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ARCHIV
für
Mikroskopische Anatomie
I. Ahteilung
für vergleichende und experimentelle
Histologie und Entwicklungsgeschichte
II. Abteilung
für Zeugungs- und Vererbungslehre
herausgegeben
von
O. Hertwig und W. Waldeyer
in Berlin
Siebenundsiebzigster Band
I. Abteilung
Mit 21 Tafeln und 83 Textfiguren.
BONN
Verlag von Friedrich Cohen
1911
a
gern
Alien
2733. 53
Inhalt.
Abteilungl.
Erstes Heft. Ausgegeben am 12. Mai 1911.
Über Regeneration und Transplantation des Pankreas von Amphibien.
Von H. Fischer. (Aus dem biologischen Laboratorium der
Universität Bonn.) Hierzu Tafel I und 2 Textfiguren . -
Beiträge zum Studium des Zentralnervensystems der Wirbeltiere. 1. Ein
Faserzug am Boden des Recessus praeopticus (Tractus praeopticus)
bei den Amphibien. Von Dr. med. Paul Röthig. (Aus dem
Anatomischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel II
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. Von Prof.
Rud. Eschweiler in Bonn. (Aus dem biologischen Laboratorium
der Universität Bonn.) Hierzu Tafel Ill.
Über eine feine Struktureigentümlichkeit der Epithelzellen den Gallen
blase. Von Dr. G. D’Agata, Ehren-Assistenten am Institut
für allgemeine Pathologie und Histologie zu Pavia. (Vorstand
Prof. C. Golgi.) Hierzu 2 Textfiguren . ne N 3392
Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula II. von 1. H. F. Kohl-
brugge. Hierzu 2 Textfiguren
Zweites Heft. Ausgegeben am 30. Juni 1911.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes im Auge der Wirbel-
tierembryonen und in Chorioidealsarkomen. Von Dr. Aurel v.
Szily. (Aus der Universitäts-Augenklinik in Freiburg i. Br.
Direktor: Geh. Prof. Dr. Th. Axenfeld.) Hierzu Tafel IV—VII
Drittes Heft. Ausgegeben am 30. August 1911.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion der Lamellen-
körperchen. Von Prof. Siegmund v. Schumacher. (Histo-
logisches und embryologisches Institut der k. u. k. tierärztlichen
Hochschule in Wien.) Hierzu Tafel VIII und 4 Textfiguren .
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. Von
M. Mühlmann. (Aus der Prosektur des Krankenhauses
Balachany [Baku].) Hierzu Tafel IX :
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. Von W. Beer nei.
(Aus dem anatomisch-histologischen Laboratorium der Universität
St. Petersburg.) Hierzu Tafel X
Betrachtungen über den tatsächlichen Bau und Be künstlich Dee
gerufenen Deformationen der markhaltigen Nervenfaser. Von
J. Nageotte. Hierzu Tafel XI und 4 Textfiguren .
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern, nach einen
am Hühnchen. Von M.v. Lenhossek, Budapest. Hierzu Tafel XII
Beiträge zur Biologie der Zelle (Mitochondrien, Chromidien, Golgisches
Binnennetz in den Samenzellen). Von Dr. A. Perroncito, Pavia.
(Roma, 1910, Reale Accademia dei Lincei.) Hierzu 6 Textfiguren
Seite
194
ll
IV
Viertes Heft. Ausgegeben am 21. Oktober 1911.
Über das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen im Thymus-
parenchym. VonRubenHolmström. (Aus dem Anatomischen
Institut in Upsala.) Hierzu Tafel XIII
Über feinere Strukturen und die Anordnung des ee im Man
und Darmkanal. Von Prof. Dr. Julius Arnold in Heidelberg.
Hierzu Tafel XIV 5
Über. Genesis. und Morphologie der en Blutkörperchen dei Vögel,
Von Dr. Wilhelm Venzlaff. (Aus dem Zoologischen Institut
der Universität zu Berlin.) Hierzu Tafel XV und 3 Textfiguren
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen und Nervenfasern im
Rückenmark höherer Wirbeltiere.e Von Anton Nemiloff,
Assistenten am anatomisch-histologischen Institut der Universität
St. Petersburg. Hierzu Tafel XVI und XVII und 3 Textfiguren
Gesammelte Studien an den roten Blutkörperchen der Amphibien. Von
Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel XVIII—-XX und
52 Textfiguren r ur Ver ER
Über die Entstehung der Pen a een HNen. Von Harry Kull.
(Aus dem Institut für vergleichende Anatomie der K. Universität
Jurjew, Dorpat. Direktor Prof. Dr. P.a.Poljakoff.) Hierzu
Tafel XXI und 5 Textfiguren .
Seite
323
346
433
541
Aus dem biolog. Laboratorium der Universität Bonn.
Über Regeneration und Transplantation des
Pankreas von Amphibien.
Von
H. Fischer.
Hierzu Tafel I und 2 Textfiguren.
Die im folgenden geschilderten Versuche wurden zugleich
mit einer Reihe anderer, die dem Studium der Langer-
hansschen Inseln des Pankreas dienten, ausgeführt. Bezüglich
der Frage nach der Regeneration und Transplantation des Pan-
kreasgewebes, ganz abgesehen von ihrem Wert für die Frage
nach dem Wesen der Langerhansschen Inseln, ergaben sich
manche Abweichungen von den bisher veröffentlichten Versuchen
dieser Art und manches Neue. Ich habe mich daher entschlossen,
diese Ergebnisse ausführlicher und getrennt von dem übrigen
Teil der Untersuchung zu besprechen. Inwiefern die Versuche für
die Frage nach dem Wesen der Langerhansschen Inseln zu
verwerten sind, soll in einer weiteren Veröffentlichung zusammen
mit denübrigen von mir zum Studium des Wesens der Langer-
hansschen Inseln angestellten Experimenten erörtert werden.
I. Regeneration.
Die Regenerationskraft drüsiger Organe ist wohl in erster
Linie an der Leber und der Niere studiert worden: dann auch
an der Schilddrüse, der Mamma, den Speicheldrüsen, an Hoden
und Ovarien. Am Pankreas sind nur ganz vereinzelt derartige
Versuche vorgenommen worden.
Für den Ersatz des verlorengegangenen (rewebes kommen
nach der heutigen Auffassung von der Spezifität der Gewebe nur
Zellen derselben Art wie die verlorenen, oder ganz nahe verwandte
Zellen in Betracht. Als solche sieht man bei drüsigen Organen
die Epithelien der Ausführungsgänge an, und zwar geht nach fast
allgemeiner Auffassung die Regeneration der drüsigen Organe
mit einer einzigen Ausnahme von den Ausführungsgangsepithelien
aus. Diese Ausnahme macht die Schilddrüse, die ja keine Aus-
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. 1
2 HRusterhreir:
führungsgänge besitzt, trotzdem aber gut regeneriert. Die
Parenchymzellen kommen nach den meisten Autoren bei den
Drüsen mit Ausführungsgängen über einige Mitosen nicht hinweg.
Eine derartige, von den Ausführungsgängen ausgehende Regene-
ration ist in den meisten Fällen quantitativ sehr ergiebig, quali-
tativ aber nicht zufriedenstellend. Es wird zwar der entstandene
Defekt von der Wucherung mehr oder weniger ausgefüllt, aber
die neugebildeten Epithelien sind unfähig zur Funktion; sie treten
meist zu den sprossenden Gefässen und dem Interstitium nicht
in dieselben Beziehungen wie in der Norm und deshalb gewinnen
sie nach Ribbert!) die typische Anordnung und die funktionelle
Struktur nicht wieder.
Diese heute vorherrschende Ansicht von der Regeneration
drüsiger Organe ist jedoch keineswegs als erwiesen anzusehen.
Die Resultate der einzelnen Forscher stimmen sowohl in bezug
auf die Stärke der Regeneration und ihre Qualität, als auch in
bezug auf den Anteil der einzelnen, für die Regeneration in
betracht kommenden Elemente durchaus nicht überein. Was
die Stärke der Regeneration anbelangt, so muss man meiner
Meinung nach einen Unterschied machen zwischen Drüsen, die
in der Einzahl, und solchen, die in der Mehrzahl vorhanden sind,
da bei letzteren der bei der einen Drüse gesetzte Defekt viel
eher durch kompensatorische Hypertrophie der anderen ersetzt
werden kann. Ferner wird die funktionelle Inanspruchnahme des
betreffenden Organs von Bedeutung sein. Grosse Widersprüche
bestehen heute noch bezüglich der Regeneration der Leber.
