde innerhalb des Zellprotoplasmas beschrieben worden, deren 
Bedeutung und beziehungen noch nicht völlig geklärt sind, 
nämlich: 1. Die Nebenkerne. Sie sind namentlich von La 
Valette St. George und von Prenant in den Spermatozoen 
niederer Tiere beschrieben worden und sind als unvollkommene 
Darstellungen des Golgischen Binnennetzes und des Mitochon- 
driums zu betrachten. Einzelne Figuren von Prenant sind 
schon von relativ grosser Feinheit. 2. Das Golgische Binnen- 
netz, von Golgi (1898) in den Nervenzellen entdeckt und von 
verschiedenen Forschern in sehr vielen normalen und patho- 
logischen Zellen nachgewiesen. Wir sind, wie in dieser Arbeit 
des Näheren gezeigt wird, berechtigt, das Binnennetz als einen 
wesentlichen Bestandteil der Zelle zu betrachten. 3. Die Mito- 
chondrien, von Benda im gleichen Jahre gefunden und von 
vielen anderen studiert, namentlich von Meves, der auf diesem 
Gebiet neue Tatsachen von grösstem wissenschaftlichen Interesse 
entdeckte. Wir werden aber sehen, dass nicht alles, was Mito- 
chondrium heisst, mit Recht dafür gehalten werden darf: unter 
diesen Begriff fallen eine ganze Anzahl von Gebilden (Chondrio- 
miten, Chondrioconten, Chondriosomen usw.). 4. Die Tropho- 
spongien (Holmgren, 1899). 

Sie sind in zahlreichen Elementen gefunden und als ein 
Netz von intracellulären, mit der Umgebung kommunizierenden 
Kanälchen beschrieben worden. Man hielt sie für identisch mit dem 


312 A. Perroncito: 


Golgischen Binnennetz. 5. Die Pseudochromosomen und 
die Zentralkapseln (Heidenhain, 1900), sowie dieZentro- 
formien (Ballowitz) hängen nach Ansicht dieser Autoren mit 
den Zentrosphären zusammen. Endlich 6. die Chromidien 
(Hertwig, 1899), chromatische Gebilde, die vom Kern abstammen 
und in einigen Protozoen, später von Goldschmidt u.a. in 
verschiedenen Zellen gefunden worden sind. 

Heute geht das Bestreben dahin, alle diese Gebilde in eine 
einzige Kategorie zusammenzufassen und viele angesehene Forscher 
haben sich in diesem Sinne ausgesprochen. Heidenhain,Meves, 
Goldschmidt, Arnold u.a. wollen die Mitochondrien, Chromidien, 
Blephasoplasten, Pseudochromosomen und das Golgische Binnen- 
netz miteinander in Beziehung setzen und betrachten sie nur 
als verschiedene Erscheinungsformen einer einheitlichen Formation, 
Holmgren und Ramön y Gajal erklären ohne weiteres das 
Binnennetz und die Trophospongien als identisch und betrachten 
beide als ein Netzwerk von Kanälchen. Einige Forscher (Meves, 
Heidenhain, Arnold) identifizieren diese Gebilde mit den 
Protoplasmastrukturen (Flemmings Filarmasse, Altmanns 
Bioblasten etc.). 

(iegen diese Anschauung erhob sich zunächst die gewichtige 
Stimme von Retzius, der in seinen meisterhaften Untersuchungen 
über die Samenfäden erklärt, es sei durchaus übereilt, jede Art 
von Granulabildung in den verschiedensten Zellen als Mito- 
chondrien anzusprechen und diese Bezeichnung nur für einen 
Teil der unter diesem Namen beschriebenen Gebilde gelten lässt. 
Die Gleichsetzung des@olgischen Binnennetzes mit den Holmgren- 
schen Trophospongien hatte Kopsch in seinen interessanten Studien 
über die Ganglienzellen strikte abgelehnt und neuerdings konnte 
Golgi in einer eingehenden vergleichenden Untersuchung unter 
Berücksichtigung aller Charaktere der beiden Formationen ihre 
Wesensverschiedenheit nachweisen. 

Wenn wir von der anatomischen zur physiologischen und 
morphologischen Betrachtung übergehen, d. h. die Biologie und 
Bedeutung dieser (rebilde erforschen wollen, so müssen wir 
zugeben, dass wir hier völlig am Ende unseres Wissens ange- 
langt sind. 

Ich stellte mir nun zunächst die Aufgabe, zu erforschen, 
ob das Golgische Netz sich in den Spermazellen findet und 


Beiträge zur Biologie der Zelle 315 


konnte es in allen Elementen dieser Art, in den Sertolischen 
Zellen und in den Stützzellen des Hodens aller von mir unter- 
suchten Säugetiere nachweisen. Auch gelang es mir, das Ver- 
halten des Binnennetzes bei der Umwandlung der Spermatiden 
in Samenfäden zu verfolgen. Der Kürze halber gehe ich auf 
die in der Arbeit ausführlich dargelegten Tatsachen nicht ein 
und beschränke mich auf die Konstatierung, dass beim Arbeiten 
am genannten Material viele Bilder mir anfangs unklar blieben 
und mir erst klar wurden, als ich meine Studien auf grössere 
Zellen und auf niedere Tiere ausdehnte. Erst an den Sperma- 
zellen von Paludina vivipara fand ich die Lösung der Hauptfrage 
und den Weg zur Aufklärung dessen, was mir in den an anderem 
Material gewonnenen Bildern unverständlich geblieben war. 

An der oligopyrenen Reihe von Paludina vivipara konnte ich 
die Mitochondrien und das Binnennetz ohne Unterbrechung 
während verschiedener Phasen des Zellebens und während zweier 
Teilungen beobachten. Ich bemerkte hierbei, dass bei der Zell- 
teilung das Binnennetz eine Reihe von Veränderungen durch- 
macht, die mit der Karyokinese grosse Ähnlichkeit haben. weshalb 
ich das neue Phänomen Diktokinesis nannte. Auch die 
Mitochondrien zeigen bei der Zellteilung ein charakteristisches 
Verhalten. Hier in aller Kürze meine Beobachtungen: 


1. Wachsende Spermiocyten. 


Das Binnennetz, ursprünglich relativ einfach. nimmt an 
Grösse zu und wird verwickelter; es befindet sich in Kontakt 
mit dem Kern und auf der Mitte desselben, wo die Protoplasma- 
menge am grössten ist. Die Mitochondrien umgeben das Binnen- 
netz und nehmen auf derselben Seite des Kerns den noch übrigen 
Teil des Protoplasmas ein. Ein scheiben- oder mützenförmiges 
Körperchen (wahrscheinlich das Üentrosoma) findet sich auf der 
anderen Seite des Kerns, unmittelbar an der Kernmembran. 


2. Spermiocyten erster Ordnung, voll entwickelt. 
Das zierliche, überaus vielverzweigte Golgische Netz liegt 
dem Kern unmittelbar an. Nun entwickeln’ sich in ihm eine 
Reihe charakteristischer biologischer Erscheinungen, die bisher 
völlig unbekannt waren. Sie sind die Vorläufer der Zellteilung 
und haben mich speziell zu dem Vorschlag der zusammenfassenden 


314 A. Perroncito: 


Benennung Diktokinesis veranlasst. Ihre Ähnlichkeit mit der 
Kernmitose ist auffallend. Vor der Kernteilung lassen sich folgende 
Phasen unterscheiden: 

a) Die Fäden des Binnennetzes zerfallen in gekrümmte 
Stäbchen. 

b) Diese Stäbchen (ich nenne sie Diktosomen) ordnen sich 
zu einer dem Monaster sehr ähnlichen Figur, für die ich 
wegen ihrer Lage oberhalb des Kerns den Namen 
„Corona“ vorschlage. 

c) Die Stäbchen verteilen sich über das ganze Zellproto- 
plasma. Sehr häufig gruppieren sie sich in zwei 
getrennte Massen, einige verwandeln sich schon jetzt in 
Ringe und weiterhin in Scheiben. 

Die Mitochondrien verteilen sich über das ganze Proto- 
plasma; hat sich die Gorona gebildet, so ordnen sie sich in diesem 
Teil der Zelle zwischen den Diktosomen radiär an, wobei ihr 
Mittelpunkt mit dem der Corona zusammenfällt. Sie erscheinen 
in ihrer charakteristischen Gestalt als fadenförmig angeordnete 
Körnchen und als Stäbchen mit verdickten Enden (diese Stäbchen 
sind viel dünner als die aus dem Zerfall des Golgi-Netzes 
hervorgegangenen). 

Das Centrosoma beschreibt einen Halbkreis und wandert an 
den entgegengesetzten Zellpol und teilt sich. Jeder der beiden 
Teile rückt an ein Ende der Zelle. 


3. Karyokinese des Spermiocyten erster Ordnung. 

Die über die ganze Zelle verteilten Diktosomen gruppieren. 
sich um die beiden Polkörperchen. Die Mitochondrien bleiben 
über das ganze Protoplasma verstreut und gelangen teils in die 
eine, teils in die andere der beiden Tochterzellen. 


4. Spermiocyt zweiter Ordnung. 
Die Mitochondrien sind im Zellplasma verteilt. Kern und 
Binnennetz bilden sich wieder in unvollständiger Weise und lösen 
sich sogleich wieder in Chromosomen resp. Diktosomen auf. 


5. Teilung des Spermiocyten zweiter Ordnung. 
Die in der Zelle verteilten Diktosomen und Mitochondrien 
wandern in die beiden Tochterzellen, analog dem oben beschriebenen 
Vorgang. 


(do | 


Beiträge zur Biologie der Zelle 31 


6. Spermiden. 

Die verstreuten Diktyosomen sammeln sich um den Kern 
und bilden allmählich wieder ein Binnennetz. Die Mitochondrien 
oder wenigstens die Abkömmlinge der von mir bisher so 
bezeichneten Elemente sammeln sich an einem Pol des Sper- 
miden in einem kreis-, sternförmig oder polygonal begrenzten 
Raum; sie entsprechen den Mitochondrien von Meves. An der 
äussersten Peripherie der Zelle erscheint eine zusammenhängende 
Schicht relativ grober Körnchen, die im frischen Präparat und 
mit allen Methoden sichtbar, mit Eisenhämatoxylin und einigen 
Kernfarbstoffen (Fuchsin) färbbar sind; sie entsprechen den 
Mitochondrien von Benda. 


7. Umwandlung der Spermiden in die Spermien. 


Manchmal bleibt das Binnennetz erhalten, bis das Sper- 
mium nahezu vollständig gebildet ist und nimmt den Teil 
des Protoplasmas ein, der die bekannte Ausbuchtung bildet, 
entsprechend der Ursprungsstelle des Zilienbündels; häufiger, 
bald schon sehr früh, bald später, zerfällt das Binnennetz in 
gekrümmte Stäbchen, Ringe, Scheiben, wie dies bei den grossen 
Spermiocyten beschrieben worden ist. Die Mevesschen Mito- 
chondrien verteilen sich über ein Bündel von aus Granulis 
bestehenden Fäden, welches sich zwischen dem Kern und der aus 
dem ÜCentrosoma hervorgegangenen (eissel ausspannt und die 
Achse des Spermiden, später des Samenfadenkörpers bildet. 
Die Bendaschen Mitochondrien verteilen sich an der äussersten 
Peripherie des Körpers und bilden den sogenannten Mitochondrien- 
Mantel. 

8. Spermium. 

Die aus der Auflösung des Binnennetzes hervorgegangenen 
Teilchen befinden sich in nicht mehr nachweisbarer Form zwischen 
der zentralen, durch die Mevesschen Mitochondrien bezeich- 
neten, und der peripherischen, durch die Bendaschen Mito- 
chondrien charakterisierten Schicht. Man kann aber einen 
Überrest stets am kaudalen Ende des Samenfadenkörpers nach- 
weisen, färbbar im lebenden Spermium mit Neutralrot und 
Kresylviolett. 

Die Mevesschen Mitochondrien bilden die Achse des Samen- 
fadens, die Bendaschen bilden im Gegensatz zu den früheren 


316 A. Perroncito: 


Behauptungen ein gut nachweisbares, mit Eisenhämatoxylin 
färbbares gewundenes Band. 

Auch in der Entwicklungsreihe der Samenzellen von Palu- 
dina vivipara, aus der der eupyrene Samenfaden hervorgeht, lassen 
sich Tatsachen auffinden, die genau dem für die oligopyrene 
Reihe aufgestellten Typus entsprechen. Hier sind nicht alle 
Bilder und Beziehungen gleichmässig klar, entsprechend der 
geringeren Protoplasmamenge. Augenfälliger sind die Beziehungen 
zwischen Diktokinesis und Karyokinese, die einander rascher 
folgen als bei der oligopyrenen Reihe. Die Corona erscheint 
gleichzeitig mit der Verteilung der Chromosomen in Ring- und 
Achterform, bei noch geschlossener Kernmembran. Dann folgt 
der Zerfall des Kerns und wir finden Chromosomeu und Dikto- 
somen durcheinander gemischt; endlich vollzieht sich die Wieder- 
herstellung des Binnennetzes etwas langsamer als die des Kernes. 
In der fertigen Spermie verhält sich das Binnennetz genau so wie 
in der oligopyrenen Spermie. 

Auch in den Sertolischen Zellen und in allen Sperma- 
Elementen der Säuger ist das Binnennetz nachweisbar. 

Obgleich das Arbeiten an solchem Material ungleich 
schwieriger ist, stimmen doch alle von mir erhaltenen Bilder 
völlig mit dem überein, was man bei Paludina verfolgen und 
analysieren kann, so dass wir bei den Säugern identische Prozesse 
annehmen dürfen. 

Nachdem wir so die Vorgänge in den Spermazellen verfolgt 
haben, ergibt sich die Notwendigkeit einer Klassifizierung der 
beschriebenen Gebilde. Auf Grund der angeführten Tatsachen 
glaube ich, dass man im wesentlichen dreierlei Formationen zu 
unterscheiden hat: dasGolgischeBinnennetzund zweierlei 
Mitochondrien, zur bequemeren Unterscheidung Mitochondrien 
(Benda) und Chondriosomen (Meves) genannt. Was die anderen 
beschriebenen Gebilde anlangt, so glaube ich, dass das, was die 
Autoren als Nebenkerne abgebildet haben, grösstenteils zum 
>innennetz, zum Teil auch zu verschiedenen anderen Elementen: 
Zentrosphären usw. gehört. Pseudochromosomen und Zentroformien 
gehören zweifellos zum Binnennetz. 

Was die Mitochondrien anbetrifft, so halte ich nach meinen 
Untersuchungen die Ansicht, dass sie vom Nukleolus abstammen 
und paraplasmatische Bildungen sind, nicht für begründet. Besser 


Beiträge zur Biologie der Zelle. 317 


gestützt und erwägenswert scheint mir die Meinung, dass sie vom 
Kern abstammen. Jedoch scheinen mir unvergleichlich bessere 
Gründe für ihre protoplasmatische Natur zu sprechen; dass sie 
der Flemmingschen Filarmasse oder den Altmannschen 
Bioblasten entsprechen, halte ich indessen noch nicht für genügend 
gesichert. Auch bezüglich ihres biologischen Wertes und ihrer 
Bestimmung ist grösste Zurückhaltung geboten, so sehr auch die 
kürzlich von Benda geäusserte Hypothese über ihre Bedeutung 
für die Vererbung mit allem Vorbehalt (wie Benda selbst 
hervorhebt) einer ernsten Beachtung wert ist. 

Ich berichtige gerne ein Versehen, das mir in meiner 
Arbeit unterlaufen ist: Benda hat als erster die Hypothese von 
der eventuellen Funktion der Mitochondrien bei der Vererbung 
aufgestellt, eine Hypothese, die, von einem vorsichtigen und weit- 
blickenden Forscher ausgesprochen, auch heute noch viel annehm- 
barer erscheintals dieähnlichen Vermutungen späterer Untersucher. 

Das Golgische Binnennetz, das zuerst in den Nervenzellen 
gefunden wurde, darf nunmehr als ein wesentliches Element wohl 
aller Zellen angesehen werden, dessen Wichtigkeit nicht nur in 
der normalen, sondern auch in der pathologischen Biologie hervor- 
tritt. Es würde zu weit führen, die Entwicklung unserer Kennt- 
nisse über diese Formation zu schildern; ich erinnere nur daran, 
dass die Untersuchungen speziell der @olgischen Schule die 
Anwesenheit des Binnennetzes in fast allen normalen und ver- 
schiedenen pathologischen Zellen erwiesen haben. Bis heute 
jedoch ist, wie Golgi selbst bemerkt, die Bedeutung des Netzes 
dunkel geblieben; nur sehr anfechtbare Hypothesen sind darüber 
aufgestellt worden und gar nichts ist bekannt über seine Physio- 
logie und seine eventuelle Bedeutung für das Zelleben. Dagegen 
haben meine Untersuchungen dazu geführt, ganz bestimmte und 
typische Lebensäusserungen dieses Zellbestandteils nachzuweisen. 
Ich bemerke sogleich, dass die Kenntnis dieser biologischen 
Erscheinungen alle bis jetzt aufgestellten Erklärungen über die 
Natur des Golgi-Netzes hinfällig macht und uns zeigt, dass es 
im Organismus der Zelle einen selır hohen Rang einnimmt. Geht 
doch aus meinen Erörterungen hervor, dass das Binnennetz das 
erste Zeichen zur Zellteilung gibt und dass es zuerst die Teilung 
vollendet, in dem grossen Spermiocyten von Paludina mit einem 


etwas grösseren, im kleinen mit einem etwas geringeren Vor- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 22 


318 A. Perroneito: 


sprung vor dem Kern und wahrscheinlich gleichzeitig mit diesem 
bei den Säugetieren. Im Binnennetz geht eine Reihe von Ver- 
änderungen vor sich, die lebhaft an die Chromatinfiguren in der 
Prophase und im Anfang der Metaphase erinnern. Wenn man 
will. kann man auch Ähnlichkeiten mit der Anaphase finden, 
aber nur annähernde, weniger auffallende. Jedenfalls steht fest, 
dass das Golginetz schon vor Beginn der anderen Teilungsvor- 
gänge in lauter gleiche Stücke zerfällt, dass es sich unter Bildung 
charakteristischer Figuren in zwei Hälften teilt, von denen jede 
das Golginetz in einer der Tochterzellen bildet und dass, ebenso 
wie jeder Kern vom Kern der Mutterzelle stammt, auch das 
Binnennetz aus dem gleichen Bestandteil der Mutterzelle hervor- 
geht. Welche biologischen Funktionen das Binnennetz ausser 
diesen mit der Zellteilung zusammenhängenden noch erfüllt, kann 
ich nicht sagen. Sicher ist, dass es sich vergrössern kann, wie 
am Auxocyten von Paludina gut zu beobachten ist. Ausserdem 
frappiert die Mannigfaltigkeit seiner Form in den Spermiocyten 
der Säuger, woraus man auf ein leicht modifizierbares Organ und 
auf ausgeprägte vitale Aktivität schliessen kann. Diese Ansicht 
wird auch durch die experimentellen Befunde Marcovas an 
Nervenzellen gestützt. 

Ich habe gesagt, das Binnennetz in den Geschlechtszellen 
der Säuger zeige ein proteusartiges Verhalten. Das scheint im 
Widerspruch mit dem zu stehen, was wir über die anderen 
Elemente wissen. Aber der Widerspruch ist nur scheinbar. Man 
braucht sich nur an die Befunde von Verson und v. Bergen 
an den Lymphzellen, an die von Maccabruni an den Mega- 
karyocyten zu erinnern oder die Bilder von Knorpelzellen bei 
Pensa und bei v. Bergen zu vergleichen. Die von diesen 
Autoren beschriebenen Formationen entsprechen sich in der Struktur 
vollkommen, aber in den Bildern von Pensa erstrecken sie sich 
über den ganzen Zellkörper, bei v. Bergen beschränken sie 
sich auf einen kleinen Teil desselben. 

Nach unseren jetzigen Kenntnissen glaube ich sagen zu 
können, dass das Golgische Binnennetz ein wesentlicher Bestand- 
teil der Zelle mit eigenen, deutlichen, lebhaften, typischen 
biologischen Funktionen ist und dass in ihm früher als im Kern 
die Zellteilungsvorgänge beginnen. Es nimmt zweifellos in der 
Physiologie der Zelle einen hervorragenden Platz ein. 


Beiträge zur Biologie der Zelle. 319 


Ausserdem sind in meiner Arbeit noch andere Dinge 
beschrieben, die in diesem kurzen Resume nicht genügend Platz 
finden können. Es sind dies: 1. Die Feststellung der Anwesenheit 
und der Zahl färbbarer Körnchen innerhalb des Idiozoma und der 
Nachweis, dass ihr Verhalten nicht mit dem eines echten Centro- 
soma gleichzusetzen ist; ferner dass in einem anderen Punkt der 
Spermiocyten ein Gebilde, das sich genau wie ein Centrosoma 
verhält, deutlich nachzuweisen ist. 2. Die Existenz eines 
gewundenen Bandes entlang dem Körper der oligo- und eupyrenen 
Samenfäden von Paludina. 3. Die Existenz einer besonderen 
Spiralfaser in Verbindung mit dem Kopf des eupyrenen Samen- 
fadens einiger Säuger und der eupyrenen Samenfäden von Palu- 
dina. 4. Der Nachweis eines Stoffaustausches zwischen dem 
Protoplasma und dem Kern der grossen Spermiocyten von 
Paludina vivipara. 5. Bei der Entwicklung der kleinen Spermi- 
cyten von Paludina finden sich Übergangsformen, die nahezu 
oder vollständig den fertigen Samenfäden anderer Tiere auch 
völlig verschiedener Organisation entsprechen. 


Hauptergebnisse: 


1. Das Golgische Binnennetz und die Mitochondrien sind 
verschiedenartige Gebilde und können gleichzeitig in einer 
Zelle vorhanden sein. 


[86] 


. In den Samenzellen sind zweierlei Mitochondrien zu 
unterscheiden, deren Entwicklung und Aufgabe verschieden 
ist; ich nenne sie Chondriosomen (Meves) und Mito- 
chondrien (Benda). 


3. Das Golgische Binnennetz ist ein wesentlicher Bestand- 
teil der Zelle und besitzt sehr lebhafte und charak- 
teristische biologische Funktionen. 


4. Das Binnennetz beteiligt sich in bestimmter Weise an 
der Zellteilung; es durchläuft typische Stadien und zer- 
fällt schliesslich in die beiden Binnennetze der Tochter- 
zellen. Diesen verwickelten Vorgang nenne ich Dikto- 
kinesis. 

5. Das Binnennetz gibt zuerst von allen Zellbestandteilen 
das Zeichen zur Teilung, die ersten Phasen der Dikto- 


kinesis vollziehen sich, während der Kern noch ruht. 
22* 


320 


Sr 


-ı 


[0 0) 


A. Perroncito: 


;. Alle bisherigen Hypothesen über die Bedeutung des 


Binnennetzes sind nach meinen Untersuchungen als irrig 
zu betrachten. 


. Die Mitochondrien entsprechen nicht vollständig den 


Altmannschen Bioblasten oder der Flemmingschen 
Filarmasse. Die Vermutungen über ihre Funktion als 
Träger der Vererbung sowie über ihre Bedeutung und 
ihr endgültiges Schicksal sind bis jetzt wenig gestützt. 


. Die Samenzellen haben bei Tieren der verschiedensten 


Organisation (und auch im Pflanzenreich mindestens bei 
den Fucaceen) einen einheitlichen Bau; dies zeigt sich 
deutlich sowohl an den fertigen Zellen als an den 
Entwicklungsformen der Spermien. 


Erklärung der Abbildungen. 
A — Kern, B = Nukleolus, C = Centrosoma (?), D = Golgisches 
Binnennetz, E — Chondriosomen (Meves). 

A = Kern, B = Nukleolus, © = Centrosoma (?), D — Diktiosomen, 
E = Chondriosomen (Meves). 

A = Kern, B = Nukleolus, C= van Benedens Polkörperchen (?), 
D — Diktiosomen, im Begriff die Corona zu bilden, E = Chondrio- 
somen (Meves). 

A = Chromosomen, C — Polkörper, D — Diktiosomen, E = Chon- 
driosomen (Meves). 

A = Chromosomen, D = Diktiosomen, E — Chondriosomen (Meves). 
A — Kern, D—Golgisches Netz, E = Chondriosomen (Meves), 
F = Mitochondrien (Benda). 


321 


Beiträge zur Biologie der Zelle. 


180) 
(3%) 


Aus dem Anatomischen Institut in Upsala. 


Über das Vorkommen von Fett und fettähnlichen 
Substanzen im Thymusparenchym. 


Von 
Ruben Holmström. 


Hierzu Tafel XIII. 


Literatur. 


Bei dem Bericht über anderer und eigene Untersuchungen, 
den ich im folgenden gebe, habe ich nur die innerhalb des 
Thymusparenchyms im engeren Sinne hervortretenden Bilder im 
Auge. Die in dem interstitiellen, interlobulären oder perivas- 
kulären Bindegewebe vorkommende und besonders im Zusammen- 
hang mit der Altersinvolution stehende Fettgewebsbildung ist ein 
Prozess ganz anderen Charakters, und von diesem Prozess sehe 
ich hier ab. 

Von älteren Autoren ist im allgemeinen eine solche strenge 
Unterscheidung zwischen intraparenchymatösem und interstitiellem 
Fett nicht gemacht worden, sondern beide Arten sind ohne weiteres 
unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt vereinigt worden. Diese 
ältere Literatur findet sich bei Hammar (1910) zusammengestellt 
und referiert. Selbst habe ich geglaubt, diese älteren Angaben 
hier umgehen zu können und zwar um so mehr, als die Bestimmung 
darüber, was Fett war und was nicht, zu jenem Zeitpunkt im 
allgemeinen nach Prinzipien geschehen zu sein scheint, die nicht 
mehr als befriedigend angesehen werden können. 

Ich beschränke mich demnach darauf, hier die Arbeiten aus 
späterer Zeit, die von modernen Gesichtspunkten aus und mit 


den Hilfsmitteln der modernen Zeit ausgeführt sind, zu referieren. 

In der sehr reichhaltigen Literatur, die das Ergebnis des in den letzten 
Jahren betriebenen intensiven Studiums der Zelllipoide und ihrer morpho- 
logischen Verhältnisse ist, finden sich auch einige zerstreute Angaben über 
das Vorkommen von Fett oder fettähnlichen Stoffen in dem Thymusparenchym 
verschiedener Spezies. Im allgemeinen sind jedoch, vielleicht mit Ausnahme 
von Kaiserlings und Orglers sowie Herxheimers unten zu 
erwähnenden Arbeiten, diese Untersuchungen nicht direkt auf dieses Organ 


Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 23 


324 Ruben Holmström: 


gerichtet gewesen, sondern die meisten hierher gehörigen Angaben liegen 
eher als Nebenergebnisse von Untersuchungen vor, die von allgemeineren 
Gesichtspunkten aus angestellt worden sind. 

Diese neueren Untersuchungen wurden durch Kaiserling und 
Orgler (1902) eingeleitet. Sie wiesen in den Thymuszellen des Menschen 
das Vorkommen von Körnern nach, die zwar von Überosmiumsäure gefärbt 
werden, nicht aber als Fett, sondern als aus dem, was sie Myelin nennen, 
bestehend aufzufassen sind. Die fraglichen Körner sind in polarisiertem 
Licht doppelbrechend, im Gegensatz zu dem, was beim Neutralfett der Fall 
ist, das unter denselben Verhältnissen isotrop ist. Sie werden vom Osmium 
nur leicht grau gefärbt, und diese Farbe löst sich im Gegensatz zu der des 
Fettes in Xylol, Chloroform und Bergamottöl. Bei Neugeborenen fehlen 
diese Körner, während sie bei älteren Kindern „mit zunehmender Rück- 
bildung der Drüse“ immer zahlreicher werden. Eine quantitative Analyse 
des Organs, die von Orgler (1902) ausgeführt worden ist, zeigt indessen. 
dass die Menge Ätherextrakt dieselbe ist, ob nun die untersuchte Drüse 
dieser Körner ermangelt oder sie in reicherer Menge enthält. Kaiserling 
und Orgler ziehen hieraus den Schluss, dass es sich hier nicht um eine 
Infiltration von aussen her handelt, sondern, dass die Körner innerhalb der 
Drüse gebildet worden sind, und zwar, nach Orgler, nicht durch Um- 
wandlung von Protoplasmaeiweiss, sondern durch „molekulare Umlagerungen 
in der Zelle“. 

Diese Forscher haben indessen keinen Unterschied zwischen akzi- 
denteller und Altersinvolution gemacht und bezüglich der letzteren hegen sie die 
zweifellos unrichtige Vorstellung, dass sie frühzeitig nach der Geburt beginne. 
Dies gilt im übrigen für die meisten der hier in Frage kommenden Untersucher. 

Von einer Fettinfiltration längs den Gefässen, und zwar einer physio- 
logischen, vorzugsweise in der Rinde vorkommenden, von da aus sich aber 
in das Mark hinein erstreckenden, spricht dagegen Herxheimer (1903). 
Er unterscheidet nicht zwischen Fett und anderen Lipoiden, sondern scheint 
unter der Bezeichnung Fett alles zusammenzufassen, was von Fettponceau- 
lösung gefärbt wird. Auf diese Weise färbbare Körner findet er bei Embryonen 
nicht konstant, wohl aber bei Kindern, besonders „vor der Rückbildung der 
Drüse“, regelmässig in grösseren oder geringeren Mengen, sowohl in den 
Lymphoeyten und zwischen diesen als auch in „den fixen Bindegewebszellen“, 
unter welch letzterem Ausdruck wohl wahrscheinlich die Retikulumzellen zu 
verstehen sind. 

Hammar (1905), Rudberg (1907) und Jonson (1909) haben 
bei der Involution das Vorkommen von degenerierenden Retikulumzellen 
beobachtet, die eine Substanz enthalten, welche von Überosmiumsäure grau 
gefärbt wird. Hammar (1910) bringt diese Zellen in Zusammenhang mit 
den von Watney (1882) nachgewiesenen „granular cells“ und möglicherweise 
mit den kornreichen Zellen, de Kaiserling und Orgler „Körnchen- 
kugeln“ genannt haben. 

Bell (1909) unterscheidet, wie Herxheimer, nicht zwischen Fett 
und Lipoiden, ohne dass aus seinen Angaben klar hervorgeht, ob er die mit 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 325 


Sudan III färbbaren Körnchen, die er in der Kalbsthymus gefunden hat. 
für Neutralfett hält, oder ob er das Wort Fett als einen zusammenfassenden 
Ausdruck für Fett und Lipoide anwendet. Er gibt an, dass solches sich oft 
in den Hassallschen Körperchen beim Rindvieh findet. Bell betont, 
dass er wohlgenährte wie auch absichtlich mit Hungerdiät behandelte Tiere 
untersucht hat, scheint aber keinen bemerkenswerten Unterschied in ihrem 
Verhalten gefunden zu haben. 

Schaffer (1908) hat gleichfalls Fett in den Retikulumzellen (beim 
Maulwurf) gefunden, und ebenso Aschoff (1909), welch letzterer aus- 
drücklich angibt, dass es sich um Neutralfett und nicht um Lipoide handelt. 

Ciaccio (1909) hat die Thymus unter anderem von Mensch, Hund 
und Katze untersucht, wie es scheint, ohne auf das Alter oder den Ernährungs- 
zustand der Tiere Rücksicht genommen zu haben. Nach diesem Autor sollen 
die Hassallschen Körperchen normalerweise eine Lecithindegeneration 
erfahren. 

Nachdem mein Manuskript schon abgeschlossen war und sich in den 
Händen des Übersetzers befand, erschien eine Arbeit von Kawamura (1911), 
welche unter anderem auch die Thymuslipoide berücksichtigt. Auch hier 
werden Verhältnisse der normalen und der accidentellen Involution nicht 
auseinandergehalten, sondern das überwiegend menschlichen Krankenleichen 
entstammende Material einheitlich abgehandelt. Bei Neugeborenen waren 
nur wenige Fettkörner nachzuweisen. Bei Säuglingen und älteren Kindern 
fanden sich Fettkörner in der Peripherie der Läppchen „sowohl in Parenchym- 
zellen, wie vor allem in den Retikulumzellen und den gröberen Septen“. In 
allen Fällen — auch bei Erwachsenen — fanden sie sich mit nadelförmigen 
Kristallen untermischt in den Hassallschen Körpern. Frisch untersucht 
zeigten sie sich zahlreich doppelbrechend und die Anzahl der doppelbrechenden 
Körner nahm bei Wärmebehandlung bedeutend zu. Das doppelbrechende 
Fett wird als Cholesterinester gedeutet; die Natur des übrigen Fettes blieb 
teilweise unentschieden. In den Hassallschen Körpern handelt es sich 
unzweifelhaft um auskristallisiertes Cholesterin. Das autochthone Entstehen 
der Körner wird abgelehnt zugunsten der Annahme einer Zufuhr von aussen 
her mit einer Aufspeicherung in der Thymus. 


Eigene Untersuchungen. 


Dass Fett oder fettähnliche Substanzen ziemlich regelmässig 
in dem Thymusparenchym vorkommen, geht somit deutlich aus 
den bereits vorliegenden Untersuchungen hervor. Was die Lage 
dieser Einlagerungen im Verhältnis zu den Parenchymzellen, ihre 
Mengenverhältnisse während verschiedener Stadien der normalen 
Existenz des Organs sowie bei akzidenteller Involution betrifft, 
so fehlt es dagegen an genauen Angaben; bezüglich ihrer Natur 
und Bedeutung gehen die Ansichten der verschiedenen Beobachter 
auseinander, und schliesslich ist das bisherige Material allzu 


23* 


326 Ruben Holmström: 


ungenügend, um darauf eine Auffassung von dem Vorkommen 
und Verhalten des intraparenchymatösen Fettes bei verschiedenen 
Tierarten gründen zu können. Die Untersuchung, die ich im 
Anatomischen Institut in Upsala ausgeführt habe, hat dieser Seite 
der Frage gegolten. 

I. Methode. 

Von Methoden, mikroskopisch Fett und fettähnliche Sub- 
stanzen nachzuweisen, sind eine grosse Menge vorgeschlagen 
worden. Sie lassen sich jedoch alle unter eine der folgenden 
vier Rubriken einreihen: 

1. Behandlung mit Fixierungsflüssigkeiten, enthaltend Osmium- 
tetroxyd, das gewisse Arten von Fett schwarz und unlöslich macht. 

2. Färbung (in Gefrierschnitten von frischem oder formol- 
fixiertem Material) mit einigen organischen Farbstoften, besonders 
den sog. „spezifischen Fettfarben“ Sudan III und Scharlach R. 

3. Behandlung des Materials mit Chromsalz (bezw. anderen 
Metallsalzen), wodurch gewisse Lipoide in fettlösenden Reagentien 
unlöslich werden, Einbettung in Paraffin und Färbung der Schnitte 
in Sudan oder Scharlach. Ciaccio glaubt auf diese Weise 
Lecithin nachweisen zu können. Ähnliche oder diesem vergleich- 
bare Prozesse dürften auch gewissen Formen von Weigerts 
Markscheidenfärbung zugrunde liegen. 

4. Untersuchung von frischem Material in polarisiertem Licht, 
in dem einige Lipoide sich anisotrop zeigen, Neutralfett isotrop. 

Eine ganze Reihe Versuche sind auch gemacht worden, um 
von diesen verschiedenen Verfahren ausgehend zuverlässige mikro- 
chemische Analysenmethoden für alle die Substanzen auszuarbeiten, 
die unter der Bezeichnung Fett oder Lipoide zusammengefasst 
zu werden pflegen. So lange man mit Reaktionen im Probier- 
röhrchen gearbeitet und relativ reine technische Präparate an- 
gewandt hat, hat sich eine solche Analyse auch nicht als unmöglich 
erwiesen. Die Anwendung der Methoden auf die in dem Gewebe 
vorhandenen fettähnlichen Substanzen ist jedoch auf das bisher 
wohl im grossen und ganzen nicht überwundene Hindernis 
gestossen, dass man es in den Geweben nje mit reinen Sub- 
stanzen, die mit den chemischen Präparaten vergleichbar wären, 
zu tun haben dürfte, sondern wohl stets mit Mischungen von 
zwei oder mehreren Substanzen oder vielleicht anders beschaffenen, 
noch nicht bekannten Stoffen zu rechnen hat. Dazu kommt, dass 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 327. 


man bei weitem noch nicht in allen Punkten zu endgültig zu- 
verlässigen Resultaten bezüglich der rein chemischen Analyse 
der Lipoide gelangt ist, ein Umstand, der vielleicht am deut- 
lichsten in der Unbestimmtheit hervortritt, die noch immer die 
Nomenklatur auf diesem Gebiete kennzeichnet. Es dürfte daher 
hinreichender Grund vorhanden sein, bis auf weiteres mit grösster 
Vorsicht die Versuche aufzunehmen, die gemacht werden, mittels 
mikrochemischer Reaktionen die Einlagerungen fettartiger Natur, 
die in unseren mikroskopischen Präparaten angetroffen werden, 
zu identifizieren. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass 
man nicht in einigen Löslichkeitsverhältnissen, verschiedener Licht- 
brechung usw. Möglichkeiten besitzt. mit einem gewissen Grad 
von Sicherheit verschiedene Arten fettähnlicher Einlagerungen 
voneinander als chemisch verschieden zu unterscheiden, wenn 
man sie auch, chemisch betrachtet, nicht mit Sicherheit iden- 
tifizieren kann und nie vergessen darf, dass man es vorläufig 
wahrscheinlich nur mit Gruppenreaktionen zu tun hat. 

Die Methode, die sich am besten zur Anwendung eignet, 
wenn man in einem Gewebe tinktoriell alle Bestandteile von 
Fett oder fettähnlicher Natur nachweisen will, ist nach den 
einstimmigen Angaben aller Autoren die Färbung von Gefrier- 
schnitten (frisches oder formolfixiertes Material) mit Sudan oder 
Scharlach, obwohl Angaben vorliegen, nach welchen nicht einmal 
diese Methode alles Fett hervorhebt. Ich habe die beiden Färbe- 
mittel wie auch Nilblausulfat geprüft, im allgemeinen aber Scharlach 
in der von Herxheimer angegebenen Modifikation in alkalischer 
Lösung angewandt, da die Färbungsresultate hiermit schärfer aus- 
fielen als mit Sudan und Nilblau. Die Präparate wurden in vielen 
Fällen mit Hämatoxylin nachgefärbt. Zu gewissen Zwecken wurde 
Zerzupfung der gefärbten Schnitte mit Nadeln vorgenommen. Zum 
Vergleich und zur Kontrolle habe ich neben der Scharlachmethode 
auch Osmium und Osmiummischungen und in einigen Fällen sowohl 
Ciaccios Chromsalzmethoden als auch Untersuchungen in pola- 
risiertem Licht verwendet. 


II. Vorkommen und Verhalten bei verschiedenen 
Altern. 

Als Untersuchungsmaterial habe ich in erster Linie das 

Kaninchen gewählt. Abgesehen von der Leichtigkeit, von diesem 


328 Ruben Holmström: 


Tiere hinreichend grosses Material zu beschaffen, ist die Kaninchen- 
thymus besonders durch Söderlund-Backmans (1909) und 
Jonsons (1909) Untersuchungen sehr gut studiert, sowohl 
normal in verschiedenen Stadien der Entwicklung und Involution 
als auch unter dem Einfluss von Ernährungsstörungen, und ein 
direkter Vergleich mit der Struktur des Organs im übrigen 
dadurch erleichtert. 

Es zeigt sich bald, dass Körnchen oder feine Tröpfchen, 
mit Scharlach färbbar, regelmässig in der Kaninchenthymus vor- 
kommen. Sie haben weder bei den Embryonen noch bei den etwa 
45 Tieren im Alter von neugeboren bis ungefähr einem Jahre, 
die ich untersucht habe, gefehlt (Fig. 1—6, Taf. XIII). Dagegen 
ist die Menge keineswegs in allen Drüsen dieselbe, sondern sie 
variiert in gesetzmässiger Weise mit dem Alter und dem 
Ernährungszustand. 

Der Platz dieser Körnchen und Tröpfchen ist bei dem 
Kaninchen ausschliesslich oder fast ausschliesslich die Rinde. 
Ihre genaue Lokalisation innerhalb dieser, ob sie inter- oder 
intracellulär liegen, und in letzterem Falle innerhalb welcher 
Zelle sie vorkommen, ist nicht immer so leicht zu bestimmen, 
da ja das Schneiden mit dem Gefriermikrotom nicht die An- 
fertigung so dünner Schnitte erlaubt, wie sie von eingebettetem 
Material zu erhalten sind. Eine nähere Untersuchung zeigt 
jedoch, dass sie mit Sicherheit in der überwiegenden Anzahl 
von Fällen in dem Inneren der Retikulumzellen der Rinde liegen. 
Die Grösse wechselt von äusserst feinen Körnchen bis zu Tröpfchen, 
die die Grösse eines roten Blutkörperchens erreichen können. 
Am frühesten zeigen sie sich in dem kompakten Teil des Zell- 
leibes; sie liegen hier wie ein Kranz um den Kern herum 
(Fig. 13, Taf. XIII). Je nachdem sie an Zahl und Grösse zu- 
nehmen, füllen sie allmählich einen immer grösseren Teil der 
Zelle aus, bis auch die Fortsätze von ilınen ausgefüllt sind. Ob 
sie auch in den Lymphocyten vorkommen, ist weniger leicht zu 
entscheiden. Man sieht sie bisweilen in einem Ring verdächtig 
nahe einem Lymphocytenkern liegen, ein Bild aber, das Fett- 
körnchen zeigt, die unzweideutig in dem Protoplasma eines 
Lymphocyten liegen, habe ich nicht beobachtet, obgleich ich 
auch Isolationspräparate von gefärbtem Material daraufhin unter- 
sucht habe. Es steht dies auch in gutem Einklang mit Ciaccios 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 329 


Behauptung (1910), dass die Lymphocyten des Blutes nicht mikro- 
skopisch nachweisbare Fett- oder Lipoidkörnchen enthalten. Nicht 
selten findet man dagegen Körnchen, die wenigstens scheinbar 
in den Zelleninterstitien liegen. Vereinzelte Male habe ich auch 
solche in den Gefässlumina, vorzugsweise in Kapillaren, gefunden. 
Indessen schliesst die Technik in beiden Fällen nicht ganz die 
Möglichkeit der Entstehung von Kunstprodukten aus. Bei seinem 
Durchgang durch das Stück reisst nämlich das Messer recht 
leicht Fettkörnchen mit sich und breitet sie über den Schnitt 
aus, und in dem gefärbten Präparat mit Sicherheit zu unter- 
scheiden, welche Körnchen auf diese Weise disloziert worden 
sein können, ist nicht immer möglich. Besonders scheint die 
Möglichkeit einer derartigen artefakten Entstehungsweise der 
intercellulären Körnchen sehr gross zu sein, wenn man sieht, 
dass sie nicht mit annähernd der Regelmässigkeit wie die intra- 
cellulären Körnchen vorkommen. Was die Bilder von scharlach- 
färbbaren Tröpfchen in Gefässlumina (Fig. 14, Taf. XIII) betrifft, 
so ist natürlich auch hier nicht die Möglickkeit der Entstehung 
von Kunstprodukten in den Fällen ausgeschlossen, wo das Gefäss 
durch das Messer eröffnet worden ist; Bilder finden sich aber 
auch, wenn sie auch nicht zahlreich sind, wo das Gefäss nicht 
eröffnet worden und die intravaskuläre Lage des Fettes demnach 
mit aller Sicherheit nicht artefakt ist. 

Bei dem Embryo und dem Neugeborenen (vergl. Fig. 1, 
Taf. XIII) liegen die fettführenden Retikulumzellen spärlich zer- 
streut in der Rinde, so spärlich, dass es offenbar eine ver- 
schwindend geringe Anzahl solcher Zellen ist, die Fettkörnchen 
enthalten. Auch innerhalb der einzelnen Zellen kommen die 
Körnchen verhältnismässig spärlich vor; gewöhnlich liegen sie 
in einer einfachen Reihe rings um den Kern herum, indem sie 
den grösseren Teil des Zelleibes mit seinen Fortsätzen frei lassen. 
Der Kern zeigt gewöhnlich zu dieser Zeit nichts abweichendes von 
den übrigen Kernen des Retikulums. In diesen Drüsen fohlen 
scharlachfärbbare Körnchen vollständig innerhalb des Markes, und 
die Hassallschen Körperchen gehen ihnen hier ab, wie dies 
auch stets beim Kaninchen der Fall ist. Intercelluläre Körnchen 
sieht man bei dem Neugeborenen in der Regel auch nicht. 

Mit zunehmendem Alter ändern sich indessen die Verhält- 
nisse (Fig. 2-6, Taf. XIII). Die fraglichen Zellen werden immer 


350 Ruben Holmström: 


zahlreicher, und gleichzeitig wird ihr Fettgehalt immer grösser. 
Die kleinen, um den Kern herum gelegenen Körnchen nehmen an 
Zahl zu, konfluieren zu grösseren Tropfen und nehmen allmählich 
einen immer grösseren Teil von dem Volumen des Zelleibes ein, 
bis derselbe von ihnen ganz erfüllt ist. Gleichzeitig damit, dass 
die Menge des Fettes innerhalb der Retikulumzellen zunimmt, 
zeigen die Kerne der fraglichen Zellen immer öfter Chromatolyse 
und andere degenerative Veränderungen. Bei einem vier Monate 
alten Tier ist die Vermehrung der Fettkörnchen so weit vor- 
geschritten, dass man in einem hinreichend dicken Schnitt (25 «) 
die fettgefüllten Fortsätze einer Zelle mit ähnlichen anderer 
Zellen zusammenhängen sieht, wodurch im Bilde die ganze Rinde 
von einem rotgefärbten Netzwerk derartiger fettführenden Zellen 
durchzogen erscheint, und man erhält nun den Eindruck, dass 
ein nicht unwesentlicher Teil der Retikulumzellen in der Rinde 
fettführend ist. Das Mark einschliesslich der Hassallschen 
Körperchen entbehrt andauernd im grossen und ganzen Fett- 
körnchen. In späteren Altersstadien, also nach Beginn der Alters- 
involution, ist das Mark jedoch nicht immer vollständig frei von 
solchen; sie treten zwar auch nun keineswegs innerhalb des 
Marks in einer Menge auf, die mit der in der Rinde vergleichbar 
wäre, sondern nur in vereinzelt liegenden Retikulumzellen. Indem 
die Menge im übrigen reichlicher wird, werden auch die Bilder 
intercellulärer Körnchen gewöhnlicher. Der Verdacht, dass sie 
nur Kunstprodukte sind, die auf die oben erwähnte Weise beim 
Schneiden entstanden sind, erhält dadurch eine Stütze, dass sie 
sich nicht in osmiertem und in Paraffin eingebettetem Material 
finden. 

Es geht aus dem Gesagten klar hervor, dass die Zellen 
des Thymusretikulums innerhalb der Rinde fettartige Körnchen 
schon während der frühen Periode enthalten, wo das Organ noch 
im Wachstum begriffen und von einer Involution nicht die Rede 
ist. Nachdem nach der Pubertätsperiode die Altersinvolution 
eingetreten ist, scheint dieses Vorkommen zwar an Umfang zu 
gewinnen, im übrigen aber im grossen und ganzen denselben 
Charakter wie vorher beizubehalten. Dies ist mit Sicherheit der 
Fall bis zu einem Alter von acht Monaten. In späteren Stadien 
wird die Deutlichkeit der Bilder durch die grosse Menge inter- 
lobulären Fettes getrübt. Wenn das Messer durch das Fett- 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. 331 


gewebe gepresst wird, werden viele von den grossen Fettzellen 
gesprengt, ihr Inhalt wird mitgerissen und kann sich als eine 
Flut von Tropfen über den ganzen Schnitt hin verbreiten und 
die Details desselben verdunkeln. Indessen scheint das Bild in 
diesen letzteren Stadien durch die gleichzeitig stattfindende Ver- 
minderung des Parenchyms in seiner Gesamtheit recht überein- 
stimmend mit dem zu werden, das durch Inanition junger Tiere 
erhalten, und das im folgenden beschrieben und abgebildet werden 
wird. Das fettführende Gebiet wird schmäler und konzentriert 
sich mehr nach der Peripherie der Läppchen hin. Doch bewirkt 
gerade diese gleichzeitig geschehende Verminderung des Volumens 
der Läppchen, dass die Zunahme des intraparenchymatösen Fettes 
nach der Pubertät wohl zu einem Teil eine scheinbare ist. 
Bezüglich der normalen, nicht altersinvolvierten Drüse liegt die 
Sache bedeutend einfacher, hier tritt ja gleichzeitig mit der Fett- 
zunahme eine Vermehrung des Volumens des Organs ein, und 
die absolute Zunahme ist hier demnach sogar grösser als die, 
welche direkt aus den Schnittbildern sich ergibt. In Anbetracht 
des Umstandes, dass somit vor der Altersinvolution mit Sicherheit 
eine progressive Zunahme der absoluten Menge des Fettes vor- 
kommt, liegen wohl recht gute Gründe für den Verdacht vor, 
dass die Zunahme auch nach der Pubertät reell und nicht nur 
scheinbar ist. 

Die eben gegebene Beschreibung gilt für völlig gesunde, 
wohlernährte Tiere, von denen ausser älteren Tieren besonders 
zwei parallele Serien von je zwölf Tieren, die sich auf die ersten 
acht Lebensmonate verteilten, untersucht wurden. 


III, Das Verhalten bei akzidenteller Involution durch 
Hunger und bei nachfolgender Regeneration. 


Die akzidentell involvierten Drüsen zeigen Bilder, die in 
recht charakteristischer Weise von den hier geschilderten normalen 
abweichen. Dies habe ich sowohl bezüglich der Thymusdrüsen 
coceidienkranker Tiere als auch experimentell konstatieren können, 
durch Inanition nach denselben Prinzipien, wie denen, die Jonsons 
Versuchen zugrunde liegen. 

In beiden Fällen nimmt die Menge des Fettes höchst 
beträchtlich und auf eine nahezu übereinstimmende Weise zu. 
Ich habe vier Inanitionsversuche angestellt mit insgesamt zwanzig 


392 Ruben Holmström: 


Tieren in einem Alter, das zwischen 1'/2 und 3 Monaten variiert, 
wobei ich diese Zunahme der Anzahl der Fettkörnchen ganz 
deutlich habe feststellen können. Schon zweitägiges vollständiges 
Fasten übt einen merkbaren Einfluss in dieser Richtung aus. 
Die fettführenden Zellen werden sowohl zahlreicher als auch 
stärker fettgefüllt, und das Bild entspricht ungefähr dem normalen 
bei einem Tiere, das 1—2 Monate älter ist als das Versuchstier. 
Diese Zunahme wird dann immer ausgesprochener. Fig. 8 zeigt 
die Thymus eines 2'/a Monate alten Tieres, das 7 Tage hindurch 
vollständigem Fasten unterworfen war, wonach es getötet wurde. 
Sein Zustand deutete da auf nahe bevorstehenden Tod. Das 
Körpergewicht war von 840 auf 660 g herabgegangen, das 
Thymusgewicht betrug 0,2 g gegen 1,2 g beim Kontrolltier. 
Hier ist der Prozess weiter gegangen als bei irgend einem der 
untersuchten normalen Tiere. (Fig. 7, Taf. XIII liefert zum 
Vergleich ein Bild aus der Thymus des Kontrolltieres.) Durch 
die Lymphocytenauswanderung und die damit stattfindende Volum- 
verminderung des Organs haben die Retikulumzellen ihre Ver- 
ästelung eingebüsst, und da ausserdem die Fettmenge beträchtlich 
zugenommen hat, erhält man das Bild grosser, runder, ange- 
schwellter Zellen, die mit grösseren und kleineren Körnchen 
angefüllt sind. Diese Zellen liegen immer noch in der Rinde, 
so lange man von einer solchen noch sprechen kann, und auch 
nachdem in den extremen Stadien die Grenze zwischen Mark 
und Rinde verschwunden ist, liegen sie andauernd in der Peri- 
pberie der Läppchen, dadurch eine Art Rindenbild hervorrufend 
(Fig. 10, Taf. XIII). In diesen Stadien treten, gleichwie in den 
späteren Altersstadien, auch vereinzelte fettführende Zellen im 
Marke auf. Gleichzeitig mit der Zunahme der Fettmenge werden 
auch hier die Bilder degenerierender Kerne zahlreicher (Fig. 15). 
Diese Hungerthymi sind es, wo ich die im folgenden geschilderten, 
spärlichen, mittels Ciaccios Methode I darstellbaren Körnchen 
gefunden habe. Eigentümlicherweise scheinen diese, wenn sie 
auch nicht ausschliesslich im Mark liegen, doch sehr oft ihren 
Platz dort zu haben. 

Die Zunahme der Fettmenge ist natürlich hier, gleichwie 
das bei der Altersinvolution der Fall ist, zu einem Teil scheinbar, 
wo es sich um die akzidentell involvierte Drüse handelt. In 
dieser nimmt ja mit der Involution der Umfang der Läppchen 


os 
© 
© 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 


höchst beträchtlich ab, und die schon vorher vorhandenen Fett- 
körnchen sammeln sich demnach in einem kleineren Volumen. 
Es liesse sich unter solchen Verhältnissen fragen, ob nicht die 
ganze Zunahme auf diese Weise ausschliesslich relativ wäre, 
beruhend auf Parenchymverminderung. Indessen zeigt ein Ver- 
gleich zwischen den Bildern von Kontrolltieren und Versuchs- 
tieren ziemlich deutlich, dass das nicht der Fall sein kann. 
Schon die auffällige Zunahme der Grösse und Anzahl der Fett- 
körnchen in der einzelnen Zelle weist bestimmt auf eine absolute 
Fettvermehrung hin. 

Eigentümlicherweise erwähnt Bell (1909), der sowohl gut 
ernährte als auch mit Hunger behandelte Tiere untersucht hat, 
nichts von einer solchen Zunahme der Fettmenge bei der akzi- 
dentellen Involution, wie sie hier für das Kaninchen beschrieben 
worden ist. Denkbar ist ja, dass die Verhältnisse bei der Tier- 
art, die er untersucht hat, nämlich dem Rind, andere sein konnten, 
und es läge solchenfalls ein bemerkenswerter Unterschied zwischen 
den beiden Tierarten vor. Viel wahrscheinlicher ist indessen 
meines Erachtens, dass die Sache infolge der Versuchsanordnung 
(möglicherweise zu kurze Versuchszeit) dem Untersucher ent- 
gangen ist. Bell führt nur den Umstand, dass die Fettmenge 
bei Hunger nicht abnimmt und bei Mästen nicht zunimmt, als 
einen Beweis dafür an, dass das Fett hier keine Reservenahrung 
bildet und überhaupt keinen Zusammenhang mit dem Ernährungs- 
zustande besitzt. 

Dagegen ist es nicht unbekannt, dass Hunger in den Epithel- 
zellen anderer Organe eine Fett- oder Lipoidanhäufung hervor- 
rufen oder vermehren kann. So hat Gesa-Bianchi (1909) 
bei fastenden weissen Mäusen in dem Epithel der Nierenkanäle 
gefunden, was er Myelin nennt, doppelbrechende Körnchen, die 
mit Neutralrot färbbar sind. Das Gleiche ist der Fall in der 
Leber. Dieses Myelin tritt jedoch erst in einem so späten 
Stadium der Inanition auf, dass die Tiere nicht mehr durch 
Zuführung von Nahrung gerettet werden können. Dass das 
Hervortreten der Lipoide in diesem Falle ein Zeichen von 
Degeneration innerhalb des betreffenden Epithels ist, ist dem- 
nach wohl ziemlich sicher. Inwiefern diese Bilder und diejenigen, 
die man in der akzidentell ivolvierten Thymus beim Kaninchen 
findet, identisch sind, lässt sich bei dem gegenwärtigen Stande 


334 Ruben Holmström: 


der Frage unmöglich beurteilen, eine gewisse Analogie scheint 
indessen vorzuliegen. 

Wie Jonson betreffs des Kaninchens gezeigt hat, ist die 
Thymus, nachdem sie durch Inanition involviert worden, für eine 
vermehrte Nahrungszufuhr sehr empfindlich, es ist mit anderen 
Worten leicht, auf solche Weise eine Regeneration des hunger- 
involvierten Organs herbeizuführen. Die Frage liegt daher nahe, 
wie es sich mit dem Fettgehalt unter diesen Umständen verhält. 
Ich habe mit Rücksicht hierauf einige meiner Hungerversuche mit 
Regenerationsversuchen verbunden. Fig. 9—12, Taf. XIII zeigen 
Thymusdrüsen aus einer solchen Serie. Von den Tieren, die zu 
Beginn des Versuches ungefähr 5 Wochen alt waren, wurden die 
drei in Fig. 10 —12 repräsentierten zuerst einer ziemlich starken 
Einschränkung der Fütterung 16 Tage lang unterzogen. Nach 
dieser Zeit wurde eines (Fig. 10) getötet und gleichzeitig auch 
das Kontrolltier (Fig. 9), das die ganze Zeit über Nahrung in 
reichlicher Menge erhalten hatte. Die beiden übrigen Tiere 
bekamen danach eine reichliche Kost, das eine (Fig. 11) 21/2 Tage 
lang, wonach es getötet wurde, das andere (Fig. 12) 3 Tage lang, 
wonach es gleichfalls getötet wurde. Das erste Versuchstier hatte 
während der Hungerperiode an Körpergewicht von 290 auf 255 g 
abgenommen. Das Thymusgewicht betrug 0,05 g gegen 0,4 g 
beim Kontrolltier. Wie aus dem Bilde (Fig. 10) hervorgeht, 
zeigen die Drüsen das typische Aussehen der Thymus eines 
Tieres, das langdauerndem Fasten unterworfen worden ist; die 
peripherischen Partien der stark verkleinerten Läppchen sind 
reichlich von fettführenden Zellen durchsetzt. Aber schon nach 
2'/2 Tagen (Fig. 11), also nach.einer Zeit, wo nach Jonsons 
Beschreibung die ersten augenfälligen Wirkungen der verbesserten 
Ernährungsverhältnisse im übrigen sich geltend machen, zeigt 
sich auch eine Veränderung bezüglich der Fettmenge. Das 
Körpergewicht des Tieres, das zu Beginn des Versuches ?90 g 
und zu Ende der Hungerperiode 260 g betrug, war bei der 
Tötung auf 340 g gestiegen. Das Thymusgewicht betrug 0,08 g, 
demnach eine ziemlich unbedeutende Zunahme gegenüber dem 
vorhergehenden. Nichtsdestoweniger zeigt sich das mikroskopische 
Bild beträchtlich verschieden von dem ersteren, indem die Fett- 
menge höchst wesentlich abgenommen hat. In noch höherem 
Grade ist dies der Fall nach achttägiger Ernährung, wie Fig. 12 


ou 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. 3a 


zeigt. Bei diesem Tier, bei dem das Körpergewicht 290 — 
250 — 370 g und das Thymusgewicht 0,25 g betrug, hat offen- 
bar der Fettgehalt so sehr abgenommen, dass der Unterschied 
zwischen dem Kontroll- und dem Versuchstier gering oder gleich 
Null ist. Ja, in Anbetracht dessen, dass die Thymus dieses 
Versuchstieres nur etwas mehr als die Hälfte von der des 
Kontrolltieres wiegt, scheint es, als wenn die Thymus auf die rasche 
Vermehrung der Menge der Nahrung mit einer Verminderung 
der absoluten Fettmenge antwortete, die diese unter das Normale 
senkt. Jedenfalls geschieht die Regeneration in dieser Hinsicht 
mindestens ebenso rasch wie die Wiederbildung der Lymphocyten. 

Zum Vergleich mit den Bildern, die man in der Thymus 
findet, habe ich auch in mehreren Fällen (normalen und Hunger- 
stadien) die Lymphdrüsen geschnitten und gefärbt. Diese zeigen 
nicht dasselbe Verhalten wie die Thymus. Zellen, die scharlach- 
färbbare Körnchen und Tropfen enthalten, finden sich zwar, 
obwohl spärlich; meistens gehören sie dem Sinusretikulum an. 
Ihre Anzahl variiert nicht in ähnlicher Weise, wie es in der 
Thymus der Fall ist. So zeigten beispielsweise die Lymphdrüsen 
der Tiere in einer Hungerserie mit bezw. 0, 2, 5 und 8 Tagen 
vollständigen Fastens nahezu identische Bilder in dieser Hinsicht. 


IV. Zur Frage der Beschaffenheit der Körnchen. 


In frischem und ungefärbtem Zustande haben die Körnchen 
einen schwach gelblichen Ton, etwas erinnernd an die Farbe 
der roten Blutkörperchen, was bewirkt, dass man schon ohne 
jedes tinktorielle Verfahren in einem Gefrierschnitt des frischen 
Organs sie beobachten kann. Diese Farbe geht bei Fixierung in 
Formol verloren. Bei Untersuchung in polarisiertem Licht zeigen 
sie sich isotrop.‘) Wird das Organ mit Os O4 oder Osmium- 
mischungen behandelt (gewöhnlich ist Flemmings Flüssigkeit, 
aber auch Altmanns Flüssigkeit angewandt worden), so zeigt es 
sich, dass die Körnchen meistens nicht direkt Osmium reduzieren. 
Erst bei Nachbehandlung mit Alkohol in steigender Konzentration 
erhalten sie in gewöhnlichen Fällen eine stahlgraue Farbe; in 
einzelnen Zellen können sie sich jedoch tiefschwarz zeigen; dieser 


!) Herrn Laborator Dr. G. Göthlin, der mir bei diesem Teil der 
Untersuchung wohlwollend seine Erfahrung zur Verfügung gestellt hat, 
spreche ich in diesem Zusammenhange meinen wärmsten Dank aus. 


336 Ruben Holmström: 


Unterschied tritt auch betreffs benachbarter Zellen in einer Weise 
hervor, der den Gedanken an einen nur auf topographischen 
Verhältnissen innerhalb des Materials beruhenden Gradunterschied 
der Einwirkung des Reagens ausschliesst. Einen Strukturunter- 
schied im übrigen zwischen Zellen mit graugefärbten und Zellen 
mit schwarzgefärbten Körnchen habe ich nicht konstatieren können. 
Die Löslichkeit der mit Osmium behandelten Körnchen in Xylol 
ist offenbar, ob sie nun graue oder schwarze Farbe angenommen 
haben, gleich Null oder wenigstens sehr gering, auch bei ziemlich 
gründlicher Xylolbehandlung. In Schnitten von Material, das in 
Paraffin mit Xylol als Vorhartz eingebettet worden war, traten 
sie unverändert hervor, trotz einer Behandlung zwecks der Ein- 
bettung mit Alkohol-Xylol, Xylol und warmem Xylolparaffin 
(37° C.) und dann der für die Paraffinauslösung erforderlichen 
Xylolbehandlung der Schnitte. Im Gegensatz zu dem, was in 
gewissem Grade bei Ciaccios Chromsalz-Sudanmethode der 
Fall zu sein scheint, ergibt die Behandlung mit Überosmium- 
säure dasselbe Resultat, sei es, dass man von frischem oder von 
formolbehandeltem Material ausgeht. 

Ciaccios Methode, zuerst zu chromieren, in Paraffın ein- 
zubetten und danach mit Sudan oder Scharlach zu färben, ergibt 
bei formolfixiertem Material, wenigstens wenn das Formol etwas 
längere Zeit hat einwirken dürfen, negatives Resultat; man kann 
mit anderen Worten mittels Chromsalz nicht die Fettkörnchen 
unlöslich in Xylol unter Beibehaltung ihrer Färbbarkeit in Sudan 
oder Scharlach machen. Bei der Anwendung der Methode direkt 
an frischem Material sieht es aus, als wenn das Resultat in 
gewissem Grade ein anderes wäre. Es zeigt sich nämlich dann 
in gewissen Fällen, dass eine geringe Anzahl Zellen gefärbte 
Körnchen enthalten. Indessen ist die Anordnung derselben eine 
andere als die, die sich bei direkter Färbung mit Scharlach zu 
erkennen gibt. Das Protoplasma der Zelle zeigt nämlich recht 
grosse Vakuolen, die dem Umfang nach den grösseren der in 
gewöhnlichen Fällen gefärbten Körnchen entsprechen, und zwischen 
diesen Vakuolen liegen feinere rote Körnchen, die bisweilen zu 
Schollen verklebt sind, welche halbmondförmig die Peripherie 
der Vakuolen umschliessen. Man erhält aus dem Bilde zunächst 
den Eindruck, dass die Zellen zwei verschiedene Arten von 
Körnchen enthalten, die nach der Uhromierung eine verschiedene 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 8337 


Löslichkeit in Xylol erhalten haben, so dass einige gelöst worden 
sind, einige zurückbleiben und sich färben. Die Möglichkeit ist 
indessen ja auch nicht ausgeschlossen, dass die Chromierung von 
zu kurzer Dauer gewesen ist, so dass nur die kleinsten Körnchen 
eine hinreichende Einwirkung haben erfahren können, und man 
sollte in solchem Falle ein anderes Resultat von einer angemessenen 
Änderung der von Ciaccio gegebenen Vorschriften, die ich 
genau befolgt habe, zu erwarten haben. Leider haben äussere 
Umstände mich gehindert, in diesem Punkte die Untersuchung 
fortzusetzen. Die Versuche, die ich angestellt habe, haben jeden- 
falls deutlich ergeben, dass mit dieser Methode I von Ciaccio 
die überwiegende Mehrzahl der hier fraglichen Körnchen negativ 
reagiert. Welche Bedeutung die wenigen Bilder entgegengesetzten 
Charakters haben können, die soeben geschildert worden sind, 
ist nicht leicht zu sagen, und eine bestimmte Auffassung auf 
die verhältnismässig wenigen Versuche, die ich angestellt habe. 
zu gründen, scheint mir nicht möglich. Dies gilt auch für einige 
Versuche mit der zweiten von Ciaccio angegebenen Methode 
(„Methode II“): Chromierung, Osmierung, Einbettung, Färbung 
mit Sudan. Es hat sich dabei gezeigt, dass die überwiegende 
Mehrzahl Körnchen von Osmium so wie bei Behandlung mit 
Flemmings Lösung gefärbt werden, eine sehr geringe Anzahl 
Körnchen aber, der Anzahl nach ungefähr den mit Ciaccio| 
färbbaren entsprechend, werden sowohl von Osmium wie von 
Scharlach gefärbt, so dass ein dunkelrotbrauner Ton entsteht. 

Aus mikrochemischen Reaktionen auf die chemische Natur 
dieser Bildungen einen Schluss zu ziehen, scheint aus oben 
angeführten Gründen schwierig. Geht man von den Angaben 
aus, die vorhanden sind, so liegt es jedoch am nächsten, an 
Neutralfett zu denken, obwohl auch Zeichen sich finden, die in 
eine andere Richtung weisen. Für die ersterwähnte Deutung 
spricht das Verhalten der Körnchen in polarisiertem Licht. Dass 
Neutralfett einfachbrechend ist, ist festgestellt worden, obgleich 
dies jedoch keineswegs entscheidend ist, da es ebenso sicher 
andere, fettähnliche Substanzen zu geben scheint, die gleichfalls 
diese Eigenschaft besitzen. Nach Munk (1908) soll die Doppel- 
brechung auf dem Vorkommen von Cholesterinester beruhen, 
und die Isotropie würde, wenn dies der Fall wäre, nur auf eine 
Abwesenheit von Cholesterin deuten. 


338 Ruben Holmström: 


CGiaccio betrachtet seine Methode I als eine zuverlässige 
mikrochemische Reaktion. Nach diesem Autor bleiben nach der 
Ohromierung Neutralfett und Cholesterin in Xylol und Schwefel- 
kohlenstoff löslich und würden demnach nicht mittels seiner 
Methode I gefärbt werden, während Leeithin und einige Lipoide 
Farbe annähmen und demnach durch das Chromsalz unlöslich 
gemacht worden wären. Nach Kaiserling (1910) reagieren 
alle anisotropen Lipoide auch positiv mit Ciaccio]J. Inwieweit 
diese Angaben allgemeingültig sind, dürfte sich wohl zurzeit noch 
nicht entscheiden lassen, sofern dies aber der Fall ist, weist ja 
der Ausgang der Versuche mit dieser Methode Ciaccios auch 
darauf hin, dass die in der Kaninchenthymus beobachteten Körnchen 
Fettcharakter besitzen. Eben daraufhin weist auch die Erfahrung 
von der Osmiumwirkung her. Starke (1895) zeigte, dass im 
Gegensatz zu der primären Osmiumreaktion des Oleins das, was 
er sekundäre Osmiumschwärzung nannte (d. h. der Umstand, dass 
die schwarze Farbe erst nach Alkoholbehandlung hervortritt), 
für Stearin- und Palmitinsäurederivate charakteristisch ist, eine 
Behauptung, die meines Wissens keinen Widerspruch erfahren 
hat. In dieselbe Richtung weist auch die Resistenz der Osmium- 
schwärzung gegen Xylol. Altmann (1890) gab an, dass diese 
am grössten bei Neutralfett ist, eine Angabe, die auch später 
Bestätigung gefunden zu haben scheint. 

Schwer ist es indessen unter solchen Verhältnissen, den 
hellen Ton zu erklären, den Osmium den meisten Körnchen in 
der Thymus verleiht. Alle Autoren äussern sich nämlich ein- 
stimmig in dem Sinne, dass gerade Neutralfett die tiefstschwarze 
Färbung bei (primärer resp. sekundärer) Osmiumreduktion gibt. 
Ein Versuch zu einer Erklärung scheint mir bezüglich dieser 
Frage gegenwärtig nicht angezeigt, vielmehr begnüge ich mich 
damit, auf die Tatsache hinzuweisen. 


V. Die Bedeutung der Körnchen. 


Dass die Körnchen, die hier Gegenstand der Untersuchung 
und Beschreibung gewesen sind, nichts direkt mit der in dem 
interstitiellen Gewebe vor sich gehenden Fettgewebsbildung zu 
tun haben, darüber scheint mir kein Zweifel herrschen zu können. 
Die Körnchen finden sich bereits beim Embryo und nehmen an 
Häufigkeit bis zur Pubertät zu, ohne dass während dieser ganzen 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. 339 


Periode interstitielle Fettgewebsbildung in der Thymus vorkommt. 
Wenn eine solche in der Regel um das Alter von 8 Monaten 
herum aufzutreten beginnt, hat das intraparenchymatöse Fett 
bereits eine starke Entwicklung erreicht. Und auch zu und nach 
diesem Zeitpunkt dürfte es schwer sein, einen Konnex zwischen 
diesen beiden Prozessen nachzuweisen. Ich glaube daher im Gegen- 
satz zu Herxheimer, dass es nicht möglich ist, das bei der 
regressiven Metamorphose des Organs auftretende Fett aus dem 
in demselben auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung befindlichen 
herzuleiten. Es handelt sich hier in diesem Falle um Prozesse, 
die zweifellos nicht nur von wesentlich verschiedener Lokali- 
sation — der eine in Bindegewebs-, der andere in Epithelzellen — 
sondern auch von wesentlich verschiedener Bedeutung sind. 

Hierfür wie auch überhaupt dafür, dass es sich betreffs des 
intraparenchymatösen Fettes nicht wie in den Fettzellen um eine 
angehäufte Reservenahrung handelt, spricht stark der Umstand, 
dass es bei Inanition, statt verbraucht zu werden, vielmehr in 
auffälliger Weise an Menge zunimmt. Dies erinnert offenbar 
stark an Cesa-Bianchis oben erwähnte Erfahrungen bezüglich 
des Verhaltens des Fettes in der Niere bei Inanition. Die Analogie 
mit diesen Erfahrungen legt nun die Annahme nahe, dass es sich 
auch in der Thymus um degenerative Veränderungen handelt. 

Herxheimer ist indessen zu einer anderen Auffassung 
sekommen. Er behauptet, dass es sich um einen physiologischen 
Infiltrationszustand in der Thymus handle, und stützt diese seine 
Auffassung auf: 1. die grosse Regelmässigkeit des Vorkommens, 
2. die charakteristische Anordnung, 3. das im übrigen normale 
Verhalten der Thymus und ihrer Zellen. 

Dass Fettkörnchen der fraglichen Art regelmässig in der 
Thymus normaler Tiere vorkommen, und zwar schon lange vor 
der Pubertät und der sich daran schliessenden Altersinvolution, 
ist sicher. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet lässt es 
sich nicht leugnen, dass es sich hier um eine physiologische, 
schon in dem normalen Organ vorkommende Erscheinung handelt. 
Dieser Umstand, dass das Organ sich in normalem Zustande 
befindet, und dass es sich solchenfalls weder um eine pathologische 
noch um eine physiologische Organ degeneration handelt, schliesst 
allerdings nicht aus, dass die einzelnen fettführenden Retikulum- 
zellen sich in Degeneration befinden können. Dass mit dem 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 24 


u 


340 Ruben Holmström: 


Auftreten der Fettkörnchen wirklich degenerative Veränderungen 
der fetthaltigen Zellen verknüpft sind, dafür spricht das bei fort- 
schreitendem Alter immer zahlreichere Vorkommen degenerierender 
Kerne innerhalb dieser Zellen. Dass ein funktioneller Verbrauch 
von Zellen innerhalb eines Organs oder eines (ewebes stattfindet, 
ist ja an und für sich nichts Ungewöhnliches, sondern bildet 
vielmehr die Regel. Es verdient hier besonders hervorgehoben 
zu werden, dass eine solche Degeneration einzelner Zellen keine 
Degeneration des Organs nach sich zu ziehen oder zu bedeuten 
braucht, da man gerade betreffs der Thymus nur allzuoft dies 
vergessen hat. 

Erst wenn die degenerativen Prozesse die Oberhand über 
die regenerativen gewinnen, tritt eine Degeneration des Organs 
ein. Dies scheint bis zu einem gewissen Grade bei der Thymus- 
involution stattzufinden, sei es, dass diese den Charakter der 
Altersinvolution oder akzidenteller Involution hat. Die Zunahme 
der Anzahl fettführender Retikulumzellen, die dann eintritt, 
spricht dafür, dass wir wahrscheinlich mit diesem Verhältnis als 
einem wirksamen Faktor, obwohl freilich nicht dem hauptsäch- 
lichen oder einzigen, bei der Verminderung zu rechnen haben, 
die das Parenchym dann erfährt. 

Dass es sich bei dem Auftreten des Fettes um eine Zufuhr 
ausserhalb der Retikulumzellen gebildeten Fettes zu denselben 
und somit um eine Fettinfiltration handeln sollte, scheint mir 
nicht sehr plausibel. Wohl ist wahr, dass Fettkörnchen sowohl 
intercellulär als auch innerhalb kleinerer Gefässe angetroffen 
worden sind, sowie dass die Retikulumzellen, wie Rudberg 
gezeigt hat, Phagozytose besitzen; die Bilder intercellulärer 
Körnchen sind jedoch, wie oben näher ausgeführt worden, wahr- 
scheinlich meistens Artefakte, und innerhalb der Gefässe werden 
Körnchen so selten angetroffen, dass sich darauf eine Annahme 
bezüglich ihrer Zufuhr von aussen her nicht gründen lässt. Eher 
bin ich geneigt, in diesem Falle an einen Transport des Fettes 
aus der Thymus heraus zu denken. 

Aus dem hier Gesagten geht hervor, dass das Vorkommen 
des intraparenchymatösen Fettes zunächst der Ausdruck einer 
Fettdegeneration einiger Retikulumzellen zu sein scheint, wie 
sie normal schon bei der Geburt vorkommt und danach einen 
progressiven Charakter zeigt, der beim Eintritt der Altersinvolution 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 341 


bei der Pubertät besonders augenfällig wird. Bei gewissen Formen 
von akzidenteller Involution (nach Hunger und Coccidiose) nimmt 
sie gleichfalls in hohem Grade an Umfang zu. 

Einer solchen Auffassung widersprechen keineswegs die in 
gewissen Hinsichten abweichenden Verhältnisse, die bei anderen 
Tieren als dem Kaninchen angetroffen worden sind. Ja, das 
Vorkommen eines gleichartigen Prozesses auch in dem Inneren 
der Hassallschen Körperchen bei gewissen Spezies, wie der 
Katze und dem Menschen, scheinen mir bis zu einem gewissen 
Grade eine weitere Stütze für dieselbe abzugeben. 


VI. Das Verhältnis bei einigen anderen Tierarten 
als dem Kaninchen. 


Bei den anderen Tierarten, die ich untersucht habe, habe 
ich im allgemeinen die Verhältnisse vergleichbar mit denen beim 
Kaninchen gefunden, wenn sie auch nicht immer mit ihnen identisch 
sind. Fettkörnchenführende Zellen, oder vielleicht besser, da ich 
bei den übrigen Tieren im allgemeinen nur Scharlachfärbung 
angewandt habe, Zellen, die scharlachfärbbare Körnchen und 
Tropfen enthalten, scheinen ziemlich konstant aufzutreten, obwohl 
in wechselnder Menge und verschiedener Anordnung. 

Bei einem jungen Exemplar von Chimaera monstrosa, das 
ich untersucht habe, fehlten sie aber vollständig. 

In der Froschthymus sind die Körnchen sehr selten; sie 
liegen auch hier in den Retikulumzellen, aber sehr spärlich; in 
gewissen Schnitten von 30 « Dicke, die den Durchschnitt des 
ganzen Organs umfassen, sind überhaupt keine, und im allgemeinen 
nur eins bis zwei Zellen in jedem solchen Schnitt zu sehen. Etwas 
Entsprechendes zu der akzidentellen Involutionszunahme beim 
Kaninchen scheint auch beim Frosch vorhanden zu sein. Bei Tieren, 
die vor der Tötung in einem Bassin im Zimmer eine Woche lang 
ohne Nahrung aufbewahrt worden waren, war die Fettmenge (aller- 
dings nur wenig) vermehrt. Die myoiden Zellen sind stets fettfrei. 

Beim Huhn dagegen finden sich die Körnchen konstant. 
Hier sind sie auf die Epithelzellenhaufen im Mark konzentriert, 
wo sie sich oft in der Umgebung degenerierender Kerne finden 
(Bat. XITNBIESI6)» 

Von Säugetieren sind ausser dem Kaninchen Mensch, Kalb, 
Hund, Katze und Maus untersucht worden. Auch diese zeigen 


24* 


342 Ruben Holmström: 


stets die scharlachfärbbaren Körnchen. In Übereinstimmung mit 
dem, was beim Kaninchen der Fall ist, liegen sie bei der Maus 
fast ausschliesslich in der Rinde. Bei diesem Tier liegen sie 
jedoch bemerkenswert oft in den Gefässlumina dicht zwischen die 
dieselben ausfüllenden roten Blutkörperchen gestreut. Doch 
variiert auch dieses Bild, so dass man sie in gewissen Thymus- 
drüsen gar nicht in den Gefässen, sondern nur in den Retikulum- 
zellen findet. 

bei Hund, Katze, Kalb sind die Körnchen vorzugsweise im 
Mark lokalisiert, und bei allen diesen Tieren finden sie sich auch 
in den Hassallschen Körperchen. Besonders bei der Katze 
(Fig. 17) zeigt das Bild einen prägnanten Unterschied bei einem 
Vergleich mit der Kaninchenthymus. Die Fettkörnchenzellen 
gehören hier den äusseren Teilen des Markes an, wodurch man, 
besonders in den Fällen, wo sie reichlich vorkommen, eine sehr 
scharf markierte Grenze zwischen Mark und Rinde schon in 
dem nicht kerngefärbten Schnitt erhält. Doch fehlen die Körnchen 
auch hier nicht vollständig in der Rinde, sondern man sieht 
auch in dieser feine Körnchen verstreut. Die Hassallschen 
Körperchen sind der Regel nach reichlich von den roten Körnchen 
durchsetzt, die hier oft zu grösseren Schollen zusammengebackt 
sind. Ungefähr dasselbe Bild trifft man beim Hund und beim 
Kalbe an, obwohl mit geringen Modifikationen. So ist z. B. die 
Fettanhäufung in den Hassallschen Körperchen beim Kalbe 
nicht so ausgeprägt wie bei der Katze. 