Ribbert?°) sieht dieselbe von den Grallengängen ausgehen; die
von diesen aussprossenden Epithelien verwandeln sich nicht in
Leberzellen. Eine Regeneration des Lebergewebes findet also
überhaupt nicht statt. Marchand?) andererseits beschreibt
eine Umwandlung der Gallengänge zu Lebergewebe. Pearce?)
beobachtete 4—7 Tage post operationem, nachdem an der Opera-
tionsstelle die Nekrotisierungen durch ein junges Bindegewebe
ersetzt waren, dass dieses Bindegewebe durch neugebildete Leber-
!) Referat von Barfurth in: Merkel und Bonnets Ergebnissen 1904.
?, Ribbert. Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und path. Anatomie,
3. Auflage, 1908.
®) Pearce, R.M. Regenerative changes in the liver. A study of
experimental lesions in the dog. Journal of Med. - Research, Bd. XV, 1906.
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 6
zellen verdrängt wurde und nur Bindegewebsstränge übrigblieben.
Bei kleinen Nekrotisierungen beobachtete er sogar das Hinein-
wuchern von Leberzellen, ohne dass die nekrotischen Stellen vor-
her durch junges Bindegewebe organisiert waren. Die Leberzellen
vermögen sich nach Pearce durch indirekte Teilung zu ver-
mehren. Auch beschreibt er in Übereinstimmung mit Marchand
die Bildung von Leberzellen aus gewucherten Gallengängen.
Hayami!) sucht bei den widersprechenden Ansichten von
Ribbert und Marchand so zu vermitteln, dass er annimmt,
die gewucherten Gallengänge verbänden sich sekundär mit den
präexistierenden Leberzellen. Die Frage, von welchen Elementen
die Neubildung bei der Leber ausgeht, kann zurzeit nach dem
oben (Gresagten noch nicht endgültig entschieden werden; jeden-
falls kann sie heute nicht in dem Sinne beantwortet werden,
dass bei der Leber die Regeneration allein von den Gallengängen
ausgehe.
Dann sind von Podwyssozki?), Ribbert?°) und in letzter
Zeit von Carraro*) Regenerationsversuche an Speicheldrüsen
angestellt worden, die ja nach ihrem Bau dem Pankreas bedeutend
näher stehen. Podwyssozkiı fand nach schweren Verletzungen
der Speicheldrüsen Mitosen in den Parenchymzellen in grosser
Ausdehnung um die Wunde herum, einige Male auch an entfernten
Stellen. Meist liegen die Mitosen in der Umgebung der stark
erweiterten Arteriolen, welche von zahlreichen ausgewanderten
Blutkörperchen umschlossen sind. Die eigentliche Regeneration
geht aus von den Ausführungsgängen, indem diese Ausstülpungen
in das Gewebe hineintreiben. Ein Teil der neugebildeten Elemente
verfällt der regressiven Metamorphose, ein anderer wandelt sich
in Drüsenalveolen um. Ribbert fand bei seinen Untersuchungen,
die sich bis auf höchstens drei Wochen erstreckten, den Defekt
meist von Bindegewebe ausgefüllt, worin Alveolen gelagert
waren, die von den Ausführungsgängen ausgingen. Carraro
') Hayami, T. Über Aleuronathepatitis. Ein Beitrag zur Regene-
rationsfrage des Lebergewebes und zur Erklärung der sogenannten „Über-
gangsbilder“. Beiträge zur path. Anat. u. allgem. Pathologie. 1906, Bd. 36.
®?) Podwyssozki. Experimentelle Untersuchungen über die Re-
generation der Drüsengewebe. Beiträge z. path. Anat. u. Physiologie, 1888,
Band 2.
®) Citiert nach Carraro. Siehe 3.
*) Carraro, A. Frankfurter Zeitschrift für Pathologie, 1909, Bd. 3.
1*F
4 H. Fischer:
verfolgte die Regeneration der Speicheldrüsen bis zu 120 Tagen.
Er exstirpierte etwa zwei Drittel einer Submaxillaris. In den
frühesten Stadien findet er an der Oberfläche ein Blutgerinsel, bald
in grösseren, bald in kleineren Mengen. Dieses Blutgerinsel wird
in vorgerückteren Stadien resorbiert. Dann ist bereits ein Farben-
unterschied zwischen altem und neuem Gewebe zu sehen, der
sich aber bald verliert. Die Regeneration schreitet weiter fort.
was sich aus der Vergrösserung des Gesamtvolumens der Drüse
ergibt. Im weiteren Verlauf ändern sich die Verhältnisse. Die
Drüse sowohl als das Regenerat verfallen der Atrophie. Nach
120 Tagen ist von der ganzen Drüse nichts mehr übrig, ausser
einem etwa maiskorngrossen, derben, weisslichen und mit roten
Punkten besetzten Körper. Der mikroskopische Befund im Be-
einn der Regeneration ist folgender: In das Blutgerinnsel dringt
junges Bindegewebe ein. Ein Teil des alten (sewebes an der
Schnittlinie verfällt der Nekrose. Das übrig gebliebene Gewebe
wuchert lebhaft; es finden sich Mitosen in den Parenchymzellen
und den Ausführungsgängen. Nach fünf Tagen sind Epithel-
zapfen im Bindegewebe zu sehen; diese sind aus den kleinsten,
zunächst liegenden Ausführungsgängen entstanden, mit denen sie
an einigen Stellen zusammenhängen. Die Epithelzapfen wandeln
sich in Drüsenschläuche um.
Regenerationsversuche am tierischen Pankreas sind angestellt
worden von Martinotti‘), Cipollina’), Kyrle°) und
CHERAT Oo)
Martinotti wies nach, dass eine Wiedererzeugung des
weggenommenen Pankreasgewebes durch Bildung neuer Drüsen-
zellen an dem Amputationsstumpf möglich ist. „Ja, ich habe
die Tatsache sichergestellt,“ sagt Martinotti, „dass man nach
Abtragung fast des ganzen Pankreas, so dass nur wenige Drüsen-
läppchen an den Wänden des Gallenganges oder des Duodenums
!) Martinotti. Giornale della R. Accademia di Medieina di Torino,
1888, No. 7. (Nach einem Ref. im Centralblatt für Path., 1890.)
>) Cipollina. Experimentaluntersuchungen über die partielle Re-
generation des Pankreas. Riforma med. 1899. (Nach einem Referat im
Centralblatt für Path. 1899.)
3), Kyrle. Dieses Arch., Bd. 72.
*) Carraro, A. Sulla rigenerazione del pancreas. Lo Sperimentale
1909, H.6. (Nach Ref. im Centralblatt für Path. 1910.)
Regeneration und Transplantation des Pankreas. d
zurückbleiben, nach dem Verlauf einer gewissen Zeit ein mässig
grosses Stück Pankreas da finden kann, wo anscheinend das
ganze Organ entfernt worden war“. Cipollina schliesst aus
seinen Untersuchungen über die Regeneration des Pankreas:
1. Infolge teilweiser Exstirpation des Pankreas konnte ich niemals
echte, wirkliche Regeneration des weggenommenen Drüsengewebes
beobachten. 2. Nur in einigen Fällen bemerkte ich einen Ver-
such zur Sprossung von seiten der Zellen des noch vorhandenen
Parenchyms. 3. In der Mehrzahl der Fälle wurde die Zusammen-
hangstrennung eingenommen durch Bindegewebe, das entweder
vom Netz oder von dem eigenen Bindegewebe der Drüsen aus-
ging und zwar in jungen Befunden das Aussehen von embryonalem
Bindegewebe hatte, in älteren dagegen sich in fibröses Gewebe
umwandelte. Kyrle findet, dass das Pankreas sehr grosse regene-
rative Kraft besitzt. Der Hauptanteil bei der Regeneration fällt
den Ausführungsgängen zu. Von ihnen aus bilden sich Sprossen,
die in eine junge Bindegewebsgrundlage hineinwuchern. Die
Zellen dieser Sprossen wandeln sich allmählich zu zymogenhaltigen
Zellen um. Auch sollen die Ausführungsgänge imstande sein,
Langerhanssche Inseln bilden zu können.
Ich habe meine Regenerationsversuche hauptsächlich an
Rana fusca ausgeführt. Ausserdem wurden noch einige Tritonen
dazu benutzt. Operiert wurde in der Weise, dass ich dem Tiere
auf der linken Seite die Bauchhöhle eröffnete. Dann wurde mit
‘einem Haken der Magen und die Duodenalschlinge vor die Wunde
gezogen. Mit einer Schere wurde der nach dem Magen zu in
der Duodenalschlinge liegende Teil des Pankreas vom Darm los-
getrennt, ungefähr bis zur Einmündung des Ductus pancreaticus
und choledochus in den Darm. Von hier aus wurde nach der
Leber zu parallel dem Ductus pancreaticus geschnitten. Es wurde
auf diese Weise etwa ein Drittel bis die Hälfte des Pankreas
entfernt. Die Blutung aus den Pankreasgefässen kam meist rasch
zum Stillstand, da das Blut an der Luft sehr schnell gerinnt
und die Schnittfläche mit einer Schicht geronnenen Blutes über-
zieht. Nach Stehen der Blutung wurden die Eingeweide in die
Bauchhöhle reponiert und die Muskelwunde zusammen mit dem
Peritoneum, ebenso darauf die Hautwunde geschlossen. Nach
Heilung der Hautwunde wurden die Tiere wieder ins Aquarium
zurückgebracht.
6 H. Fischer:
Bei den Tieren, die in den ersten Tagen p. o. getötet wurden.
war an der Stelle der Operation am Pankreas weiter nichts zu
sehen, als dass diese Stelle mit Blutgerinnsel bedeckt war. Später
verschwand dasselbe und etwa 12 Tage p. o. konnte ich, wie
Carraro bei der Regeneration der Submaxillaris, einen Farb-
unterschied an dem Gewebe der Öperationsstelle bemerken. Das
Pankreasgewebe bildete an der Exeisionsstelle einen scharfen Rand,
der hell und durchscheinend war. Das anstossende Pankreas-
gewebe sah milchig aus und war undurchsichtig. Ich will hier
schon vorwegnehmen, dass es sich an diesem Rand um Neu-
bildung von Pankreasgewebe handelt. Bei späteren Stadien ver-
grösserte sich diese Schicht entsprechend: doch wurde der scharfe
Farbunterschied zwischen alt und neu bald verwischt, da das
Regenerat bei längerem Bestand allmählich die Farbe des alten
Pankreasgewebes annahm. Ich habe die Regeneration bis zu
76 Tagen verfolgt. Es hatte sich in dieser Zeit ein grosses
tegenerat gebildet, das von dem unteren, darmwärts gelegenen
Schnittrande ausgegangen und nach dem Darm zu gewachsen
war. Es hatte den Darm an seiner Rückseite überlagert und
sich auch nach dem Magen zu ausgebreitet. In dem distalen
Zipfel der Neubildung war noch Wachstum vorhanden. In einem
anderen Falle war ein Zipfel des Fettkörpers mit der Schnitt-
fläche verwachsen. Zu beiden Seiten der Verwachsungsstelle war
ein Zipfel regenerierten Pankreasgewebes, der caudalwärts verlief.
Ich will bei Schilderung des Verlaufes der Regeneration
nicht alle Stadien, die ich untersuchte, vorführen, sondern nur
die typischen herausgreifen. Das jüngste Stadium, das ich unter--
suchte, war 18 Stunden p. o. alt.
l. Rana fusca d, in gutem Ernährungszustand, operiert
am 1. Februar 1910. Der Magen war bei der Operation leer,
ebenso der Darm. Es wurde in obengeschilderter Weise ein
Stück Pankreas exeidiert. Am 2. Februar wurde das Tier ge-
tötet. Das Tier ist bis dahin nicht gefüttert worden. Die untere
Magenwand ist mit dem Duodenum verklebt. Magen und
Duodenum sind mit Blutgerinnsel bedeckt. Es werden Magen,
Duodenum und Pankreas in toto herausgenommen und in die
Fixierungsflüssigkeit gebracht. Die mikroskopische Untersuchung
ergab, dass über der Schnittfläche eine dünne Schicht geronnenen
Blutes sich hinzog. Zwischen ihr und dem angeschnittenen
Regeneration und Transplantation des Pankreas.
Pankreasteil liegen in einer grauen, losen Gerinnungsmasse rote
Blutkörperchen. An verschiedenen Stellen finden sich haufenweise
angeordnet zellige Infiltrate, in denen auch vereinzelt rote Blut-
körperchen zu sehen sind. Über den obersten erhaltenen Zell-
reihen des angeschnittenen Pankreasstückes ist ein körniger
Detritus zu sehen ; derselbe ist wahrscheinlich das Zerfallsprodukt
der angeschnittenen Zellen. Auch an den dem Schnittrande be-
nachbart gelegenen Pankreaszellen machen sich die Zeichen des
Zerfalls bemerkbar. Die Konturen der Zellen sind nicht scharf,
der Kern hebt sich vom Protoplasma nicht so scharf ab wie
sonst; das ganze macht einen verwaschenen Eindruck. Hier
und da treten im Protoplasma der Parenchymzellen vereinzelte
Körnchen auf, die sich mit Flemmin gscher Flüssigkeit schwärzen.
In anderen Zellen findet man kleine, gruppenweise zusammen-
liegende Körnchen, die sich mit Safranin intensiv gefärbt haben.
Der Kern fehlt in diesen Zellen. Es sind dies durch Chromatolyse
entstandene Zerfallsprodukte des Kerns. In dem übrigen Pankreas-
teil macht sich noch keinerlei Reaktion auf den Eingriff geltend.
Fine Demarkation des zugrunde gehenden von dem erhalten
bleibenden Gewebe ist noch nicht zu sehen. Weder am Parenchym.,
noch an den Ausführungsgängen oder Inseln habe ich in diesem
Stadium Zeichen der Zellvermehrung wahrnehmen können. Es ist
also zu dieser Zeit lediglich die Wirkung des Eingriffs auf den
der Schnittfläche zunächst liegenden Pankreasteil zu sehen: Die
der Schnittlinie zunächst gelegenen Elemente gehen zugrunde.
2 Rana husca &. Üperierseamzr12., Rebruar 1910.
53 Stunden p. o. wurde das Tier getötet. Es sind Verwachsungen
zwischen Magen und Duodenum vorhanden. Ein Leberzipfel ist mit
dem Duodenum verklebt. Magen, Duodenum, ein Teil der Leber und
das Pankreas werden in toto herausgenommen und fixiert. Bei
der mikroskopischen Untersuchung zeigte sich an der Schnittlinie
eine dünne Lage von Leukocyten unterhalb der roten Blut-
körperchen, die auch hier noch die Schnittlinie bedecken. Von
hier dringen sie schon vereinzelt zwischen die Alveolen vor. Die-
jenigen Alveolen, die bei Operation den grössten Teil ihrer Zellen
eingebüsst haben, lockern sich bereits in toto aus dem übrigen
Drüsengewebe. Gleichzeitig treten in den Zellen dieser an-
geschnittenen Schläuche Degenerationserscheinungen auf in Form
der Chromatolyse und der fettigen Degeneration. In dem bei
6) H. Fischer:
der Operation zurückgelassenen Pankreasstück macht sich eine
Erweiterung der Kapillaren bemerkbar. Wie weit von der
Schnittlinie entfernt das Pankreasgewebe zugrunde gehen wird,
ist noch nicht zu sehen. Eine Demarkation ist noch nicht ein-
getreten. Mitosen sind noch nicht zu seben; ebensowenig
Sprossungen von seiten der Ausführungsgänge. In den Langer-
hansschen Inseln finden sich keine Besonderheiten. Es ist hier
also ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem Stadium von
15 Stunden nicht zu sehen.
3. Rana fusca d. Abgemagert. Operiert am 12. Februar
1910, getötet am 16. Februar 1910. Verwachsungen sind nicht
vorhanden. Magen, Duodenum und Pankreas werden in toto
herauspräpariert und fixiert. Magen und Dickdarm sind stark
gefüllt, ebenso die Gallenblase. Das Tier war 2 Tage vor der
Tötung gefüttert worden. Mikroskopisch ist deutlich die Demar-
kationslinie zwischen dem zugrunde gehenden und erhalten-
bleibenden (Gewebe zu sehen. Es geht in diesem Falle ein keil-
förmiges Stück mit der Basis an der Schnittlinie zugrunde.
\Man bekommt hier den Eindruck, dass die Form und die Grösse
des zugrunde gehenden Abschnittes bestimmt wird durch die
Läsion der Gefässe bei der Operation: Die von der Blutversorgung
abgeschlossenen oder in ihrer Ernährung geschädigten Bezirke
verfallen dem Untergang. In dem zugrunde gehenden Abschnitt
sind die bekannten Degenerationserscheinungen zu sehen. Es
tritt bereits spärliches junges Bindegewebe im Degenerat auf.
Die Ausführungsgänge innerhalb dieses Bezirkes gehen mit zu-
erunde. Ebenso treten regressive Veränderungen an den Gefäss-
wänden innerhalb des untergehenden Bezirkes auf. Die Form
der Schläuche ist kaum noch zu erkennen. Stellenweise hat sich
in die zugrunde gehenden Massen Blut ergossen. In der Nähe
der Demarkationslinie sind im Parenchym einzelne Mitosen und
Vorbereitungen zu solchen zu sehen.