Von Menschenthymi habe ich teils solche von Unfällen, teils 
von akut verlaufenen Krankheiten her untersucht. Bezüglich des 
Ortes des Fettes bildet die Menschenthymus eine Zwischenform 
zwischen den Extremen, welche Katze und Kaninchen darstellen 
(Fig. 18). Auch beim Menschen liegen sie zwar überwiegend in 
der Rinde, in beträchtlicher Menge jedoch auch im Mark. Beim 
Menschen finden sie sich nicht so konstant in den Hassallschen 
Körperchen wie z. B. bei der Katze; ziemlich oft ist dies aber 
doch der Fall, und diese Hassallschen Körperchen sind dann 
sehr reichlich von grösseren und kleineren Körnchen durchsetzt. 
Nicht selten sieht man das Fett auch hier in Gefässlumina liegen. 

Das verschiedene Vorkommen von Fett im Inneren der 
Hassallschen Körperchen bei verschiedenen Spezies — die 
Extreme werden hierbei vom Kaninchen, wo es regelmässig fehlt, 


Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. >43 


nnd von der Katze, wo es reichlich und regelmässig vorhanden 
ist, repräsentiert — ermangelt nicht des Interesses. Es liefert 
eine Bestätigung für die Bemerkung Hammars (1910, S. 97), 
dass die hier vor sich gehenden Prozesse, obwohl stets degene- 
rativer Natur, nicht bei allen Tieren denselben Charakter besitzen. 
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir, wie von gewissen Seiten 
vermutet worden ist, in diesen Degenerationsprodukten das Wesent- 
liche der Organfunktion zu sehen haben, wird dadurch wesentlich 
vermindert. 


1le 


Zusammenfassung. 


Mit Scharlach R färbbare feine Körnchen und Tröpfchen 
kommen in der Kaninchenthymus normal und konstant 
vor. Ihre Anzahl nimmt von der Geburt an mit steigendem 
Alter zu. Die Körnchen gehören beim Kaninchen fast aus- 
schliesslich der Rinde an, in vereinzelten Fällen und dann 
in spärlicherMenge sind sie auch im Mark anzutreffen. Sie 
liegen vorzugsweise im Inneren der Retikulumzellen, um 
den Kern herum gruppiert, der nicht selten Degenerations- 
zeichen aufweist: in den Lymphoeyten scheinen sie ganz 
zu fehlen. Dann und wann findet man solche auch 
intravaskulär. Ihr Vorkommen zwischen den Zellen des 
Parenchyms dürfte meistens artefakter Natur sein. Die 
Hassallschen Körperchen enthalten beim Kaninchen nie 
solche Körnchen. 


. Die Körnchen sind einfachbrechend und werden durch 


fettlösendes Reagens herausgelöst; sie werden im all- 
gemeinen von Os O4 mit nachfolgender Spiritusbehandlung 
grau gefärbt. Die Mehrzahl ihrer Reaktionen im übrigen 
stimmt mit denen des Fettes überein. 

Bei akzidenteller Involution, hervorgerufen durch Hunger 
oder Coccidiose, nimmt die Anzahl dieser Körnchen 
rasch und in auffallendem Grade zu. Bei eingetretener 
Regeneration nimmt ihre Menge ebenso rasch ab. 


. Die Körnchen haben nichts mit der interstitiellen Fett- 


gewebsbildung im Organ zu tun. Sie scheinen nur den 
Ausdruck eines degenerativen Prozesses in gewissen 
Retikulumzellen zu bilden, der normal vorkommt und bei 
der Involution des Organs infolge Alters oder Ernährungs- 
störung bedeutend an Umfang zunimmt. 


344 Ruben Holmström: 


5. Derartige Körnchen kommen innerhalb der Thymus bei 
den meisten untersuchten Tieren vor. Die Lokalisation 
im Verhältnis zu dem Parenchymgebiet wechselt bei 
verschiedenen Spezies. Bei gewissen, wie der Katze, 
finden sie sich vorzugsweise im Mark; bei Katze, Hund 
und Mensch sind sie in beträchtlicher Menge auch im 
Inneren der Hassallschen Körperchen angetroffen worden. 


Uppsala, im Maıl1011: 


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Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 345 


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Watney, H., 1882: The minute anatomy of the thymus. Phil. transact. 
ofthe R.Soc. Ref. in: Hammar: Fünfzig Jahre Thymusforschung, 1910 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII. 


Die Fig. 1—15 stammen sämtlich vom Kaninchen her. 
Fig. 1—6. Thymi von normalen Tieren, im Alter von 1 Woche (1), 1 Monat 
(2), 2 Monat (3), 3 Monat (4), 5 Monat (6). Formolgefrierschnitte, 
30 u, Scharlach R. Vergr. 16:1. 
Fig. 7—8. Inanitionsversuch. Fig. 7 Kontrolltier; Fig. 8 Versuchstier ; 
Inanition 7 Tage. Formolgefrierschnitte, 30 , Scharlach R. 
Vergr. 25:1. 
Fig. 9—12. Regenerationsversuch: Formolgefrierschnitte, 30 ‚, Scharlach R. 
Vergr. 25:1. 
Fig. 9. Kontrolltier. 
Fig. 10. Imanition, chronisch, 16 Tage dauernd. 
Fig. 11. Inanition 16 Tage, Ernährung 2!/. Tage. 
Fig. 12. Inanition 16 Tage, Ernährung 8 Tage. 
Fig. 13. Retikulumzelle von der Markrindengrenze, enthaltend Fettkörnchen: 
Scharlach, Hämatoxylin. Leitz, Obj. 7, Ok. 4. 
Fig. 14. Kapillar, enthaltend Fettkörnchen und rote Blutkörperchen. 
Isolationspräparat, Scharlach R. Leitz, Obj. 7, Ok.5. 
Fig. 15. Retikulumzelle mit pyknotischem Kern und Fettröpfchen, Scharlach, 
Hämatoxylin. Leitz, Obj. 7, Ok.5. 
ig. 16. Huhn. Formolgefrierschnitt, Scharlach R, Hämatoxylin. Leitz 
!iıe hom. Imm., Ok. 5. 
br, 17. Katze. Formolgefrierschnitt, 30 «, Scharlach R. Vergy, 16 :1. 
F. 18. Mädchen, 11 Jahre alt. Formolgefrierschnitt, 30 „, Scharlach R 
Vergr. 16 :1. 


Über feinere Strukturen und die Anordnung des 
Glykogens im Magen und Darmkanai. 
Von 
Prof. Dr. Julius Arnold in Heidelberg. 


Hierzu Tafel XIV. 


Seit einer nach heutigen Begriffen langen Zeit bin ich 
bestrebt, Beiträge zur Lehre von den Plasmosomen zu liefern 
und den Nachweis zu führen, dass diese Gebilde als präformierte 
und mit wichtigen Funktionen betraute Strukturbestandteile der 
Zellen — als Organellen — anzusehen sind. — Schon bei den 
ersten Gängen auf diesem Arbeitsgebiet war ich zu der Über- 
zeugung gelangt, dass man sich bei der Erforschung eines so 
bedeutungsvollen Problems nicht auf die Untersuchung fixierter 
Präparate, so unerlässlich diese ist, beschränken darf. Es wurden 
deshalb ausser dieser zahlreiche Beobachtungen am lebenden, 
überlebenden und namentlich auch vital gefärbten Objekte, an 
welchem sich unter gewissen Bedingungen die einzelnen Phasen 
der Granulafärbung direkt unter dem Mikroskop verfolgen lassen, 
ausgeführt. Ferner erwies es sich als erforderlich und die 
morphologischen Anschauungen über den Aufbau der Zellen sehr 
fördernd, die in diesen sich abspielenden Vorgänge der Assimilation 
und Synthese, sowie diejenigen der äusseren und inneren Sekretion 
einer eingehenden Beobachtung zu unterziehen. Diese Vereinigung 
biologischer und morphologischer Forschungsmethoden hat sich 
bewährt. Wir verdanken ihr die wichtigen Ergebnisse, dass die 
Plasmosomen bei der Umsetzung von Farbstoffen, Fetten, Glykogen, 
Eisen, Pigment usw. sich beteiligen. Es sind in dieser Hinsich 
namentlich die Tatsachen zu berücksichtigen, dass solche Granu! 
zu Fäden des Plasmas in Beziehung stehen und dass nach Er 
fernung der Farbstoffe, der Fette und des Glykogens die Granw- 
substanz zurückbleibt; es können somit dieselben nicht als Nied'- 
schläge, emulsive Tropfen, beliebige intracelluläre Ausscheiduren 
oder in die Zellen aufgenommene extracelluläre Gebilde angesten 
werden. Die meisten neueren Beobachter stimmen darin übein, 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 347 


dass viele bei der äusseren Sekretion auftretende Granula als 
umgewandelte Strukturbestandteile aufgefasst werden müssen. 
Durch die Mitochondrienforschung sind unsere diesen Gegenstand 
betreffenden Kenntnisse sehr gefördert worden, indem schon früher 
bekannte Tatsachen durch sie bestätigt und neue hinzugefügt 
wurden. Dass bei der inneren Sekretion die Granula eine Rolle 
spielen, dafür sprechen die Befunde an weissen Blutkörpern und 
verschiedenen Drüsenformen. 

In den nachfolgenden Zeilen soll über Plasmosomen und 
Granula der Magen- und Darmepithelien, sowie über deren 
Beziehung zu Plasmafäden und die Anordnung des Glykogens in 
ihnen berichtet werden. Ich habe auch bei diesen Untersuchungen 
Beobachtungen an lebenden, überlebenden und vital gefärbten 
Objekten, sowie an nach verschiedenen Methoden fixierten Präpa- 
raten angestellt. Über die Befunde an den ersteren wurde schon 
an einer anderen Stelle (Nr. 9) berichtet; es seien deshalb hier 
nur die wesentlichsten Ergebnisse mitgeteilt. 

Bei der Verfütterung von Neutralrot wird im Magen und 
Darm der Farbstoff, wie die Betrachtung des überlebenden und 
fixierten Objekts lehrt, von den Granula aufgenommen; die Grenz- 
säume bleiben ungefärbt: das übrige Plasma wird nicht oder 
nur schwach gefärbt: ebenso erfolgt keine Kernfärbung. Die 
Fäden, zu welchen die Granula in Beziehung stehen, nehmen nur 
ausnahmsweise Farbe an. Die Verteilung der gefärbten Granula 
innerhalb der Zelle ist je nach der Phase der Resorption eine 
verschiedene. Am häufigsten liegen sie zwischen Grenzsaum und 
Kern oder unterhalb dieses, seltener paranukleär; zuweilen er- 
füllen sie die ganze Zelle mehr oder weniger gleichmässig. In 
der Substanz der Schleimhaut finden sich rundliche, spindelförmige 
und verästelte, Farbstoftkörnchen enthaltende Figuren; sie ent- 
sprechen Leukocyten und Lymphocyten, sowie Bindegewebszellen. 

Bei der Verfütterung von Methylenblau (Versuche wie sie 
schon von R. Heidenhain, Höber und Schmidt vorgenommen 
wurden), war die Anordnung der Granula im wesentlichen die 
gleiche; doch erschien mir ihre Zahl spärlicher, auch traten sie 
am lebenden Objekt später auf; ein Verhalten, das vermutlich mit 
der geringeren Lipoidlöslichkeit des Methylenblaus zusammenhängt. 

Erwähnen will ich noch das Vorkommen von netzförmigen 
Zeichnungen, welche auf eine Füllung der interepithelialen Räume 


348 Juliws Arnold: 


mit Farbstoff bezogen werden müssen. Höber hat solche netz- 
förmigen Figuren an vitalgefärbten Methylenblaupräparaten bei 
Zusatz von molybdänsaurem Ammoniak, ebenso bei gleichzeitiger 
Verfütterung von Methylenblau und Ammoniummolybdat beobachtet. 
Er nimmt an, dass das Methylenblau aus den Granula aus- 
geschwemmt und durch das Ammoniummolybdat interepithelial 
gefällt wird. Da ich solche Bilder auch bei der Anwendung von 
Konservierungsmitteln, durch welche das Methylenblau intracellulär 
gefällt wird, erhielt, dünkt es mir wahrscheinlich, dass auch unter 
anderen Bedingungen eine Füllung der interepithelialen Bahnen 
mit Farbstoff erfolgen kann; es ist wohl in dieser Hinsicht die 
Zufuhr grösserer Mengen und konzentrierter Lösungen des Farb- 
stoffs und eine durch diese hervorgerufene Schädigung der Schluss- 
leisten zu berücksichtigen. Vielleicht sind nur konzentrierte 
Lösungen in den interepithelialen Räumen nachweisbar. Für die 
Möglichkeit einer vitalen interepithelialen Resorption solcher 
Farbstoffe spricht auch der Befund von gefärbten Netzen in der 
Mukosa und Submukosa, welche den Saft- und Lymphbahnen 
entsprechen. Die Resorption von Neutralrot und Methylenblau 
scheint im Darm ausgiebiger zu erfolgen als im Magen. 

Ich darf nicht versäumen, auf den interessanten Befund von 
Schmidt aufmerksam zu machen, der bei der gleichzeitigen 
Verfütterung von Methylenblau und Sahne in dem gleichen Granulum 
Farbstoff und Fett nachweisen konnte. Bezüglich der Über- 
einstimmung der Bilder bei der Resorption von Farbstoffen und 
Fetten verweise ich auf meine früheren Mitteilungen (Nr. 7 u. 9). 
In beiden Fällen erweisen sich die Grenzsäume, auch wenn die 
Zellen Farbstoff oder Fett in grosser Menge enthalten, frei von 
solchen Substanzen; die reihenförmige Anordnung der Granula 
und ihre Beziehung zu Fäden ist bei Fettgranula und Farbstoft- 
granula die gleiche, ebenso die Bindung dieser Stoffe an die in 
der Mukosa gelegenen zelligen Elemente. 


Methoden und Material. 


Die eben geschilderten Verhältnisse wurden teils an nicht 
fixierten, teils an fixierten vital gefärbten Objekten festgestellt. 
Wie bekannt, stösst die Konservierung namentlich von Neutralrot- 
präparaten auf grosse Schwierigkeiten. Ich habe zahlreiche Ver- 
suche, z.B. mit den von Golovine angegebenen Methoden, 


Die Anordnung des Glykogens im Magen nnd Darmkanal. 349 


angestellt; leider mit ungenügendem Erfolg. Befriedigende 
Resultate erhielt ich mit der von Gross zur Darstellung vitaler 
Granulabilder der Niere angewandten Fixierung. Die Methode 
umgeht durch Härtung in Formoldämpfen die Veränderungen, 
wie sie bei Anwendung flüssiger Fixierungsmittel infolge von 
Diffusionsvorgängen hervorgerufen werden. Bezüglich der Einzel- 
heiten verweise ich auf meine oben erwähnte Arbeit (Nr. 9), sowie 
auf diejenige von Gross (Zieglers Beiträge 1911). 

Von anderen Konservierungs- und Tinktionsmethoden kamen 
folgende in Anwendung: 

1. Das Bendasche Chromosmiumgemisch, in welchem kleine 
Stücke mindestens acht Tage liegen blieben, Behandlung 
mit Alkohol von steigender Konzentration, Cedernöl und 
Einbettung in Paraffin; die entparaffinierten Präparate 
wurden nach der Heidenhainschen Eisenhämatoxylin- 
metbode gefärbt. Empfehlenswert ist die nachträgliche 
Färbung mit Kristallviolett und die Differenzierung 
mittels Nelkenöl-Aceton (9:1). 

2. Die von OÖ. Schultze angegebene Osmiumhämatoxylin- 
methode, die sich mir bei der Untersuchung feinerer 
Strukturen als sehr leistungsfähig erwiesen hat. Genauere 
Vorschriften war Herr Kollege Schultze so liebenswürdig 
mir brieflich mitzuteilen.') 

Die von Schridde modifizierte Altmannsche Granula- 
methode. 

4. Sublimatchlornatrium ohne Zusatz von Eisessig und 
Färbung mit Hämatoxylin, Thionin, Mucikarmin, Kristall- 
violett etc. 

Behufs Darstellung des Glykogens brachte ich die Jod- 
methoden, die von Meyer angegebene Tinte, namentlich 
aber die Bestsche Karminmethode in Anwendung. Be- 
züglich der Löslichkeit in Speichel verhielt sich das 
Glykogen des Magens und Darms wie das an anderen 
Orten verschieden. Manchmal erwies es sich als leicht- 
löslich, oder es kam zu diffuser fleckweiser Färbung oder 
aber es erfolgte selbst nach mehrtägiger Einwirkung des 


os 


[oil 


') Unterdessen ist eine ausführliche Mitteilung: „Über die Anwendung 
der Osmiumsäure und eine neue Osmiumhämatoxylinmethode“ in der Zeit- 
schrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Bd. XXVII, 1910, erschienen. 


350 Julius Arnold: 


Speichels keine vollständige Lösung. Eine Gesetzmässig- 
keit konnte ich in dieser Hinsicht nicht auffinden. Der 
Darminhalt, namentlich auch Amylumkörper wurden durch 
Bestsches Karmin sehr oft intensiv gefärbt (s. unten). 
Untersucht wurden Magen und Darm vom Frosch (Rana 
esculenta und fusca), Maus, Ratte, Katze und Hund. Es finden 
sich in der Literatur vielfach Angaben über die grössere Ver- 
wertbarkeit bald dieser bald jener Art zur Erforschung feinerer 
Strukturen. Nach meiner Erfahrung spielen die Art und Weise 
der Fixierung, die Menge der Konservierungsflüssigkeiten, die 
Funktionszustände u. dgl. eine viel grössere Rolle. Ich darf auf 
eine ausführliche Erörterung dieser Verhältnisse verzichten, weil 
sie jedem Mikroskopiker von Beruf geläufig sind. Dass man sich 
nicht auf die Anwendung einer Methode beschränken darf, dafür 
finden sich in den folgenden Zeilen zahlreiche Belege. 


Frosch. 


Magen. An Benda-Heidenhainpräparaten erscheinen 
die Oberflächenepithelien, deren Formen allgemein bekannt sind, 
fein bestäubt, manchmal fein granuliert, mit reihenförmiger An- 
ordnung der Granula; eine deutliche Längsstreifung konnte ich 
nicht wahrnehmen. Andere Zellen zeigen namentlich am Ober- 
ende eine netzförmige oder wabige Architektur. Die Abgrenzung 
der Zellen gegen das Magenlumen ist bald eine geradlinige, bald 
eine mehr gebogene; sehr häufig wird sie durch kürzere und 
längere, schmale oder mehr kegelförmige Fortsätze unterbrochen, 
oftenbar aus der Zelle austretende Sekretmassen. Die seitliche 
Abgrenzung der Zellen wird durch dunkle Linien dargestellt, wie 
dies namentlich an Flächenansichten sehr deutlich ist. Bei der 
Nachfärbung mit Kristallviolett nimmt der supranukleäre Ab- 
schnitt bald nur nächst dem Saum, bald in grösserer Ausdehnung 
in der Richtung gegen den Kern eine dunklere Färbung an: es 
kommen gefärbte Granula zum Vorschein, welche aber auch infra- 
nukleäre Lage darbieten können. 

Färbt man Sublimatpräparate mit Thionin, so nimmt das 
Plasma einen hellblauen Ton an; die die Zellen überragenden 
Fortsätze sind etwas intensiver blau gefärbt, zeigen aber keine 
Metachromasie. Bei der Tinktion mit Mucikarmin wird das 
Zellplasma nebst Fortsätzen und zwar ausschliesslich der supra- 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 351 


nukleäre Abschnitt bald in grösserer, bald in geringerer Ausdehnung 
rot gefärbt; das gefärbte Plasma erscheint fein bestäubt oder deutlich 
granulär, manchmal netzförmig mit eingelagerten Granula (Fig. 4). 
Das Bild erinnert dem Verhalten der Granula nach einerseits an 
die Bilder bei vitaler Färbung, andererseits an diejenigen, welche 
ich bei der Mucinausscheidung in der Froschhaut erhielt (Fig. 5). 

An dem Ausgang der Drüsen ist die Anordnung der Zellen 
im wesentlichen die gleiche. Am Übergang in den eigentlichen 
Drüsenkörper liegen helle Zellen, welche wohl mit den sogenannten 
Halszellen identisch sind. Sie besitzen einen schmalen Plasma- 
saum; der Kern liegt, peripher; die Mitte wird durch eine helle 
Substanz eingenommen, welche bald homogen, bald fädig oder 
netzförmig beschaffen ist und an Sublimat-Mucikarminpräparaten 
rötlich gefärbt erscheint. 

Die Zellen des eigentlichen Drüsenkörpers sind bald heller, 
bald dunkler, an Benda-Heidenhainpräparaten die ersteren 
bestäubt, die letzteren granuliert. Auf Thionin und Mucikarmin 
reagieren an Sublimatpräparaten weder die einen noch die anderen 
deutlich; sie nehmen bei Anwendung des letzteren auch dann 
höchstens einen schwach rötlichen Ton an, wenn die Zellen der 
Oberfläche und des Ausgangs intensiv tingiert sind. Eine Gesetz- 
mässigkeit in der Verteilung der Zellen innerhalb des Drüsen- 
schlauches war nicht nachzuweisen. 

Anordnung des Glykogens. Die Obertlächenepithelien 
führen Glykogen in wechselnder Menge und Anordnung. Viele 
Zellen enthalten Glykogengranula vorwiegend oder ausschliesslich 
in dem supranukleären Abschnitt manchmal nur nächst dem Saum, 
andere in der ganzen Ausdehnung bis zum Kern (Fig. 1 und 2). 
Werden die Grenzsäume durch Fortsätze unterbrochen, dann können 
auch diese Glykogengranula führen. In anderen Zellen werden die 
Kerne, in welchen ich niemals Glykogen nachweisen konnte, von 
Glykogengranula umgeben oder diese nehmen mehr die infra- 
nukleären Abschnitte der Zellen ein, zuweilen sind die Glykogen- 
granula mehr gleichmässig über die Zelle verteilt (Fig. 2). Von 
der Fläche gesehen stellen sich die glykogenhaltigen Partien 
als rote, von hellen Linien umsäumte Felder dar, ähnlich wie bei 
der vitalen Färbung mit Neutralrot. Selten erscheinen die Felder 
hell und durch rote Linien begrenzt, mit Knotenpunkten an den 
Verbindungsstellen wie am Methylenblaupräparat. 


>) 
ou 
DD 


Julius Arezmioide: 


Die Topographie der Glykogenverteilung wechselt. Manchmal 
findet man glykogenhaltige Zellen nur stellenweise namentlich auf 
der Höhe der Schleimhautkuppen oder aber auf eine grössere Fläche 
gleichmässig verteilt. Die Glykogengranula sind gewöhnlich sehr 
klein, manchmal nur mit den stärksten Vergrösserungen zu 
erkennen, so dass die Zellen oft nur wie bestäubt erscheinen, zu- 
weilen aber grösser. Erfüllen die Granula die Zellen, wie sehr oft, 
mehr oder weniger vollständig, so ist ihre Beziehung zu anderen 
Strukturbestandteilen nicht zu ermitteln; dagegen gelingt es an 
Zellen, welche weniger Granula enthalten, eine reihenförmige 
Aufstellung und ihre Beziehung zu teils ungefärbten, teils gefärbten 
Fäden nachzuweisen, wie ich dies an mit Neutralrot vital gefärbten 
Präparaten beschrieben habe. Eine Verlagerung des Glykogens, 
wie sie an anderen Zellen so häufig vorkommt, scheint an Ober- 
flächenepithelien vielleicht wegen des ausgiebigen Gehalts an 
solchen Granula nicht, stärkere diffuse Färbungen nur nach der 
Einwirkung von Speichel vorzukommen. 

Die glykogenhaltigen Zellen erstrecken sich meistens nur 
in den Anfangsteil des Drüsenausgangs, zuweilen aber auch tiefer 
hinein, so namentlich im Pförtner; daselbst finden sich oft rote 
Begrenzungen zwischen ungefärbten Zellen. 

Die Halszellen enthalten Glykogen, auch wenn die ober- 
flächlichen Epithelien und diejenigen des Drüsenausgangs kein 
oder nur wenig Glykogen führen (Fig. 3). Manchmal fallen diese 
Zellformen durch ihre Grösse und intensive Farbe auf oder aber 
sie werden von dunkelrot gefärbten Fäden durchsetzt oder sie 
sind mit einer gleichmässig gefärbten Substanz erfüllt. 

In den Zellen des eigentlichen Drüsenkörpers findet sich 
namentlich bei ausgiebigem Glykogengehalt der Epithelien der 
Oberfläche und des Drüsenausgangs fast immer solches in bald 
grösserer, bald geringerer Menge; es kann aber auch unter 
solchen Verhältnissen vollständig fehlen. Auf ein Abhängigkeits- 
verhältnis des Glykogengehalts an beiden Stellen darf nicht 
geschlossen werden; die Drüsenzellen können Glykogen ent- 
halten, wenn in den Öberflächenepithelien der gleichen Schleim- 
hautstelle solches vermisst wird. Meistens ist der obere Abschnitt 
des Drüsenkörpers reicher an Glykogen wie der untere; es kommt 
aber auch Glykogen in Zellen des Drüsengrundes vor bei Mangel 
in höheren Abschnitten. Die Verteilung des Glykogens in ein 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 393 


und demselben Drüsenkörper wechselt. Es finden sich glykogen- 
haltige Zellen neben glykogenfreien; die dunklen Zellen enthalten, 
wie es scheint, häufiger Glykogen als die hellen. In der Mehr- 
zahl der Zellen sind die Glykogengranula so fein, dass die ersteren 
wie bestäubt sich darstellen; es kommen aber auch grössere 
Granula in ihnen vor. Verlagerung des Glykogens tritt in den 
Drüsenzellen sehr häufig ein. 

Im Lumen des Magens findet man ausser gefärbtem Inhalt 
namentlich nach Best sich mehr oder weniger stark färbende 
Amylumarten, eosinophile Zellen und andere Leukocyten, welche 
Glykogengranula enthalten; ebensolche trifft man neben glykogen- 
führenden Bindegewebszellen in der Schleimhaut, ferner Glykogen- 
granula in der Muskularis, welche wohl Sarkosomen entsprechen. 

Bei Fütterungsversuchen mit Dextrose und Pepton erhielt 
ich kein eindeutiges Ergebnis. Die Beurteilung des Glykogen- 
gehalts des Magens unter solchen Bedingungen wird dadurch 
sehr erschwert, dass Frösche, auch wenn sie nicht gefüttert 
wurden, beträchtliche Mengen von Glykogen in der Schleimhaut 
des Magens aufwiesen. 

Darm. Die Epithelien zeigen sich mehr oder weniger 
deutlich längs gestreift. Diese Zeichnung ist angedeutet schon 
an Alkoholpräparaten, ausgesprochen an Sublimat-Heidenhain- 
und Benda-Heidenhainpräparaten. Sehr oft wird sie durch 
eine reihenförmige Anordnung feinster Granula ersetzt. Nächst 
dem Grenzsaum ist das Plasma dichter, über und unter dem 
Kern lockerer gefügt, so dass es mehr wabig erscheint; über- 
haupt ist die Architektur der perinukleären Zonen offenbar je 
nach Funktion sehr wechselnd. Färbt man solche Präparate mit 
Kristallviolett nach, so werden die Granula und deren Beziehung 
zu Fäden leichter wahrnehmbar. 

Glykogen traf ich in den Darmepithelien niemals in so 
ausgedehnter und ausgiebiger Weise, wie im Magen, auch dann 
nicht, wenn dieser grosse Mengen desselben aufwies und die 
Tiere mit Dextrose oder Pepton gefüttert worden waren. Dass 
dieser Befund auf einen Zufall zurückzuführen ist, dünkt mir 
mit Rücksicht auf das erwähnte Verhalten des Magens und die 
grosse Zahl der untersuchten Tiere nicht wahrscheinlich. Dagegen 
fanden sich vereinzelte, manchmal auch zahlreichere Granula 
unterhalb des Grenzsaumes, sowie spärlichere in der supra- und 


354 Julius Arnold: 


infranukleären Zone, ebenso in den die Buchten auskleidenden 
Zellen. Solche Bilder gleichen dann auffallend denjenigen in 
Neutralrotpräparaten. Bei manchen Tieren konnte ich überhaupt 
kein Glykogen im Darm nachweisen. 

Der Inhalt der Becherzellen und die Granula der Mastzellen 
nehmen bei der Bestschen Karminfärbung eine rote, zuweilen 
mehr violette Farbe an. Ausserdem liegen im Epithel und in 
der Schleimhaut eosinophile Zellen und andere Leukocyten, deren 
Granula die Glykogenreaktion eingegangen haben. 


Meerschweinchen. 


Magen. Das Plasma der Öberflächenepithelien erscheint 
an Benda-Heidenhainpräparaten fein bestäubt, zuweilen mehr 
fein granuliert. Die Granulierung wird deutlicher bei Nach- 
färbung mit Kristallviolett. In manchen Zellen zeigt die Sub- 
stanz nächst dem Grenzsaum, der zuweilen durch Sekretmassen 
unterbrochen wird, eine dichtere, die der supranukleären Ab- 
schnitte eine mehr wabige Fügung; in anderen Zellen findet 
sich das umgekehrte Bild. Nach den Seiten werden die Zellen 
von dunklen Linien eingesäumt, so dass von der Fläche gesehen 
eine zierliche Felderung entsteht. An Sublimat-Heidenhain- 
präparaten ergibt sich im wesentlichen der gleiche Befund, doch 
werden die Oberflächenepithelien häufig von hellen Blasen über- 
lagert. Werden Sublimatpräparate mit Eisenalaun gebeizt, mit 
Kristallviolett nachgefärbt und mit Nelkenöl- Aceton differen- 
ziert, dann nimmt der unterhalb des Grenzsaumes gelegene Ab- 
schnitt eine dunkelblaue Farbe an und zeigt sich mit feinsten 
Granula dicht erfüllt. Bei der Flächenbetrachtung erhält man 
das Bild einer blauen Felderung. Aus manchen Zellen ragen 
blaue Zapfen hervor, welche nur als Sekretmassen gedeutet 
werden können. 

Die eigentlichen Drüsenkörper enthalten hellere und dunklere, 
fein bestäubte und deutlich granulierte Zellen, welche häufig 
vakuolisiert sind und dann mehr maschig oder wabig aussehen. 
Die dunkleren Zellen nehmen namentlich den Grund der Drüsen- 
körper ein, kommen aber auch in den oberen Abschnitten vor. 

Anordnung des Glykogens. Die Granula liegen im 
Oberflächenepithel und Anfangsteil der Drüsen vorwiegend supra- 
nukleär, seltener peri- und infranukleär. Bei der Flächenansicht 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 359 


erhält man eine sehr zierliche Zeichnung: rote Felder, eingesäumt 
von hellen Linien. Die glykogenführenden Zellen erstrecken sich 
bald nur durch den oberen Teil des Drüsenhalses, bald durch 
diesen in seiner ganzen Ausdehnung; auch hier nehmen die 
Glykogengranula häufiger den nächst dem Lumen gelegenen 
Abschnitt der Zellen ein. Im Drüsenkörper werden die Glykogen- 
granula seltener, doch finden sie sich auch noch in den am 
Grund gelegenen Zellen. Wie es scheint, können sowohl die 
hellen als auch die dunklen Zellen solche Granula führen; doch 
ist manchmal die Unterscheidung beider Zellformen an Glykogen- 
präparaten sehr unsicher. 

Darm. Die Bilder am Oberflächenepithel wechseln ab: 
feine Bestäubung, deutliche Längsstreifung und reihenförmige 
Aufstellung durch Fäden verbundener Granula; grössere Granula 
sind selten. Die einzelnen Zellen sind durch dunklere Linien 
scharf abgegrenzt; dem entspricht eine deutliche Felderung auf 
der Flächenansicht. — In den Lieberkühnschen Krypten ist 
das Plasma der Zellen bald bestäubt, bald fein granuliert oder 
mehr wabig und vakuolisiert. 

Glykogen. In den Epithelien der Zotten und der Krypten 
konnte ich kein Glykogen wahrnehmen, auch dann nicht, wenn 
der Magen grosse Mengen desselben enthielt und der Darminhalt, 
namentlich viele Amylumkörper, intensiv gefärbt waren. Ich muss 
allerdings bemerken, dass die Zahl der untersuchten Tiere keine 
sehr grosse war. Der Inhalt der Becherzellen zeigte sich teils 
rot, teils violett gefärbt. 

Katze. 

Magen. Das Plasma der sehr hohen Oberflächenepithelien 
erscheint bestäubt oder sehr fein granuliert, zuweilen ist eine 
mehr netzförmige Architektur angedeutet. Nächst dem Grenz- 
saum hat das Plasma eine dichtere Beschaffenheit und färbt sich 
intensiver. Die meisten Zellen sind gegen das Magenlumen zu 
scharf abgegrenzt, manche von heller Masse überlagert, seltener 
durch solche Fortsätze unterbrochen. An Flachschnitten spannen 
sich zwischen den zierlichen Feldern feine Fäden aus, welche 
übrigens auch an Seitenansichten wahrzunehmen sind; der Ansatz 
an der Zelle ist etwas verbreitert, manche enthalten feine Körner. 

In den Drüsenkörpern wechseln helle und dunkle Zellen. 
In den ersteren ist das Plasma bald feinkörnig, bald netzförmig 


Archiy f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 95 


356 Julius Arnold: 


oder wabig, die letzteren enthalten grössere, intensiver sich 
färbende Granula, welche übrigens auch in den hellen Zellen 
vereinzeit vorkommen. Sie liegen dann mehr peripher und 
werden möglicherweise infolge einer artefiziellen Verlagerung 
durch einen hellen Hof vom Kern getrennt. Die beiden Formen 
entsprechen offenbar den Haupt- und Belegzellen. 


Anordnung des Glykogens. Die Oberflächenepithelien 
zeigen den gleichen Wechsel in der Topographie der Glykogen- 
granula wie bei anderen Tieren. Bald enthält nur der nächst 
dem Grenzsaum gelegene oder der ganze supranukleäre Abschnitt 
solche; seltener ist die ganze Zelle mit ihnen erfüllt oder sie 
sind auf den infranukleären Teil beschränkt. Oft ist der ganze 
Hals, manchmal nur ein Teil desselben mit glykogenführenden 
Zellen besetzt (Fig. 5). Ebenso enthalten die eigentlichen Drüsen- 
körper bald mehr, bald weniger in von oben nach unten ab- 
nehmender Menge Glykogen; man trifft solches aber zuweilen im 
Fundus der Drüsenkörper, wenn die höher gelegenen Abschnitte 
glykogenfrei sind. Sowohl in den hellen als auch in den dunklen 
Zellen trifft man Glykogen (Fig. 6). Die Verlagerung dieses 
erschwert auch hier eine Entscheidung; im allgemeinen darf man 
wohl annehmen, dass die grösseren Glykogengranula dunklen 
Zellen angehören. Sehr viel Glykogen fand ich stellenweise in 
den Sarkosomen der Muskelschichte. 


Darm. Die hohen Zylinderzellen zeigen eine deutliche 
Längsstreifung, welche sich an vielen Stellen in durch Fäden ver- 
bundene Granulareihen auflösen lässt. Die nächst dem Grenzsaum 
gelegenen Abschnitte sind meistens kompakter gefügt, können 
aber auch ein netzförmiges oder wabiges Aussehen darbieten. — 
Das Plasma der Kryptenzellen ist bestäubt oder fein granuliert, 
sehr häufig netzförmig oder wabig. 


Glykogen. Die Oberflächenepithelien der Zotten waren 
frei von Glykogengranula, dagegen der Inhalt der Becherzellen 
intensiv rot gefärbt, ebenso der Inhalt vieler Lieberkühnschen 
Krypten. In einzelnen Zellen dieser fand ich gefärbte Granula; 
es ist allerdings möglich, dass sie zu gewissen Phasen der Sekret- 
bildung in Becherzellen in Beziehung stehen, da diese namentlich 
in der ersten Zeit sehr oft rote Granula enthalten und erst später 
ein mehr homogenes Aussehen annehmen. 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 357 


Hund. 

Magen. Die oberflächlichen Epithelien und diejenigen des 
Ausführungsganges bieten die gleiche Struktur und den gleichen 
Wechsel in dieser wie diejenigen der anderen Tiere. Zeichen 
von Sekretion konnte ich nicht wahrnehmen, wenn nicht die 
dunklere Färbung des unter dem Grenzsaum gelegenen Teils in 
diesem Sinn gedeutet werden muss. Die Zellen erschienen gegen 
das Magenlumen scharf abgegrenzt und wurden nicht von Fort- 
sätzen oder blasigen Sekretmassen überlagert. Da ich solche 
Objekte nur in beschränkter Zahl untersuchte, kann ich nicht 
entscheiden, ob man berechtigt ist, aus diesem Befund auf einen 
anderen Sekretionsvorgang zu schliessen, oder ob es sich, was mir 
wahrscheinlicher dünkt, nur um einen anderen Funktionszustand 
handelt. Im Pförtnerteil liegen zahlreiche dunkle Stöhrsche 
Zellen zwischen den anderen. 

Glykogen. Die Oberflächenepithelien sind dicht mit sehr 
feinen Glykogengranula erfüllt, hauptsächlich die supranukleären, 
zuweilen aber auch die infranukleären Abschnitte. Das gleiche 
Verhalten bieten die Zellen des Ausführungsganges und des 
Halses der Drüsen bald in kleinerer, bald in grösserer Ausdehnung 
dar. Auch die Mehrzahl der Drüsenzellen enthält Glykogengranula 
oft in so dichter Anordnung, dass einzelne Zellformen und ein- 
zelne Granula nicht mehr zu unterscheiden sind. 

Darm. Die Oberflächenepithelien sind fein gestreift ; stellen- 
weise lassen sich die Streifen namentlich an Osmium-Hämatoxylin- 
präparaten (0. Schultze) in durch Fäden verbundene Granula- 
reihen auflösen. 

Glykogen. In den Epithelien der Zotten konnte ich keine 
Glykogengranula wahrnehmen. Der Inhalt der Becherzellen war 
intensiv rot gefärbt. Der Inhalt der Lieberkühnschen Krypten 
bot eine Färbung namentlich dann dar, wenn Becherzellen vor- 
handen waren. Die Schleimhaut wurde von eosinophilen Zellen 
und anderen Leukocyten, welche gefärbte Granula aufwiesen, 
durchsetzt. Hervorheben muss ich noch, dass der Darminhalt 
eine stark rote Färbung darbot. 


Maus. 
Magen und Darm der Maus untersuchte ich nur auf ihren 
Gehalt an Glykogen und dessen Anordnung. 


25* 


355 Julius Arnold: 


Magen. Der Glykogengehalt war bei den untersuchten 
Tieren etwas wechselnd, im allgemeinen aber sehr ausgiebig. 
Bei geringerem Glykogengehalt waren die Glykogengranula in 
den Oberflächenepithelien auf die supranukleären Abschnitte be- 
schränkt. Zellen, die sehr reich an Glykogengranula sich erwiesen, 
zeigten solche auch im infranukleären Abschnitt; in den basalen 
Partien wurden Glykogengranula meistens vermisst; zuweilen ent- 
hielten sie aber Glykogen, während solches in den oberen Teilen 
der Zelle fehlte. Die Anordnung des Glykogens im Drüsenhals 
und im Drüsenkörper stimmte im wesentlichen mit derjenigen 
bei anderen Tieren, auch bezüglich des Wechsels in der Ver- 
teilung, überein. 

Darm. An vielen Zellen der Zotten ist der zwischen 
Kutikularsaum und Kern gelegene Abschnitt matt rot gefärbt 
und sticht gegen das übrige nicht gefärbte Plasma der Zelle ab. 
Eine deutliche Granulierung der Zelle ist an diesen Stellen nicht 
wahrzunehmen, sie erscheint mehr fein bestäubt; solche Partien 
der Zelle sehen aus, als ob sie mit Mucikarmin gefärbt worden 
wären. Die Becherzellen zeigen eine dunkelrote Färbung Der 
Inhalt der Lieberkühnschen Krypten ist gleichfalls vielfach 
deutlich gefärbt, ebenso die das Lumen begrenzenden Abschnitte 
der Zellen. 

Mensch. 

Wie bekannt, ist es schwierig, vom menschlichen Magen 
und Darm gut konserviertes Material zu erhalten. Dem liebens- 
würdigen Entgegenkommen des Herrn Kollegen Ernst verdanke 
ich die Gelegenheit, solches zu untersuchen. Ich konnte an 
demselben feststellen, dass die Anordnung des Glykogens im 
menschlichen Magen die gleiche ist wie diejenige im Magen der 
oben genannten Tiere. 

Am Öberflächenepithel nehmen die Glykogengranula bald 
die ganze Zelle ein, bald sind sie auf den infra- und supra- 
nukleären Abschnitt oder auf die Partie unterhalb des Grenz- 
saumes beschränkt. Ebenso verhalten sich die Epithelien des 
Ausführungsganges. Auch die Topographie der glykogenhaltigen 
Epithelien wechselt; manchmal finden sich solche mehr oder 
weniger gleichmässig über grössere Flächen hin verteilt oder 
aber sie sind auf einzelne Stellen beschränkt; das gleiche gilt 
von den Epithelien der Ausführungsgänge. In den eigentlichen 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 359 


Drüsen enthalten vorwiegend die Belegzellen Glykogen, solches 
fehlt aber auch nicht in den Hauptzellen, in denen es häufig 
nach der einen oder anderen Seite verlagert ist.!) 


Zusammenfassung. 


Wenn ich dazu übergehe, die geschilderten Befunde unter 
Berücksichtigung der in der Literatur niedergelegten Mitteilungen 
zu erörtern und zu verwerten, so will ich zunächst bemerken, 
dass ich von einer ausführlichen historischen Darstellung an dieser 
Stelie absehen muss. Es darf in dieser Hinsicht auf die Werke von 
Gaupp, Oppel, Ebner-Kölliker, Metzner, Stöhr und 
M. Heidenhain, sowie auf die Arbeiten von R. Heidenhain, 
Ebstein, Rollett, Klein, Biedermann, Nussbaum, 
Langley, Altmann, Bonnet, Galeotti, Zimmermann, 
Deckhuyzen, Benda, M. Heidenhain, Kolster, Regaud, 
Fröhlich, Di Cristina, Vermaat, O. Schulze u.a. hin- 
gewiesen werden 

Magen. Bei der Betrachtung des frischen Objekts erscheint 
der gegen das Lumen des Magens gelegene Abschnitt der Zelle 
(das Oberende nach Oppel) heller, das Unterende mehr körnig. 
Wie ich in einer früheren Mitteilung (Nr. 4) ausgeführt habe, 
lassen sich durch Zusatz von Jodkali oder Osmiumsäure an nicht 
fixierten Zellen Körner und Fadenkörner darstellen. Da diese 
Bilder mit denjenigen an vital gefärbten und nach verschiedenen 
Methoden konservierten und tingierten Objekten übereinstimmen, 
ist die von Flemming vertretene Deutung, dass es sich um 
“uellungsprodukte handle, nicht sachentsprechend. — Das Ver- 
halten der Zellen bei der vitalen Färbung wurde ausführlich 
geschildert; es sei deshalb nur noch einmal betont, dass auch 
bei Anwendung dieser Methode Körner und durch Fäden ver- 
bundene Körnerreihen und zwar deutlicher an nicht fixierten 
als an fixierten Zellen wahrzunehmen sind. — An fixierten 
Objekten erscheint das obere Ende bald dunkler, bald‘ heller 
und färbt sich in dem ersteren Fall mit Anilinfarben intensiver, 
während die unmittelbar über dem Kern, sowie die neben und 
unter ihm gelegenen Partien eine solche Reaktion nicht darbieten. 


'!) Man vergleiche meine in Zieglers Beiträgen (1911) erscheinende 
Arbeit „über die Anordnung des Glykogens im menschlichen Magen und 
Darmkanal unter normalen und pathologischen Verhältnissen“, 


360 Julius Arnold: 


Waren die Präparate nach der Benda-Heidenhainschen oder 
0. Schultzeschen Methode konserviert und tingiert, dann liessen 
sich in den Zellen feinste Körner und Körnerreihen, aber keine deut- 
lichen Fäden wahrnehmen. Es erfolgt eben auch bei der Anwendung 
dieser für die Erforschung der feineren Strukturen leistungsfähigen 
Methode eine beträchtliche Volumensabnahme. Die Kontrollunter- 
suchung nicht fixierter Objekte ist deshalb nicht zu entbehren. 
Ein Vergleich der Befunde an nach verschiedenen Methoden 
behandelten Präparaten lehrt, dass an dem Aufbau der Öber- 
flächenepithelien des Magens Körner und Fadenkörner beteiligt 
sind. Selbstverständlich soll damit nicht gesagt sein, dass sie 
die einzigen Faktoren des Strukturbildes seien; bei dem Wechsel 
dieses, wie er je nach Tierart und Funktionszustand erfolgt, spielt 
auch die Anordnung der Zwischensubstanz eine wichtige Rolle. 

Ogneff, Ph. Cohn, Carlier u. a. haben Intercellular- 
brücken zwischen den Zellen des Magenepithels beschrieben und 
teils als protoplasmatische Fortsätze, teils als Durchschnitte von 
Protoplasmalamellen gedeutet, während Ebner, Oppel u.a. sie 
als durch Schrumpfung bedingte Kunstprodukte ansehen. Neuer- 
dings hat Schäppi an durch Osmiumsäure isolierten Zellen 
solche Verbindungsbrücken nachgewiesen. Er gibt zwar zu, dass 
durch Schrumpfung ähnliche Bilder zustande kommen können, 
hat sich aber doch von dem Vorkommen protoplasmatischer 
Verbindungsbrücken zwischen den Zellen überzeugt. Bemerkens- 
wert ist der Befund von solchen Fäden, welche einzelne Zellen 
überqueren. Auch ich habe wiederholt namentlich an Flach- 
schnitten die Intercellularräume durchsetzende Fäden beobachtet, 
welche mit Rücksicht auf ihre regelmässige Anordnung und die 
mangelnden Zeichen von Schrumpfung auf einen solchen Vorgang 
kaum zurückgeführt werden konnten. 

Das Verhalten der obersten Abschnitte der Obertlächen- 
epithelien und derjenigen des Halses ist von jeher Gegenstand 
eingehender Kontroversen gewesen. Von den einen wurden die 
Zellen als offen, von den anderen als geschlossen angesehen. Der 
Anlass zu diesen verschiedenen Auffassungen ist der Befund von 
zapfenförmigen Fortsätzen, Pfröpfen (Biedermann) und blasigen 
(rebilden am Oberende, welche namentlich, wenn auch nicht aus- 
schliesslich, beim Frosch die Abgrenzung der Zellen gegen das 
Lumen unterbrachen, gewesen. Für die anderen oben erwähnten 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 361 


Tiere wird von der Mehrzahl der Beobachter hervorgehoben, dass 
die Oberflächenepithelien mehr oder weniger scharf, sei es gerad- 
linig, sei es in Form eines Bogens, sich abgrenzen. Es ist keinem 
Zweifel unterworfen, dass die zapfenförmigen Fortsätze und die 
blasigen Gebilde auf Sekretionsvorgänge bezogen werden müssen. 
Andererseits fehlt es aber auch an den anderen Zellen nicht an 
Zeichen, welche auf solche hinweisen; ich meine das Verhalten 
des Oberendes der Zellen namentlich an Sublimatpräparaten den 
Farbstoffen gegenüber, welche zum Nachweis mucinartiger Stoffe 
dienen; es kann danach auf mucinöse Umwandlungen der Sub- 
stanz des Oberendes geschlossen werden. Die Beobachtung von 
Bonnet, dass die Farbenreaktion am Oberende der Magen- 
epithelien eine andere ist, als diejenige des Inhalts der Becher- 
zellen im Darm. steht mit dieser Vorstellung nicht im Widerspruch, 
da die chemische Konstitution der Mucine und dementsprechend 
ihre Farbenreaktion eine sehr verschiedene ist. Das gleiche gilt 
von den verschiedenen Bildern, unter denen sich die mucine 
Sekretion kundgibt, in den einen Zellen in der Form von Zapfen 
oder Pfröpfen, in den anderen in der Art von Blasen, während 
bei wiederum anderen Zeichen einer mucinösen Ausscheidung 
überhaupt nicht aufzufinden sind. Wissen wir doch von anderen 
Schleimdrüsen, dass das Sekret bald eine körnige, bald eine 
fädige oder homogene Beschaffenheit hat und dass namentlich 
bei oberflächlich gelegenen Schleimzellen, bei denen das Sekret 
sofort abgeführt wird, andere Merkmale der Sekretion an den 
Zellen als die durch die mucinöse Umwandlung des Zellinhalts 
bedingte Farbenreaktion nicht nachgewiesen werden können. Die 
Bedeutung der Stöhrschen Zellen, wie sie im Pylorusteil des 
Hundemagens vorkommen, ist vorerst noch fraglich; vermutlich 
stehen auch sie zur Mucinbereitung in Beziehung. 

Auf eine Erörterung der an den Öberflächenepithelien und 
den Zellen der eigentlichen Drüsenkörper je nach Funktions- 
zustand (Hungern, Verdauung usw.) erfolgenden Veränderungen 
kann ich nicht eingehen. Aus den Arbeiten von E. Müller, 
Kolosow, Zimmermann, Pirone, Nollund Sokoloff darf 
entnommen werden, dass wie in anderen Drüsen so auch in diesen 
die Granula bedeutungsvolle Veränderungen darbieten. 

Anordnung des Glykogens. Über diese finden sich 
spärliche und vielfach widersprechende Angaben. Bei Wirbeltier- 


362 Julius Arnold: 


embryonen kommt den Mitteilungen von Claude Bernard, 
Barfurth, Lubarsch u. a. zufolge namentlich in späteren 
Stadien der Entwicklung Glykogen im Magen- und Darmepithel 
vor. Dagegen soll bei erwachsenen Tieren in mit Zylinder- 
epithel ausgestatteten Schleimhäuten Glykogen fehlen. (Schiele, 
Gierke, Simon, Meillere und Löper.) Auch Barfurth 
hebt hervor, dass er bei erwachsenen Wirbeltieren in keinem 
Stadium der Verdauung Glykogen getroffen habe. Dagegen finde 
ich bei Fichera eine kurze Notiz, derzufolge er bei normalen 
Versuchshunden im Magen und Darm an der Basis der Cellulae 
muciparae und zwar im Bereich des den Kern umlagernden 
Protoplasmas Glykogen nachweisen konnte. Best und Schmorl 
erwähnen, dass sich die Sekretionszellen des Magens nach Best 
färben. Der letztere bezweifelt aber, ob es sich um Glykogen handelt. 
(Man vergleiche meine Arbeit in Zieglers Beiträgen 1911.) 

Bei den interessanten Versuchen, welche Barfurth an 
Fröschen mit langdauernden und plötzlich verstärkten Fütterungen 
anstellte, war viel Glykogen am Magenepithel und den Pepsin- 
drüsen des Magens enthalten. Fichera erwähnt das Vorkommen 
von Glykogen bei Hunden, die er mit Phlorizin vergiftet und 
solchen, welchen er den Plexus coeliacus exstirpiert hatte. 

Wie oben berichtet wurde, fand sich bei den von mir unter- 
suchten Fröschen immer in dem Oberflächenepithel des Magens 
reichlich Glykogen, in den Drüsen solches in wechselnder Menge; 
allerdings waren es vorwiegend Winterfrösche (R. esculenta und 
fusca), die wie bekannt in allen Organen mehr Glykogen ent- 
halten. Es ist mir deshalb, wie oben bemerkt, auch nicht möglich, 
zu entscheiden, ob bei den Versuchen mit Dextrose- und Pepton- 
fütterung eine Glykogenzunahme erfolgte oder nicht. Dass eine 
solche bei geeigneter Anordnung der Versuche zu erzielen ist, 
beweisen die Versuche Barfurths. Was die positiven Glykogen- 
befunde bei den anderen von mir untersuchten Tieren (Maus, 
Meerschweinchen, Katze und Hund) anbelangt, so mag dabei, da 
ihre Zahl nur eine beschränkte war, der Zufall eine Rolle spielen. 
Weitere Untersuchungen müssen lehren, ob im Magen dieser 
Glykogen häufiger oder nur ausnahmsweise und unter bestimmten 
Bedingungen vorkommt. Möglicherweise ist der Glykogengehalt 
des Magens ebenso grossen oder noch grösseren Schwankungen 
unterworfen, wie derjenige anderer Organe. 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 363 


Nach der Abbildung Barfurths und der kurzen Bemerkung 
Ficheras zu schliessen, haben sie das Glykogen hauptsächlich 
peri- und infranukleär angetroffen. Auch ich nahm bei manchen 
Tieren eine solche Anordnung manchmal in grosser Ausdehnung 
wahr (Fig. 2), während bei anderen und wie mir schien häufiger 
das Oberende Glykogen enthielt (Fig. 1 und 5). Wenn das 
Glykogen über die ganze Zelle verteilt ist, ergeben sich Bilder 
ähnlich denjenigen an Altmann präparaten. Die Überein- 
stimmung in der Anordnung der Granula an Glykogenpräparaten 
mit derjenigen bei vital gefärbten Objekten wurde schon hervor- 
gehoben: sie können sich, wenn die ersteren nach der Best schen 
Methode, die letzteren mit Neutralrot tingiert wurden, abgesehen 
von dem etwas verschiedenen Farbenton beider Stoffe, zum Ver- 
wechseln gleichen. Es gilt dies namentlich bezüglich der Lage 
der Granula im Ober- und Unterende der Zelle, sowie der reihen- 
förmigen Aufstellung, während die Neutralrotgranula vielfach 
grösser sind als die Glykogengranula; doch gibt es auch namentlich 
an fixierten Neutralrotpräparaten Stellen, die mehr wie fein 
bestäubt erscheinen. Da es bei der Einwirkung von Neutralrot 
auf die lebende Zelle hie und da zur Quellung von, Granula 
kommt, ist die eventuelle Grössenverschiedenheit beider Granula- 
arten nicht auffallend. 

Der Glykogengehalt der Drüsen scheint einem grösseren 
Wechsel unterworfen zu sein, als derjenige der Oberflächen- 
epithelien. Haupt- und Belegzellen können Glykogen, das bald 
nächst dem Lumen, bald mehr perinukleär gelegen ist, führen. 

Darm. Die Längsstreifung der Darmepithelien ist eine 
vielgeprüfte Erscheinung (Altmann, Benda, van Beneden, 
Bütschli, Friedrich, Klein, M. Heidenhain, R. Heiden- 
hain, Paneth, Regaud u.v.a.). Besonders eingehend hat 
sich neuerdings M. Heidenhain in der zweiten Lieferung seines 
Werkes „Plasma und Zelle“ mit der Deutung dieses Struktur- 
bildes beschäftigt. Er betrachtet die Längsstreifung als den 
Ausdruck von Fibrillen und bemerkt rücksichtlich ihrer inneren 
Struktur, dass sie undeutlich körnig seien. Er fährt wörtlich 
fort: „Beim Salamander habe ich jedoch früher eine regel- 
mässige Quergliederung dieser Fädchen aufgefunden, der- 
art, dass dunkelfärbbare Glieder mit schwach gefärbten in regel- 
mässiger Folge abwechseln. Der Kenner weiss, dass es sich hier 


564 InslonssAsnmtonkde 


um eine Erscheinung von allgemeiner Verbreitung, um die 
fibrilles monoliniformes von E. van Beneden (1883) oder um 
den mikrosomatischen Auıbau der Fäden des Flemmingschen 
Cytomitoms (M. Heidenhain von 1892 an) handelt. Altmann 
hat bekanntlich seinerzeit die stärker färbbaren, in die Plasma- 
fibrillen eingeschalteten Körnchen vermittels seiner Säurefuchsin- 
methode in schöner Weise zur Anschauung gebracht (S. 477, 
Fig. 236) und unter seine Bioblasten eingereiht. Später hat dann 
Benda genau die nämlichen Granula (der Darmepithelzelle) als 
Mitochondrien beschrieben. Ich selbst habe sie vielfach als Cyto- 
mikrosomen oder genuine Plasmamikrosomen bezeichnet.‘ 

Bei der Behandlung der frischen, d. h. nicht fixierten Darm- 
epithelien mit Jodkalilösungen oder verdünnten Osmiumgemischen 
kommen, wie ich früher nachgewiesen habe, an der Stelle der 
Streifen Körner ‘und Fadenkörner zum Vorschein (Nr.4). Die 
gleichen Gebilde erhält man bei der vitalen Färbung namentlich 
mit Neutralrot. Die Lagerung der Neutralrot-Granula in der Zelle, 
ihre reihenförmige Aufstellung und ihre Beziehung zu Fäden, 
welch letztere namentlich an isolierten Zellen zur Wahrnehmung 
gelangt, ist in den früheren Mitteilungen ausführlich beschrieben 
und die Ähnlichkeit der Bilder mit denjenigen an Altmann- 
präparaten hervorgehoben worden (Nr.5, 6 u. 9). An nach ver- 
schiedenen Methoden konservierten und tingierten Objekten finden 
sich gleichfalls Körner und Fadenkörner, deren Anordnung mit der- 
jenigen bei vital gefärbten Objekten übereinstimmt. Allerdings sind 
die Körner und Fadenkörner infolge der eingetretenen Volumens- 
abnahme kleiner und dünner. Selbstverständlich ist nach Tier- 
art und Funktionszustand ein Wechsel in der Erscheinung dieser 
Gebilde vorhanden; die Körner sind bald kleiner bald grösser, 
spärlicher oder zahlreicher und die Fäden feiner oder dicker; 
die Grundformen bleiben immer die gleichen. Auch die Architektur 
wechselt ; sie ist bald eine streifige, bald netzförmige oder wabige. 

Anordnung des Glykogens. Im Darm habe ich 
Glykogen nur ausnahmsweise und in sehr geringen Mengen auch 
dann getroffen, wenn der Magen dieser Tiere sehr grosse Mengen 
desselben enthielt. An nach Best gefärbten Präparaten waren 
namentlich der Inhalt der Krypten uud die Substanz der das 
Lumen begrenzenden Zellen, beim Frosch auch einzelne Ober- 
flächenepithelien tingiert. 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 365 


Der Inhalt der Becherzellen färbt sich mit Bestschem 
Karmin rot, wenn gleichzeitig eine Hämatoxylintinktion vorge- 
nommen wurde, mehr violett. Wie soll man diesen Befund 
deuten? Mein nächster Gedanke war der, dass Mucin durch 
Bestsches Karmin gefärbt wird; es lag dieses um so näher, als 
bekanntlich die Granula der Mastzellen sich gleichfalls nach dieser 
Methode tingieren. Eine andere Möglichkeit wäre die, dass 
manche Mucine mit Glykogen vermischt sind. Ich habe deshalb 
die verschiedensten schleimigen Sekrete, sowie aus schleimiger 
Metamorphose pathologischer Objekte hervorgegangene Mucine 
untersucht. Das Ergebnis war, dass sie sich sehr verschieden 
verhielten, die einen reagierten, die anderen nicht, was mich ja 
in Anbetracht des bekannten Wechsels in der chemischen Kon- 
stitution dieser Stoffe (A. Kossel) nicht überraschte. Berück- 
sichtigt man ferner, dass, wie aus den obigen Mitteilungen hervor- 
geht, im Oberflächenepithel des Magens die Zellen, welche 
Glykogen führen, auch auf Mucin reagieren, so kommt man zu 
dem Schluss, dass möglicherweise die gleichen Zellen Mucin 
und Glykogen führen. Es wird dann begreiflich, dass auch beide 
Substanzen in deren Sekret enthalten sein können. Diese Vor- 
stellung hat vermutlich auch für die Granula der Mastzellen 
Geltung.') 

Resorption und Sekretion. 

Magen. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, dass die 
Oberflächenepithelien des Magens ihren Gehalt an Glykogen 
Resorptionsvorgängen verdanken. Die Übereinstimmung der 
Bilder bei der Glykogenablagerung und der Fütterung mit vitalen 
Farbstoffen legt dafür Zeugnis ab. Die Leistungen des Magens 
als resorbierendes Organ werden zwar nieder eingeschätzt. 
Das in diesen eingeführte Wasser soll zum grössten Teil in den 
Darm entleert werden, ebenso sei die Resorption in Wasser 
lösslicher Substanzen, wenn sie den Magen rasch passieren, eine 
geringe (Cohnheim). Kölliker und Ogneff beobachteten 
Fett in den Magenepithelien, Volhard und Zinsen wiesen 
nach, dass Fett im Magen gespalten wird; ob eine Bildung von 
Fett spaltendem Ferment im Magen stattfindet, ist noch nicht 
mit Sicherheit entschieden. Bezüglich der Stärke berichten 

ı) Diese Verhältnisse werden eingehend erörtert in der oben erwähnten 
Arbeit (Zieglers Beiträge 1911). 


& 


66 Inu mulswArEIHN ode 


Ellenberger und Hofmeister, Müller, Friedenthal 
u. a., dass eine Verdauung derselben im Magen stattfindet. Der 
(Glykogengehalt ausschliesslich des Magens wurde bis jetzt, soweit 
ich ermitteln konnte, analytisch nicht festgestellt ; die vorliegenden 
Analysen beziehen sich auf diejenigen des ganzen Tractus 
intestinalis (Tangel, Oppenheimers Handbuch der Biochemie). 
Über die mikrochemischen Befunde wurde oben berichtet. Eine 
Umwandlung von Stärke scheint schon im Magenlumen erfolgen 
zu können: wiederholt habe ich beobachtet; dass die Stärke- 
körner teilweise oder ganz, schwächer oder stärker bei der 
Anwendung der Bestschen Karminmethode sich färbten, ebenso 
die Zwischensubstanz. 

Inwieweit die Granula der Öberflächenepithelien an den 
einzelnen Phasen der Resorption von Traubenzucker und der 
Umwandlung in Glykogen beteiligt sind, lässt sich nicht fest- 
stellen; jedenfalls dienen sie aber wie in anderen Organen so 
auch hier der Aufspeicherung desselben 

Es wurde oben darauf aufmerksam gemacht, dass die Ober- 
flächenepithelien Mucin bereiten und bei niederen Tieren, sehr 
wahrscheinlich auch bei höheren, ausscheiden. Da es der ganzen 
Anordnung nach die gleichen Zellformen sind, welche auch das 
Glykogen führen, hätten wir es in ihnen mit einem interessanten 
Beispiel für den Ablauf der Resorption und Aufspeicherung einer- 
seits, denjenigen der Sekretion andererseits in ein und derselben 
Zelle zu tun. Die Deutung der Fortsätze als Resorptions- 
erscheinungen (Dekhuyzen) scheint mir nicht sachentsprechend. 
Ob diese Vorgänge nur nebeneinander hergehen oder eine innigere 
Beziehung zwischen ihnen besteht, wie der Glykogengehalt mancher 
Mucine vermuten lässt, müssen weitere Untersuchungen lehren. 

Das gleiche gilt bezüglich der glykogenführenden Zellen 
des eigentlichen Drüsenkörpers, da man aus der Lage der 
Glykogengranula nächst dem Lumen nicht berechtigt ist zu 
folgern, ob sie im Zustand der Resorption oder Sekretion sich 
befinden. Dass Glykogen sezerniert werden kann, beweist das 
Vorkommen glykogenhaltiger Zylinder in den Nieren. 

Darm. Auffallend ist der Unterschied im Glykogengehalt 
dieses, verglichen mit demjenigen des Magens; allerdings muss 
in Rechnung gebracht werden, dass aus der Menge des mikro- 
chemisch nachweisbaren Glykogens nicht auf den. wirklichen 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 367 


Gehalt an solchem geschlossen werden darf (Bleibtreu, Kan, 
Kato). Soweit Glykogen bei der mikroskopischen Untersuchung 
aufgefunden werden konnte, darf dies wohl auf Resorptions- 
und Assimilationsvorgänge zurückgeführt werden Sind amylum- 
artige Substanzen im Darmlumen enthalten, so zeigen auch sie 
bei Anwendung der Bestschen Reaktion eine mehr oder weniger 
intensive Färbung. Ähnliches habe ich an Stärkemehlkörnern 
beobachtet, welche in den Lymphsack von Fröschen eingeführt 
worden waren (Zentralblatt für allgemeine Pathologie. Nr. 1, 1910). 


Fadenkörner, Mitochondrien, Organellen. 


Zum Schluss noch einige Bemerkungen über Struktur und 
Funktion der Fadenkörner. Nach meinen auf die verschiedensten 
normalen und pathologischen Gewebe ausgedehnten Untersuchungen 
halte ich mich zu dem Ausspruch berechtigt, dass die Fadenkörner 
einen wesentlichen Strukturbestandteil der meisten Zellen abgeben. 
Es ist selbstverständlich, dass ihre Erscheinung je nach Struktur 
und Architektur, sowie namentlich nach Funktionszustand wechselt. 
Diese von mir seit langer Zeit vertretene Anschauung über Aufbau 
der Fadenkörner stimmt mit derjenigen van Benedens, Altmanns, 
Bendas, M. Heidenhains u.a. im wesentlichen überein. Ob sie 
sich als feine Fäden (Plasmomiten), Fibrillen (Plasmofibrillen) oder 
Stäbchen (Plasmokonten) darstellen, hängt von der Anordnung 
der die Plasmosomen umgebenden — parasomatischen — Substanz 
ab, mag diese ein Ausscheidungsprodukt der Plasmosomen oder 
ein Difterenzierungserzeugnis der Zwischensubstanz sein. Ebenso 
muss ich unentschieden lassen, ob meine Vorstellung, dass die 
Plasmosomen der Morphogenese nach das Primäre sind, richtig 
ist. Die physiologischen Eigenschaften dieser parasomatischen 
Substanz werden wohl als sehr wechselnde anzusehen sein; bald 
sind die Plasmosomen sehr innig an die Fäden gebunden, bald 
vermögen sie aus dem Verband dieser sich zu befreien. Die 
Lageveränderungen, welche die Plasmosomen innerhalb der lebenden 
Zellen ausführen, sowie diejenigen, welche sie bei der Einwirkung 
von Reagentien erfahren, weisen auf solche Verhältnisse hin. 

Fadenkörner können an manchen Zellen im lebenden oder 
überlebenden Zustande ohne Zusatz von Reagentien, an vielen 
Zellen aber bei der Einwirkung von Osmiumsäure oder Jodkali- 
lösungen, mittels der vitalen Färbung, ausserdem bei der 


368 Juliüs Arnold: 


Anwendung der verschiedensten Konservierungs- und Tinktions- 
methoden wahrgenommen werden. Aus der Übereinstimmung der 
Befunde an solchen mittels der verschiedensten Methoden her- 
gestellten Objekte geht hervor, dass es sich bei diesen Gebilden 
weder um Quellungs- noch um Fällungsprodukte handelt. 

Durch den von Benda geführten Nachweis, dass durch ein 
von ihm erfundenes Verfahren gewisse, von ihm als Mitochondrien 
bezeichnete, Fadenkörner tinktoriell dargestellt werden können 
und dass solche namentlich in den Geschlechtszeilen vorkommen, 
haben die Anschauungen über das morphologische Wesen der 
Fadenkörner eine andere Richtung bekommen. Benda und die 
Mehrzahl seiner Nachfolger gelangten zu der Überzeugung, dass 
die Mitochondrien als spezifische Gebilde angesehen werden müssen, 
und dass die Vererbung bei ihrer Entstehung eine Rolle spiele. 
Die Frage, ob zwischen den Mitochondrien und den anderen 
Fadenkörnern eine Beziehung besteht, ist zwar von Benda 
wiederholt berührt, von der Mehrzahl der Mitochondrienforscher 
aber nicht einmal aufgeworfen worden. Dagegen hat neuerdings 
Meves den Nachweis versucht, dass manche Gebilde, welche 
mittels der Mitochondrienmethode nachweisbar sind, vonFlemming 
schon gesehen wurden. Ich will darauf verzichten, zu erörtern, inwie- 
fern ein solcher Versuch bei der bekannten Stellung Flemmings 
der Plasmosomen-Granulalehre gegenüber berechtigt ist. Jeden- 
falls legt er davon Zeugnis ab, dass die Mitomlehre in ihrer 
ursprünglich von Flemming vertretenen Fassung heute nicht 
mehr haltbar ist. 

Über die berührten Fragen der Spezifität und Vererbung der 
Mitochondrien äussert sich M. Heidenhain (Plasma und Zelle, 
2. Lieferung) dahin, dass er die Mitochondrienfärbung als eine 
spezifische nicht anerkennen könne. Auch bezüglich der An- 
schauung über Vererbung ist er anderer Ansicht als Benda und 
Meves. 

Bei der Beurteilung des tinktoriellen Verhaltens der Faden- 
körner, der Mitochondrien insbesondere, wäre noch die Möglichkeit 
zu berücksichtigen, dass dieses nur eine von funktionellem 
Strukturwechsel abhängige Veränderung in der chemischen Zu- 
sammensetzung, nicht die Anwesenheit eines spezifischen Gewebs- 
elementes anzeigt. Wir wissen, dass in der gleichen Art von 
Zellen gewisse mikrochemische Reaktionen bald positiv, bald 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 369 


negativ ausfallen, während andererseits in den gleichen Granula 
je nach ihrem Gehalt an Substanzen und den in ihnen sich 
abspielenden Stoffwechselvorgängen verschiedene Reaktionen ein- 
treten können. Die grosse Verbreitung der Mitochondrien in 
embryonalen Zellen ist vielleicht so zu deuten, dass in ihnen 
infolge gewisser Stoffwechselvorgänge auftretende und nach der 
Bendaschen Methode sich färbende Substanzen häufiger vor- 
kommen, als unter anderen Bedingungen. 

Jedenfalls spielen sich in den Mitochondrien wie in anderen 
Fadenkörnern wichtige Stoffwechselvorgänge ab. Über die Be- 
deutung der Fadenkörner in den Darmepithelien äussert sich 
M. Heidenhain mit folgenden Worten: „die Natur dieser 
Körnchen scheint mir nicht aufgeklärt zu sein, van Beneden 
hielt alle Plasmafibrillen dieser Art für kontraktil und glaubte, 
dass die stärker färbbaren Glieder den Streifen Q der quer- 
gestreiften Muskulatur entsprechen. Eine Anschauung, welche 
ich selber eine Zeitlang vertreten habe. Später jedoch kam ich 
davon zurück und glaubte eher annehmen zu müssen, dass die 
fraglichen Körnchen der knötchenartigen Verdickung auf dem 
Niveau des Streifens Z entsprechen, da nämlich hier wie dort auf 
eben diesem Niveau die Querverbindungen der parallel gestellten 
Fibrillen sichtbar werden.“ Er rechnet die Plasmafibrillen der 
Darmepitbelien zu den Tonofibrillen, gibt aber die Möglichkeit 
zu, dass sie auch bei der Resorption in Frage kommen und zwar 
speziell bei dem Transport des Wassers durch die Zelle hindurch. 

Berücksichtigt man die Beteiligung dieser Fadenkörner bei 
der Assimilation von Glykogen einerseits, der Synthese von Fett 
andererseits, so wird man über ihre Bedeutung für die Stoff- 
wechselvorgänge nicht im Zweifel bleiben können. Sehr bemerkens- 
wert sind in dieser Hinsicht die Beobachtungen von Ascher und 
seinen Schülern, welche nachwiesen, dass die Zahl der Granula 
bei der Verdauung abnimmt. 

Diese Summe bedeutungsvoller Tatsachen berechtigt meines 
Erachtens zu dem Ausspruch, dass die funktionelle Be- 
teiligung der Fadenkörner und der in ihnen ent- 
haltenen Plasmosomen und Granula an den Stoff- 
wechselvorgängen erwiesen ist. 

Manche Fadenkörner verrichten mechanische Leistungen, 
ob dies auch für die Fibrillen der Darmepithelien Geltung hat, 


370 Julıus Arnold: 


muss noch festgestellt werden. Aus der Gliederung, welche die 
Fadenkörner zuweilen erkennen lassen, darf auf solche Eigen- 
schaften noch nicht geschlossen werden, weil diese durch die 
Anordnung von Plasmosomen, welche Stoffwechselvorgängen, der 
äusseren und inneren Sekretion etc. dienen, bedingt sein können. 
Diese Gebilde entstehen nicht erst infolge solcher Funktionen, 
sondern sie sind präformiert, entziehen sich aber sehr häufig in- 
folge der Beschaffenheit der die Fibrillen und Stäbchen zusammen- 
setzenden Substanz der Wahrnehmung. Wenn im Verlauf der 
genannten Funktionen die Plasmosomen ihre Grössenverhältnisse, 
ihre physikalischen Eigenschaften un! chemische Zusammensetzung 
ändern oder ein Wechsel in der Beschaffenheit der parasomatischen 
Substanz erfolgt, werden sie nachweisbar. 

Vom morphologischen Standpunkt aus sind diese Stoffwechsel- 
vorgänge und die von ihnen abhängigen Veränderungen der 
Struktur von Belang, weil sie den Beweis ermöglichen, dass die 
Fadenkörner nicht Artefakte, sondern Strukturbestandteile sind. 
Ich beschränke mich darauf, an dieser Stelle nur die Nieren- 
stäbchen als Beispiel anzuführen, die ja vielfach für Artefakte 
ausgegeben werden. Meines Erachtens ist eine solche Vorstellung 
mit Rücksicht auf die gesetzmässige Lagerung des Glykogens im 
Stäbchen und deren Bindung an die Granula nicht sachentsprechend. 

Für den Biologen eröffnet sich, wie oben angedeutet wurde, 
ein Einblick in die durch die Strukturbestandteile der Zellen 
vermittelten Stoffwechselvorgänge, der dazu berechtigt, diese 
(Gebilde als kleinste Organe aufzufassen und als Organellen zu 
bezeichnen. Vielleicht gelingt es mit Hilfe dieser morphologischen 
und biologischen Untersuchungsmethoden das Gebiet der meta- 
mikroskopischen Auffassung der Teile immer mehr einzuschränken. 


Leitsätze. 


Wie die Untersuchung überlebender, vitalgefärbter und nach 
verschiedenen Methoden konservierter und tingierter Objekte lehrt, 
sind an dem Aufbau der Epithelien des Magens und Darmes 
Körner und Fadenkörner beteiligt. 

Die Fadenkörner stellen sich je nach Anordnung der para- 
somatischen Substanz als Plasmomiten oder Plasmofibrillen, seltener 
als Plasmokonten dar. Ihre Erscheinung wechselt bei ver- 
schiedenen Tierarten und Funktionszuständen. 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. ! 


Die Granulabilder, welche man bei der vitalen Färbung, bei 
der Anwendung der Altmannschen Methode und der Bestschen 
Glykogenreaktion erhält, zeigen weitgehende Übereinstimmung. 

Die von Altmann, van Beneden, M. Heidenhain, mir 
u. a. in verschiedenen Zellen gefundenen Fadenkörner sind 
wenigstens zum Teil mit den Mitochondrien Bendas, Meves, 
Regauds u. a. homolog. Es geht dies nicht nur aus ihrem Ver- 
halten der Altmannschen Methode, sondern auch den Stoft- 
wechselvorgängen gegenüber hervor. Die Bendasche Reaktion 
zeigt möglicherweise nicht eine Spezifizität der Form, sondern 
einen Funktionszustand an. 

An manchen Fadenkörnern ist eine der Anordnung der 
Granula entsprechende Gliederung, welche mit Stoffwechselvor- 
gängen zusammenhängt, zu erkennen. Die Granula entstehen 
nicht erst im Verlauf des Sekretionsvorganges, sondern sie sind 
präformiert. 

Die Fadenkörner dienen der Resorption, Assimilation, Syn- 
these und Aufspeicherung; sie erfahren aber auch bei den mit 
der Verdauung verbundenen Sekretionsvorgängen Veränderungen. 

In den gleichen Zellen können mucinöse Bestandteile und 
Glykogen enthalten sein, so in den Oberflächenepithelien des 
Magens und in den Becherzellen des Darms. Es ist möglich, dass 
zwischen diesen Vorgängen eine innigere Wechselbeziehung besteht. 


Nachtrag bei der Korrektur. Nach Einsendung des 
Manuskripts erhielt ich Kenntnis von der Abhandlung Heiderichs 
„zur Histologie des Magens“ (Anatom. Hefte 129, 1911). Da 
leider eine eingehende Verwertung nicht mehr möglich ist, muss 
ich mich auf einige Bemerkungen beschränken. — Bezüglich der 
Sekretionsvorgänge von Schleim an den Oberflächenepithelien des 
Magens stimmen unsere Beobachtungen und Anschauungen überein. 
Die eigentümlichen Fortsätze an der Kuppe der Zellen werden 
von Heiderich gleichfalls als Sekretions-, nicht als Resorptions- 
erscheinungen (Dekhuyzen) gedeutet. — Dass die resorbierende 
Tätigkeit der Oberflächenepithelien des Magens nicht unterschätzt 
werden darf, beweisen die Ergebnisse bei der Verfütterung von 
vitalen Farbstoffen und die geschilderte Anordnung des Glykogens. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 26 


m 


ot 


Julius Arnold: 
Literaturverzeichnis. 


Altmann: Die Granulalehre und ihre Kritik. Arch. f. Anat. u. 
Phys., 1893. 

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Arnold, Julius: Über Struktur und Architektur der Zellen. Erste 
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Derselbe: Weitere Beobachtungen über vitale Granulafärbung. Anat. 
Anz., Bd. 16, 1899. 

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Virchows Arch., 159, 1900. 

Derselbe: Weitere Beispiele granulärer Fettsynhese. Anat. Anz., 
Bd. 24, 1904. 

Derselbe: Über den Bau und die Sekretion der Drüsen der Froschhaut. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 65, 1905. 

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Glykogen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 25, 1885. 

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3. Derselbe: Weitere Beobachtungen über die Mitochondrien, daselbst, 


18991900. 


. Derselbe: Die Mitochondrien. Ergebn. f. Anat., Bd. 12, 1902,3. 
5. Derselbe: Die Mitochondrien der Nierenepithelien Verh. d. anat. Ge- 


sellschaft zu Heidelberg, 1903. 
van Beneden: Recherches sur la maturation de l’oeuf ete. Arch. 
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. Best: Über Karminfärbung des Glykogens. Zeitschr. f. wissensch. 


Mikr., Bd. 23, 1906. 

Biedermann: Untersuchungen über das Magenepithel. Sitzungsber. 
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Bilek: Noch ein Wort über die fibrilläre Struktur im Darm. Anat. 
Anz.. Bd. 36, 1910. 


. Bleibtreu: Zur mikrochemischen Jodreaktion auf Glykogen. Pflügers 


Arch., Bd. 127, 1909. 

Bonnet: Über den feineren Bau der Magenschleimhaut. Deutsch. 
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Carlier: Öontributions to the histology of the Hedgehog. Journ. of 
anatom. a physiolog., Bd. 27. 1893. 