4. Rana fusca ®, operiert am 20. Oktober 1909, getötet
am 27. Oktober 1909. Das Pankreas wird mit einem Stück
Magen und Darm herauspräpariert und fixiert. Verwachsungen
waren nicht vorhanden. Mikroskopisch zeigt sich wieder sehr
deutliche Demarkation des toten vom lebenden Grewebe; sie ist
aber makroskopisch nicht zu sehen. In der Demarkationslinie sind
zahlreiche Leukocyten zu finden: ebenso im Degenerat. Die
Regeneration und Transplantation des Pankreas. B
Degenerationserscheinungen sind hier noch ausgesprochener als
im vorigen Stadium. Die noch vorhandenen Kerne schrumpfen,
nehmen die verschiedensten Formen an, zerfallen. Zellgrenzen
sind nicht mehr zu sehen. Um die zerfallenden Kerne herum
liest eine von Fettropfen durchsetzte homogene Masse: die
schrumpfenden Kerne rücken zusammen, der ganze, zugrunde
gehende Komplex wird kleiner. Der Detritus wird zum Teil
von Fresszellen aufgenommen und weggeschaflt. Man sieht zahl-
reiche, mit Detritusmassen beladene freie Zellen; auch die jungen
Bindegewebszellen beteiligen sich an dieser Phagocytose. Auf
der anderen Seite der Demarkationslinie, im gesunden (rewebe,
sind die Kapillaren stark erweitert, die Zellkerne der Parenchym-
zellen zum Teil vergrössert, chromatinreich; sie färben sich
intensiv mit Safranin. Neben diesen Vorbereitungen zur Teilung
sieht man hier auch Mitosen. Auch kann man aus dem sofort
in die Augen fallenden Kernreichtum an dieser Stelle auf bereits
stattgehabte Teilungen schliessen. Ebenso finden sich in den
kleinen Ausführungsgängen, die an dieser Stelle gelegen sind,
Mitosen. Von den der Demarkationslinie zunächst liegenden
Schläuchen haben sich bereits Knospen in das junge Binde-
gewebe ausgestülpt, in deren Zellen wiederum Mitosen auftreten.
Von den kleinen Ausführungsgängen gehen gleichfalls Sprossungen
aus. In den grösseren Ausführungsgängen sind keine Sprossungen
und keine Mitosen zu sehen.
5. Rana fusca d, operiert am 8. Oktober 1909, getötet
am 20. Oktober 1909. An der Schnittfläche ist ein scharfer.
durchscheinender Rand zu sehen, während das übrige Pankreas
milchweiss aussieht. Das Pankreas wird mit einem Stück Darm
herausgeschnitten und fixiert. Aus der mikroskopischen Unter-
suchung ergibt sich, dass hier nicht viel Gewebe an der Schnitt-
linie zugrunde gegangen ist, da die junge Bindegewebswucherung
an der Schnittfläche sehr gering ist. In der Nähe der Schnitt-
linie am Rand des erhaltenen Pankreasgewebes sind in den
Parenchymzellen viele Mitosen zu sehen, oft vier bis sechs in einem
esichtsfeld. Selbst in den am weitesten nach dem Bindegewebe
gelegenen Parenchymzellen sind Mitosen vorhanden. In geringerem
Maße treten Teilungen in den Parenchymzellen des weiter ent-
fernten Pankreasgewebes auf. In den Epithelien der Ausführungs-
gänge sind hier Teilungen oder Zeichen einer stattgehabten Teilung
10 IE Böstenhreme
nicht zu finden; ebensowenig Sprossungen von seiten der Aus-
führungsgänge.
6. Rana fusca d, 14 Tage vor der Operation ohne Futter
geblieben. Operiert am 8. Oktober 1909; vom 12. Oktober ab
wurde das Tier gefüttert. Tötung am 26. Oktober 1909. Es
waren ausgedehnte Verwachsungen zwischen Fettkörper, Leber,
Pankreas, Magen und Darm eingetreten. Die Gallenblase war
stark gefüllt. Der Fettkörper war auf der Mitte des Schnitt-
randes festgewachsen. Oberhalb der Verwachsungsstelle war an
dem Sehnittrande ein scharfer neugebildeter Rand zu sehen,
unterhalb derselben nach dem Darm zu ein durchscheinender
neugebildeter Zipfel an der Schnittfläche. Die mikroskopische
Untersuchung bestätigte den makroskopischen Befund. Der
durchscheinende Zipfel wurde so geschnitten, dass er in seiner
Längsrichtung getroffen wurde. Auf diese Weise war das
Regenerat in seiner Wachstumsrichtung zu übersehen und gleich-
zeitig konnte man den Zusammenhang mit dem alten Gewebe
übersehen. Das Regenerat setzt sich kontinuierlich aus den
Alveolen des alten Gewebes fort in Form gewundener, anfangs
meist solider Sprossen, die ziemlich weit in das junge, sehr zell-
reiche Bindegewebe hineinwuchern. In den meisten hat hier
bereits die sekundäre Lumenbildung begonnen. An den proximal
gelegenen Stellen des Regenerates sind Lumina deutlich zu sehen,
während die Schläuche an der distalen Seite meist noch solide
sind. In den Parenchymzellen des Regenerates finden sich reich-
lich Mitosen. Die Zellen des Regenerates haben im Vergleich
mit den Zellen des alten Pankreas ein viel helleres Aussehen;
es fehlt noch die Körnelung des Protoplasmas. In den jungen
Zellen findet sich oft etwas Fett, doch ist diese Erscheinung nur
vorübergehend. Ausführungsgänge sind in der Neubildung nicht
zu sehen, ebensowenig Langerhanssche Inseln. Die neu-
gebildeten Schläuche sind breiter und liegen noch nicht so eng
zusammen wie im alten Pankreasgewebe; die Windungen der
Schläuche sind weit, schleifenartig.
7. Rana fusca Z, operiert am 8. Februar 1910, getötet
am 7. März 1910. Verwachsungen sind nicht vorhanden. Das
Pankreas wird exeidiert und fixiert. Das Tier war alle 2 Tage
mit weichem Fleisch vom 12. Februar bis zur Tötung gefüttert
worden. Bei der Tötung war der Magen stark gefüllt. Die
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 11
mikroskopische Untersuchung ergab eine Neubildung von be-
trächtlicher Grösse. Doch zeigten die meisten neugebildeten
Alveolen Stauungserscheinungen. Die Alveolen waren stark
dilatiert, die Zellen an die Wand gedrückt. In der Wand der
erweiterten Alveolen sind zahlreiche Mitosen zu sehen. Die
Erscheinungen sind dieselben, wie man sie nach Unterbindung
des Ausführungsganges in den Anfangsstadien zu sehen gewohnt
Regenerat von 18 Tagen. Es tritt sehr deutlich der Unterschied
zwischen altem und neugebildetem Gewebe hervor; das alte ist dunkel, die
Schläuche liegen eng zusammen; das neugebildete ist heller, die Schläuche
sind weiter. Das neugebildete Gewebe hängt mit dem alten kontinuierlich
zusammen. An der Schnittstelle hat sicb ein junges, an grossen Binde-
gewebszellen reiches Gewebe ausgebreitet, in welches das Regenerat hineinragt.
Die Umrisse der Figur sind mit dem Abbeschen Zeichenapparat genau ge-
zeichnet, die Einzelheiten der Zellen schematisch eingetragen. Vergrösserung:
Zeiss, Ok. 1, Obj. CC.
ist. Nur hat hier das junge Bindegewebe der Alveolen dem
Druck mehr nachgegeben als dies bei Unterbindung beim alten
Pankreas der Fall ist. Das alte Pankreasgewebe in diesem
2 HrHIischer:
Präparate zeigt keinerlei Stauungserscheinungen. Die Ausbuch-
tungen und Vorwölbungen der jungen Alveolen sind hier infolge
der Nachgiebigkeit der Wand viel grösser als dies bei Stauungs-
erscheinungen im alten Pankreasgewebe der Fall zu sein pflegt.
wo ausser der verhältnismässig starren Wand der Alveole die
Alveolen selbst sich gegenseitig an der Ausdehnung behindern
und so die Zellen gewissermassen zwischen Sekret und Wand
erdrückt werden. Ferner findet sich auf diesem Präparate noch
eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit. In der Nähe des Re-
generates, von diesem jedoch durch eine breite Schicht jungen
Bindegewebes getrennt, liegt ein grösserer Ausführungsgange.
Von diesem Ausführungsgang gehen nun Ausführungsgangssprossen
nach dem Regenerat zu in das junge Bindegewebe hinein. Sie
erreichen dasselbe aber nicht. In den Wandepithelien, die den-
selben Charakter tragen wie die Epithelien des grossen Aus-
führungsganges, sind zahlreiche Mitosen vorhanden. An der dem
Regenerat abgewandten Seite treibt der grosse Ausführungsgang
keine Sprossen. Bei ihrem weiteren Wachstum würden die nach
dem Regenerat zu gesprossten Ausführungsgänge dasselbe bald
erreichen. Es wäre dann eine Verbindung des Regenerates mit
dem grossen Ausführungsgange hergestellt und man dürfte er-
warten. dass die Stauungserscheinungen, falls sie nicht zu lange
angedauert haben, sich zurückbilden würden. Die neugebildeten
Zellen enthalten zum Teil schon wieder Sekretkörnchen.