Champy: Sur la structure de la cellule absorbante de l’intestin. 
Compt. Rend. Soc. d. Biol., Bd. 67, 1909. 

Cohn: Über Intercellularbrücken und Kittsubstanz. Anat. Hefte, 15, 1905. 


—I 
[S%) 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 3 


Cohnheim: Die Physiologie der Verdauung und Aufsaugung. Nagels 
Phys., Bd. II, 190%. 

Di Cristina: Die sekretorische Funktion der Magendrüsen etc. 
Virchows Arch., 194, 1908. 


. Demjanenko: Das Verhalten des Darmepithels bei verschiedenen 


funktionellen Zuständen. Zeitschr. f. Biol., Bd. 52, 1909. 
Ebner: Köllikers Handbuch der Gewebelehre, 1888. 


9. Ebstein: Beitrag zur Lehre vom Bau und den physiologischen 


Funktionen der sogenannten Magenschleimdrüsen. Arch. f. mikr. Anat,, 
Bd. 28, 1870. 


. Ebstein und Gruetzner: Vergl. OÖppel, Lehrbuch der vergleich- 


mikroskopischen Anatomie, Bd. 1, Jena 1896. 


. Ehrlich: Die physiologische Degeneration der Epithelzellen etc. Arch. 


f. Zellforsch., Bd. 3, 1910. 


. Fiehera: Über die Verteilung des Glykogens usw. Zieglers 


Beitr. z. path. Anat., Bd. 36, 1904. 


. Flemming: Zellsubstanz. Verh. d. anat. Gesellsch. zu Stuttgart. 


Anat. Anz., Bd. 16, 1899. 


. Fröhlich: Untersuchungen über die Übergangszonen und einige 


Eigentümlichkeiten des feineren Baues der Magenschleimhaut. Leipzig, 
Diss., 1907. 


. Galeotti: Über die Granulationen in den Zellen. Internat. Monats- 


schrift f. Anat. u. Phys., Bd. 12, 1895. 


. Garten: Die Intercellularbrücken der Epithelien. Arch. f. Anat. u. 


Phys., Phys. Abt., 1895. 

Gaupp: Anatomie des Frosches, Bd. III, 1901. 

Gierke: Das Glykogen in der Morphologie des Zellstoffwechsels. 
Zieglers Beitr. z. path. Anat., Bd. 37, 1905. 


. Derselbe: Physiologische und pathologische Glykogenablagerung, 


Lubarsch, Ergebn., Jahrg. XI, 1907. 
Golgi: Sur une fine particularite de structure de l’epithelium de la 
muqueuse gastrique etc. Arch. ital. d. Biol., Bd. 51, 1909. 


. Golovine: Sur le fixage du Neutralrot. Zeitschr. f. wissensch. 


Mikr., Bd. 19, 1902. 


. Hari: Über das normale Oberflächenepithel des Magens. Arch. f. 


mikr. Anat., Bd. 58, 1901. 
Heidenhain, M.: Die Struktur der kontraktilen Materie. Ergebn. 
f. Anat., Bd. 8, 1898 und Bd. 10, 1901. 


. Derselbe: Beitrag zur Aufklärung des wahren Wesens der faserförmigen 


Differenzierungen. Anat. Anz., Bd. 16, 1899. 


. Derselbe: Plasma und: Zelle, 1. und 2. Lieferung. Jena 1907 und 1910; 


daselbst ein Verzeichnis der Arbeiten des Verfassers. 


. Heidenhain, R.: Beitrag zur Histologie und Physiologie des Dünn- 


darms. Pflügers Arch., Bd. 43, Suppl. 1888. 


. Derselbe: Physiologie der Absonderungsvorgänge. Herrmanns Handb. 


d. Phys., Bd. 1, 1880. 
26* 


uhlaikuswArinronkde 


Höber: Über die Resorption im Darm. Pflügers Arch., Bd. 86, 1901. 
Klein: Observations of the structure of cells and nuclei. Quarterl. 
journ. of mieroscop. scien., Bd. 19, 1879, bezüglich der anderen Arbeiten 
vergl. Oppel, Handb. 

Kolster: Über die Magenschleimhaut von Centrophorus granulosus. 
Anat. Hefte, 101, 1907. 

Kankato: Beitrag zur Frage des mikrochemischen Nachweises des 
Glykogens. Pflügers Arch., Bd. 127, 1909. 


. Kultschitzky: Zur Frage des Baues des Darmkanals. Arch. f 


mikr. Anat., Bd. 49, 1897. 

Langley: Vergleiche das Verzeichnis der Arbeiten dieses Autors 
bei Oppel. 

Lubarsch: Glykogendegeneration. Lubarsch, Ergebn., Bd. I, 1895. 


. Derselbe: Über die Bedeutung der pathologischen Glykogenablagerung. 


Virchows Arch., Bd. 183, 1905. 

Meillere und Löper: Repartition et dosage du glycogene etc. 
CHRAS. dı BS190L. 

Metzner: Absonderung und Herausbeförderung des Harns. Nagels 
Physiologie, Bd. Il, 1907. 

Derselbe: Die histologischen Veränderungen der Drüsen, daselbst. 
Meves: Über Mitochondrien bezw. Chondriokonten in den Zellen 
junger Embryonen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 71, 1907. 

Derselbe: Die Chondriokonten in ihrem Verhältnis zur Filarmasse 
Flemmings. Anat. Anz.,, Bd. 31, 1907. 


. Derselbe. Die Chondriosomen als Träger erblicher Anlagen. Arch, f. 


mikr. Anat., Bd. 72, 1908. 


2. Derselbe: Zur Einigung zwischen Faden- und Granulalehre, daselbst, 


Bd. 75, 1910. 


. Noll und Sokoloff: Histologie der ruhenden und tätigen Fundus- 


drüsen. Arch. f. Anat. u. Phys., Phys. Abt., 1905. 


. Nussbaum: Vergleiche das Verzeichnis der Arbeiten dieses Autors 


bei Oppel. 


. Ogneff: Einige Bemerkungen über das Magenepithel. Biol. Zentralbl., 


Bd. 12, 1892. 
Oppel: Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie, 1900. 


. Derselbe: Ergebnisse der Anatomie u. Entwicklungsgeschichte, 1902— 1906. 
. Derselbe: Referat in Schwalbes Jahresbericht. 


Derselbe: Über eine zweite Zellart in den Brunnerschen Drüsen. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76, 1910. 

Oppenheimer: Handbuch der Biochemie, 1909. 

Pirone: Recherches sur la fonction s&eer6toire des cellules glandulaires 
gastriques. Zeitschr. f. allgem. Phys., Bd. 4, 1901. 

Regaud: Sur les formations mitochondriales et diverses especes 
cellulaires. Compt. Rend. Associat. d. Anat. Marseille 1908. 

Derselbe: Participation du chondriome a la formation des grains etc. 
Compt. Rend. Soc. d. Biol., Bd. 66, 1909. 


Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 375 


. Reuter: Ein Beitrag zur Frage der Darmresorption. Anat. Hefte 66, 


1902 und Anat. Anz., 1901. 


. Rollett: Vergleiche das Verzeichnis der Arbeiten dieses Autors 


bei Oppel. 


Schäppi: Über den Zusammenhang der Epithelzellen des Darms. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 69, 1907. 


. Schmidt: Beitrag zur normalen und pathologischen Histologie einiger 


Zellarten der Schleimhaut des menschlichen Darmkanals. Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. 66, 1905. 


. Schmidt, Gustav: Über die Resorption von Methylenblau durch 


das Darmepithel. Pflügers Arch., Bd. 113, 1906. 


Schiele: Das Glykogen in normalen und pathologischen Epithelien. 
Bern, Diss. 1880. 


. Sechmorl: Untersuchungsmethoden, 4. Aufl., 1907. 


Simon: Über das mikroskopische Verhalten des Glykogens in normalen 
menschlichen Schleimhäuten. Diss., Königsberg 1901. 


2. Stöhr: Lehrbuch der Histologie; das Verzeichnis der anderen Arbeiten 


bei Oppel. 


. Schütz: Beitrag zur Histologie des menschlichen Magens. Arch. f. 


Verdauungskrankheiten, Bd. 14, 1908. 


Schultze, ©.: Über die Genese der Granula in den Drüsenzellen. 
Ana AnzeuBdr38sl3llE 


. Derselbe: Neue Methoden der histologischen Aufhellung und korro- 


dierenden Technik usw. Verh. d. physikal.-med. Gesellsch. in Würzburg, 
N. F., Bd. 6, 1910. und Zeitschr. f. mikr. Technik, 1910. 


. Vermaat: Untersuchungen über das Oberflächenepithel des Magens. 


Bern, Diss. 1904/5. 


. Zillenberg: Fortgesetzte Untersuchungen über die Verhältnisse 


des Darmepithels usw. Zeitschr. f. Biol., 52, 1909. 


. Zimmermann: Beitrag zur Kenntnis einiger Drüsen. Arch. f. mikr. 


Anat., Bd. 52, 1898. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. 


Fig. 1. Magen vom Frosch; Konservierung in Alkohol absolutus; Häma- 


toxylin (Delafield) und Bestsches Karmin. — Die Öberflächen- 
epithelien enthalten in den Oberenden Glykogengranula. 


Fig. 2. Magen vom Frosch; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1. 


Die Glykogengranula nehmen die über und unter den Kernen 
gelegenen Abschnitte der Zellen ein, während die Oberenden frei 
von solchen Granula sind. 


a 
>16 


Fig. : 


Julius Arnold: Die Anordnung des Glykogens etc. 


Magen vom Frosch; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1. 
Die an der Übergangsstelle vom Ausführungsgang zum Drüsenkörper 
gelegenen Zellen — die sogenannten Halszellen — enthalten grössere 
intensiv gefärbte Granula, während die Zellen des Ausführungsgangs 
solche nicht aufweisen. Dagegen enthalten die Drüsenzellen im 
Anfangsteil der eigentlichen Drüse feine Glykogengranula. 

Magen des Frosches; Konservierung in Sublimat; Tinktion mit 
Hämatoxylin und Mucikarmin, die Oberenden der Zellen enthalten 
feine Mucingranula. 

Magen der Katze; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1; die 
Oberenden der Epithelien der Oberfläche und des Ausführungsganges 
mit Glykogengranula erfüllt. Dieselben lagen so dicht, dass sie nur 
mit stärkeren Vergrösserungen zu erkennen waren. 

Magen der Katze; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1; 
Durchschnitt durch einen Drüsenschlauch der Magenschleimhaut; 
Glygogengranula führende Belegzellen. 


Aus dem Zoologischen Institut der Universität zu Berlin. 


Über Genesis und Morphologie der roten Blut- 
körperchen der Vögel. 
Von 
Dr. Wilhelm Venzlaff. 


Hierzu Tafel XV und 3 Textfiguren. 


Frei! 
Über die Genesis der roten Blutkörperchen der Vögel. 


Einleitung. 

Das Knochenmark der Vögel ist schon häufiger Gegenstand 
der Untersuchung gewesen, wohl aus dem Grunde, weil sein 
Aufbau eine grosse Stütze der Auffassung von der heterogenen 
Entstehung der weissen und roten Blutkörperchen war. Es waren 
alle Forscher, welche dieses Organ in den Jahren 1570 bis 1892 
untersuchten, Bizzozzero, Torre, Denys und van der 
Stricht, übereinstimmend zu dem Resultat gekommen, dass 
eine scharfe örtliche Trennung zwischen den Entstehungszentren 
der Leukozyten und denen der Erythrozyten bestände; die roten 
Blutkörper entständen in den kapillaren Venen, die weissen ausser- 
halb der Gefässe im Markparenchym. Die Gefässe seien durch 
eine ununterbrochene Wand vom Zwischengewebe getrennt. Nur 
insofern differieren die genannten Autoren untereinander, als sie 
die Erythrozyten von verschiedenen Zellen ableiten. Bizzozzero 
und Torre lassen die roten Blutkörperchen aus einer kugeligen 
Zelle mit grossem Kern, schmalem, homogenem, mit Hämoglobin 
beladenem Plasmasaum hervorgehen; durch mitotische Teilung 
und Reifung entwickelt sich aus ihnen das fertige Element. 
Denys dagegen bezeichnet hämoglobinlose, von den weissen 
Blutkörpern jedoch deutlich unterschiedene Zellen, die in konti- 
nuierlicher Schicht die Wände der Venenkapillaren bedecken, als 
Erythroblasten. Bizzozzero und Torre hatten diese Zellen 
als weisse Blutkörperchen angesprochen. Van der Stricht stellt 


378 Wilhelm Venzlaff: 


sich nun unter anderem in seinen Blutuntersuchungen die Auf- 
gabe, diese Streitfrage zu entscheiden. Er spricht sich für die 
Auffassung Denys aus, da zwischen dessen Erythroblast und 
den roten Blutkörpern alle Übergänge aufzufinden seien. An 
der Auffassung, dass die Erythrozyten und Leukozyten artver- 
schiedene Zellen sind, hält er jedoch fest, da in der Tat zwischen 
dem Markparenchym und den Gefässen keinerlei Verbindung 
bestände, diese beiden Entwicklungsreihen sich also schon durch 
die verschiedene örtliche Entstehung als durchaus heterogen doku- 
mentierten. Diese im wesentlichen übereinstimmenden Resultate 
der genannten Autoren sind wohl der Grund, dass auf längere 
Zeit das Interesse an der Untersuchung des Knochenmarkes der 
Vögel erlischt. Erst als man auf Grund ausgedelhnter Forschungen 
an anderen blutbildenden Organen zu Ergebnissen über die Ver- 
wandtschaft der roten und weissen Blutkörperchen kam, die mit 
den oben ausgeführten in Widerspruch standen, wendete man 
sich auch wieder der Untersuchung jenes Organs zu. Bei Milz- 
untersuchungen der niederen Wirbeltiere hatten viele Forscher 
für rote und weisse Blutkörper eine gemeinsame Mutterzelle 
gefunden. Giglio Tos (1897) gibt bei Petromyzonten an, dass 
sich in der Spiralklappe stets Zellen mit grossem Kern, homo- 
genem Plasma, ohne Membran vorfänden, die sowohl Erythrozyten 
wie Leukozyten liefern. Das gleiche sagt Laguesse (1390) 
über eine Zelle von ähnlicher Beschaffenheit in der embryonalen 
Milz der Fische aus. Auch H. F. Müller (1889) und Phisalix 
(1902), die die Milz von Fröschen und Tritonen untersuchten, 
bezeichnen eine Zelle als Ausgangspunkt für alle Blutzellen. 
Nicht so einheitlich sind die Resultate, die beim Studium der 
embryonalen Leber gewonnen worden sind. Dieses Organ Ist 
sehr früh der Sitz von Blutbildung. Van der Stricht gibt 
über ihren Aufbau folgende Schilderung: Nach einem primitiven 
Stadium, in welchem sich die Leber nur in geringem Maße an 
der Blutbildung beteiligt, wird die Möglichkeit, Blutzellen zu 
bilden, dadurch sehr erhöht, dass im Innern der Leberzellen- 
stränge ein sekundäres Venenkapillarnetz auftritt, in dem sich 
eingeschwemmte Jugendformen schnell vermehren. Sie bilden 
Inseln, deren Randzellen sich zu einem Grenzhäutchen umwandeln. 
In diesen Blutnestern entstehen rote und weisse Blutkörper 
nebeneinander, doch lassen sich beide Entwicklungsreihen auf 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. Il4 


Grund der Plasmabeschaftenheit deutlich unterscheiden. Diese 
letzte Behauptung bestreitet Kostanecki: nach ihm gibt es 
zwischen Leukoblasten und Erythroblasten alle Übergänge. Saxer 
(1896), der die allerersten Stadien der Leber studiert hat, leitet 
die Blutzellen von farblosen „Wanderzellen“ ab, die überall im 
Bindegewebe vorkommen und von dort in die Leberanlage ein- 
dringen. Howell lässt ebenfalls aus den Zellsträngen der 
embryonalen Leber weisse und rote Blutkörper hervorgehen und 
analogisiert diese Stränge mit denen des Knochenmarks. Was das 
Knochenmark der Säuger anbetrifft, so erscheinen hier vor allem die 
Mitteilungen wichtig, welche F. Weidenreich in seinem Referate 
über die roten Blutkörper gibt. Nach ihm sind die Zellnester 
des Knochenmarks die eigentlichen Herde der Blutbildung:; sie 
stellen solide Anhängsel der Venenkapillaren dar, die dort keine 
endotheliale Abgrenzung erkennen lassen. Hier werden weisse 
und rote Blutkörper nebeneinander produziert, jedoch lassen sich 
beide Entwicklungsreihen von der Stammzelle ab gut verfolgen. 
Dies Ergebnis verwendet Weidenreich zur Deutung der Ver- 
hältnisse im Knochenmark der Vögel. Es scheint, als ob die 
Leukoblastenhaufen den Zellnestern der Säuger entsprächen. Die 
Venen besässen auch hier keine scharfe Abgrenzung gegen das 
Parenchym und die bisher nur als Leukoblasten bezeichneten 
Zellen schöben auch die Erythroblasten in die Gefässe ab. Nach 
dieser Literaturübersicht scheint es nicht mehr zweifelhaft, dass 
die Verhältnisse im Vogelmark verkannt worden sind und dass 
sich auch hier für die Erythrozyten und Leukozyten eine gemein- 
same Stammzelle nachweisen lassen dürfte. Diese Aufgabe zu 
lösen hat kürzlich Wera Dantschakoff unternommen. Die 
Autorin kommt jedoch zu einem ganz anderen Resultat, als 
es Weidenreich skizziert hat. Nach ihr ist nicht die die 
Leukoblastenhaufen zusammensetzende Zelle, sondern der grosse 
Lymphozyt die gemeinsame Stammzelle der Erythrozyten und 
Leukozyten. Er entsteht in der embryonalen Periode aus dem 
kleinen Lymphozyten und bleibt von da ab als selbständiges 
Element erhalten; ist er einmal vorhanden, so braucht er im 
erwachsenen Mark nicht mehr aus dem kleinen Lymphozyten 
heranzuwachsen, sondern erhält sich fortgesetzt durch Teilungen. 
In den Venen und im Parenchym liegt er regellos verteilt. Die Zellen 
der Leukoblastenhaufen spielen keine Rolle bei der Blutbildung. 


380 Wilhelm Venzlaff: 


Ich habe mir im ersten Teil meiner Arbeit die Aufgabe 
gestellt. zu prüfen, welche der beiden hier kurz angegebenen 
Ansichten die richtige ist. Ich muss mich durchaus für die 
Weidenreichs entscheiden und werde nach meinen Darstellungen 
meine Gregengründe gegen die Auffassungen Dantschakoffs 
geltend machen. 


Beschreibung der Technik. 


Ich untersuchte das Knochenmark des Femurs und der 
Tibia von ausgewachsenen Tauben. Die Knochen wurden durch 
kurze, nicht zu kräftige Schläge eingespalten und dann mittels 
einer spitzen Präpariernadel die abgespaltenen Stücke vorsichtig 
entfernt. Es gelang mir auf diese Weise in den meisten Fällen, 
das ganze Mark mit Ausnahme der in den Epiphysen steckenden 
Teile unbeschädigt aus der Knochenhöhle herauszunehmen. Man 
muss jedoch darauf achten, dass man nicht zu seinen Unter- 
suchungen das Knochenmark von Tauben verwendet, die längere 
Zeit in engen Räumen gefangen gehalten worden sind. Bei diesen 
füllt sich nämlich von den Wandungen her die Knochenhöhle 
allmählich mit spongiösem Knochen aus, denn es sinkt natürlich 
in der Gefangenschaft der Bedarf an roten Blutkörperchen, so 
dass das Knochenmark zum Teil seiner Funktion überhoben wird 
und die Knochenhöhle teilweise mit anderem Material ausgefüllt 
wird. Bei solchen Tauben ist es ausgeschlossen, das Mark un- 
beschädigt aus der Höhlung zu entfernen. Vor der Entnahme 
wurde bei einigen Stücken von der Aorta descendens eine 
Injektion mit chinesischer Tusche vorgenommen. Es wurde unter 
möglichst geringem Druck solange injiziert, bis in der Vena iliaca 
externa Tusche auftauchte; dies dauerte etwa 5—7 Minuten. 
Es empfiehlt sich nicht, eine Veneninjektion ins Knochenmark 
vorzunehmen, etwa von der Vena ijliaca externa aus. Diese 
Injektionsrichtung hat den Nachteil, dass die Tusche von den 
weiten, zartwandigen Venenkapillaren in die engen Arterien- 
kapillaren übergehen muss, so dass leicht eine Stauung der Tusche 
und Zerreissung der dünnen Venenwände eintreten kann. Bei 
der umgekehrten Injektionsrichtung wird der Zufluss in die 
venösen Kapillaren durch die sehr engen, dickwandigen, arteriellen 
reguliert, so dass Extravasate ausgeschlossen sind. Ich nahm 
Fixierungen mit Herrmannscher, Flemmingscher und 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 381 


Zenkerscher Lösung vor. Die beiden ersten versagten voll- 
ständig, wohl aus dem Grunde, weil sie sich wegen ihres Gehalts 
an Osmiumsäure nicht zur Fixierung stark fetthaltiger Gewebe 
eignen. Die Zenkersche Lösung lieferte dagegen sehr gute 
Resultate. Ich fixierte mindestens 6 Stunden, wusch 24 Stunden 
in Wasser aus und brachte die Objekte durch die Alkoholstufen 
und Cedernholzöl in Paraffın. Zum Schneiden bettete ich sie 
in 62° Paraffin ein und konnte so Serien von 2—5 u Stärke 
schneiden. Als Kernfarbe verwandte ich mit einer Ausnahme das 
Hansensche Hämatoxylın (Z. f. wiss. Mikr., 1905. Bd. 22). Ver- 
folgt man nicht den Zweck, spezielle Teile der Zelle, etwa Zentren, 
zu färben, so hat das Hansensche Hämatoxylin bei gleichen 
Eigenschaften, tiefschwarze Farbe und sehr distinkte Färbung, 
wie das Heidenhainsche, doch vor diesem sehr angenehme 
Vorteile. Es färbt schon ausreichend bei minutenlanger (etwa 5) 
Einwirkung und überfärbt selbst noch nicht bei 1—2 Stunden 
langer Behandlung der Schnitte. Das Difterenzieren fällt also 
fast fort. Ich färbte stets etwa 1 Stunde lang, wusch mit 
fliessendem Wasser aus und tat dann die Schnitte noch 1 bis 
2 Minuten in 1°/o Eisenoxydammoniakalaun. ‚Jenach den Zwecken, 
die ich verfolgte, kombinierte ich diese Kernfärbung mit anderen 
Färbungen. Um den Verlauf der Gefässe zu studieren, behandelte 
ich die bis zum abs. Alk. gebrachten Schnitte 2 Minuten mit 
einer konzentrierten Lösung von Rubin S in abs. Alk. und über- 
führte direkt in Xylol. Man erreicht so eine scharfe Färbung 
der Gefässe. Zur Untersuchung des Gefässaufbaues verwandte 
ich die van Giesonsche Lösung und eine Resorein-Fuchsinlösung 
nach Weigert ohne Kernfarbe. Zum Studium der Erythrozyten- 
und Leukozytenentwicklung färbte ich nach dem Hansenschen 
Hämatoxylin längere Zeit in schwacher wässriger Eosinlösung. 
Eine einwandsfreie Verfolgung der Nukleolen in den Kernen der 
Erythro- und Leukoblasten konnte ich dadurch ermöglichen, dass 
ich in Ehrlichschem Hämatoxylin gefärbte Schnitte in Pikrin- 
säure differenzierte. Das Ehrlichsche Hämatoxylin ist eine sehr 
durchsichtige Kernfarbe, und nach der Differenzierung in Pikrin- 
säure färbt sich der Nukleolus viel heller als die Chromatin- 
teilchen, so dass auf Grund dieser beiden Eigenschaften des 
Ehrlichschen Hämatoxylins das Erkennen selbst in sehr stark 
chromatinhaltigen Kernen möglich ist. 


382 Wilhelm Venzlaff: 


Das Gefäßsystem des Knochenmarks. 

Über den Verlauf der Gefässe des Knochenmarks der Vögel 
liegen bisher nur die Beobachtungen von Denys vor. Die Autoren, 
die nach ihm dieses Organ untersucht haben, nahmen wenig 
Interesse an dieser Frage, da ihnen die Entstehung der Blut- 
körperchen das Wichtigste bei ihren Arbeiten war. Sie begnügten 
sich damit, die augenscheinlich strenge Scheidung des Parenchyms 
von dem Lumen der Kapillarvenen zu konstatieren, obgleich 
damit die Möglichkeit der offenen Verbindung des Gefäßsystems 
mit dem Zwischengewebe nicht erschöpft war und eine genaue 
Durchforschung in dieser Hinsicht gewiss andere Resultate zu- 
tage gefördert hätte. Ehe ich nun dazu übergehe, meine eigenen 
Befunde wiederzugeben, möchte ich erst die Resultate Denys 
mitteilen, um mich auf Bekanntes stützen zu können. 

Nach Denys geschieht die Versorgung des Knochenmarks 
mit Gefässen durch die Arteria nutritia. Nachdem sie durch das 
Foramen nutritium ins Mark eingetreten ist, teilt sie sich in 
zwei Arme, die nach den Enden des Knochens zu verlaufen. Sie 
nehmen die Mitte der Höhlung ein und liefern auf ihrem Wege 
kleinere Zweige; an diese schliesst sich das arterielle Kapillar- 
netz. Die Kapillaren haben eine doppelt konturierte Membran 
mit langgestreckten Kernen. Sie sind sehr lang, geradlinig, teilen 
sich wenig und haben ein so enges Lumen, dass die roten Blut- 
körperchen gezwungen sind, eines nach dem anderen zu passieren. 
Sie sind selten und verlaufen immer im Parenchym. Den Venen- 
kapillaren nähern sie sich stets unter rechtem Winkel. Diese 
sind vom Parenchym durch ein dünnes Häutchen getrennt, das 
aus einer Lage dünner Zellen besteht. Die Venenkapillaren 
werden weiter und ergiessen sich in die Zentralvene, welche die 
Arterie begleitet. Die Zentralvene hat den gleichen Aufbau wie 
die Venenkapillaren ; sie übertrifft die Arterie an Lumen bedeutend 
und durchkreuzt die ganze Knochenhöhle. Die Arterie hat dicke, 
muskulöse und elastische Wände. 

Wenn nun auch die Art, wie Denys den Verlauf der Arteria 
nutritia schildert, im wesentlichen das Prinzip der Verteilung 
trifft, nämlich dass die Arterie sich gleich nach ihrem Eintritt 
in Äste gabelt, die nach den Enden des Knochens zu verlaufen 
und auf ihrem Wege durch Abgabe von Ästen das Parenchym 
mit Gefässen versorgt, so habe ich die Einzelheiten der Ein- 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 3833 


mündung und den weiteren Verlauf doch wesentlich anders, 
komplizierter als Denys gefunden. Auch in bezug auf den 
Aufbau der Gefässe, der Lage der Hauptvene und weitere 
Gefässeinmündungen habe ich andere Befunde mitzuteilen als 
Denys. 

Die Hauptversorgung des Markes mit arteriellen Gefässen 
geschieht durch die Arteria nutritia, welche am Foramen nutritium 
in die Knochenhöhle eintritt. Dieses liegt bei der Taube am 
Femur an der Hinterseite des Knochens in der Mitte zwischen 
beiden Epiphysen, an der Tibia ebenfalls in der Mitte der Diaphyse, 
jedoch an der Aussenseite unter dem Fibularest. Am Femur 
stellt es einen die Knochenwand entweder senkrecht oder etwas 
schräg aufwärts durchschneidenden Kanal vor, an der Tibia ist 
dieser von oben nach unten gerichtet. Durch ihn mündet bei 
beiden sowohl die Arteria ein als auch die Vena nutritia aus. 
Die Arterie tritt unterhalb der Venenausmündung ein. Die nun 
einsetzende Verteilung der Arterie geht in den verschiedenen 
Fällen recht verschieden vor sich. Dies richtet sich anscheinend 
nach der Lage der Hauptvene und ihrer Ausmündung in bezug 
zu der Eintrittsstelle der Arterie. Liegen sich beide sehr nahe, 
so setzt sofort eine starke Verästelung der Arterie ein, hat sie 
dagegen eine Strecke lang zu laufen, ehe sie an die Hauptvene 
herantritt, so geht die Verzweigung erst später vor sich. 

Ich untersuchte zwei Einmündungen in die Femurhöhle 
genau. Ich fertigte 5 « dicke Schnitte an, zeichnete die mit dem 
Zeichenapparat aufgenommenen Schnitte, in denen wichtige Ver- 
zweigungen vor sich gingen, in den natürlichen Abständen nach 
einer gewählten Einheit perspektivisch übereinander und erhielt 
durch Verbindung der Schnitte die plastisch gezeichneten Figuren 1 
und 2, die den Verlauf der Arterien und der Hauptvene in der 
Nähe des Foramen nutritium zeigen. Bei Fig. 2 zeichnete ich 
in grösseren Abständen einen Schnitt ein, um die Veränderung 
der Lage der Gefässe im Knochenmark zu demonstrieren. Trotz 
der verschiedenen Bilder, die ich so erhalten habe, lassen sich 
jedoch beide auf das gleiche Prinzip zurückführen. Die Haupt- 
gefässversorgung der oberen Hälfte des Markes geschieht durch 
zwei Arterienzweige, die der unteren durch einen Zweig. Die 
anderen von der eintretenden Arterie abgehenden Äste sind ent- 
weder von vornherein klein und lösen sich bald in die Kapillaren 


354 Wilhelm Venzlaff: 


auf, oder sie verlieren sich trotz beträchtlicher Grösse sehr bald 
im Parenchym. Die drei Hauptäste der Arterie begleiten die 
grosse Vene eine Zeitlang, die oberen etwa ein Viertel des 
Weges bis zu dem Ende der Markhöhle, der untere noch länger 
als die oberen. Sie geben auf diesem Wege Zweige der ver- 
schiedensten Stärke ab, biegen dann von der Vene ab und ver- 
ästeln sich mehr und mehr im Parenchym. Man kann auf Grund 
dieses Verlaufes der Arterien bei einem 
Schnitt durchs Mark recht gut an der Stärke 
der Arterien und ihrer Lage zur Haupt- 
vene abschätzen, in welcher Entfernung 
von der Einmündung der Schnitt getroffen 
hat. Die Verästelung setzt von vornherein 
stark ein. Merkwürdig erscheint dabei, dass 
in der Nähe des Foramen nutritium grössere 
Arterienzweige vereinzelt quer durch die 
grosse Vene schneiden, um sich auf der 
anderen Seite sofort stark zu verästeln. 
Die grösseren Arterien des Markes machen 
häufig den Eindruck, als ob sie nicht aus 
der Verzweigung der einmündenden Arterie 
hervorgegangen sind, sondern selbständige 
Gefässe sind, die auf eine beliebige Art 
mit der Hauptarterie in Verbindung treten. 
In Fig. 1, wo die Einmündung der 
Fig. 1. Arterie direkt unter der Ausmündung der 
Hauptvene liegt, teilt sich die Arterie gleich 

in zwei, die Vene von entgegengesetzten Seiten umfassende Äste 
a und b. Es sind die Zweige, die die obere Partie des Markes 
mit Gefässen versorgen, deren weiterer Verlauf durchaus dem 
oben angegebenen Prinzip entspricht. Vom Zweig b geht horizontal 
ein Ast ab, der die Vene mit einem dicken Halbring umfasst, 
aus dem nach oben zwei rasch an Stärke abnehmende und bald 
verschwindende Äste d und e entspringen. Von dem in der Figur 
nach vorn gelegenen Ast geht ein Zweig ab, der in die Arterie c 
einmündet, welche die Gefässe für den unteren Teil des Markes 
liefert. Die sonst in die Figur eingezeichneten kleinen Arterien 
sind nur für die unmittelbare Umgebung der Einmündung der 
Gefässe von Belang, sie lösen sich schnell in das Kapillarnetz auf. 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 355 


Fig. 2 zeigt klarer das oben angeführte Prinzip der Gefäss- 
versorgung. Hier mündet die Arterie eine Strecke weit von der 
Hauptvene entfernt in das Mark ein. Eine Zeitlang läuft sie am 
Rande des Markes entlang und erreicht die Vene erst oberhalb 
ihrer Ausmündung. Sie teilt sich dann in zwei Äste, von denen 


der eine sich mit dem vom unteren Teil des Markes kommenden 
(Grefäss c vereinigt. Die beiden so entstandenen Zweige, die 
Hauptgefässe a und b des oberen Teils, entfernen sich allmählich 
voneinander und laufen an entgegengesetzten Seiten der Vene 
entlang; ihre weitere Verzweigung geht wie bei den in Fig. 1 
beschriebenen Gefässen vor sich. Auch in Fig. 2 ist wieder das 
Auftreten umfangreicher Gefässe d und e zu bemerken, die 
schnell an Grösse abnehmen und sich im Parenchym auflösen 


386 Wilhelm Venzlaff: 


und auch nur durch enge Äste mit der zuführenden Arterie in 
Verbindung stehen. Das Verhalten der grossen Vene ist hier 
in Fig. 2 auch ein anderes als in Fig. 1. Dort bleibt sie während 
ihrer Ausmündung in demselben Quadranten der Serienschnitte 
liegen, hier geht sie von einem von der Einmündung der Arterie 
entfernt liegenden Quadranten in den dieser Einmündung zunächst 
liegenden über. 

Aus dem geschilderten Verlauf der Arterien erhellt, dass 
bis in die Epiphysen nur kleine Zweige der Arteria nutritia 
gelangen. In ihnen, besonders den oberen, ist jedoch das Blut- 
körperchen bildende Gewebe besonders stark entwickelt, und dem 
Gefässmangel, welcher durch die geringe Versorgung jener Teile 
der Markhöhle durch Zweige der Arteria nutritia entsteht, wird 
dadurch begegnet. dass stärkere Arterien an den Epiphysen 
durch Löcher der Knochenwand ins Mark einmünden. An der 
Diaphyse beschränkte sich das Eintreten von Arterien auf kleine 
bis 10 u grosse Äste, welche in den Haverschen und Volk- 
mannschen Kanälen verlaufen; die Arterien an den Epiphysen 
stehen der Arteria nutritia nicht viel an Stärke nach. Ihre Zahl 
sowohl wie auch der Ort ihrer Einmündung ist variabel, konstant 
ist nur eine Gefässöffnung in der Incisura intercondyloidea femoris. 
Hier mag auch im Gegensatz zu anderen Öffnungen der Austritt 
einer Vene aus dem Mark stattfinden: bei allen anderen Öffnungen 
(natürlich mit Ausnahme des For. nut.) handelt es sich nur um 
Austritt von Venenkapillaren, wie eine Untersuchung ihrer Wand 
an den Austrittsstellen zeigt. 

Der Aufbau der Arterie gleicht durchaus dem von andern 
Objekten her als typisch bekannten Bau. Arterien bis zu etwa 
20 u herab haben eine aus längsverlaufenden Zellen zusammen- 
gesetzte, bindegewebige Adventitia. die stark mit elastischen 
Fasern durchsetzt ist, eine aus quergelagerten, glatten Muskel- 
zellen aufgebaute Media und eine Intima, die aus längsverlaufenden, 
kammartig in das Lumen hineinragenden, spindelförmigen Zellen 
besteht. Media und Intima sind durch ein feines Häutchen getrennt. 
Unter diesem liegt bei grösseren Arterien eine dünne Schicht, 
welche sich aus elastischen Fasern zusammensetzt. Vereinzelt 
tauchen auch zwischen den Muskelzellen diese Elemente auf. 
Bei Arterien, die keine Adventitia haben, fehlt jede Spur elastischer 
Fasern. Die Arteria nutritia hat bei ihrem Eintritt ins Mark 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 337 


etwa die Stärke von 80—90 u und besitzt eine 11 « starke 
Adventitia und eine ebenso dicke, 4 Zellen breite Media. Bei 
Gefässen von 20 u ist die Adventitia verschwunden, die Media 
nur noch 4—5 u dick und 2 Zellen breit. Sind die Gefässe bis 
zu einer Stärke von 8—10 u herabgesunken, so verliert sich 
auch die Media und bei 7 « haben wir es nur noch mit echten 
Kapillaren zu tun. Ihr Durchmesser sinkt bis auf 3 « herab, 
mit einem Lumen von 1 «. An den Kapillaren ist nur noch 
die Intima erhalten, deren Kerne in unregelmässigen Abständen 
im Lumen auftauchen. Nach aussen umgibt die Intima stets 
ein feines, deutlich färbbares Häutchen: Von Zeit zu Zeit tauchen 
nach aussen vom Häutchen den Kapillaren eng anliegende Binde- 
gewebszellen auf, die das Gefäss umspinnen. Die Kapillaren 
sind sehr lang, im Durchschnitt 5—600 u, im Parenchym sehr 
häufig, ziemlich stark verzweigt und anastomosieren untereinander. 
Andere als Kapillaranastomosen konnte ich nicht auffinden. Die 
Verfolgung der Kapillaren, die natürlich nur mit Ölimmersion 
geschehen kann, bereitet auf Grund dieser Eigenschaften grosse 
Schwierigkeiten. Dazu kommt, dass eine Ortsfixierung im aktiven 
Mark ausserordentlich schwierig ist, denn das Parenchym sieht 
überall gleichmässig aus und die Umrisse der einzelnen Stellen 
wechseln von Schnitt zu Schnitt. Man erleichtert sich die Ver- 
folgung der Kapillaren wesentlich, wenn man sie an gehungertem 
Mark vornimmt. Hier verschwindet ein grosser Teil der Leuko- 
zyten, so dass die Kapillaren sehr gut sichtbar werden, und man 
unter Zuhilfenahme des durch ein Mikrometer-Okular gemessenen 
Abstandes von grösseren Gefässen eine einwandfreie Verfolgung 
ermöglichen kann. Jedoch ist ein Minimum von 5 « Schnitt- 
dicke erforderlich. Ich nahm die Gefässverfolgung an gehungertem 
Mark nicht vor, ohne mich durch einen Vergleich der grösseren 
Gefässe mit solchen des normalen Markes zu überzeugen, dass 
eine Hungerfrist von fünf Tagen keinerlei Veränderung an den 
Gefässen hervorruft. Die Arterienkapillaren gehen restlos in die 
Venenkapillaren über. Es findet keine Auflösung der Kapillaren 
im Parenchym statt, wie man es bei anderen Blutzellen liefernden 
Organen nachweisen konnte. Der Übergang ist kein allmählicher, 
unmerklicher, sondern ein scharf abgesetzter, und zwar geht das 
die Arterienkapillaren umspannende Häutchen in die Venenkapillar- 


wand über. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 27 


398 Wilhelm Venzlaft: 


Bevor ich nun zu der Beschreibung der letzteren übergehe, 
möchte ich noch einige Bemerkungen über Teilungen von Arterien 
machen und zwar aus dem Grunde, weil ich in allen Handbüchern 
der Gewebelehre keinerlei Notizen über diesen Punkt finden 
konnte. Bei Teilungen der Arterien, die noch Media und Intima 
besitzen, ist es stets die Media, welche die Teilung aktiv durch- 
führt; alle anderen Schichten machen nur die sich abspielenden 
Veränderungen mit. Es treten in der Media, die sonst nur aus 
quergelagerten, glatten Muskelzellen besteht, schräg längsver- 
laufende Zellen auf, so dass in das Gefässlumen von sich gegen- 
überliegenden Stellen kleine Vorsprünge hineinragen. Die schräg 
gelagerten Elemente mehren sich und gehen allmählich in längs- 
verlaufende über. Die Vorsprünge werden grösser und grösser 
und verschmelzen schliesslich. In dem Maße, wie die so ent- 
standene Brücke breiter wird, machen wieder die längsverlaufenden 
Zellen allmählich queren Elementen Platz, und die Adventitia 
dringt von aussen her allmählich in die Brücke ein. Sie spaltet 
sie in zwei Hälften und die Teilung ist vollzogen. Bei den 
Kapillaren, die keine Media mehr besitzen, wird die Teilung 
durch eine unvermittelt quer durchs Lumen schneidende Zelle 
veranlasst. Da sofort zu beiden Seiten dieser Zelle Intimazellen 
auftreten, kann sie kaum zu jener Schicht gehören, sondern ist 
wohl eine jener den Kapillaren von aussen anliegenden Binde- 
gewebszellen. Eine solche Kapillarenteilung spielt sich innerhalb 
einer Strecke von 10—15 u ab; die Teilung grösserer Arterien 
richtet sich nach ihrer Grösse; ich verfolgte Teilungen von 80 u. 

Wie schon erwähnt, gehen alle Arterienkapillaren in die 
Venenkapillaren über; das die ersteren umgebende Häutchen 
wird zur Venenkapillarwand. Die Venenkapillaren unterscheiden 
sich wesentlich von arteriellen Kapillaren. Sie sind im Gegen- 
satz zu diesen sehr weit, im Mark ausserordentlich stark ent- 
wickelt, wo sie sehr reich verzweigte miteinander anastomosierende 
Hohlräume bilden. Ihre Wand besteht aus einem zarten Häutchen, 
im Gefässlumen tauchen vereinzelt die es bildenden Zellen auf. 
Auch an die Venenkapillaren legen sich von aussen Bindegewebs- 
zellen, so dass der Unterschied im Aufbau gegen die arteriellen 
Kapillaren in der Hauptsache in der schwach entwickelten Innen- 
schicht der Vene besteht. Bis zur Einmündung in die Hauptvene 
behalten die Kapillaren den beschriebenen Wandaufbau. Die 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 389 


Hauptvene, die fast die ganze Knochenhöhle durchläuft, ist von 
den früheren Autoren Zentralvene genannt worden. Der Name 
ist nicht recht zutreffend, denn auf einem Drittel ihres Weges, 
am Foramen nutritium, liegt sie nichts weniger als zentral: 
diese Lage nimmt sie erst in dem obersten und untersten Teil 
der Knochenhöhle ein. Denys schreibt ihr den gleichen Wand- 
aufbau wie den Kapillaren zu. Das ist jedoch nicht der Fall. 
Noch in den obersten Teilen des Markes, wo sie an Grösse be- 
trächtlich im Vergleich zu den mittleren Teilen abgenommen 
hat, zeigt sie deutlich jene drei, allen Venen zukommenden 
Schichten, Intima, Media, Adventitia. Die Intima ist sehr zart 
und geht in die Venenkapillarwand über. Auch Media und 
Adventitia sind schwach entwickelt: die Wandstärke erreicht nur 
eine obere Grenze von 9 «. Hier im Knochenmark liegt also 
der. seltene Fall vor, dass sich bei den Venen nicht während der 
Abstufung bis zu den Kapillaren die Schichten der Wandungen 
allmählich verlieren, sondern Kapillaren direkt in eine vollständig 
entwickelte Vene einmünden. Selbst bei sehr grossen Lumen 
kapillarer Venen wie sie zuweilen nahe an der Hauptvene vor- 
kommen, ist nie Muskulatur oder adventitiaartig entwickeltes 
Bindegewebe vorhanden. Diese Eigentümlichkeit findet ihre Er- 
klärung leicht in der Funktion des Knochenmarks. Die Venen- 
kapillaren sind die Stätten der Bildung roter Blutkörperchen, 
und da das Knochenmark fast ausschliesslich die Blutbildung 
besorgt, ist eine reiche Entwicklung des Venenkapillarnetzes in 
ihm erforderlich. Für Übergänge im Verlauf der Venen ist daher 
kein Raum gelassen. 

Das Lumen der Venenkapillaren ist im allgemeinen lückenlos 
gegen das Parenchym abgeschlossen. Offene, präformierte Ver- 
bindungen zwischen beiden bestehen nur an den Stellen des 
Parenchyms, die durch ihren Aufbau und ihre Form eine Aus- 
nahmestellung gegenüber den anderen Teilen einnehmen, das sind 
die von früheren Autoren als Leukoblastenhaufen oder Herde 
Iymphadenoiden Gewebes bezeichneten Partien des Markes. Diesen, 
bei jedem Schnitt durch aktives Mark in die Augen fallenden 
Stellen hat man bis vor kurzem recht wenig Aufmerksamkeit 
geschenkt, obwohl sie es verdienten, weil ihre Gestalt und ihr 
Aufbau sich wesentlich von dem übrigen Parenchym unterscheidet. 


Während dieses, ohne je regelmässige Form anzunehmen, die 
27* 


390 Wilhelm Venzlaff: 


xäume zwischen den Venenkapillaren ausfüllt, zeigen die Leuko- 
blastenhaufen stets annähernd kugelige Gestalt. Bindegewebige 
Elemente sind in ihnen sehr selten, erst am Rande tauchen Zellen 
auf, die die kugelige Oberfläche umfassen. Ebenso selten ver- 
laufen in ihnen Gefässe, seien es Arterien oder Venenkapillaren: 
die ersteren verlaufen meist nur am Rande, die letzteren biegen 
um sie herum. Ich verfolgte nun durch Serienschnitte das Ver- 
halten der Venenkapillaren am Rande jener Leukoblastenhaufen 
und konnte konstatieren, dass an jedem die Venenwand an einer 
Stelle eine Auflösung erleidet. Fig. 1, Taf. VX zeigt, wie an das 
in der Zeichnung rechts gelegene Lymphknötchen (so will ich aus 
später anzuführenden Gründen von jetzt ab die Leukoblastenhaufen 
nennen), das seiner Grösse wegen nicht im entferntesten in die 
Zeichnung hineinging, eine Venenkapillare herantritt und wie 
hier eine Auflösung der Venenwand vor sich geht, so dass die 
Zellen des Lymphknotens ungehindert ins Venenlumen eindringen 
können. Die Venenwand ist bis zu der mit einem Kreuz be- 
zeichneten Stelle fest und würde nur einen gewaltsamen Durch- 
tritt gestatten. Von jener Stelle ab biegt sie jedoch ins Lymph- 
knötchen hinein und löst sich dort auf. Es fehlt weiter abwärts 
jegliche das Venenlumen abschliessende Wand, so dass die Zellen 
hier eindringen können, und dass sie es tun, beweisen die leeren 
Maschen der Retikulumzellen und die den Elementen des Lymph- 
knötchens durchaus gleichenden Zellen des unteren Teiles der 
Vene. In der Zeichnung oben links besteht noch eine kleinere 
gleichartige Öffnung am Lymphknoten, der sich nach links an 
die Zeichnung anschliesst. Ein weiterer Beweis dafür, dass es 
sich hier wirklich um eine offene Stelle in der Venenwand handelt, 
ist das Verhalten der chinesischen Tusche an solchen Stellen. 
Verhältnismässig weit von der Öffnung entfernt kann man noch 
Tuschepartikelchen wahrnehmen, die nach der Öffnung zu stärker 
und stärker auftreten. Um Extravasate kann es sich hier nicht 
handeln, da an keinen anderen Stellen Tuscheteilchen im Paren- 
chym wahrgenommen werden können. 


Die Entwicklung der Erythrozyten. 
Wenn ich in diesem Abschnitt eine ausführliche Darstellung 
der Entwicklung der roten Blutkörperchen gebe, die schon von 
mehreren Autoren eingehend behandelt worden ist, so geschieht 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. Saal 


es, um den Nachweis zu führen, dass eine einwandfreie Ableitung 
der Erythrozyten von der Zelle möglich ist, die ich als Stamm- 
zelle ansprechen möchte, und um die schon meist bekannten 
Entwicklungsvorgänge in eine zeitlich geordnete Reihe zu bringen. 

Das in letzter Linie die Blutzellen liefernde Gewebe des 
Knochenmarkes sind die so reichlich (in einem Schnitt bis zu 
acht an der Zahl) im aktiven Mark vorhandenen Lymphknötchen, 
deren eigenartige Stellung ich schon auf S. 389 charakterisiert 
habe. Die überwiegende Zahl der die Lymphknötchen zusammen- 
setzenden Zellen sind kleine, etwa 5—6 u grosse Zellen mit 
relativ grossen Kernen, die bald chromatinarm, bald reichlicher 
mit Chromatin versehen sind und abgesehen von den unten 
angeführten Ausnahmen mindestens einen Nukleolus aufweisen, 
der Zelleib ist feingekörnelt, von feinen Fäden durchzogen und 
basophil. Die Zellen gleichen also vollkommen jenen Elementen 
des Blutes und der Lymphe, die als kleine Lymphozyten bezeichnet 
worden sind. Auf Grund dieser Identifizierung gebrauche ich 
die Bezeichnung Lymphknötchen. Doch noch andere Merkmale 
berechtigen dazu, diese Lymphknötchen des Knochenmarkes voll- 
kommen jenen schon seit langem so bezeichneten Teilen der 
Milz gleichzustellen. Zwischen den Lymphozyten zerstreut liegen 
grössere, mit Hämatoxylin sich pyknotisch färbende Körper, die 
von degenerierten Lymphozyten herrühren. Die Degenerations- 
symptome zeigen sich schon bei etwa 3 « grossen Zellen, ihr 
Kern ist stark chromatinhaltig und besitzt keinen Nukleolus 
mehr, wie denn überhaupt nur die Zellen im Lymphknötchen 
keinen Nukleolus aufweisen, die schon Degenerationserscheinungen 
zeigen. Im weiteren Verlauf wird das Chromatin im Kern 
immer dichter, bis er sich schliesslich pyknotisch färbt. Zuweilen 
findet dann eine Aufteilung in Schollen statt, ohne dass jedoch 
die Kernmembran aufgelöst wird. Die Zelle schrumpft bei dem 
ganzen Vorgang erheblich, so dass schliesslich nur noch ein 
kleiner schwarzer Fleck übrig bleibt. In grösserer Anzahl wie 
die tingiblen Körper sind bis 14 « grosse Zellen vorhanden, die 
ebenfalls mit dem kleinen Lymphozyten durch alle Übergänge 
verbunden sind. Ihr Kern ist gross, chromatinarm, mit einem 
grossen Nukleolus, ihr Plasma ‘bei einzelnen fast hyalin, bei 
anderen undurchsichtig und stark basophil. Es sind die von 
anderen Autoren als Lymphoblasten bezeichneten Zellen. Es ist 


392 Wilhelm Venzlaff: 


nun natürlich nicht durch den blossen Anblick eines Lymph- 
knötchens zu entscheiden, ob diese grossen Zellen, in denen sich 
vorzugsweise die häufig wahrnehmbaren Mitosen dieses Teils des 
Parenchyms abspielen. die kleinen Lymphozyten liefern, oder ob 
die grossen aus den kleinen Lymphozyten heranwachsen und 
dann eine grössere Teilungsfähigkeit entwickeln. Hier muss 
man seine Zuflucht zu der embryonalen Entwicklung nehmen. 
Entstehen dort zuerst grosse Lymphozyten und dann die kleinen, 
dann könnte man die erwähnten grossen Zellen als Lympho- 
blasten bezeichnen. Nun ist jedoch nach den Untersuchungen 
von Dantschakoff im embryonalen Mark das Gegenteil der 
Fall, die grossen Lymphozyten entstehen aus den kleinen, und 
man ist daher eher berechtigt, die grossen Zellen als heran- 
gewachsene kleine Lymphozyten mit vermehrtem Teilungsver- 
mögen zu betrachten, als umgekehrt die kleinen von den grossen 
Lymphozyten abzuleiten. Ich kann daher nicht recht verstehen. 
wie Dantschakoff jene Zellen als Lymphoblasten anspricht, 
obwohl sie für das embryonale Mark ihre Entstehung aus den 
kleinen Lymphozyten nachweist und auch zwischen ihnen und 
den im Parenchym liegenden grossen Lymphozyten keinerlei 
Unterschiede auffinden kann, ja beide an einer Stelle direkt 
identifiziert. 

Durelh Wachsen der Lymphknötchen werden Lymphozyten 
in allen Grössen durch die S. 390 beschriebenen Öffnungen in die 
Venenkapillaren geschoben und beginnen hier, sich zu roten 
Blutkörpern umzubilden. Diese Entwicklung fängt bei vielen 
Lymphozyten damit an, dass sie zu grossen Lymphozyten heran- 
wachsen, was leicht an dem häufigen Vorkommen dieser Zellart 
in den Venen im Vergleich zum Lymphknötchen erkannt werden 
kann. Doch ist dieser Schritt für die Entwicklungsreihe nicht 
durchaus nötig. alle jetzt anzuführenden Prozesse spielen sich 
an allen Lymphozyten der verschiedensten Grösse ab. Bis zur 
Entwicklung zum reifen Erythrozyten gehen nun an der Stamm- 
zelle folgende wichtige Veränderungen vor sich: Das Zellplasma 
wird hyaliner, der Kern häuft mehr Chromatin in sich an und 
streckt sich in einer Richtung, der Nukleolus verschwindet. die 
Rindenschicht der Zelle wird deutlich färbbar, in der Zelle 
entsteht Hämoglobin und schliesslich bildet sich die typische 
Gestalt des reifen Blutkörperchens aus. 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 3953 


Die zuerst genannten Veränderungen, bis zum Verschwinden 
des Nukleolus, halten keine bestimmte Reihenfolge in ihrem 
Auftreten ein; sie setzen unabhängig voneinander ein, bald diese, 
bald jene Veränderung zuerst, jedoch ist eine gewisse Abhängigkit 
voneinander unverkennbar, so dass z. B. eine Zelle, deren Kern 
schon eine starke Chromatinhäufung aufweist, nicht mehr undurch- 
sichtiges Plasma besitzt. (Gewöhnlich setzt die Hyalinisierung 
des Plasma zuerst ein, dem dann die Chromatinanhäufung im 
Kern folgt. Diese geht in der Art vor sich, dass das Chromatin 
zunächst an den Knotenpunkten des Kernnetzes auftritt und dort 
allmählich mehr und mehr zunimmt. Hierdurch erhält der Kern 
jene für die jungen Erythrozyten so typische Netzstruktur. Das 
Verhalten des Nukleolus ist bei den einzelnen Zellen sehr ver- 
schieden. Beschreitet ein grosser Lymphozyt mit seinem chromatin- 
armen Kern mit sehr grossem Nukleolus den Entwicklungsgang, 
so verschwindet allerdings der Nukleolus. Dagegen ist er bei 
den Zellen des Lymphknötchens, die nicht erst zum grossen 
Lymphozyten herangewachsen sind und ihre Entwicklung beginnen, 
noch sicher zu erkennen, wenn der Kern schon seine typische 
Netzstruktur aufweist. Es scheint mir daher, als ob das Ver- 
schwinden des Nukleolus mehr mit dem absoluten Alter der 
Zelle in den Venen als mit deren Entwicklungseang zum Erythro- 
zyten zu tun hat. Ich bin in dieser Annahme durch das Ver- 
halten des Nukleolus in der Leukozytenreihe bestärkt worden. 
Ich möchte nur noch einmal hervorheben, dass mir meine bei der 
beschreibung der Technik angeführte Färbemethode bei der Ver- 
folgung des Nukleolus die besten Dienste geleistet hat; bei anderen 
Hämatoxylinen und anderer Behandlung des Ehrlichschen ist 
ein einwandfreies Erkennen des Nukleolus ausgeschlossen. Ganz 
regellos setzt die Streckung der Zelle ein, zuweilen schon ehe 
die Uhromatinanhäufung beginnt, zum Teil erst, wenn die Zelle 
schon Hämoglobin enthält. Je hyaliner das Plasma wird, desto 
deutlicher färbbar wird die Zellrindenschicht, so dass man 
also bei diesen beiden Prozessen von einer unmittelbaren Ab- 
hängigkeit sprechen kann. Während dieser angeführten Um- 
wandlungen wird sowohl die Zelle als auch der Kern im Ver- 
hältnis zur Zelle kleiner. Noch immer dokumentiert sich die 
verschiedene Grösse der Stammzelle aufs deutlichste, und sie ist 
es auch in letzter Linie, die die nicht unerheblichen Grössen- 


394 Wilhelm Venzlaff: 


schwankungen unter den reifen Erythrozyten veranlasst. Die 
Zellen, welche die bisher beschriebenen Umwandlungen aufweisen, 
sind in den Venenkapillaren häufig und zeigen eine beträchtliche 
Vermehrungsfähigkeit. Dass die Teilungsfiguren der hämoglobin- 
losen Zellen diesem Stadium und nicht etwa dem grossen 
Lymphozyten zukommen, beweist die stets deutlich färbbare 
Rindenschicht der sich teilenden Zelle; das Plasma des grossen 
Lymphozyten könnte bei Teilungen vollkommen hyalin werden, 
jedoch nicht bei diesem Vorgang eine deutlich färbbare Rinden- 
schicht erwerben. Eine Teilung der grossen und kleinen 
Lymphozyten in den Venen konnte ich nicht auffinden. 

Haben sich die beschriebenen Umwandlungen vollzogen, so 
beginnt im Plasma das Hämoglobin aufzutauchen. Weder ungefärbt, 
noch durch Färbung, etwa mit Eosin, lässt es sich früher nach- 
weisen. Jedoch ist damit nicht entschieden, dass von jetzt ab 
erst die Hämoglobinausbildung stattfindet, oder ob nicht schon 
vorher dieser Farbstoff ausgebildet worden ist und nur wegen 
seiner geringen Färbkraft und wenigen Menge nicht erkannt 
werden konnte. Allerdings ist das letztere recht unwahrscheinlich, 
denn man trifft auf dieser Entwicklungsstufe viele Zellen, deren 
Plasma genau so weiss ist, wie das der Stammzelle. Das Hämo- 
globin ist von seinem ersten Auftreten an homogen im Plasma 
verteilt. weder nach dem Kern noch nach dem Rande zu, noch 
etwa an gewissen Stellen des Plasmas lässt sich eine stärkere 
Anhäufung des Farbstoftes erkennen. Man wird ihn daher als 
ein Elaborat des Plasmas selbst ansehen müssen. Die Chromatin- 
anhäufung im Kern schreitet während der Hämoglobinausbildung 
weiter fort, geht jedoch nie bis zur Verklumpung: immer ist, 
wenn auch nur schwer. eine Struktur zu erkennen. Die Zellen 
dieses Stadiums zeigen eine starke Vermehrungsfähigkeit; die 
erösste Anzahl der in den Venen aufzufindenden Mitosen kommen 
ihnen zu. Für das Knochenmark der erwachsenen Vögel gilt 
also, dass die Vermehrungsfähigkeit der Erythroblasten wächst, 
je mehr sie sich in ihrer Entwicklung dem reifen Erythrozyten 
nähern. Sie erlischt meiner Meinung nach erst, wenn der Ery- 
throblast ins Blut eingeschwemmt wird und hier die letzten Schritte 
zur Reifung ausführt, d. h. seine Rindenschicht stark verdickt und 
im Kern Verklumpung des Gerüstes einsetzt. Für den Verlust 
jener Fähigkeit durch die Aufhebung des halb sesshaften Zustandes 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 395 


in den Venen spricht die Tatsache, dass im:.Gegensatz zum Mark, 
wo Teilung stark hämoglobinhaltiger Zellen so häufig stattfindet, 
im Blut erwachsener, normaler Vögel Mitosen von Ervthrozyten 
so gut wie nie vorkommen. Bei meinen Zählungen, bei denen 
ich etwa 250000 rote Blutkörper Stück für Stück durchsehen 
musste, bin ich ein einziges Mal auf einen sich teilenden Erythro- 
blasten gestossen. Was das Absterben der Erythrozyten anbetriftt, 
so kann ich hier die Befunde Pfitzners. so weit sie in dieser Frage 
reichen, durchaus bestätigen. Das Chromatingerüst verklumpt, 
der Kernumriss wird zackig und zeigt häufig an seinen Polen 
kleine stiftförmige Fortsätze; der Kern wird sodann pyknotisch, 
büsst dabei seine ellipsoide Gestalt ein und wird zur Kugel oder 
Scheibe. Meinen Untersuchungen nach setzt sodann Schrumpfung 
des Kernes ein, die man soweit verfolgen kann, bis im Blut- 
körperchen nur noch ein winziger Fleck vorhanden ist. Ich halte 
es hiernach nicht für ausgeschlossen, dass ein vollständiger 
Schwund des Kernes eintritt. Kernlosen Fragmenten roter Blut- 
körper begegnet man häufig; man kann diesen jedoch leider nicht 
ansehen, ob sie durch Kernschwund oder durch Abschnürung von 
anderen Blutkörperchen entstanden sind. Die andere Art des 
Absterbens, die Pfitzner angibt, nämlich ein vollständiges Ein- 
büssen der Färbbarkeit des Kernes, konnte ich bei der Anwendung 
des Hansenschen Hämotoxylins nicht konstatieren. Über eine 
andere Art regelmässigen Erythrozytenunterganges, eine gewalt- 
same Beseitigung reifer Formen, möchte ich im nächsten Abschnitt 
im Zusammenhang berichten. 


Die Leukozytenentwicklung. 


Wie die Erythrozyten, so muss ich auch die Leukozyten 
von den Zellen der Lymphknötchen im Knochenmark ableiten. 
Und zwar stösst die Ableitung auf weit weniger Schwierigkeiten 
wie für die roten Blutkörperchen, denn die Lymphknötchen liegen 
im Parenchym, und den Zellen steht also nichts im Wege, passiv 
oder aktiv in dieses einzuwandern, und ferner sind die Ver- 
änderungen, die sich in der Leukozytenreihe abspielen, nicht so 
komplizierter Art, wie bei den Erythrozyten, so dass die Ent- 
wicklung auch leichter zu verfolgen ist. Wieder werden durch 
Wachstum des Lymphknötchens Lymphozyten jeder Grösse ins 
Parenchym abgeschoben, wo für sie auf Grund ihrer amöboiden 


396 Wilhelm Venzlaff: 


Beweglichkeit die Möglichkeit einer Ortsveränderung geschaffen 
ist. Man kann eine derartige Abwanderung vom Lymphknötchen 
an einigen Stellen sehr gut beobachten; die sonst diesen an der 
Peripherie umhüllenden Bindegewebszellen sind dann auseinander 
gedrängt und ein mehr oder minder breiter Strang von Lympho- 
zyten setzt sich ins Parenchym hinein fort. Die sich bei der 
Entwicklung zum Leukozyten vollziehenden Veränderungen gehen 
am Kern und am Plasma vor sich. Die ganze Entwicklungsreihe 
ist durch einen chromatinarmen Kern ausgezeichnet, der Zelleib 
ist im Verhältnis zum Kern gross, durchsichtig und neutrophil. 
Wegen der Chromatinarmut des Kernes ist leicht zu erkennen, 
dass jeder Zelle ein Nukleolus zukommt, mit Ausnahme sehr 
chromatinarmer oder schon degenerierender Kerne. Beim Kern 
erstrecken sich die Entwicklungsveränderungen im Gegensatz zu 
den Erythrozyten hauptsächlich auf die Gestalt. Es treten hier, 
manchmal schon ehe sich Granula im Plasma gebildet haben. 
kleinere Einbuchtungen auf, meist nach dem Zentrum der Zelle 
zu gelegen. Allmählich schneiden die Einbuchtungen tiefer ein, 
dabei streckt sich der Kern, nimmt eine exzentrische Lage in 
der Zelle ein und bekommt so Wurst- oder Hufeisenform. Zu- 
weilen tritt Streckung des Kernes auf, ehe die Einbuchtungen 
weit vorgeschritten sind, und es entsteht ein quer durch die Zelle 
verlaufender stäbehenförmiger Kern. Die meisten im Parenchym 
des Knochenmarkes vorhandenen Leukozyten zeigen die bisher 
beschriebenen Entwicklungsphasen des Kernes. Seltener kommt 
es, und zwar vorwiegend bei kleinen Leukozyten, durch die Ein- 
schnürungen zur Aufteilung des Kernes in zwei oder höchstens 
drei durch feine Fäden verbundene Lappen. Ich suchte mich 
mit Hilfe der von Weidenreich angegebenen Agarmethode 
davon zu überzeugen, ob die Zerschnürungen des Kernes in 
strömendem Blut noch weiter fortschritten. Leider ist diese 
Methode, die bei Säugetieren, wie ich mich überzeugen konnte, 
sehr gute Resultate liefert, für Vogelblut nicht brauchbar. Das 
Blut wird nämlich sofort nach der Entnahme dickflüssig, so dass 
die am Rande des Deckglases zugesetzte Osmiumsäure nur ein 
geringes Stückchen eindringen kann. Ein nach den Gesetzen des 
osmotischen Druckes ausgerechneter Zusatz von zitronensaurem 
Natron. der zwar die Gerinnung aufhielt, verhinderte jedoch auch 
das Anhaften der Blutkörperchen am Deckglas. Ein weiterer 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 397 


Übelstand für das Vogelblut liegt darin, dass die mit Kernen 
versehenen roten Blutkörperchen in den meisten Fällen die 
weissen Blutkörperchen vollkommen verdecken. Nach den Befunden, 
die ich durch Ausstrichpräparate an den Leukozyten im Blut 
gewonnen habe, kann ich sagen, dass auch bei ihnen die Zer- 
schnürung des Kernes nie weiter als bis zur Dreilappigkeit geht. 
Das Studium an gehungertem Mark, wo eine künstliche Ver- 
mehrung der alternden Formen geschaffen ist, lehrte durchaus 
das gleiche. Vergleicht man die Entwicklung des Kernes der 
Säugetierleukozyten mit der der Vögel, so tritt uns hier das 
gleiche Prinzip entgegen, nur geht die Zerklüftung des Kernes 
bei weitem nicht so weit. Solange der Kern noch rund ist und 
nur wenige kleine Einbuchtungen aufweist, ist die Zelle, gleich- 
gültig ob schon Granula oder nicht vorhanden sind, noch teilungs- 
fähig, wie man an den nicht seltenen Teilungsfiguren in diesen 
Zellen sehen kann: hat der Kern erst Wurstform angenommen, 
so ist seine Vermehrungsfähigkeit erloschen. Die Granula treten 
in verschiedenen Stadien der Entwicklung auf, manchmal in 
Zellen, die noch durchaus die Kennzeichen der grossen oder kleinen 
Lymphozyten aufweisen, manchmal in solchen. deren Kern schon 
Einbuchtungen hat und deren Plasma bereits neutrophil geworden 
ist. Dieses Auftreten der Granula zu so verschiedenen Zeiten 
findet leichter seine Erklärung, wenn man sie nicht als von der 
Zelle ausgearbeitete Produkte einer bestimmten Entwicklungs- 
stufe ansieht, sondern ihre Herkunft nach aussen verlegt und, 
wie Weidenreich, sie für von den Lymphozyten verschlungene 
Trümmer der roten Blutkörperchen anspricht. Eine solche Deutung 
der azidophilen Körnelung würde das verschiedene Auftreten aus 
örtlichen Verhältnissen erklären (es sind keine zu verdauenden 
Erythrozytenreste vorhanden) und dem reich entwickelten Paren- 
chym des Knochenmarkes eine wichtige Aufgabe, die Vernichtung 
der Erythrozyten, anweisen. Das Knochenmark hat dann nicht 
nur die Aufgabe, Blutkörperchen zu bilden, sondern solche aus 
dem Blut zu entfernen, um für Neubildung Platz zu schaften. 
Um zu beweisen, dass das Parenchym diese letzte Funktion auch 
wirklich ausübt, bedürfte es für das Knochenmark nur des 
Nachweises, dass rote Blutkörperchen im Parenchym vorkommen, 
denn die phagozytären Figenschaften der Lymphzellen stehen ausser 
Zweifel. Nun hat es in einem Präparat, wo Erythrozyten so leicht 


398 Wilhelm Venzlaff: 


aus dem Gefässliumen herausfallen können, Schwierigkeiten, ein 
einwandfreies Vorkommen roter Blutkörperchen im Parenchym 
zu erkennen. Jedoch muss ich es auf Grund meiner Befunde 
behaupten: vor allem in der Nähe des Randes ist es mir öfter 
gelungen, Erythrozyten im Parenchym aufzufinden; in einem Fall 
sah ich sogar im gehungerten Mark einen Durchtritt eines 
Erythrozyten durch die Venenwand.. Kommen nun die vom 
Lymphknötchen abgewanderten Lymphozyten im Parenchym durch 
Aufzehrung von Erythrozyten dazu, ihre ihnen zukommende 
Funktion auszuüben, so geht die oben beschriebene Entwicklung 
vor sich. Können sie diese Funktion wegen Erythrozytenmangels 
nicht ausüben, so degenerieren sie. Es sind dies die von anderen 
Autoren, besonders eingehend von W. Dantschakoff, be- 
schriebenen Plasmazellen. Der Degenerationsvorgang gleicht 
durchaus dem der Lymphozyten in den Lymphknötchen, den ich 
schon oben beschrieben habe. Die Form der Granula ist vor- 
wiegend rund. Sie sind sehr verschieden gross, doch kommt 
ihnen stets eine solche Grösse zu, dass sie gut zu erkennen sind. 
Ein Heranwachsen aus nicht sichtbaren Anfängen muss ich daher 
in Abrede stellen. Häufig sind die Körner rund und an einem 
Ende spitz ausgezogen; in solchen Fällen sind die Spitzen meist 
nach einem Zentrum in der Zelle orientiert. Diese Granulation 
kommt nur kleinen Zellen zu, deren Kern schon stark zerklüftet 
ist, jedoch wird man ihretwegen nicht berechtigt sein, diesen 
Zellen eine besondere Stellung anzuweisen, nur sie etwa als 
Leukozyten bezeichnen und die anderen granulierten Zellen als 
Myelozyten, wie Dantschakoff. Soweit ich aus ihrer Arbeit 
ersehen konnte, sieht die Autorin in dieser Granulation ein 
Kriterium der Vogelleukozyten. Dem muss ich entgegenhalten, dass 
die meisten Leukozyten des Vogelblutes diese Granulation nicht 
aufweisen. Das weitere Schicksal der Leukozyten verfolgt eich im 
gehungerten Mark. Hier stösst man auf viele Zellen, die alle oben 
beschriebenen Änderungen aufweisen und sich von den Leukozyten 
des normalen Marks nur durch die Verklumpung des Chromatin- 
gerüstes unterscheiden. Diese schreitet allmählich immer weiter 
fort, der Kernumriss wird zackig, die Fäden, welche die Kernlappen 
verbinden, zerreissen, die Zelle schrumpft erheblich. Genau wie bei 
der Degeneration der Lymphzellen und Plasmazellen nimmt die 
Zelle mehr und mehr an Grösse ab und verschwindet vollständig. 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 399 


Literaturvergleichung. 

In diesem Abschnitt soll untersucht werden, wie sich die 
von mir gegebene Deutung der Verhältnisse im Knochenmark 
mit der bisher geltenden Darstellung anderer Autoren vereinbart 
und des weiteren, ob sich die von mir gewonnenen Resultate mit 
der durch das Studium anderer blutbildenden Organe erhaltenen 
Ansicht in Einklang bringen lassen. 

Nach den ausführlichen Untersuchungen von W. Dantscha- 
koff am embryonalen Mark halte ich es für bewiesen, dass eine 
Deutung der Blutbildung im Knochenmark der Vögel im Sinne 
heterogener Abstammung nicht angängig ist. Es ist nunmehr 
die Frage, ob die Aufstellung des grossen Lymphozyten als 
Mutterzelle aller Blutzellen den wahren Verhältnissen im Mark 
gerecht wird, oder ob man nicht gezwungen ist, noch weiter in 
der Reihe der weissen Blutkörperchen zurückzugehen und dem 
kleinen Lymphozyten diese Stellung zuweisen muss, wie ich es in 
meinen Darlegungen getan habe. 

Nach W. Dantschakoff ist der grosse Lymphozyt die 
gemeinsame Stammzelle der Leukozyten, Erythrozyten und 
Thrombozyten. Er entsteht in der embryonalen Periode aus 
dem kleinen Lymphozyten und bleibt später als selbständiges 
Element erhalten; ist er einmal vorhanden, so erhält er sich 
fortgesetzt durch Teilung und braucht nicht mehr aus dem 
kleinen Lymphozyten heranzuwachsen. Es ist eigentlich nicht 
konsequent, bei dieser Entstehung den grossen Lymphozyten als 
Mutterzelle zu bezeichnen, da er doch erst aus dem kleinen 
Lymphozyten hervorgehen muss; in letzter Linie wäre dieser 
die Stammzelle. Dann erscheint es merkwürdig, dass der kleine 
Lymphozyt nur im embryonalen Mark die Fähigkeit haben soll, 
sich in den grossen zu verwandeln; er bleibt erhalten und es 
steht ihm zum mindesten im Parenchym, wo er in so grosser 
Anzahl vorkommt, nichts im Wege, auch im erwachsenen Mark 
diese Funktion auszuüben. Zu dem Schritt, nichtsdestoweniger 
den grossen Lymphozyten als Stammzelle der Blutkörperchen zu 
bezeichnen, sieht sich W. Dantschakoff dadurch gezwungen, 
dass sie an der Geschlossenheit des Gefässnetzes gegen das 
Parenchym festhält. Die Zelle, die durch das Studium embryo- 
nalen Markes als fast letzter Ausgangspunkt erkannt wurde und 
deren Vorkommen sowohl im Parenchym wie auch in den Venen 


400 Wilhelm Venzlaff: 


ohne Schwierigkeit festgestellt werden kann, ist tatsächlich der 
grosse Lymphozyt. Den Bedenken, welche man aus seinem 
geringen Vorkommen namentlich im Parenchym gegen diese ihm 
zugewiesene Rolle erheben kann, begegnet die Autorin mit der 
Behauptung vorwiegend homöoplastischer Regeneration der Blut- 
körperchen im erwachsenen Mark. Trotzdem müssen dann aber 
alle in den Venen befindlichen Zellen von dem grossen Lympho- 
zyten ableitbar sein. Schon bei den weissen Blutkörperchen, die 
noch nicht den Entwicklungsweg beschritten haben, dürfte dies 
nicht möglich sein. Sie zeigen nämlich in der Grösse, im Kern 
und in der Plasmabeschaffenheit so grosse Unterschiede, dass sie 
nicht ohne vorherige Teilung aus dem grossen Lymphozyt hervor- 
gegangen sein können. Dantschakoff stellt nun aber fest, 
dass dieser sich so gut wie gar nicht teilt, was ich vollauf 
bestätigen kann. Sollten jedoch die erwähnten weissen Blut- 
körperchen, deren Vorhandensein in den Venen Dantschakoff 
allerdings nicht notiert, auch ohne Teilung aus dem grossen 
Lymphozyten hervorgehen, so müsste dieser in den Venen zwei 
Entwicklungsmöglichkeiten haben: Erstens, sich in rote Blut- 
körperchen zu verwandeln, eine Reihe, die in der Grösse der 
Zellen, Kern- und Plasmaveränderungen lückenlos zu verfolgen 
ist, zweitens ohne Teilung kleine Lymphozyten zu liefern, deren 
Plasma hyaliner oder undurchsichtiger, deren weit kleinerer Kern 
ebenso chromatinarm oder viel reicher an Chromatin sein kann. 
Ich glaube, dass bei der ersten Entwicklungsrichtung, die wirklich 
stattfindet, die zweite recht unwahrscheinlich ist. Für noch unwahr- 
scheinlicher halte ich es, dass der grosse Lymphozyt so zahlreiche, 
sehr verschieden grosse, noch sehr junge Erythroblasten liefern 
soll, an denen sich erst die ersten Umwandlungsprozesse zeigen, 
die noch kein Hämoglobin enthalten. Es kommen nämlich Unter- 
schiede von 12 u bis 4 « vor. Alle angeführten Bedenken werden 
leicht beseitigt, wenn man die angegebenen Unterschiede als in 
der Stammzelle selbst begründet sieht. Die Unterschiede der 
Lymphozyten in den Lymphknötchen sind ein getreues Abbild 
aller Unterschiede, die man an den weissen Blutkörpern in den 
Venen auffinden kann und erklären auch einfach die grossen 
Verschiedenheiten, die unter den Erythroblasten herrschen. Um 
sie freilich als Stammzelle zu erkennen, bedurfte es des Nachweises 
einer offenen Verbindung der Lymphknötchen mit den Venen. 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 401 


Weit weniger als für die Erythrozyten lässt sich der grosse 
Lymphozyt im Parenchym für die Leukozyten als Stammzelle 
aufrecht erhalten. Hier ist seine Zahl sehr gering und die Tat- 
sache der Umwandlung der Lymphozyten der Lymphknötchen in 
Leukozyten so deutlich, dass sie auch von Dantschakoff 
berichtet werden muss. Diese Fähigkeit zeige sich besonders 
stark bei Hungerzuständen: bei solchen erwürbe der kleine 
Lymphozyt die embryonale Eigenschaft wieder, sich direkt in 
Leukozyten zu verwandeln. So erkläre sich auch die starke 
Verminderung der Herde Iymphadenoiden Gewebes bei Hunger- 
zuständen. Für dieselbe Erscheinung bei Schröpfungen weiss 
die Autorin keine Erklärung. Meiner Meinung nach beweist 
gerade das Verhalten der Lymphknötchen bei anormalen Zuständen, 
eine wie grosse Rolle sie bei der Blutregeneration spielen. Bei 
Schröpfungen werden hohe Anforderungen an die blutbildenden 
Organe gestellt, denen mit allen möglichen Mitteln Genüge 
geleistet wird; die Erythroblasten und die weissen Blutkörperchen 
in den Venen treten in lebhafte Wucherungen ein, der Vorrat 
an Stammzellen, die Lymphknötchen, werden stark angegriffen 
und bei zu grossen Blutverlusten aufgebraucht. Bei Hunger- 
zuständen wird durch die geringe Nahrungszufuhr der Stamm- 
zelle die Möglichkeit genommen, sich zu vermehren, so dass 
jetzt auf diese Weise bei der Blutregeneration der Vorrat der 
Stammzellen aufgebraucht wird. 

Die Stellung, welche Dantschakoff den kleinen Lympho- 
zyten im normalen, erwachsenen Mark anweist, kann schwerlich 
das Richtige treffen. Die kleinen Lymphozyten, die in so enormer 
Zahl im Mark vorkommen, sollen weiter keine Aufgabe haben, 
als die an Zahl so geringen Plasmazellen zu bilden, Zellen, die 
nichts zu tun haben, als zu degenerieren? Ich muss noch einmal 
betonen, wer, wie die Autorin erkannt hat, dass im embryonalen 
Mark aus den kleinen Lymphozyten alle Zellen des Markes ent- 
stehen, wäre eigentlich gezwungen, ihm zum mindesten im 
Parenchym die Aufgabe der Leukozytenbildung zuzuweisen, denn 
seine Umwandlung in diese ist zu deutlich, als dass sie über- 
sehen werden könnte und topographische Hindernisse irgend 
welcher Art bestehen nicht. 

Wenn ich kurz resümiere, was ich zur Verteidigung meines 
Standpunktes gegen die Dantschakoffsche Auffassung zu 


402 Wilhelm Venzlaff: 


bemerken habe, so muss ich zunächst als Hauptirrtum der 
Arbeit bezeichnen, dass die Autorin an der Geschlossenheit der 
Gefässbahnen gegen das Parenchym festhält, was alle anderen 
von mir bestrittenen Behauptungen nach sich zieht. Sie erkennt 
in dem grossen Lymphozyten das Endglied der Erythrozytenreihe 
und überträgt dieses Resultat als Vertreterin des unitaristischen 
Standpunktes auf das Parenchym. Dadurch wird sie den Stellungen 
der Lymphknötchen nicht gerecht und bringt Trennungen in die 
vorhandenen Zellarten, denen man nicht zustimmen kann. 