S. Rana fusca Z. Operiert am 20. Oktober 1909, getötet
am 9. Dezember 1909. Zwischen Magen und Darm ist im Mesen-
terium eine strahlenförmige Masse vorhanden, die vom Pankreas
ausgeht und ein durchscheinendes Aussehen hat. Das Pankreas
wird herausgenommen und fixiert. Mikroskopisch ergibt sich, dass
ein grosser Teil des Pankreas an der Operationsstelle zugrunde
gegangen ist. Nur ein grösserer Ausführungsgang ist innerhalb
des zugrunde gegangenen Gewebes erhalten geblieben. An Stelle
‚des letzteren ist ein zellreiches junges Bindegewebe getreten, in
dem sich noch erhalten &ebliebene Pankreaskerne finden. Von
dem erhaltenen Pankreasgewebe ausgehend, ist in dieses junge
3indegewebe hinein eine Wucherung neuer Schläuche zu ver-
folgen, die meist einen geraden, oft aber auch stark gewundenen
Verlauf nehmen. Das blinde Ende dieser Schläuche liegt stets
«dem alten Pankreasgewebe abgewandt. Diese Neubildung geht
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 15
auf der ganzen Linie des alten Pankreas, soweit es an das Binde-
gewebe angrenzt, vor sich, und zwar stehen die jungen Schläuche
mit den alten in Verbindung. Von dem grossen Ausführungs-
gang, der von der Neubildung durch eine breite Strecke jungen
Bindegewebes getrennt ist, sind an der der Neubildung zugekehrten
Seite Sprossungen ausgegangen, die, meist gerade auf das Regenerat
zustrebend, dasselbe bereits an mehreren Stellen erreicht haben.
Andere gesprosste Gänge sind noch nicht soweit gelangt. In
ihnen finden sich noch lebhafte Mitosen. An der dem hegenerat
abgewandten Seite treibt auch dieser Ausführungsgang keine
Sprossen, trotzdem er auch an dieser Seite von reichlichem
jungem Bindegewebe umgeben ist. Stauungserscheinungen sind
in diesem Regenerat nicht vorhanden. In den Schläuchen, die
am weitesten in das junge Bindegewebe hineinragen, ist ein
Lumen oft noch nicht zu sehen.
9. Rana fusca d. Operiert am 4. Januar 1910. Es wurde
ein Pankreasstück, stark ein Drittel, parallel dem Ausführungs-
sang dicht an demselben entlang bis zu seiner Einmündungsstelle
in den Darm weggeschnitten. Am 21. März wurde das Tier ge-
tötet. Die linke Bauchwand war mit einem Teile des Magens
verwachsen. Im Mesenterium, zwischen Magen und Duodenum,
ist eine grosse Lücke, die wahrscheinlich von der Operation her-
rührt. Das Pankreas selbst zeigt ein sehr starkes Regenerat.
Dieses hat sich hauptsächlich nach dem Darm zu ausgedehnt und
die Darmwand wulstförmig überlagert. Das alte Pankreas ist
mit einem Teil der Schnittfläche mit dem Darm verwachsen:
dadurch wird wahrscheinlich das Regenerat eine etwas ausser-
gewöhnliche Richtung genommen haben. Der ganze, auf dem
Darm liegende Wulst ist Neubildung. Unter normalen Verhält-
nissen ist er überhaupt nicht vorhanden, und das Pankreas hat
an der Stelle, wo es von der Leber herunterkommend den Darm
berührt, bei weitem nicht die Breite, die es hier zeigt. Die
Oberfläche des Regenerats war bei Herausnahme des Pankreas
aus der Bauchhöhle mit kleinen Höckerchen vollständig besetzt.
Dieselben traten durch die Fixierung mehr zurück. Bei der
mikroskopischen Untersuchung zeigte sich, dass diese Höckerchen
von sprossenartigen Ausbuchtungen der Alveolen gebildet wurden,
in denen sich auch noch Mitosen fanden. Der ganze Wulst
besteht aus wohlausgebildeten Pankreasschläuchen, die im Ver-
14 EISaRWUISıcHhYesteE
gleich mit altem Pankreas ein helleres Aussehen und einen ge-
streckteren Verlauf haben. Durch Ausführungsgänge mittlerer
Grösse steht die Neubildung mit dem grossen Ausführungsgang
in Verbindung. In der Richtung nach dem Magen zu sind noch
Wachstumserscheinungen sichtbar, wenn auch in geringem Maße.
Langerhanssche Inseln sind in der Neubildung nicht vorhanden.
Der Verlauf der Regeneration gestaltet sich somit unter
/ugrundelegung der beschriebenen Versuche am Frosch folgender-
massen: Wenn man am Pankreas eines Frosches auf operativen
Wege ein grösseres Stück Pankreasgewebe entfernt, so wird die
Schnittfläche zunächst von einem Blutgerinnsel bedeckt. An der
Sehnittfläche selbst wird das Pankreasgewebe mehr oder weniger
geschädigt; sei es durch mechanische Insulte bei der Operation,
sei es, dass durch die Operation Ernährungsstörungen für be-
stimmte angrenzende Partien geschaffen werden. Das auf diese
Weise an der Schnitttläche veränderte Pankreasgewebe demarkiert
sich bald von dem gesunden. Schon nach “einigen Tagen ist
deutlich zu sehen, wie weit die Schädigung das Gewebe befallen
hat. Es treten nun Erscheinungen auf, die darauf hindeuten,
dass das Gewebe sich nicht erholen wird. Die Zellen entarten
fettig, die Kerne zerfallen: es bildet sich eine Detritusmasse.
Diesen Veränderungen verfallen Parenchymzellen, Inseln und meist
auch die Ausführungsgänge in gleicher Weise. Leukoeyten und
junge Bindegewebszellen erscheinen und beladen sich reichlich
mit Körnchen des zerfallenen Gewebes. Das auf der Schnitt-
tläche befindliche Blutgerinnsel wird auf dieselbe Weise fort-
geschafft. Binnen kurzem ist das alte Gewebe vollständig be-
seitigt und an seiner Stelle fängt ein junges Bindegewebe mit
vielen grossen, protoplasmareichen Zellen an sich zu bilden.
Inzwischen sind an dem erhaltenen Pankreas als Reaktion auf
den Eingriff ebenfalls Veränderungen vor sich gegangen. Im
Parenchym und auch in den Ausführungsgängen treten anfangs
spärlicher, dann reichlicher Mitosen auf. Am lebhaftesten sind
diese Proliferationsvorgänge in der Nähe der Demarkationslinie ;
es beteiligt sich aber, wenn auch weniger lebhaft, das ganze
Pankreas an denselben. In den der Demarkationslinie zunächst
gelegenen Schläuchen vermehren sich die Parenchymzellen lebhaft,
infolgedessen vergrössert sich die Alveole, das Lumen wird weiter.
Bald buchten sich diese Alveolen an einzelnen Stellen aus, es
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 15
entstehen Knospen, die in das junge Bindegewebe hineinragen
und ihrerseits wiederum Seitenzweige abgeben können. So bildet
sich in dem jungen Bindegewebe ein Gewirr von bald gerade
verlaufenden, bald grosse Schleifen bildenden jungen Pankreas-
schläuchen, die mit den Älveolen des alten Gewebes kontinuierlich
zusammenhängen. Diese jungen Pankreasstränge sind vielfach
anfangs solid; ein Lumen bildet sich erst sekundär aus. Die
neugebildeten Pankreaszellen haben, wie das bei ihrer Herkunft
nicht anders zu erwarten ist, sofort das charakteristische Aus-
sehen von Parenchymzellen; nur sind sie anfangs heller und
grösser als die Zellen des alten Gewebes. In ihrem Protoplasma
finden sich vorübergehend kleinste, mit Flemmingscher Flüssig-
keit sich schwarzfärbende Partikel. Allmählich wird das Proto-
plasma dunkler; es erscheinen Zymogenkörnchen in demselben.
bei der sekretorischen Tätigkeit dieser neugebildeten Schläuche
kommt es nun infolge der vielen Windungen, die dieselben machen,
und der weiten Entfernung vom Ausführungsgang leicht zu
Abknickungen der Schläuche und zur Stauung des Sekretes.
Diese Abknickungen werden noch dadurch begünstigt, dass die
einzelnen Schläuche nicht, wie beim alten Pankreas, eng neben-
einander gelagert sind und sich so gegenseitig ihre Lage zuweisen.
Der beschriebene Prozess wird in gleicher Weise durch die
Dehnbarkeit des jungen Bindegewebes gefördert. Eine solche
Stauung sehen wir im Regenerationsstadium 7. In den Fällen,
wo man eine Stauung beim alten Pankreasgewebe künstlich durch
Unterbindung des Ausführungsganges hervorruft, äusserst sie sich
ın einer Erweiterung der Ausführungsgänge und der Lumina der
Schläuche. Die Pankreaszellen werden dabei zwischen dem Sekret
und der wenig nachgiebigen Tunica propria gedrückt, sie werden
flach und atrophieren schliesslich. Die Stauungserscheinungen in
dem jungen Pankreasgewebe verlaufen etwas anders. Hier besitzt
die Tunica propria noch eine grosse Nachgiebigkeit, sowohl wegen
ihres jugendlichen Alters, als auch aus dem Grunde, weil sie noch
nicht durch benachbarte Alveolen an ihrer Ausdehnung gehindert
wird, wie dies beim alten Pankreas der Fall ist. Infolgedessen
wird bei der Stauung des Sekretes die Aveole mehr in toto aus-
gedehnt; die Tunica propria gibt dem Druck nach: die Zellen
der Wand werden weit weniger affıziert wie beim alten Pankreas.
bei sehr lange bestehender Stauung wird schliesslich auch hier
16 H. Rischer:
Atrophie eintreten müssen. Dieselbe würde ausbleiben, wenn
zeitig eine Verbindung der Ausführungsgänge mit den neuge-
bildeten (rewebeschläuchen zustande käme. In dem vorliegenden
Falle scheint mir eine solche bereits angebahnt zu sein. Das
Rtegenerat hat sich hier hauptsächlich an einer Seite der Schnitt-
fläche entwickelt. An der entgegengesetzten Stelle liegen dicht
an der Schnittlinie zwei grössere Ausführungsgänge. Die Lücke
zwischen der distalen Spitze des Regenerates und der Stelle, wo
sich die beiden grossen Ausführungsgänge befinden, ist mit jungem
Bindegewebe angefüllt. In dieses junge Bindegewebe hinein haben
die beiden grossen Ausführungsgänge je einen kleineren Aus-
führungsgang geschickt, gerade auf den gestauten, neugebildeten
Pankreaskomplex zu. Wie sich aus den Schnittserien ergibt,
haben dieselben das hegenerat noch nicht erreicht, sind aber
auch nicht weit mehr davon entfernt. In der Wand dieser
Sprossen finden sich Mitosen; das Epithel der beiden jungen
Gänge ist noch dasselbe Epithel, wie das der Gänge, aus denen
sie hervorgegangen sind. Bei weiterem Wachstum würden diese
Ausführungsgangssprossen bald das Regenerat erreicht haben.
Im Regenerationsstadium S ist eine Verbindung zwischen einem
von einem grösseren Ausführungsgang ausgehenden Spross und
einer neugebildeten Alveole zu sehen. Von dem im Querschnitt
getroffenen Spross zu der betreffenden Alveole zieht ein schmales,
zweireihiges Band, in dem kaum ein Lumen zu sehen ist: die
Verbindungsstelle dieses Bandes mit der Alveole ist ungefähr am
blinden Ende derselben. An der Stelle. wo das Band von dem
quergetroffenen Ausführungsgang abgeht, finden sich zahlreich
Mitosen. Die Verbindung zwischen Alveole und Ausführungsgang
ist hier bereits fertig, so dass sich mit Bestimmtheit nicht
aussagen lässt, von wo sie ausgegangen ist; es scheint mir
wahrscheinlicher, vor allem wegen des Charakters der das Ver-
bindungsband bildenden Zellen, dass die Verbindung von dem
Ausführungsgang ausgegangen ist. Stadien, in denen die Ver-
bindung zwischen einem kleineren Ausführungsgang und einer
Alveole durch ein solches Band angebahnt, aber noch nicht
vollendet war, habe ich nicht beobachten können. Es kann daher
die oben ausgesprochene Vermutung nur einen gewissen Grad von
Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Auftallend an diesen Präparaten
ist, dass sich die Ausführungsgangssprossen stets nur an der dem
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 17
Regenerat zugewandten Seite grösserer, durch Bindegewebe vom
Regenerat getrennter Ausführungsgänge entwickeln, nie nach der
abwärts vom Regenerat gelegenen Seite, trotzdem reichlich Ge-
legenheit zur Sprossung auf dieser Seite gegeben ist. Es legt
dies die Vermutung nahe, dass hier vielleicht chemotaktische Ein-
tlüsse eine Rolle spielen. Das auf die vorhin geschilderte Weise
entstandene neue Pankreasgewebe vermag, wie aus Stadium S
und 9 hervorgeht, umfangreiche Teile des Pankreas zu ersetzen.
Langerhanssche Inseln habe ich bei der Regeneration nie
entstehen sehen.
Wie aus dem Gesagten hervorgeht, ist eine Regeneration
von echtem Pankreasgewebe bei Rana fusca möglich, und zwar
entwickelt sich das neue Pankreasgewebe aus den Parenchym-
zellen, im vorliegenden Falle nur aus diesen. Eine Verbindung
der Ausführungsgänge mit dem neugebildeten Parenchym entsteht
wahrscheinlich sekundär. Kyrle,!) der die Regeneration des
Pankreas bei Hunden und Meerschweinchen studierte, ist in bezug
auf die Herkunft des neugebildeten Gewebes zu ganz anderer
Anschauung gelangt. Er leitet den weitaus grössten Teil des
neugebildeten Gewebes von den Ausführungsgängen ab. Er findet
als erstes Zeichen der Regeneration lebhafte Teilung in den Zellen
der Ausführungsgänge. Infolge dieser Teilung wird das Epithel
mehrschichtig. Später entstehen an der Basalmembran Aus-
buchtungen, schliesslich Knospen und junge Gangsprossen. Be-
sonders stark sind diese Vorgänge in der Nähe des Operations-
feldes. Etwas später als die Mitosen in den Ausführungsgängen
treten dieselben im Parenchym auf, ebenso auch in den Langer-
hansschen Inseln. Die Teilungsfiguren werden bei grösserem
Zeitabstand von der Operation immer reichlicher, in den Inseln
jedoch nicht so reichlich wie im Parenchym. Am 4.—5. Tage
p. 0. erreichen diese Erscheinungen ihren Höhepunkt. Nach
40 Tagen sind nur noch hier und dort Mitosen zu sehen. Die
von den Ausführungsgängen ausgehenden Sprossen verästeln sich
immer mehr. Das Lumen wird sehr eng und ist mitunter
anscheinend verschwunden. Währenddessen sind in zahlreichen
Epithelzellen des neugebildeten Komplexes Zymogenkörnchen auf-
getreten; die neugebildeten Zellen der Gangsprossen bilden sich
Dislres
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. 2
15 H. Fischer:
zu Parenchymzellen um. Diese Wucherung der Gangepithelien und
die sekretorische Umdifferenzierung ist am lebhaftesten in der
Nähe des Wundbezirks zu sehen und zwar am 4.—5. Tage p. o.
Die regenerativen Vorgänge am Parenchym treten dazu erheblich
zurück. Kyrle berichtet nichts von einer Bildung neuer Schläuche
aus Parenchymzellen.
Ich habe bei meinen Untersuchungen das Epithel der Aus-
führungsgänge nie mehrschichtig,werden sehen, auch waren die
Mitosen zu spärlich, um solches auf dem Wege der Zellteilung
möglich zu machen. Sprossungen von seiten der Ausführungs-
gänge traten in meinen Präparaten erst im späteren Verlauf der
Itegeneration auf, wenn bereits neu gebildetes Grewebe vorhanden
war. Ich habe aus gewucherten Ausführungsgängen nie Parenchym-
zellen hervorgehen sehen. Wenn ich die der Arbeit von Kyrle
beigefügte Fig. 4, die ein Regenerat darstellt, mit dem von ihm
in Fig. 2 dargestellten normalen Pankreas vergleiche, so macht
es mir allerdings den Eindruck, als ob diese neugebildeten Zellen
nicht durch Teilung von Parenchymzellen entstanden wären. Ich
komme aber bei Betrachtung dieser beiden Abbildungen auch zu
der Ansicht, dass diese neugebildeten Zellen keine vollwertigen
Parenchymzellen sind und muss infolgedessen die von Kyrle
erzielte Regeneration für unvollkommen halten. Normale Pankreas-
zellen sind das nicht, wie man leicht durch einen Vergleich der
Kvrleschen Figuren 2, 3 und 4 ersehen kann. Sie erreichen
nur eine gewisse Ähnlichkeit mit Pankreaszellen. Eine solche
unvollkommene Regeneration eines parenchymatösen Gewebes von
Ausführungsgängen, also nahe verwandten Zellen, ist aber, wie
wir dies von der Regeneration der Speicheldrüsen wissen, wohl
möglich. Ich halte daher die Ansicht Kyrles, dass das bei
seinen Versuchen erzielte Regenerat ein Produkt der Ausführungs-
gänge sel, für richtig, kann ihm aber nach seinen Abbildungen
nicht darin beipflichten, dass das regenerierte (rewebe echtes
Pankreasgewebe sei.