Vergleiche ich meine Schlüsse mit denen anderer Autoren, 
so bin ich um so mehr berechtigt, meinen Standpunkt Dantscha- 
koff gegenüber aufrecht zu erhalten. Die vor kurzem erschienene 
Arbeit von A. Maximow über das Säugetierknochenmark bringt 
über dieses Organ Deutungen, die auf das Genaueste mit meinen 
Resultaten übereinstimmen. Auch bei den Säugern sind die aus 
kleinen Lymphozyten zusammengesetzten Markstränge die Keim- 
zentren für Erythrozyten und Leukozyten. Durch Auflockerung 
der Venenwände gelangen die kleinen Lymphozyten in die Venen 
und liefern die Erythrozyten, im Parenchym dagegen die Leuko- 
zyten. Nur sind im Säugetiermark die Trennungen von Paren- 
chym und Gefässen nicht so scharf durchgeführt wie bei den 
Vögeln. 

Im übrigen möchte ich mich zur Bestätigung meiner Be- 
hauptungen auf die von Weidenreich 1905 veröffentlichte Zu- 
sammenstellung der gesamten Literatur über die roten Blut- 
körperchen berufen, aus der ich die für meine Zwecke verwendbaren 
Abschnitte kurz wiedergegeben habe, aus denen erhellt, dass ich 
mich im Einklang mit den meisten Autoren der unitaristischen 
Anschauung befinde. 

Als Resultate der Arbeit hätte ich zusammenzustellen: 

1. Gefässe: Die Arteria nutritia versieht nur das Mark 
der Diaphysen mit ateriellen Gefässen. Nach ihrer Ein- 
mündung durch das Foramen nutritium gibt sie im 
Femur zwei Äste nach oben und einen nach unten ab. 
Viele umfangreiche Zweige, die sich am Foramen nutri- 
tium vorfinden, sind nur für die unmittelbare Umgebung 
dieser Partie von Belang. Es ist bei der grossen Ver- 
schiedenheit der Verzweigung der Arteria nutritia am 
Foramen nutritium, die in den beiden genau unter- 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 403 


suchten Fällen aufgefunden wurde, nicht ausgeschlossen, 
dass in anderen Fällen ein anderer Modus der Abzweigung 
der Hauptäste von der Arteria nutritia angetroffen wird. 
Die Einmündung von Arterien durch die Haverschen 
und Volkmannschen Kanäle beschränkt sich an der 
Diaphyse auf Gefässe von etwa 10 «. An den Epiphysen 
münden grössere Gefässe ein, die der Arteria nutritia 
an Umfang fast gleich kommen; ihre Zahl und Ort der 
Einmündung variiert, nur die Arteria der Incisura inter- 
condyloidea femoris wurde konstant angetroffen. 

Der Aufbau der Arterien ist der von anderen 
Objekten her bekannte. Elastische Fasern finden sich 
bei grösseren Gefässen in der Adventitia, in geringerem 
Maße zwischen den Muskelzellen und zu einer dünnen 
Schicht unter dem Intimahäutchen vereinigt. 

An den Arterienkapillaren ist die Intima und das 
diese von der Media trennende Häutchen erhalten. Von 
aussen umfassen Bindegewebszellen die Kapillaren. Diese 
sind sehr lang, reich verzweigt, anastomosieren unter- 
einander und gehen restlos in die Venenkapillaren über. 
Das Häutchen wird zur Venenwand. Die Innenzellen 
der Venenkapillaren bilden keine kontinuierliche Schicht, 
sondern liegen weit voneinander entfernt. Auch an die 
Venen legen sich von aussen Bindegewebszellen. Die 
Venenkapillaren münden als Kapillaren in die Hauptvene 
ein, die die üblichen drei Schichten der Wand zeigt. 
Sie ist die einzige wirkliche Vene des Markes, alle 
anderen venösen Blutbahnen sind Kapillaren. Die Haupt- 
vene mündet am Foramen nutritium aus. Bei den anderen 
Ausmündungen der venösen Bahnen handelt es sich um 
Venenkapillaren. 

Die Venenkapillaren sind im allgemeinen lückenlos 
gegen das Parenchym abgeschlossen. Öffnungen bestehen 
nur an den Lymphknötchen des Knochenmarkes. 

2. Erythrozyten: Die vom Lymphknötchen in die Venen 
geschobenen Lymphzellen der verschiedenen Grösse ent- 
wickeln sich hier zu den Erythrozyten. Die Umwandlung 
wird durch eine Gesamtheit von Prozessen gekennzeichnet, 


die jedoch in ihrem Auftreten keine bestimmte Folge 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 28 


404 Wilhelm Venzlaff: 


erkennen lassen. Die Prozesse sind: Hyalinisierung des 
Plasmas, Ausbildung einer färbbaren Rindenschicht, An- 
häufung des Chromatins im Kern zu einer Netzstruktur, 
Verschwinden des Nukleolus, Ausbildung des Hämoglobins. 
In bezug auf das Verhältnis der vier ersten Prozesse 
muss ich auf das Kapitel: „Entwicklung der Erythrozyten“ 
verweisen. Die Ausbildung des Hämoglobins erfordert 
das Vorausgehen der anderen Prozesse. 

Beim Zugrundegehen der Erythrozyten ım Blut 
tritt Kernschwund mit typischen vorhergehenden Kern- 
veränderungen ein. 

Eine andere regelmässig stattfindende Vernichtung 
von Erythrozyten geschieht durch ihren Übertritt ins 
Parenchym, wo sie von den Leukozyten aufgezehrt werden. 
Die azidophilen Körnelungen sind von den Leukozyten 
verschlungene Erythrozytenreste. 

Die Leukozytenentwicklung gleicht der von den 
gleichen Elementen des Säugetierblutes her bekannten 
durchaus, jedoch geht die Zerklüftung des Kernes nur 
bis zur Dreilappigkeit. 


IIeTeil: 
Über dieMorphologie derroten Blutkörperchen der Vögel. 


Es sollen im zweiten Teil dieser Arbeit Untersuchungen 
mitgeteilt werden, die ich über Form. Grösse und Anzahl der 
roten Blutkörperchen bei Vögeln machte. Ich nahm meine Unter- 
suchungen in der reichhaltigen Vogelsammlung des hiesigen 
Zoologischen Gartens vor und möchte die Gelegenheit benutzen, der 
Verwaltung des Gartens für ihr äusserst liebenswürdiges Entgegen- 
kommen meinen besten Dank auszusprechen. Vor allem schulde ich 
Dank dem praktisch-wissenschaftlichen Leiter, Herrn Dr. Heinroth, 
der mich durch Materialhinweise und Überlassung von Durch- 
schnittsgewichten in meinen Arbeiten wesentlich gefördert hat. 


Die Form der Vogelerythrozyten. 
Zur Formbeobachtung verdünnte ich einen Tropfen Blut, 
den ich aus einer durch Einstich mit einer scharfgeschliffenen 
Lanzettnadel erzeugten Wunde nahm, mit 0,66 °/o Kochsalzlösung 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 405 


in einer Blutzählpipette, von der der grösste Teil des geaichten 
Endes abgebrochen war. Eine solche Mischpipette mit kurzem 
Ansatz bietet die Möglichkeit eines schnellen Arbeitens, denn 
das Aufsaugen, Mischen und Entnehmen geht rasch von statten; 
ferner kann man die Blutverdünnung beliebig wählen, so dass 
es sich auf Grund dieser beiden Eigenschaften vielleicht empfiehlt, 
zu Blutbeobachtungen in Kochsalzlösungen solche Mischpipetten 
zu benutzen. Ich beobachtete mit !/ı» Leitz Ölimmersion und 
Mikrometerokular 1 Leitz (Vergrösserung 600) in der Zähl- 
kammer eines Thoma-Zeissschen Zählapparates, da es mir 
dadurch möglich war, eine dünne Schicht des Blutes zu erhalten, 
in welcher die Blutkörperchen nicht gepresst werden und leicht 
zu Boden sinken können. In der Regel vergingen vom Einstich 
bis zur ersten Beobachtung in der Zählkammer 15—20 Sekunden. 

Auf Grund meiner Beobachtungen an etwa 50 verschiedenen 
Arten muss ich die bisher gültige Vorstellung bestreiten, dass 
die roten Blutkörperchen der Vögel bikonvexe Linsen von ellip- 
soidem Umriss sind. Sie sind vielmehr flachbikonvexe 
Scheiben, die sich nach den Enden der Hauptachse 
allmählich zuspitzen. 

Nicht bei allen Arten ist dies gleich leicht zu erkennen. 
Bei den meisten runden sich die Spitzen der Blutkörper schnell 
ab. wenn auch die Blutentnahme rasch genug von statten ging. 
Das gilt unter anderen auch von den Arten, die bisher haupt- 
sächlich zur Formuntersuchung herangezogen worden sind, z. B. 
von den Tauben, Hühnern und Enten. Schon etwa 20 Sekunden 
nach der ersten Beobachtung haben die Blutkörper bei diesen 
Arten ihre spitze Gestalt verloren. Bei anderen dagegen kann 
die spitze Form ziemlich leicht gesehen werden. Gute Objekte 
sind Limosa lapponica, Tringa canutus, Haemotopus leucopus, 
Vanellus cayennensis, Buteo vulgaris, Corvus corax (etwa 75°/o 
am besten von allen von mir untersuchten Arten). Noch nach 
etwa 1!/s Minuten sind viele Blutkörper scharf spitz und man 
kann gut den Vorgang beobachten, wie sie sich allmählich ab- 
runden. Hat man diesen Vorgang einmal genauer verfolgt, so 
erkennt man, dass man bei anderen Arten meistens nur noch 
die Übergangsstadien zu sehen bekommt, und durch schnelleres 
Arbeiten kann man es erreichen, dass man noch einige spitze 
Formen zu sehen bekommt. 


28* 


406 Wilhelm Venzlaff: 


Ich versuchte bei solchen Arten, bei denen die spitze Form 
der roten Blutkörperchen längere Zeit sichtbar bleibt, dadurch 
das Phänomen noch länger zu erhalten, dass ich die Kochsalz- 
lösung und alle benutzten Apparate auf die Bluttemperatur 
erwärmte. Jedoch das Gegenteil trat ein, die Blutkörper rundeten 
sich viel schneller ab. Kühlte ich jedoch die Lösung und die 
Apparate ab, so erreichte ich das Gewünschte. Als ich z. B. bei 
Corvus corax eisgekühlte Lösung benutzte, konnte ich die spitze 
Form eine halbe Stunde lang erhalten, und so war es mir möglich, 
photographische Aufnahmen der spitzen Blutkörperchen zu machen. 
Fig. 2 ist eine Aufnahme zwei Minuten nach der Blutentnahme. 

Augenscheinlich besteht die Wirkung kalter Lösungen darin, 
dass durch die Temperaturerniedrigung eine Erhärtung der zäh- 
flüssigen Aussenschicht der Blutkörperchen herbeigeführt wird, 
und dieser härteren Kruste gegenüber kann die Kochsalzlösung 
ihre deformierende Wirkung nicht so schnell geltend machen, 
als der warmen, weichen gegenüber. Die Aussenschicht der Blut- 
körperchen besteht nämlich zum grossen Teil aus Cholesterin 
und Leeithin. Das Lecithin ist eine wachsähnliche, knetbare 
Masse, die sich beim Erhitzen verflüssigt und beim Abkühlen 
erhärtet. Es empfiehlt sich aus diesen Gründen sowohl zur Form- 
beobachtung als auch für Messungen der roten Blutkörperchen 
kalte Lösungen zu benutzen, da hierdurch die Erythrozyten in 
ihrer ursprünglichen Gestalt erhärtet werden, so dass sich die 
Abrundungen nur sehr langsam vollziehen. 

Da nun kalte Lösungen eine wesentliche Bedingung sind, 
um die spitze Form gut zu erhalten, so ist der Einwand berechtigt, 
dass es sich in ihnen um ein durch die starke Abkühlung hervor- 
gerufenes Kunstprodukt handle. Um mich zu überzeugen, ob 
die spitzen Formen durch die Kälte erzeugt wurden, verfuhr ich 
folgendermassen: Ich verdünnte Vogelblut in der Mischpipette 
mit 0,66°/o Kochsalzlösung von Stubentemperatur, salı nach, dass 
alle Blutkörperchen nach kurzer Zeit einen ellipsoiden Umriss 
hatten und legte dann den Objektträger fünf Minuten lang auf 
eine Kältemischung von Eis und Kochsalz. Darauf betrachtete 
ich das Präparat wieder, es war kein einziges Blutkörperchen 
spitz. Sollte die plötzliche, starke Abkühlung die spitze Form 
verursachen, so hätte das Präparat nach der Abkühlung zum 
mindesten einige spitze Blutkörperchen aufweisen müssen. Ich 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 407 


überzeugte mich ferner, dass beim Frosch, der sicher vital ellip- 
soidische Blutkörperchen besitzt, eiskalte Lösung keine spitzen 
Formen hervorrief; die Gestalt ist die gleiche wie in wärmeren 
Lösungen. 

Auch ein anderer Einwand, der nicht von vornherein von 
der Hand zu weisen ist, muss widerlegt werden, nämlich, dass 
es sich bei den spitzen Formen um eine optische Täuschung 
handle, die durch schräg gestellte Blutkörperchen herbeigeführt 
werde. Hierbei erscheint es unerklärlich, warum die Blutkörper 
der verschiedenen Arten in einer Kochsalzlösung von gleicher 
Konzentration so verschieden schnell sich vollständig zu Boden 
legen sollten und ferner, dass in sehr kalten Lösungen dieses 
Flachlegen so viel länger dauert, da doch die Dichte der Flüssig- 
keit durch die Abkühlung nur um ein Geringes erhöht wird. 
Ein schräg gestelltes Blutkörperchen. müsste vor allem schmäler 
erscheinen als andere flachliegende, und das sind die spitzen 
Formen nicht, wie man sich durch Messung an der beigegebenen 
Photographie überzeugen kann. Man kann ferner durch Beob- 
achtung des Schattens eines Körpers von ellipsoidem Umriss 
erkennen, dass eine Ellipse von der Seite gesehen nie nach den 
Enden der grossen Achse zugespitzt erscheint. Der Einwand, 
dass dies aber im Mikroskop möglich ist, da durch die Kantelung 
Teile ausserhalb der Brennweite gerückt worden sind, ist insofern 
nicht stichhaltig, da man sich durch Heben und Senken der 
Mikrometerschraube überzeugen kann, ob die letztere Annalıme 
zutrifft. Also auch um eine optische Täuschung kann es sich 
nicht handeln. 

Ich habe mich bemüht, die neue Form der roten Blut- 
körperchen im Dauerpräparat darzustellen, und habe mich dazu 
der Osmiumsäure und des Ausstrichpräparates bedient. Die 
ÖOsmiumsäure, die sonst als formerhaltendes Reagens mit gutem 
Erfolge angewendet wird, hat mir keine guten Dienste geleistet. 
Ich verwandte sie in der Art, dass ich Blut direkt in einen auf 
die gut gereinigte Haut des Tieres gebrachten Tropfen fliessen 
liess und esim Mischröhrchen mit Osmiumsäure mischte. Besonders 
bei der ersten Methode war die Konservierung nicht gut; abge- 
sehen davon, dass stets eine grosse Anzahl von Blutkörperchen 
sehr stark verzerrt waren, wiesen auch die in regelmässiger 
Gestalt konservierten eine selbst von der ellipsoidischen Form 


408 Wilhelm Venzlaff: 


stark abweichende Gestalt auf; sie waren zu kreisrunden Scheiben 
abgerundet, nur wenige hatten sich gut spitz erhalten. Das 
Mischen des Blutes mit Osmiumsäure im Mischröhrchen gab 
bessere Resultate; es gelang mir leicht, besonders wenn ich 
gekühlte Osmiumsäure verwandte, eine grössere Anzahl spitzer 
Formen zu erhalten. Zum Dauerpräparat eignen sich die so 
konservierten Blutkörperchen nicht, denn das Blutserum, welches 
sich in Gestalt von Flocken an die Erythrozyten ansetzt, ist die 
Veranlassung, dass die Blutkörper zu Haufen zusammentreten, 
so dass ein Erkennen der Einzelformen sehr erschwert wird. 
Die besten Resultate erzielte ich mit Ausstrichpräparaten. Auf 
einen mit Alkohol und Äther gereinigten und durch die Bunsen- 
flamme gezogenen Objektträger brachte ich einen Tropfen Blut, 
den ich schnell mit einem ebenso gereinigten Deckglas ausstrich 
und dabei die ausgestrichene: Schicht durch die Bunsenflamme 
zog. Meine Absicht war, die Eintrocknung so schnell herbei- 
zuführen, dass es den Blutkörperchen nicht möglich war, sich 
abzurunden. Aus diesem Prinzip ergibt sich auch, an welchen 
Stellen des Präparates man spitze Formen finden wird, in sehr 
dünn ausgestrichenen Schichten und am Rande dichterer, weil 
hier die Eintrocknung am schnellsten vor sich gegangen ist. 
Ferner darf man nicht erwarten, dass die spitzen Formen in 
grosser Anzahl auftreten werden, denn Ausstrichpräparate in der 
oben beschriebenen Weise sind schon häufig angefertigt worden, 
und wenn die Erscheinung leicht zu erhalten wäre, würden schon 
andere Autoren darauf aufmerksam geworden sein. In der Tat 
trifft man an den oben genannten Stellen nicht selten spitze 
Formen, zuweilen eine grössere Anzahl auf einer Stelle. Ihre 
absolute Zahl ist gross, relativ sind natürlich nur wenige vor- 
handen, da ja die meisten Stellen des Präparates gar nicht 
schnell genug zur Eintrocknung gekommen sind. In der neben- 
stehenden Textfig. 3 sind eine grössere Anzahl mittels Zeichen- 
apparates zusammengestellte spitze Formen wiedergegeben. Die 
Form ist durchaus die gleiche, wie sie sich in der Fig. 2 darstellt. 

Soweit also eine Beobachtung an 50 verschiedenen Arten 
eine Verallgemeinerung zulässt, muss ich mich in bezug auf die 
Form der roten Blutkörperchen der Vögel dahin aussprechen: 
Sie sind schwach bikonvexe, nach den Enden der Hauptachse 
sich allmählich zuspitzende Scheiben mit ellipsoidem, in der Regel 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 409 


nicht nach den Seiten vorgewölbtem Kern, um den am Blut- 
körperchen an beiden Seiten eine Vertiefung (Delle) herumläuft 
(Fig. 3). 

Bei dieser Grundform ist die Möglichkeit von Formvariationen 
bei den verschiedenen Arten auf ein Minimum beschränkt. Variieren 
kann nur die Dicke des Kerns im Verhältnis zu der des Blut- 
körperchens, die Tiefe und Breite der Delle, und das Verhältnis 


der grossen und kleinen Achse, und diese Teile variieren auch, 
was den Kern und das Verhältnis der Achse anbetrifft, selbst 
bei demselben Individuum, allerdings nur in geringem Maße. 
Durch eine sehr seichte Delle sind die Blutkörper der Chara- 
driidae und Scolopacidae ausgezeichnet (Fig. 3). Der Kern ist 
nicht dicker als die Mitte der Scheibe. Stärker entwickelt ist 
die Delle bei den Phasianidae, Uolumbidae, Anseriformes, Falio- 
nidae und Striges und sehr gut ausgeprägt bei den Rallidae, 
Laridae und Struthiomorphae. Die Ardeidae sind durch eine 
flache, aber breite Delle ausgezeichnet. 

Besonders auffallend sind einige Blutkörperchen, die ich 
in wenigen Exemplaren bei Üoturnix cot., Rhynchotus rufescens 
(Fig. 3c) und Rhea americana fand. Bei diesen übertrifft der 
Kern die Mitte des Blutkörperchens an Breite um das Doppelte, 
so dass er knopfartig nach beiden Seiten vorgewölbt ist. Eine 
Vorwölbung des Kerns kommt nicht selten bei allen anderen 
Arten, jedoch lange nicht in dem Maße, vor. 


410 Wilhelm Venzlaff: 


Eine ähnliche Form der roten Blutkörperchen, wie ich sie 
bei den Vögeln beschrieben habe, hat schon G. Gulliver, 1845, 
Proc. of the zool. Soc. London, bei Esox Lucius entdeckt. Aller- 
dings weichen die Abbildungen, die 1375 1. c. bringt, von den 
meinigen ab. Danach sind die Blutkörperchen des Hechtes 
zitronenförmig mit schwach abgesetzten Spitzen, während sich 
die Blutkörperchen der Vögel allmählich nach den Enden der 
grossen Achse zuspitzen. Die Abbildungen entsprechen jedoch, 
wie ich mich durch eine Nachuntersuchung überzeugen konnte, 
nicht den Tatsachen; vielmehr ist die Form diejenige, wie sie 
in den Welkerschen Blutkörperchen-Modellen, die neuerdings 
von Du Bois-Reymond herausgegeben worden sind, dargestellt 
ist. Welker selbst macht in seinen Beschreibungen der roten 
Blutkörperchen, 1872, Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., 
Bd. 36, keine Angaben über die Blutkörperchen des Hechtes. 
Es ist mir jedoch nicht geglückt, ausfindig zu machen, nach 
wessen Angaben das Modell angefertigt ist. Dieses stimmt genau 
mit der Form überein, wie ich sie oben für die Vögel beschrieben 
habe. Es liegt nun nahe, zu vermuten, dass bei den Fischen 
die Verhältnisse wie bei den Vögeln liegen, dass auch bei ihnen 
alle Blutkörperchen sich nach den Enden der grossen Achse 
zuspitzen und diese Form bei den verschiedenen Arten ver- 
schieden gut sichtbar ist. In der Tat gelang es mir schon bei 
den ersten Untersuchungen, auch die spitzen Formen bei Lota 
vulgaris und Leueiscus rutilus zu erhalten. Bei Lota waren 
etwa 90°/o aller Blutkörperchen ausgeprägt spitz. Bei Leuciscus 
etwa 50°/o. Beim Hecht sieht man etwa 75°/o spitz. Wie bei 
den Vögeln tritt eine allmähliche Abrundung der spitzen Enden 
ein, die sich jedoch hier langsamer vollzieht. Dagegen gelang 
es mir nicht, bei Tinca vulgaris auch nur ein einziges spitzes 
Blutkörperchen zu sehen. Ich möchte aus diesem Grunde 
und auch darum, weil ich von den Fischen zu wenig Arten 
untersucht habe, nicht behaupten, dass alle Fische spitze Blut- 
körperchen haben. Bei den Fischen entnahm ich das Blut stets 
dem Herzen. 


Die Grösse der Erythrozyten. 


Unmittelbar an die Formbeobachtung schloss ich die Messung 
an. Ich mass mit dem Mikrometerokular I Leitz und Y/ıa Olim- 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 411 


mersion Leitz bei einer Tubuslänge von 167 mm. Hierbei hatte 
ein Teilstrich des Okulars die Länge von !/soo mm, was ich durch 
Messen der Seite eines Quadrates des Thoma-Zeissschen Zähl- 
apparates feststellte; 40 Teilstriche des Okulars waren gleich 
‘/so mm, der Seite eines solchen Quadrates. 

Die Grösse der Blutkörperchen schwankt selbst bei demselben 
Individuum beträchtlich. Die grössten Differenzen fand ich beim 
Helmkasuar; das Maximum betrug 22,5: 10 «, das Minimum 14 :7,5 u. 
Bei Rhea americana waren die Grenzwerte 20:8 « und 11:7 u. 
Wenn man also die Grössen der Blutkörperchen der verschiedenen 
Vögel untereinander vergleichen will, ist man gezwungen, für 
jeden Vogel einen mittleren Wert aufzusuchen. Ich verfuhr dazu 
folgendermassen: In einem Gesichtsfelde verglich ich durch 
Messung die Grössen der Blutkörperchen untereinander und 
notierte die Maße derjenigen Grösse, welche die häufigste und 
kleiner als das grösste Blutkörperchen war. Dies wiederholte ich 
für mehrere Gesichtsfelder und zog aus den erhaltenen Werten 
das Mittel. Der so erhaltene Wert ist nie etwa das arithmetische 
Mittel zwischen dem Maximum und dem Minimum. Die kleinsten 
Grössen kommen nur in sehr geringer Anzahl vor. Ferner muss 
man bedenken, dass ein grosses vielleicht mehrere kleine Blut- 
körperchen aufwiegt. Die beschriebene Methode hat leider den 
Nachteil, dass die Bestimmung des Mittelwertes zu sehr dem 
subjektiven Ermessen anheim gestellt ist, immerhin gibt sie 
meiner Meinung nach richtigere Resultate, als wenn man aus 
möglichst vielen beliebig vorgenommenen Messungen von Blut- 
körperchen im Gesichtsfeld das Mittel zieht. Vor allem fällt die 
Feststellung des Mittelwertes bei solchen Vögeln schwer, bei 
denen beträchtliche Grössenschwankungen in den Blutkörperchen 
vorkommen, wie bei den bereits genannten. Sind die Blut- 
körperchen in ihrer Grösse nicht so sehr verschieden, was bei 
den meisten Vögeln der Fall ist, dann ist die Mittelwertbestimmung 
bis auf 0,5 « exakt möglich. Freilich wäre es häufig erwünscht, 
dass man noch eine genauere Bestimmung vornehmen könnte, 
denn nicht selten handelt es sich bei den verschiedenen Vögeln 
nur um Unterschiede, die kleiner sind als 0,5 «. 

Ich lasse nun zunächst die Tabelle (Seite 412 und 413) der 
ermittelten Grössen folgen, um daran meine Auseinandersetzungen 
anzuknüpfen. 


412 


Tabelle zu dem Kapitel: 


Wilhelm Venzlaff: 


Die Grösse der Blutkörperchen. 


———— 


Mittelwert |Maximum | Minimum | Körper- | Messungen 
e . > E anderer 
in u in u in u gewicht | Autoren 
Struthiomorphae. 
Casuarius galeatus Bonn |20:10—18:9| 22,5:10 14:7,5 | 36 kg 17:95G 
Rhea americana L | 175:9 r! 20:9 |125:7 |11%« kg |13,5:8,3 
Struthio camelus L 182.90 De 9 15:8 = In - 
14,3:9,2 H 
Tinamiformes. 
Rhynchotus vrufescens | 
Temm 16,25 :6,25 sp| 18:7 9:62] 90 g |14.5:5,5G 
Galliformes. | | 
Öorturnix corturnix L 111,25: 6,25 r|12,5:7 7,5.:5,25 9»% 
Zwerghahn 14:7 El m 400 g 
Negerhahn | 14:7 r| 15:65 11,5:5,5 | 1550 & ae 
Langshanhahn 14:7 r\15,5:6,5 |11,5:5,5 || 4500 g 
Numida meleagris L yet ee lee 10:5 1500 g 112,3:7,85G 
Pavo cristatus L 16=:77,38 0141.92, 14:5,5 | 4000 g | 14:7 G 
Weibchen | 
Meleagris gallopavo L 15 Dear 167 11:6,25/ 4500 g |12,5:7 G 
Weibchen | 
Meleagris gallopavo L 155:7,5 r| 16:8 9:7 ‚12500 g 
Männchen | 
Columbiformes. | 
Peristera afra L 12 Da 2149270210, 57 08 
Turtur douraca Hodgs| 13:7 r| 15:7 :5,D 150 g 12,6:7,5G 
Columba livia L | 14:7 r)| 15:75 11,25:65 | 400 g j14,7:6,5W 
Römertaube Tarzaer), 1527000 27 s10 & 
Lariformes. | | | 
Larus ridibundus L 15:75 2117,5:75 112,5:6,5 280 g 112,2:6,4G 
Larus fuscus L 1lays 7.5 I | — | 14:9 AND E 
Larus marinus L |) 115225 17,5: 7,550 1127,51 0150088 
Gralliformes. | 
a) Rallidae. | | 
Ortygometra porzana L 14-270 er: | 15:7. 7 5358 
Gallinula chloropus L 19.:7,0. | 16e7.5. | 275 £ 1123:66G 
Porphyrio poliocephalus 16: 7,500105207:8 1 er Lu au une 
Lath I N 
b) Scolopacidae. I 
Tringa canutus L 15:6,25r| 17:6,25|14,5:5 115 g 
Limosa lapponica L 15:7 sp|| 16:7 || 11:625| 230 g 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 


415 


Tabelle zu dem Kapitel: Die Grösse der Blutkörperchen. 


Minimum | Körper- | Messungen 
- 2 anderer 
in u gewicht | Autoren 
c) Charadriidae. | 
Uharadrius dubius  ‚Scop — 5585|. 
Vanellus cayennensis @m 12,5:6,25| 295 g mn 
Haematopus leucopus 13:6,25| - 665 g ee 
Garn | 
Anseriformes. | 
Nettion crecca L 5 11,5:5,25| 2308 | 
Anas superciliosa Gm E 11216 1150 & | Ente 
Fuligula marila L Y 102.52 1,.1450. 0, |. 32958 W 
Choristopus melanoleucus r 14:5,5 || 2625 g || 
Less | 
Cygnus olor Gm 9 14:5,5 | 8500 g || 
Weibchen | 
Ardeidae. | 
Ardetta minuta L 20 11°5,5 145 & 12,8:6,6 G 
Ardettaerythromelas Vzeöll :8 14:8 500 8 | 
Ardea cocoi F. Heron U 12,5:7,5 | 2000 g | eineria L 
133:74G 
13,6:8,7 H 
Falconiformes. | 
Cerchneis sparverioides Vig 11933 135 g | 
Tinnuneulus tin. L 10:6,25)1 280 & |13,6:7,1G 
Buteo vulgaris Beht 10:7,5 | 1500 g 113,7:6,8G 
Aquila chrysaetus L 11,5: 6,25 4600 g |14,1:6,9G 
Strigiformes. 
Asio scops L 1a) 153 8 | 
Syrnium aluco L 10:6,251 475 g |13,2:6,6 G 
Bubo bubo L 12,5:7,5 | 2800 g 
Psittaciformes. | 
Melopsittacus undulatus 9:95,23 30.8 | 
Shaw 
Passeriformes. | 
Habropyga subflava Vieill 1.94 mr | 
Passer montanus L 10:5 30 8 111,.9:6,8W 
Merula merula L 14:4 138 112,1:6 G 
Corvus corax L 11:6,25| 1500 & || 12:6,4G 
Ein r beim Mittelwert bedeutet, die Blutkörperchen wurden abgerundet 
gemessen ; ein sp, sie wurden noch im spitzen Zustand gemessen. G — Messung 


von Gulliver G; H — Messung nach Hayem; W —= Messung nach Welcker. 


414 Wilhelm Venzlaff: 


Tabelle. 

Wie aus der Tabelle hervorgeht, wurde von jedem Vogel 
auf die obenbeschriebene Weise der Mittelwert bestimmt, das 
Maximum und Minimum gemessen und jeder Vogel zur Bestimmung 
seiner Körpergrösse gewogen. 

Mit dem Maximum und Minimum als rein objektiven 
Messungen, bei denen jeder subjektive Faktor ausgeschaltet ist, 
ist nicht nur der Spielraum festgestellt, innerhalb dessen die 
(Grössen der Blutkörperchen variieren, vor allem ist damit auch 
eine Kontrolle des Mittelwertes gegeben. Ferner zeigen beide. 
dass das Verhältnis der grossen und kleinen Achse bei den ver- 
schiedenen Blutkörperchen eines Vogels nicht konstant ist. Be- 
sonders grosse Schwankungen zeigen in dieser Beziehung solche 
Vögel, bei denen sich die Blutkörperchen schnell und stark 
abrunden, wo also nicht die richtigen Verhältnisse zutage treten. 
So fand ich z. B. bei Bubo bubo die Werte 9 «u kreisrund, 
12.327.534: 216: 1.5. 15:8 wr271,928.0;,%1,9:90u.,, Berevoeein 
deren Blutkörper noch beim Messen spitz bleiben, kann man 
jedoch erkennen, dass das Verhältnis bei grösseren Blutkörperchen 
zugunsten der grossen Achse verschoben wird. Ein gutes 
Beispiel ist Corvus corax; die Werte waren 11:6 u: 12,5:6 u; 
14:6,5 u; 15:6 a: 16:6 u. Die kleine Achse ändert sich wenig, 
während die grosse stets zunimmt. Der Grund für diese geringe 
Änderung der kleinen Achse mag folgender sein: Die Blutkörper 
passieren die Arterienkapillaren stets so, dass die grosse Achse 
longitudinal gestellt ist und füllen dabei das Lumen ganz aus. 
Wenn für sie also die Möglichkeit eines Passierens der Arterien- 
kapillaren erhalten bleiben soll, so darf sich die Änderung der 
kleinen Achse nur in engen Grenzen vollziehen. 

Ist schon das Verhältnis der grossen und kleinen Achse bei 
einem Vogel nicht konstant, so kann es nicht wundernehmen, 
dass es bei den verschiedenen Vögeln ein äusserst schwankendes 
ist, selbst wenn man sich nur auf diejenigen bezieht, deren Blut- 
körper noch während der Messung spitz bleiben, wo es also noch 
nicht durch die Reagentien verändert ist. Merula merula 
14:5,5 = 2,54 u; Corvus corax 15:6,25 — 2,4; Haematopus ostra- 
legus: 15,9:..7. — 2,22, u; Jamosazlapponica 15.77 2.14 27 Fbei 
Blutkörperchen, die schon abgerundet gemessen sind, nimmt das 
Verhältnis zugunsten der kleinen Achse zu. 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 415 


Die verschiedene Messung im spitzen oder runden Zustande 
bereitet auch bei der Grössenvergleichung der einzelnen Mittel- 
werte Schwierigkeiten. Es ist ausgeschlossen, dass beispielsweise 
ein Mittelwert von 15:7 u spitz gemessen etwa einem solchen 
von 15:7 u rund gemessen gleich ist, aber es ist auch nicht 
entscheidbar, welchen Zuwachs die kleine Achse bei einer 
bestimmten Verkürzung der grossen Achse erfährt. Ich ver- 
suchte, um eine exakte Grössenvergleichung vornehmen zu können, 
die Grössenbestimmung der Blutkörper nur von einer messbaren 
Ausdehnung abhängig zu machen. Ich liess Blutkörperchen in 
0,2°/o NaCl-Lösung zu Kugeln aufschwellen, um nach Messung 
des Durchmessers und nach Abzug des nach den osmotischen 
Gesetzen in die Zelle eingedrungenen Wassers eine Volumen- 
berechnung vorzunehmen. Aber abgesehen davon, dass der 
weitaus grösste Teil der Blutkörperchen zerplatzte, ich also zur 
Mittelwertbestimmung nicht die genügende Anzahl von Grössen 
zur Verfügung hatte, sah ich vor allen Dingen keine Möglichkeit, 
zu entscheiden, wann die Blutkörper voll zur Kugel aufgeschwollen 
waren; sowohl in 0,25°/o NaCl-Lösung, wie in 0,2°/o und 0,15°/o 
erschienen die Blutkörperchen nach 15—20 Minuten im Mikroskop 
als Kugeln, was den Gesetzen des osmotischen Druckes wider- 
spricht. 

Auch eine andere Eigenschaft der roten Blutkörperchen, 
sich bei längerem Stehen in isotonen Kochsalzlösungen zu kreis- 
runden Scheiben abzurunden, versuchte ich mir in dieser Beziehung 
zunutze zu machen. Wenn es auch gelingt. namentlich bei sich 
schnell abrundenden Formen, das Phänomen zu erhalten, so 
musste ich jedoch auch hier verzichten, eine exakte Vergleichung 
zu ermöglichen, da alle spitzen Formen und viele runde nach 
einiger Zeit so stark lädiert erscheinen, dass eine richtige Messung 
nicht mehr möglich ist. 

Ich kann daher nur eine angenäherte Grössenvergleichung 
in meinen Betrachtungen vornehmen. 

Es tritt jedoch auch bei einer solchen eine Regel deutlich 
hervor: 

In allen systematisch einheitlichen Familien 
hat der grössere Vogeldie grösseren Blutkörperchen. 

Diese Regel zeigen deutlich die Columbidae, Rallidae, 
Scolopacidae, Charadriidae, Anatidae, Ardeidae, Falconidae, Striges, 


416 Wilhelm Venzlaff: 


Passeriformes. Freilich sind in den verschiedenen Familien die 
Körpergrössenunterschiede, die auch einen messbaren Unterschied 
im Mittelwert hervorrufen, recht verschieden. Bei den Rallen 
ruft schon ein Unterschied von etwa 200 g ein erhebliches 
Wachsen des Mittelwertes hervor, während bei den Enten Cygnus 
olor, der über dreimal so schwer ist, wie Choristopus melano- 
leucus, den gleichen Mittelwert wie dieser hat. Es braucht also 
ein grösserer (rewichtsunterschied noch keine Differenz im Mittel- 
wert hervorzurufen, jedoch hat nie der grössere Vogel einer 
Familie kleinere Blutkörperchen als ein kleinerer der gleichen 
Familie. 

Von dieser wichtigen Regel findet, wie die Tabelle zeigt, 
eine Ausnahme bei den Ratitae und Phasianidae statt. Obwohl 
Casuarius erheblich kleiner ist als Struthio, hat er doch einen 
grösseren Mittelwert (19:9,5 und 18:9 «). Man hat jedoch 
schon seit längerer Zeit als feststehend angenommen, dass wir 
in den drei untersuchten Formen nicht nahverwandte Vertreter 
einer grossen Gruppe vor uns haben, sondern dass es sich bei 
ihnen nur um Konvergenzerscheinungen handelt. Ich möchte 
daher die Tatsache, dass in dieser Gruppe das Wachsen des 
Mittelwertes gegen die abgeleitete Regel stattfindet, eher als 
Beweis jener Meinung gelten, als sie gegen die Regel sprechen 
lassen. Einer merkwürdigen Tatsache begegnen wir bei den 
Phasianidae. Die drei untersuchten Hühner haben trotz grosser 
Körperunterschiede (400 g: 1550 g:; 4500 g) gleichgrossen 
Mittelwert; Putermännchen und -weibchen haben kleinere Blut- 
körperchen als die Pfauhenne, obgleich die Gewichte nach der 
abgeleiteten Regel ganz andere Ergebnisse forderten. Ich glaube 
nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Abweichungen, mindestens 
bei echten Hühnern als ein Ergebnis der Rassenzucht betrachte. 
Die schnelle Heranzüchtung grosser Formen aus kleinen hat noch 
kein Wachsen der Blutkörperchen hervorrufen können. Bei dieser 
Erklärung müsste die Stammform des Puters nur etwa ebenso 
gross sein wie Pavo, und bei der Aufstellung der Stammform 
der Hühner kämen nur solche Spezies in Betracht, die mit nah- 
verwandten wildlebenden Formen der Grössenregel gehorchten. 
Eine vergleichende Untersuchung, die ich nach diesem Urteil 
über die Rassenzucht an Tauben vorgenommen habe, hat mich 
in meiner Meinung bestärkt. Wieder hat hier eine durch die 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 417 


Zucht schnell an Körpergewicht vergrösserte Form, die Römer- 
taube, den gleichen Mittelwert wie Columba livia, obgleich sie 
über doppelt so gross ist, und diese Differenz bei solchen (rewichten 
liegt, wo in allen anderen Familien sicher ein messbarer Unter- 
schied aufgetreten wäre. Freilich zeigen auch die Möven die 
Eigentümlichkeit, dass bei grösseren Gewichtsunterschieden keine 
Änderung des Mittelwertes eintritt. Es ist mir jedoch nicht 
möglich gewesen, hierfür einen Grund aufzufinden. 

Ein Vergleich der Durchschnittsgrössen der Blutkörperchen 
der einzelnen Familien oder exakter, Vergleichungen der Mittel- 
werte gleichgrosser Vögel aus verschiedenen Familien, zeigt, dass 
diese recht verschieden sind. Jedoch lässt sich wohl kaum ein 
Prinzip aufstellen, das allgemein diese Verschiedenheiten in sich 
begreift. Bei einer Vergleichung der Rallidae, Striges, Ardeidae 
einerseits und der Columbidae, Falconidae, Passeres andererseits 
scheint ein Einfluss der Lebensweise unverkennbar. Die erste 
(‚aruppe weist bei einer wenig körperliche Arbeit erfordernden 
Lebensweise verhältnismässig grosse Mittelwerte auf, während die 
zweite als gute Flieger, die durch ihre Bewegungsart hohe Arbeit 
zu leisten gezwungen sind, weit kleinere Blutkörper hat. So hat 
ÖOrtygometra porzana (15:6,25 u) grössere Blutkörperchen als 
die etwa gleichgrosse Peristera afra (12.5:7 ı) und Merula merula 
(14:5,5 «) und auch noch grössere als der um 50 g schwerere 
Cerchneis sparverioides (12,5:7 u); das Gleiche gilt von Ardetta 
minuta (14,5:7 «) und Asio scops (14,5:7 «.) einerseits und Turtur 
douraca (12,5:7 «) andererseits. Nicht minder auffällig sind die 
Unterschiede zwischen den etwa gleichgrossen Gallinula chloropus 
(15:7,5 «) und Tinnunculus tin. (13:7,5 u), zwischen Syrnium 
aluco (15:7.,5 u) und Columba livia (14:7 «) und endlich zwischen 
Ardea cocoi (16:7,5 «) und Bubo bubo (16:7,5 «) einerseits und 
dem bedeutend schwereren Aquila chrysaetus (15,5:7,5 «) anderer- 
seits. Alle Vergleichungen zeigen deutlich, dass die wenig 
fliegenden Formen weit grössere Blutkörper haben als die guten 
Flieger. Man könnte diese Tatsache durch das Zusammenwirken 
zweier Faktoren erklären. Die guten Flieger erreichen durch 
die kleineren Blutkörper einen lebhafteren Gasaustausch: ferner 
wird durch den schnelleren Blutkörperchenverbrauch bei der viel 
Arbeit erfordernden Lebensweise den Erythrozyten die Möglichkeit 
genommen, zu grossen Formen heranzuwachsen. 


418 Wilhelm Venzlaft: 


Diesem durch die Vergleichung obiger Gruppen gewonnenen 
Resultat widersprechen vor allem die Befunde bei den Hühnern. 
Diese haben trotz ihrer bodenständigen Lebensweise auffallend 
kleine Blutkörperchen. Die etwa 9mal so schwere Wachtel hat 
den gleichen Mittelwert (11,25:6,25 u) wie Habropyga subtlava 
(11:6,25 «) und mit Ausnahme von Pavo cristatus weisen alle 
untersuchten Vertreter dieser Familie, z. B. den Falken gegen- 
über, kleinere Blutkörper auf als sie nach ihrer Körpergrösse 
und der oben abgeleiteten Regel haben dürften. Wenn auch 
diese Befunde durch die Deutung, die ich über Einwirkung der 
Zucht gegeben habe, geändert werden, so kommen doch noch 
den Hühnern verhältnismässig kleine Blutkörper zu. 

Eine eigentümliche Stellung zu der gefolgerten Einwirkung 
der Lebensweise nehmen die Laridae auf Grund ihrer gleichen 
Mittelwerte ein. Während sich Larus marinus dem Prinzip noch 
recht gut fügt, passt Larus fucus wenig-und Larus ridibundus 
gar nicht hinein. 

Die Charadriidae und Anatidae, die mit ihrer Lebensweise 
zwischen den beiden oben aufgestellten Gruppen in der Mitte 
stehen, fügen sich dem abgeleiteten Prinzip sehr gut. 

3evor ich in meinen Darstellungen fortfahre, möchte ich 
nicht versäumen, meine Messungen mit denen anderer Autoren 
zu vergleichen. Sehr umfangreiche Messungen sind von Gulliver 
(1845) angestellt worden. Seine Zahlen, die ich in der Tabelle 
angeführt habe, sind durchweg bedeutend kleiner als die meinigen. 
Da Gulliver nicht die Art und Weise angibt, wie er einen 
Mittelwert zwischen den verschieden grossen Blutkörperchen des 
Vogels zieht, bin ich ausserstande, über die vorliegenden Differenzen 
eine Erklärung zu geben. Auch die beiden nach Hayem an- 
gegebenen Werte sind kleiner als meine. Anders steht es mit 
denen Welckers. Mit Ausnahme des für Gallus dom., den er 
wohl von Gulliver übernommen hat, was durch die zu genaue 
Übereinstimmung der Zahl möglich erscheint, lassen sich seine 
Messungen sehr gut mit meinen in Einklang bringen. Die Blut- 
körperchen der Taube hat Welcker in einem weniger ab- 
gerundeten Stadium wie ich gemessen, die grosse Achse ist etwas 
grösser, die kleine um entsprechendes kleiner. Passer montanus 
und die Ente, nach meiner Schätzung von der Grösse von Anas 
superciliosa, habe ich in weniger abgerundetem Zustand gemessen. 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 419 


Die Anzahl der roten Blutkörperchen. 

Die Anzahl der roten Blutkörperchen, welche die verschiedenen 
Vögel in einem cmm Blut besitzen, ist ausserordentlich ver- 
schieden. Ich konnte bei meinen Zählungen ein Minimum von 
1 715 000 und ein Maximum von 5400 000 feststellen. Soviel 
ich weiss, sind bisher keine Untersuchungen vorgenommen worden, 
um diese Differenzen in der Zahl, die ihre Gründe haben müssen, 
aufzuklären. Ich möchte nun im folgenden Abschnitt den Ver- 
such unternehmen, die Faktoren zu skizzieren, die in der Haupt- 
sache diese Unterschiede bedingen. 

Man wird nun gerade in Hinsicht solcher Untersuchungen 
gegen das von mir verwandte Material Bedenken erheben können. 
Die Gefangenschaft schadet den Tieren, vor allem Vögeln; es 
werden bei den Untersuchungen nicht die natürlichen Verhältnisse 
zutage treten. Allein ich konnte mich im Laufe der Unter- 
suchungen, namentlich auch durch Vergleiche mit freilebenden 
Formen, was ich an geeigneten Stellen ausführen werde, davon 
überzeugen, dass sich das Vogelmaterial eines zoologischen Gartens 
weit besser als frisch aus der Natur genommenes eignet, wenn 
man nur vorsichtig genug bei seiner Auswahl verfährt, d.h. 
zunächst sich an solche Familien hält, die die Gefangenschaft 
gut vertragen, und dann stets nur solche Exemplare nimmt, die 
sicher durchaus gesund sind. Die Nachteile einer Gefangenschaft 
werden auch dadurch verringert, dass man sich bemüht, die 
Vögel möglichst ihrer Lebensweise entsprechend gefangen zu 
halten, und gerade in dieser Hinsicht ist das Material des Berliner 
Zoologischen Gartens ein sehr günstiges, da bei den reichen 
Mitteln, die zur Verfügung stehen, und der grossen Sorgfalt, die 
darauf verwandt wird, zum Teil Bedingungen geschaffen werden, 
die einem Naturleben sehr nahe kommen. Den durch die Ge- 
fangenschaft hervorgerufenen Nachteilen stehen unleugbar grosse 
Vorteile gegenüber. Es werden viele Faktoren ausgeschaltet, 
die in der Natur auf die Zahl einwirken und die Grundregeln 
verschleiern würden. Die Tiere halten sich alle am selben Ort 
auf, die Temperatur, die Luftdichte sind dieselben, kurz Klima- 
und Ortsunterschiede scheiden als zu beachtende Faktoren aus. 
Ferner haben alle Vögel eine gleich gute und reichliche Fr- 
nährung ; da ich mich durch Experimente von dem grossen Einfluss 


dieses Faktors überzeugen konnte (ich werde es an den geeigneten 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 29 


420 Wilhelm Venzlaff: 


Stellen näher ausführen) muss ich gerade dies als den grössten 
Vorteil der Gefangenhaltung dem Freileben gegenüber bezeichnen. 

In diesen bisherigen Überlegungen werde ich durch Unter- 
suchungen von Fatham an Haselhühnern bestärkt. Er hat 
Zählungen an 50 Individuen dieser Art vorgenommen und ein 
Minimum von 3 600 000 und ein Maximum von 5 800 000 fest- 
gestellt, ein Unterschied, wie ich ihn nie bei meinen ganzen 
Untersuchungen vorfand, und der es von vornherein als unmöglich 
erscheinen lässt, Regeln, welche die Zahl der Blutkörperchen 
beherrschen, aufzufinden. Freilich scheint mir hier eine andere 
Erklärung als die Einwirkung nicht kontrollierbarer Faktoren in 
der Natur möglich. Fatham gibt an, dass er Untersuchungen 
nur an zwölf lebenden Tieren vorgenommen habe, die übrigen 
waren frisch getötet: die Todesart gibt er nicht an. Nun ist 
man, wie ich glaube, nur dann gezwungen, Untersuchungen an 
getötetem Material vorzunehmen, wenn man sich an geschossene 
Tiere hält. Sollte dies der Fall gewesen sein, so dürften die 
an frisch getöteten Tieren vorgenommenen Resultate keine Gültig- 
keit haben. Es wird nämlich bei Blutverlusten nach kurzer Zeit 
dem Blut aus allen Organen Flüssigkeit zugeführt, so dass das 
Blutbild wesentlich geändert wird. Ich hatte selbst Gelegenheit, 
mich hiervon an einer flügellahm geschossenen Columba palumbusL. 
zu überzeugen, die ich erst eine Stunde nach dem Schuss unter- 
suchen konnte. Die Zahl der roten Blutkörper in 1 cmm betrug 
ungefähr nur die Hälfte der Zahl, die ich als Durchschnitt bei 
der Haustaube festgestellt hatte. Ich möchte mich also zunächst 
dahin aussprechen, dass die grosse von Fatham festgestellte 
Differenz mehr ihre Erklärung durch die Todesart als durch 
Eigentümlichkeit der Individuen findet. 

Für meine Zählungen stand mir ein Thoma-Zeissscher 
Zählapparat zur Verfügung. Als Verdünnungsflüssigkeit benutzte 
ich anfangs 0,65°/o Na Cl-Lösung. Ich setzte jedoch später zu 
je 200 cem dieser Lösung 100 ccm konzentrierten Glyzerins 
hinzu, um so fast das spezifische Gewicht des Blutes zu erreichen. 
Ich hatte nämlich bei meinen ersten Zählungen bemerkt, dass 
die Verteilung auf dem Zählnetz zu wünschen übrig liess. Die 
Zählungen an demselben Tier unterschieden sich nicht selten um 
3—400 000. Ich musste dies dem Umstande zuschreiben, dass 
die Blutkörper in dem in die Zählkammer gebrachten Tropfen 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 421 


schnell zu Boden sanken, so dass beim Auflegen des Deckglases 
die Verteilung im Tropfen schon nicht mehr gleichmässig war. 
Ich musste also der Zählflüssigkeit eine chemisch indifferente 
Flüssigkeit zusetzen, welche ein höheres spezifisches Gewicht als 
Wasser hatte und keine osmotischen Wirkungen ausübte. Glyzerin 
hat die geforderten Eigenschaften in vollstem Umfange. Erst 
später fand ich, dass wahrscheinlich aus dem gleichen Grunde 
in der Hayemschen Zähltlüssigkeit 30 ccm Glyzerin in 100 ccm 
Flüssigkeit enthalten sind. Ich erreichte durch den Zusatz von 
Glyzerin auch das Gewünschte. Erst nach fünf Minuten waren 
die Blutkörper in der Zählkammer zu Boden gesunken und die 
Verteilung auf dem Zählnetz war meistens gut. Die grossen 
Differenzen bei Zählungen desselben Individuums blieben aus, 
manche unterschieden sich bei etwa 1500 gezählten Blutkörpern 
nur um zwei im Endresultat. Kamen aber grössere Differenzen 
vor, welche ich jedoch mehr auf in der Eile der Blutentnahme 
nicht bemerkte Fehler als auf technische Mängel zurückführen 
möchte, so wurden die Zählungen solange wiederholt, bis ich 
über die richtige Zahl nicht mehr im Zweifel sein konnte. 
Gewöhnlich wurden von jedem Vogel zwei Zählungen gemacht. 
Die Verdünnung wurde meist 100 fach genommen, die geringste 
Verdünnung, die mit Blutpipetten zu erzielen ist, um hierdurch 
die Zahl, mit der die gezählten Blutkörperchen zu multiplizieren 
sind, möglichst klein zu bekommen. Nur bei Vögeln, die 4 000 000 
und mehr Blutkörper in 1 cmm hatten, wurde die Verdünnung 
150 fach genommen. Das Blut zu Zählungen entnahm ich stets 
einer Armvene. Im übrigen hielt ich mich an die für die Zähl- 
technik allgemein gültigen Vorschriften. 


: Tabelle. (Seite 422 und 423.) 

Die Tabelle unterscheidet sich von der früher aufgestellten 
dadurch, dass noch die Zahl der Blutkörper in 1 cemm und die 
Durchschnittsgewichte, die Dr. Heinroth durch lange Jahre 
gesammelt hat, hinzugefügt sind, letzteres um den Ernährungs- 
und Gesundheitszustand der untersuchten Individuen zu beurteilen. 
Mittelwert und Gewicht sind beibehalten, da sie für die Zahl von 
grosser Wichtigkeit sind. 

Bei der Auswahl der Familien wurde vor allem darauf 


geachtet, dass sie verschiedene, in der Familie aber möglichst 
29* 


422 


Wilhelm Venzlaff: 


Tabelle zu dem Kapitel: Die Anzahl der roten Blutkörperchen. 


| | en 
” r H t 
Mittelw a Anzahl | Gewicht | Gulacht unBz 
In u die festgestell- 
n | ten Gewichte 
Struthiomorphea. | | 
Casuarius galeatus Bonn |20 : 10—18 : 9) 2 560 000 | 36 kg 
Rhea americana L 17,5:9 12010000 | 113/ı kg 
Struthio camelus L 18:8 2 560 000 
Tinamiformes. | 
Rhynchotus rufescens 16,25: 6,25 12290000 | 910 g gut 
Temm | | | 
| 
Galliformes. | | 
Coturnix coturnix LU 11,25: 6,25 | 4 030 000 | 9% | gut 
Zwerghahn 14:7 3316 000 400 & | 
Negerhahn a | 3322000) 1550 g | 
Langshanhahn | abe 13376000 | 4500 g | 
Numida meleagris L | tt 2 700 000 | 1500 & | 
Pavo cristatus L | 16:75 12094000| 4000 & | fett 6500 g 
Weibehen | | Männchen 
Meleagris gallopavo L | 155:7 |2370000| 4500 g 
Weibchen | 
Meleagris gallopavo L 15,5:7,5 ||2 240 000 || 12500 g 
Männchen | 
Columbiformes. 
Peristera afra L 125237 3 282 000 1078, leidlich 
Turtur douraca Hodgs 13:7 14200000 150 g 
Columba livia L 14:7 3600000) 400 g | Durchschnitt 
I 
Lariformes. | | 
Larus ridibundus L 15:7,5 3285000 280 g gut 
Larus marinus L 15:75 3360000 | 1500 & 1500-1800 g 
Gralliformes. 
a) Rallidae. 
ÖOrtygometra porzana L 14:7 2 565 000 38 gut 
Gallinula chloropus L 15:75 || 2 270 000 275 g | 164-300 & 
Porphyrio poliocephalus 16:7,5 |1715000| 465 g 
Lath | 
b) Scolopacidae. | 
Tringa canutus L 15:6,25 |3210000| 115 8 | 
Limosa lapponica L DEE 3390 000| 230 & \ gut 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 


425 


Tabelle zu dem Kapitel: Die Anzahl der roten Blutkörperchen. 


| I ‚Heinrothsche 
| itte » ewichte un 
lern yes Anzahl | Gewicht | @ufacht. über 
| N u | die festgestell- 
| | ten Gewichte 
ı 
c) Charadriidae. | 
Charadrius dubius Scop| 15:6,25 |3500 000 | 55 8 ||38 g; also fett 
Vanellus cayennensis Gm| 15,5:7 29200001 299 8 
Haematopusleucopus Garn| 15,5:7  ,2870000| 665 g er 
| t | 
Anseriformes. | | 
Nettion ereeca L 11,5 26,25 18 120/000) 250727 | here 
Anas superciliosa Gm|\ 14,5:7 2800000) 1150 & | 
(Schwimmente) | | | INRENPF RS 
Fuligula marila L 14,5:7 2 675000)| 1450 g | 17° Mazeen 
(Tauchente) | | 
Choristopus melanoleucus 16:75 12200000 | 2625 8 
Less | | ü 
Oygnus oler Lu, | 16:75 12165 na Es, nuhen,: 
1 | | 
Ardeidae. | | 
Ardetta minuta L | 14,5:7 3 450 000 | 145 g | frei 250 g 
Ardetta erythromelas VöezlZ | 15:8 3140000| 500 g | 500-575 g 
Ardea cocoi F. Heron 16:75 12 700 000 | 2000 & || 1930 g fett 
Falconiformes. | 
Gerchneis sparverioides Vig | 12,5:7 !3360000| 135 g 
Tinnunenlus tin L 13:75 3.030 000 | 280 g A Durch, 
Buteo vulgaris Bcht 15,5:7,5 12700000 1500 g | 500-1840 g 
Aquila chrysastus L | 1585:7,5 |2350000| 4600 g | Weihchen fett 
| 
Strigiformes. | 
Asio scops L 147 35500001 155 g 
Syrnium aluco L 15:75 123200001 475 g 
Bubo bubo L | 16:75 12100000) 2800 & 
| 
Psittaciformes. | | | 
Melopsittacus undulatus 12,5:5,5  ||4 300 000 | 30 g | Durchschnitt 
Shaw | 
Passeriformes. | 
Habropyga subflava Vieoll 11:6,25 | 5 400 000 10 & 
Passer montanus L 12,5: 6,25 5 200 000 308 | Y 
Merula merula L 14'5,5:°)1'3:026 000 base | Darchsern ll 
Corvus corax L 15:6,25 113925000 || 1500 & gut 


Die vierte Spalte enthält Gewichte, die mir Dr. Heinroth, praktisch 
wissenschaftlicher Leiter des Berliner Zool. Gartens, überliess, und die er 


durch Jahre gesammelt hat. 


424 Wilhelm Venzlaff: 


gleichartige Lebensweise hatten, dass sie systematisch einheitlich 
waren und ihre Gefangenhaltung im hiesigen Zoologischen Garten 
möglichst ihrer Lebensweise gleichkam. Aus jeder Ordnung wurde 
die charakteristischste Familie ausgewählt und mehr als eine 
Familie, wenn die obengenannten Gesichtspunkte es erforderlich 
machten. Von den vorhandenen Ordnungen sind nicht untersucht 
worden: Die Apterygiformes, Procellariformes, Pygodes und Pices, 
weil keine Vertreter hiervon vorhanden waren. Ferner nicht die 
Cypselimorphae: es ist mir trotz meiner Bemühungen nicht 
gelungen, eines Seglers habhaft zu werden, und die anderen 
Familien waren nur in so wertvollen Exemplaren vertreten, dass 
ich von einer Untersuchung absah. Von den Sphenisciformes und 
Steganopodes waren für meine Zwecke nicht genügend in der 
Grösse ausreichend verschiedene Exemplare vorhanden. Von den 
Tinamiformes konnte ich nur Rhynchotus rufescens untersuchen: 
Crypturus starb mir bei der Blutentnahme an Herzkrämpfen, und 
ich wollte mich nicht der Gefahr aussetzen, noch andere so teure 
Exemplare dieser Ordnung durch meine Untersuchungen zu töten, 
da auch sie schon infolge längerer Gefangenschaft an Herz- 
schwäche litten. Von den gewählten Familien wurden drei Exem- 
plare untersucht, eine kleine, eine mittlere und eine grössere 
Form. Nur in solchen Familien wurden mehr als drei Arten 
untersucht, wo eine Spezies durch eine abweichende Lebensweise 
etwas Neues zu zeigen versprach, oder zur Bestätigung eines bei 
der Familie aufgetauchten Gesichtspunktes die Untersuchung einer 
grösseren Anzahl nötig war. 

Vergleicht man die in den einzelnen Familien erhaltenen 
Zahlen, so ergibt sich folgende, einfache Grundregel: 

In jeder Familie, deren Arten eine Lebensweise 
haben, die annähernd die gleiche körperliche Arbeit 
erfordert, hat der Vogel, welcher die kleineren Blut- 
körperchen hat, die grössere Zahl. 

Diese Regel zeigt sich deutlich bei den Phasianidae, Rallidae, 
Charadriidae, Anatidae, Ardeidae und Striges; von 45 unter- 
suchten Vögeln verschaffen also 29 dieser Regel Geltung. So 
einfach und selbstverständlich sie ist, so gut ist sie geeignet, in 
die verworrenen Zahlen der roten Blutkörperchen bei den einzelnen 
Vögeln Licht zu bringen. Diese Regel muss zunächst feststehen, 
wenn man über andere Faktoren, die noch die Zahl beeinflussen, 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 425 


ein richtiges Urteil gewinnen will. Kommen diese nicht in 
Betracht, so kann man auf Grund der Regel in folgender Art 
vorherbestimmen, wieviel Blutkörper der Vogel im cmm hat. 
Kennt man von zwei Arten einer Familie den Mittelwert und die 
Zahl, so kann man von einem dritten Vogel derselben Familie, 
von dem man den Mittelwert der Blutkörper kennt, die Zahl 
angenähert angeben, da diese zwischen den beiden obengenannten 
liegen muss, — näher der einen oder der anderen Zahl, je nach- 
dem der Mittelwert sich mehr dem einen oder anderen nähert. 
Diese Vorherbestimmung nahm ich, nachdem ich die Regel 
erkannt hatte, bei meinen Untersuchungen stets vor, und es 
gelang mir in den meisten Fällen, die Zahlen bis auf die Hundert- 
tausende genau zu bestimmen. Freilich muss stets untersucht 
werden, ob nicht andere Faktoren, deren Einwirkung ich später 
diskutieren will, Abweichung von der Regel erfordern. Aus der 
Regel ist auch ersichtlich, wie wichtig es ist, den wahren Mittel- 
wert der Blutkörper eines Vogels zu kennen, denn schon ganz 
geringe Differenzen rufen eine beträchtlicke Änderung in der 
Zahl hervor. So hat Columba livia bei einer um 1 u grösseren 
Hauptsache des Mittelwertes 700 000 Blutkörper in 1 cmm weniger 
als Turtur douraca: zwischen Gallinula chloropus und Porphyrio 
poliocephalus ruft der gleiche Unterschied im Mittelwert eine 
Differenz von 550 000 in der Zahl hervor. Man kann umgekehrt 
nach der festgestellten Regel die Zahlen als objektixe Daten dazu 
benutzen, die Mittelwerte auf ihre Genauigkeit zu prüfen. So 
zeigt 2. B. der grosse Unterschied der Zahlen von Buteo vulgaris 
und Aquila chrysaätus, dass der spitzgemessene Mittelwert 
(15,5:7,5 u) von Buteo vulgaris kleiner als der rund gemessene 
(15,5:7,5 a) von Aquila chrysaötus ist; die Differenz zwischen 
den Zahlen von Meleagris gallopavo Männchen und Weibchen 
bestätigt, dass auch ein Unterschied im Mittelwert vorliegen 
muss, an dem man nach der Messung allein hätte zweifeln können; 
bei Ardetta erythromelas und Ardea cocoi zeigt die Zahlendifferenz, 
dass ein Mittelwert von 15:8 u kleiner als ein solcher von 
167,52 sk: 

Ein Ergebnis der Regel wäre, dass Vögel mit gleichgrossem 
Mittelwert gleich viel Blutkörper im cmm haben müssen, wenn 
ihre Lebensweise nicht wesentlich voneinander verschieden ist. 
In der Tat ist dies der Fall. und das Stattfinden dieser Folgerung 


426 Wilhelm Venzlaff: 


ist ein guter Beweis, dass die Regel zu Recht besteht. Pavo 
eristatus, Uhoristopus melanoleucus, Oygnus olor, Bubo bubo haben 
den gleichen Mittelwert 16:7,5 « und die gleiche Zahl 2094 000; 
2200000; 2165000; 2100000. Die geringen Differenzen zeigen 
auch gleichzeitig, auf welchen Unterschieden man Schlüsse auf- 
bauen kann. Ferner haben Vanellus cayennensis und Haematopus 
leucopus gleichgrosse Blutkörper, ihre Zahlen unterscheiden sich 
nur um 50000. Dasselbe gilt von Larus ridibundus und Larus 
marinus, der Unterschied beträgt nur 75000. Die Zählungen 
von Ardea cocoi nahm ich an zwei verschiedenen Individuen vor 
und fand nur eine Differenz von 40000. Die drei verschieden 
grossen Hühner haben bei gleichem Mittelwert von 14:7 u fast 
genau gleiche Zahlen, — der grösste Unterschied beträgt nur 60000. 

Wie der Regel über die Grösse der Blutkörper, so wider- 
sprechen auch hier die Strausse der abgeleiteten Regel. Freilich 
kann ich bei ihnen für die Richtigkeit der Zahlen nicht bürgen. 
Ich konnte nämlich nur von Casuarius geleatus 2 Zählungen 
machen, da es 3 mal gelang ihn genügend festzuhalten. Bei den 
anderen ausserordentlich scheuen Tieren war dies nur 2 mal 
möglich, so dass ich für die angegebenen Zahlen keine Kontroll- 
zählung anstellen konnte. Es ist sehr leicht möglich, dass ich 
bei der sehr schwierigen Blutentnahme nicht beachtete Fehler 
begangen habe. 

Ein zweiter Faktor, der auf die Zahl der roten Blutkörper 
allgemein bestimmend einwirkt, ist die ständige körperliche Arbeit, 
die ein Vogel bei seiner Lebensweise zu leisten hat. Da die 
roten Blutkörper die Funktionen haben, den Sauerstoff aus der 
Luft zu entnehmen und den einzelnen Teilen des Körpers zwecks 
Verbrennung energiehaltiger Stoffe zuzuführen, wird man ver- 
muten können, dass z. B. eine Lebensweise, die hohe energetische 
Leistungen fordert, eine Erhöhung der Zahl der roten Blutkörper- 
chen im ecmm zur Folge hat. Dem ist in der Tat so, wie ich 
durch meine Untersuchungen zeigen kann. Bei der Verfolgung 
dieses Gesichtspunktes in den Untersuchungen machen sich die 
Nachteile geltend, die einem Material von gefangenen Vögeln 
anhaften. Wie ich schon früher erwähnte, ist es ausgeschlossen, 
den Tieren in der Gefangenschaft die Lebensumstände zu ver- 
schaffen, die denen der Natur gleichkommen. Die Zahl der 
Familien an denen man die Einwirkung der Lebensweise auf die 


rm 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 427 


Zahl der roten Blutkörper zeigen kann, wird beschränkt; auch 
darf ich mich bei den Ausführungen über diesen Gesichtspunkt 
nicht auf die Lebensweise der Tiere in der Natur stützen, sondern 
muss die Gefangenhaltung im Zoologischen Garten zugrunde 
legen, denn die Einwirkung der Faktoren auf die Zahl macht 
sich schon in kurzer Zeit, einigen Wochen, geltend, wie aus 
Beispielen der Literatur hinlänglich bekannt ist. Ein sehr gutes 
Beispiel ist das von Viault berichtete; schon nach 14 Tagen 
Aufenthalt auf dem Chimborazzo konnte er bei sich und seinen 
Begleitern eine starke Vermehrung der roten Blutkörper von 5 
auf 7 Millionen feststellen. 

Von den durch mich untersuchten Familien stehen als gute 
Flieger den mehr am Boden lebenden oder weniger fliegenden 
Formen folgende fünf Familien gegenüber: Columbidae, Laridae, 
Falconidae, Scolopacidae und Passeres. Von diesen wurden Columba 
livia und Turtur douraca freifliegend gehalten, Peristera afra, 
Cerchneis spaverioides und Habropyga subflava in engen Käfigen, 
die Falken, mit Ausnahme von Aquila chrysaätus, die Schnepfen 
und Corvus corax in grösseren Käfigen, die ihnen ein ausgiebiges 
'Fliegen jedoch nicht gestatten, die Möven in einer grossen Voliere, 
Merula merula und Passer montanus wurden im Freien gefangen. 
Schon an diesen verschieden gefangen gehaltenen Tieren lässt 
sich ein Einfluss der Lebensweise gut zeigen. Die Arten, denen 
durch die Gefangenschaft in engeren Käfigen die Möglichkeit einer 
ausgiebigen Bewegung genommen ist, zeigen durchweg geringere 
Zahlen. Peristera afra müsste eine grössere Zahl von Erythrozyten 
in cmm als Turtur douraca nnd Columba livia haben, da sie einen 
kleineren Mittelwert von 12,5:7 u gegen 15:7 « und 14:7 u 
hat, nichtsdestoweniger übertrifft sie Turtur douraca um etwa 
900000 und Columba livia um 300 000 ; mit Cerchneis sparverioides, 
der den gleichen Mittelwert (12,5:7 «) hat und genau so gefangen 
gehalten war, wie sie, hat sie annähernd die gleiche Zahl (3252000 
und 3360000). Die Möven zeigen bei einer fast dem Naturleben 
gleichen Gefangenhaltung weit höhere Zahlen als Peristera afra, 
Uerchneis sparverioides und Tinnunculus tinnuneulus, obgleich sie 
noch grössere Mittelwerte haben; mit den Schnepfen, die nur wenig 
kleinere Mittelwerte haben, haben sie gleiche Zahlen, so dass auch 
ihnen gegenüber sich noch gut der Einfluss der natürlichen 
(refangenhaltung zeigt. Schliesslich hat der freilebende Passer 


4238 Wilhelm Venzlaff: 


montanus bei grösserem Mittelwert (12,5: 6.25 u gegen 11:6.25 u) 
eine nur wenig kleinere Zahl als Habropyga subflava (5 200 000 
und 5 400000). 

Weit besser als bei der Vergleichung der guten Flieger 
untereinander zeigt sich die Einwirkung des Faktors bei einer 
Gegenüberstellung der einzelnen Familien mit ihrer Lebensweise, 
also Columbidae, Laridae, Falconidae, Passeres einerseits und der 
Phasianidae, Rallidae, Anatidae, Striges andererseits. Die erste 
Gruppe zeigt im allgemeinen weit höhere Zahlen als die zweite. 
Freilich muss man sich hier mehr als vorhin gegenwärtig halten, 
dass die zweite Gruppe grössere Mittelwerte, darum also auch 
schon kleinere Zahlen hat. Jedoch auch dann weisen die zuerst 
genannten Familien höhere Zahlen auf. Sehr auffällig ist der 
Unterschied zwischen den beiden Extremen der aufgestellten 
(Gruppen, den Columbidae und Laridae gegen die Rallidae. Columba 
livia hat bei gleichem Mittelwert (14:7 u) wie Ortygometra 
porzana etwa 1000000 mehr; desgleichen Larus ridibundus und 
Larus marinus (15:7,5 «) im Vergleich zu Gallinula chloropus, 
die mit ihnen gleiche Norm hat. Auch die Vergleiche zwischen 
Columba livia (14:7 a und 3600000) einerseits und Zwerghahn, 
Negerhahn, Langshan (14:7 «u und im Durchschnitt 3 350 000), 
Anas supereiliosa (14,5:7 « und 2500000) und Fuligula marila 
(14,5:7 u und 2675000) andererseits, zwischen Ooturnix coturnix 
(11,25:6,25 «a und 4030000) und Habropyga subflava (11:6,25 u 
und 5400000), den Möven und Asio scops, Limosa lapponica und 
Numida geben ein gleiches Resultat. Die Charadriidae halten 
sowohl in der Lebensweise als auch in der Zahl zwischen den 
beiden Gruppen die Mitte. Wenn ich also auch die Ein- 
wirkung der Lebensweise nicht in so ausgiebiger Weise dar- 
legen kann, wie ich dies bei der zuerst entwickelten Regel 
getan habe, weil ich für meine Untersuchungen nur gefangen- 
gehaltenes Material verwenden konnte, so dürfte es wohl nach 
den angeführten Beispielen keinem Zweifel unterliegen, dass 
die Lebensweise einen grossen Einfluss auf die Zahl der roten 
Blutkörper hat, den man kurz dahin angeben kann, dass eine 
Lebensweise, welche stets hohe Arbeitsleistungen erfordert, die 
Zahl im Vergleich zu anderen Lebensweisen erhöht. Freilich darf 
der (regensatz in der Lebensweise nicht so gering sein, wenn 
eine Einwirkung auf die Zahl stattfinden soll. An die Atmungs- 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 429 


tätigkeit von Fuligula marila, einer guten Tauchente, werden 
sicher höhere Anforderungen gestellt, als an die von Anas super- 
ciliosa; es zeigt sich in den Zahlen jedoch kein Unterschied. 
Fuligula marila hat bei einem wenig grösseren Mittelwert (jene 
Unterschiede, die, wie ich schon ausgeführt, mit Sicherheit nicht 
feststellbar sind), etwas weniger an Zahl. 

Zum Schluss dieses Abschnittes möchte ich noch einige 
Ausführungen über den Einfluss von Ernährungszuständen auf 
die Zahl machen. Durch einige Beispiele bei meinen Unter- 
suchungen wurde ich auf diesen Faktor aufmerksam und stellte 
dann, um darüber Sicherheit zu gewinnen, einige Experimente an. 
Die aus der Natur im Winter eingefangene Merula merula, welche 
erheblich weniger als das Durchschnittsgewicht einer Amsel wog, 
hatte trotz kleineren Mittelwerts weniger Blutkörper als Corvus 
corax. Die nur 145 g wiegende Ardetta minuta hatte bei gleichem 
Mittelwert weniger Blutkörper als Asio scops, obwohl die Reiher 
im Durchschnitt weit mehr Erythrozyten haben. Nettion crecca 
hat bei kleinerem Mittelwert (14,5:6,25 « und 15:6,25 u) eine 
kleinere Zahl (3140000 und 3 210 000) als die sicher auch schlecht 
ernährte Tringa canutus, und beide weniger Blutkörper als 
Charadrius dubius (3500 000) im guten Ernährungszustand. Diese 
Beispiele legen nahe, hier den Einfluss der Ernährung zu ver- 
muten. Um mir Sicherheit hierüber zu verschaffen, hielt ich 
eine Taube, welche die Zahl 3608000 hatte, 2 Wochen bei 
schmaler Kost und konnte sodann eine Abnahme auf 3210000 
feststellen. Der Einfluss der Ernährung ist also sicher und ein 
ziemlich beträchtlicher. Die hohen Zahlen, welche die beiden 
Reiher, Ardetta erythromelas und Ardea cocoi zeigen, liessen sich 
gut durch die Einwirkung der guten Ernährung erklären, denn 
die Reiher vertragen die Gefangenschaft vorzüglich, und die von 
mir untersuchten Exemplare waren ausnehmend gesund. 

Hauptsächlich wohl auf Grund der verschieden guten oder 
schlechten Ernährung würde sich ein aus der Natur genommenes 
Material schlecht für die ausgeführten Untersuchungen eignen, 
denn durch diesen Faktor würde die Grundregel verdeckt worden 
sein, welche für die Beurteilung aller anderen Faktoren wichtig 
ist. Mit Hilfe der beschriebenen Faktoren lassen sich alle die in 
den Zahlen der Liste auftretenden Unterschiede erklären, so dass 
hiermit für die von mir untersuchten Vögel eine Heranziehung 


Wilhelm Venzlaff: 


anderer Deutungen nicht mehr nötig ist. Freilich wird sich wohl 
bei Untersuchungen von freilebenden Formen die Zahl jener 
Faktoren noch vergrössern. 

Wenn ich die Resultate des II. Teiles zusammenstelle, so 
ergibt sich folgendes: 


1. 


Die Grösse der roten Blutkörperchen schwankt selbst bei 
einem Individuum. Bei Blutkörperchen, die während der 
Messung spitz bleiben, kann man erkennen, dass bei 
grösseren Blutkörperchen hauptsächlich die grosse Achse 
wächst: die kleine verändert sich wenig. 

Die Durchschnittsgrösse richtet sich in den systematisch 
einheitlichen Familien nach der Körpergrösse: Der grössere 
Vogel hat die grösseren Blutkörperchen. 

Die verschiedenen Familien haben verschieden grosse 
Blutkörperchen. Bei der Mehrzahl von ihnen lässt sich 
dieser Unterschied aus der Lebensweise erklären. Schnelle 
Heranzüchtung von Körpergrösse übt keinen Einfluss auf 
die (srösse der Blutkörperchen aus. 


. Für die Anzahl der roten Blutkörperchen gilt die Grund- 


regel: 

In jeder Familie, deren Arten eine Lebensweise haben, 
die annähernd die gleiche körperliche Arbeit erfordert, 
hat der Vogel, welcher kleinere Blutkörperchen hat, die 
grössere Anzahl. 

Hieraus folgt: Vögel, welche gleichgrosse Blutkörper- 
chen haben und annähernd die gleiche Lebensweise, haben 
gleiche Anzahl. 

Der Eintluss der Lebensweise ist dahin zu skizzieren, 
dass eine Lebensweise, welche ständig hohe Arbeits- 
leistungen bedingt, die Zahl der Blutkörperchen erhöht. 

Als dritter Faktor, der die Zahl beeinflusst, ist die 
Ernährung zu nennen. Eine gute Ernährung erhöht die 
Anzahl, eine schlechte vermindert sie. Der Einfluss dieses 
Faktors ist beträchtlich. 


6. 


SQ 


15. 


Die roten Blutkörperchen der Vögel. 451 


Literaturverzeichnis. 


Diantistehrankfoite, W..: Über die Entwicklung des Knochenmarks bei 
den Vögeln. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 74, 1909. 

Denys: Sur la structure de la moelle des os et la genese du sang 
chez les oiseaux. La Üellule, Tome 4, 1887. 

Gulliver, @: On the size of the red corpuscles of the blood of 
the Vertebrata. Proc. of the Zool. Soc. London 1845. 

Hansen, F, €. C.: Über Eisenhämatein. .... Zeitschr f. wissensch. 
Mikr., Bd. 22, 1905. 

Hayem, G.: Du sang et de ses alterations anatomiques. Paris 1899. 
Langer, K.: Über das Gefäßsystem der Röhrenknochen. Denkschr. 
d. k. Akad. d. Wissensch., Math.-Naturw. Klasse, XXXVI, Wien 1876. 
Mayer, S.: Bemerkungen über die sogenannten Sternzellen der Leber 
und die Struktur der kapillaren Blutgefässe. Anat. Anz., Bd. 16, 1899. 
Maximow, A.: Die embryonale Histogenese des Knochenmarks der 
Säuger. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76, H. 1. 

Pfitzner, W.: Zur pathologischen Anatomie des Zellkerns. Virchows 
Arch., Bd. 103, 1886. 

Schulze, F. E.: Zellmembran, Pellicula, Cutieula, Crusta. Anat. Anz. 
Bd. 12, Ergänzungsheft. 


. Van der Stricht: Nouvelles recherches sur la genese des globules 


rouges. Arch. de biologie, Tome XII. 
Weidenreich, F.: Die roten Blutkörperchen. Ergebn. d. Anat. u. 
Entwicklungsgesch., Bd. 13 und 14. 
Derselbe: Die Entstehung der weissen Blutkörperchen im postfetalen 
Leben. Verh. d. anat. Ges., 18. Vers., Genf 1905. 
Derselbe: Beiträge zur Kenntnis der granulierten Leukozyten. Arch. 
f. mikr. Anat., Bd. 72, 1908. 

Weitere den Gegenstand der Arbeit betreffende Literatur siehe 
Weidenreich, F. und 1. Dantschakoff, W. 


432 Wilhelm Venzlaff: Die roten Blutkörperchen der Vögel. 


Erklärung der Textfiguren. 