Dass das bei meinen Versuchen erzielte Regenerat aus
echten Pankreaszellen besteht, daran kann gar kein Zweifel
bestehen. Abgesehen von der direkten Beobachtung der Ent-
stehung der neuen Schläuche machen auch andere Gründe die
Entstehung aus Ausführungsgängen ganz unmöglich. Meine
tegenerate verlaufen so, dass sie sich kontinuierlich aus dem
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 19
alten Gewebe fortsetzen, so dass sie nur durch ihren anfänglichen
‚Charakter, den ich oben geschildert habe, und ihr junges Grund-
‚gewebe von dem alten Gewebe sich abheben. Lücken zwischen
altem und jungem Gewebe sind nicht vorhanden. Die Zahl der
bei meinen Versuchen an der Schnittlinie gelegenen Ausführungs-
gänge grösseren bis kleinsten Kalibers war, wie sich bei den
ersten Stadien zeigte, sehr gering. Wenn sich nun aber wirklich
‚aus diesen Ausführungsgängen das Regenerat entwickelt hätte,
so müssten stellenweise Lücken zwischen den einzelnen Regene-
yationspunkten entstehen; das Regenerat könnte sich nicht gleich-
mässig in der ganzen Breite der Schnittfläche, sondern nur dort,
wo Ausführungseänge vorhanden waren, entwickeln. Es müssten
also auf der Schnittfläche verschiedene, kleine Regenerate ent-
stehen, die unter einander grösseren Abstand besitzen. Es
müssten Lücken zwischen altem und neuem Gewebe entstehen,
weil die gewucherten Ausführungsgänge nicht gleich bei ihrem
Übertreten über das Niveau der Schnittfläche diese in ihrer ganzen
Breite überwuchern können und andererseits die Epithelien der
Ausführungsgänge kaum die Fähigkeit besitzen dürften, sich
gleich beim Übertritt über die Schnittfläche in Pankreaszellen
umzudifferenzieren. Sie könnten dies nur allmählich tun. Man
müsste also nahe dem alten (Gewebe Ausführungsgangsepithelien in
der Neubildung finden, dann Zellen, die ein Mittelding zwischen
Ausführungsgangsepithelien und Parenchymzellen darstellen, und
schliesslich weiter distal echte Pankreaszellen finden. Von alledem
ist aber in meinen Präparaten keine Spur zu sehen. Junge,
echte Pankreaszellen schliessen sich hier direkt an die alten in
der Höhe der Schnittfläche an.
Dass eine Regeneration verloren gegangener Pankreaselemente
aus den Parenchymzellen möglich ist, geht daraus hervor, dass
das Pankreas unter normalen Verhältnissen seine sekretorischen
Elemente aus den Parenchvmzellen ergänzt, nicht aus den Aus-
führungsgängen, wie dies M. Nussbaum nachgewiesen hat.')
Aber nicht nur den unter normalen Verhältnissen nötigen Bedarf
deckt das Pankreas durch Vermehrung der Parenchymzellen; auch
wenn nach Verkleinerung der sekretorischen Oberfläche, wie sie
z.B. nach langem Hungern entsteht, grössere Anforderungen an
1) Arch. f. mikr. Anat., Bd. 21, p. 296, 1882.
20 H. Fischer:
das Pankreas gestellt werden, als der Menge der sezernierenden
Elemente entsprechen, auch dann sucht das Pankreas dieses Minus
durch Teilung der Parenchymzellen auszugleichen. Ja, ich besitze
Präparate vom Pankreas eines Tieres, das vor der Tötung be-
stimmten Bedingungen unterworfen worden war, auf die ich ın
einer weiteren Arbeit eingehen werde, wo in fast jedem Gresichts-
feld mehrere Mitosen in Parenchymzellen zu sehen sind, in den
Ausführungsgängen keine. Diese Fälle zeigen, dass das Pankreas
auch einen aussergewöhnlich grossen Bedarf von sekretorischen
Zellen aus den noch vorhandenen zu decken vermag und auch
wirklich deckt. Eine Bildung von Parenchym von den Aus-
führungsgängen kommt dabei nicht vor.
Cipollina!) sah ebenfalls keine Sprossung von seiten der
Ausführungsgänge; wohl aber in einigen Fällen einen Versuch
zur Sprossung des noch vorhandenen Parenchyms.
Die Arbeit von Martinotti”) war mir leider nicht zugäng-
lich. Ich habe seine Ergebnisse bereits vorhin nach einem Referat
im Centralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische
Anatomie angeführt. Es geht aus dem Referate nicht mit Be-
stimmtheit hervor, ob Martinotti das Regenerat aus den
Parenchymzellen oder den Ausführungsgängen entstehen lässt.
Auch er erzielte ein grosses Regenerat.
Kyrle fand, dass sich aus den Ausführungsgängen bei der
Regeneration auch neue Langerhanssche Inseln entwickeln.
Er schildert den Vorgang folgendermassen: „Ist ein solches (von
einem Ausführungsgang gesprosstes) Kanälchen zu einer gewissen
Entwicklungshöhe gelangt, so kommt es in demselben nicht zur
Ausbildung eines Endstückes und die Zellen wandeln sich nicht
in zymogenhaltige um; vielmehr beginnt der Ausführungsgang
eine Schleife zu bilden, von welcher wieder neue Knospen aus-
sprossen; letztere bleiben solid, lumenlos und liegen anscheinend
regellos zwischen den Schenkeln der Grangschleife: das Form-
sebende für diese (Gebilde scheint das Gefäßsystem zu sein. Es
dringen nämlich kleinste Gefässchen von durchweg kapillarem
Charakter in diese Zellkomplexe ein, verzweigen sich zwischen
denselben und bilden so gleichsam ein Netz, in dessen Lücken
die zelligen Elemente in kleinen Gruppen vereint lagern. Das
SEE
I: @:
A are
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 21
ganze Gebilde ist eine junge, frisch gebildete Insel.“ Die ersten
Inselanlagen datiert Kyrle auf den 4.—5. Tag p.o. In S—10 Tagen
sind die Inseln ausgebildet. In Figur 7 hat Kyrle eine solche
junge, frisch gebildete Insel abgebildet und er bemerkt in seiner
Figurenerklärung zu dieser jungen Insel: „Junge Insel, die sich
in nichts von normaler unterscheidet.“ Eine normale Insel hat
er in Fig. 3 abgebildet. Beim Vergleich dieser beiden Figuren
kann ich der der Fig. 7 beigefügten Erklärung absolut nicht
beipflichten. Meiner Meinung nach unterscheidet sich die neu-
gebildete Insel von der normalen in allem, ausser in der äusseren
Form. Ich muss den Leser bitten, selbst einen Vergleich zwischen
diesen beiden Figuren anzustellen. Die von Kyrle abgebildete
normale Insel besteht aus epithelialen, polygonalen, eng aneinander-
gefügten Zellen, die reichlich Protoplasma und einen grossen
runden Kern besitzen. Im Gegensatz hierzu trägt Fig. 7 einen
durchaus bindegewebigen Charakter; es ist ein jugendliches, an
Zwischensubstanz und Zellen reiches Bindegewebe, genau so wie
Kyrle es in Fig. 4 zwischen dem regenerierten Drüsengewebe
gezeichnet hat. Blutgefässe, die nach Kyrle das „Formgebende
für diese Gebilde zu sein scheinen“, sind in der jungen Insel
überhaupt nicht zu sehen. Ich kann nach dem Gesagten die
Deutung solcher Gebilde nicht anerkennen. Bei meinen Ver-
suchen ist etwas derartiges nie aufgetreten.
II. Transplantation.
Das Gelingen einer Transplantation ist von den ver-
schiedensten Momenten abhängig. Zunächst von der Art des zu
verpflanzenden Gewebes; es gibt Gewebe, die sich leicht über-
pflanzen lassen; bei anderen scheint dies nicht möglich zu sein.
Im allgemeinen darf man wohl sagen, dass, je höher ein Gewebe
differenziert ist, es sich um so schwieriger transplantieren lässt.