Fig. 1. Arterien und Venen des Knochenmarks am Foramen nutritium. 
Breite 50 fach vergrössert; Länge 200 fach vergrössert. a und b 
sind die Arterien, welche die obere Hälfte des Markes mit Gefässen 
versorgen. c hat die gleiche Aufgabe für den unteren Teil. d und e 
und die sonst eingezeichneten Arterien haben nur für die unmittel- 
bare Umgebung des For. nutr. Bedeutung und lösen sich schnell 
in die Kapillaren auf. 

Fig. 2. Arterien und Venen des Knochenmarks am Foramen nutritium. 
Breite 50 fach vergrössert; Länge 100 fach vergrössert. Die Be- 
zeichnung und Erklärung ist die gleiche wie in Fig. 1. 

Fig. 3. Spitze Blutkörperchen aus dem Ausstrichpräparat des Blutes vom 
Huhn. Die in Klammern eingeschlossenen stammen aus einem (Ge- 
sichtsfelde. Mit dem Zeichenapparat, !/ı» Ölimmersion, Okular 3 
bei 130 mm Tubuslänge gezeichnet. Zur Reproduktion auf die 
Hälfte verkleinert. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. 


Erorela Öffnung in der Wand einer Kapillarvene am Lymphknötchen. Ge- 
zeichnet mit dem Zeichenapparat bei !/ı» Ölimmersion Leitz und 
Okular 3, Tubuslänge 160 mm. Vergr. etwa 1400. E = Erythro- 
zyten; Ebl — Erythroblasten ; Gr. L = Grosser Lymphozyt. Weitere 
Erklärung siehe S. 390. 

Fig. 2. Photographische Aufnahme der spitzen roten Blutkörperchen von 
Corvus corax in eisgekühlter, 0,66 Kochsalzlösung zwei Minuten 
nach der Blutentnahme. Vergr. 500 fach. 

Fig. 3. Spitze Blutkörperchen von Vögeln. 

a) Vanellus cayennensis; 

b) Porphyrio poliocephalus ; 

c) Rhynchotus rufescens. 
Vergr. 2000 fach. Handzeichnung. 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen und 


Nervenfasern im Rückenmark höherer Wirbeltiere. 


Von 
Anton Nemiloff, 
Assistenten am anat.-histol. Institut der Universität St. Petersburg. 


Hierzu Tafel XVI und XVII und 3 Textfiguren. 


I. Literarhistorische Übersicht. 

Bekanntlich ist die Anwesenheit von Nervenzellen in 
der weissen Substanz des Rückenmarks schon von Benedikt 
Stilling in seinem Werke über die Medulla oblongata, Erlangen 
1843, festgestellt worden, siehe das betreffende Zitat in der 
Abhandlung Waldeyers „Das Gorilla-Rückenmark“, Abhand- 
lungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften 
vom Jahre 1888. Seit dieser Zeit sind derartige Befunde noch 
von verschiedenen Autoren mitgeteilt worden, so von Beisso 
1873, Schiefferdecker u. a. Um diese in der weissen Substanz 
zerstreuten, mehr in der Tiefe derselben liegenden Nervenzellen 
handelt es sich jedoch in der nachstehenden Arbeit nicht, sondern 
um eine eigentümliche, bisher weniger genau bekanntgegebene 
Schicht des Rückenmarks, die dasselbe an seiner Peripherie 
umgibt und mehr oder minder zahlreiche Nervenzellen neben 
einem eigentümlichen Netz von Nervenfasern, markhaltigen und 
marklosen, aufweist. Diese peripheren Gruppen von Nervenzellen 
in den oberflächlichen Schichten der weissen Substanz hat wohl 
Gaskell im Jahre 1885 zuerst beschrieben, und zwar bei 
Reptilien. Dieselben Zellen wies dann Gadow 1857 am Rücken- 
mark von Vögeln nach. Beide Arbeiten sind aber kaum bekannt 
geworden. In einer weiteren Arbeit vom Jahre 1888 nennt 
(raskell diese Zellengruppen „Groups of motor ganglia* und 
bestimmt genau ihre Lage auf der Oberfläche der lateralen 
Partien des Rückenmarks von einigen Sauropsiden. Über den 
feineren Bau der Zellen und über die Ausbreitung ihrer Fortsätze 
wird jedoch nichts näheres erwähnt. Es folgen dann die Arbeiten 
von Conti 1888 über das Rückenmark des Menschen, bei dem 
er als erster am Ende der Lendenanschwellung eine oberflächliche 
Gruppe von Zellen gefunden hat. Contis Beobachtungen 


434 Anton Nemiloff: 


bestätigten teilweise Sherrington, Hoche und Kölliker. 
Besonders gefördert wurde die Kenntnis dieser oberflächlichen 
Zellen im Jahre 1889 von Lachi beim Rückenmark der Vögel. 
Er bezeichnete hier die hauptsächlich an der Lendenanschwellung 
bei der Taube und beim Huhn gefundenen oberflächlichen lateralen 
Zellengruppen als „Lobi accessorii“. Die Zellen werden von ihm 
weit genauer als von seinen Vorgängern beschrieben. Er unter- 
scheidet an ihnen die Dendriten und den Achsenzylinderfortsatz 
und verfolgt diese Fortsätze weiter, als es bisher geschehen war. 
Im selben Jahre hat auch v. Lenhossek bei verschiedenen 
Säugetieren die Nervenzellen der weissen Substanz besprochen. 
Sherrington beschrieb 1890 bei Säugetieren Nervenzellen- 
gruppen in der subpialen Schicht, die möglicherweise den lateralen 
Nervenkernen bei Reptilien und Vögeln entsprachen. Sherring- 
tons Beschreibung ist schon sehr ausführlich und durch zahlreiche 
gut ausgeführte Zeichnungen belegt. Ramön y Cajal und 
Brandis folgen dann mit weiteren genaueren Beschreibungen 
über die betreffenden Nervenzellen bei den Vögeln, sowie 1594 
abermals v. Lenhossek. Letzterem gelang es festzustellen, 
dass bei Hühnerembryonen die Nervenfortsätze dieser oberfläch- 
lichen Zellen durch die vordere Kommissur ziehen, welcher Befund 
den Schluss gestattete, dass diese Zellen dem Typus der Kom- 
missurenzellen angehörten. Da v. Lenhossek die Zellen nur 
bei Embryonen hatte nachweisen können. so spricht er sich zunächst 
nicht ganz bestimmt darüber aus, ob es sich um konstante (rebilde 
handele, was er jedoch später in der zweiten Auflage seiner Arbeit 
„Der feinere Bau des Nervensystems“ bejaht. 

In der Monographie von Sterzi über die Hirnhäute werden 
gleichfalls die oberflächlichen Zellengruppen im Lendenteil des 
Rückenmarks der Vögel erwähnt und als „Lobo accessorio“ 
bezeichnet. 

Es folgt dann im Jahre 1901 die Mitteilung von Kölliker 
über diese Zellen bei den Vögeln, die er bekanntlich als die 
„Hofmannschen Kerne“ nach seinem Präparator Hofmann, 
der ihn zuerst auf dieselben aufmerksam gemacht hatte, benannte. 
Kölliker waren derzeit die vorhin erwähnten Arbeiten von 
Lachi, Lenhossek, Sterzi und Gadow nicht bekannt 
sewesen. Alsbald jedoch, im folgenden Jahre, berichtigt er die 
Sache in einer ausführlichen Monographie, der ein genaues 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 435 


Literaturverzeichnis beigegeben ist und gibt nun auch die bisher 
eingehendste Beschreibung dieser oberflächlichen Zellengruppen 
bei Vögeln und Reptilien und geht auch auf die Verhältnisse 
beim Menschen ein. Ich will hier nur wegen des besonderen 
Interesses für die folgende Arbeit den Abschnitt der Monographie 
Köllikers genauer besprechen, der von diesen oberflächlichen 
Zellen des Rückenmarks beim Menschen handelt. 


Schnittserien durch den Lumbosacralteil des Rückenmarks von einem 
Hingerichteten gaben Kölliker die Möglichkeit, festzustellen, dass in der 
weissen Substanz tatsächlich Nervenzellen, wie sie von Uonti (6) und 
Hoche (14-16) beschrieben wurden, vorhanden sind. Diese Nervenzellen 
liegen in den oberflächlichen Abschnitten der weissen Substanz und sind 
entweder von Nervenfaserbündeln oder von einer Gliaschicht umgeben. Auf 
der Fig. 21 der Monographie bildet Kölliker einen Teil des linken ventralen 
Stranges des Rückenmarks vom Menschen ab; zwischen den Fasern dieses 
Stranges sind deutlich sechs Nervenzellen zu erkennen. Sie liegen ober- 
flächlich, dennoch in einigem Abstande von der Pia. Kölliker nahm wahr, 
dass sie hauptsächlich in der Nähe der Austrittsstellen der motorischen 
Wurzeln liegen. Ihrem Aussehen nach gleichen sie durchaus nicht den 
multipolaren Zellen der Vorderhörner, sind rund oder birnförmig mit ein 
oder zwei Fortsätzen: multipolare Zellen hat Kölliker niemals gesehen, 
ebenso keine scharf ausgeprägte Kapsel um die Zellen. Den Verlauf der 
Fortsätze hat Kölliker nicht feststellen können, er konnte nur wahr- 
nehmen, dass dieselben tangential zur Rückenmarksoberfläche sich erstrecken. 
Kölliker war durchaus nicht geneigt, diese Zellen für einen typischen 
Bestandteil des Rückenmarks zu halten, hauptsächlich, weil sie zu unregel- 
mässig angeordnet sind. Nach ihm werden sie nur in bestimmten Rücken- 
marksgebieten angetroffen, sind jedoch auch hier regellos und in spärlichen 
Mengen angeordnet. Sie ähneln am meisten den Spinalganglienzellen und 
haben offenbar keinerlei Funktion. Kölliker ist der Ansicht, dass hier 
aller Wahrscheinlichkeit nach abgerückte Spinalganglienzellen vorliegen, 
welche atypisch gelegen sind und ihre Funktionsfähigkeit eingebüsst haben. 

Kurze Zeit vor dem Erscheinen der Monographie Köllikers kam die 
unter Schapers Leitung entstandene Arbeit Berliners. Bereits bei 
zwölftägigen Hühnerembryonen treten nach ihm die grossen Kerne vollkommen 
deutlich hervor, ihre Zellen sollen vollkommen an die motorischen Zellen der 
Vorderhörner erinnern, ihnen jedoch an Grösse nachstehen. Sie sind in 
segmentaler Anordnung längs dem ganzen Rückenmark gelegen, oberflächlich 
dorsal vom Ligamentum denticulatum. 

Es folgte dann im Jahre 1902 eine interessante Arbeit von G. Retzius 
(29) über das Rückenmark von Vögeln (Hühnerembryonen, junge Hühner 
und junge Tauben). Angeregt durch die Monographie von Kölliker beschloss 
Retzius vorwiegend nicht die Hofmannschen Kerne, sondern die ober- 
lächlichen Zellen der weissen Substanz, auf die Kölliker aufmerksam 


gemacht hat, zu untersuchen. Retzius fertigte für seine Untersuchungen 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 30 


4536 Anton Nemiloff: 


tangentiale Oberflächenschnitte durch Rückenmarksstücke an und färbte sie 
mit Erythrosin-Toluidin; zum Studium der Fortsätze dieser Zellen behandelte 
er Rückenmarksstücke nach Golgi oder färbte sie mit Methylenblau. 
Retzius gebührt das Verdienst, für das Studium der betreffenden Zellen als 
erster die neueren Forschungsmethoden angewandt, und als erster genaue 
Angaben über den Charakter der Zellen und das Schicksal ihrer Fortsätze 
gemacht zu haben. Nach den Beobachtungen von G. Retzius (1902) ist 
in dem Lendenteil des Rückenmarks der Vögel ausser den Hofmannschen 
Kernen noch ein ganzes System von multipolaren Nervenzellen vorhanden, 
welche mit den Verzweigungen ihrer Dendriten die Oberfläche des Rücken- 
marks umspinnen, und zwar nicht nur in der lateralen Zone, sondern auch 
auf der ganzen ventralen Oberfläche. Retzius hielt es für höchst wahr- 
scheinlich, dass diese Nervenelemente demselben System von Zellen angehören, 
wie die Hofmannschen Kerne. Golgipräparate lehrten, dass die Axone 
sowohl dieser ventralen Zellen als auch der Zellen der Hofmannschen 
Kerne durch die vordere Kommissur hindurchziehen. 

Im Jahre 1903 untersuchte Streeter (35) das Rückenmark von 
Struthio camelus. Er bezeichnet die bereits makroskopisch wahrnehm- 
baren oberflächlichen Zellenlager als Nuclei marginales majores et minores. 
A. Banchi (1903) wies in demselben Jahre bei Emys europaea nach, dass 
die Vorderhirnwurzelzellen sich mit ihren Dendriten an der Bildung des 
oberflächlichen Plexus perimedullaris beteiligen. 

Bei Säugetieren gelang es Dröseke (1903, 7) nur bei Chiropteren 
den Hofmannschen Kernen ähnliche Gebilde zu finden. Dröseke bemerkte, 
dass bei diesen das Seitenhorn die Neigung offenbart, in dorsolateraler 
Richtung Auswüchse durch den Seitenstrang zu bilden. Bei Pteropus 
erreichen diese Auswüchse, welche nicht selten Nervenzellen enthalten, fast 
die Peripherie des Rückenmarks: bei Vesperugo hebt sich, angefangen vom 
unteren Halsteil, ein Gebiet heraus, welches arm an markhaltigen Fasern 
ist, jedoch recht grosse Nervenzellen enthält. Diese eigenartigen peripheren 
Kerne ist Dröseke geneigt den „oberflächlichen Nervenkernen“ der Vögel 
homolog zu setzen und ihnen motorische Funktion zuzusprechen. 

Eine gleiche Ansicht über die Bedeutung „der oberflächlichen Nerven- 
zellen“ sprach auch Sterzi (1904, 34) aus, wobei er sich hauptsächlich auf 
die Befunde bei Reptilien (Schildkröten, Eidechsen und Schlangen) stützt. 

Van Gehuchten und L. Boule (1908, 12) sprechen andererseits die 
Zellen der „oberflächlichen Nervenkerne“ im Rückenmark der Vögel den 
Kommissurenzellen zu. Es gelang ihnen, festzustellen, dass die peripheren 
Zellgruppen einer ununterbrochenen Zellsäule angehören, welche sich im 
Zwischenraum zwischen zwei Wurzeln segmental verdickt. Die zugehörigen 
Neuriten verlaufen durch die vordere Kommissur in den entsprechenden 
Vorderseitenstrang und biegen in diesem in der Richtung nach oben ab. Die 
Axone aller extra- und perimedullären Zellen begeben sich auf die entgegen- 
gesetzte Seite. Sie sollen im ventralen Teil des Seitenstrangs im Gebiet 
der Zona marginalis cerebralwärts verlaufen und teilweise bereits im Rücken- 
mark endigen, teilweise sogar ins Kleinhirn eindringen. 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 457 

Aus der angeführten historischen Übersicht ist es ersichtlich, 
wie wenig bekannt noch die histologische Struktur der weissen 
Substanz des Rückenmarks der höheren Wirbeltiere ist. Bei Vögeln 
ist freilich die Anwesenheit von oberflächlichen Nervenkernen 
erwiesen und allgemein anerkannt, ihre Lage und ihr segmentaler 
Charakter ist bestimmt; jedoch sehr wenig bekannt ist der 
Charakter ihrer Zellen und das Schicksal der Zellenfortsätze. 
Noch weniger aufgeklärt ist in dieser Hinsicht das Rückenmark der 
Säugetiere. Die Arbeiten von Conti, Lenhossck, Sherrington, 
Hoche, Kölliker, Dröseke u. a. haben eigentlich nur die 
Tatsache des Vorhandenseins von oberflächlich gelegenen Zellen 
in der weissen Substanz festgestellt. Unaufgeklärt ist die Frage 
geblieben. ob diese Nervenzellen konstante Elemente sind oder 
ob sie nur ausnahmsweise, gleichsam als zufällige Elemente, an- 
getroffen werden. Noch im Jahre 1906 schreibt Van Gehuchten 
in seinem vortrefflichen Buche: „Anatomie du syst&me nerveux de 
l’homme“, dass Nervenzellen überhaupt sich nicht an der Bildung 
der weissen Substanz beteiligen. Sie können hier bisweilen an- 
getroffen werden, jedoch nur in seltenen Fällen, und stellen hier 
eine zufällige Erscheinung dar (S. 335). 

Fast sämtliche Forscher, welche sich mit dieser Frage 
beschäftigt haben, halten die betreffenden Nervenzellen bei 
Säugetieren für inkonstante und zufällige Elemente der weissen 
Substanz. Hinsichtlich des Charakters dieser Zellen, des Schicksals 
ihrer Fortsätze, ihrer gegenseitigen Beziehungen und Anordnung, 
sowie über die Beziehungen dieser Zellen zu den „oberflächlichen 
Nervenkernen“ des Rückenmarks von Vögeln ist so gut wie nichts 
bekannt. 


II. Untersuchungsobjekte und Untersuchungs- 
verfahren. 


Zum Studium bediente ich mich des Rückenmarks verschiedener Ver- 
treter der höheren Wirbeltiere, und zwar von Affen, Pferden, Katzen, Hunden, 
Kaninchen, Igel. Von Vögeln untersuchte ich vorwiegend das Rückenmark 
vom Kormoran (Phalaerocorax carbo), welche ich durch die Vermittlung der 
Zoologischen Station in Sebastopol erhielt. Ausser dem Kormoran standen 
mir noch einige andere Vögel, wie Enten, Mäusefalken und Tauben, zur Ver- 
fügung. Vorwiegend verwendete ich die Methylenblaufärbung in derselben 
Weise, wie ich sie für Nervenzellen und Nervenfasern früher gebraucht 
hatte. Nach Durchschneiden der Dura mater färbte ich entweder, ohne die 
Arachnoidea und die Pia mater zu entfernen, das Rückenmark in toto, oder 

30* 


438 Anton Nemiloff: 


zerschnitt dasselbe entsprechend der Fissura mediana anterior in zwei Hälften, 
brachte jede derselben in eine Petrischale, feuchtete sie mit einer !/s°/o 
Methylenblaulösung an, liess sie einige Minuten stehen. feuchtete sie nochmals 
mit derselben Lösung an und stellte sie erst darauf im Thermostaten bei 
einer Temperatur von 36°—37° auf. Das Färben bedurfte verschieden langer 
Zeit, je nachdem, ob das oberflächliche Nervengeflecht oder die Nervenzellen 
gefärbt werden sollten. Das Geflecht war gewöhnlich bereits nach 1—1!/s 
Stunden distinkt gefärbt, während die Zellen in der Färbung stark nach- 
blieben oder noch ungefärbt geblieben waren. Zur intensiven Färbung der 
Fortsätze der Nervenzellen bedurfte es längerer Zeit, zwei und sogar drei 
Stunden. Nach Beendigung der Färbung wurde das Rückenmark in der 
gewöhnlichen Weise mit 10°/o molybdänsaurem Ammonium fixiert und darauf 
zwei Stunden in destilliertem Wasser ausgewaschen. Alsdann präparierte ich 
sorgfältig die Pia mater externa mit der Arachnoidea ab, entfernte mit einer 
Schere die graue Substanz und schnitt von Innen, von der grauen Substanz 
aus, die weisse Substanz vorsichtig ab, so dass ich schliesslich nur ein 
dünnes, durchscheinendes, breites Band erhielt, welches nur die weisse Substanz 
enthielt. Diese Operation muss sehr vorsichtig ausgeführt werden, um nicht 
die äussere Schicht der weissen Substanz, welche die mich interessierenden 
Zellen enthält, zu beschädigen oder zu durchschneiden. Ist andererseits das 
Stück nicht genügend von der Innenseite beschnitten und beträchtlich dick, 
so ist es schwer, dasselbe zu entwässern und aufzuhellen, in welchem Falle 
die betreffenden Elemente nicht deutlich sichtbar sind. Die Pia mater intima 
liess ich in der Mehrzahl der Fälle auf dem Rückenmarke, da bei ihrer Ent- 
fernung stets die Gefahr vorliegt die unter ihr gelegenen Nervenelemente 
zu verletzen. Die Anwesenheit dieser Hülle hindert freilich die Untersuchung 
der oberflächlichen Schicht des Rückenmarks, jedoch nicht in hohem Grade. 
Sie ist sehr dünn (dicker ist sie nur beim Pferde) und ist gewöhnlich gar 
nicht gefärbt oder aber es sind in ihr nur die Zellelemente tingiert. Die so 
erhaltenen Bänder der weissen Substanz wurden darauf in absolutem Alkohol 
entwässert und in Xylol aufgehellt. Mir ist es gelungen, Bänder von 8—10 cm 
Länge zu erhalten und dieselben in toto in Xylol bei schwachen Ver- 
grösserungen zu untersuchen. Endgültig in Damarlack schloss ich nur die am 
meisten gelungenen Stellen ein, welche ich aus dem Bande herausschnitt. 
Die Durchsicht des ganzen Bandes ist für die Untersuchung der Nerven- 
elemente unumgänglich notwendig, da nur hiermit die Möglichkeit gegeben 
wird, eine Nervenfaser oder einen Nervenfortsatz auf weite Strecken zu 
verfolgen. 

Bei der Färbung des Rückenmarks der Vögel bestand die Haupt- 
schwierigkeit darin. dass die Gefässe desselben stets von Blut erfüllt sind, 
welches recht rasch 'gerinnt. Diese gefüllten Gefässe haben einen sehr 
ungünstigen Einfluss auf die Färbung. Um diesen zu vermeiden, entblutete 
ich zunächst die Vögel, indem ich ihnen den Kopf abschnitt und durch 
Massieren so viel als möglich Blut auszupressen suchte. Darauf schnitt ich 
das Rückenmark aus und färbte es wie dasjenige der Säugetiere, jedoch bei 
einer etwas höheren Temperatur (bei 38°—39°). In molybdänsaurem Am- 
monium wird das Rückenmark von Vögeln gewöhnlich stark maceriert, was 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 439 


wiederum das Beschneiden desselben erschwert. Es gelang mir, diese 
macerierende Wirkung einigermassen durch Zufügung einiger Tropfen (nicht 
mehr, da sonst ein Niederschlag entsteht) Formalin oder Osmiumsäure zu 
vermeiden. Für eine allgemeine topographische Untersuchung der Anordnung 
der Nervenzellen in der weissen Substanz fixierte ich Rückenmarksstücke in 
Formalin, bettete sie in Celloidin ein, fertigte feine Schnitte und färbte diese 
in Toluidinblau oder in Thionin. Die Schnitte wurden für einige Minuten 
in eine Y/—!/s°/o Farbstofflösung eingelegt, darauf in Wasser abgespült, 
alsdann für 10—15 Minuten in eine 10°/o Lösung von molybdänsaurem Am- 
monium gebracht, abermals in Wasser abgespült, entwässert, in Carbol-Xylol 
aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen. 


III. Eigene Untersuchungen. 


1. Das oberflächliche (subpiale) Nervengeflecht im 
Rückenmark von Säugetieren. 

Die Färbung des Rückenmarks der Säugetiere mit Methylen- 
blau und die Anfertigung von Flächenpräparaten gewährt den 
Vorteil, die oberflächlichsten Schichten genauer untersuchen zu 
können. Auf Präparaten, die nach dem Verfahren von Golgi 
oder Ramon y Cajal behandelt worden sind, ist gerade diese 
Schicht in der Mehrzahl der Fälle durch Silberniederschläge ver- 
deckt. Bei der Fixierung der Präparate mit den gewöhnlichen 
Verfahren, z. B. mit Müllerscher Flüssigkeit, oder dem Gremisch 
von Flemming oder Zenker usw., wird die Struktur nicht 
genügend erhalten, als dass man die feineren morphologischen 
Verhältnisse verfolgen könnte. 

Auf günstig mit Methylenblau gefärbten Flächenpräparaten 
der weissen Substanz des Rückenmarks tritt durch die schwach 
oder gar nicht gefärbte Intima pia äusserst deutlich eine besondere 
Schicht von Nervenfasern und Nervenzellen unmittelbar auf der 
Oberfläche des Rückenmarks hervor. Gewöhnlich ist nicht allein 
diese Schicht gefärbt, sondern auch noch tiefer gelegene Fasern, 
sowie ın einigen Fällen auch die Bindegewebselemente der Intima pia, 
welche bei einigen untersuchten Tieren, z. B. beim Pferde, sich 
durch eine beträchtliche Dicke auszeichnet. An derartigen Präpa- 
raten gelingt eine Orientierung über die Lage der Schichten leicht 
durch vorsichtige Drehung der Mikrometerschraube. Noch besser 
wird die Lage der oberflächlichen Schicht auf Längsschnitten durch 
die weisse Substanz, die in Methylenblau gefärbt war, erkannt. An 
solchen Präparaten kann man sich, falls die Färbung gelungen ist, 


440 Anton Nemiloff: 


davon überzeugen, dass die Fibrillen dieses Geflechtes sowie die 
in ihm enthaltenen Nervenzellen, von denen weiter unten die Rede 
sein wird, auf der Oberfläche des Rückenmarks, unmittelbar unter- 
halb der Intima pia gelegen sind (vgl. Textfig. 1, S. 447). In An- 
betracht der Lage dieser Schicht werde ich sie als subpiale Schicht 
(stratum subpiale) bezeichnen.') 

Wie auf den Fig. 1 und 2, Taf. XVI sichtbar ist, sind in der 
subpialen Schicht des Rückenmarks zahlreiche marklose, teilweise 
stark variköse Fasern verschiedener Dicke vorhanden; zwischen 
ihnen werden auch Fasern mit deutlicher Markscheide 
angetroffen, jedoch in verhältnismässig geringer Zahl. 

Durch die Mikrometerschraube lässt es sich leicht feststellen, 
dass das Geflecht eine gewisse, wenn auch unbedeutende Dicke 
aufweist, so dass die dasselbe zusammensetzenden Fasern nicht 
in einem Niveau liegen. 

Im Unterschiede von den Fasern der weissen Substanz, 
welche grösstenteils das Rückenmark der Länge nach durchziehen, 
verlaufen die Fasern des subpialen Lagers in verschiedenen 
Richtungen, wobei sie sich durchflechten und nach verschiedenen 
Seiten verzweigen. Da die miteinander verflochtenen Fasern an 
einigen Stellen dichter, an anderen lockerer angeordnet sind, 
wird der Eindruck eines Netzes oder Geflechtes mit verschieden 
grossen und bisweilen unregelmässigen Maschen erhalten (Fig. 1, 
Taf. XVD). Dem Aussehen nach erinnert dasselbe an den Plexus 
myentericus niederer Wirbeltiere. wie z. B. vom Frosch, ist jedoch 
enger und faserreicher. Die beste Vorstellung von dem Charakter 
des subepithelialen Geflechtes geben die beigefügten Zeichnungen 
(Fig. 1 und 2, Taf. XVI). Bei einer vollständigen und intensiven 
Färbung des Präparates erscheint das subpiale Geflecht dermassen 
dicht, dass unter der grossen Zahl von Fasern eine derselben zu 
verfolgen bisweilen äusserst schwierig ist. Der grösste Teil der 
Fasern ist marklos und stark varıkös. Die Dicke der Fasern 


'!) Einen Hinweis auf derartige subpiale Abschnitte grauer Substanz 
im Rückenmark von Säugetieren findet man bereits in sehr alten Arbeiten, 
z.B. bei Monro in dessen Abhandlung: „Observations on the Structure and 
Functions of the Nervensystem“ (1783) und bei Burdach in seiner Arbeit: 
„Vom Bau und Leben des Gehirns“ (1819). Interessant ist die Angabe von 
Burdach, dass diese grauen Abschnitte nur im oberen Teil des Rücken- 
marks angetroffen werden und dass infolgedessen das Rückenmark in diesem 
Gebiet allmählich Ähnlichkeit mit dem Gehirn erhält. 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 441 


ist sehr verschieden, da neben sehr dicken Fasern auch dünne 
und ferner sehr feine Fäserchen, wie sie in der grauen Substanz 
dem sogenannten „nervösen Grau“ oder „Füllgewebe“ das charak- 
teristische Aussehen verleihen, angetroffen werden. Diese feinsten 
Fäserchen, die möglicherweise nur aus einigen Neurofibrillen 
bestehen, winden sich überall zwischen den stärkeren marklosen 
Fasern. Ihren Nervencharakter beweisen sie durch ihren Zu- 
sammenhang mit dickeren marklosen Fasern, von denen sie sich 
als Seiten- oder Endäste abzweigen. 

Ihrem Charakter nach erinnern die Fasern des Plexus sub- 
pialis an das Fasergeflecht der grauen Substanz zwischen den 
Nervenzellen. Die Ähnlichkeit mit der grauen Substanz wird 
noch dadurch erhöht, dass die Grundlage dieses (Geflechtes die 
Glia darstellt, welche, wie bekannt, unterhalb der Pia mater eine 
dichtere Schicht, die sogenannte „subpiale Glia“, bildet. 

Bei der Ungewissheit, ob sämtliche Nervenelemente gefärbt 
sind, ist es schwer, genau die Herkunft aller marklosen Fasern 
des subpialen Geflechtes festzustellen. Ich habe indessen unzweifel- 
haft feststellen können, dass ein grosser Teil derselben von den 
Dendriten der im Geflecht eingeschlossenen Zellen, von denen 
weiter unten die Rede sein wird, abstammt. Besonders leicht 
ist dies bei jungen Tieren zu erkennen, wie es Fig. 3 der Taf. XV] 
zeigt. Es gelingt dies jedoch auch bei erwachsenen Tieren. 

Auf einigen Präparaten habe ich Andeutungen dafür gefunden, 
dass sich diesem Geflechte auch feine, von den hinteren Wurzeln 
abgehende Fasern hinzugesellen. Diese Beobachtung bedarf jedoch 
noch einer Bestätigung und da mir die genügende Anzahl von 
Präparaten, auf welchen dieses Verhalten zweifellos festgestellt 
werden könnte, fehlt, so will ich diese Behauptung nicht als 
absolut sicher hinstellen, obgleich ich sie für höchst wahrschein- 
lich halte. 

Es lässt sich ferner feststellen, dass einige Fasern sich vom 
Geflechte absondern und in die weisse Substanz bald in Gestalt 
von marklosen Ästchen, bald in Gestalt von Fasern, die sich 
mit einer Markscheide bekleidet haben, verlaufen. Eine derartige 
Faser zieht gewöhnlich entweder direkt in die tieferen Abschnitte 
der weissen Substanz ein oder zunächst eine Strecke längs eines 
Bündels und biegt erst dann fast rechtwinklig in die weisse 
Substanz um, wo sie sich der weiteren Beobachtung entzieht. 


442 Anton Nemiloff: 


Durch diese Fasern erfolgt somit ein inniger Zusammenhang 
zwischen der weissen Substanz und dem subpialen Geflecht. Diese 
in die tieferen Schichten der weissen Substanz ziehenden Fasern 
sind, wie ich es habe feststellen können, grösstenteils Neuriten 
der in dem subpialen Geflechte eingelagerten Nervenzellen. 

Mir ist es nicht gelungen, festzustellen, ob ein Zusammen- 
hang des subpialen (Geflechtes mit der Intima pia vorhanden 
ist, d.h. ob aus ıhm Fasern in diese Hülle eindringen, da bei 
der Methylenblaufärbung negative Resultate nicht berücksichtigt 
werden können. Augenscheinlich ist jedoch ein derartiger Zu- 
sammenhang nicht vorhanden. Bei einer vorsichtigen Ablösung 
der Intima pia bleibt wenigstens das subpiale Geflecht unverletzt; 
ausserdem ist es mir, ungeachtet dessen, dass ich das Rückenmark 
verschiedener Tiere in bedeutender Anzahl untersucht habe und 
häufig eine sehr intensive Färbung des subpialen Geflechtes erhielt, 
keinmal gelungen, Nervenstämmchen oder einzelne Fasern zu sehen, 
welche in die Intima pia eindrangen. 

Das subpiale Geflecht ist auf der Oberfläche des Rücken- 
marks über dem lateralen und dem ventralen Strange gelegen. 
Es fehlt augenscheinlich im Gebiet der Fissura mediana anterior; 
desgleichen habe ich dasselbe nicht auf dem dorsalen Bündel 
gesehen. Es ist jedoch, wie bemerkt, im Auge zu behalten, dass 
negative Resultate bei Untersuchung des Nervensystems mit Hilfe 
der Methylenblaufärbung wenig Bedeutung haben. Am dichtesten 
und am besten ausgebildet ist das subpiale Geflecht über dem 
lateralen Strange, wobei es sich fast längs des ganzen Rücken- 
marks erstreckt. 

Es ist nicht leicht, die obere und die untere Grenze des 
Plexus subpialis festzusetzen. Abwärts schwindet er augenschein- 
lich allmählich zum Filum terminale hin, wenigstens habe ich ihn 
weder im unteren Teil der Lumbalanschwellung, noch auf dem 
Filum terminale vermittels der Methylenblaufärbung nachweisen 
können; doch gerade diese Rückenmarksabschnitte färben sich bei 
Anwendung des Methylenblaues am schlechtesten und erscheinen 
gewöhnlich diffus blau. 

Nicht minder schwierig ist die Bestimmung der oberen 
(Grenze des Plexus subpialis, weil die Behandlung mit molybdän- 
saurem Ammoniak die oberen Teile des Rückenmarks und das 
anstossende Gebiet der Medulla oblongata zu sehr lockert. Auf 


Über die peripherische Schieht von Nervenzellen ete. 4453 


frisch gefärbten, jedoch unfixierten Präparaten, sowie auf solchen, 
an denen das Wegschneiden eines Teils der Hirnsubstanz gelungen 
war, habe ich mich jedoch überzeugen können, dass wenigstens 
an der Übergangsstelle des Rückenmarks in das verlängerte Mark 
der Plexus subpialis vorhanden ist. Ob derselbe auch auf das 
verlängerte Mark sich weiter fortsetzt, habe ich noch nicht 
bestimmen können, bin jedoch zurzeit damit beschäftigt, diese 
Frage zu lösen. 

Das Bild des Plexus subpialis wechselt mit dem Alter des 
Tieres. Bei sehr jungen Tieren, z. B. bei einer neugeborenen 
oder 1—2 Tage alten Katze, sind die Maschen des Plexus sub- 
pialis (Fig. 3, Taf. XVI) enger, die Bündel sehr dünn, während die 
Anzahl der Zellen im Vergleich zur Gresamtzahl der Fasern eine 
beträchtlichere ist. Mit dem Alter nimmt die Oberfläche des 
Rückenmarks beträchtlich zu, die Zahl der Zellen nimmt jedoch 
augenscheinlich nicht zu, infolgedessen sie in weiteren Abständen 
voneinander zu liegen kommen. Entsprechend der Grössenzunahme 
der Rückenmarksoberfläche bei erwachsenen Tieren wächst der 
Plexus aus, die Nervenfaserbündel nehmen an Mächtigkeit zu, 
die Maschen werden weiter und die Zahl der Nervenfasern ist 
beträchtlich grösser als bei jungen Tieren. Infolge der Anordnung 
der Zellen in weiterer Entfernung voneinander, infolge einer 
beträchtlicheren Ausbildung der Fasern. treten dann diese bei 
erwachsenen Tieren mehr hervor als die Nervenzellen. Der Plexus 
eines jungen Tieres kann somit ohne besondere Schwierigkeit von 
dem Plexus des erwachsenen unterschieden werden. 

Bei jedem Tiere weist der Plexus besondere charakteristische 
Eigentümlichkeiten auf. Nach dem Studium einer grossen Anzahl 
von Präparaten lernt man fehlerlos unter dem Mikroskop Stücke 
der weissen Substanz vom Rückenmark des Pferdes von solchen 
der Katze, des Hundes, des Affen, Kaninchens usw. unterscheiden. 
Kurz, auch hier, wie ja in jedem Organ und (Gewebe offenbart 
jedes Genus und jede Art gewisse mikroskopische strukturelle 
Eigenheiten, welche sich jedoch schwer in Worte fassen lassen. 
Das Auge erfasst auch derartige kaum merkbare Kennzeichen, 
wie unbedeutende Grössenschwankungen oder in dem wechsel- 
seitigen Verhältnis einzelner Teile oder im Entwicklungsgrade 
eines Strukturdetails, welche einer Beschreibung vollkommen 
unzugänglich sind. Im allgemeinen kann jedoch angegeben werden, 


444 Anton Nemiloff: 


dass beim Pferd, Hund und bei der Katze das Geflecht schärfer 
ausgebildet ist, als bei Kaninchen und Igeln. Im Rückenmark 
des Pferdes ist es dichter als bei der Katze und beim Hunde; 
die Bündel des Geflechtes selber sind dicker. Der Plexus subpialis 
des Hundes ist, soweit ich sehe, zarter als derjenige der Katze; 
bei der letzteren sind die marklosen Fasern dicker und gröber. 
Bei Affen ist der Plexus lockerer als bei der Katze, wobei die 
Maschen grösser, die Stämmchen feiner sind. 

Meine Bemühungen, den Plexus subpialis mit Hilfe anderer 
Verfahren zu erhalten, waren grösstenteils erfolglos. Auf Rücken- 
markspräparaten, die in gewöhnlicher Weise in Müllerscher 
Flüssigkeit, in Zenkerschem oder Flemmings Gemisch, in 
Sublimat. Formalin u. a. fixiert, in Hämatoxylin und Eosin, oder 
mit Toluidinblau, oder Thionin, oder nach Unna oder nach 
Mallory gefärbt worden waren, sind keine Spuren dieses 
Geflechtes zu erkennen; im besten Falle sind nur einzelne vom 
Schnitt getroffene Zellen sichtbar. Ebenso misslangen meine 
Versuche einer Imprägnation des Plexus nach volgi. An der 
Stelle desselben erhält man nur einen reichlichen Silbernieder- 
schlag. Etwas bessere Resultate erhielt ich mit dem Verfahren 
von Ramon y Cajal. Auf dünnen tangentialen Oberflächen- 
schnitten durch die weisse Substanz des Rückenmarks vom Pferde 
habe ich gut imprägnierte Nervenzellen des subpialen Geflechtes 
und in ihrer Nähe eine verhältnismässig geringe Zahl feiner, 
augenscheinlich markloser Fasern, welche ihrer Lage nach dem 
oben beschriebenen Geflecht entsprachen, gesehen. Derartige 
Präparate können jedoch unmöglich eine richtige Vorstellung 
von dem Charakter des Plexus subpialis geben, ein deutliches 
Bild lässt sich nur durch die Methylenblaufärbung erhalten. 

Bei niederen Tieren sind bei Amphibien von Lawdowsky 
(1891, 22), Cl. Sala (1892, 32), Van Gehuchten (1898, 11), 
bei Reptilien von Ramon y Cajal (1891, 27) und Banchi 
(1903, 1), bei Ammocoetes von D. Tretjakoff (1910, 36) 
im Rückenmark besondere perimedulläre (oberflächliche) Geflechte 
beschrieben worden, welche von Dendriten der Zellen der grauen 
Substanz gebildet werden. Dieses perimedulläie Geflecht hat 
nichts gemein mit den oben beschriebenen Fasern der subpialen 
Schicht. Van Gehuchten (11) fand, dass das perimedulläre 
Geflecht des Rückenmarks von Amphibien von den Verzweigungen 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 445 


der Dendriten und Nervenfortsätze der Zellen der grauen Sub- 
stanz gebildet wird, wobei sich zu diesen noch ein Teil der 
äusseren Kollateralen der Fasern der weissen Substanz zugesellt. 
Nach der Beschreibung von Banchi wird das perimedulläre 
Geflecht von den Dendriten der Vorderhirnwurzelzellen und der 
Kommissurenzellen, welche die weisse Substanz durchziehen und 
auf der Oberfläche zu einer dichten Fasermasse sich verflechten, 
gebildet. Tretjakoff lässt es von Dendriten der Zellen der 
grauen Substanz gebildet sein, doch sollen in seinen Bestand 
auch Fasern der dorsalen Wurzeln eingehen, welche in diesem 
oberflächlichen Geflechte sonach mit den Verzweigungen der 
motorischen und Schaltzellen in Verbindung treten könnten. 

An der Bildung des subpialen Geflechtes nehmen meinen 
Erfahrungen nach die Dendriten der Zellen der grauen Substanz 
keinen Teil. Im Rückenmark junger Katzen war es mir gelungen, 
eine recht distinkte Färbung der Verzweigungen derjenigen 
Dendriten zu erhalten, welche radiär durch die weisse Substanz 
ziehen und fast die Oberfläche erreichen. Diese Dendriten- 
verzweigungen bilden jedoch im Rückenmark von Säugetieren 
nie ein derartiges dichtes Geflecht wie bei niederen Wirbeltieren 
und endigen stets, soviel ich habe wahrnehmen können, unter- 
halb des subpialen Geflechtes. Bei jungen Katzen tritt es evident 
hervor, dass das subpiale Geflecht hauptsächlich vollkommen 
unabhängig ist von Dendriten, die aus der weissen Substanz 
hervortreten. Es ist mir nicht gelungen, mit Sicherheit fest- 
zustellen, ob sich zu diesem Geflecht auch äussere Kollateralen 
der Fasern der weissen Substanz (Athias, Sala) zugesellen und 
ob ein Kontakt der Fasern und Zellen des subpialen Geflechtes mit 
den die weisse Substanz durchziehenden Dendritenverzweigungen 
der Zellen der grauen Substanz erfolgt. 

Aus Mangel an Zeit habe ich bisher das subpiale Geflecht 
bei anderen Säugetieren noch nicht untersuchen können. Bei 
Vögeln ist unbedingt ein gleiches Geflecht derselben Herkunft 
wie bei Säugetieren vorhanden. Reptilien und Amphibien habe 
ich bisher nicht untersucht. Bei Selachiern jedoch und zwar an 
Rochen gelang es mir auf der Oberfläche des Rückenmarks Fasern 
zu färben, die mit oberflächlich in demselben verstreuten Nerven- 
zellen in Verbindung standen. Ihrem Charakter und ihrer Lage 
nach erinnerten sie an das subpiale Geflecht der Säugetiere. 


446 Anton Nemiloff: 


Mangel an Material und Mangel an Zeit gestatteten es mir leider 
nicht, das Rückenmark der Selachier näher zu untersuchen und 
die sich hier aufdrängende Homologie schärfer zu präzisieren. 
Ich habe die Absicht, in nächster Zeit eine Untersuchung des 
Rückenmarks von Selachiern und Knochenfischen vorzunehmen. 
Sollte es sich bei diesen Untersuchungen herausstellen, dass tat- 
sächlich ein Plexus subpialis vorhanden ist, wie bei den höheren 
Wirbeltieren, so könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass 
derselbe eine spätere Bildung ist als der Plexus perimedullaris, 
welcher bereits bei Ammocoetes vorhanden ist und dass die 
Erwerbung des Stratum subpiale vielleicht mit der Extremitäten- 
bildung zusammenhängt und mit den dadurch veränderten Be- 
dingungen der allgemeinen Koordination der Körperbewegungen. 
Äusserst wichtig wäre es auch, vermittels der Methylenblau- 
methode das Rückenmark von Amphibien und Reptilien auf 
Totalpräparaten zu untersuchen; es ist leicht möglich, dass auch 
hier über dem von den Autoren beschriebenen Plexus perime- 
dullaris ein anderes Geflecht wird gefunden werden, welches dem 
Plexus subpialis der höheren Wirbeltiere entspricht und haupt- 
sächlich von Dendriten oberflächlicher Zellen gebildet wird. Wie 
sich auch die vergleichend-anatomischen Beziehungen des Plexus 
subpialis nach sorgfältigeren Untersuchungen erweisen mögen, 
der scharfe Unterschied desselben von den in der Literatur 
beschriebenen Plexus perimedullaris unterliegt meiner Meinung 
nach keinem Zweifel. 


9. Diein dem Stratum subpiale eingelagerten 
Nervenzellen. 


Gewöhnlich gelingt es nicht, die Nervenzellen des Plexus 
subpiale ohne Anwendung spezifischer Färbungsmethoden dar- 
zustellen. Auf Schnitten durchs Rückenmark, welche in Müller- 
scher Flüssigkeit oder in Formalin fixiert und in Hämatoxylin, 
Eosin oder anderen nicht spezifischen Farbstoffen gefärbt worden 
sind, können diese Zellen kaum ausfindig gemacht werden, der- 
massen sind sie zwischen der Intima pia und den oberflächlichen 
Fasern der weissen Substanz zusammengedrängt. Auf derartigen 
Schnitten fallen nur die tiefer in der weissen Substanz gelegenen 
Nervenzellen auf, welche bei Säugetieren bereits früher beschrieben 
worden sind und keine direkte Beziehung zu den uns hier inter- 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 447 


essierenden Zellen haben. Auf Golgi-Präparaten werden in einigen 
Fällen nur die tiefer gelegenen Zellen imprägniert, während die 
subpialen Zellen gewöhnlich von Silberniederschlägen verdeckt 
sind. An Präparaten nach Ramön y Cajal werden diese Zellen 
bisweilen recht gut imprägniert, dieselben geben jedoch keine 
genügende Vorstellung von dem Charakter dieser Nervenzellen. 
Gut wahrnehmbar sind sie nur nach einer Färbung mit Methylen- 
blau auf Flächenpräparaten. welche nach der oben angeführten 


u’ 


N 


psb a 4 
EM 
\ 
Wi 


5 
f s 


ff / 


Fig. 1. 
Lage einer subpialen Zelle. spn — Nervenzelle des subpialen Geflechtes; 
ip — Intima pia; psb — Fasern des Plexus subpialis; fs — Fasern der weissen 
Substanz. Vertikaler Längsschnitt (Paraffin) durch die weisse Substanz des 
Rückenmarks vom Pferde. Metbylenblau. Zeiss’ Obj. 4.0 mm, Ok. 2. 


Weise hergestellt sind. Relativ selten gelingt es gleichzeitig die 
Nervenzellen und das Fasergeflecht gut gefärbt zu erhalten. In 
der Mehrzahl der Fälle sind bei einer distinkten Färbung des 


448 Anton Nemiloft: 


subpialen Geflechtes die Zellen kaum gut wahrnehmbar, indem 
die Zellfortsätze ungefärbt bleiben. Sind dagegen die Zellfortsätze 
tingiert, so ist das subpiale Geflecht gewöhnlich nicht genügend 
gefärbt, welcher Umstand jedoch in gewissem Sinne für eine 
Untersuchung günstig ist, da er es ermöglicht, die Fortsätze der 
Zellen genauer zu verfolgen. 

Die subpialen Zellen sind in das oben beschriebene Geflecht 
eingelagert, d. h. sie liegen auf der äussersten Oberfläche der 
weissen Substanz des Rückenmarks unmittelbar unterhalb der 
Intima pia, wie es deutlich Schnitte dartun. Im Gegensatz zu 
den von Conti (6), Lenhossek (23—25), Sherrington (31), 
Hoche (14—16) u. a. beschriebenen Zellen liegen die Zellen des 
subpialen Getlechtes nicht in verschiedenen Tiefen des Rücken- 
marks, sondern stets an der Grenze der Intima pia und der 
weissen Substanz. Besonders leicht können die Nervenzellen bei 
jungen Tieren kenntlich gemacht werden. Fig. 3, Taf. XVI, stellt 
das Flächenpräparat eines Rückenmarkstückes eines jungen Kätz- 
chens dar. Hier ist deutlich zu erkennen, dass oberhalb der 
Fasern der weissen Substanz, die blasser gezeichnet sind, um 
ihre tiefere Lage anzudeuten, eine Schicht von Nervenzellen liegt, 
die mit ihren Fortsätzen das oben beschriebene subpiale (seflecht 
bilden. Die Zellen sind nahe beieinander gelagert, was, wie oben 
berichtet wurde, für junge Tiere charakteristisch ist. Der Zell- 
körper weist eine mannigfaltige Form auf, ist bald mehr rundlich, 
bald mehr oval, bald vieleckig. Von der Zelle entspringen stets 
mehrere (3—7 und mehr) Fortsätze, von denen einer den Nerven- 
fortsatz darstellt, die anderen den Charakter von Dendriten auf- 
weisen. Das Protoplasma ist meistens leicht granuliert, enthält 
weder Nisslsche Körperchen noch Lipochromeinschlüsse. Die 
Nervennatur der Zellen wird hauptsächlich durch das Schicksal 
ihrer Fortsätze offenkundig. In der Gesamtausdehnung des 
Rückenmarks junger Tiere sind diese Zellen recht gleichmässig 
angeordnet; mir ist es nicht gelungen, festzustellen, dass irgend 
ein Abschnitt des Rückenmarks sich durch besonderen Reichtum 
dieser Zellen auszeichnet. Ich habe den dorsalen, lateralen und 
ventralen Strang isoliert untersucht und habe wahrnehmen können, 
dass die Zellen besonders dicht über dem Seitenstrange angeordnet 
sind; in geringerer Zahl werden sie über dem ventralen Strang, 
besonders neben der Fissura mediana anterior, angetroffen. An 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 449 


den Wänden dieser letzteren habe ich überhaupt keine Zellen 
färben können: ebenso fand ich keine über dem Dorsalstrange. 

Meine besondere Aufmerksamkeit hatte ich auf den Nachweis 
einer Metamerie in der Anordnung dieser Zellen gerichtet, nirgends 
habe ich jedoch eine Spur irgendwelcher segmentalen Anordnung 
derselben wahrgenommen. Sowohl im Bereich der Abgangsstelle 
der Wurzeln als auch in den Zwischenräumen zwischen denselben 
war die Menge und die Anordnungsdichte dieser Zellen stets 
ungefähr die gleiche. 

Bei erwachsenen Tieren (Fig. 4, Taf. XVII) werden die Nerven- 
zellen viel schlechter gefärbt. Gewöhnlich ist nur der Zellkörper 
gefärbt, während die Fortsätze vollkommen ungefärbt bleiben 
oder nur auf kurze Strecken wahrnehmbar sind. Indessen können 
unter einer beträchtlichen Zahl von Präparaten in der grossen 
Menge von Zellen auch solche gefunden werden, deren Fortsätze 
sich in befriedigendem Maße gefärbt haben und auf weite Strecken 
von der Zelle verfolgt werden können. Es lässt sich dann erkennen, 
dass bei erwachsenen Tieren die Nervenzellen nicht so gleich- 
mässig angeordnet sind wie bei jungen. Stellenweise liegen die 
Zellen recht nahe beieinander, wobei sie Anhäufungen von läng- 
licher Form bilden, in Gestalt von Zellsäulen; an anderen Stellen, 
besonders zwischen derartigen Längssäulen, sind sie lockerer 
angeordnet. Bei der Methylenblaufärbung kann jedoch niemals 
mit Sicherheit behauptet werden, dass sämtliche Zellen tingiert sind. 

Auf einem Stücke, welches dem (makroskopischen) Aussehen 
nach überall mehr oder weniger gleichmässig gefärbt ist, wurden 
bei schwachen Vergrösserungen (Obj. Zeiss’ Apochr. 16,0 mm, 
Ok. 2) an den einen Stellen 15—20 und mehr, an den anderen 
nur einzelne Zellen gezählt. Diese Zusammenhäufung der Zell- 
elemente an einigen Stellen, diese Neigung zu einer Gruppierung 
in Längsstränge oder Bänder, zeigt jedoch keine Gesetzmässigkeit. 
Auch im Rückenmark erwachsener Tiere ist keine Spur einer 
metameren Anordnung der subpialen Zellen zu erkennen. 

Wie bei jungen Tieren so ist auch bei erwachsenen die 
subpiale Zellschicht insbesondere über dem lateralen und dem 
ventralen Strange der weissen Substanz gelegen, wobei, so viel 
ich habe wahrnehmen können, die subpiale Schicht über dem 
lateralen Strange reicher an Nervenzellen ist als über dem ven- 
tralen. 


450 Amitom Niemmlorbt: 


Ihrer Grösse nach entsprechen die subpialen Zellen erwach- 
sener Tiere in einigen Fällen den Vorderhirnzellen, in anderen 
Fällen sind sie kleiner und kommen an Grösse den Strangzellen 
gleich. Niemals habe ich in der subpialen Schicht uni- oder 
bipolare Zellen gesehen. Sämtliche Zellen, die ich gesehen habe, 
waren multipolar. Der Form nach variiert der Zellkörper wie 
bei jungen Tieren. Im Protoplasma der Zellen erwachsener Tiere 
färben sich bisweilen deutlich NissIsche Körperchen; auch habe 
ich braune Lipochromeinschlüsse walırnehmen können. Das Ver- 
halten der Fortsätze dieser Zellen (siehe unten) weist desgleichen 
deutlich auf eine Nervennatur derselben hin. 

Wie aus der oben angeführten Literatur ersichtlich ist, so hält 
die Mehrzahl der Forscher, welche Nervenzellen der weissen Substanz 
beschrieben hat, dieselben für inkonstante Gebilde, und nimmt ihre 
Anwesenheit in der weissen Substanz für eine zufällige an. Kölliker 
(19)nahm sogar an, dass diese Zellen ihıre Funktion eingebüsst hätten. 

Soweit ich habe wahrnehmen können, muss ein scharfer Unter- 
schied gemacht werden zwischen den Zellen der subpialen Schicht und 
den Zellen, welche in den tieferen Schichten der weissen Substanz 
angetroffen werden. Letztere sind sowohl auf Flächenpräparaten 
als auch besonders auf Schnitten durch fixierte Rückenmarksstücke, 
die in Toluidinblau oder Thionin gefärbt sind, gut sichtbar. 

Sie sind in verschiedenen Tiefen der weissen Substanz ver- 
streut, bald näher bald weiter von der grauen Substanz gelegen, 
weisen mehrere Fortsätze auf und erinnern ihrem allgemeinen 
Aussehen nach besonders an Kommissurenzellen. Die Zahl dieser 
Zellen ist jedoch im Verhältnis zur Zahl der subpialen Zellen 
gering und ausserdem sind sie, soweit ich habe feststellen können, 
tatsächlich inkonstante Gebilde. In einigen Fällen sind sie zahl- 
reicher, in anderen in geringer Anzahl vorhanden; auf Schnitten 
durch ganze Rückenmarksstücke wird zuweilen keine einzige Zelle 
gefunden, während in anderen Stücken fast in jedem Schnitt 
mehrere Zellen sichtbar sind. Diese Tatsachen, sowie ihre un- 
bestimmte Lage in der weissen Substanz erwecken den Gedanken, 
dass es sich in diesen Fällen um eine atypische Dislozierung 
von Nervenzellen handelt, deren Entstehung nur ein detailliertes 
Studium der Histogenese des Rückenmarks und besonders der 
Bildung der weissen Substanz klarstellen kann. Bei den grossen 
Anforderungen, welche nach der Geburt an die Leitungsbahnen 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 451 


gestellt werden. spielen sich wahrscheinlich in den Nervenfaser- 
bündeln recht lebhafte Wachstumsprozesse ab, wobei möglicher- 
weise einzelne Zellen der grauen Substanz den Zusammenhang 
mit letzterer verlieren und sich in gleichsam „verirrte Zellen“ 
verwandeln. Hier liegen ungefähr ähnliche Verhältnisse vor, wie 
bisweilen in den Spinalganglien. Die Zellen der Spinalganglien 
treten gleichsam aus dem Bestand der Ganglien aus und werden 
in verschiedener, bisweilen in beträchtlicher, Entfernung von den- 
selben in Gestalt von einzelnen Elementen oder zu einzelnen 
(Gruppen angeordnet zwischen den Nervenfaserbündeln eingeschlossen 
gefunden. Sie werden desgleichen bald in grösserer, bald in ge- 
ringerer Zahl angetroffen und stellen keine konstante Erscheinung 
dar, auch können sie bisweilen vollkommen fehlen. Ich sehe nur 
keinen Grund, diesen Zellen, wie Kölliker es tut, eine Funktion 
abzusprechen. Morphologisch unterscheiden sie sich durchaus nicht 
von den Zellen der grauen Substanz; irgendwelche morphologische 
Kennzeichen eines Niederganges ihrer funktionellen Tätigkeit sind 
nicht zu erkennen. 

Im Unterschiede von den Zellen der weissen Substanz weisen 
die Zellen der subpialen Schicht stets eine bestimmte Lagerung 
auf und stellen vollkommen konstante morphologische Gebilde dar. 

Ich habe das Rückenmark verschiedener Tiere an vielen 
Präparaten untersucht (siehe das Kapitel „Untersuchungsobjekt“) 
und habe stets, sobald nur die Färbung einigermassen gelungen 
war, diese Zellen in der subpialen Schicht gefunden. Ausser den 
Präparaten, welche ich für eine detaillierte Untersuchung anfertigte, 
habe ich noch eine grosse Anzahl von Rückenmarksstücken, welche 
mit Methylenblau speziell zu dem Zweck gefärbt waren, um mich 
von dem Vorhandensein dieser Zellen zu überzeugen, durchgesehen. 
Ich fand dieselben stets mit einer auffälligen Beständigkeit. Bei 
Berücksichtigung ausserdem der durchaus bestimmten Beziehungen 
der Fortsätze dieser Zellen halte ich es für vollkommen zulässig, 
diese subpiale Zellschicht für einen konstanten Bestandteil des 
kückenmarks der Säugetiere anzuerkennen. 


3. Das Verhalten der Nervenzellen zum subpialen 
Geflecht. 


Auf gut gefärbten Methylenblaupräparaten vom Rückenmark 


junger Tiere (Fig. 3, Taf. XV]J) ist es leicht zu erkennen, dass die 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt I. 31 


452 Anton Nemiloff: 


von der Zelle in der Zahl von 5—7 abgehenden Dendriten nach 
verschiedenen Richtungen verlaufen, wobei sie eine gewisse Strecke 
unverzweigt durchziehen. In einiger, bisweilen beträchtlicher 
Entfernung von der Zelle werden die Dendriten variıkös und 
beginnen sich zu verzweigen. Die Äste der Dendriten erstrecken 
sich zum nächsten Stämmchen des subpialen (Geflechtes, treten 
in dasselbe ein und verlaufen in demselben weiter, wobei sie 
fortfahren sich in gewissen Abständen gabelförmig zu teilen. Da 
die Stämmchen des subpialen Geflechtes bei jungen Tieren sehr 
dünn sind, so gelingt es bisweilen die Dendriten auf beträchtliche 
Strecken zu verfolgen. In dem Stämmchen verläuft der Dendrit 
gewöhnlich nicht in Gestalt einer geraden Faser, sondern windet 
sich stark, indem er bald mehr oberflächlich, bald mehr in der 
Tiefe gelagert ist. Schliesslich reisst er entweder plötzlich ab 
(walırscheinlich infolge einer Durchreissung der Faser bei der 
Präparation) oder verflicht sich dermassen mit anderen Dendriten, 
dass er als selbständige Faser nicht weiter verfolgt werden kann. 

Auch auf einigen Präparaten von erwachsenen Tieren habe 
ich dasselbe Verhalten wahrnehmen können. Jedoch gelingt es 
nur auf unvollkommen gefärbten Präparaten bisweilen einen 
Dendriten recht weit zu verfolgen, wobei man ihn sich mannig- 
fach winden und dabei verzweigen sieht unter mehrfacher Änderung 
seiner Verlaufsrichtung. Das ganze System der Dendriten und 
der Verzweigungen einer Zelle stellt somit eine beträchtlich 
grosse Einheit dar, welche jedoch nicht auffällt, da sämtliche 
Verzweigungen innerhalb der Bündel des Geflechtes verlaufen. 
Infolge dieser grossen Ausdehnung erlangt jede Zelle die Mög- 
lichkeit, selbst mit weit von ihr entfernten Nervenelementen der 
subpialen Schicht in Connex zu treten. 

Von jeder subpialen Zelle entspringt ein Nervenfortsatz 
(siehe Textfig. 2), der sich in seinem Verhalten scharf von den 
Dendriten unterscheidet. Er entspringt von der Zelle als nakter 
Achsenzylinder, gibt keine Kollateralen ab und erhält früher oder 
später eine Markscheide. Gewöhnlich verläuft er von der Zelle 
auer zur Verlaufsrichtung der Stränge der weissen Substanz, 
seltener denselben parallel. Bisweilen verläuft er nicht gerade, 
sondern windet sich bogenförmig. Nachdem er eine Markscheide 
erhalten, biegt er entweder sofort gerade in die weisse Substanz 
um, und zieht in radiärer Richtung in die Tiefe derselben, oder 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 453 


Fig. 2. 
Nervenfortsatz einer subpialen Nervenzelle aus dem Rückenmark der Katze. 
spn. — subpiale Nervenzelle; pz — unvollkommen gefärbtes pericelluläres 


Netz; fs — tiefer gelegene Fasern der weissen Substanz; ax — Ursprung 
des Nervenfortsatzes; zee — Rißstelle des Fortsatzes (der Riss erfolgte 
während des Abzeichnens des Präparates infolge eines zufälligen Druckes 
mit dem Objektiv); axı — die Stelle, auf welcher der Nervenfortsatz sich 
unter die subpiale Schicht herabsenkt; axg — Stelle, an welcher der Nerven- 
fortsatz bereits von einer Markscheide umgeben mit den Fasern der weissen 
Substanz verläuft; psb — Fasern des Plexus subpialis. Flächenpräparat. 
Methylenblau, Zeiss’ Obj. 4,0 mm; Ok. 2. 
ale 


454 Anton Nemiloff: 


aber er senkt sich zunächst unter die subpiale Schicht hinab, 
tritt in den Bestand des entsprechenden Stranges der weissen 
Substanz ein, verläuft hier eine (gewöhnlich) sehr kurze Strecke 
kaudal- oder cerebralwärts und biegt alsdann gerade, fast unter 
rechtem Winkel in die weisse Substanz und entzieht sich in der 
Tiefe derselben der Beobachtung. Verhältnismässig seltener ver- 
läuft der Achsenzylinder, nachdem er eine Markscheide erhalten, 
in dem entsprechenden Strang caudal- oder cranialwärts, ohne 
Tendenz, sich tiefer in die weisse Substanz zu erstrecken. Der- 
artige Nervenfortsätze können gewöhnlich leicht daran erkannt 
werden, dass ihre Markscheide dünner und sozusagen inkonstant 
ist, da sie die Neigung aufweist, zu schwinden. Stellenweise fehlt 
sie nämlich vollkommen, stellenweise zerfällt sie in einzelne 
gestreckte, ovale oder birnförmige Tropfen, welche den Achsen- 
zylinder umgeben. Als eine derartige, bald markhaltige, bald 
marklose Faser kann der Nervenfortsatz häufig auf sehr weite 
Entfernung innerhalb des Stranges der weissen Substanz verfolgt 
werden. Schliesslich verfeinert sich der Nervenfortsatz beträchtlich 
und verschwindet. 

Die Hauptmasse der Fasern des subpialen Greflechtes besteht 
somit aus Fortsätzen der in ihm eingelagerten Zellen. 

Der Zusammenhang der subpialen Zellen mit den Fasern 
des Getlechtes ist jedoch nicht allein auf das mitgeteilte Ver- 
halten beschränkt. Jede Zelle sowie ihre Dendriten sind auf 
einer mehr oder weniger beträchtlichen Entfernung von einem 
äusserst dichten Netze variköser Nervenfasern umgeben, welche 
ihren Ursprung aus den Fasern des subpialen Geflechtes nehmen. 
Dieses pericelluläre Geflecht entspricht augenscheinlich dem „ner- 
vösen Terminalnetz“* der Autoren. 

Auf Präparaten, in welchen die subpiale Schicht scharf 
tingiert ist, ist dieses pericelluläre Geflecht dermassen dicht und 
dermassen eng mit den Fasern des (reflechtes verbunden, dass 
es schwer fällt, das mikroskopische Bild zu entwirren. 

Neben jeder Nervenzelle verdichtet sich gleichsam das sub- 
piale Geflecht und bildet eine derselben dicht anliegende Schicht 
sich windender und untereinander verflochtener variköser Fibrillen. 
Günstiger für die Beobachtung sind Präparate, in denen das all- 
gemeine subpiale Geflecht unvollkommen gefärbt ist, während die 
auf der Oberfläche der Zelle endigenden und sich an der Bildung 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 455 


des pericellulären Geflechtes beteiligenden Fibrillen zufällig sehr 
distinkt sich tingiert haben (Fig. 5, Taf. XVII. In solchen Fällen 
ist deutlich sichtbar, dass an die Zelle mehrere Nervenästchen 
herantreten, welche sich mehrfach teilen und um die Zellen und 
die grösseren Verzweigungen der Dendriten ein recht dichtes Ge- 
flecht aus feinen varikösen Fibrillen bilden. Stellenweise sondern 
sich von diesem Geflechte feine Ästchen ab, welche auf der Ober- 
tläche der Zellen in kleinen Knöpfehen oder ovalen, runden oder 
birnförmigen Anschwellungen endigen. Da dieses Geflecht auch 
die Dendriten umgibt und gleichsam die Konturen der Zelle und 
deren Fortsätze wiedergibt, so kann selbst auf denjenigen Präpa- 
raten, in denen die Zelle vollkommen ungefärbt geblieben ist 
oder nur der Kern tingiert erscheint, nach ‘dem pericellulären 
Geflecht eine Vorstellung gewonnen werden von der Form und 
dem Charakter der Fortsätze der ungefärbten Zelle. 

Dieses Geflecht kann leicht bei oberflächlicher Betrachtung 
des Präparates mit einem anderen Netze, welches sich desgleichen 
auf der Oberfläche der Zelle befindet und dennoch eine andere 
Herkunft hat, verwechselt werden. 

Auf Präparaten, die in Methylenblau stark gefärbt, sozusagen 
überfärbt sind, sind die Nervenelemente der subpialen Schicht 
sehr schlecht sichtbar. Die Fasern sind grösstenteils vollkommen 
unsichtbar, von den Zellen sind nur die Körper gefärbt; doch 
auch diese treten nicht deutlich hervor, da auch die Grundlage 
des Präparates vollkommen blau tingiert erscheint. Auf derartigen 
Präparaten können bisweilen kleine Elemente um die Nervenzellen 
und ihre Dendriten ein dichtes Netz feinster Fädchen (sie sind 
viel feiner als die pericellulären Nervenfasern), welche desgleichen 
mit knotenförmigen Verdickungen versehen sind, wahrgenommen 
werden (Fig. 6, Taf. XVII). Dem ersten Eindrucke nach erinnert 
das Bild in hohem Grade an das „granuläre Differenzierungsbild 
des nervösen pericellulären Terminalnetzes“. wie es Held (1902, 13) 
in seiner Arbeit zeichnet. Eine sorgfältigere Untersuchung zumal 
mit Immersionssystemen ergibt jedoch, dass es sich in diesen 
Fällen nicht um ein Nervennetz, sondern um ein Glianetz handelt. 
Wie bekannt, so sind auch Held (1902, 13) und Bielschowsky 
(1904, 4) der Meinung, dass um jede Zelle der grauen Substanz 
zwei (seflechte vorhanden sind: ein Nerven- und ein dem Golgi- 
netze entsprechendes Gliageflechtt. Dem Golginetze schreibt 


456 Anton N emiloft: 


Held unbedingt eine Neuroglianatur zu und nimmt an, dass es 
nur zur Isolierung und Stütze für die Nervenzelle dient. Biel- 
schowsky spricht in dieser Frage keine bestimmte Meinung aus. 
Dasselbe Netz hat wahrscheinlich auch Nageotte (1909, 26) gesehen 
und auf Grund dieser Beobachtung irrtümlich das Vorhandensein 
eines pericellulären Nervennetzes überhaupt in Abrede gestellt. 

Auf Präparaten mit gefärbter Gliagrundsubstanz ist das 
meiner Meinung nach den erwähnten Glianetzen entsprechende 
Geflecht sehr deutlich sichtbar. Es wird von zahlreichen feinen 
Gliafasern gebildet, welche von der allgemeinen Gliamasse zu 
den Nervenzellen und deren Dendriten verlaufen. Die Fasern 
dieses Geflechtes winden sich jedoch niemals derartig und ver- 
zweigen sich nicht, wie die Nervenfasern, von denen sie sich 
ausserdem durch ihre Feinheit unterscheiden. Die Anschwellungen 
und Verdickungen im Verlauf der Gliafasern unterscheiden sich 
von den varikösen Verdickungen der Nervenfasern durch ihre 
relativ beträchtlichere Grösse und durch das Missverhältnis ihrer 
Grösse zu den feinen, sie verbindenden Fasern. Derartige runde 
Körper werden bisweilen nicht im Verlaufe der Fasern, sondern 
zwischen ihnen angetroffen. Auf einigen Präparaten kann man 
wahrnehmen, dass die Zwischenräume zwischen den Gliafasern 
von einer zarten mit Methylenblau gefärbten membranähnlichen 
Masse ausgefüllt sind. In solchen Fällen erscheint die Zelle wie 
von einer zarten, dünnen Membran oder Hülle umgeben, in der 
stellenweise feine Fäden und kleine runde Gebilde, die an die 
varikösen Verdickungen der Nervenfasern erinnern, wahrnehmbar 
sind. Nirgends habe ich jedoch irgendwelchen Zusammenhang 
dieses Netzes und dieser Fasern mit Nervenfasern sehen können. 
Dieses Netz war im Gegenteil stets nur auf solchen Präparaten 
gut zu erkennen, auf denen die Nervenelemente überhaupt fast 
ungefärbt geblieben waren. 


4. Beziehungen der subpialen Zell- und Faserschicht 
der Säugetiere zu den oberflächlichen Nervenkernen 
der Vögel. 

Zum Vergleich der bei Säugetieren erhaltenen Resultate 
mit etwa entsprechenden morphologischen Bildungen bei Vögeln 
untersuchte ich das Rückenmark erwachsener Vögel, wobei ich 
sowohl die oberflächlichen Nervenkerne als auch die zwischen 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc, 457 


ihnen gelegenen Abschnitte des Rückenmarks in Betracht zog. 
Ich wandte hier dasselbe Verfahren wie bei der Untersuchung 
des Rückenmarks der Säugetiere an. 

Auf Präparaten von Teilen des Rückenmarks, die zwischen 
den in der Literaturübersicht besprochenen oberflächlichen Nerven- 
kernen gelegen sind, erhielt ich Bilder, die im allgemeinen an 
die bei Säugetieren erhaltenen Befunde erinnern. Auch bei Vögeln 
ist auf der Rückenmarksoberfläche unmittelbar unterhalb der Pia 
ein Geflecht vorhanden, welches seinem Charakter nach vollkommen 
an das subpiale Geflecht der Säuger erinnert. Es besteht, wie 
dort, aus mannigfach verflochtenen, verzweigten marklosen und 
markhaltigen Fasern. In diesem Geflecht, welches auch hier als 
subpiales Geflecht bezeichnet werden kann, sind ungefähr in der- 
selben Menge wie bei Säugetieren Nervenzellen eingelagert, deren 
Fortsätze teilweise an der Bildung jenes Geflechtes teilnehmen, 
ebenso wie bei den Säugern. Im Unterschiede von diesen sind 
jedoch bei Vögeln zweierlei Arten von Nervenzellen vorhanden, 
welche sich voneinander durch ihre Grösse und den Charakter 
ihrer Dendriten scharf unterscheiden. 

Das Endschicksal des Nervenfortsatzes dieser Zellen habe 
ich leider, teilweise aus Mangel an Material, teilweise weil mich 
andere Fragen mehr interessierten, nicht verfolgt. Die Zellen 
der ersten Art (Fig. 7, Tat. XVII) entsprechen ungefähr der Grösse 
nach den motorischen Zellen der grauen Substanz und haben 
verhältnismässig dicke Dendriten, die relativ schwach verzweigt 
sind, und sich nur in einer mehr oder weniger beträchtlichen 
Entfernung von der Zelle Y-förmig teilen. Der Nervenfortsatz 
dieser Zellen biegt bereits in einer geringen Entfernung von der 
Zelle in die weisse Substanz um und entzieht sich der Beobachtung. 
Die Zellen der zweiten Art sind um das zwei- bis dreifache kleiner 
als die Zellen der ersten Art; sie kommen ihrer Grösse nach 
ungefähr den kleinen Kommissurenzellen der grauen Substanz 
gleich. Die Dendriten dieser Zellen sind relativ dünn und ver- 
zweigen sich bereits nahe bei der Zelle. So viel ich habe wahr- 
nehmen können, bilden die Zellen der zweiten Art die Haupt- 
zellmasse der subpialen Schicht bei Vögeln, während die Zellen 
der ersten Art nur einen geringen Prozentsatz der allgemeinen 
Zahl der Zellelemente bilden und selbst bei schwachen Ver- 
grösserungen zwischen diesen durch ihre Grösse auffallen. 


458 Anton Nemiloff: 


Von grossem Interesse ist das Verhalten des subpialen 
(Geflechtes der Vögel zu deren „oberflächlichen Nervenkernen“. 
Auf Flachschnitten sind letzere in toto sichtbar. Sie erscheinen 
als recht grosse Anhäufungen von Nervenzellen, haben gewöhnlich 


Fig. 3. 
Teil eines oberflächlichen Nervenkernes aus dem Rückenmark 
von Phalaerocorax carbo. nz — Nervenzellen des oberflächlichen 
Nervenkernes; bg — Blutgefäss: fs = Fasern der weissen Substanz; 
rf — Anfangsteile der unvollkommen gefärbten Nervenstämmchen, 
welche vom Kern allseitig strahlenförmig verlaufen und denselben 
mit der übrigen subpialen Schicht verbinden. Flächenpräparat. 
Methylenblau. Zeiss Obj. 16,0 mm, Ok. 2. 


Über die peripherische Schieht von Nervenzellen ete. 459 


eine gestreckte (ovale oder spindelförmige) Form und sind mit 
der Längsachse in der Längsachse des Rückenmarks angeordnet. 
Auf Präparaten, die nach speziellen neurologischen Methoden 
angefertigt sind, ist zwischen den Zellen nur ein feines Glianetz 
sichtbar, während Nervenzellenfortsätze vollkommen unsichtbar 
sind. Bei einer Färbung mit Methylenblau ist jedoch deutlich zu 
erkennen, dass von den Zellen zahlreiche Dendriten abgehen 
(Fig. 8, Taf. XVII) und dass diese Zellen ihrem Charakter nach voll- 
kommen den kleineren Zellen der zweiten Art gleichkommen, 
welche in der subpialen Schicht in den Zwischenräumen zwischen 
den oberflächlichen Nervenkernen liegen. Nervenzellen erster 
Art habe ich niemals in den oberflächlichen Nervenkernen auf- 
gefunden, sie werden stets nur in den Zwischenräumen zwischen 
diesen angetroffen. In dem Nervenkern ist zwischen den Nerven- 
zellen ein äusserst dichtes Geflecht von marklosen und teilweise 
markhaltigen Zellen vorhanden, an dessen Bildung die Fortsätze 
der Nervenzellen sich in beträchtlichem Maße beteiligen. Seinem 
Charakter nach ist dieses in den Nervenkernen angeordnete 
Geflecht dem subpialen Geflechte vollkommen gleich, welches die 
Oberfläche der übrigen Abschnitte der weissen Substanz bedeckt 
(siehe Textfig. 1), ist jedoch dichter. 

An den Rändern der oberflächlichen Nervenkerne gehen die 
Fasern des innerhalb des Kernes gelegenen (Greflechtes direkt in 
die zwischen den Kernen verlaufenden Faserbündel über. Bei 
schwacher Vergrösserung kann die Beobachtung gemacht werden, 
dass von jedem Nervenkerne strahlenförmig Nervenfaserbündel 
abgehen, welche weiterhin in das subpiale Geflecht eintreten, so 
dass jeder Kern gleichsam von einem Kranz von Strahlen umgeben 
ist, welche ihn mit der übrigen gesamten Schicht der ober- 
tlächlichen, subpialen Nervenelemente verbinden. Bei starker Ver- 
grösserung kann man sich leicht davon überzeugen, dass die 
Strahlen Bündel feiner markhaltiger und markloser Fasern 
darstellen. 

Bisweilen gelingt es auch, einzelne Fasern auf ihrem Verlauf 
von dem Greflecht des oberflächlichen Kernes bis zu einem Bündel 
oder Stämmchen des allgemeinen subpialen Geflechtes zu verfolgen. 
Durch die Vermittlung der radiären Bündel können somit einerseits 
Fortsätze der Zellen der oberflächlichen Kerne in das allgemeine 
subpiale Geflecht ziehen, andererseits Fortsätze von Zellen aus 


460 Anton Nemiloff: 


letzterem mit den Nervenzellen des oberflächlichen Kernes in 
Verbindung treten. 

Auf Flächenpräparaten vom Rückenmark der Vögel kann 
somit das wahrgenommen werden, was niemals auf einer noch so 
regelmäßigen Schnittserie möglich ist zu sehen, nämlich der 
unmittelbare Zusammenhang der oberflächlichen Nervenkerne mit 
der zwischen ihnen gelegenen subpialen Schicht. Die ober- 
tlächlichen Kerne stellen somit nur eine metamer angeordnete 
Verdickung des allgemeinen subpialen Geflechtes dar, nur Stellen, 
an denen die mikroskopische Schicht subpialer Nervenelemente 
anwächst und Vorwölbungen bildet. die bereits makroskopisch als 
Höcker unter der Pia mater sichtbar sind. 

Die angeführten histologischen Befunde werfen auch einiges 
Lieht auf die vergleichend-anatomischen Beziehungen der subpialen 
Schicht des Rückenmarks von Säugetieren. Letztere kann nicht 
als ein phylogenetischer Rest der oberflächlichen Nervenkerne des 
Rückenmarks der Vögel angesehen werden. Das Homologon dieser 
fehlt den Säugetieren vollkommen, da im Rückenmarke dieser 
nirgends irgendwelche Spuren einer metameren Verdickung der 
subpialen Zellen wahrnehmbar sind. Die subpiale Schicht des 
Rückenmarks der Säuger kann nur der ganzen subpialen Schicht 
des Rückenmarks der Vögel mit Einschluss der oberflächlichen 
Nervenkerne, als örtlicher metamerer Anschwellungen derselben, 
homolog gesetzt werden. 

Die oberflächlichen Nervenkerne sind aller Wahrscheinlichkeit 
nach sekundäre Elemente, die nur den Sauropsiden zukommen, 
bei Säugetieren sind sie nur schwach ausgebildet, allenfalls noch 
bei Chiropteren (nach Dröseke), wahrscheinlich als Konvergenz- 
erscheinungen, vorhanden. 


Schlussbetrachtungen. 

Die oben mitgeteilten Befunde sind infolge bedeutender 
technischer Schwierigkeiten weitaus nicht vollständig. Gegen- 
wärtig bin ich dabei, einige Details des mikroskopischen Baues 
der subpialen Schicht und die gegenseitigen Beziehungen der 
Nervenelemente festzustellen. Es scheint mir, dass die subpiale 
Schicht einen Teil des Zentralnervensystems darstellt, welcher 
nach demselben Prinzip wie die zentrale graue Nervensubstanz 
aufgebaut ist, in welcher jedoch infolge ihres geringen Durch- 


Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 461 


messers, und infolgedessen, dass die Elemente nicht so dicht 
angeordnet sind, wie in der grauen Substanz, die Wechsel- 
beziehungen der Nervenzellen und ihrer Fortsätze sowie viele 
Fragen, die mit der Neuronentheorie zusammenhängen, bei 
gleichen vielleicht sogar geringeren technischen Widerständen, 
evidenter und demonstrativer klargestellt werden können. Ausser 
diesen Fragen, welche bei jeder neurologischen Arbeit in Betracht 
kommen, suche ich ausserdem noch zu bestimmen, welcher Schicht 
der Gehirnrinde die subpiale Schicht des Rückenmarks entspricht 
und ob hier überhaupt entsprechende Verhältnisse vorliegen, als- 
dann suche ich festzustellen, wie weit verbreitet diese subpiale 
Schicht in der Reihe der Wirbeltiere ist. Einige meiner Präparate 
des Rückenmarks von Rochen sprechen, wie ich bereits oben 
erwähnt habe, zugunsten dessen, dass die subpiale Schicht augen- 
scheinlich, wenn auch keine primäre, so doch eine alte Bildung 
ist, und ihr Auftreten mit der Erlangung der Extremitäten 
zusammenfällt. 

Bei einer derartigen detaillierten Untersuchung der subpialen 
Schicht in histologischer und vergleichend-anatomischer Beziehung 
wird es vielleicht gelingen, auch auf die physiologische Bedeutung 
derselben ein Streiflicht zu werfen, hinsichtlich welcher vorläufig 
nichts Bestimmtes ausgesagt werden kann. 

Herrn Prof. Dr. A. Dogiel spreche ich für gütigst gewährten 
Rat bei dieser Arbeit und der Phys.-math. Fakultät und der 
Naturforschergesellschaft in St. Petersburg für ihre 
materielle Unterstützung bei meiner Fahrt ans Schwarze Meer 
(1909) zum Studium des Rückenmarks der Vögel verbindlichsten 
Dank aus! 


O1 


6. 


—] 


10. 


I, 


16. 


17. 


Anton Nemiloff: 


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Streeter, G.: The structure of the spinal Cord of the Ostrich. 
Amer. Journ. Anat., Vol. III, p. 1—27, 1903. 

Tretjakoff, D.: Das Gehirn von Ammocoetes. Mit 12 Taf. St. Peters- 
burg 1910. 


464 Anton Nemiloff: Über die peripherische Schicht ete. 
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI und XVII. 
Sämtliche Figuren sind mit dem Zeichenapparat von Zeiss von Flächen- 


präparaten der weissen Substanz des in Methylenblau gefärbten Rücken- 
markes ausgeführt worden. 


Tafel XV1. 


Fig. 1. Subpiales Geflecht des Rückenmarks vom Pferde. nz —= Nerven- 
zellen der subpialen Schicht; sbf — Faserbündel des subpialen 


Geflechtes; fs — durch die subpiale Schicht durchscheinende Fasern 
der weissen Substanz. Zeiss’ Obj. 16,0 mm, Ok. 2. 

Fig. 2. Teil des subpialen Geflechtes aus dem Rückenmark einer Katze. 
sbf = Faserbündel des subpialen Geflechtes; fs — Fasern der 
weissen Substanz, welche durch die subpiale Schicht hindurch sicht- 
bar sind. Zeiss’ Obj. E, Ok. 4. 

Fig. 3. Teil der subpialen Schicht aus dem Rückenmark eines Kätzchens. 
nz — subpiale Nervenzellen; d — deren Dendriten, die sich an der 
Bildung des subpialen Geflechtes beteiligen; sbf — Faserbündel des 
subpialen Geflechtes ; fs — durch die subpiale Schicht durchschimmernde 
Fasern der weissen Substanz. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 4. 


Tafel XVII. 
Fig. 4. Nervenzellen aus der subpialen Schicht des Rückenmarks eines Affen. 
nz — subpiale Nervenzellen; pr = Ranvierscher Schnürring; 


prt — Protoplasma der subpialen Zellen; nuc —= ihr Kern; d = ihre 
unvollkommen gefärbten Dendriten; ax — Nervenfortsatz; fs — unter- 
liegende Fasern der weissen Substanz. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 3. 
Pericelluläres Geflecht um eine subpiale Nervenzelle aus dem 
Rückenmark eines Hundes. fa —= Fasern der subpialen Schicht, 
die zwecks Bildung eines pericellulären Geflechtes an die Zelle 
herantreten. pz — pericelluläres Geflecht (die Zelle selber ist un- 
gefärbt geblieben); pr = Ranvierscher Schnürring; sbf — Fasern 
der subpialen Schicht; fs = unterliegende Fasern der weissen 
Substanz. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 4. 
Fig. 6. Gliahülle um eine Nervenzelle aus der subpialen Schicht des Rücken- 
markes eines Hundes. Die Zelle selber ist ungefärbt geblieben. 
gn — Gliahülle; g — Gliafasern. Zeiss’ Hom. Imm. !/ır, Ok. 2. 
Fig. 7. Nervenzelle erster Art aus der subpialen Schicht des Rückenmarks 
von Phalaerocorax carbo. prt —= Protoplasma; nuc = Kern; 
d — Dendriten; ax — Nervenfortsatz, der sich in die Tiefe der 
weissen Substanz versenkt; fs —= weisse Substanz. Zeiss’ 
ÖObj. 4,0 mm, Ok. 2. 
Fig. 8. Teil eines oberflächlichen Kernes aus dem Rückenmark von Phalae- 
rocorax carbo. nz — Nervenzellen; d — Dendriten; pl —= Geflecht 
innerhalb des oberflächlichen Kernes. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 4. 


fo) 


Fig. 


Gesammelte Studien an den roten Blutkörperchen 
der Amphibien. 


Von 


Friedrich Meves in Kiel. 


Hierzu Tafel XVIII--XX und 52 Textfiguren. 


Inhalt: Seite 
Einleitung . . . Eh N 0 22": RS Re Eee 60 
T. Der Bandreiten. alte N 1016 
1. Darstellung des Hanirertens duzch Tsoherune RE 467 

2. Darstellung des Randreifens durch Färbung. label. 
seiner Mbrillarendsteuktunnt1!2'%.. Vo Au LEN aA 
34 DersKörnerbelae des; Randreifens ) 31.0 90 ins as er.) AR 
4. Die Quermembranen des Randreifens . . . . 2 2 .2.2.2.2....480 
5».Die Bedeutumerdes-Rändreitens 2 sei in 484 
I ZuzaMembranfraues wer ea rc N ee nn dah 
TR%Binnenstrukturen Mel, Ba, EAU N ARE ER a RE AN. BA90) 
E: Haden uner. RATE N RE 290 
. Granuläre Einschlüsse, ag N NO BEA SE MORE SNTERTOL N D) 

3, Besitzen die roten Eintkörnerehon Kae Amphibien einen 
Zonenbau?. .. . 503 

IV. Über Formänderungen den roten " Blutkörperchnlh im eisch ent- 
nommenen Blut 22n! 3 Mall AIR E06 

V. Über Formänderungen der roten Blutkörperchen infolge von 
Reagentienwirkung. . . . 512 


1. Über die plötzliche terug de roten EElnfKörbörchen 

des Frosches nach allen Richtungen bei Zusatz von Essigsäure 512 
2. Über Formänderungen infolge der Wirkung von Ammoniak- 
dämpfen... . . ER a an Se ER a NA 
. Über nderneen, welche durch Quellung des Kerns 
hervorgerufen werden: sog. Hünefeld-Hensensche Bilder 527 


[SE] 


Einleitung. 

In den Jahren 1903 bis 1906 habe ich im Anatomischen 
Anzeiger über die roten Blutkörperchen der Amphibien, haupt- 
sächlich des Feuersalamanders, eine Anzahl von Studien publiziert, 
welche in erster Linie auf den Randreifen gerichtet waren, 
ausserdem die Membranfrage und die Frage nach Binnen- 


466 Friedrich Meves: 


strukturen betrafen und schliesslich von den Formänderungen 
handelten, welche die roten Blutkörperchen teils im frischen Zu- 
stand, teils unter der Wirkung verschiedener Reagentien erleiden. 
Die damals erhaltenen Resultate habe ich nunmehr zusammen- 
fassend bearbeitet, um sie — mit gütiger Erlaubnis von 
Redaktion und Verlag des Anatomischen Anzeigers — unter 
Beigabe von drei Tafeln und emer Anzahl von Textfiguren, 
welche grösstenteils gleichfalls neu sind, an dieser Stelle er- 
scheinen zu lassen. 


I. Der Randreifen. 


Der Randreifen ist ein Strukturbestandteil der kernhaltigen 
elliptischen Blutkörperchen, welcher für ihre Kenntnis von grösster 
Bedeutung ist. Er ist zweifellos schon früher von Ranvier 
(1870), H. D. Schmidt (1878) u.a. gesehen, ist aber für den 
Ausdruck einer dicken, das ganze Blutkörperchen umgebenden 
Membran gehalten worden (vergl. unten S. 486). Als Reifen hat 
ihn zuerst Dehler (1895) an roten Blutkörperchen des Hühner- 
embryos beschrieben, hat ihn aber noch (l.c. S. 423) als „dichteren 
Teil einer Grenzschicht des Protoplasmas“ aufgefasst. Das gleiche 
Gebilde ist dann von M. Heidenhain!) bei Proteus?) und 
ebenfalls (1896) bei Hühnerembryonen, von Nicolas (1596) bei 
Salamandra, Triton und bei einer Viper aufgefunden worden. 
In den Präparaten von Nicolas war der Randreifen bei 
Salamandra und Triton im allgemeinen nicht an der Zellober- 
fläche gelegen, sondern von dieser durch eine dünne Lage von 
Zellsubstanz getrennt; bei der Viper fand er sich sogar in zahl- 
reichen Fällen ganz im Innern des Zellkörpers. Dadurch war 
bewiesen, dass es sich nicht bloss um eine verstärkte Ektoplasma- 
schicht handeln kann. 

Ich selbst habe das Studium des Randreifens im Jahre 1903 
aufgenommen und bis zum Jahre 1906 fortgesetzt. Dehler, 
M. Heidenhain und Nicolas hatten den Randreiten aus- 
schliesslich an Schnitten von Material, welches mit Sublimat 


!) Neuerdings teilt M. Heidenhain (1911, S. 1058) mit, dass nicht 
Dehler, sondern er selbst den Randreifen im Jahre 1894 an roten Blut- 
körperchen des Entenembryos entdeckt und dass er die erste Beschreibung 
seinem Schüler und Freunde Dehler übertragen habe, welcher eine Serie 
neuer Präparate vom Hühnerembryo herstellte. 

2) Siehe Dehler, 1895, S. 423 unten. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 467 


fixiert war, durch Färbung mit Eisenhämatoxylin dargestellt. 
Auch ich habe ihn zuerst an Schnitten wahrgenommen, und 
zwar an solchen durch die Niere von Salamanderlarven, welche 
mit Flemmingschem oder Hermannschem Gemisch fixiert 
und mittels der Flemmingschen Dreifachbehandlung gefärbt 
waren. In der Folge habe ich aber mein Bestreben in erster 
Linie darauf gerichtet, den Randreifen an den frischen Blut- 
körperchen direkt sichtbar zu machen. Ich entdeckte alsbald, 
dass es für diesen Zweck genügt, das Blut mit verdünnter Säure, 
2. B. Essigsäure, zu versetzen. Ferner fand ich, dass man den 
Randreifen durch Zusatz bestimmter Farbstofflösungen zum 
frischen Blut darstellen kann. Eine dritte Methode, mit welcher 
ich mich im folgenden zunächst ausführlicher befassen will, be- 
steht in der Isolierung desselben von der übrigen Substanz des 
Blutkörperchens mit Hilfe einer 3proz. Lösung von Küchen- 
kochsalz. 


1. Darstellung des Randreifens durch Isolierung. 


Die Methode, durch welche ich eine partielle, zuweilen 
sogar vollständige Isolierung des Randreifens von der übrigen 
Substanz des Blutkörperchens erzielt habe, ist folgende: Ich 
lasse einige Tropfen Blut des Salamanders (welche ich neuerdings 
gewöhnlich durch Abschneiden der Schwanzspitze gewinne) in ein 
ca. 15 ccm grosses Gläschen hineinfallen, welches bis zum Rande 
mit einer 3proz. Lösung von Küchenkochsalz angefüllt ist. Dann 
schüttle ich und warte, bis sich ein Bodensatz gebildet hat. Von 
diesem bringe ich etwas mit Hilfe einer Pipette auf einen Objekt- 
träger und decke mit einem grossen Deckglas!) ein, welches ich 
mit einem Rahmen von geschmolzenem Paraffın umziehe. 

Bringe ich nun das Präparat unter das Mikroskop, so finde 
ich. dass die Oberfläche der Blutscheiben sich zunächst mit 
zahlreichen Runzeln bedeckt. Nach einiger Zeit wird sie wieder 
glatt. Weiter kann es sich ereignen, dass die eine oder andere 
der Blutscheiben, welche im Gesichtsfeld gelegen sind, plötzlich 
ein durchgehendes Loch bekommt. 

Die Entstehung dieses Loches stelle ich mir folgender- 
massen vor: Ich nehme an, dass entweder infolge der Wasser- 
entziehung durch die hypertonische Salzlösung oder auch infolge 


!) Ich gebrauche solche von 22:40 mm Seite. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 


8% 
DD 


468 Friedrich Meves: 


Änderung der Oberflächenspannung (durch lokale Niederschlags- 
bildung?) Bewegungen der Zellsubstanz auftreten. Dabei kann es 
vorkommen, dass die Zellsubstanzlamelle, welche das Lumen des 
Randreifens ausfüllt, an einer Stelle zunächst stark verdünnt 
und schliesslich durchbrochen wird. 

Eine Seifen- oder Öllamelle, welche über einen Ring aus- 
gespannt ist, fällt fast momentan zusammen, sobald die beiden 
Oberflächenschichten an irgend einer Stelle infolge Durchbrechung 
der Lamelle ineinander greifen. Bei der Blutscheibe braucht der 
gleiche Vorgang längere Zeit, wahrscheinlich deshalb, weil die 
Zellsubstanz von sehr zäher Beschaffenheit ist und die Oberflächen- 
spannung bei der von Flüssigkeit umgebenen Blutscheibe erheb- 
lich geringer ist als bei der Seifen- oder Öllamelle, die sich in 
Luft befindet. Das anfangs nur kleine Loch nimmt unter den 
Augen des Beobachters langsam an Durchmesser zu. Bald erreicht 
es an einer Stelle den Randreifen. Es vergrössert sich weiter so, 
dass ein immer grösseres Stück des Randreifens zu seiner 
Begrenzung hinzugezogen wird. Allmählich hat sich die Zell- 
substanzlamelle unter der Wirkung der Öberflächenspannung und 
des osmotischen Druckes so stark verkleinert, dass sie weniger 
als die Hälfte des Ringlumens ausfüllt. Schliesslich rundet sie sich 
zu einer Kugel ab, welche an einer Stelle den Kern einschliesst. 

Ein Teil der Zellsubstanz bleibt anfangs noch in Gestalt 
eines schmalen, auf der Innenseite dickeren Mantels um den 
Randreifen erhalten. Dieser Mantel zeigt alsbald Einschnürungen 
und dazwischen Ausbuchtungen: weiter zerfällt er, den Ein- 
schnürungen entsprechend, in kleine Tröpfchen, welche zunächst 
gewöhnlich nicht ganz kugelig sind, sondern auf der Innenseite 
eine stärker konvexe, auf der Aussenseite eine flachere Begrenzung 
zeigen. Zwischen den verschiedenen Zellsubstanztröpfehen wird 
der Randreifen völlig nackt sichtbar. 

Eine Auflösung eines schmalen Flüssigkeitszylinders in 
Tröpfehen beobachtet man z. B. gleichfalls, wenn man einen 
Seidenfaden in Öl taucht und wieder heraushebt. 

Fig. 1—8 zeigen die aufeinander folgenden Veränderungen, 
welche eine und dieselbe Blutzelle im Anschluss an die Durch- 
lochung erfährt. Der hier dargestellte Fall weist allerdings eine 
Besonderheit auf insofern, als einige Zeit nach dem Auftreten 
des ersten Loches noch ein zweites hinzukam. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 469 


Als ich die in Fig. 1 gezeichnete besonders grosse Blut- 
scheibe zuerst auffand (an einem Nachmittag um 5 Uhr 25 Minuten), 
war das rundliche Loch unten rechts offenbar erst vor wenigen 
Augenblicken entstanden. Es vergrösserte sich alsdann unter 
meinen Augen (Fig. 2 und 3), wobei es etwas wechselnde Formen 
annahm. Auf dem Stadium der Fig.3 (um 5 Uhr 30 Minuten) 
wurde das erwähnte zweite Loch sichtbar, welches anfangs klein 
und rund war. Vier Minuten später (um 5 Uhr 34 Minuten) 
zeigte es noch ungefähr die gleichen Dimensionen, hatte sich 
aber etwas in die Länge gezogen (Fig. 4). Nach weiteren drei 
(Fig.5) und sieben (Fig. 6) Minuten (um 5 Uhr 37 Minuten und 
um 5 Uhr 41 Minuten) waren beide Löcher, das kleine und 
das grosse, stark gewachsen. An dem Zellsubstanzzylinder, welcher 
in Begrenzung des grösseren Loches dem Randreifen ansass, 
markierten sich in Fig. 5 zwei spindelförmige Anschwellungen, 
welche sich in Fig. 6 stärker zusammengezogen hatten. 25 Minuten 
nach Beginn der Beobachtung (um 5 Uhr 50 Minuten) hatte das 
grosse Loch sich besonders in der Richtung nach links oben aus- 
gedehnt (Fig. 7): das kleine Loch hatte sich stärker in die Länge 
gezogen, aber nicht wesentlich vergrössert. Zu den beiden 
kleineren Zellsubstanzportionen, welche in Fig. 6 dem Randreifen 
in Begrenzung des grösseren Loches ansitzen, war eine neue von 
länglicher Form {links unten) hinzugetreten; die beiden anderen 
hatten sich stärker abgerundet; diejenige am unteren Pol war 
völlig kugelig geworden. Um 6 Uhr 25 Minuten, also eine 
Stunde nach Beginn der Beobachtung, war das Bild (Fig. 5) wenig 
gegenüber demjenigen der Fig. 7 verändert. So blieb es bis um 
S Uhr 45 Minuten, wo die Beobachtung abgebrochen werden musste. 

In den übrigen Figuren derselben Tafel habe ich eine 
Anzahl Blutzellen gezeichnet, bei welchen die Formänderungen, 
welche im Gefolge der Durchlochung auftreten, bereits zu einem 
mehr oder weniger vollständigen Abschluss gekommen waren. 
Bei dem an der Hand von Fig. 1—S geschilderten Verlauf war 
die Hauptmasse der Zellsubstanz bei Beendigung der Beobachtung 
(Fig. 8) wohl infolge des Vorhandenseins zweier Löcher in Form 
einer allerdings stark verdickten Lamelle zwischen entgegen- 
gesetzten Seiten des Reifens ausgespannt geblieben. Bei dem 
Auftreten eines einzigen Loches (oder wenn zwei Löcher zu 


einem einzigen zusammenfliessen) bildet sich in der Regel, wie 
32* 


470 Friedrich Meves: 


ich es vorher beschrieben habe, neben mehreren kleineren ein 
grösserer Protoplasmatropfen, welcher den Kern einschliesst : 
Fig. 9, 10, 20; in letzterem Fall (Fig. 20) sind kleinere Tropfen 
in grosser Zahl vorhanden. 

Zuweilen findet man die Zellsubstanz in mehrere annähernd 
gleichgrosse Kugeln zersprengt: Fig. 21 (ähnlich auch in Fig. 22). 

Die Tropfen bleiben zunächst am Randreifen sitzen. Später 
können sie sich, die kleineren gewöhnlich zuerst, von ihm ablösen. 
Auf diese Weise kann der Randreifen schliesslich völlig isoliert 
werden. 

Bei den Fig. 11—14 ist auch die grosse Protoplasmakugel 
abgelöst. In Fig. 11 berührt sie an gegenüberliegenden Seiten 
den Innenkontur des Randreifens; in Fig. 13 überdeckt sie ihn; 
in Fig. 12 liegt sie frei in seinem Lumen. In letzterer Figur 
sieht man neben der grossen Kugel noch eine Anzahl kleinerer 
Tröpfchen, welche teils frei schwimmen, teils am Randreifen an- 
sitzen. Bei Fig. 13 erscheint es ausgeschlossen, dass die einzige 
vorhandene Protoplasmakugel die Gesamtmasse der Zellsubstanz 
repräsentiert; hier müssen bereits Zellsubstanztröpfehen vom 
vandreifen frei geworden und weggetrieben sein. Das gleiche ist 
mit der Hauptmasse der Zellsubstanz bei Fig. 14 geschehen, bei 
welcher nur noch an zwei Stellen dem Randreifen kleinere, 
spindelförmige Protoplasmamassen ansitzen, welche keine Neigung 
zeigten sich abzukugeln. 

Bei Fig. 15 und 16 beobachtet man an dem isolierten Teil 
des Randreifens Schleifenbildungen, welche wohl auf eine Drillung 
desselben (siehe unten S. 520) zurückzuführen sind. 

Fig. 17—19 stellen Blutscheiben dar, bei denen unter der 
Wirkung der 3proz. Kochsalzlösung Löcher in der Mehrzahl 
entstanden sind. In Fig. 17 sind zwei (ebenso wie bei Fig. 8), 
in Fig. 18 drei Löcher aufgetreten. In Fig. 19 hat sich die Zell- 
substanz durch Lochbildung an nicht weniger als sieben Stellen 
von dem Randreifen getrennt. 

Fig. 23 und 24 zeigen zwei nahezu isolierte Randreifen, 
welche zerbrochen sind. In Fig. 23 sind die durchbrochenen 
Enden zwar etwas auseinander gewichen, im übrigen aber hat 
der Reifen die ovale Form bewahrt. In Fig. 24 dagegen hat eine 
Streckung desselben, möglicherweise rein passiv (infolge von 
Strömungen im Präparat), stattgefunden. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 471 


Die lochförmige Durchbrechung der Blutscheiben habe ich, 
wie gesagt, durch eine 3 proz. Lösung von Küchenkochsalz hervor- 
rufen können. Das von mir benutzte Salz stammt aus den Kali- 
werken Benthe, Aktiengesellschaft, Hannover, und hat nach 
einer mir zugestellten Analyse folgende Zusammensetzung: 


NVasser urn.) ol 28 URDIERETOZ. 
Calemmsulfat.! 2). 2 WS ERER.0S 
Maenesiumsulfat! 2m. oe 
Natriumsulfatt. sFr 0 200 
Natrmumehloridi=* . +77 9E09782 
Ünlöslichese. 2. N NEED 


Wenn ich dagegen eine 3proz. Lösung von reinem Chlor- 
natrium anwandte, kamen Bilder wie die beschriebenen nur 
ausserordentlich spärlich oder überhaupt nicht zustande; an 
vielen Blutkörperchen trat Entfärbung ein. Mit Lösungen anderer 
Salze, welche mit einer 3 proz. Lösung von Kochsalz isotonisch 
sind, z. B. von Kaliumnitrat, Magnesiumsulfat u. a., habe ich 
überhaupt keine Erfolge erzielt; vereinzelte durch hypertonische 
(26 proz.) Rohrzuckerlösung; Fig. 15 und 20 sind mit Hilfe der 
letzteren gewonnen. 

Bei den Blutkörperchen des Frosches gelang es mir auch 
nicht durch Küchenkochsalz, Lochbildung zu bewirken; es ist 
möglich, dass sie hier durch die Anwesenheit des unten zu 
beschreibenden Fadenwerks in der Zellsubstanz verhindert wird. 


Die eben beschriebenen Beobachtungen hat Weidenreich 
(1905, 1 S. 289 ff.) im III. Teil seiner „Studien über das Blut“, 
in welchem er sich mit dem Bau der Amphibienerythrocyten 
beschäftigt, einer gänzlich verfehlten Kritik unterworfen. Ich 
würde es bei der kurzen Antwort, die ich darauf bereits 1906, 1 
S. 444, gegeben habe, bewenden lassen, wenn ich nicht fände, dass 
M. Heidenhain (1911, S. 1060). schreibt, ich sei. „der 
Meinung“, dass es mir gelungen sei, durch Einwirkung einer 
3proz. Kochsalzlösung den Reifen von der übrigen Substanz des 
Körperchens zu isolieren, und auf Weidenreich verweist. Ich 
entnehme aus dieser Äusserung, dass die Richtigkeit meiner 
früheren Angaben auf Grund des Weidenreichschen Angrifts 


A Friedrich Meves: 


auch von anderer Seite in Zweifel gezogen werden konnte, und 
möchte daher auf die Weidenreichsche Darstellung zurück- 
kommen. 

In dem Referat, welches Weidenreich von meiner 
Schilderung gibt, lässt er mich behaupten, dass am Schluss des 
Vorgangs „die Zellsubstanz mit dem Kern zur Kugel aufgequollen 
an einer Stelle dem Randreifen ansitzt“. Weidenreich zeigt 
dadurch, dass er den physikalischen Kräften, welche nach meiner 
Auffassung die Abkugelung der Zellsubstanz nach dem Eintritt 
der Durchlochung bewirken, kein Verständnis entgegenbringt. 

Weidenreich fand nun bei Anwendung der von mir 
angegebenen Methode neben eigentümlichen Formänderungen, die 
an die von Preyer beobachteten erinnern, bald häufiger, bald 
seltener solche Bilder, wie ich sie geschildert habe. Während 
aber nach meiner Ansicht die farblosen Stellen Löcher seien, das 
Blutkörperchen also richtig durchbohrt wäre, handelt es sich 
nach Weidenreich „keineswegs um Löcher, sondern nur um 
hämoglobinfreie Stellen, die dadurch zustande kommen, dass 
infolge der wasserentziehenden Wirkung der 3 proz. Kochsalz- 
lösung der Inhalt eingedickt und geringer wird; die Membran 
nähert sich infolgedessen und kommt an einzelnen Stellen in 
erösserer oder geringerer Ansdehnung zur Berührung und Ver- 
klebung, während der Inhalt nach den übrigen Partien der 
Scheibe sich zusammendrängt ; offenbar übt dabei die Membran 
noch einen Druck auf den Inhalt aus, da der Kern häufig 
exzentrisch liegt. Die „Löcher“ sind demnach nichts anderes als 
hämoglobinfreie Stellen, wo die farblose durchsichtige Membran 
in doppelter Lage fest aufeinander ruht“. 

„Der Beweis für diese meine Behauptung‘, sagt Weidenreich, 
lässt sich auf mehrfache Weise erbringen. Zunächst versuchte ich, ob es 
nicht gelingt, die Membranblätter wieder zum Abheben zu veranlassen; der 
Versuch gelang in der Tat. Setzt man nämlich eine sehr dünne Kochsalz- 
lösung (0,6°/0) zu, so beobachtet man, wie die Blutscheibe wieder Wasser 
einsaugt, sie strebt der Kugelform zu und in dem Maße dringt von der 
Stelle, an der sich hauptsächlich der gefärbte Inhalt angesammelt hatte, 
das Hämoglobin vor und füllt den leeren Raum wieder aus. Es resultiert 
eine Kugel, die rasch sich entfärbt und dann dasselbe Bild darbietet, wie 
es auch sonst die Schatten der Salamanderblutkörperchen geben. Wäre 
die Blutscheibe wirklich durchlöchert, so wäre dieser Vorgang undenkbar. 
Aber ich bin in der Lage, noch einen zweiten Beweis gegen die Lochnatur 
dieser hämoglobinfreien Stellen zu bringen. Ich sagte mir, handelt es sich 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 473 


wirklich um aufeinanderliegende Membranpartien, dann muss es vielleicht 
gelingen, Einschlüsse oder Auflagerungen in und auf diesen Stellen zu 
finden. Auch das ist mir nach einigem Suchen geglückt, ich habe mehrfach 
Scheiben gesehen, wie ich sie in Fig. 23 wiedergebe, wo also in der Mitte 
des „Loches“ ein nicht näher zu bestimmendes Gebilde lag; nun muss man 
sich selbstverständlich darüber vergewissern, dass derartige Flecken nicht 
etwa auf oder über der Scheibe liegen und die Lage in dem „Loche“ nur 
eine scheinbare ist. Um auch da sicher zu gehen, genügt es, die Scheibe 
zu bewegen und sie zum Überschlagen zu bringen, was durch Klopfen auf 
das Deckglas bei nicht zu wenig Flüssigkeit leicht gelingt. Es muss also 
an der scheinbar leeren Stelle etwas ausgespannt sein, wo diese Körper oder 
Flecken sitzen, und das ist eben die Membran. Einen dritten Beweis lieferte 
mir mein Versuch, derartige Scheiben zu färben; zwar gelang es mir nicht, 
wie ich wollte, die ‚Löcher‘ zu tingieren, und zwar deswegen, weil geringer 
Farbzusatz überhaupt die Körperchen ungefärbt liess, reichlicher dagegen 
die Scheiben zum Quellen brachte und in Kugelform überführte, genau wie 
es bei Wasserzusatz der Fall ist. Aber es gelang dafür auf andere Weise 
die Lochnatur auszuschliessen, ich erhielt nämlich einen körnigen Farbstoff- 
niederschlag bei geringem Farbzusatz und versuchte nun eine Strömung in 
dem Präparate auszulösen. Sind die Blutscheiben wirklich durchlocht, so 
müssen, wenn die Scheibe auf der Kante steht und mit ihrer Fläche der 
Strömung entgegengerichtet ist, die Farbstoffpartikelchen natürlich dieses 
Loch passieren; ist dagegen eine Membran vorhanden, so müssen sie an der 
fraglichen Stelle abgleiten und nach dem Rande der Scheibe fliessen. Ich 
habe nun mehrfach feststellen können, dass die letztere Annahme die zu- 
treffende ist; niemals gingen die Farbstoffpartikelehen durch die Scheibe 
hindurch * 


Weidenreich glaubt „somit dargetan zu haben, dass die 


von Meves beschriebenen Bilder in ganz anderem Sinne zu 
deuten sind“. 


Man könnte nun vermuten, dass Weidenreich entgegen 
seiner eigenen Annahme die von mir beschriebenen Bilder tat- 
tächlich überhaupt nicht zu Gesicht bekommen hat. Einzelne 
seiner Figuren (z. B. das Blutkörperchen in der Textfigur 2 oben 
links auf S. 291) lassen jedoch keinen Zweifel, dass dies der 
Fall ist. : 

Es bleibt mir demnach nichts anderes übrig, als zu kon- 
statieren, dass Weidenreich etwas sieht, wo nichts existiert. 
Die angeblichen Beweise Weidenreichs, welche das Vorhanden- 
sein einer Membran im Bereich der „farblosen Stellen“ 
(Weidenreich) dartun sollen, beruhen ebenso auf Täuschung 
wie zahlreiche andere Behauptungen dieses Autors, die in der- 
selben Abhandlung zu lesen sind. Es ist nicht richtig, dass es 


474 Friedrich Meves: 


gelingt, an den „farblosen Stellen“ Membranblätter zum Abheben 
zu bringen. Es ist ferner nicht richtig, dass man Einschlüsse 
oder Auflagerungen in und auf diesen Stellen finden kann. Da- 
gegen kann man unter Umständen wahrnehmen, dass Zellsubstanz- 
kügelchen, welche sich abgelöst haben, durch ein Loch oder 
durch das Lumen des Randreifens hindurchtreiben (Fig. 12). Es 
ist nicht der leiseste Zweifel möglich, dass es sich bei den in 
Rede stehenden „farblosen Stellen“ um wirkliche Löcher handelt. 
Auch ist der ganze weitere Verlauf der Erscheinungen derart, 
dass die Anwesenheit einer Membran an diesen Stellen völlig 
ausgeschlossen ist. 


2. Darstellung des Randreifens durch Färbung. 
Sichtbarmachung seiner fibrillären Struktur. 

Eine zweite von mir angegebene Methode, um den Rand- 
reifen an den frischen Blutkörperchen darzustellen, besteht in 
dem Zusatz einer /s—!/s proz. wässerigen Lösung von Gentiana- 
violett. An Stelle von Gentianaviolett kann man auch Methyl- 
violett, Kristallviolett oder Dahlia verwenden. Mit Hilfe dieser 
Methode lässt sich auch ein erstes von mir entdecktes Struktur- 
verhältnis des Randreifens, sein fibrillärer Bau, mit Leichtigkeit 
demonstrieren. 

Ich verfahre in der Weise, dass ich ein Tröpfchen Salamander- 
blut und in einiger Entfernung davon ein Tröpfchen Gentiana- 
violettlösung auf einen Objektträger setze und beide Tröpfchen 
zusammen mit einem grossen Deckglas eindecke, welches ich mit 
geschmolzenem Paraffın umziehe. 

An der Berührungsgrenze beider Flüssigkeiten entsteht ein 
Farbstoffniederschlag; es bleibt jedoch genügend Farbe in Lösung, 
um die Reaktion zu bewirken. Den Verlauf der Reaktion kann man 
am besten in einiger Entfernung von der Berührungsgrenze verfolgen. 

Man sieht zuerst, dass im Zelleib neben dem Kern ein 
Kügelchen oder eine Gruppe von solchen hervortritt, welche sich 
intensiv rot färben („chromatoide Kügelchen“ nach meinem 
Vorschlag, 1905, S. 540; vgl. unten S. 501). 

Sodann (Fig. 25) nehmen die Chromatinmassen des Kerns 
eine bläuliche, der Kernsaft eine rötliche Färbung an; im Kern- 
saft treten kleine, stark rote Körnchen hervor, welche immer 
zahlreicher werden. Von dem Randreifen ist zunächst noch 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien 475 


nichts wahrzunehmen. Er wird erst auf einem folgenden Stadium 
(Fig. 26) als ein leicht rotviolett tingierter Saum kenntlich. Die 
rote Färbung des bezw. der chromatoiden Kügelchen ist nunmehr 
in eine rotviolette übergegangen. Das Uhromatin des Kerns 
zeigt Blauviolettfärbung; es scheint gequollen zu sein und den 
Kernsaft bis auf die rot gefärbten Körnchen aufgesogen zu haben, 
welche untereinander zu einer einheitlichen, nunmehr rotvioletten 
Masse verschmolzen sind. 

Auf einem folgenden Stadium (Fig. 27) ist auch die Färbung 
des Randreifens eine intensivere geworden; man erkennt an ihm 
eine parallele Streifung, welche noch deutlicher wird, nachdem 
der Zelleib sein Hämoglobin verloren hat (Fig. 28). Der Rand- 
reifen zeigt sich jetzt als aus einer grossen Anzahl parallel ver- 
laufender feinster Fäden oder, was ebensowohl möglich ist, aus 
einem einzigen ununterbrochenen Faden zusammengesetzt, welcher 
im Rande der Blutscheibe zu einer Docke aufgewickelt ist. In 
den Polgegenden halten die Fäden häufig einen etwas grösseren 
Abstand ein: die Docke, wenn es sich um eine solche handelt, 
ist hier aufgelockert. Vielfach sieht man Einzelfäden, welche 
abgesprengt und ins Innere der Blutzellen verlagert sind. 

Statt ganz frisch abgelassenen Blutes habe ich für die 
Färbung mit Gentianaviolett mitunter auch solches benutzt, 
welches ich vorher zu Isolationsversuchen des Randreifens mit 
3proz. Köchsalzlösung gemischt hatte. Bezüglich des Rand- 
reifens ist das Resultat dasselbe: Fig. 29 und 30. 

Nicht selten beobachtet man bei den mit Gentianaviolett- 
lösung behandelten Blutzellen an einem oder auch (Fig. 31) an 
beiden Polen des Randreifens Schleifenbildungen, welche wahr- 
scheinlich durch eine Torsion desselben (siehe unten S. 520) 
bedingt sind. 

Fig. 32 zeigt eine zuerst in 3proz. Kochsalzlösung suspendiert 
gewesene Blutzelle, welche infolge Zusatzes der wässerigen Farb- 
lösung zur Kugel aufgequollen ist; dabei musste der Randreifen, 
wie geschehen, deformiert werden, weil der Durchmesser der 
entstehenden Kugel kleiner ist als der Längsdurchmesser der 
Blutscheibe. 

Schon vordem ich die Wirkung des Gentianavioletts auf 
die frischen Blutkörperchen kennen gelernt hatte, war es mir 
gelungen, wie ich oben bereits mitgeteilt habe, den Randreifen 


476 Friedrich Meves: 


am fixierten Objekt darzustellen; und zwar hatte ich ihn an 
Schnitten durch die Niere von Salamanderlarven, welche mit 
Flemmingschem oder Hermannschem Gemisch fixiert waren, 
mittels der Flemmingschen Dreifachbehandlung (Safranin- 
(sentiana-Orange) gefärbt erhalten. In diesen Schnitten fanden 
sich die Blutzellen der Fig. 33 und 34, während die in Fig. 35 
gezeichnete Zelle aus einem in gleicher Weise behandelten Flächen- 
präparat von Lungenwand, ebenfalls von der Salamanderlarve, 
stammt. In Fig. 33 erscheint der Randreifen kompakt, in Fig. 34 
und 35 dagegen ist seine fibrilläre Zusammensetzung deutlich 
erkennbar. In Fig. 35 hat sich die Zelloberfläche vom Rand- 
reifen abgehoben; dieser ist dadurch ins Innere des Zellkörpers 
verlagert. 

Schliesslich habe ich in Fig. 36 und 37 noch zwei Blut- 
zellen von Rana esculenta abgebildet, in welchen der Randreifen 
durch Gentianaviolett zur Darstellung gebracht ist. Fig. 36 ist 
eine rote Blutzelle. welche vor der Behandlung mit Gentiana- 
violett eine Zeitlang in 3 proz. Kochsalzlösung suspendiert gehalten 
wurde. Die Zelle der Fig. 37, auf welche die wässerige (Grentiana- 
violettlösung direkt eingewirkt hat, ist zunächst aufgequollen, 
was eine Deformierung des Randreifens zur Folge hatte, und 
hinterher geplatzt, wobei der Kern mit etwas Zellsubstanz aus- 
gestossen wurde. 


Weidenreich hat die Fıbrillen des Randreifens anfänglich 
(1904 und 1905, 1) für Falten einer Oberflächenmembran erklärt, die 
durch einen Schrumpfungsvorgang entstanden sein sollten, welcher 
durch den Zusatz der wässerigen Gentianalösung verursacht würde. 
Dabei konstatiert Weidenreich selbst (1905, 1, S. 275), dass „der 
Randreifen“ nicht bloss an den zunächst vom Reagens betroffenen 
Zellen, sondern auch „an der Grenze des vordringenden Reagens“ 
„am anscheinend intakten Blutkörperchen auftritt“. welches sein 
Hämoglobin noch nicht abgegeben hat. An diesem kann aber doch 
ganz gewiss von „Schrumpfung“ keine Rede sein. Es bleibt ferner 
völlig unverständlich, warum die Falten ausschliesslich am Rande 
«der Scheiben entstehen sollten. Von diesem allen abgesehen kann 
auf Grund des mikroskopischen Bildes — selbst wenn man sich 
auf Gentianaviolettpräparate von frischem Blut beschränkt — an 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 477 


der Fibrillennatur der „Linienzeichnung“ nicht der geringste 
Zweifel obwalten. Es ist völlig ausgeschlossen, dass Membran- 
falten sich in Form so feiner und scharf gefärbter Linien wie 
z. B. in Fig. 23 präsentieren könnten. Mit Hilfe einer guten 
Immersion kann man sich ferner (nicht bloss in Kanten-, sondern 
auch in Flächenansichten der Blutkörperchen) mit Leichtigkeit 
davon überzeugen, dass der Reifen nicht „nur eine Öberflächen- 
bildung“ ist, sondern dass ein Teil der Fibrillen deutlich im Innern 
des Blutscheibenrandes gelegen ist. Schliesslich sind Bilder von 
deformierten Randreifen, wie ich sie in den Gentianaviolett- 
präparaten häufig finde (Fig. 31 und 32), mit der Weiden- 
reichschen Annahme absolut unvereinbar. 

Weidenreich hatsich denn auch veranlasst gesehen, seine 
Auffassung später (1905, 3 und 4) selbst zu berichtigen,') nachdem 
ihm auf der Genfer Anatomenversammlung (August 1905) Präparate 
von drei Seiten zugleich, ausser von mir auch von Bryce und 
Joseph, vorgelegt waren. 

Die beiden letzteren Autoren haben meine Darstellung völlig 
bestätigt. Bryce (1904) findet an Schnitten durch Lepidosiren- 
larven, dass das Aussehen des Randreifens in Flächenansichten 
der roten Blutkörperchen „distinetly fibrillar“ ist und dass die 
Fibrillen an Querschnitten ?) als feine gefärbte Punkte erscheinen. 
Joseph (1905) teilt mit, dass die faserige Natur des Randreifens 
an Schnitten durch die roten Blutkörperchen von Proteus „in 
ausgezeichneter Weise ersichtlich“ ist. „Gleichzeitig sind auf der 
Fläche der Erythrocyten keinerlei Linien zu sehen, welche etwa 
mit den Membranfalten Weidenreichs identisch sein könnten.“ 


83. Der/Körnerbelag des Randreifens. 


Eine weitere Struktureigentümlichkeit des Randreifens lässt 
sich auf folgende Weise sichtbar machen. Man setzt auf einen 
Objektträger nebeneinander einen Tropfen Blut des Salamanders 
und einen Tropfen einer 0,9proz. Chlornatriumlösung, welche 
auf 100 ccm 3—4 Tropfen Salpetersäure von 1,4 spezifischem 

) Weidenreich (1905, 4 S. 401) leitet diese Berichtigung mit den 
Worten ein, er habe seine Auffassung „in etwas zu modifizieren“ (!). 

?) Solche Querschnitte lagen mir an meinen Schnitten durch die Niere 


der Salamanderlarve, aus denen die Blutkörperchen der Fig. 35 und 34 stammen, 
gleichfalls vor. 


478 Friedrich Meves: 


Gewicht enthält, deckt beide Tropfen zusammen ein und umzieht 
das Deckglas mit einem Rand von geschmolzenem Paraffın. 

Die Blutkörperchen, welche am Berührungsrand von Blut 
und Reagens liegen, quellen alsdann auf und verlieren ihr Hämo- 
globin. Der Randreifen tritt deutlich hervor. In Kantenansichten 
nimmt man wahr, dass die beiden Oberflächen der Blutzelle sich 
beiderseits stark vorgebuchtet haben. Der Randreifen erscheint 
wie ein Schnürring, welcher um die Blutzelle herumgelegt ist; 
man hat den Eindruck (Weidenreich, 1905, 1,8. 276), als ob 
das Blutkörperchen „aus zwei Hälften zusammengefügt wäre, die 
an den Vereinigungsstellen verdickt vorspringen, wie etwa die 
Schalen einer Nuss“ (Walnuss). 

Diese Bilder kommen offenbar dadurch zustande, dass die 
Niederschlagsmembran, welche sich bei der Berührung mit der 
Säure bildet, am Rande der Blutkörperchen mit der nach aussen 
gekehrten Oberfläche des Reifens verklebt und hier auch dann 
noch fixiert bleibt, wenn die Blutzelle aufquillt. 

Untersucht man nun den Randreifen mit Hilfe einer Immersion, 
so lässt er von der oben beschriebenen Zusammensetzung aus 
Fibrillen nichts wahrnehmen, sondern zeigt, besonders in Kanten- 
ansichten (Fig. 38), ein körniges Aussehen. Welches Struktur- 
verhältnis diesem körnigen Aussehen zugrunde liegt, habe ich 
1904, 2 nicht sofort erkannt, sondern erst später (1905, 2), als 
ich die roten Blutkörperchen von Amphibien nach dem Vorgang 
von Lavdowsky mit gefärbter Jodsäure behandelte. 

Lavdowsky hatte 1893 mitgeteilt, dass Jodsäure in Ver- 
bindung mit einigen Farbstoften, besonders Neuviktoriagrün oder 
Methylviolett 6 B, in eigenartiger Weise auf die roten Blut- 
körperchen einwirkt. Seine Behandlungsmethode bestand in 
folgendem. Er setzte auf den Objektträger einen grossen Tropfen 
einer 2--4proz. ‚Jodsäure, vermischte ihn: mit einem kleinen 
Tropfen von Neuviktoriagrün oder Methylviolett 6 B, brachte in 
die Mischung einen Blutstropfen, verrührte ihn damit und deckte 
ein. Wendet man diese Methode auf das Blut des Frosches 
(Rana temporaria) an, so beobachtet man nach Lavdowsky im 
ersten Augenblicke ein starkes und rapides Aufquellen der roten 
Blutkörperchen, und zwar quellen sie so regelmässig auf, dass 
die relativen Verhältnisse der verschiedenen Durchmesser ganz 
unverändert bleiben. Sie sind zunächst in ihrer Totalität grün 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 479 


bezw. lila gefärbt. Sehr bald, namentlich im Verlaufe der ersten 
Minute, entfärben sie sich, „mit Ausnahme der Kerne und der 
sogenannten Membran, wo sich die Farbe vornehmlich lokalisiert“. 

„Die Membranschicht erscheint gleich Ringen und Reifen 
um die einzelnen Körperchen; sie ist anfänglich unversehrt, ganz 
kompakt. Aber schon nach der ersten Minute der Jodsäure- 
wirkung bemerkt man unter Aufquellen der Körperchen folgende 
interessante Erscheinung. ...“ Die Membranschicht wird durch 
auftretende Lücken in „stäbchenförmige Stückchen“ geteilt. Die 
Lücken dehnen sich um so mehr aus, je mehr die Blutkörperchen 
selbst aufschwellen. Endlich platzen sämtliche Blutkörperchen. 
Die Stäbchen zeigen jedoch keine Neigung abzufallen oder sich 
abzutrennen, sie verbleiben vielmehr an ihrer Stelle. 

Bei einer Nachprüfung mit der von Lavdowsky angegebenen 
Methode an den roten Blutkörperchen des Frosches überzeugte 
ich mich nun leicht, dass es sich bei der Membran, welche 
Lavdowsky hier gesehen haben will, nicht um eine solche handelt, 
sondern um ein Band, welches um den Rand der Blutkörperchen 
herumgelegt ist. Der erste Gedanke, der sich mir aufdrängte, war 
der, dass dieses Band mit dem Randreifen der roten Blutkörperchen 
identisch sei. Ich erkannte aber sehr bald, besonders als ich die Blut- 
körperchen des Salamanders zur Untersuchung heranzog, dass der 
eigentliche Randreifen noch innen von diesem Bande gelegen ist, 
bezw. dass das Band die äussere konvexe Seite des Randreifens 
bedeckt. Das Band stellt einen platten, ca. 11/.—2 u breiten Streifen 
dar. Man sieht es von der Fläche, wenn die Blutscheibe auf der Kante 
steht, und konstatiert dann, dass es sich aus zahlreichen, sehr 
kleinen Körnchen zusammensetzt (Fig. 45); die Körnchen sind es, 
welche sich intensiv grün oder violett färben. In Flächenansichten 
der Blutkörperchen erscheint das Band als Linie oder (Fig. 44) 
als Körnerreihe. Wenn infolge der Jodsäurewirkung eine starke 
Erweiterung der Blutscheibe eintritt, wird es durch quere Lücken, 
welche in kurzen Abständen voneinander auftreten, in zahlreiche 
Stückchen zerlegt. Bei den Blutkörperchen, welche in Fig. 44, 45 
wiedergegeben sind, hatte ich eine stärkere Erweiterung dadurch 
verhindert, dass ich zu der Jodsäure Chlornatrium zugesetzt hatte. 

Das gleiche Körnerband kann man durch die gleiche Methode 
an den roten Blutkörperchen des Salamanders dargestellt erhalten 
(Fig. 46, 47). 


430 Friedrich Meves: 


Auf sein Vorhandensein ist auch das körnige Aussehen des 
Randreitens bei der Behandlung mit verdünnter Salpetersäure 
(siehe oben) zurückzuführen. Der Körnerbelag findet sich nämlich 
auf der ganzen nach aussen gekehrten Oberfläche des Randreifens, 
welcher ausserdem nur noch von einer Zellsubstanzschicht von 
minimaler Dicke überzogen ist. Unter der Einwirkung der Jod- 
säure quillt der Randreifen auf; dadurch wird der scharfe Rand 
der Blutscheibe abgeplattet und der Körnerbelag in Form eines 
Bandes in einer Ebene ausgebreitet. 


4. Die Quermembranen des Randreifens. 

Deckt man einen Tropfen Salamanderblut zusammen mit 
einem Tropfen einer 0,9—1»roz. Kochsalzlösung ein, welcher 
man auf 100 cem 30 Tropfen Salpetersäure von 1,4 spez. Gewicht 
zugefügt hat, so erscheint nach einiger Zeit der Randreifen in 
denjenigen Zellen, welche am Berührungsrand zwischen Blut und 
Reagens liegen. durch Quellung'!) auf das 2—3—4fache seines 
Dickendurchmessers verbreitert (Fig. 39—43). Die starken Grade 
der Quellung (Fig. 41—43) gehen mit einer nicht unerheblichen 
Verkürzung des Randreifens einher. Die zweilappige Form des 
Blutkörperchens, welche schon bei Einwirkung schwächerer 
Salpetersäure hervortrat (siehe oben), wird dadurch noch viel 
ausgesprochener; sie macht sich auch in Flächenansichten (vgl. 
besonders Fig. 42?)) deutlich bemerkbar. Der Randreifen weist 
nunmehr eine etwas verwaschene Längsstreifung und ausserdem 
ca. 30—40 sehr deutliche Querlinien auf, welche sich 
mit dem Blutfarbstoff ziemlich intensiv tingiert haben. Der Ab- 
stand der @Querlinien voneinander ist etwas verschieden, ihre 
Richtung häufig unregelmässig. Vielfach sieht man die Querlinien 
in nebeneinander liegende Körnchen aufgelöst. Am deutlichsten 
ist dies, wenn der Randreifen stark gequollen ist; die Körnchen 
erscheinen alsdann als Verdickungen der Fibrillen, welche den 
Randreifen bilden. 

Durch Heben und Senken der Schraube kann man fest- 
stellen, dass die Querlinien der Ausdruck von Membranen sind, 

3) Es kann sich entweder um eine Quellung der Fibrillen oder einer 
sie verbindenden Kittsubstanz oder um beides handeln. 

?) Die in Fig. 42 den Randreifen umgebende Zone entspricht der 


unteren Hälfte des durch den Randreifen eingeschnürten Blutkörperchens, 
welche beim Senken des Tubus den Randreifen überragt. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 481 


welche den Randreifen durchsetzen; unvollständig ausgebildete 
Quermembranen sind häufig. 

Die Darstellung der Quermembranen durch Salpetersäure- 
Kochsalz scheint übrigens noch leichter bei Anwesenheit von 
etwas Sublimat zu gelingen. Ich habe später mit besonders 
gutem Erfolg eine Flüssigkeit von folgender Zusammensetzung 
angewendet: Salpetersäure von 1,4 spez. Gewicht 24—30 Tropfen, 
Chlornatrium 1,5—2proz. 50 cem. Sublimat 1proz. 50 cem. 

In ähnlicher Weise wie Salpetersäure von der angegebenen 
Konzentration wirkt eine 2—3proz. Jodsäure, zu welcher man 
gleichfalls, um eine stärkere Erweiterung der Blutscheiben zu 
verhindern, 1 Proz. Chlornatrium hinzufügen kann. Mischt man 
die Jodsäure-Kochsalzlösung mit etwas Neuviktoriagrün oder 
Methylviolett, so kann man die Quermembranen gefärbt 
erhalten (Fig. 46, 49).') 

Gelegentlich habe ich noch eine dritte Methode aufgefunden, 
welche zur Darstellung der Quermembranen geeignet ist und 
welche vor den beiden ersten den Vorzug hat, dass sie Dauer- 
präparate liefert. 

Um die Vorgänge zu studieren, welche bei der Gerinnung 
des Salamanderblutes auftreten, hatte ich (1906, 2) Blut in 
dünner Schicht auf dem Öbjektträger ausgebreitet, in einer 
feuchten Kammer verschieden lange Zeit (einige Minuten bis zu 
einer halben Stunde) sich selbst überlassen und dann mit 
schwachem Flemmingschen Gemisch,?) dem ich 1 Proz. Kochsalz 
zugesetzt hatte, fixiert. Nach Auswaschen der Präparate in 
tliessendem Wasser hatte ich sie teils einer Doppelfärbung mit 
Safranin und Delafieldschem Hämatoxylin. teils der Flem- 
mingschen Dreifachbehandlung (Safranin-Gentiana-OÖrange) unter- 
worfen. Bei der ersteren Färbung verfuhr ich in der Weise, dass 


!) Bei den Präparaten, nach welchen Fig. 46 und 47 gezeichnet 
sind, hatte ich den Kochsalzzusatz zur Jodsäure weggelassen und infolge- 
dessen eine starke Erweiterung der Blutscheiben im Längs- nnd Breiten- 
durchmesser erhalten. Statt Neuviktoriagrün oder Methylviolett kann man 
auch Dahlia anwenden, wie es bei derjenigen Blutzelle geschehen war, nach 
welcher die Fig. 3 auf S. 102 vom Band 26 des Anatomischen Anzeigers 
gezeichnet ist. Bei Benutzung von Dahlia darf der Jodsäure kein Kochsalz 
zugesetzt werden, weil dieses mit Dahlia einen Niederschlag gibt. 

?) 1proz. Chromsäure 25 cem, 1 proz. Osmiumsäure 10 ccm, 1 proz. 
Essigsäure 10 ccm, dest. Wasser 55 ccm. 


482 Friedrich Meves: 


ich zunächst eine I proz. wässerige Safraninlösung ca. 24 Stunden 
einwirken liess, dann mit neutralem Alkohol extrahierte und 
schliesslich ca. 6—12 Stunden mit stark verdünntem Dela- 
fieldschen Hämatoxylin nachfärbte.e Die Flemmingsche 
Dreifachbehandlung habe ich im wesentlichen nach der von 
Flemming gegebenen Vorschrift ') ausgeführt; jedoch habe ich 
vor dem Einschluss in Kanadabalsam stets noch erst ca. eine 
halbe Stunde mit Nelkenöl „differenziert“. 

Wenn man nun Präparate, welche in der beschriebenen 
Weise hergerichtet sind, unter das Mikroskop bringt, konstatiert 
man. dass nur ein Teil der roten Blutkörperchen ihre Gestalt 
unverändert bewahrt haben. Andere sind in verschiedenen Zu- 
ständen der Deformation (siehe unten S. 506) fixiert; noch andere, 
die (bei längerem Aufenthalt des Blutes in der feuchten Kammer) 
wieder zur elliptischen Form zurückgekehrt sind, zeigen am 
Rande hell aussehende verdünnte Stellen, besonders in der Nähe 
des einen Poles. 

Der Randreifen ist ausser an diesen Stellen in den ellip- 
tischen Blutkörperchen nirgends wahrnehmbar; er wird offenbar 
durch das gefärbte Hämoglobin verdeckt. Dagegen treten die 
(Juermembranen nach beiden Färbungen am ganzen Rand der 
sämtlichen Blutscheiben deutlich hervor. Nach der Doppelfärbung 
mit Safranin und Delafieldschem Hämatoxylin zeigen sie ein 
dunkles Aussehen (Textfig. I). Bei Anwendung der Dreifach- 
behandlung dagegen mit nachheriger Differenzierung in Nelkenöl 
sieht man sie gleichsam im Negativbild; sie haben sämtlichen 
Farbstoff abgegeben und erscheinen nunmehr hell auf stark blau- 
rotem Grunde; die Fibrillen des Randreifens sind an Stelle der 
(Juermembranen ebenfalls entfärbt und nicht sichtbar (Textfig. I ?)). 

3eim ersten Anblick der hellen Querlinien in Fig. II könnte 
man glauben, dass es sich um radiale Sprünge (Risse) der Blut- 
scheibe handelt. Dass davon nicht die Rede sein kann, erkennt 
man bei etwas genauerer Betrachtung schon daran, dass ein 
Teil der Querlinien (in Fig. II besonders oben) kurz vor dem Rand 
aufhören. 


!) Vgl. Enceyklopädie der mikroskopischen Technik, Berlin 1910. 

?), Bei den roten Blutkörperchen, welche ich 1906, 2 auf Taf. 24 
und 25 abgebildet habe, waren die Quermembranen des Randreifens ebenfalls 
sichtbar, sind aber nicht mitgezeichnet. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 485 


Was die Natur der Quermembranen anlangt, so habe ich 
schon früher die Vermutung ausgesprochen, dass sie sich aus 
„Plastochondrien“ („Mitochondrien“) zusammensetzen. Sie scheinen 
nämlich aus derselben Substanz zu bestehen wie die unten zu 
besprechenden, im Innern der Zellsubstanz gelegenen Fäden, 
welehe ich mit Bestimmtheit als „Plastokonten“ in Anspruch 
nehmen möchte (siehe unten S. 494). 


Die Bedeutung der Quermembranen sehe ich darin, dass 
sie dazu dienen, nach Art von @Queranastomosen die Fibrillen 
des Randreifens zu vereinigen und zusammenzuhalten. Ihre Auf- 
gabe ist demnach dieselbe, wie sie den Krauseschen Membranen 
der quergestreiften ° Muskelfaser nach Ranvıer (1375), 
M. Heidenhain (1899) u. a. mit Rücksicht auf die Muskel- 
firillen zukommt. Nach M. Heidenhain (l. e., S. 49) scheint 
ein allgemeines Strukturprinzip darin gegeben zu sein, dass, wo 
immer parallel gerichtete Faserzüge vorkommen, diese von 
ähnlichen Systemen senkrecht überkreuzt werden. 


Weidenreich ist es nicht gelungen, die Quermembranen 
des Randreifens durch Zusatz von Salpetersäure darzustellen. 
Er sagt 1905, 1, S.276: „Trotzdem ich die Mevessche Angabe 
hinsichtlich der Untersuchungsmethode genau befolgt habe, ist 
es mir nicht geglückt, Bilder zu erhalten, die auf diese Schilde- 
rung irgendwie gepasst hätten, und ich sehe mich ausserstande, 
meine Befunde mit der Beschreibung, wie Meves sie gibt, in 


Einklang zu bringen.“ 
Archiv f.mikr Anat. Bd.77. Abt.l. 33 


484 Friedrich Meves: 


Meinerseits Kann. ich nicht zugeben, dass dieses erste von 
mir angegebene Verfahren zur Darstellung der Quermembranen 
eine besondere Kunstfertigkeit erfordert. Aus der Beschreibung 
und den Figuren Weidenreichs scheint mir hervorzugehen, 
dass er ausschliesslich diejenigen Bilder zu Gesicht bekommen 
hat, welche ich selbst durch Einwirkung der schwächeren Salpeter- 
säure erhalten habe. Ich möchte daher annehmen, dass die von 
ihm angewandte Lösung nicht stark genug war; vielleicht hat 
er sie auch nicht lange genug wirken lassen. 

Eine Bestätigung meiner Beobachtung gibt M. Heiden- 
hain (1911, 5.1062). Er hat „die radialen Querdurchzüge des 
Randreifens“, wie er sagt, „gelegentlich bei den Blutkörperchen 
des erwachsenen Salamanders (Sublimat-Osmiumsäure, Eisen- 
hämatoxylin) sehr schön vor Augen bekommen; sie treten in 
etwas wechselnder Anordnung auf und färben sich tintenschwarz“. 


- 


5. Die Bedeutung des Randreifens. 


Ein genaueres Studium der Amphibienblutkörperchen erhebt 
es über jeden Zweifel, dass wir. in dem Randreifen ein festes 
und elastisches Gebilde vor uns haben, und dass der Rand- 
reifen es ist, welcher die Form der roten Blutkörperchen bedingt. 

Als Beweis dafür können diejenigen Bilder dienen, welche 
bei Läsionen des Randreifens auftreten. 


Läsionen des Randreifens beobachtet man gar nicht selten in Präparaten 
von frischem Blut, häufiger nach Reagentienwirkung, z. B. wenn man die 
roten Blutkörperchen mit einer 3proz. Lösung von Küchenkochsalz be- 
handelt hat. 

Sehr gewöhnlich sind vollständige Zerreissungen des Randreifens. 
Meistens entfernen sich beide Enden voneinander; der Randreifen nimmt die 
Form eines spitzen oder stumpfen Winkels an, dessen Schenkel in Gestalt 
zweier Fortsätze aus der sich kugelig abrundenden Zellsubstanz heraus- 
ragen. Eine hierher gehörige Abbildung hat Preyer 1864 in seiner Fig. 13 
gegeben. Zuweilen streckt sich der zerrissene Randreifen ganz gerade, die 
rote Blutzelle erhält dann die Gestalt einer Spindel, deren Enden in einen 
Faden ausgehen. 

Bei einer Kontinuitätstrennung des Randreifens an zwei Stellen 
entsteht ein Bild, wie Preyer es in seiner Fig. 29b abbildet. 

Sodann finden sich Blutkörperchen, deren einer Pol in einen ver- 
schieden langen Fortsatz ausläuft. Dieser gehört dem Randreifen an und 
ist wahrscheinlich durch Knickung und Verklebung der der Knickungsstelle 
zunächst liegenden Teile des Randreifens entstanden. Der Fortsatz endet 
meist zugespitzt, manchmal auch kolbig, zuweilen zeigt er an seinem Ende 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 485 


cine dendritische Verzweigung, wie Knoll (1896) es in der Fig. 22 seiner 
Taf. I wiedergegeben hat. Das Auftreten derartiger Verzweigungen, die 
mehr oder minder reichlich sein können, hängt wahrscheinlich mit der 
fibrillären Struktur des Randreifens zusammen. 

Man trifft weiter Blutscheiben, welche an dem einen Pol zwei feine, 
in tangentialer Richtung abgehende Spitzchen zeigen, die sich nach den 
gegenüberliegenden Seiten erstrecken und sich in der verlängerten Längs- 
achse der Scheibe kreuzen. Die Spitzchen stellen anscheinend die Enden 
von Fibrillenbündeln dar, welche an zwei Stellen aus dem Randreifen aus- 
gebrochen sind. 


Würde der Randreifen fehlen, so würde die Zelle wie eine 
in Alkohol-Wasser schwebende Ölmasse der Wirkung der Ober- 
flächenspannung folgen und sich zu einer Kugel abrunden. 

Es ist das Verdienst von Koltzoff (1903, 1906), gezeigt 
zu haben, dass in vielen Fällen, wo die Gestalt einer Zelle oder 
irgend eines Zellorgans von der kugeligen abweicht, feste Gebilde, 
in erster Linie elastische Fasern, eine wichtige Rolle spielen. 
Koltzoff demonstriert dieses eingehend an den komplizierten 
Formen der Krebsspermien und tut dann auch des Randreifens 
der roten Blutkörperchen Erwähnung, von dem er sagt, dass sein 
Vorhandensein genügt, um die Form der Blutzelle zu erklären. 

Es ist bekannt, dass die roten Blutkörperchen infolge 
mechanischer Einwirkung, sei es innerhalb des Körpers, sei es 
ausserhalb desselben, ihre Form passiv ändern können, dass sie 
aber, sobald der Zwang aufhört, ihre ursprüngliche Gestalt sofort 
wieder annehmen. Die Möglichkeit dazu ist in erster Linie 
durch die dem Randreifen innewohnende Elastizität gegeben, 
vermöge deren er in seinen natürlichen Zustand zurückkehrt; 
zweitens ist die Oberflächenspannung wirksam, um die gesetz- 
mässige Verteilung der Zellsubstanz wieder herbeizuführen, 
eventuell auch, um den Kern in seine frühere Lage zurück- 
zubringen. 

Die durch den Randreifen verursachte Scheibenform der 
roten Blutzelle muss nämlich auch auf die Lage des Kerns 
bestimmend einwirken. 

Ein Blutkörperchen von Salamandra maculosa oder Rana escu- 
lenta ist auf einem durch die längste Achse gehenden optischen Durch- 
schnitt spindelförmig (Textfig. VIla und VIlla); die Mitte der Spindel 
wird durch den Kern eingenommen, welcher die Oberfläche beider- 
seits berührt, zuweilen sogar etwas vorbuchtet; bei Rana tempo- 
raria werden beide Flächen durch den Kern deutlich vorgewölbt. 

33* 


486 Friedrich Meyes: 


Der Kern könnte nun in seine zentrale Lage ausschliesslich 
durch die Oberflächenspannung hineingebracht sein und in ihr 
erhalten werden. Die Öberflächenspannung wirkt, als wenn an 
der Oberfläche der Zellsubstanz eine elastische Schicht vorhanden 
wäre, welche dahin strebt, so klein wie möglich zu werden. Ein 
Minimum der Oberfläche ist aber, wie mir von kompetenter Seite 
mitgeteilt wird, nach mathematischen Gesetzen dann vorhanden, 
wenn die Oberfläche möglichst symmetrisch ist; letzteres ist unter 
den gegebenen Umständen bei zentraler Lage des Kerns der Fall. 


II. Zur Membranfrage. 


Was die Frage nach dem Vorhandensein einer Membran 
anlangt, so vertrete ich mit Entschiedenheit den Standpunkt, 
dass den roten Blutkörperchen der Amphibien eine solche nicht 
zukommt.') 

Verschiedene Autoren, die hier eine Membran beschrieben 
haben, sind offenbar durch den Randreifen irregeführt worden; 
so z.B. Ranvier (1875, S. 7), wenn er sagt, dass die Blut- 
körperchen der Amphibien nach dem Zusatz verschiedener 
Reagentien einen doppelten peripheren Kontur erkennen lassen, 
welcher so deutlich ist, dass man berechtigt ist, ihnen eine 
(Grenzschicht von beträchtlicher Dicke zuzuschreiben: H.D. Schmidt 
(1578, S. 64), nach welchem das Protoplasma der roten Blut- 
körperchen von Amphiuma sich in beschränkter Ausdehnung 
durch spontane Kontraktion oder unter dem Einfluss bestimmter 
Rheagentien von der umhüllenden Membran trennen kann; 


!) Von den Säugetierblutkörperchen dagegen nehme ich an, dass sie 
eine membranartige Wandschicht besitzen. Diese lässt sich durch Gentiana- 
violett am Trockenpräparat (Deetjen, 1901) und am frischen Blut (Meves, 
1903) färben. Ich finde, wie ich 1903, S. 213 mitgeteilt habe, dass sie von 
einer grossen Anzahl von Löchern oder Poren durchsetzt wird. Von dieser 
Membran ist mir wahrscheinlich, dass sie eine festere Beschaffenheit hat 
und die bikonkave Form der Säugetiererythrocyten bedingt. Dass die 
Säugetiererythrocyten entsprechend einer Behauptung von Weidenreich 
„glockenförmig“ seien, hat zwar nicht nur bei vielen Hämatologen, sondern 
auch sogar in histologische Lehrbücher Eingang gefunden, ist aber nichts- 
destoweniger, wie ich mich durch Beobachtung des in den Kapillaren 
kreisenden Blutes überzeugt habe, vollständig irrtümlich (vgl. auch 
J. Jolly, Sur quelques points de la morphologie du sang etudies par 
l’observation de la circulation dans l’aile de la Chauve-souris, Archives 
d’anatomie microsc., t. XI, 1909). 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 487 


Auerbach (1890, S. 573), welcher die Blutkörperchen der 
Batrachier als ein „‚sprechendes Beispiel“ dafür bezeichnet, dass 
eine Zellmembran auch einzelnen Arten tierischer Zellen zu- 
kommen kann. 

Lavdowsky (1593) dagegen, welcher Froschblutkörperchen 
mit gefärbter Jodsäure behandelte, hat nicht den Randreifen 
selbst, sondern, wie ich oben gezeigt habe, ein Körnerband, 
welches die konvexe Seite des Randreifens bedeckt, als Membran 
beschrieben. 

Neuerdings tritt Weidenreich (1903, S. 488 u. a. a. 0.) 
für das Vorhandensein einer Membran bei den Amphibienblut- 
körperchen ein, und zwar findet er diese Annahme durch ein 
paar nicht gerade neue Versuche (Zusatz von Wasser und von 
Tanninlösung) „so klar bewiesen“, dass er seine „Verwunderung 
darüber aussprechen muss, wie man nur einen Augenblick sich 
darüber täuschen konnte“. 

Gegen die Präexistenz der auf diese Weise nachweisbaren 
Membranen ist nun aber bekanntlich schon häufig eingewandt 
worden, was auch von den Membrananhängern meistens bereit- 
willig zugegeben wird, dass sie Niederschlagsmembranen sein 
könnten. 

Weidenreich glaubt allerdings jeden Widerspruch gegen 
die Anwesenheit einer Membran zum Schweigen bringen zu 
können, indem er darauf hinweist, er habe sich mit seiner An- 
sicht, dass die roten Blutkörperchen eine Membran besitzen, 
„ganz auf den Boden der modernen Physiologie gestellt“, die „zur 
Erklärung der osmotischen Druckphänomene“ diese Annahme 
mache (1904, S. 21 und an anderen Stellen) }). 

Es lässt sich nun aber leicht zeigen, dass hier ein Miss- 
verständnis zugrunde liegt. Weidenreich verwechselt histo- 
logische Membran und „Plasmamembran“. 


') Ich zitiere aus Abhandlungen Weidenreichs noch folgende Sätze: 

1904. S. 34. „Die modernen Lehren der physikalischen Chemie, der 
Nachweis, dass der osmotische Druck eine so wichtige Rolle in der Physiologie 
der Blutzelle spielt, zwingen mit absoluter Notwendigkeit dazu, eine dichtere 
Oberflächenschicht als äussere Begrenzung anzunehmen.“ 

1904, S. 39. „Die Lehre vom osmotischen Druck macht die Annahme 
einer äusseren Begrenzung notwendig.“ 

1904, 5.54. „Ich kann es mir nicht versagen, nochmals auf die 
grosse Inkonsequenz hinzuweisen, die darin besteht, dass man gezwungen 


488 Friedrich Meves: 


Pfeffer (1577) nimmt bekanntlich an, dass das Protoplasma 
an seiner Oberfläche von einer „Plasmahaut“ oder „Plasmamembran“ 
bekleidet ist, welche über Aufnahme oder Nichtaufnahme einer 
gelösten Substanz entscheidet. Eine solche Plasmahaut würde 
sich nach Pfeffer an allen pflanzlichen Protoplasmakörpern 
finden, mögen sie ausserdem noch von einer Cellulosemembran 
bekleidet sein oder nicht; ebenso aber auch an Amöben, Rhizopoden 
und an den Leukocyten des Blutes, also an Zelleibern, welche 
die Tierhistologie als nackt oder membranlos bezeichnet. — Die 
Plasmahaut besitzt im allgemeinen nur „minimale und unmessbare 
Dicke“ : „zur Erreichung der diosmotischen Erfolge reicht theoretisch 
eine einfache oder doppelte Molekularschicht aus“ (Pfeffer, 1597, 
S. 95). — Bei Durchschneidung eines Myxomyceten wird die 
Plasmahaut an der Schnittfläche aus dem Cytoplasma heraus neu- 
gebildet (Pfeffer, 1891, S. 193). 

Es ist demnach klar, dass diese Plasmahaut oder Plasma- 
membran etwas ganz anderes ist als die viel umstrittene histo- 
logische Membran oder auch nur erusta der roten Blutkörperchen. 
Die roten Blutkörperchen der Amphibien haben selbstverständlich, 
wenn wir die Pfeffersche Hypothese akzeptieren, ebenfalls eine 
Plasmahaut; sie könnten aber darum nichtsdestoweniger im histo- 
logischen Sinne ebenso nackt oder membranlos sein wie z.B. 
die Leukoeyten. 

Von der Plasmahaut pflanzlicher Zellen hat Overton (1900) 
die weitere Hypothese begründet, dass sie mit fettartigen Stoffen 
imprägniert sei. Albrecht (1905) hat diese Vorstellung auf 
(Grund mikroskopischer Beobachtungen, Koeppe (1904) gestützt 
auf physiologische Experimente, auf die Plasmahaut der roten 
Blutkörperchen zu übertragen gesucht. 


Mit Bezug auf dievon Albrecht beobachteten Erscheinungen 
(bei Erwärmung, Zusatz von Kalilauge etc.) möchte ich bemerken, 


durch die modernen Lehren der Osmose, eine Oberflächenschicht, eine crusta 
annimmt, im gleichen Atemzug aber behauptet, dass die Abschnürungsvor- 
gänge und die Verschmelzung von Blutkörperchen gegen eine Membran 
sprechen.“ 

1905, 2, S. 95: „Die Membran, die die moderne Physiologie als not- 
wendiges Postulat zur Erklärung der osmotischen Druckphänomene der 
roten Blutkörperchen fordert, lässt sich mit histologischen Hilfsmitteln mit 
Sicherheit nachweisen.“ 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 489 


dass sie mir die von ihm gezogenen Schlüsse durchaus nicht zu 
fordern scheinen. 

Für meine Ansicht, dass an den lebenden roten Blut- 
körperchen der Amphibien eine histologische Membran nicht vor- 
handen ist, berufe ich mich vor allem auf die unter dem Einfluss 
einer 3 proz. Lösung von Küchenkochsalz auftretende Durch- 
lochung der Blutscheiben und auf die weiteren Veränderungen, 
welche sich im Anschluss an die Durchlochung abspielen. Diese 
Erscheinungen sind mit der Annahme einer Membran völlig 
unvereinbar. 

Dagegen bin ich bereit, die Existenz einer dichteren Grenz- 
schicht (erusta) zuzugeben. Die Konsistenz derselben ist aber 
jedenfalls nicht so gross, dass sie den mechanischen Bestrebungen 
der Oberflächenspannung zu widerstehen vermag. 

Auch das von mir 1905, 2 dargestellte Oberflächennetz, welches 
übrigens nicht ganz von dem Verdacht frei ist, ein Fällungs- 
produkt zu sein, muss wohl einen halbflüssigen Agregatzustand 
besitzen. 

Man kann es bei den roten Blutkörperchen des Salamanders, 
nicht bei denen des Frosches, auf folgende Weise sichtbar machen. 
Zu 20 cem einer 4 proz. Jodsäurelösung, welche 1'!/2°/o Chlor- 
natrium enthält, werden 5 cem 2 proz. Osmiumsäure hinzugefügt. 
Ein Tropfen dieses Gemisches wird auf dem Objektträger mit 
einem etwas kleineren Tropfen einer '/2 proz. Lösung von Malachit- 
grün!) vermengt und ein kleiner Tropfen Salamanderblut hinein- 
gerührt. Das Präparat wird eingedeckt und mit einem Paraffın- 
rahmen umzogen. 

Man sieht dann meistens nach einigen Augenblicken an fast 
sämtlichen Blutkörperchen ein scharf gefärbtes Fadennetz hervor- 
treten, welches unmittelbar an der Oberfläche gelegen ist (Fig. 48, 
49). In Flächenansichten der Blutkörperchen erkennt man deutlich, 
dass es über und unter dem Kern wegzieht. Die Maschen des 
Netzes sind unregelmässig, über der Mitte der Blutscheibe enger 
als in der Nähe des Randes. Die Fäden selbst sind fein, überall gleich 
dick, sehen in der Regel homogen, zuweilen aber auch körnig aus 
und zeigen meistens an verschiedenen Stellen Unterbrechungen. 


') Malachitgrün ist der chemischen Formel nach identisch mit Neu- 
viktoriagrün. Der Farbstoff, welchen ich an dieser Stelle verwandt habe, 
war als Malachitgrün von Grübler bezogen. 


490 Friedrich Meves: 


Nicht selten, besonders auch bei abweichender Zusammen- 
setzung des Jodsäuregemisches, sieht es so aus, als wenn das 
Netz zerrissen und von der Oberfläche ins Zellinnere verlagert wäre. 

Ausser dem Oberflächennetz erhält man durch die angegebene 
Methode in vielen Zellen auch noch das Körnerband, die Quer- 
membranen des Randreifens und die intrazellulären Fäden gefärbt 


(Fig. 49). 
III. Binnenstrukturen. 


1. Essen. 


Über Fadenstrukturen in den roten Blutkörperchen von 
Amphibien habe ich (1905, 3) folgende Angaben aus der Literatur 


zusammenstellen können. 

Der erste, welcher dahin gehende Beobachtungen gemacht hat, ist 
Hensen (1862, S. 260); er konnte an frischen Froschblutkörperchen, besonders 
nach Quetschung derselben, eine den Kern umlagernde „körnige Materie“ 
erkennen, von der feinkörnige Fäden nach allen Richtungen ausstrahlen, bis 
sie die Aussenwand erreichen. 

Diese Angabe findet Kneuttinger (1865, S. 20) durch eine Beobachtung 
von Rindfleisch (1863) bestätigt, welcher nach Zusatz von Anilin das 
Austreten eines „Protoplasmaklümpchens“ deutlich gesehen habe; er selbst 
will ähnliche Bilder durch Harnstoff erzielt haben. 

Böttcher (1866, S. 367 ff.) beschreibt Fadenstrukturen an roten 
Blutkörperchen von Triton. Nach Behandlung mit einer !/» proz. Tannin- 
lösung werden die Blutkörperchen kugelig und zeigen einen grossen, unregel- 
mässig konturierten Kern, der mit zahlreichen starren Fortsätzen rundum 
besetzt ist. Die Zahl und Länge der Fortsätze variiert. In einem Teil der 
Blutkörperchen reichen sie bis an die äussere Hülle, die doppelt konturiert 
erscheint, und stellen eine vollständige Verbindung zwischen Kern und Hülle 
her. In anderen Blutkörperchen, in denen sie kürzer sind, liegt der stach- 
lichte Kern allem Anschein nach in einem freien Raume, der von der doppelt 
konturierten Hülle umgrenzt wird. Die einzelnen Fortsätze sind bald in 
ihrer ganzen Länge vom Kern bis zur Hülle von gleicher Dicke, bald innen 
dicker und nach aussen sich zuspitzend; mitunter sind sie auch gegen die 
Peripherie gabelig geteilt. 

Bei der Besprechung der eben geschilderten Bilder weist Böttcher 
auf die Beobachtungen Hensens hin; auf Grund derselben lasse sich der 
Einwand zurückweisen, dass der Stachelbesatz des Kernes, der durch eine 
Tanninlösung sichtbar wird, nicht ursprünglich vorhanden, sondern das 
Produkt einer Gerinnung sei. Im frischen Zustand, sagt Böttcher, haben 
allerdings ohne Zweifel die vom Kern zur Oberfläche verlaufenden Fäden 
nicht die starre Beschaffenheit und grosse Widerstandsfähigkeit wie nach 
Behandlung mit Tannin, sind vielmehr leicht zerstörbar, fliessen zusammen 
und verkürzen sich, so dass man rasch beobachten muss; sie sind aber darum 
nichtsdestoweniger präexistierend. In der Gerbsäure von der angegebenen 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 491 


Konzentration meint Böttcher ein Mittel gefunden zu haben, welches diese 
leicht zerstörbaren Gebilde in den Tritonblutkörperchen derart erstarren 
mache, dass sie aufs deutlichste sichtbar werden. 

Auf Froschblutkörperchen wirkt die Tanninlösung nach Böttcher 
„nicht ganz in derselben Weise“. Zwar hat Böttcher auch an diesen 
einen dicht mit Stacheln besetzten Kern, wie bei den Tritonblutkörperchen, 
gesehen; „allein es waren immer nur einzelne vorhanden, welche sich in der 
beschriebenen Weise verändert zeigten“. 

Nach Kollmann (18753) enthalten die roten Blutkörperchen des 
Frosches „ein dichtes Gefüge von feinen, nur leicht granulierten Eiweiss- 
fäden“, welche zwischen Membran und Kern ausgespannt sind; er beruft 
sich dafür auf die Bilder, welche Kneuttinger durch Harnstoff, Böttcher 
durch Tannin erhalten hat. 

W. Krause (1876, S. 327) hat durch Behandlung eines Blutstropfens 
vom Frosch (noch besser vom Proteus) mit 33 proz. kohlensauren Kali ein 
„radiärfaseriges Stroma“ in den roten Blutkörperchen dargestellt. 

Fuchs (1877, S. 94) hat von dem Gerüstbau der Froschblutkörperchen 
eine ähnliche Vorstellung wie Kollmann, für welche er sich gleichfalls 
auf Böttcher beruft. 

Nach Pfitzner (1883, S. 658 und 681—682) sind die roten Blut- 
zellen der Amphibien ein Objekt, welches das Flemmingsche Mitom der 
Zellsubstanz „in wunderbarer Deutlichkeit“ veranschaulicht. Der ganze 
Zelleib derselben „ist erfüllt von einem Fadenwerk von gleichmässiger Dicke, 
das sich nach aussen an der Zellmembran befestigt“. 

Wenn man das Blut verschiedener Tierspezies, namentlich das der 
Vögel, im Magensaft digeriert, erkennt man nach Mosso (1887, S. 206), 
dass die Blutkörperchen aus einer äusseren Hülle, einer fibrillären, körnigen 
Gerüstsubstanz und einem Kern bestehen. 

Cianci und Angiolella (1887, S. 71) haben ein Netzwerk in den 
Blutkörperchen des Frosches durch Pikrinsäure, Hämatoxylin-Eosin (allein 
oder mit Pikrinsäure kombiniert), durch Fuchsin und durch Anilingrün sichtbar 
machen können. 

H. F. Müller (1889, S. 6) beobachtete an Schnitten von in Chrom- 
säure gehärteter Tritonmilz in den roten Blutzellen ein unregelmässiges 
System feiner Fasern, welche mitunter ein deutliches Netzwerk bildeten. 

Lavdowsky (1893) sah in den Blutkörperchen des Frosches nach 
Behandlung derselben mit 4 proz. Jodsäure und Neuviktoriagrün bezw. Methyl- 
violett 6 B zuerst einige glänzend grüne oder violette Fäden sich entwickeln, 
welche in der Nähe des Kernumfanges ihren Ursprung nahmen, strahlen- 
artig in der Zellsubstanz auseinanderwichen, sich teilten und dann, indem 
sie stellenweise zusammenhingen, ein Netz bildeten. Lavdowsky bezeichnet 
dieses Netz als „zooides“, offenbar, weil er meint, dass es mit dem Brückeschen 
Zooid verglichen werden könne (vgl. 1. c. S.13). Während einiger Zeit fort- 
gesetzte Beobachtung des Netzes ergibt nun nach Lavdowsky, dass es 
seine Gestalt mit jeder Minute verändert. „Namentlich verdicken sich die 
Fäden des Netzes und bilden in den Knotenpunkten unregelmässige, sich 
verästelnde Anhäufungen ihrer Masse. Mit der Zeit werden diese Knoten- 


492 Friedrich Meves: 


punkte noch dicker, die Fäden verdünnen sich aber wieder, verringern sich 
der Zahl nach, indem sie sich, wie es scheint, teils in die Knotenpunkte 
hineinziehen, teils sich loslösen ... .“ Schliesslich ist von dem Netze fast 
gar nichts oder nur ein Rest in Form einer körnigen oder körnig-fädigen 
Masse übrig geblieben. 

Druebin (1893) hat zirkumnukleäre Strahlungen, wie sie Böttcher 
durch Tanninzusatz besonders in den Blutkörperchen von Triton dargestellt 
hat, bei Anwendung von oxalsaurem Ammoniak und Methylenblau auch in 
Froschblutkörperchen durchweg erhalten. 

Hamburger (1898, S. 323 und 1902) kommt durch physikalisch- 
chemische Betrachtungen zu der Vorstellung, dass die roten Blutkörperchen 
ein „protoplasmatisches Netz“ enthalten, in dessen Maschen sich ein ge- 
färbter, mehr oder weniger flüssiger Inhalt befindet. 

Negri (1902) und Rüzi@ka (1903 und 1904) haben Netzstrukturen 
in roten Blutkörperchen von Amphibien nach vitaler Färbung mit Neutral- 
rot bezw. Methylenblau auftreten sehen. 

Negri (1902) hat, nachdem schon vorher von verschiedenen Autoren 
hauptsächlich in Säugetierblutkörperchen eine „chromatophile“ Substanz auf 
dem Wege der supravitalen Färbung mit Methylenblau und Neutralrot dar- 
gestellt worden war, mit Hilfe dieser Methode das Blut von Repräsentanten 
sämtlicher Wirbeltierklassen vergleichend untersucht. Bei Frosch und Triton 
findet er in einem Teil der Blutkörperchen färbbare Körnchen, die entweder 
einzeln im Protoplasma liegen oder zu kleinen Haufen oder kurzen Fäden 
angeordnet sind, in anderen Blutkörperchen dagegen netzförmig miteinander 
anastomosierende Fäden, welche meistens regellos im Zellinnern verteilt sind. 

Rüziäka beschreibt in seiner ersten Mitteilung (1903), bei welcher 
er von der Arbeit Negris noch keine Kenntnis hat, in Froschblutkörperchen 
nach Methylenblaufärbung regelmässige, mit dem Kern in Verbindung 
stehende Netzwerke, welche von glatten und geraden Balken gebildet werden, 
Von diesen Netzwerken sagt er in einer weiteren Publikation (1904), dass 
sie einen „anderen Charakter“ trügen als die von Negri abgebildeten; 
letztere entsprächen einem mehr oder minder veränderten Zustand; solche 
Netze, wie er selbst sie beschrieben habe, seien „nur bald nach Anfertigung 
des Präparates zu sehen“. 

Einige Autoren, welche Fadenstrukturen in Amphibienblutkörperchen 
beobachtet haben, wollen nicht entscheiden, inwieweit es sich dabei um 
Gerinnungserscheinungen oder präformierte Gebilde handelt; so Arnold 
(1897, 8. 476), welcher nach Behandlung mit Jodjodkalilösung neben gekörnten 
Blutkörperchen solche mit mehr fädigem Inhalt beobachtet hat; ferner 
v. Ebner (1902, S. 740), welcher nach Fixierung mit Sublimat, Ohromsalzen 
oder Salpetersäure einen „netzig-wabigen“ Bau erkennen konnte 

Noch andere Autoren haben die von ihnen durch Reagentienzusatz 
sichtbar gemachten Fadenstrukturen direkt für Kunstprodukte erklärt. 

So beobachtete Bergonzini (1890) retikuläre Strukturen in den 
roten Blutkörperchen der Amphibien nach Einwirkung von Anilinfarbstoffen 
(Gentiana- und Methylviolett, Ehrlichscher Triazidlösung), ferner von 
Pikrin-, Chrom- und Salpetersäure, erklärt sie aber für nicht präexistierend. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 493 


Macallum (1892, S. 229) findet, dass das Protoplasma der Blut” 
scheiben von Necturus- und Amblystomalarven bei Anwendung bestimmter 
Fixierungsmethoden retikuliert erscheint; aber die Feinheit und die Anordnung 
der Netzbalken sind je nach der Methode verschieden; was beweist, dass 
das Retikulum ein Artefakt ist. 

Bloch (1901, S. 423) fand beim Frosch, dessen Blut er auf dem 
Deckglas an der Luft trocknen liess und dann mit einer konzentrierten 
wässerigen oder glycerinigen Lösung von Methylenblau tingierte, bei einer 
Anzahl von Blutscheiben um den tiefblau gefärbten Kern herum ein äusserst 
zartes, manchmal ziemlich regulär angeordnetes Netz zierlichster Fäden, 
hält es aber nicht für präformiert. Jedoch schliesst er sich Flemming 
(1894, S. 44) an, insofern er zugibt, dass der Zelleib der roten Blut- 
körperchen, trotzdem er lebend optisch homogen aussieht, eine typische und 
komplizierte Differenzierung haben könnte. 

Schliesslich gibt es Autoren, welche der Meinung sind, dass der Zell- 
leib der lebenden Blutkörperchen im morphologischen Sinne völlig homogen sei. 

Cu&not (1889, S. 26—28) z. B. hält die Blutkörperchen der Batrachier 
für Bläschen mit flüssigem Inhalt, deren Wand von einer feinen Membran 
gebildet wird. Die Vorstellungen von einem protoplasmatischen Stroma oder 
von radiären Fäden sind nach ihm entweder hypothetisch oder beruhen auf 
irrtümlicher Deutung. 

Nach Griesbach (1892, S. 224) ist der Leib der roten Blutkörperchen 
der Amphibien ein „strukturloses Plasmagebilde, welches durch Hämoglobin 
gleichmässig gefärbt wird“. 

Zuletzt (1903 und 04) ist Weidenreich, welcher die Blutkörperchen 
ebenso wie Cu&enot aus Membran und Inhalt bestehen lässt, für eine struktur- 
lose Beschaffenheit dieses Inhalts (abgesehen vom Kern) eingetreten. Alle 
Fäden oder Granula, die mit Reagentien in den Blutkörperchen nachgewiesen 
werden, sind nach ihm „keine Strukturbesonderheiten, sondern Gerinnungs- 
formen des Hämoglobins“. 

Gegenüber denjenigen Autoren, welche das Vorhandensein 
jeder Fadenstruktur in der lebenden Blutzelle in Abrede stellen, 
kann zunächst auf den Randreifen mit seinem exquisit fibrillären 
bau verwiesen werden. Es fragt sich nun, ob abgesehen vom 
Randreifen noch fädige Strukturen in den Blutkörperchen der 
Amphibien existieren. 

Durch die Behandlung mit Gentianaviolett sind solche in 
den Blutkörperchen von Salamandra nicht nachzuweisen. In 
Froschblutkörperchen, die in 3proz. Kochsalzlösung suspendiert 
gewesen waren, gelang es mir dagegen (Fig. 36) auf diese Weise 
neben dem Randreifen ein Fadenwerk darzustellen, welches um 
den Kern herum dichter angesammelt ist. Ich will aber nach 
wie vor gern als möglich zugeben, dass es sich bei diesem Faden- 
werk um ein Fällungsprodukt handelt. 


494 Friedrich Meves: 


An den mit Salpetersäure-Kochsalz behandelten roten Blut- 
körperchen des Salamanders habe ich ferner in dem hellen oder auch 
von einem körnigen Niederschlag erfüllten Zelleib, rund um den 
Kern herum oder auch an einer Seite desselben angehäuft, lange, 
unregelmässig gewundene oder geknickte Fäden wahrgenommen, 
welche dieselbe Dicke, dasselbe Lichtbrechungsvermögen und die- 
selbe Tingierbarkeit im Blutfarbstoff wie die oben beschriebenen 
Querscheiben des Randreifens besitzen (siehe besonders Fig. 39). 

Die gleichen Fäden habe ich später durch 2—4proz. Jod- 
säure, welche ich teils ungefärbt, teils mit Neuviktoriagrün oder 
Methylviolett vermischt anwandte, sichtbar gemacht (Fig. 44, 46, 49). 
Bei Anwendung der Jodsäure erscheinen sie vielfach in kleinere 
Fragmente und Körner zerfallen. Sie entsprechen wahrscheinlich 
den sog. zooiden Netzen, welche Lavdowsky (1593) in den roten 
Blutkörperchen des Frosches beschrieben hat. 

Von diesen Fadenbildungen habe ich früher ebenfalls zu- 
gegeben, dass sie möglicherweise gegenüber der Artefaktfrage nicht 
einwurfsfrei seien, habe aber andererseits schon damals vermutet, 
dass es sich um Chondriokonten oder Plastokonten handeln könnte. 

Für diese letztere Vermutung habe ich seitdem neue An- 
haltspunkte gewonnen, so dass ich die in Rede stehenden Fäden 
nunmehr mit Bestimmtheit als vitale Bildungen in Anspruch 
nehmen möchte. Es ist mir nämlich 1907, 1 gelungen, Plasto- 
konten in Blutzellen von Vogel- und Säugetierembryonen mit 
Hilfe der spezifischen Methoden nachzuweisen. 

In Textfigur III habe ich aus 
einer 1908 erschienenen Arbeit 
A zwei rote Blutzellen des Hühner- 
embryos, eine Flächen- und eine 
N Kantenansicht, reproduziert, welche 
7 auffallend lange, gewundene Chon- 
\% driokonten zeigen, die unregel- 
mässig im Protoplasma verteilt sind. 
a. b. In den Blutkörperchen des 
Meerschweinchenembryos sind die 
Fäden kürzer und feiner (zum Teil anscheinend ringförmig); 
hier umfassen sie entweder den Kern in Form eines Halbmondes 
oder sind in der Nachbarschaft desselben zu einer rundlichen 
Masse zusammengruppiert (vgl. Meves, 1907, 1, 5. 402). 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 495 


Später habe ich (nach einem bisher noch nicht veröftent- 
lichten Befund, von dem ich an dieser Stelle an der Hand 
einiger schon vor längerer Zeit angefertigter Zeichnungen Mit- 
teilung machen möchte) die gleichen Gebilde auch in Erythro- 
blasten und jungen Erythrocyten des Knochenmarks beim 
erwachsenen Meerschweinchen nachgewiesen. Fig. IV a—f 
stellen Erythroblasten dar; in den Fig. d—f hat der’Kern sich be- 
reits verkleinert und ein homogenes Aussehen angenommen. Diese 
Erythroblasten schliessen ausser dem Kern eine kleine Gruppe 


IN ER 


a b @ d e 
Fe 7 N ; 
iE, 8. h. il K. 
Bis Ly. 


von Fädchen und Körnchen, Plastokonten und Plastochondrien 
(Plastosomen) ein, welche durch die angewandte Methode 
(Fixierung mit modifiziertem Flemmingschen Gemisch und 
Färbung mit Eisenhämatoxylin) intensiv geschwärzt sind. Fig. g&—k 
sind junge Erythrocyten, in denen vom Kern nichts mehr zu 
sehen ist. Die Plastosomen haben den Untergang des Kerns 
überdauert. In Fig. g liegen sie noch an einer Stelle zusammen- 
gehäuft; in den übrigen Fig. h—k dagegen sind sie unregel- 
mässig durch den Zelleib verteilt. In Erythrocyten, welche in 
die Zirkulation eingetreten sind, ist auch von den Plastosomen 
nichts mehr wahrzunehmen.!) 


!, Helene Freifeld (Inaug.-Diss., Zürich, 1909) fand unter Leitung 
von Naegeli mit Hilfe einer modifizierten Schridde-Altmannschen 
Färbung im Biut von Embryonen des Menschen und verschiedener Säugetiere 
sowie in einem Fall von perniciöser Anämie Erythroblasten und Erythrocyten, 
in deren Protoplasma. zerstreut rote Flecke, Körnchen und Stäbchen zu 
sehen waren. Sie schlägt vor, derartige Zellen als gefleckte zu bezeichnen 
„damit Verwechselungen mit der bekannten (basophilen) Tüpfelung oder 
Granulation vermieden werden“. — Es ist mir nicht im geringsten zweifelhaft, 


496 Friedrich Meves: 


Die Blutkörperchen der Amphibien sind also gegenüber den 
reifen Säugetiererythrocyten nicht nur durch den Besitz eines 
Kerns, sondern auch durch denjenigen von Plastosomen (Plasto- 
konten) ausgezeichnet. 

Die Plastokonten sind, wie ich in neueren Arbeiten 
(1907, 2, 1910) gezeigt habe, mit den Fila Flemmings von 
1582 identisch. In früheren Mitteilungen (1903, 1905, 3) hatte 
ich die Fibrillen des Randreifens bei den roten Blutkörperchen 
der Amphibien als Filarmasse im Sinne Flemmings angesprochen 
Heute möchte ich, nachdem sich meine Anschauung über Proto- 
plasmastruktur inzwischen geändert hat, diese Auffassung nicht 
mehr aufrecht erhalten, sondern den Randreifen vielmehr als 
„paraplastische* Bildung (vergl. Meves, 1910, S. 654) bezeichnen. 


Sehe ich von den Plastokonten ab, so kann es für mich 
keinem Zweifel unterliegen, dass die früher in den roten Blut- 
körperchen der Amphibien beschriebenen Fadenwerke, welche 
durch Reagentien sichtbar gemacht worden sind, grösstenteils 
als Fällungsartefakte gedeutet werden müssen. Bei einem Studium 
der auf diese Weise entstehenden Strukturen wird man auf 
Alfr. Fischer zurückzugehen haben, welcher in seinem Buche 
„Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas“ (Jena, 1899) 
gezeigt hat, dass der Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen, 
das Hämoglobin, aus neutraler Lösung durch die verschiedenen 
Fixierungsmittel bald in gröberen (Salpetersäure, Salpetersäure- 
Alkohol), bald in feinpunktierten Gerinnselchen (Osmiumsäure, 
Altmannsche Mischung, Pikrinsäure, Chromsäure, Sublimat, 
Platinchlorid, Formol, Osmiumessigsäure, Flemmings und 
Hermanns Mischung, Müllersche Lösung) von plasmatischem 
Aussehen unlöslich gefällt wird. 

Zu den artefiziellen Fadenstrukturen gehören meines Er- 
achtens auch die von Negri und Rüzicka beschriebenen. Bei 
einer Nachuntersuchung der von Rüzi@ka gemachten Angaben 
bin ich genau nach seinen Vorschriften verfahren, habe aber 


dass Hel. Freifeld hier die gleichen Gebilde vorgelegen haben, welche 
ich 1907 in embryonalen Blutzellen als Mitochondrien und Chondriokonten 
beschrieben habe; die von Hel. Freifeld gewählte Bezeichnung „Fleckung“ 
erscheint mir dafür wenig passend. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 497 


bisher immer nur solche Bilder erhalten, wie sie Negri beschreibt: 
Körnchen und kurze körnige Fädchen, die sich, wenn sie massen- 
hafter werden, zu unregelmässigen gerüstähnlichen Bildungen 
zusammenlagern können. Von diesen aber möchte ich auf Grund 
ihres Aussehens, ebenso wie Bloch (1901, S.430) von den auf 
gleiche Weise erhaltenen Strukturen der Säugetierblutkörperchen, 
annehmen, dass sie Ausscheidungen darstellen, welche Methylenblau 
bezw. Neutralrot mit Stoffen des Protoplasmas erzeugen.') 

Schliesslich sind zweifellos als Kunstprodukte die zirkum- 
nukleären Strahlungen aufzufassen, wie sie von Böttcher und 
Druebin beschrieben worden sind. Dass diese Strahlungen 
präformiert seien, findet heute wohl nur noch wenig Glauben. 
Jedoch fehlte es bisher an einer Erklärung, wie sie entstanden 
sein könnten. Diese Erklärung lässt sich nun auf Grund von 
Versuchen geben, die A. Fischer 1899 in seinem oben erwähnten 
Buch beschrieben hat. 

Fischer hat auf künstlichkem Wege Strahlungen in 
Hollundermark erzeugt. 

Das Hollundermark ist bekanntlich ein totes Gewebe, dessen 
Zellen keine Protoplasmakörper mehr einschliessen ; sie sind aber 
doch nicht vollständig leer, sondern enthalten einen blassen, 
schattenhaften Ballen, welcher nach Fischer den Kernrest 
darstellt. 

Fischer injizierte nun Stücke von Hollundermark in einer 
hier nicht wiederzugebenden Weise mit Lösungen von Albumosen 
und anderen Eiweisskörpern und fertigte dünne Schnitte mit 
dem Rasiermesser an. Diese Schnitte brachte er auf den Objekt- 
träger in einen Tropfen eines der üblichen Fixierungsmittel, 
bedeckte mit einem Deckglas und stellte unter dem Mikroskop 
eine intakte Markzelle ein. Er beobachtete dann, dass der Kernrest 
der Markzelle zum Ausgangspunkt einer Strahlenbildung wurde. 

Wenn er z. B. eine 3proz. schwach saure Lösung von 
Deuteroalbumose in das Mark injiziert hatte und als Fixierungs- 
mittel 1proz. Osmiumsäure verwandte, so gewahrte er schon 
nach zwei bis drei Minuten, wie die ersten Strahlen als äusserst 


1) Vgl. hierzu die Arbeit von W. Pfeffer, auf welche auch 
Bloch hinweist: Über Aufnahme von Anilinfarben in lebende Zellen. Unter- 
suchungen aus dem botanischen Institut zu Tübingen, Bd. 2, Leipzig 
1386— 1888. 


495 Friedrich Meves: 


zarte homogene oder feingekörnte Fäden an der Oberfläche des 
Kernrestes anschossen; sie wuchsen dann rasch, in radialer 
Richtung sich verlängernd, bis zur Zellwand heran. 

Über das Zustandekommen der Strahlung sagt Fischer, 
dass die Bedingungen dafür teils durch die Beschaffenheit des 
Markes gegeben sind, teils durch geeignete Auswahl der Eiweiss- 
lösung und des Fixierungsmittels geschaffen werden müssen. Das 
Mark trägt dadurch zum Experiment bei, dass es mikroskopisch 
kleine, allseitig umgrenzte Räumchen darbietet, welche. was sehr 
wesentlich ist, den Kernrest einschliessen. Das Fixierungsmittel 
diffundiert in die mit Eiweisslösung erfüllten Markräume hinein. 
Zunächst tritt eine Übersättigung der Eiweisslösung, dann erst 
Fällung ein. Sobald die Fällungskonzentration am Kernrest 
erreicht ist, wirkt dieser, als ein heterogener Körper, in derselben 
Weise wie ein Fremdkörper, der eine übersättigte Salzlösung 
zur Kristallisation treibt. Daher kommt es, dass die Ausfällung 
am Kernrest beginnt und von dort gegen die Peripherie fort- 
schreitet.!) 

Auf Grund der geschilderten Versuche mahnt nun Fischer 
gegenüber den.fixierten Strahlungen, welche man im Innern von 
Zellen findet, zur Vorsicht. Manche derselben könnten weiter 
nichts sein als künstliche Fällungsstrahlungen, da alle Bedingungen 
für die Entstehung derselben während der Fixierung gegeben 
seien. Die Böttcherschen Bilder der Tritonblutkörperchen hat 
Fischer nicht gekannt; sonst würde er sie sicher als solche 
Fällungsstrahlungen, die sie auch meiner Meinung nach zweifellos 
sind, in Anspruch genommen haben; dazu wäre er um so mehr 
berechtigt gewesen, als er selbst bereits gefunden hat, dass Hämo- 
globinlösungen, in Hollundermark injiziert, mit einer grossen 
Zahl von Fixierungsmitteln Strahlungen geben.?) 

In den Amphibienblutkörperchen erzeugen die üblichen 
Fixierungsmittel bekanntlich keine Strahlung. Die Blutkörperchen 
quellen darin im allgemeinen nicht auf, so dass sie kugelig 


') Es ist wichtig, zu bemerken, dass eine Übersättigung statt durch 
stark wirkende Fixierungsmittel auch schon durch sanfte Umschläge in der 
chemischen Reaktion der Eiweisslösung herbeigeführt werden kann. 

*) Vgl. Fischer, 1.c., S. 215. Nach S. 280 erhält man von Hämo- 
globin in 2proz. Lösung Strahlungen, die hinterher durch gerüstige Ab- 
scheidungen mehr oder weniger verdeckt werden. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 499 


werden, sondern behalten ihre Scheibenform. Schon dieser Um- 
stand muss eine Strahlenbildung in ihnen erschweren bezw. un- 
möglich machen. Ferner aber wird die Strahlung dadurch ver- 
hindert, dass die Fixierungsmittel, in der gebräuchlichen 
Konzentration angewandt, sobald sie in die Blutzelle eintreten, 
eine allgemeine Fällung hervorrufen 

Wenn Fischer bei seinen Hollundermarkversuchen_ teil- 
weise, wie es scheint, mit den gebräuchlichen Konzentrationen 
der Fixierungsmittel Hämoglobinstrahlungen erhalten hat, so ist 
zu bedenken, dass er mit einer nur 1—2proz. Hämoglobinlösung 
gearbeitet hat. Infolgedessen nimmt hier die Fällungsreaktion 
einen viel weniger stürmischen Verlauf als in den roten Blut- 
körperchen, deren Gehalt an Hämoglobin ein sehr viel höherer ist. 

Bei gleicher Stärke der Eiweisslösung gelingt es, wie 
Fischer gezeigt hat, auch mit einem stark fällenden Mittel 
Strahlungen zu erzeugen, wenn man mit der Konzentration des 
Mittels herabgeht. Dementsprechend habe ich in den Blut- 
körperchen von Salamandra Strahlungen durch die üblichen 
Fixierungsmittel hervorrufen können, indem ich diese möglichst 
verdünnt anwandte ('/aproz. Kaliumbichromat, '/s proz. Sublimat,') 
!/sproz. Chromsäure, '/ı proz. Osmiumsäure ete.). Die Blutkörper- 
chen nehmen dann, indem sie quellen, Kugelform an. Ein Nieder- 
schlag tritt nicht sofort in ihnen auf, sondern die Fällungs- 
konzentration kann vorher den Kern erreichen. Damit ist die 
Möglichkeit für das Zustandekommen einer Strahlung gegeben. 

Nach dem Gesagten könnte man glauben, dass die zirkum- 
nukleären Strahlungen als Fixierungsartefakte für die Kenntnis 
der roten Blutzellen ziemlich belanglos seien. Das ist nun aber 
insofern nicht der Fall, als sie beweisen, dass die Blutkörperchen 
von Triton und Salamander keine oder doch nur wenige fädige 
oder gerüstige Strukturen einschliessen.?) In den Blutkörperchen 
des Frosches treten derartige Strahlungen nach Böttchers 
Angabe, die ich durchaus bestätigen kann, viel seltener auf. Der 


') Ich merke beiläufig an, dass bei Zusatz von !/s proz. Sublimat zum 
frischen Blut die Kerne in einem Teil der Blutkörperchen eine eigentümliche 
Fragmentierung erleiden; die gleiche Erscheinung habe ich gelegentlich auch 
bei Zusatz von Gentiana- und Methylviolett beobachtet. 

°) Vgl. hierzu Fischer, 1.c, S. 260-261, 268, 292 und andere 
Stellen 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 34 


500 Friedrich Meves: 


Grund dafür könnte sein, dass beim Frosch, wie es auch meiner 
oben vorgetragenen Meinung entsprechen würde, anders als bei 
Triton und Salamander !) in der Zellsubstanz ein Fadenwerk vor- 
handen ist, welches die Entwicklung von Fällungsstrahlungen 
nicht oder nur ausnahmsweise gestattet. 

Nun hat allerdings Druebin, wie ich oben berichtet habe, 
Strahlungsbilder an roten Blutkörperchen des Frosches bei dem 
von ihm angewandten Verfahren durchweg erhalten. Dieses an- 
scheinend widersprechende Resultat wird aber, wie ich glaube, 
begreiflich, wenn man erfährt, auf welche Weise es erzielt 
worden ist. Druebin fügt zu frischem Froschblut so viel oxal- 
saures Ammoniak zu, dass der Gehalt an diesem Salz 0,2 bis 
0.5 Proz. beträgt, zentrifugiert das Gemisch eine halbe Stunde 
oder lässt es auch ruhig stehen, hellt den blutkörperchenhaltigen 
Teil durch Ätherwasser bis zur vollen Durchsichtigkeit auf und 
färbt darauf ein Tröpfchen der lackfarbenen Flüssigkeit mit 
Methylviolett. 

Bei einem derartigen Verfahren erscheint es möglich. dass 
das Fadenwerk der Zellsubstanz zunächst in Lösung geht, wodurch 
das Hindernis für die Entstehung der Strahlung beseitigt wird, 
und dass hinterher gelöste Eiweisskörper, die in der Blutzelle 
vorhanden sind, in Form von Strahlen ausgefällt werden. 


3. Granuläre Einschlüsse. 


Wenn man die roten Blutkörperchen des Feuersalamanders 
frisch untersucht, findet man im Zelleib derselben an irgend 
einer Stelle, meistens an einem der beiden Kernpole, ein gelb- 
liches, leicht glänzendes Kügelchen von ca. 2 « Durchmesser; 
statt eines einzigen beobachtet man häufig auch zwei oder drei, 
häufig sogar eine grössere Anzahl entsprechend kleinerer Kügel- 
chen, welche auf einem Haufen zusammenliegen. Die Kügelchen 
färben sich intensiv mit wässerigen Lösungen verschiedener Anilin- 
farben, welche man dem frischen Blut zusetzt. Durch Methylenblau 
und Neutralrot?) werden sie intravital tingiert (bevor noch der 
Kern der Blutzelle eine Spur von Färbung angenommen hat). 


!) Die Blutkörperchen von Triton und Salamandra verhalten sich in 
dieser Beziehung übereinstimmend. 

?) Bei längerer Einwirkung von Neutralrot treten in der Blutzelle 
eine Menge roter Kügelchen auf, die aber zweifellos Kunstprodukte darstellen. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 501 


Mit einer Anzahl von Farbstoffen geben sie metachromatische 
Färbungen ; mit Gentiana- und Methylviolett färben sie sich rot 
(Fig. 25), mit Thionin und Toluidinblau rotviolett (bei Anwendung 
der beiden letztgenannten Farbstoffe erscheinen die Kerne, 
wenigstens im Beginn der Färbung, hellblau). In der Umgebung 
der gefärbten Kügelchen tritt häufig nach einiger Zeit ein heller 
Hof auf; man kann dann vielfach molekulare Bewegung an ihnen 
wahrnehmen. 

Die hier beschriebenen „chromatoiden“ Kügelchen, wie ich 
sie zu bezeichnen vorschlage, sind meines Wissens zuerst von 
O0. Schultze (1837, S. 656) gesehen worden. O. Schultze 
beobachtete bei Tritonlarven, welche er längere Zeit in einer 
sehr verdünnten, wässerigen Lösung von Methylenblau (1:100000 
bis 1000000) verweilen liess, „das Auftreten einzelner blauer 
Körner in den farbigen Blutzellen, die bei denselben Larven auch 
in ungefärbtem Zustande in den Blutzellen wahrnehmbar sind 
und für Reste von Dotterkugeln gehalten werden könnten, wenn 
nicht die gleiche Erscheinung auch bei den erwachsenen Tieren 
vorhanden wäre“. 

Die gleichen Körnchen hat Fischel (1901, S. 451 und 
Fig. 33) bei seinen Untersuchungen über vitale Färbung in den 
roten Blutkörperchen von Siredon durch Bismarckbraun dargestellt. 

Es ist ferner möglich, dass die chromatoiden Kügelchen 
der Triton- und Salamanderblutzellen den „Paranuklearkörperchen“ 
entsprechen, welche Bremer (1595, 1) in den Blutscheiben von 
Schildkröten beschrieben hat. Immerhin sind eine Reihe von 
Unterschieden zu verzeichnen. Die roten Blutkörperchen von 
Testudo carolina und Chelydra serpentina zeigen nach Bremer, 
im frischen Zustand untersucht, kleine kugelförmige Gebilde, die 
in der Substanz des Zelleibes, gewöhnlich in der Nähe eines der 
beiden Pole, meistens etwas seitwärts von ihnen, manchmal auch 
neben dem Kerne, d. h. in oder nahe dem verlängerten kurzen 
Durchmesser desselben liegen. „Unmittelbar nach der Entnahme 
des Blutes, vorzugsweise wenn man schnell manipuliert, nimmt 
man nur ein einziges derartiges Körperchen für je einen Erythro- 
cyten wahr. Nach einigen Minuten jedoch, und noch mehr nach 
einigen Stunden, sieht man Erythrocyten, welche mehrere Kügel- 
chen von anscheinend derselben Art und Grösse enthalten.“ 


Diese neuentstandenen Gebilde sind nach Bremer Kunstprodukte. 
34* 


502 Friedrich Meves: 


„Sie sind entweder zertrümmerte Fragmente des Paranuklear- 
körperchens, welches sich beim Absterben des Erythroeyten in 
zwei, drei und mehr Kügelchen teilt, oder es sind Vakuolen, in 
dem Sinne, den man gewöhnlich mit diesem Worte verknüpft“; 
drittens sollen es nach Bremer „auf- oder eingelagerte Fibrin- 
kugeln“ sein können. 

Im Zentrum des noch ungeteilten Paranuklearkörperchens 
ist schon im frischen Zustand ein winziges, punktförmiges Gebilde 
sichtbar. Dieses letztere nimmt, wenn man ein in der gewöhn- 
lichen Weise ausgestrichenes und erhitztes (125°) Präparat in 
einer im Original nachzusehenden Weise mit Eosin-Methylenblau 
oder Fuchsin-Methylgrün färbt, einen spezifischen, obschon 
schwachen Farbenton an, während die es umgebende, kugelförmige 
Substanz völlig farblos erscheint. „Ist, wie dies manchmal ge- 
schieht, die letztere in eine Anzahl kleiner Kugeln, sage drei 
oder vier, zerfallen, so zeigt sich das färbbare Körperchen nicht. 
Es ist in diesem Falle entweder aufgequollen und unfärbbar 
geworden, oder es ist aus der es umgebenden Masse ausgetreten.“ 

Was die Natur des Paranuklearkörperchens anlangt, so hat 
Bremer in seiner ersten Arbeit die Meinung geäussert, dass 
das Zentralkügelchen desselben ein aus dem Kern in das „Disko- 
plasma“ ausgewanderter Nukleolus oder ein Nukleolusfragment 
sei; die einhüllende Substanz sei dem Kern entnommen. In einer 
weiteren Mitteilung (1895, 2) spricht er auf Grund der Unter- 
suchungen von Dehler, durch welche „Zentralkörperchen“ mit 
„Sphären“ in roten Blutkörperchen des Hühnerembryo nach- 
gewiesen wurden, die Überzeugung aus, dass das Paranuklear- 
körperchen als „Zentrosom“ aufzufassen sei. Er zieht daher den 
Ausdruck „Paranuklearkörperchen“ zurück und substituiert für 
denselben „Zentrosom der gekernten roten Blutzelle“. 

Hierzu ist weiter anzuführen, dass Apathy 1897, im An- 
schluss an einen Vortrag über die Bedeutung der Zentrosomen, 
rote Blutzellen des erwachsenen Salamanders demonstriert hat, in 
welchen er „Zentrosomen“ bereits im Jahre 1895 entdeckt und 
im histologischen Praktikum seinen Schülern gezeigt habe. Es 
wurden Präparate vorgelegt: a) nach Fixierung des Blutes mit 
Hermannscher Flüssigkeit und Tinktion mit Safranin, b) nach 
Fixierung des auf den Objektträger aufgestrichenen Blutes durch 
Trocknen an der Luft ohne Erwärmen und Tinktion nach der 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien 503 


Dreifachfärbungsmethode des Vortragenden (Hämateinlösung IA 
+ Rubin + Ammoniumpikrat). 

Ich zweifle nicht im geringsten, dass diejenigen Gebilde, welche 
Apäthy hier demonstriert hat, mit den von OÖ. Schultze, Fischel 
und mir beschriebenen „chromatoiden“ Kügelchen identisch sind. 
Von diesen aber glaube ich ebensowenig wie von den Bremer- 
schen Paranuklearkörperchen, dass sie „Zentrosomen“ vorstellen; 
ich möchte vielmehr annehmen, dass sie aus Nukleolensubstanz 
bestehen, wie Bremer anfangs mit Bezug auf das Zentral- 
kügelchen seines Paranuklearkörperchens vermutet hat. 

In den letzten Jahren ist in nunmehr schon zahlreichen 
Fällen beobachtet worden, dass Nukleolen im Beginn der Teilung 
aus dem Kern ins Cytoplasma übertreten können; hier können 
sie liegen bleiben und der allmählichen Auflösung anheimfallen.') 
Solche ausgestossenen und „verrottenden“ Nukleolen könnten auch 
die chromatoiden Kügelchen der Triton- und Salamanderblut- 
körperchen sein. Jedenfalls kann schon aus der starken intra- 
vitalen Färbbarkeit derselben geschlossen werden, dass es sich 
um abgestorbene Elemente handelt. 

Schliesslich ist noch zu bemerken, dass auch Weiden- 
reich (1904, S. 66) die chromatoiden Kügelchen der Salamander- 
blutkörperchen nach Zusatz von Gentianaviolett zu Gesicht be- 
kommen, aber irrtümlicherweise als Kunstprodukte (tröpfchen- 
förmige Ausfällungen aus dem „Inhalt“ des Blutkörperchens, 
welche infolge des Farbstoftzusatzes entstehen) gedeutet hat. 


3. Besitzen die roten Blutkörperchen der Amphibien 
einen Zonenbau? 


Ein Zonenbau ist an den roten Blutkörperchen der Amphibien 
von Auerbach (1590) und Giglio-Tos (1897) beschrieben 
worden. 

Nach Auerbach (1890, S. 573) ist der Raum zwischen der 
Zellmembran ?) und dem Kern ausgefüllt von zwei gesonderten, 


!, Die Literatur bis 1898 inkl. findet sich in meinen Berichten über 
Zellteilung zitiert: Ergebnisse d. Anatomie u. Entwicklungsgesch., Bd. 6, 
1896, S. 297 u. 312, und Bd. 8, 1898, S. 460 u. 479. Vgl. ausserdem: 
A. Fischer, Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas, Jena, 1899, 
S. 241—247. 

”) Die roten Blutkörperchen der Batrachier sind nach Auerbach mit 
einer Zellmembran „im vollen und scharfen Sinne des Wortes“ ausgestattet. 


504 Friedrich Meves: 


d.h. im morphologischen Sinne auseinanderzuhaltenden Substanzen. 
„In Sublimatpräparaten, besonders schön in solchen, die mit einer 
lproz. wässrigen Lösung behandelt wurden, aber auch in Pikrin- 
säurepräparaten zeigen sich jene beiden Bestandteile der Zell- 
substanz als zwei konzentrische, scharf gegeneinander abgegrenzte 
Schichten. ... Es sind also nächst der Zellmembran eine Cortical- 
schicht und eine Marksubstanz als Bestandteile des Zelleibes 
zu unterscheiden. Die Corticalschicht besteht an nicht tingierten 
Sublimatpräparaten aus einer strukturlosen, glänzenden, durch 
das Hämoglobin rotgelb gefärbten Substanz. Sie enthält alles 
Hämoglobin des Blutkörperchens. ... .“ 

„Die Marksubstanz andererseits... ist farblos. In Sublimat- 
präparaten erscheint sie von zerstreuten dunklen Körnchen durch- 
setzt, in Pikrinpräparaten hingegen ganz klar, so dass sie wie 
eine grosse Höhle aussieht.“ 

Nach Auerbach ist sie offenbar der Rest des „Bildungs- 
protoplasmas“ der Zelle, „von dem sich ein anderer Teil zu 
der spezifisch funktionierenden, hämoglobinösen Corticalsubstanz 
differenziert hat“. 

Die Frage, ob die konzentrische Anordnung der beiden 
Substanzen ganz dem natürlichen Zustande entspricht, will Auer- 
bach offen lassen. „Jedenfalls aber bringt uns die beschriebene 
Erscheinung die beiden Substanzen, aus welchen der Zelleib 
der Blutscheiben zusammengesetzt ist, in einer sehr schönen und 
klaren Weise zur Anschauung.“ 

Giglio-Tos (1896, S. 51) gibt von dem Bau der kern- 
haltigen elliptischen Blutkörperchen folgende Darstellung. 

Der Kern ist auf allen Seiten von einer fast farblosen 
„hämoglobinogenen“ Substanz umgeben, welche eine Dicke von 
1—2 u hat. Um Kern und hämoglobinogene Substanz zieht sich 
ein das Hämoglobin enthaltender elastischer Ring, der die zentralen 
Partien der Scheibe frei lässt. Das Ganze umgibt eine sehr 
feine Membran. 

Die „hämoglobinogene“ Substanz kann man nach Giglio- 
Tos schon am frischen Präparat wahrnehmen. Die lebende 
Blutzelle erscheint nicht gleichmässig hämoglobinfarben, sondern 
zeigt eine zentrale farblose Partie, welche den nicht sichtbaren 
Kern enthält; letzterer ist deshalb nicht zu erkennen, weil die 
„hämoglobinogene“ Substanz, in welcher er liegt, dasselbe Licht- 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 505 


brechungsvermögen hat wie er selbst. Die Grenzen zwischen 
dieser und dem hämoglobinfarbenen Ring sind wegen des an- 
nähernd gleichen Lichtbrechungsvermögens beider nicht deutlich, 
werden es aber, infolge Änderung der Lichtbrechung, bei An- 
wendung bestimmter Reagentien, welche die Blutkörperchen koa- 
gulieren. Von solchen nennt Giglio-Tos in erster Linie Sublimat, 
ferner 2 proz. Osmiumsäure, gesättigte Lösung von Pyrogallussäure, 
2 proz. Borsäure und Lugolsche Lösung. 

Den überzeugendsten Beweis für die Existenz der von ihm 
sogenannten hämoglobinogenen Substanz fand Giglio-Tos in 
einem Präparat, welches er nicht zu konservieren vermochte; auch 
glückte es ihm nicht, es ein zweites Mal zu erhalten. Er hatte 
auf einen Objektträger einen Tropfen Altmannscher Flüssigkeit 
gesetzt, einen kleinen Tropfen Blut von Triton punctatus hinein- 
gebracht und dann mit grösster Schnelligkeit eingedeckt, wobei 
er einen geringen Druck ausübte. Bei der mikroskopischen Unter- 
suchung konstatierte er dann, dass einige der Blutkörperchen, 
die geborsten waren, infolge des Druckes die „hämoglobinogene“ 
Substanz hatten austreten lassen, bevor sie koaguliert war. Sie 
hatte sich in feinste Fäden verlängert, von denen einige sich 
miteinander verbunden hatten.') 

Zu der eben referierten Darstellung von Giglio-Tos habe 
ich zunächst zu bemerken, dass ich mich von der Existenz einer den 
Kern umgebenden ungefärbten“Zone am lebenden Blutkörperchen 
nicht habe überzeugen können. 

Wenn man einen Tropfen Salamanderblut und einen Tropfen 
einer 1 proz. Sublimatlösung zusammen eindeckt, findet man an 
der Berührungsstelle beider Flüssigkeiten im Innern der meisten 
Blutkörperchen eine helle, körnig aussehende Substanz, welche 
jedoch gewöhnlich den Kern nicht gleichmässig umgibt, sondern 
mehr auf einer Seite desselben angehäuft ist. In Kantenansichten 
konstatiert man, dass diese Substanz eine Verdickung bezw. Auf- 
treibung der Blutscheibe bedingt. Die umgebende hämoglobin- 
gefärbte Substanz ist in der Regel über ihr geborsten oder 
deckelförmig abgehoben. 

In Ausstrichpräparaten von Salamanderblut, die mit 1 proz. 
Sublimatlösung behandelt sind, kann man nach dem Auswaschen 


!) Man vergleiche Giglio-Tos, l. c., Taf. I, Fig. 5. 


506 Friedrich Meves: 


des Reagens die beiden Substanzen durch Färbung verdeutlichen. 
Bei Anwendung von Eisenhämatoxylin ist es mir zuweilen ge- 
lungen, die Corticalschicht bei der Differenzierung fast völlig 
zu entfärben, während die Markschicht einen blaugrauen Ton 
behielt. In solchen Ausstrichpräparaten ist die Anordnung der 
beiden Zonen um den Kern meistens eine mehr konzentrische, 
entspricht also mehr der von Auerbach und Giglio-Tos ge- 
gebenen Darstellung. Hier kann man ferner häufig, besonders, 
wenn man eine geeignete Färbung hat folgen lassen, ähnliche 
Bilder beobachten, wie sie Giglio-Tos einmal und nicht wieder 
erhalten hat; man sieht, wie die Marksubstanz durch die Cortical- 
schicht einen oder mehrere Fortsätze nach aussen sendet, welche 
mit denjenigen benachbarter Zellen in Verbindung treten. 

Auf Grund der mitgeteilten Beobachtungen möchte ich den 
durch Sublimat erhaltenen Bildern folgende Deutung geben. Ich 
stelle nicht nur die vitale Existenz zweier konzentrischer Zonen 
in Abrede, sondern bezweifle auch, dass die beiden Substanzen, 
welche nach Sublimatbehandlung sichtbar werden, in der Blut- 
zelle vorher morphologisch gesondert vorhanden sind. Was als 
„Corticalschicht“ erscheint, ist das momentan koagulierte Eiweiss, 
in erster Linie das Hämoglobin, der Blutzelle; das Auftreten der 
„Marksubstanz“ wird meines Erachtens lediglich durch „Quellung“ 
bedingt (hat seine Ursache in der „wasseranziehenden Kraft“ des 
Blutkörperchens, welche durch die Koagulation der Eiweißstofte 
nur wenig geändert wird). Die osmotisch wirksamen Stoffe, 
welche das erstarrte Protoplasma durchtränken, bewirken, dass 
Flüssigkeit ins Zellinnere aufgenommen wird. Diese Flüssigkeit 
kann sich innerhalb des koagulierten Protoplasmas nicht verteilen 
weil dieses eine kohärente Masse bildet; sie sammelt sich daher, 
meistens, indem sie die erstarrte Zellsubstanz sprengt, zwischen 
dieser und dem Kern an; eventuell (im Ausstrichpräparat) kann sie 
sogar durch Risse der „Corticalschicht“ nach aussen durchtreten. 


IV. Über Formänderungen der roten Blutkörperchen 
im frisch entnommenen Blut. 

Brücke (1867, S. 85) sah, als er frisches und unverdünntes 
Tritonenblut unter das Mikroskop brachte, einen grossen Teil 
der Blutkörperchen eine sehr unregelmässige (Grestalt annehmen 
und an der Oberfläche maulbeerartig höckerig werden. Dabei 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 507 


war meistens der „kleine Durchmesser“ (Dickendurchmesser) ver- 
grössert, während die beiden anderen, und zwar der grösste am 
meisten, abgenommen hatten. 

Brücke, welcher bekanntlich zwei Substanzen, ein hämo- 
globinhaltiges Zooid und ein farbloses Oikoid in den Blut- 
körperchen annimmt (siehe unten S. 528), meint, man müsse die 
Gestaltsveränderung „von teilweiser Retraktion der Fortsätze des 
Zooids“ ableiten, „während welcher die Verbindung zwischen Zooid 
und Oikoid noch so fest ist, dass das letztere den Traktionen folgt 
und dadurch an seiner Oberfläche höckerig wird“. Jedenfalls könne 
es sich nicht um einen Verschrumpfungsprozess, bewirkt durch 
Konzentration des Serums infolge der Verdunstung, handeln. 

Knoll (1896) beobachtete Gestaltsänderungen roter Blut- 
körperchen besonders bei Proteus und Amphibienlarven; er fand, 
dass sie mit einer Rückkehr zur elliptischen Form 
endigen. 

Wenn man frisch entnommenes Blut von Proteus „an dem 
über einer feuchten Delle hängenden Tropfen“ untersucht, sind 
an einzelnen Erythrocyten sofort Veränderungen am Zelleib 
kenntlich, die binnen kurzem an allen oder nahezu allen auf- 
treten. „Zunächst häuft sich das Hämoglobin an einzelnen Stellen 
des Zelleibes, und zwar gewöhnlich an den Polen desselben, an 
und retrahiert sich dann, während die Zelle grössere Längsfalten 
zeigt, langsam gegen den ovalen, mehr oder weniger deutlich 
hervortretenden Kern zu, während die ganze Zelle der Kugelform 
zustrebt und zuletzt als höckerige, intensiv gelbrot gefärbte 
Kugel erscheint, an welcher sich oft noch eine durch den unge- 
färbten Teil des Zelleibes gebildete, mannigfach gefältelte und 
verbuckelte Hülle erkennen lässt. Diese Kugeln strecken sich 
aber später wieder, werden eiförmig und .... . nehmen im 
Laufe kürzerer oder längerer Zeit, zuweilen erst im Laufe von 
Stunden, annähernd wieder die ursprüngliche Gestalt an“. 

Ein sehr bemerkenswerter Formenwechsel lässt sich nach 
Knoll ferner an den roten Blutkörperchen der Amphibienlarven, 
besonders derjenigen von Salamandra maculosa, wahrnehmen. 
„Schon bei Beginn der Beobachtung zeigten einzelne Erythrocyten 
eine der kugeligen sich nähernde Form und allerlei Höcker an 
der Oberfläche. Binnen wenigen (drei oder mehr) Minuten hatten 
auch die meisten übrigen... . unter dem Auftreten von denen 


508 Friedrich Meves: 


beim Proteus ganz analogen Bewegungserscheinungen im hämoglobin- 
haltigen Teile der Zelle und der Bildung mannigfaltiger Höcker 
mit fortwährendem Wechsel von Zahl und Form derselben die 
Gestalt maulbeerartig verbuckelter Kugeln angenommen. Die 
Oberfläche dieser Kugeln glättete sich dann wieder etwas, aber 
nur unvollständig und nachdem die Erythrocyten durch eine 
wechselnde Zahl von Minuten in diesem Zustand verharrt waren, 
streckten sie sich wieder in einem Durchmesser und näherten 
sich allmählich wieder mehr der elliptischen Form, wobei aber 
wieder allerlei Unebenheiten, Höcker, Zacken und Leisten an der 
Oberfläche auftauchten, die jedoch in dem Maß geringer wurden, 
als die Erythrocyten zur Urform zurückkehrten, was in der 
Regel vor Ablauf einer Stunde der Fall war, manchmal aber auch 
noch länger währte.“ 

Analoge Gestaltsänderungen beobachtete Knoll bei Frühjahrs- 
fröschen an einzelnen, bei trächtigen Salamanderweibchen im 
Herbst an einer erheblicheren Zahl und bei im Juni frisch ein- 
gebracht untersuchten Exemplaren von Triton taeniatus an den 
meisten Blutkörperchen ;; ferner sah er sie bei Selachiern, vermisste 
sie dagegen bei Forellenembrvonen. 

Auch Knoll ist der Ansicht, dass bei dem geschilderten 
Phänomen eine Sonderung eines hämoglobinlosen Teiles der Zell- 
substanz von einem hämoglobinhaltigen zustande kommt, welcher 
letztere sich um den Kern konzentriert. Er hält daher die 
Brückesche Einteilung in ein Zooid und Oikoid für gerecht- 
fertigt. Von Fortsätzen des Zooids hat er allerdings nichts 
bemerkt. Er meint: „Die Bildung von Falten und Buckeln an 
dem Oikoid und sein Zusammenschnurren zu einer gekräuselten 
Umhüllung der aus Kern und Hämoglobin bestehenden Kugel 
dürfte wohl auch aus dem Schlaffwerden desselben infolge der 
Konzentration des Hämoglobins um den Kern erklärt werden 
können“. 

In der Konzentration des hämoglobinhaltigen Teiles aber 
haben wir nach Knoll den Ausdruck einer vitalen Kontraktilität 
desselben zu sehen. Dafür spricht nach ihm, dass der Zusammen- 
ziehung des Blutkörperchens eine Rückkehr zur elliptischen 
Gestalt folgt, und dass die Kontraktionserscheinungen ausbleiben, 
wenn man das Blut Tieren entnimmt, die schon vor längerer 
Zeit abgestorben waren. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 509 


Weidenreich (1904, S. 31) lässt den Beobachtungen 
Knolls folgende abfällige Kritik zu Teil werden. Er führt die 
von Knoll konstatierten Formänderungen auf „Schrumpfung 
infolge der eingetretenen Hyperisotonie des Plasmas“ zurück; 
wir wissen, sagt er, „dass elliptische Blutkörperchen, wenn sie 
stark geschrumpft sind und kugelig werden, nach Abgabe des 
Hb wieder ihre normale Form annehmen können, wahrscheinlich 
dürfte also auch die Beobachtung Knolls durch einen Austritt 
des Hb bedingt sein“ (!). 


Ich selbst habe die in Rede stehende Erscheinung an 
den roten Blutkörperchen des erwachsenen Feuersalamanders 
untersucht. Ich bin dabei so verfahren, dass ich einen Tropfen 
Blut auf einen Objektträger brachte, eindeckte und mit einem 
Paraffinrahmen umzog.!) Fin paar Minuten nach Anfertigung 
des Präparates treten meist an mehr als der Hälfte aller Blut- 
körperchen Formänderungen auf, in deren Verlauf man den Rand- 
reifen deutlich werden und eine Reihe von Deformationszuständen 
durchmachen sieht. 

Mit Brücke und Knoll stimme ich darin überein, dass 
diese Formänderungen auf einer Kontraktion?) beruhen. Ich 
muss aber in Abrede stellen, dass es dabei zu einer Sonderung 
des Zelleibes in zwei Substanzen kommt in der Weise, wie die 
genannten Autoren annehmen. 

Die Zusammenziehung der Zellsubstanz um den Kern hat 
zunächst zur Folge, dass die mittlere Partie der Blutscheibe sich 
verdickt. Sie erscheint stärker gefärbt als vorher, während die 
Randpartien umgekehrt ganz dünn und, nur aus diesem Grunde, 
blass werden. An der Grenze beider Zonen, der stärker gefärbten 
gegen die helle Zone, treten Faltungen der Zelloberfläche auf. 
Die starke Dickenabnahme der Randpartien bewirkt, dass der 
Reifen an der äussersten Peripherie wulstförmig hervortritt. 


!) Die von Knoll empfohlene Art der Untersuchung „an dem über 
einer feuchten Delle hängenden Tropfen“ habe ich deshalb nicht in An- 
wendung gezogen, weil dadurch leicht eine Quellung an den roten Blut- 
körperchen hervorgerufen wird. 

2) Die Ursache der Kontraktion könnte sein, dass die Intensität der 
Oberflächenspannung, vielleicht durch chemische Vorgänge im Zellinnern, 
eine (vorübergehende) Steigerung erfährt. 


510 Friedrich Meves: 

An dem Randreifen kann die beginnende Kontraktion 
der Zellsubstanz vorübergehende Gestaltsänderungen hervorrufen, 
welche in der Ebene desselben vor sich gehen. Die Blutscheibe 
gibt häufig für einen Augenblick ihre rein elliptische Form auf, 
indem die Konvexität ihres Konturs an der einen Stelle einsinkt, 
um sich an einer anderen stärker vorzubuchten. 

Mit dem Fortgang der Kontraktion fängt die Blutscheibe 
an, sich im Längen- und Breitendurchmesser erheblich zu ver- 
kleinern, wobei sich der gewulstete Rand, d. i. der Randreifen, 
zuerst an einer, dann an weiteren Stellen ein- und aus der 
Ebene herausbiegt; ebenso wie der Randreifen würde sich ein 
elastischer Ring verhalten, auf dessen Peripherie ein zentripetaler 
Zug ausgeübt wird. 

Schliesslich hat sich die Zellsubstanz zu einem rundlichen 
Körper kontrahiert, um welchen eine mehr oder weniger vor- 
springende, stark gefaltete, helle Leiste 
herumläuft (Fig. V). Diese Leiste ist 
identisch mit der „mannigfach gefältelten 
und verbuckelten Hülle“ des Blutkörper- 
chens, die sich nach Knoll auf dem 
Stadium der kugeligen Zusammenziehung 
oft erkennen lässt und die nach ihm 
aus dem Oikoid von Brücke besteht. 

Ä ww | In Wirklichkeit ist sie nichts anderes als 

\ a der hochgradig deformierte Randreifen. 
\ Ä Auf dem zuletzt beschriebenen 
Stadium tritt nun keineswegs ein Still- 
Fig v. stand in den Bewegungserscheinungen 

Rotes Blutkörperchen vom ein, sondern die kontrahierte Zellsubstanz 
Salamander, in kontra- und besonders der Randreifen fahren un- 
hiertem Zustand. Nach unterbrochen fort, ihre Form zu ändern, 
unter der Wechsel- 


-. 


einigen Stunden war es zur 


elliptischen Form zurück- 
gekehrt; der Kontur der 
letzteren wird durch die ge- 
strichelte Linie angegeben. 


augenscheinlich 
wirkung der beiden Kräfte, welche be- 
strebt sind, einander das Gleichgewicht 
zu halten, derjenigen Kraft, mit welcher 


sich die Zellsubstanz zusammenzieht und der im Randreifen durch 
die Deformation wachgerufenen Kraft. 

Nachdem dieser Zustand verschieden lange Zeit angedauert 
hat, fängt das rote Blutkörperchen an, mehr und mehr zur 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. Sul 


elliptischen Gestalt zurückzukehren. Offenbar lässt die Kontraktion 
der Zellsubstanz nach; die Folge ist, dass der Zwangszustand 
des Randreifens nicht länger aufrecht erhalten werden kann. 
Die mannigfachen Biegungen des Randreifens gleichen sich eine 
nach der anderen aus; neue entstehen, um nach einiger Zeit 
ebenfalls wieder zu verschwinden; schliesslich liegt der ganze 
Randreifen wieder entfaltet in einer Ebene. 
Unvollständig bleibt die Entfaltung 

in den zahlreichen Fällen, in denen es & 
bei der Deformation des Randreifens ww 

zur Bildung einer Schleife gekommen ist. Ge 
Eine solche Schleife wird auch nach y. 
völligem Ablauf der Kontraktion in der £ 
Regel nicht wieder rückgängig (Fig.V\D); # 
sie könnte dadurch in Ruhe erhalten 
werden, dass ihre beiden Schenkel an 
der Kreuzungsstelle miteinander ver- \ 
kleben !); wahrscheinlicher ist mir, dass 

das stabile Beharren des Randreifens 

in Schleifenform auf eine schwache 
Torsion desselben zurückzuführen ist. 
Abgesehen von diesen Schleifen- ee nach Ablauf 
bildungen behalten die roten Blutkörper- der Kontraktion, mit nicht 
chen auch sonst vielfach mehr oder rückgängig gewordener 
weniger starke Abweichungen von der Schleife des Randreifens. 
elliptischen Form ; diese können dadurch 

bedingt sein, dass die Elastizität des Randreifens unter den voraus- 
gehenden Zwangszuständen durch Überschreitung der Rlastizitäts- 
grenze gelitten hat; das bedeutet also, dass sie keine vollkommene ist. 

Ebensowenig wird immer die regelmässige Verteilung der 

Zellsubstanz mit dem Ablauf der Bewegungserscheinungen wieder 
hergestellt; man beobachtet vielmehr häufig hell aussehende, 
verdünnte Stellen, besonders in der Nähe des einen Pols, und 
Faltenbildungen an der Oberfläche. 


Pr” 


5 > 


Kie.VI 
Rotes Blutkörperchen des 


') Man beobachtet sehr häufig, dass die Zusammenziehung der Zell- 
substanz keine allseitige ist. In den gar nicht seltenen Fällen, in denen 
sie sich auf eine Querhälfte beschränkt, besteht die eintretende Deformation 
des Randreifens von vornherein ausschliesslich in einer Schleifenbildung wie 
in Fig. VI. Es ist die auf diese Weise entstehende Zellform, welche Knoll 
als „tabaksbeutelähnlich“ bezeichnet. 


512 Friedrich Meves: 


or! 


V. Über Formänderungen der roten Blutkörperchen 
infolge von Reagentienwirkung. 


1. Über die plötzliche Erweiterung der roten Blut- 
körperchen des Frosches nach allen Richtungen bei 
Zusatz von Essigsäure. 

Kneuttinger hat im Jahre 1865 beschrieben, dass die 
roten Blutkörperchen des Frosches bei der Einwirkung von Säure 
sich unter Erhaltung der elliptischen Scheibenform plötzlich wie 
mit einem Ruck nach allen Richtungen erweitern. 

„Setzt man 7,2proz. Essigsäure zu einem Präparate, so 
bekommen die Blutkörperchen kleine Einbiegungen, Einkerbungen, 
und es erscheint, als ob sich bei manchen der Inhalt von der 
Membran zurückzieht. Denn die Kontur des gelben Inhalts ist 
durch einen hellen Raum von der zarten Hülle des Blutkörper- 
chens getrennt. Nach diesem Stadium ...... kommt das einer 
plötzlichen Erweiterung. Beträgt der Durchmesser des Blut- 
körperchens beim Frosch nach Welcker: 

Länge Breite Dicke 

0,0223 0,0157 0,0036 
so besitzen sie nach Behandlung sowohl der Essigsäure, als der 
beiden anderen noch geprüften Säuren im Mittel: 

Länge Breite Dicke 

0,0309 0,0219 0,0045.“ 

Gleichzeitig mit dieser Vergrösserung oder nur wenige 
Sekunden später bemerkt man nach Kneuttinger einen fein- 
körnigen Niederschlag, welcher sich dann zu „grösseren Molekülen“ 
vereinigt, um bei weiterer Einwirkung der Essigsäure gelöst 
zu werden. 

Die plötzliche Erweiterung der Blutzellen wurde von 
Kneuttinger auch bei Anwendung stark verdünnter 
Essigsäure wiedergefunden; ebenso bei Zusatz von Salz- und 
Schwefelsäure, welche ausser der Essigsäure noch geprüft wurden. 

In der Folge ist die Erscheinung, welcher allgemein das 
Prädikat „sonderbar“ oder „merkwürdig“ beigelegt wird, wieder- 
holt beobachtet worden. 

Kollmann (1873) ist meines Wissens der erste, welcher 
versucht hat, sie zu erklären. Er betrachtet sie als einen Beweis 
für die Existenz von „Stromafasern“, welche mit der Oberfläche 


w 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. alle 


des Kernes und mit der „begrenzenden Membran“ zusammen- 
hängen. Diese Stromafasern sollen nach ihm einen gewissen 
Spannungszustand besitzen, der „dem Tonus der Muskeln analog“ 
ist. Durch Säureüberschuss wird das Stroma teilweise gelöst; 
„wenn dies in allen Durchmessern gleichmässig geschehen ist, 
lässt die Spannung desselben nach und es erfolgt die Erweite- 
rung, bis die Ausdehnung des Inhaltes und die Elastizität der 
Membran einander das Gleichgewicht halten“. 

Neuerdings hat v. Ebner (1902, S.743) die Vermutung 
ausgesprochen, dass die Anwesenheit des im Rande des Amphibien- 
blutkörperchens gelegenen Reifens die in Rede stehende Er- 
scheinung „einigermassen erklären“ könnte. 


Diese letztere Vermutung sowie eine direkt an mich ge- 
richtete Anfrage!) v. Ebners veranlassten mich, die Einwirkung 
von Säure (ich wählte eine 7—10 proz. Essigsäure) auf die roten 
Blutkörperchen der Amphibien nachzuuntersuchen. Nachdem ich 
zunächst die Blutkörperchen des Frosches mit Bezug auf diesen 
Punkt studiert hatte, zog ich diejenigen des Feuersalamanders 
heran. Zu meiner Überraschung fand ich, dass die Erscheinung 
hier einen wesentlich abweichenden Verlauf zeigt, insofern als 
eine Erweiterung der Blutscheibe im Längen- und Breiten- 
durchmesser vollständig ausbleibt; hier ist im Moment des Er- 
blassens ausschliesslich eine plötzliche Zunahme des Dicken- 
durchmessers zu konstatieren. | | 

Im einzelnen verläuft die Einwirkung einer 7—10proz. Essig- 
säure bei den Blutkörperchen des Salamanders folgender- 
massen.?) 


') Diskussion zu meinem in Jena gehaltenen Vortrag: Weitere Be- 
obachtungen über den feineren Bau des Randreifens in den roten Blut- 
körperchen des Salamanders. Verh. d. Anat. Ges., Jena, 1904. 

?) Bei der Untersuchung verfahre ich in der Weise, dass ich einen 
Tropfen frischen Blutes und einen Tropfen einer ”—10proz. Essigsäure in 
einiger Entfernung voneinander auf den Objektträger setze und beide 
Tropfen mit einem grossen Deckglas zusammen eindecke, so dass sie sich 
erst jetzt vereinigen. Bringt man das Präparat unter das Mikroskop, so ist 
an der Berührungsstelle selbst die Säurewirkung in der Regel schon ab- 
gelaufen. Man muss in einiger Entfernung davon beobachten, um noch die 
ersten Veränderungen wahrzunehmen. 


514 Friedrich Meves: 


Die ersten Veränderungen bestehen darin, dass der Kern 
schärfer hervortritt. Ferner verlieren die Randpartien der Blut- 
scheibe die Hämoglobinfarbe. Die Grenze zwischen der farblos 
gewordenen Zone und der hämoglobinhaltigen Substanz wird 
durch eine unregelmässige Zickzacklinie gebildet, deren Spitzen 
gegen den Rand gerichtet sind, wo der Randreifen, wenn auch 
nur undeutlich, sichtbar wird. Die Oberfläche der Blutscheibe zeigt 
Falten. In der Kantenansicht sind die Seitenkonturen dem- 
entsprechend unregelmässig aus- und eingebogen; die farblos 
gewordenen Enden zeigen eine schärfere Zuspitzung. 

Weiter sieht man in Flächenansichten die Falten der Ober- 
fläche verschwinden, die hämoglobinhaltige Zellsubstanz wieder 
peripheriewärts bis an den Randreifen vorrücken und gleichzeitig 
ihre Färbung an Intensität abnehmen. Bei Betrachtung der 
Kantenansicht bemerkt man, dass die Dickendurchmesser sich 
vergrössern. Die Blutscheibe, welche im unveränderten Zustand 
auf einem durch die längste Achse gehenden Durchschnitt schlank- 


v w w 


C. d. 
Fig. VII. 


Fig. VIIla. Rotes Blutkörperchen von Salamandra in Kantenansicht. b—d drei 
aufeinanderfolgende Stadien der Essigsäurewirkung, an einem und demselben 
Blutkörperchen beobachtet, ebenfalls in Kantenansicht. 


spindelförmig ist (Fig. VIla), bläht sich immer mehr auf, wobei ihre 
Wände sich von der Kernoberfläche entfernen (Fig. VIIb und e). 

Einen Augenblick später tritt das Erblassen der Blutscheibe 
ein (Fig. VIId), ohne dass, wie gesagt, eine Zunahme ihres Längen- 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. >15 


und Breitendurchmessers zur Beobachtung käme. Der Dicken- 
durchmesser dagegen vergrössert sich so stark, dass seine Länge 
in der Mitte der Blutscheibe häufig mehr als die Hälfte des 
Längendurchmessers beträgt. Der Kern kann sich nunmehr frei 
im Innern der Blutzelle verschieben. 

Strukturen sind in dem erblassten Blutkörperchen nicht zu 
sehen.!) Das Auftreten eines körnigen Niederschlages im Innern 
konnte ich nur ausnahmsweise beobachten. 

Verwendet man eine Essigsäure, der man '/s—1 Proz. Methyl- 
grün zugesetzt hat, so konstatiert man, dass der Kern erst im 
Moment des EFrblassens beginnt sich mit dem Farbstoff zu 
imbibieren. 

Unmittelbar nach der plötzlichen Erweiterung sieht man 
das Blutkörperchen vielfach ebenso plötzlich kollabieren, wobei 
seine Membran sich faltig einknickt. 


Bei den roten Blutkörperchen des Frosches (Rana 
eseulenta) verläuft die Wirkung der Essigsäure in Flächen- 
ansichten ähnlich wie bei denen des Salamanders, bis zum 
Moment des Erblassens, in welchem die plötzliche Erweiterung 
auch im Längen- und Breitendurchmesser eintritt. 

Im Innern des erblassten und erweiterten Blutkörperchens 
wird ein Fadengerüst sichtbar, welches um den Kern herum 
dichter angesammelt ist;?) jedoch wird es häufig durch einen 
körnigen Niederschlag mehr oder weniger vollständig verdeckt. 
Der Reifen liegt nach wie vor am Rand der Scheibe. 

Bei Betrachtung der Kantenansichten (Fig. VIII) konstatiert 
man, dass im Beginn der Säurewirkung ebenso wie beim Salamander 
eine Volumenszunahme stattfindet. Dabei kommt es aber niemals zu 
einer erheblichen Entfernung der Zellmembran von der Kernober- 
fläche. Beide sind vielmehr miteinander verklebt. Die Blutscheibe 
behält daher auf einem durch die längste Achse gehenden Durch- 


!) Abgesehen von einigen in Auflösung begriffenen Fadenstücken, 
offenbar Resten von Plastokonten (siehe oben S. 494), welche in Fig. Vlld 
nicht mitgezeichnet sind. 

?) Dieses Fadenwerk ist möglicherweise mit demjenigen identisch, 
welches ich an roten Blutkörperchen des Frosches, die vorher in 3proz. 
Kochsalzlösung suspendiert gewesen waren, durch Gentianaviolett gefärbt 
erhalten habe (vgl. oben S. 493). 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 35 


516 Friedrich Meves: 


schnitt nicht die Form einer Spindel, sondern nimmt diejenige eines 
Stäbchens mit abgerundeten Enden an (Fig. VIIIb, c). Im Moment 
des Erblassens (Fig. VIlld) erfahren dann die in der Längsachse 
zu beiden Seiten.des Kernes liegenden Partien eine plötzliche Ver- 


; && 
’ ı 2 
\ i \ r 
| 8 
w ww: 
= \ 
! \ 
ex 
Er b. d. 


©. 
Fig. VII. 
Fig. VIlla. Rotes Blutkörperchen von Rana esculenta in Kantenansicht; b—d 
drei aufeinanderfolgende Stadien der Essigsäurewirkung, an einem und dem- 
selben Blutkörperchen beobachtet, ebenfalls in Kantenansicht. 


grösserung sowohl des Längs- wie des Querdurchmessers, wobei 
das relative Verhältnis beider dasselbe bleibt. 

Man erkennt in der Kantenansicht, dass die Balken des 
Fadengerüstes, welches im Moment des Erblassens sichtbar wird. 
(in Fig. VIII d nicht mitgezeichnet) vorwiegend der Quere nach 
zwischen den einander gegenüberliegenden Zellwänden ausge- 
spannt sind. 


Die Erklärung für die beschriebenen Vorgänge dürfte 
folgendermassen zu geben sein. 

Kommt das Blutkörperchen mit der Säure in Berührung, 
so bildet sich an der Oberfläche eine Niederschlagsmembran. 
Weiter dringt Säure ins Innere ein. Infolgedessen muss die 
Blutzelle, unter gleichzeitigem Wachstum der Niederschlags- 
membran, an Volumen zunehmen. Die Fixierung (Koagulation) 
durch die Säure verhindert, dass sie dabei Kugelform annimmt. 
Das Farbloswerden des Randes, welches im Beginn der Säure- 
wirkung beobachtet wird, scheint der Ausdruck davon zu sein. 
dass die gefärbte Zellsubstanz sich innerhalb der Niederschlags- 
membran aus den Randpartien der Blutscheibe zurückzieht.') Für 


') Vgl. den im Anfang zitierten Satz von Kneuttinger. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 517 
den weiteren Verlauf ist diese Zurückziehung bedeutungslos; 
denn sie wird sogleich wieder rückgängig gemacht, indem die 
Zellsubstanz durch die fortschreitende Wasseraufnahme immer 
stärker ausgedehnt wird, so dass sie wieder bis an den Rand der 
Blutscheibe vorrückt. 

Die mit einem Ruck erfolgende starke Volumensvergrösse- 
rung, welche von dem Erblassen der Blutscheibe begleitet ist, 
hat ihren Grund offenbar darin, dass die Permeabilität des Blut- 
körperchens für die umgebende Lösung plötzlich stark zunimmt.') 

Die Wirkung des sich dabei entwickelnden Binnendruckes 
auf die äussere Form der Blutzelle ist beim Salamander und 
Frosch verschieden. 

Bei den Blutkörperchen des Salamanders bauchen sich die 
Zellwände beiderseits stark vor. Bei denen des Frosches können 
sie es jedenfalls nicht in ganzer Ausdehnung, da sie in der 
Mitte mit der Kernoberfläche verklebt sind. Die Volumens- 
vergrösserung kann nur an dem ringförmigen Gürtel von Zell- 
substanz zum Ausdruck kommen, welcher den Kern umgibt. Hier 
könnte sie ausschliesslich eine Zunahme des Quer- bezw. Dicken- 
durchmessers bewirken, was eine starke Aufwulstung der Blut- 
scheibe rings um den Kern zur Folge haben würde. 

Die zahlreichen der @Quere nach ausgespannten Fäden, 
welche die gegenüberliegenden Zellwände miteinander verbinden, 
verhindern aber, dass diese sich soweit voneinander entfernen, wie 
es dem erhöhten Turgor entspricht. Es wird: daher ein stärkerer 
Druck in der Richtung gegen den Rand ausgeübt. Dieser Druck 
verursacht es, dass die Blutscheibe sich im Längen- und Breiten- 
durchmesser erweitert, wobei der Randreifen, welcher mit der Nieder- 
schlagsmembran verklebt ist, eine passive Dehnung erleiden muss. 

Nach dem Eintritt der Erweiterung haben Wachstum und 
Dehnbarkeit der Niederschlagsmembran ihr Ende erreicht. Eine 
eventuelle weitere Steigerung des Binnendruckes muss daher ein 
Platzen der Membran zur Folge haben. 


2. Über Formänderungen infolge der Wirkung von 
Ammoniakdämpfen. 

Die Wirkung von Ammoniakdämpfen auf die roten Blut- 

körperchen von Amphibien ist meines Wissens mikroskopisch bis- 


2) Gleichzeitig tritt auch Exosmose des Blutfarbstoffes ein. 
35* 


518 Friedrich Meves: 


her erst ein einziges Mal, von Lankester (1871, S. 376), studiert 
worden. Lankester bediente sich zu seinen Versuchen, welche 
er am Froschblut anstellte, einer von ihm modifizierten Schweigger- 
Seidelschen Gaskammer, durch welche Ammoniakdämpfe hindurch- 
geleitet wurden. 

Seine ersten Beobachtungen, die er im Sommer 1870 machte, 
ergaben, dass die Blutkörperchen des Frosches bei Anwendung 
von starkem Ammoniakdampf sofort kugelig wurden und sich 
alsbald gänzlich auflösten. Wurde Ammoniakdampt durchgeleitet, 
welcher gerade noch durch den Geruch wahrnehmbar war, traten 
merkwürdige, in die Länge gezogene, zugespitzte und dreieckige 
Formen auf. Wenn das Gas langsam verstärkt wurde, nahmen 
die Blutkörperchen allmählich eine kugelige Form an. Dann 
wurde die Kugel immer kleiner und gab plötzlich die Farbe ab. 
Es blieb ein blasses, unregelmässiges „Stroma“ zurück mit einem 
grossen hellen Kern, der über seine normale Grösse angeschwollen 
war; dieses wurde bei weiterer Verstärkung des Ammoniakdampfes 
vollständig aufgelöst. 

Als nun Lankester die Versuche mit schwachem 
Ammoniakdampf im ersten Frühjahr des folgenden Jahres wieder- 
holte, vermochte er zu seiner Überraschung die früher beobachteten 
Veränderungen in der Gestalt der roten Blutkörperchen nicht 
wieder zu erhalten; im Sommer jedoch gelang es ihm. Im Früh- 
jahr dagegen und in einigen Fällen auch im Sommer ergab die 
Einwirkung von sehr schwachem Ammoniakdampf auf Froschblut 
drei verschiedene Wirkungstypen, welche in Bezug auf ihr Auf- 
treten von sehr geringen Unterschieden in der Menge und Stärke 
des zugeleiteten Dampfes und dem Zustand der Blutkörperchen 
selbst abhängig zu sein schienen. 

Die erste Veränderung, welche am häufigsten erhalten wurde, 
bestand darin, dass die Blutkörperchen lappige Formen annahmen. 
Die Lappen zeigten die Tendenz, sich in mannigfacher Weise zu- 
sammenzuziehen und sandten lange, unregelmässige Fortsätze aus. 

Die zweite Wirkung gleicht nach Lankester derjenigen 
der Borsäure, wie sie von Brücke beschrieben wurde. Der 
gefärbte Inhalt der Blutkörperchen (das Zooid von Brücke) 
zieht sich kräftig zusammen und trennt sich von der dichten 
Oberflächenschicht (dem Oikoid); jedoch wird er in keiner Weise 
granuliert, sondern bleibt vollständig klar und homogen. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. >19 


Der dritte Typus der Ammoniakwirkung kam an einigen 
Körperchen zur Beobachtung, welche zuerst Neigung bekundeten, 
sich in der Richtung des zweiten Typus zu entwickeln. indem 
ihr Zooid sich teilweise zusammenzog; anstatt jedoch dabei zu 
beharren, begannen von den Rändern der Körperchen und ihrer 
zusammengezogenen Zooide Partikelchen sich abzulösen, welche 
Molekularbewegung zeigten und fortschwammen. 

Aus den mitgeteilten Beobachtungen möchte Lankester 
entnehmen, dass die Wand der Froschblutkörperchen in Ammoniak 
leicht löslich ist, und zwar unter bestimmten physiologischen 
Bedingungen leichter als unter anderen. — Er erklärt schliesslich, 
dass die Wirkung des Ammoniaks es verdiene, in einer mehr 
methodischen Weise untersucht zu werden. 


Um über den Konzentrationsgrad des angewendeten 
Ammoniaks exaktere Angaben machen zu können, bin ich selbst 
bei einer Nachprüfung in der Weise verfahren, dass ich die 
käufliche konzentrierte Ammoniaklösung (mit ca. 25 Proz. Am- 
moniak) in bestimmtem Verhältnis mit Wasser verdünnte und 
den Dampf, der aus einer abgemessenen Menge der Mischung 
aufstieg, auf die Blutkörperchen wirken liess. Und zwar gab ich 
jedesmal ca. 6 Tropfen der Mischung in eine Böttchersche 
feuchte Kammer, welche aus einem 
5 mm hohen, diekwandigen Glas- 
ring bestand (innerer Durchmesser 
185 mm), der auf einem Objekt- 
träger aufgekittet war und oben 
mit Hilfe von Vaselin durch ein 
Deckglas geschlossen wurde, an | 
dessen Unterseite das Blut ge- | 
bracht war. 

Meine Untersuchung wurde an 
dem Blut von Frosch (Rana escu- 
lenta) und Feuersalamander aus- Fig. IXa. Fig. IXb. 
geführt. Es ergab sich dabei, dass 
Ammoniakdampf eine höchst eigentümliche Wirkung 
auf den Randreifen der roten Blutkörperchen besonders des 
Salamanders ausübt. 


520 Friedrich Meves: 


Salamander. Wenn man rote Blutkörperchen des Sala- 
manders den Dämpfen aussetzt, welche von einigen Tropfen einer 
Mischung von 1 Teil Ammoniak und 20 bis 40 Teilen Wasser 
aufsteigen, so beobachtet man, dass die beiden Längshälften des 
Randreifens sich spiralig umeinander herumwickeln. Der Rand- 
reifen geht aus einem Zustand wie in Fig. IXa in einen solchen 
wie in Fig. IXb oder in einen noch stärker gedrehten über. 

Es fragt sich, auf welche Weise diese eigenartige Um- 
formung bewirkt werden kann. 

Wenn man einem Kautschukband eine Biegung erteilt 
(Fig. Xa) und nun eine Torsion hinzufügt, so erhält man, gleich 
nach dem in Fig. Xb gezeichneten Zwischenstadium, eine Schleife 
(Fig. Xe). Ein geschlossener Kautschukreifen nimmt bei Torsion 
(um 2.360°) S-Form an; wenn man mit der Torsion fortfährt, 
dreht er sich strickförmig zusammen (Fig. IX b). 


\ AN AS 


Fig. Xa. Fig. Xb. Fig. Xe. 


Auch die Zusammendrehung des Randreifens kann kaum 
auf eine andere Weise zustande kommen als dadurch, dass er 
sich unter dem Einfluss der Ammoniakdämpfe tordiert. Die 
Möglichkeit für das Auftreten einer solchen Torsion muss durch 
bestimmte, noch zu eruierende Strukturverhältnisse des Rand- 
reifens gegeben sein. 

Mit dieser Umformung des Randreifens geht eine Zerfällung 
der Zellsubstanz in zwei oder drei Portionen einher, in eine 
grosse, welche den Kern einschliesst und eine oder zwei kleinere 
Portionen. 

Im einzelnen verläuft die Erscheinung, innerhalb weniger 
Minuten, etwa folgendermassen. 

Man hat zunächst in Flächenansichten der Blutzellen den 
Eindruck, als wenn an dem einen Pol eine Zuspitzung auftritt 
(Fig. XIa). Die diesem Pol benachbarten Teile des Randreifens 
biegen sich, offenbar unter dem Einfluss einer Torsion, nach 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 521 


-. 


entgegengesetzten Seiten aus ihrer Ebene heraus und in eine 
Lage wie in Fig. Xb hinein. Gleich darauf tritt eine Schleife 
hervor (Fig. XIb). 

Die Umformung des Randreifens macht Umlagerungen des 
Protoplasmas erforderlich. Diese gehen aber, augenscheinlich 


Fig. XIb. 


L R \ D 
Re \ 
| | 
\ | y 
x v 
N ar Be er u 
Fig. XTd. Fig. XIe. Fig. XIf. 


Fig. Xla—f. Rote Blutkörperchen vom Salamander unter der Einwirkung 
des Dampfes einer schwachen Ammoniaklösung (1 Teil Ammoniak auf 25 Teile 
Wasser). Sechs aufeinanderfolgende Stadien (von sechs verschiedenen Zellen.) 


522 Friedrich Meves: 


infolge der zähflüssigen Beschaffenheit des Protoplasmas, nur 
langsam und unter Faltenbildung vonstatten. 

Von dem Augenblick an, wo die Schenkel der Randreifen- 
schleife sich aneinander gelegt haben, beginnt das Protoplasma 
sich an der Oberfläche zu glätten. Wahrscheinlich hat es unter 
der fortdauernden Einwirkung des Ammoniakdampfes eine 
flüssigere Konsistenz angenommen. Der Randreifen, der bisher 
nur an der von ihm verursachten Wulstung erkennbar war, wird 
nunmehr im Innern des Protoplasmas, soweit er nicht im Rande 
desselben liegt, direkt sichtbar (Fig. XIe). Gleichzeitig treten im 
Protoplasma kleine, stark glänzende Körner oder Vakuolen auf, 
welche vielfach an den sichtbaren Teilen des Randreifens entlang 
oder parallel zu ihnen angeordnet sind (in der Figur nicht 
mitgezeichnet). 

In der Folge geht die Drillung des Randreifens ununter- 
brochen weiter. Auf die erste Kreuzung folgt alsbald eine zweite 
(Fig. XId) und weiterhin noch mehrere, welche sich gegen die Mitte 
zu anschliessen. Dabei wickeln die beiden Randreifenhälften sich 
fester umeinander herum, so dass sie schliesslich einen soliden 
Strang bilden (Fig. XlIe). 

Es ist klar, dass diese Zusammendrehung des Randreifens 
die Form des Protoplasmas weiter beeinflussen muss. Diejenige 
Menge Zellsubstanz, welche in der zuerst entstandenen kleinen 
Schleife ausgespannt ist, trennt sich von der Hauptmasse ab. 
Letztere unterliegt in Bezug auf ihre Gestalt nicht mehr der 
Einwirkung des Randreifens, sondern allein derjenigen der Ober- 
flächenspannung. Sie zieht sich daher, um die von ihr ein- 
geschlossene Öse des Randreifens herum, zusammen, wobei der 
Abstand zwischen ihr und der kleinen Zellsubstanzportion immer 
grösser wird; es entsteht das Bild, welches ich in Fig. XIe wieder- 
gegeben habe. 

Häufig sieht man, wie in letzterer Figur, dass von dem 
aufgedrehten Teil des Randreifens zwischen den beiden Zell- 
substanzportionen eine Menge winziger Tröpfchen von hämoglobin- 
haltiger Zellsubstanz sich abtrennen, welche Molekularbewegung 
zeigen und fortschwimmen. Diese Erscheinung kommt wahr- 
scheinlich folgendermassen zustande. Zwischen den beiden Hälften 
des Randreifens, welche anfangs nur locker umeinander herum- 
gewunden sind, bleibt zunächst noch eine geringe Menge Zell- 


U 
NG 
© 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 


substanz ausgespannt zurück. Diese wird später mit dem Enger- 
werden der Wickelung hervorgepresst und kann dann in Form 
der beschriebenen Tröpfchen frei werden. 

Nach dem in Fig. Xle gezeichneten Stadium vergrössern die 
beiden Zellsubstanzportionen an den Enden des zusammengedrehten 
Randreifens ihr Volumen durch Quellung und nehmen Kugelform 
an. Dabei wird der Strang, welcher sie verbindet, immer kürzer, 
sei es, indem er sich stärker dreht oder indem er zusammen- 
schrumpft. Auf diese Weise werden die Zellsubstanzkugeln 
einander immer mehr genähert (Fig. XIf). Schliesslich berühren 
sie sich und fliessen zu einer einzigen zusammen. Diese gibt 
einige Augenblicke später ihr Hämoglobin ab; gleichzeitig erfährt 
der Kern eine starke Aufquellung, wobei er häufig aus der sich 
entfärbenden Zellsubstanz austritt. 

Neben der im vorstehenden geschilderten Verlaufsart 
beobachtet man in häufig sogar zahlreicheren Fällen eine andere, 
bei welcher anfangs an beiden Polen der Blutscheibe eine 
anscheinende Zuspitzung und weiter eine 
Schleifenbildung eintritt. Die beiden 
Querhälften des Randreifens machen 
jede den in Fig. X dargestellten Formen- 
wandel durch, wobei sich die benachbarten 

Quadranten nach entgegengesetzten 
Seiten aus ihrer Ebene herausbiegen. 
Der Randreifen dreht sich sehr schnell 
zu einem Strang zusammen. Die Zell- 
substanz wird in drei Portionen zerfällt 
(Fig. XII), welche schliesslich wieder mit- 
einander zusammenfliessen. 

Im einzelnen braucht diese Ver- \ 
laufsart nicht geschildert zu werden. 


Bringt man in die feuchte Kammer Fig. XII. 
eine stärkere Ammoniakmischung, welche 
1 Teil 25proz. Ammoniaklösung auf 6 bis 10 Teile Wasser 
enthält, so bleibt die Zusammendrehung des Randreifens zu einem 
Strang aus. Man sieht, dass die Blutscheibe sich in der Flächen- 
ansicht ebenso wie bei Anwendung schwacher Ammoniaklösung an 
dem einen Pol zuspitzt (Fig. XllIa). Eine Wulstung der Oberfläche 


524 Friedrich Meves: 


wie in Fig. XIIa tritt aber meistens nicht hervor; das Protoplasma 
scheint den Bewegungen des Randreifens rascher zu folgen, was 
darauf hinweist, dass es sehr schnell eine mehr flüssige Konsistenz 
angenommen hat. Die Zuspitzung ist mit einer Längsstreckung 
der Blutzelle, unter gleichzeitiger Verkürzung ihres Querdurch- 
messers, verbunden. 

Unmittelbar darauf rundet sich der zugespitzte Pol wieder 
ab. Im selben Augenblick werden im Innern der Blutzelle der 
Randreifen (Fig. XIIIb) und daneben eine Anzahl glänzender Körner 
oder Vakuolen sichtbar. Letztere sind in Fig. XIIIb nicht mit- 
gezeichnet. Der Randreifen besitzt die Form einer 8, deren beide 
Schleifen ungefähr gleichgross sind. Die sich überkreuzenden 
Schenkel berühren sich jedoch nicht, sondern sind durch den 

Kern, welcher zwischen 
ihnen eingeklemmt 
: liegt, voneinander ge- 
f \ trennt. Die Gestalt der 
| Zelle ist die durch den 
=. /|  Randreifen bedingte. 


| N NZ Wenn man sich nicht 
| | | sehr beeilt, trifft man 
PEA \ 
= } 
h | : | 
1, | 
PAR 
el | 
RER | 
| 
H 4 BT LE g 
Fig. XIlla. Fig. XIIIb. Fig. XIII c. 


Fig. XIIa—c. Rote Blutkörperchen vom Salamander unter der Einwirkung 

des Dampfes einer Ammoniakmischung, welche 1 Teil konzentrierte Ammoniak- 

lösung auf 10 Teile Wasser enthält. Drei aufeinanderfolgende Stadien 
(von drei verschiedenen Zellen). 


bei der Einstellung des Präparates alle Blutzellen bereits auf dem 
zuletzt beschriebenen Stadium (Fig. XIIIb) an.') 


') In einer Anzahl von Zellen tritt anfangs eine Zuspitzung der 
Blutscheibe an beiden Polen und Hand in Hand damit eine stärkere 
Längsstreckung ein. Auf dem-der Fig. XIIIb entsprechenden Stadium über- 
kreuzen sich die beiden Längshälften des Randreifens an zwei Stellen. 
Der weitere Verlauf ist wie oben beschrieben. 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 529 


Auch dieses Stadium bleibt nur kurze Zeit bestehen; dann 
nimmt die Blutzelle Kugelform an. Dabei wird der Randreifen 
wieder unsichtbar (Fig. XIIlce). 

Die entstehenden Kugeln haben einen erheblich kleineren 
Durchmesser als diejenigen, welche bei Wasserzusatz auftreten. 
Nichtsdestoweniger mag es sein, dass das Kugeligwerden der 
Blutkörperchen bei der Einwirkung stärkerer Ammoniaklösung 
mit einer Quellung einhergeht. Dass diese aber die Ursache für 
die Entstehung der Kugeln abgibt, ist mir unwahrscheinlich. 
Ich möchte vielmehr glauben, dass die Zelle gezwungen wird, 
Kugelform anzunehmen, weil der Randreifen auf dem Stadium 
der Fig. XIIIb seine Festigkeit einbüsst und daher nicht mehr 
imstande ist, der Oberflächenspannung Widerstand zu leisten. 

Bald nachdem die Blutzelle kugelig geworden ist, erblasst 
sie; gleichzeitig quillt der Kern so stark auf, dass seine Durch- 
messer sich ungefähr auf das Doppelte verlängern. 


Die Dämpfe von einigen Tropfen konzentrierter Ammoniak- 
lösung oder solcher, die nur mit 1—3 Teilen Wasser verdünnt 
ist, bewirken, dass die roten Blutkörperchen sofort kugelig 
werden. Im Zelleib tritt ein reichlicher körniger Niederschlag auf. 

Der Kern bläht sich auf, noch bevor der Zelleib sein 
Hämoglobin abgegeben hat. 


Frosch. Verwendet man Froschblut zur Untersuchung, so 
findet man, dass auch der Dampf schwacher Ammoniaklösung 
(1 Teil 25proz. Ammoniaklösung auf 20—40 Teile Wasser) hier 
keine so ausgesprochenen Erscheinungen am Randreifen wie beim 
Salamanderblut hervorruft. 

In Flächenansichten hat man zunächst wieder den Ein- 
druck, als wenn der eine Pol sich zuspitzt. Die Zuspitzung kommt 
in derselben Weise wie bei den Blutkörperchen des Salamanders 
durch Torsion des Randreifens zustande. Die Torsion geht aber 
in den meisten Fällen nicht über das Stadium der Fig. XIV hinaus, 
auf welchem die ganze Blutscheibe eine windschiefe Form an- 
genommen hat. 

In der Folge fällt zunächst auf, dass an der Peripherie des 
Kernes glänzende Körner oder Vakuolen auftreten. Gleichzeitig 


526 Friedrich Meves: 


nehmen Längen- und Breitendurchmesser der Blutscheibe ab. 
Der den Kern umgebende Zellsubstanzring wulstet sich auf, so 
dass der Kern, welcher vorher eine zentrale Erhöhung der Blut- 
scheibe bildete, vertieft zu liegen kommt. All- 
mählich schliesst sich das Protoplasma von allen 
Seiten her über den Kern zusammen; das Blut- 
körperchen nimmt Kugelgestalt an. 

A, Es ist möglich, dass das Kugeligwerden der 
| A | Blutkörperchen auch in diesem Falle auf eine ein- 
\ /  tretende Erschlaffung des Randreifens zurückzu- 
wa ww führen ist. 

Fie. XIV. Schliesslich erblasst die gefärbte Kugel unter 

8. : 3 a: 

gleichzeitiger Aufquellung des Kernes. 

In einem Teil der Fälle spitzen sich beide Pole zugleich 
oder nacheinander zu, wobei sich die benachbarten Quadranten 
des Randreifens nach entgegengesetzten Seiten 
aus der Ebene herausbiegen. Dadurch entsteht 
das Bild der Fig. XV; die Blutscheibe besitzt in 
der Flächenansicht eine rhombische Form. Weiter 
verläuft der Prozess wie oben geschildert. 


Die Vorgänge, welche man bei höheren 
Konzentrationen des Ammoniakdampfes beob- 
achtet, stimmen mit den bei den Blutkörperchen 
des Salamanders beschriebenen überein; jedoch 
wird der Randreifen auf demjenigen Stadium, welches der Fig. XIIIb 
entspricht, nicht erkennbar. 


Fig. XV. 


Die an den Froschblutkörperchen auftretenden Verände- 
rungen, welche ich im vorstehenden beschrieben habe, sind 
offenbar dieselben, welche Lankester im Sommer 1870 vor 
sich gehabt hat. Seine „in die Länge gezogenen, dreieckigen 
oder zugespitzten Formen“ entsprechen augenscheinlich meiner 
Fig. XIV. Dass die kugelig gewordenen Blutkörperchen, bevor sie 
ihr Hämoglobin verlieren, kleiner werden, wie Lankester 
angibt, kann ich allerdings nicht bestätigen. 

Die weiteren Beobachtungen, welche Lankester haupt- 
sächlich im Frühjahr 1871 gemacht hat, weichen von seinen 
eigenen früheren erheblich ab. Lankester möchte dies darauf 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 527 


zurückführen, dass der Zustand der Blutkörperchon in den ver- 
schiedenen Jahreszeiten ein verschiedener sei. Ich habe aber 
gefunden, dass wenigstens ein Teil der weiteren von Lankester 
beobachteten Erscheinungen regelmässig dann auftritt, wenn der 
Blutstropfen in zu dünner Schicht ausgestrichen wird. Alle Blut- 
körperchen nämlich, welche irgendwie am Deckglas anhaften 
(dazu gehören auch diejenigen, welche bei grösserer Schichtdicke 
an den Rändern liegen), lassen die typische Ammoniakwirkung 
nicht zustande kommen, nehmen vielmehr lappige Formen an 
oder besetzen sich mit Kügelchen, welche sich abschnüren. Solche 
Bilder dagegen, wie man sie durch Borsäure erhält (welche mit 
den Hünefeld-Hensenschen Bildern übereinstimmen), habe 
ich bei Einwirkung von Ammoniak niemals auftreten sehen. 


Schliesslich sei bemerkt, dass man dieselben Wirkungen, 
welche man durch Ammoniakdampf erhält, auch dadurch erzielen 
kann, dass man Blut und Ammoniaklösung zusammen eindeckt. 
Zusatz von Kalilauge dagegen ruft solche Erscheinungen nicht 
hervor. 

Fast immer finde ich einzelne Formen von Blutkörperchen, 
wie Fig. XIV und XV, wenn ich von Amphibienblut, welches in 
hypertonischer Zuckerlösung suspendiert ist, ein mikroskopisches 
Präparat herstelle und nach einer Anzahl von Stunden untersuche. 


3. Über Formänderungen, welche durch Quellung 
des Kerns hervorgerufen werden: sogenannte Hüne- 
feld-Hensensche Bilder. 


Von Hensen ist 1862 beschrieben worden, dass nach Be- 
handlung mit Zuckerlösung der Inhalt der roten Blutkörperchen 
des Frosches sich von einer Wandschicht zurückzieht:; er erscheint 
entweder in Form eines rundlichen Klumpens oder zu einer stern- 
artıgen Figur zusammengeballt, deren Zacken bis an den Rand 
des Körperchens reichen. 

Ähnliche Bilder hatte schon vorher (1840) Hünefeld durch 
behandlung mit kohlensaurem Ammoniak und Salmiak erhalten. 
Man bezeichnet sie daher gewöhnlich als Hünefeld-Hensensche 
Bilder. Sie machen den Eindruck, als wenn eine Plasmolyse 
vorliegt. Mit diesem Namen hat man folgende Erscheinung 


. 


528 Friedrich Meves: 

belegt. Wenn man lebende pflanzliche Zellen in Zucker- oder 
Salzlösungen bringt, welche eine gewisse Konzentration über- 
schreiten, so zieht sich das Protoplasma von der Cellulosemembran 
zurück und auf ein kleineres Volumen zusammen, indem es Wasser 
an die umgebende Lösung abgibt. Mit solchen plasmolysierten 
Pflanzenzellen sind die Hünefeld-Hensenschen Bilder der 
roten Blutkörperchen besonders von Hamburger (1557 und 
1902) in Parallele gestellt worden; von ihm, wie schon von 
Hensen, werden sie als Beweis für das Vorhandensein einer 
Membran an der Oberfläche der Blutkörperchen angeführt. 

Bringt man pflanzliche Gewebe in Wasser, so dehnt 
sich das Protoplasma aus; dadurch kann die Cellulosemembran 
unter Umständen zum Platzen gebracht werden. In Analogie 
mit diesem Verhalten der Pflanzenzellen sollte man erwarten, 
dass auch der Inhalt der Blutkörperchen nach Wasserzusatz 
immer gequollen wäre. Es hat jedoch schon Kneuttinger 
(1565) gefunden, dass die Hünefeld-Hensenschen Bilder auch 
bei beschränktem Wasserzusatz auftreten. Diese Tatsache ist 
vielfach bestätigt worden. Kollmann (1373) und neuerdings 
Hamburger (l. c.) haben versucht, sie zu erklären. Nach 
Kollmann soll ein Fadengerüst des Blutkörperchens, nach 
Hamburger der ganze Inhalt desselben bei beschränkter 
Wasseraufnahme gerinnen und infolge davon zusammenschrumpfen. 

Dass die angeführten Erklärungen für die Entstehung der 
Hünefeld-Hensenschen Bilder richtig seien, ist verschiedent- 
lich bezweifelt worden, ohne dass man jedoch eine bessere dafür 
an die Stelle gesetzt hätte. Denn auch ein anderer Erklärungs- 
versuch, welcher von Brücke herrührt und von Rollet in 
wenig veränderter Form übernommen worden ist, lässt sich 
unschwer als verfehlt erweisen. 

Brücke (1867) hat die Hünefeld-Hensenschen Bilder 
durch Einwirkung von 2proz. Borsäure erhalten. Er stellt sich 
vor, dass das Blutkörperchen aus zwei Teilen besteht: 1. aus 
einer porösen, farblosen Masse, welche nach aussen von glatter 
Oberfläche begrenzt ist, und 2. aus einer Substanz, welche in 
den Zwischenräumen der porösen Masse liegt, das Hämoglobin 
enthält und mit dem Kern zusammen ein Ganzes bildet. Die 
farblose, poröse Masse nennt Brücke Oikoid, das übrige zusammen 
Zooid. Die Hünefeld-Hensenschen Bilder kommen nach ihm 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 529 


dadurch zustande, dass das Zooid sich vollständig oder teilweise 
vom Oikoid zurückzieht. Die Ursache dieser Zurückziehung, sagt 
Brücke, werde vielleicht noch lange dunkel bleiben. 

Rollet (1900) unterscheidet ebenfalls zwei geformte Sub- 
stanzen, ein hyalines, schwammartiges Stroma und ein durch 
Hämoglobin gefärbtes, in den Räumen des Stroma verteiltes 
Endosoma. Er lässt die Hünefeld-Hensenschen Bilder dadurch 
entstehen, dass das Endosoma ganz oder teilweise aus den Räumen 
des Stroma verdrängt wird; bei Wasserzusatz soll dies dadurch 
geschehen, dass das Stroma quillt. 

Der Wahrheit am nächsten ist v. Ebner (1902, S. 742) 
gekommen, nach welchem eine „eigenartige Formänderung“ vor- 
liegt, „die wesentlich eine @Quellung des mittleren Teiles des 
Blutkörperchens unter Heranziehung der peripheren Teile des 
Hämoglobins ist, während der äussere Teil der Scheibe der 
(uellung relativ Widerstand leistet“. 


Ich selbst habe die Entstehung der Hünefeld-Hensen- 
schen Bilder an den roten Blutkörperchen des Salamanders 
genauer studiert. 

Ich verfahre dabei in der Weise, dass ich einige Tropfen 
Salamanderblut in ca. 15 ccm einer ca. 12proz. Rohrzuckerlösung 
hineinlaufen lasse. Dann schüttele ich und warte, bis die roten 
Blutkörperchen sich am Boden abgesetzt haben. Von dem 
Bodensatz bringe ich etwas (mit Hilfe einer Pipette) unter das 
Mikroskop. 

Ich sehe dann nach einigem Warten, wie die Oberfläche 
der roten Blutzellen sich mit zahlreichen kleinen Fältchen bedeckt. 
Der Kern ist anfangs noch ziemlich unverändert. Später beginnt 
er mehr und mehr anzuschwellen. Von einem bestimmten Augen- 
blick an erscheint er nicht mehr weisslich, sondern in der Farbe 
des Hämoglobins. Gleichzeitig beginnt die Blutscheibe, deren 
runzlig gewordene Oberfläche sich inzwischen wieder geglättet 
hat, blasser zu werden. Die Volumzunahme des Kernes geht, 
häufig rapide, weiter. Die Blutscheibe erblasst vollständig; nur 
rund um den Kern erhält sich vielfach noch eine Zeitlang eine 
ganz schmale Zone hämoglobinhaltiger Substanz, von welcher 
zuweilen radiär verlaufende Strahlen peripheriewärts abgehen. An 


SO 
os 
(e>) 


Friedrich Meves: 


der Peripherie der Blutscheibe tritt der Randreifen deutlich 
hervor; zwischen ihm und der gefärbten Inhaltskugel (d. i. dem 
hämoglobingefärbten Kern, welcher noch von einer schmalen Zone 
hämoglobinhaltiger Zellsubstanz umgeben ist) wird eine zarte, 
glashelle Membran sichtbar. Der Randreifen liegt im Umschlags- 
rand der Membran von der einen auf die andere Seite. In 
Kantenansichten sieht- man, dass die beiden Membranblätter 
zwischen dem Randreifen und der Inhaltskugel fast unmittelbar autf- 
einander liegen. In dem Fall, dass von der den Kern um- 
gebenden Zone hämoglobinhaltiger Substanz radiär verlaufende 
Strahlen abgehen, sind diese in nach aussen geschlagenen Falten 
der Membran gelegen. 

Nach meiner Meinung ist hierbei folgendes vor sich gegangen. 
Die 12proz. Zuckerlösung übt eine schädliche Wirkung aus. An 
der Oberfläche des Blutkörperchens entsteht dann eine Nieder- 
schlagsmembran, welche die übrige Zellsubstanz vor dem direkten 
Einfluss der Zuckerlösung zu schützen sucht, welche aber nicht 
zu verhindern vermag, dass das Blutkörperchen abstirbt. 

Mit dem eintretenden Tod der Zelle gehen nun im Kern 
chemische Metamorphosen vor sich, welche bewirken, dass er 
stark quellbar wird; die Folge davon ist, dass er fast die 
gesamten Substanzen des Zelleibs aufsaugt. In der gefärbten 
InhaltskugelderHünefeld-HensenschenBilder haben 
wir der Hauptsache nach den gequollenen, mit der 
gefärbten Zellsubstanz imbibierten Kern des Blut- 
körperchens vor uns. 

Die Niederschlagsmembran an der Zelloberfläche würde der 
Zellsubstanz, wie sie vom Kern aufgesogen wird, folgen und 
über dem aufquellenden Kern zusammenfallen, wenn sie nicht 
durch den Randreifen gespannt gehalten würde; das Vorhanden- 
sein des Randreifens ist also für das Zustandekommen der 
Hünefeld-Hensenschen Bilder sehr wesentlich. 

Nachdem der Zustand der Hünefeld-Hensenschen Bilder 
erreicht ist, kommt der (@Quellungsprozess durchaus nicht immer 
zum Stillstand. In vielen Fällen vergrössert der Kern sich immer 
weiter, hebt die beiden Membranblätter voneinander ab und 
kommt schliesslich mit dem Randreifen in Berührung. Es ist 
klar, dass dieser Teil des Quellungsprozesses auf Kosten der 
umgebenden Zuckerlösung vor sich gehen muss. 


(rt 
(SE) 
ii 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 


Auf die gleiche Ursache, auf die Saugwirkung des quellenden 
Kerns, ist die Entstehung der Hünefeld-Hensenschen Bilder 
bei Wasserzusatz zurückzuführen: hier aber geht ihr in der 
Regel ein merkwürdiger Wandel in der äusseren Form des Blut- 
körperchens voraus. 

Die Erscheinungen, welche man bei vorsichtigem Wasser- 
zusatz beobachten kann, sind folgende: 

Das rote Blutkörperchen schwillt auf: es wird zuerst 
ellipsoidisch, sodann kugelig. Bei sehr langsamer Wasserwirkung 
treten eckige Zwischenformen auf (Fig. XV b). Auch der 
ellipsoidische Kern im Innern quillt und nimmt Kugelgestalt an. 
Während die Plasmakugel sich fernerhin wenig vergrössert, nimmt 
der Durchmesser der Kernkugel rapide zu (Fig. XVe). Dabei 
beobachtet man, wie der Kern von einem bestimmten Augenblick 
an plötzlich die Farbe des Hämoglobins annimmt. Da die Zell- 
substanz ebenso gefärbt bleibt, ist der Kern von nun an nicht 
mehr oder nur noch eben zu erkennen (Fig. XV d). 

Nach einigen Augenblicken ereignet sich dann das sonderbare, 
dass das kugelig gewordene Blutkörperchen sich plötzlich, mit 
einem Ruck, wieder zu einer elliptischen Scheibe umgestaltet: diese 
ist aber in der Mitte durch den aufgequollenen Kern sehr erheblich 
und in grosser Ausdehnung verdickt (Fig. XVe). Darauf sieht 
man, wie sich die gefärbte Zellsubstanz zuerst an den kurzen, 
später auch an den langen Seiten der Scheibe aus den Rand- 
partien auf die Mitte, wo der gequollene Kern liegt, zurückzieht. 
In den Randpartien wird in immer breiterer Ausdehnung eine zarte, 
glashelle Membran sichtbar, an deren Peripherie der Randreifen 
gelegen ist (Fig. XV f—ı). In Seitenansichten erkennt man, dass 
die beiden Blätter der Membran in demselben Maß, wie der Inhalt 
zwischen ihnen herausweicht, einander immer näher und schliesslich 
aufeinander zu liegen kommen (Fig. XV k). Die Zellsubstanz zieht 
sich allerdings aus dem Rande der Scheibe nicht sofort von allen 
Stellen gleichmässig zurück, sondern so, dass anfangs radiär 
gerichtete Einschnitte auftreten. Zwischen diesen liegen hämoglobin- 
gefärbte Streifen, welche dadurch bedingt werden, dass an diesen 
Stellen die Membranblätter in Falten nach aussen geschlagen 
sind, in denen die gefärbte Zellsubstanz sich zunächst noch 
hält. Die Streifen formen sich weiter in ebensolche Zacken um, 


deren Spitzen an der Peripherie am Randreifen liegen (Fig. XV f—i). 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. I. 35 


Friedrich Meves: 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 398 


: \ 
ee o 


Fig. XV ii. Fig. XVk. Fig. XV. 
Fig. XV a. Rotes Blutkörperchen von Salamandra in Flächenansicht; Fig. XV b 
Konturen von 4 „eckigen Zwischenformen‘“, wie sie im Beginn einer sehr 
langsamen Wasserwirkung auftreten; Fig. XV c—i verschiedene aufeinander- 
folgende Stadien der Wasserwirkung, an einem und demselben Blutkörperchen 
beobachtet; Fig. XVk Kantenansicht eines Blutkörperchens wie in Fig. XVi; 
Fig. XV dasselbe Blutkörperchen wie in Fig. XV ii nach weiteren 20 Minuten. 


Schliesslich aber wird die gefärbte Substanz auch aus den Membran- 
falten herausgezogen; die Zacken verschwinden, die Membran- 
falten sinken zusammen (Fig. XV ]). 

Es erhebt sich nun die Frage, wie die beschriebenen Er- 
scheinungen zu erklären sind. 

Die Blutkörperchen nehmen, wenn das Plasma, in welchem 
sie schwimmen, mit Wasser verdünnt wird, Wasser auf, und zwar 
so lange, bis der anfangs höhere osmotische Druck in ihrem 
Innern dem osmotischen Druck der umgebenden Flüssigkeit 
gleich geworden ist. Dabei werden sie kugelförmig, weil die 
Kugel derjenige Körper ist, welchem bei grösstem Volumen die 
kleinste Oberfläche zukommt. Da der Durchmesser der Kugel 
kleiner ist als der Längsdurchmesser der Scheibe, muss der 
Randreifen beim Übergang der Zelle in die Kugelform deformiert 
werden. Seine Elastizität widerstrebt aber dieser Deformation. 
Er würde daher an den Polgegenden der Scheibe aus dem Proto- 
plasma austreten, wenn er nicht durch die Oberflächenspannung 
zurückgehalten würde, welche wirkt, als wenn sich an der Ober- 
fläche eine Art elastischer Haut befände. 

39* 


534 Friedrich Meves: 


Nachdem nun die Blutzelle kugelig geworden ist, beginnt, 
wie ich annehme, an ihrer Oberfläche eine histologisch trennbare 
Membran, eine Niederschlagsmembran sich auszubilden. Es ist 
dieselbe Membran, welche auf einem folgenden Stadium in die 
Erscheinung tritt. Die Annahme, dass sie schon jetzt (auf dem 
Stadium der kugeligen Zelle) sich zu bilden beginnt, ist not- 
wendig, um erklären zu können, warum die Zelle aus I, kugeligen 
zur Scheibenform zurückkehrt. 

Mit dem Auftreten dieser Membran ändert sich nämlich 
die Oberflächenspannung. 

Zum Beweis dafür kann ich mich auf die folgende Beobachtung 
von Van der Mensbrugghe beziehen. Es ist bekannt, dass 
eine Ölmasse, in ein Wasser-Alkoholgemisch von gleichem spezifischen 
(rewicht hineingebracht, sich infolge der Oberflächenspannung zu 
einer Kugel gestaltet. Van der Mensbruggshe (1887) be- 
obachtete nun, wie eine solche Ölkugel, welche seit längerer 
Zeit in dem Wasser-Alkoholgemisch schwebte, allmählich eine 
unregelmässige Form annahm. Gleichzeitig bildete sich, wahr- 
scheinlich infolge einer chemischen Einwirkung. an der Trennungs- 
fläche beider Flüssigkeiten eine immer deutlicher werdende Haut 
aus. Beide Erscheinungen gehören eng zusammen. Das Öl kann 
die Kugelgestalt verlieren, weil die Oberflächenspannung infolge 
der Bildung einer festen Haut gleich Null geworden ist. 

Auch in unserem Fall muss das Auftreten einer Niederschlags- 
membran an der Oberfläche der kugelig gewordenen Blutzelle 
eine Erniedrigung bezw. Annullierung der OÖberflächenspannung 
zur Folge haben. Die Oberflächenspannung ist es ja aber, welche 
den Randreifen zusammengedrückt hält. Lässt sie nach, so kann 
er die elliptische Gestalt, welche ihm in der Ruhelage zukommt, 
wieder annehmen. 

3ei dieser Rückkehr in die Ruhelage nimmt der Randreifen 
die Niederschlagsmembran an der Zelloberfläche mit sich und 
stülpt sie vor. Die Zellsubstanz, welche den gequollenen Kern 
umgibt, wird durch den seitlichen Druck der Membran zwischen 
die beiden Blätter derselben hineingetrieben 

Die gleich darauf einsetzende zentripetale Bewegung der 
Zellsubstanz ist, wie bei der Einwirkung der Zuckerlösung, auf 
eine von dem quellenden Kern ausgeübte Saugung zurück- 
zuführen; diese hat schon auf dem Stadium der kugeligen Zelle 


ou 
o 
[db 


Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 


eine starke Vergrösserung des Kerns zur Folge gehabt; sie geht 
auch später noch weiter, wenn die Zelle aus der kugeligen zur 
Scheibenform zurückgekehrt ist, und verursacht dann die Ent- 
stehung eines Hünefeld-Hensenschen Bildes. 


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Derselbe, 1907, 1: Über Mitochondrien bezw. Chondriokonten in den Zellen 
junger Embryonen. Anat. Anz., Bd. 31. 

Derselbe, 1907, 2: Die Chondriokonten in ihrem Verhältnis zur Filarmasse 
Flemmings. Ebenda. 

Derselbe, 1908: Die Chondriosomen als Träger erblicher Anlagen. Cyto- 
logische Studien am Hühnerembryo. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 72. 

Derselbe, 1910: Zur Einigung zwischen Faden- und Granulalehre des Proto- 
plasmas. Beobachtungen an weissen Blutzellen. Arch. f. mikr. Anat,, 
Bd. 76. 


Mosso, A., 1887: Die Umwandlung der roten Blutkörperchen in Leuco- 


cyten und die Nekrobiose der roten Blutkörperchen bei der Koagulation 
und Eiterung. Virchows Arch., Bd. 109. 


538 Friedrich Meves: 


Müller, H.F, 1889: Zur Frage der Blutbildung. Sitzgsber. d. kais. Akad. 
d. Wiss. in Wien, math.-naturw. Cl., Bd. 98, Abt. 3. 

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Scienze e Lettere, Cl. d Scienze mat. e nat., Vol. 19, 

Nicolas, A., 1896: Sur quelques particularites de structure des erythro- 
cytes nucl&&es apres coloration par l’hematoxyline ferrique. Biblio- 
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OÖverton, E., 1900: Studien über die Aufnahme von Anilinfarben durch 
die lebende Zelle. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 34. 

Pfeffer, W, 1877: Ösmotische Untersuchungen. 

Derselbe, 1891: Zur Kenntnis der Plasmahaut und der Vacuolen. Abh. d. 
k Sächs. Ges. d. Wiss., math.-phys. Kl., Bd. 27, math.-nat. Kl., Bd. 16. 

Derselbe, 1897: Pflanzenphysiologie, Bd. 1, 

Pfitzner, W., 1883: Beiträge zur Lehre vom Bau des Zellkerns und seinen 
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Derselbe, 1880: Lecons d’anatomie generale sur le systeme museulaire, Paris. 

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Rüziäka, V., 1903: Beiträge zur Kenntnis des Baues der roten Blut- 
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Schmidt, H. D., 1878: The Structure of the Coloured Blood-corpuseles 
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Schultze, O., 1887: Die vitale Methylenblaureaktion der Zellgranula. Anat. 
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Van der Mensbrugghe, G., 1887: Sur quelques effets curieux des forces 
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Weidenreich, Fr., 1902: Studien über das Blut und die blutbildenden | 
und -zerstörenden Organe. I. Form und Bau der roten Blutkörperchen. 
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Derselbe, 1904: Die roten Blutkörperchen. I. Erg. d. Anat. u. Entwicklungs- 
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Derselbe, 1905, 1: Studien über das Blut ete. III. Über den Bau der Amphibien- 
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Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 539 


Weidenreich, Fr.: 1905. 2: Über die Form der Säugererythrocyten und 
die formbestimmenden Ursachen. Fol. hämatol., Jahrg. 2. 

Derselbe, 1905, 3: Einige Bemerkungen über die roten Blutkörperchen. 
Anat. Anz., Bd. 27. 

Derselbe, 1905, 4: Die roten Blutkörperchen. II. Erg. d. Anat. und Ent- 
wicklungsgesch., Bd. 14, 1904. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIII-XX. 


Die Abbildungen der Tafeln XVIII—XX sind mit Zeiss’ Apochromat 2 mm 

(Apert. 1,30) und Comp. Oc. 8 bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet 

worden. Sie betreffen rote Blutkörperchen von Salamandra maculosa, mit 

Ausnahme von Fig. 36, 37, 44 und 45, welche rote Blutkörperchen von Rana 
esculenta darstellen. 


Tafel XVII. 

Fig. 1—14, 16-19, 21—24 Rote Blutkörperchen des Salamanders nach Be- 
handlung mit 3 proz. Lösung von Küchenkochsalz, Fig. 15 und 20 
nach Behandlung mit 26 proz. Rohrzuckerlösung. 

Fig. 1-8. Veränderungen, welche im Anschluss an die Durchlochung der 
Blutscheibe (Fig. 1) auftraten. Auf dem Stadium der Fig. 3 kam noch 
ein zweites Loch (oben rechts) zu dem ersten hinzu. Text S. 468469. 

Fig. 9—24. Verschiedene Bilder mehr oder weniger vollständiger Isolationen 
des Randreifens. Text S. 469—470. Fig. 23 und 24. Zerbrochene 
Randreifen. Text S. 470. 


Tafel XIX. 

Fig. 25—28. Vier aufeinanderfolgende Stadien der Gentianaviolettwirkung 
(an vier verschiedenen Blutkörperchen). Text S. 474—475. Fig. 27 
und 28 fibrilläre Struktur des Randreifens, 

Fig. 29 und 50 Blutkörperchen, die vorher in 3 proz. Kochsalzlösung suspen- 
diert waren, nach Behandlung mit Gentianaviolett. Fibrilläre 
Struktur des Randreifens. 

Fig. 31. Blutkörperchen mit Schleifenbildung des Randreifens am oberen 
und unteren Pol. Gentianaviolett. Text S. 475. 

Fig. 32. Blutkörperchen, das vorher in 3 proz. Kochsalzlösung suspendiert 
gewesen war, nach Behandlung mit Gentianavivlett zur Kugel 
aufgequollen. Randreifen deformiert. 

Fig. 33 und 34. Blutkörperchen aus Schnitten durch die Niere der Salamander- 
larve. Flemmingsches oder Hermannsches Gemisch. Safranin- 
Gentiana-Örange nach Flemming. 

Fig. 35. Blutkörperchen aus der Lungenwand der Salamanderlarve Her- 
mannsches Gemisch. Safranin-Gentiana-Orange nach Flemming. 

Fig. 36 und 37. Rote Blutkörperchen von Rana esculenta, nach Behandlung 
mit Gentianaviolett. Randreifen Text S. 476. In der Zelle der 
Fig. 36, welche vorher in 3proz. Kochsalzlösung suspendiert ge- 
wesen war, ist neben dem Randreifen ein Fadenwerk in der Zell- 
substanz (Text S. 493) sichtbar. 


540 Friedrich Meves: Die roten Blutkörperchen etc. 


Tafel XX. 


Fig. 38. Kantenansicht eines roten Blutkörperchens nach Behandlung mit 
der schwächeren Salpetersäure - Kochsalzlösung (3—4 Tropfen 
Salpetersäure von 1,4 spezifischem Gewicht auf 100 cem 0,9 proz. 
Kochsalzlösung). Körniges Aussehen des Randreifens. 

Fig. 39-43. Rote Blutkörperchen nach Behandlung mit der stärkeren 
Salpetersäure-Kochsalzlösung (30 Tropfen Salpetersäure von 1.4 
spezifischem Gewicht auf 100 ccm 0,9proz. Kochsalzlösung). 
Fibrilläre Struktur und Quermembranen des Randreifens. Der 
Randreifen erscheint in Fig. 41—43 verkürzt. In allen Figuren 
ausser in Fig. 42 sind im Innern des Zelleibs Fäden (Plastoconten) 
wahrzunehmen. Mit Bezug auf die den Randreifen in Fig. 42 um- 
gebende Zone siehe Text und Anm. S. 480. In Fig. 43 ist der 
Randreifen an den beiden Längsseiten der Blutscheibe durch 
Quellung sehr stark, an den Polen dagegen nur wenig verbreitert. 

Fig. 44—47. Nach Behandlung mit einem Gemenge von 4 proz. Jodsäure 

und Neuviktoriagrün. Fig. 44 und 45 Blutkörperchen von Rana 
esculenta, Fig. 46 und 47 von Salamandra. Fig. 44 und 46 Flächen-, 
Fig. 45 und 47 Kantenansichten. In sämtlichen Figuren ist das 
Körnerband des Randreifens sichtbar, in Fig. 44 und 46 sind 
ausserdem die Fäden im Innern, in Fig. 46 die Quermembranen 
dargestellt. Bei Fig. 46 ist noch zu beachten, dass im „Kernsaft“ 
die gleichen intensiv gefärbten Körnchen wie jn Fig. 25 vor- 
handen sind. 

ige. 48 und 49. Blutkörperchen des Salamanders. Behandlung siehe Text 

S. 489. Oberflächennetz. In Fig. 49 sind ausserdem noch die Quer- 
membranen des Randreifens und Fäden im Innern zu erkennen. 


= 


Aus dem Institut für vergleichende Anatomie der K. Universität Jurjew, Dorpat, 
(Direktor Prof. Dr. P.A. Poljakoff.) 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 
Von 
Harry Kull, 


Hierzu Tafel XXI und 5 Textfiguren. 


Nur wenige Arbeiten über die Panethschen Zellen 
beschäftigen sich mit den verwandtschaftlichen Beziehungen der- 
selben zu den übrigen Zellen der Darmschleimhaut. Nachdem 
Bizzozeros Theorie über die Entstehung der Becherzellen aus 
den Panethschen Zellen von den späteren Forschern widerlegt 
war, kam man allgemein zur Ansicht, dass die Panethschen 
Zellen eine Zellenart sui generis seien, welche in keiner Beziehung 
zu den Becherzellen stehe. Eine kurze Literaturübersicht mag, 
bevor ich zur Darstellung der Ergebnisse meiner eigenen Unter- 
suchungen schreite, gestattet sein: 


G. Bizzozero (1) kam im Jahre 1892 nach Untersuchungen an 
Mäusen zu der Ansicht, dass die Panethschen Zellen nur die jugendliche 
Form der 'Becherzellen seien, da er Übergangsformen zwischen den 
Panethschen Zellen und den Becherzellen gefunden zu haben meinte. 

Bizzozero hält seine Ergebnisse für eine wesentliche Stütze seiner 
Theorie, nach welcher die Lieberkühnschen Drüsen keine eigentlichen 
Drüsen waren, sondern nur Regenerationsherde für das Oberflächenepithel 
darstellten. 

Diese Theorie stiess jedoch auf den energischen Widerspruch Oppels (5), 
welcher die körnchenhaltigen Zellen im Grunde der Lieberkühnschen 
Drüsen zum grossen Teil nicht für Jugendformen der höher oben in den Drüsen 
gelegenen Zellformen, sondern für eigenartige Drüsenzellen ansieht, deren 
Aufgabe es sei, den Darmsaft zu bilden. 

Ebenso sprach sich Möller (3) gegen Bizzozero aus. Er meint, 
„dass die Lieberkühnschen Krypten des Dünndarms Drüsen mit einer 
doppelten Funktion seien, indem sie teils Schleim, teils und hauptsächlich 
ein spezifisches Sekret produzieren“. 

Gegen Bizzozero spricht ferner der Umstand. dass im Dickdarm 
und in anderen Organen, wo ja auch sehr viele Schleimzellen vorkommen 
und verbraucht werden, die für den Ersatz der letzteren bestimmt sein 
sollenden Panethschen Zellen vollständig fehlen. 


542 Harry Kal: 


Endgültig wurde Bizzozeros Lehre von Schmidt (7) widerlegt, 
welcher darauf h'nweist, dass bei jungen menschlichen Föten zwar voll- 
kommen ausgebildete Becherzellen, aber keine Körnerzellen vorkommen. 
Auch hat er, wie die anderen Beobachter, nie Übergänge von Panethschen 
Zellen zu Becherzellen gesehen. 

Ebenso betont endlich Trautmann (10) in einer vor kurzem er- 
schienenen Arbeit, dass Übergangsformen zwischen den Schleimzellen und 
den Körnchenzellen nirgends nachweisbar sind. 


Eigene Untersuchungen. 


Zur Fixierung der Panethschen Körnerzellen bediente ich 
mich der von Kopsch angegebenen Flüssigkeit (Kal. bichromic. 
3,5°/o-—100 ccm + 20 ccm Formol 40°/o), welche zu diesem 
Zweck schon von Möller (3), Stöhr (8) und Schmidt (7) 
angewandt worden ist. Flemmingsche und Hermann sche 
Lösung, welche von Bizzozero (1) und Nicolas (4) empfohlen 
werden, gaben mir schlechte Resultate, wie dieses auch schon 
Paneth (6) und Möller (3) angegeben haben. Dieses führe 
ich auf den Gehalt an Essigsäure zurück, welche ja die Körnchen 
der Panethschen Zellen auflöst. 

Beim Färben der dünnen Paraffinschnitte (2—3 u) verfolgte 
ich zwei Ziele: erstens muss sich die Färbung der Körnchenzellen 
möglichst scharf von den übrigen Teilen des Präparates abheben 
und zweitens muss der Schleim mit einer Kontrastfarbe tingiert sein. 

Beides erreichte ich durch Färbung der Schnitte mit 
Hämatoxylin, Viktoriablau und Eosin. Die mit Alaunhämatoxylın 
gefärbten Schnitte kommen auf einige (20—30) Sekunden in 
Jodtinktur, werden in 70° Alkohol abgespült und einige Minuten 
in einer schwach alkoholischen Viktoriablaulösung gefärbt. Darauf 
wird mit Brunnenwasser ausgewaschen, mit Eosin nachgefärbt, 
in Alkohol differenziert und in Xylol aufgehellt. Der Zweck 
dieser Färbung beruht auf der eigentümlichan Eigenschaft des 
Eosins, nach Viktoriablau besonders intensiv die Körnchen der 
Panethschen Zellen und auch der .eosinophilen Leucocyten zu 
tingieren, während die übrigen Teile des Präparates und auch 
die roten Blutkörperchen ganz blass gefärbt werden. Ausserdem 
färbt das Viktoriablau die Becherzellen so, dass sich der himmel- 
blaue Schleim scharf von den tief rot gefärbten Körnchen der 
Panethschen Zellen abhebt. Das Resultat dieser Methode sieht 
man in der Abbildung B und in den Mikrophotographien 2, 3, 4 und 5. 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 543 


Da diese Methode bei der Maus bisweilen mangelhafte Resultate 
gibt, gebrauchte ich noch eine Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und 
Aurantia. Hier werden die Kerne mit Alaunhämatoxylin gefärbt und erst 
dann wird der Schleim mit Delafieldschem Hämatoxylin tingiert. Darauf 
kommen die Schnitte in eine Kristallviolettlösung, welche als Beize fürs 
folgende Crocein dient und im Präparat später nicht sichtbar ist. Das 
Kristallviolett wird mit Brunnenwasser abgewaschen, und erst dann kommen 
die Schnitte in eine gesättigte wässerige Croceinlösung. Zum Schluss werden 
die Präparate in Alkohol differenziert und mit Aurantia nachgefärbt, welche 
dem ganzen Präparat einen blassgelben Ton gibt und das letzte überflüssige 
Urocein verdrängt, so dass nur die Körnchen der Panethschen Zellen eine 
tief himbeerrote Farbe behalten. während die Kerne und der Schleim blau 
sind. Die Wirkung dieser Färbung sieht man in den Abbildungen A, © und D 
und in der Mikrophotographie 1. 

Mit Hilfe dieser Methoden gelang es mir, die von Bizzozero 
entdeckten und beschriebenen, aber von keinem 
Forscher mehr gesehenen Übergangsformen zwischen 
Panethschen Zellen und Becherzellen wiederzufinden. 

Anfangs konnte ich diese 
Übergangsformen auch nicht 
finden, da ich den Ver- 


dauungszustand des Darmes a EL pe sen € 


der untersuchten Mäuse nicht % Pr 

berücksichtigte. Kein For- % u 
scher beschreibt den Ver- EEE un, 
dauungszustand:; alle sagen kw ni ben 
nur, dass sie keine Übergangs- 2° De 
formen gesehen haben; selbst ‘ 
Bizzozero spricht darüber i 
kein Wort. E 


Als ich aber den Darm 
von Mäusen, welche 24 bis 
48 Stunden gehungert hatten, 
untersuchte, fand ich in 
grösserer Zahl Übergangs- 
zellen (Abb. A, 3—9, Mikro- Fig 1. 
phot. 1), während solche Zellen 
im Darm von Mäusen, die nur 4—10 Stunden gehungert hatten, 
so spärlich vorkommen, dass man sie geradezu übersehen muss. 
Darin ist, meiner Meinung nach, die Ursache zu suchen, warum 
kein Forscher nach Bizzozero diese Zellen gesehen hat. 


° BZ Ze RE 


544 Harry Kalle 


Solche Übergangszellen fand ich nicht nur bei der Maus, 
sondern auch bei einem sieben Monate alten menschlichen Fötus 
(Abb. B, 4—9, Mikrophot. 2). Hier kommen sie im lleum in 
verhältnismässig grosser Zahl vor und unterscheiden sich kaum 
von den Zellen der Maus. 

Die Übergangszellen, welche ich gefunden habe, passen 
genau zur Beschreibung, welche Bizzozero von ihnen gegeben 
hat. Auch stimmen seine Abbildungen vollkommen mit meinen 
Präparaten überein. Der Umstand, dass ich mich bei der Her- 
stellung meiner Präparate anderer Fixierungs- und Färbungs- 
methoden bediente, kann nicht ins Gewicht fallen, da bei mir 
nicht die Farbenreaktionen, sondern lediglich die morphologischen 
Besonderheiten der Zellen massgebend sind. Deshalb besteht 
kein Zweifel, dass die Übergangszellen, welche ich gefunden 
habe. vollkommen identisch mit denen sind, die Bizzozero 
beschrieben hat. Sie kommen bei hungernden Tieren so häufig 
vor, dass man leicht die verschiedensten Übergangsstadien 
zwischen Panethschen Zellen und gewöhnlichen Becherzellen 
findet (Abb. A und B). 

Zunächst sieht man in Schnitten, die mit Hämatoxylin, 
Crocein und Aurantia gefärbt sind, in den Seitenteilen der 
Lieberkühnschen Drüsen Zellen, welche sich kaum von den 
Panethschen Zellen unterscheiden. Nur mit Hilfe starker 
Vergrösserungen sieht man stellenweise zwischen den rot gefärbten 
Körnchen eine blasse Masse, welche genau so gefärbt ist, wie der 
Schleim der Becherzellen (Abb. A, 3 und Mikrophot. 4 beim 
Menschen). Weiter sieht man Zellen, bei welchen diese blaue 
Masse schon reichlicher vorhanden ist und gut sichtbar wird, 
weil die roten Körnchen etwas spärlicher und kleiner sind 
(Abb. A, 4, 5, Mikrophot. 3 beim Menschen). Gleichzeitig nimmt 
die ganz Zellee die äussere Form einer Becherzelle an. Bei den 
folgenden Stadien ist die Ähnlichkeit mit den Becherzellen noch 
grösser, da die roten Körnchen schon recht klein geworden sind 
und die blaue schleimähnliche Masse die ganze Zelle ausfüllt. 
Man bekommt daher den Eindruck, als ob im Schleim einiger 
Becherzellen kleine, intensiv rote Körnchen in recht grosser 
Zahl zerstreut sind (Abb. A, 6 und 7, Mikrophot. 1), Schliesslich 
findet man Zellen, die sich von den gewöhnlichen Becherzellen 
nur dadurch unterscheiden, dass sie in ihrem Schleim einige 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 945 


ganz kleine rote Körnchen enthalten; diese Körnchen sind so 
klein, dass sie nur mit den stärksten Vergrösserungen gesehen 
werden können (Abb. A, S, 9, Mikrophot. 2 beim Menschen). 

Wir haben hier also eine ganze Reihe von Zellen, welche 
einerseits mit Panethschen und andererseits mit Becherzellen 
viel Ähnlichkeit haben. Diese Ähnlichkeit beruht auf der gleich- 
zeitigen Anwesenheit zweier 
charakteristischer Merkmale 
in diesen Zellen, welche ge- 
trennt sonst nur diesen oder 
jenen Zellen eigen sind. In 
einigen Zellen dominieren die 
Körnchen als das charakte- 
ristische Merkmalder Paneth 
schen Zellen, in anderen Zellen 
aber der Schleim als Merkmal 
der Becherzellen. Schliesslich 
gibt es Zellen, welche man 
weder zu den Panethschen, 
noch zu den Becherzellen 
zählen kann, da sie dieMerk- 
male beider Zellen in nahezu 
gleicher Weise vereinigen. 

Dem Einwand, dass die 
Übergangszellen möglicher- 
weise nur ein Funktionsstadium der gewöhnlichen Becherzellen 
seien, widerspricht am besten die Tatsache, dass die Zahl der 
Übergangszellen im Darm von Mäusen, welche vor 4—-6 Stunden 
gefüttert waren, am geringsten ist, während gerade zu dieser 
Zeit die meisten und verschiedensten Funktionsstadien der Becher- 
zellen zu finden sind. Ausserdem finden sich in der ganzen 
Becherzellenliteratur keine Angaben über das gleichzeitige Vor- 
kommen verschiedenartiger Granulationen in den Becherzellen. 

Hier gibt es ohne jeden Zweifel eine kontinuierliche Reihe 
von Übergangsformen zwischen beiden Zellarten. Alle Einwände 
gegen die Verwandtschaft der Zwischenformen mit den End- 
formen werden durch die grosse Ähnlichkeit der benachbarten 
Übergangsformen beseitigt. Vergleicht man ein Endglied der 
teihe (Abb. A und B) mit der nächsten Übergangsform, so werden 


Fig. 2. 


546 FEar. rev une 


infolge der grossen Ähnlichkeit beider Zellen überhaupt keine 
/weifel hinsichtlich ihrer gemeinsamen Abstammung entstehen. 
Ebenso kann man die erste Übergangsform mit der zweiten ver- 
gleichen und wieder nur eine grosse Ähnlichkeit sehen. Wenn 
man nun so die einzelnen nebeneinanderstehenden Glieder der 
teihe miteinander vergleicht, gelangt man ganz allmählich zum 
anderen Endglied der Reihe, welches mit dem ersten Endglied 
überhaupt keine Ähnlichkeit hat. 

Diese kontinuierliche Reihe von Übergangsformen zwischen 
Panethschen Zellen und Becherzellen beweist uns ihre innige 
Verwandtschaft und nötigt uns zur Annahme, dass die einen 
Zellen aus den anderen Zellen entstanden sind. Es bleibt nur 
noch die Frage, welche von den beiden Zellarten die primäre 
sei und durch ihre allmähliche Verwandlung die Zellen der 
anderen Art bilde? 

Auf Grund seiner Regenerationstheorie schloss Bizzozero 
a priori, dass die im Fundus der Lieberkühnschen Drüsen 
liegendenPanethschen Zellen 
sich in ihrer weiteren Ent- 
wicklung allmählich ver- 
ändern, auf die Zotten hinauf- 
rücken und schliesslich zu 
gewöhnlichen DBecherzellen 
werden. 

Diese Theorie wurde, wie ge- 
sagt, endgültig von Schmidt 
(7) widerlegt, welcher darauf 
hinwies, dass die Becherzellen 
bei menschlichen Föten sich 
vor den Panethschen Zellen 
bilden. 

Um dieser Frage näher- 
zutreten, verfolgte ich die 
embryologische Entwicklung 
der Panethschen Zellen bei 
weissen Mäusen. Dabei ging 
ich von dem Standpunkt aus, dass die Zellart, welche durch die 
Verwandlung einiger ihrer Zellen die Zellen der anderen Art 
bildet, embryologisch früher entstehen müsse, darauf Übergangs- 


.) 


Hua: 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 547 


formen bilde und erst zum Schluss der Verwandlung Zellen der 
anderen Art gäbe. 

Untersucht man nun die Darmschleimhaut neugeborener 
weisser Mäuse, so findet man zwischen den Epithelzellen nur 
gewöhnliche, vollkommen entwickelte Becherzellen, 
während PanethscheZellen ganz fehlen. So haben wir bei 
der Maus dieselbe Erscheinung, auf welche Schmidt beim Menschen 
hingewiesen hat: auch hier entstehen zuerst die Becherzellen. 

Untersucht man aber den Darm einer 6 Tage alten Maus, 
so findet man zwischen den gewöhnlichen Becherzellen schon 
einige Becherzellen mit äusserst kleinen, rot ge- 
färbten Körnchen inihrem Schleim, während Paneth- 
sche Zellen noch ganz fehlen. Wir haben also hier solche 
Übergangszellen, welche nach ihren morphologischen Besonder- 
heiten den gewöhnlichen Becherzellen am nächsten stehen. 

Während die Zahl der Übergangszellen im Darm einer 
6 Tage alten Maus noch recht spärlich ist, findet man sie bedeutend 
häufiger im Darm einer 7 Tage alten Maus. Hier gibt es Stadien 
mit zahlreichen grossen Körnchen und auch schon 
vereinzelte Panethsche Zellen. 

Diese Daten weisen unzweifelhaft darauf hin, dass die Becher- 
zellen das Anfangsglied der Übergangsreihe bilden. Zuerst gibt 
es ausser gewöhnlichen Epithelzellen nur Becherzellen; darauf 
bilden sich im Schleim einiger Becherzellen einige winzig kleine 
Körnchen, die sich lebhaft mit Crocein oder Eosin färben: dieses 
sind die jüngsten Übergangsstadien. Allmählich werden diese 
Körnchen zahlreicher und grösser, so dass der Schleim nur noch 
stellenweise zwischen ihnen sichtbar ist. Schliesslich bleibt vom 
Schleim keine Spur mehr, so dass wir es nun mit fertigen 
Panethschen Zellen zu tun haben. Daraus folgt, dass die 
Panethschen Zellen nicht direkt entstehen, sondern 
dass sie durch die allmähliche Umwandlung von 
Becherzellen gebildet werden. 

Da die Zahl der Panethschen Zellen bedeutend kleiner 
ist als die Zahl der Becherzellen, so ist es augenscheinlich, dass 
durchaus nicht alle Becherzellen zu Panethschen Zellen werden 
müssen. Es ist jedoch nicht möglich, festzustellen, welche Becher- 
zellen hierzu disponiert sind, ebenso wie es noch nicht bewiesen 


ist, aus welchen Epithelzellen sich die Becherzellen bilden. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. I. 37 


548 EBarrsy. Kun 


Weil nun die meisten Übergangszellen an den Seitenwänden 
der Lieberkühnschen Drüsen liegen, während die Panethschen 
Zellen den Fundus der Drüsen einnehmen, so entsteht die Frage, 
auf welche Weise die Panethschen Zellen sich im Fundus der 
Drüsen ansammeln. 

Nach der Theorie Bizzozeros vollzieht sich die Neubildung 
der Zellen der Darmschleimhaut hauptsächlich im unteren Teil der 
Lieberkühnschen Drüsen, weil hier die Mitosen am häufigsten 
sind: „selten findet man sie in der oberflächlichen Hälfte, und 
noch seltener in der Nähe der Mündung (1, S. 357)“. Von hier 
aus rücken die jungen Zellen an die Oberfläche zum Ersatz der 
hier verbrauchten Zellen. 

Doch stimmt diese Theorie nicht ganz mit den Angaben 
der übrigen Forscher. Schon Paneth (6, S. 175) findet, dass 
die Mitosen nur ausnahmsweise im Fundus selbst liegen, sondern 

meist an der seitlichen Wand 


“ 2, ; derDrüsen, nahe dem Fundus. 
Bedeutend genauer behandelt 

or .; diese Frage Oppel (5,8.213), 

: 3 en indem er findet, dass „durch- 


eh aus nicht alle Beobachtungen 
über die Verbreitung der 
Mitosen für Bizzozeros 
; Theorie in ihrer extremsten 
Is * Fassung sprechen. Wären die 
% Lieberkühnschen Drüsen nur 
& Regenerationsherde des Ober- 
tlächenepithels, so müssten 
wir die grösste Anhäufung 
* der Mitosen vor allem im 
N Grunde der Lieberkühn- 
s Eu schen Drüsen finden. „Nach 
dem, was mich (Oppel) die 
Beobachtungen anderer (z.B. 
Paneth, Schaffer) lehrten und was ich selbst sehen konnte, ist 
dies im allgemeinen durchaus nicht der Fall. Gerade der Grund der 
Lieberkühnschen Drüsen ermangelt häufig der Mitosen ganz.“ 
Auf Grund dieser und auch anderer Erwägungen hält Oppel 

es für richtiger, die Theorie Bizzozeros folgendermassen ein- 


ir 
E 


Fig. 4. 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 549 


zuschränken (5, S. 213): „Im Bereich des Darmepithels kann unter 
Umständen von Stellen regerer Mitose aus Zellmaterial für andere 
Stellen, an denen Mitosen seltener sind, geliefert werden.“ 

Auch nach meinen Beobachtungen geht die Neubildung 
junger Zellen in den mittleren Teilen der Lieberkühnschen 
Drüsen vor sich. Von hier aus könnten die jungen Zellen im 
Sinne der Einschränkung Oppels allmählich in die Teile der 
Schleimhaut rücken, wo Zellen verbraucht und am Orte selbst 
nicht ersetzt werden. Solche Stellen sind im Darm nicht nur 
die Oberfläche der Zotten, sondern auch der Fundus der Lieber- 
kühnschen Drüsen, weil auch hier beständig Zellen verbraucht 
werden, während Mitosen hier höchst selten sind. Deshalb 
halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die jungen 
Zellen, welche in den mittleren Teilen der Lieber- 
kühnschen Drüsen gebildet werden, auf beide Seiten, 
nach oben und auch nach unten rücken, um hier und 
dort die verbrauchten Zellen zu ersetzen. 

Diese Hypothese erklärt uns die Tatsache, dass die Über- 
gangszellen hauptsächlich in den mittleren Teilen der Lieber- 
kühnschen Drüsen liegen. Ausserdem kommen die Übergangs- 
zellen auch in den tieferen Teilen der Drüsen und auch sogar 
auf den Zotten vor. 

Die Körnchen der Übergangszellen, welche in den mittleren 
Teilen der Lieberkühnschen Drüsen liegen, sind fast immer 
sehr klein, da wir es hier mit den jüngsten Stadien zu tun haben. 
Tiefer in der Drüse gibt es schon Übergangszellen mit grösseren 
Körnchen und im Fundus liegen die Panethschen Zellen. So 
rückt die junge Übergangszelle allmählich tiefer, durchläuft die 
verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung und wird schliesslich zu 
einer Panethschen Zelle. 

Solch eine Entwicklung der Panethschen Zellen vermutete 
schon Paneth selbst (6, S. 153), indem er sagt: „Die Lage der 
karyokinetischen Figuren in der Krypte würde hierzu stimmen. 
Wir finden, schematisch gesprochen: an der tiefsten Stelle des 
Fundus Körnchenzellen, ganz erfüllt mit grossen Körnchen, den 
Höhepunkt des Prozesses darstellend. Dann Zellen mit wenigen 
kleineren Körnchen, die jüngeren Stadien. Dann die mitotischen 
Kerne. Das stimmt zu der Vorstellung, dass die Zellen im Fundus 


zugrunde gehen, und von dem Ort aus, wo die Mitosen liegen, 
37* 


50 Haxıy'Kull: 


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der Ersatz stattfindet, jüngere Zellen gebildet werden, die sich 
allmählich mit den Tröpfehen füllen.“ 

Diese Ansicht stellt Paneth jedoch nur als eine der 
weiteren Prüfung bedürftige Hypothese auf und führt gleich einige 
Einwände gegen ihre Richtigkeit an. 

Die Einwände Paneths basieren auf seiner Meinung, dass 
die Becherzellen bei der Sekretion nicht zugrunde gehen, und 
daher nie ersetzt zu werden brauchen. Wenn man jedoch bedenkt, 
dass jede Becherzelle und auch jede Panethsche Zelle nach 
einigen sekretorischen Kreisläufen abstirbt und durch eine junge 
Zelle ersetzt wird, so verlieren Paneths Einwände ihre 
Bedeutung. 

Wenn wir ausserdem annehmen, dass die neugebildeten 
Zellen von den mittleren Teilen der Lieberkühnschen Drüsen 
nach oben und nach unten zum Ersatz der dort verbrauchten 
Zellen rücken, so wird Paneths Hypothese sehr wahrscheinlich, 
um so mehr, da eine ganze Reihe von Übergangszellen zwischen 
den höher liegenden Becherzellen zu den tiefliegenden Paneth- 
schen Zellen gefunden ist. 

Ausser Paneth beschreibt auch Nicolas (4) Panethsche 
Zellen mit kleinen Körnchen, welche seitwärts in den Lieber- 
kühnschen Drüsen vorkommen. Nicolas hält diese Zellen für 
junge Körnchenzellen. Dieser Meinung schliesst sich Struiken 
an (9). 

In neuerer Zeit spricht Schmidt (7, S. 17) die Meinung 
aus, dass der Ersatz von Zellen wie nach oben, so auch nach 
unten eintreten kann, wenn er überhaupt nötig ist. Diese 
Meinung stützt sich auf die Tatsache, dass die Kernteilungsfiguren 
regelmässig über der Zone, welche die Panethschen Zellen 
enthält, liegen. 

So ist denn meine Hypothese, dass die neugebildeten Zellen 
von den mittleren Teilen der Lieberkühnschen Drüsen nach 
oben und auch nach unten rücken, weder neu noch unerwartet. 
Bekräftigt wird diese Behauptung durchs Verhalten der Über- 
gangszellen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Jüngeren 
Übergangsformen gewöhnlich in den mittleren Teilen der Drüsen 
liegen. Tiefer liegen die älteren Stadien und ganz im Fundus 
befinden sich die Panethschen Zellen. Nun liegen aber zwischen 
den Panethschen Zellen und den nächstliegenden Übergangs- 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. DL 


zellen gewöhnlich einige Epithel- oder Schleimzellen. Deshalb 
entsteht die Frage nach dem Schicksal dieser Zellen, denn im 
Fundus selbst liegen nur Panethsche Zellen. Was wird nun 
aus diesen Zellen, wenn einige absterbende Panethsche Zellen 
durch die höher liegenden Übergangszellen ersetzt werden sollen? 

Fine Antwort auf diese Frage gibt die sorgfältige Unter- 
suchung dieser tiefliegenden Zellen. In den tiefsten Stellen der 
Drüsen sieht man recht häufig Epithelzellen, welche an ihrem 
freien Ende ein kleines Schleimtröpfehen haben (Abb. C, 1). 
Augenscheinlich beginnt hier die Bildung einer Becherzelle aus 
einer Zylinderzelle. Weiter sieht man aber in solchen Zellen im 
Schleimtröpfehen kleine Körnchen, welche genau so sich färben, 
wie die Körnchen der Panethschen Zellen (Abb. C, 2, 3). Schliesslich 
sieht man noch Zellen mit grösseren Körnchen an ihrem Ende, 
während vom Schleim keine Spur mehr zu finden ist (Abb. C, 4). 

Diese Zellen sind augenscheinlich eine besondere Art von 
Übergangszellen, welche sich von den gewöhnlichen Übergangs- 
zellen dadurch unterscheiden, als hätten sie Eile, sich schneller 
zu Panethschen Zellen zu verwandeln. So ist die Schleimbildung 
in der Zylinderzelle noch nicht beendet, als sich schon im Schleim 
die Körnchen der Panethschen Zellen zu bilden anfangen. Der 
Einwand, dass es sich hier um Randschnitte von gewöhnlichen 
Übergangszellen handeln möge, ist hinfällig, da ich stets Schnitt- 
serien anfertigte und in solchen Fällen besonders aufmerksam 
die Nachbarschnitte untersuchte. Solche Übergangszellen kommen 
nur in den tiefen Teilen der Drüsen vor und deshalb halte ich 
es für wahrscheinlich, dass die Zellen, welche als gewöhnliche 
Epithelzellen bis zu den tiefen Teilen der Drüse gelangt sind, 
sich dieser beschleunigten Umwandlung unterwerfen müssen. 

Zugunsten meiner Hypothese über die Wanderung der in 
den Seitenteilen der Lieberkühnschen Drüsen neugebildeten 
Zellen nach oben auf die Zotten und auch nach unten zum Fundus 
der Drüse spricht noch die Tatsache, dass einige Übergangszellen 
auch auf die Zotten gelangen. 

Es wären dies jene Übergangszellen, welche in den höheren 
Teilen der Drüsen gebildet werden und daher nicht mehr in die 
Tiefe der Drüse rücken können. 

Im Darme der Maus befindet sich die grösste Zahl dieser 
Zellen an der Basis der Zotten; seltener kommen sie in den 


552 Hearey'Kull: 


mittleren Teilen vor, während sie an der Spitze der Zotten 
überhaupt nicht zu finden sind. Dieses kommt aller Wahr- 
scheinlichkeit nach daher, dass die Übergangszellen auf den Zotten 
nicht die geeigneten Lebensbedingungen vorfinden und deshalb 
- bald absterben. Aus demselben Grunde stockt die Entwicklung 
dieser Zellen stets in den ersten Anfangsstadien, welche sich 
durch die Anwesenheit einer grossen Zahl winzig kleiner, intensiv 
rot gefärbter Körnchen in ihrem Schleim kennzeichnen (Abb. D). 

Bedeutend zahlreicher kamen die Übergangszellen auf den 
Zotten des Dünndarmes einer 7 Monate alten menschlichen 
Frühgeburt vor. Hier fanden sich nicht nur die verschiedensten 


jungen und alten Übergangsstadien (Abb. B, 4—9, Mikrophot. 2, 
3, 4). sondern auch ganz typische Panethsche Zellen (Abb. B, 5, 
Mikrophot. 5), welche an allen Teilen der Zotten vorkommen. 
Diese Zellen unterscheiden sich überhaupt nicht von den homologen 
Zellen in den Lieberkühnschen Drüsen. Natürlich haben die 
Panethschen Zellen auf den Zotten nicht die pyramidenähnliche 
Form der Zellen, welche im Fundus der Drüsen liegen, sondern 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 394 


die mehr becherzellenähnliche Form der Panethschen Zellen, 
welche an den Seitenteilen der Lieberkühnschen Drüsen vor- 
kommen (Abb. B, 2). 

Das Vorkommen der Panethschen Zellen auf den Zotten 
des Darmes dieses menschlichen Fötus ist nicht einzig dastehend, 
da Klein (2) schon Panethsche Zellen auf den Darmzotten 
beim Opossum beschrieben hat. Bei diesem Tiere kommen die 
Panethschen Zellen auch in den Lieberkühnschen Drüsen 
vor. „Wenn man jedoch (nach dem Referat Oppels) die Kleinheit 
der Zellen in den Drüsen, ihre Grösse auf den Zotten und den 
allgemein rudimentären Charakter der Drüsen bei diesem Tier 
in Betracht zieht, so scheint es wahrscheinlich, dass die Zellen in 
den Drüsen gebildet werden, aber ihre physiologische Reife erst 
erreichen, nachdem sie im Sinne Bizzozeros zur Oberfläche 
gewandert sind. Bei den Placentaliern scheinen die Panethschen 
Zellen auf den Grund der Lieberkühnschen Drüsen beschränkt 
zu sein... Ob das Verhalten der Panethschen Zellen beim 
Opossum das ursprüngliche Verhalten für die Säugetiere darstellt, 
lässt sich nicht sagen, wiewohl Klein manches dafür zu sprechen 
scheint.“ 

Diese Ergebnisse Kleins bekräftigen meine Hypothese über 
die Wanderung der neugebildeten Zellen nach beiden Seiten, da 
ich nach der Analogie mit meinen Präparaten annehmen kann, 
dass die Panethschen Zellen beim Opossum in den Seitenteilen 
der Lieberkühnschen Drüsen ihre Entwicklung beginnen und 
von hier aus in die Tiefe der Drüsen und auch auf die Zotten 
rücken. 

Andererseits ergänzen meine Beobachtungen die Arbeiten 
Kleins, da sie zeigen, dass die Panethschen Zellen nicht nur 
auf den Zotten des Opossum, sondern auch auf denen des Menschen 
vorkommen können. 


Zusammenfassung. 


1. In den Lieberkühnschen Drüsen hungernder Mäuse 
finden sich beständig Übergangsformen zwischen Becher- 
zellen und Panethschen Zellen. 

9. Ebensolche Übergangsformen fanden sich bei einem sieben 
Monate alten Fötus. 


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3. Bei der embryologischen Entwicklung des Dünndarmes 
der Maus entstehen zwischen gewöhnlichen Zylinderzellen 
zuerst die Becherzellen, darauf die Übergangszellen und 
zuletzt die Panethschen Zellen. 

4. Die Panethschen Zellen entstehen durch die 
allmähliche Umbildung von Becherzellen; ob 
es sich dabei um besonders hierzu bestimmte Becherzellen 
handelt, ist fraglich. 

5. Die Übergangszellen kommen bei der Maus und beim 
Menschen nicht nur in den Lieberkühnschen Drüsen, 
sondern auch auf den Zotten vor. 

6. Aufden Zotten einessieben Monate alten menschlichen Fötus 
fanden sich auch vollkommen entwickelte Panethsche 
Zellen. 

7. Aller Wahrscheinlichkeit nach rücken diein 
den Seitenteilen der Lieberkühnschen Drüsen 


neugebildeten Zellen nach oben — auf die 
Zotten.und auch nach unten — zum Fundas 


der Drüsen. 


Herrn Professor P. Poljakoff, meinem hochverehrten Chef 
und Lehrer, spreche ich meinen herzlichsten Dank für die 
beständige warme Unterstützung meiner Untersuchungen aus. 


SI 


Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 


Literaturverzeichnis. 


Bizzozero, @.: Über die schlauchförmigen Drüsen des Magendarm- 
kanals und die Beziehungen ihres Epithels zu dem Oberflächenepithel 
der Schleimhaut. 2. Mitteilung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 40, 1892. 
Klein, S.: On the Nature of the granule cells of Paneth in the 
intestinal glands of Mammals. American Journ. of Anat., Vol.5, Nr. 5, 
1906. Zitiert nach A. Oppel. Verdauungesapparat. Ergebn. d. Anat. 
u. Entwicklungsgesch., Bd. XVI. 

Möller, W.: Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und 
Resorption in der Darmschleimhaut. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 66, 1899. 
Nicolas, A.: Recherches sur l’epithelium de l’intestin grele. Internat. 
Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. VIII, 1891. 

Oppel. A.: Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie 
der Wirbeltiere, Bd. II, 1897. 

Paneth.J.: Über die secernierenden Zellen des Dünndarmepithels. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXXI, 1888. N 

Schmidt, J. E.: Beiträge zur normalen und pathologischen Histologie 
einiger Zellarten der Schleimhaut des menschlichen Darmkanals. Arch. 
f. mikr. Anat., Bd. 66, 1905. 

Stöhr, Ph.: Lehrbuch der Histologie. XII. Auflage, 1906. 
Struiken, N.: Beiträge zur Histologie und Histochemie des Rektum- 
epithels und der Schleimzellen. Inaug.-Dissert., Freiburg 1893. 
Trautmann, A.: Zur Kenntnis der Panethschen Körnchenzellen 
bei den Säugetieren. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LXVII, 1910—11. 


Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXI 
und der 5 Mikrophotographien. 


Die Abbildungen A, © und D sind bei 1500facher und Abbildung B 


bei 2000 facher Vergrösserung gezeichnet. 


Die Mikrophotographien sind vom Verfasser hergestellt worden. 
Mikrophotographie 1 und 5 sind mit Zeiss’ Apochromat 4 mm, 


Apert. 0,95, Projektions-Okular 4 und Cameralänge SO cm aufgenommen. 
Vergrösserung 800. 


Mikrophotographie 2, 3 und 4 sind mit Zeiss’ homog. Immers. 3 mm, 


Apert. 1,30, Projektions-Okular 4 und Cameralänge 75 cm aufgenommen. 
Vergrösserung 1000. 


Abb. A. Eine Reihe von Übergangszellen von einer Becherzelle zur Paneth- 


schen Zelle. (Die Reihenfolge der Zellen entspricht ungefähr ihrer 
Anordnung in den Lieberkühnschen Drüsen.) Hungernde Maus. 
Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und Aurantia. 


- 


556 Harry Kull: Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 


Abb. 1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse. 

PU 02: n „ an den Seitenwänden der Drüse. 
„83-9. Übergangsstadien. 
„....10. Becherzelle. 

Abb. B. Eine Reihe von Übergangszellen von einer Becherzelle zur Paneth- 
schen Zelle beim menschlichen Fötus. Färbung mit Hämatoxylin, 
Viktoriablau und Eosin. 

1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse. 

2. . „ an den Seitenwänden der Drüse. 

3. 3 „ auf der Zotte. 

„ 4-9. Übergangsstadien. 
„ 10. Becherzelle. 

Abb. ©. Eine Reihe von Übergangszellen in den tiefsten Teilen der Lieber- 
kühnschen Drüsen einer hungernden Maus. Färbung wie A. 

Abb. D. Übergangszelle an der Basis der Zotte. Hungernde Maus. Färbung 
wie A. 

Mikrophotographie 1 ist von einem Präparate des Darmes einer 
hungernden Maus aufgenommen. Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und 
Aurantia. 

Mikr. 1. Lieberkühn sche Drüse mit junger Übergangszelle, welche kleine 
Körnchen enthält. 

Mikrophotographie 2—5 sind von Präparaten des Darmes eines 7 Monate 
alten menschlichen Fötus aufgenommen. Färbung der Präparate mit Hämato- 
xylin, Viktoriablau und Eosin. 

Mikr. 2. Junge Übergangszelle mit kleinen Körnchen im Schleim. 

Mikr. 3. Mittelalte Übergangszelle, welche ungefähr gleich viel Körnchen 
und Schleim enthält. 

Mikr. 4. Alte Übergangszelle. Zwischen den Körnchen und namentlich im 
oberen Teil der Zelle sieht man den blass gefärbten Schleim. 

Mikr. 5. Panethsche Zelle auf einer Zotte. Daneben oberes Ende einer 
Lieberkühnschen Drüse. 


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556 Harry Kull: Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 


Abb. 1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse. 

2: 2 „ an den Seitenwänden der Drüse. 
„ 3-9. Übergangsstadien. 
„. 10. Becherzelle. 

Abb. B. Eine Reihe von Übergangszellen von einer Becherzelle zur Paneth- 
schen Zelle beim menschlichen Fötus. Färbung mit Hämatoxylin, 
Viktoriablau und Eosin. 

1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse. 

2. R „ an den Seitenwänden der Drüse. 
N n „ auf der Zotte. 

„ 4-9. Übergangsstadien. 

„ . 10. Becherzelle. 

Abb. ©. Eine Reihe von Übergangszellen in den tiefsten Teilen der Lieber- 
kühnschen Drüsen einer hungernden Maus. Färbung wie A. 

Abb. D. Übergangszelle an der Basis der Zotte. Hungernde Maus. Färbung 
wie A. 

Mikrophotographie 1 ist von einem Präparate des Darmes einer 
hungernden Maus aufgenommen. Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und 
Aurantia. 

Mikr. 1. Lieberkühn sche Drüse mit junger Übergangszelle, welche kleine 
Körnchen enthält. 

Mikrophotographie 2—5 sind von Präparaten des Darmes eines 7 Monate 
alten menschlichen Fötus aufgenommen. Färbung der Präparate mit Hämato- 
xylin, Viktoriablau und Eosin. 

Mikr. 2. Junge Übergangszelle mit kleinen Körnchen im Schleim. 

Mikr. 3. Mittelalte Übergangszelle, welche ungefähr gleich viel Körnchen 
und Schleim enthält. 

Mikr. 4. Alte Übergangszelle. Zwischen den Körnchen und namentlich im 
oberen Teil der Zelle sieht man den blass gefärbten Schleim. 

Mikr. 5. Panethsche Zelle auf einer Zotte. Daneben oberes Ende einer 
Lieberkühnschen Drüse. 


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