Ein zweiter wesentlicher Faktor für das Gelingen der Trans-
plantation sind die Ernährungsbedingungen, die das transplantierte
Stück auf der neuen Unterlage findet. Ist es möglich, das Trans-
plantat mit dem Mutterboden noch für einige Zeit durch eine
Brücke in Verbindung zu lassen, so wird der Erfolge der Trans-
plantation sicherer sein, da inzwischen neue Gefässe von dem
neuen Boden aus in das Transplantat eindringen können und
dasselbe auf diese Weise beim Durchschneiden der Brücke in
>23 H. Fischer:
seiner Ernährung nicht beeinträchtigt wird. Ferner ist es nicht
gleichgültig, ob das zu transplantierende Gewebe von demselben
Tier, einem Tier derselben Art oder einem artfremden Tier ge-
nommen wird. Am günstigsten sind die Bedingungen bei Über-
ptlanzung von Gewebe bei ein und demselben Individuum (Auto-
transplantation), am ungünstigsten bei der Heterotransplantation.
der Überpflanzung von Gewebe eines Individuums auf ein art-
fremdes. In der Mitte steht die Homoiotransplantation, die Über-
tragung von Gewebe eines Individuums auf ein anderes derselben
Art. Auch das Alter spielt bei der Transplantation eine grosse
Rolle. Bei Embryonen und jungen Tieren ist der Erfolg ein
besserer als bei alten Tieren. Phylogenetisch tiefer stehende
Tiere eignen sich viel besser als höher stehende, so z. B. schon
tiefer stehende Wirbeltiere besser als höher stehende. Ferner
ist die Grösse des zu verpflanzenden Stückes nicht ohne Be-
deutung, worauf M. Nussbaum aufmerksam gemacht hat.
Kleinere Stücke werden auf dem neuen Boden eher günstigere
Ernährungsbedingungen finden als grössere. Dass schliesslich
auch die Beschaffenheit des Bodens, auf den verpflanzt werden
soll, von grosser Bedeutung für das Gelingen der Transplantation
ist, braucht kaum besonders erwähnt zu werden.
An drüsigen Organen sind Transplantationen teils aus
theoretischem, teils aber auch aus praktischem Interesse öfter
ausgeführt worden; aus letzteren Gründen hauptsächlich mit der
Schilddrüse und der Niere; aus rein theoretischen Gründen bisher
mit Ovarien und Hoden. Doch dürfte letztere wohl mit der Zeit
auch den Praktiker interessieren, seitdem man weiss, dass die
Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale an das Vor-
handensein der Keimdrüsen gebunden ist. Drüsen sind Organe,
die ein Sekret liefern und dieses entweder durch einen Aus-
führungsgang nach aussen entleeren oder bei Drüsen mit innerer
Sekretion dieses ans Blut abgeben. Es liegt nun auf der Hand,
dass ein Organ um so eher an der neuen Stelle wird existieren
können, wenn es unter dieselben äusseren Bedingungen gebracht
wird, die es auf seinem Mutterboden hatte. Auf die Drüsen
angewandt, werden diese besser existieren können, wenn sie das
von ihnen gelieferte Sekret in gewohnter Weise entleeren können,
entweder durch einen Ausführungsgang oder bei Drüsen mit
innerer Sekretion ins Blut. Diese letztere Möglichkeit ist nun
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 23
bei der Transplantation viel leichter zu erreichen als die erstere.
Infolgedessen sind die Verpflanzungen bei Drüsen mit innerer
Sekretion viel erfolgreicher gewesen als die bei den übrigen
Drüsen. Allerdings ist die Frage, ob und inwieweit das Vor-
handensein des Ausführungsganges für die Existenz der Drüse
in Betracht kommt, zurzeit noch unentschieden. Man hat auf
die sogenannten Nebenlebern, das Nebenpankreas hingewiesen,
wo man einen Ausführungsgang nicht nachgewiesen hat. Damit
ist allerdings noch nicht erwiesen, dass kein solcher vorhanden war.
Gerhartz!) beobachtete bei Nebenlebern und akzessorischen
Hoden Ausführungsgänge.
Der Vorgang bei der Transplantation ist im allgemeinen
so, dass nicht das ganze transplantierte Stück anwächst. Ein
Teil geht meist zugrunde; ein anderer, der unter günstigere
Lebensbedingungen gebracht worden ist, bleibt erhalten. Von
diesem geht dann die Neubildung aus.
Für die Transplantation von Schilddrüsengewebe gibt Curt
Sultan?) folgendes an: In den Frühstadien (1.—6. Tage) zeigt
sich zentral Nekrose, peripher sieht man Reihen gut erhaltener
Follikel.e. Die Lumina sind mit homogenen Massen erfüllt. Alle
Frühstadien zeigen Kerne, die sich schlecht färben, was als Zeichen
beginnender Nekrose zu deutetn ist. Die alten Gefässe zeigen
kollabierte Lumina. Nach Injektion mit Berlinerblau traten nach
7 Tagen zentrale Nekrosen auf, die jedoch weniger ausgedehnt
waren wie früher. Die grössten erhaltenen Follikel liegen zu-
nächst der Peripherie; das Epithel zeigt vereinzelte Mitosen.
Nach 14 Tagen ist von der zentralen Nekrose nichts mehr zu
sehen. Bei Transplantaten von 53 Wochen kann man drei kon-
zentrisch angeordnete Gruppen unterscheiden. Die äussere Schicht
enthält Follikel von verschiedener Grösse, wobei die grössten am
meisten exzentrisch liegen. Darauf folgt eine Schicht von Epithel-
massen, die teils ganz ungeordnet daliegen und von Kapillaren
und spärlichem Bindegewebe durchwachsen sind, teils durch gefäss-
führende Septen abgetrennt werden. In dieser Schicht kommen
sehr viel Mitosen vor. Die Mitte des Transplantates wird ge-
Bd. XXVIIL, 1906.
°?, Curt Sultan. Zur Histologie der transplantierten Schilddrüse.
(Referat im Centralblatt für Pathologie, 1898.)
24 H. Fischer:
bildet von Bindegewebe, das an Stelle der nekrotischen Massen
getreten ist und von Gefässen durchzogen wird. Die äussere
Schicht nimmt mit zunehmendem Alter an Mächtigkeit zu, und
zwar auf Kosten des undifferenzierten Epithels. Die Regeneration
scheint parallel der Versorgung mit (Gefässen fortzuschreiten.
Wir sehen also, dass diejenigen Elemente zunächst erhalten
bleiben, die solange mit Lymphe umspült werden, bis neue Gefässe
in das Transplantat eingedrungen sind. Mit zunehmendem Vor-
dringen neuer Gefässe wird der Nekrose Einhalt getan: das noch
überlebende Gewebe erholt sich und liefert das Regenerat.
Transplantationen mit Pankreasgewebe sind unter anderem
gemacht worden von Gley, Thiroloix und Hedon. Gley')
stellte in der Sitzung der Societe de Biologie in Paris vom
13. Juli 1392 einen Hund vor, bei dem er Pankreas durch eine
Brücke mit dem Hauptpankreas verbunden unter die Haut trans-
plantiert hatte. Das betreffende Stück sezernierte nach Durch-
trennung der Brücke weiter. Nach seinen Angaben gelingt die
Transplantation stets, wenn nur ein Gefäßstiel lange genug erhalten
bleibt. In derselben Weise operierte anfangs auch Thiroloix,
der später?) auch zu Homoiotransplantationen überging. Es
trat bei den transplantierten Stücken stets, nachdem sie noch
eine Zeitlang Sekret entleert hatten, schliesslich Atrophie ein.
Ssobolew°) transplantierte gleichfalls Pankreasgewebe bei
Hunden. Er fand 50 Tage nach der Operation im Transplantat
noch Langerhanssche Inseln. Nach 130 Tagen fand er an Stelle
der transplantierten Drüse sehr kleine graue Knötchen, die aus
Resten von Ausführungsgängen und einer geringen Anzahl von
Inseln bestanden. Genauere Angaben über die Vorgänge bei der
Transplantation macht er nicht.
Der erste, der die Vorgänge bei der Transplantation von
Pankreasgewebe näher verfolgte, ist meines Wissens Kyrle.’)
Er implantierte bei Hunden Pankreasstückchen in die Milz.
Kyrle unterscheidet bei der Transplantation zwei Phasen:
zunächst degenerative Prozesse und daran anschliessend regene-
') Gley. Sitzungsbericht der Societe de Biologie in Paris, 1892.
®, Thiroloix. Sitzungsbericht der anatomischen Gesellschaft, Paris,
Sitzung vom 2. Dez. 1892.
>) Ssobolew. Virchows Archiv, Bd. 168.
2) SRyar lie, Al.0c:
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 215
rative. In den ersten Tagen p. 0. erweitern sich die Ausführungs-
eänge, und zwar ausschliesslich die grossen. Das Epithel bleibt
unverändert. Am 7.—S. Tage beginnen Abbauerscheinungen im
Parenchym. Im Zellprotoplasma zeigen sich kleinste Fettröpfchen :
es beginnt die fettige Degeneration des Parenchyms. Auf diese
Weise wird das ganze Parenchym vernichtet. Am Ende des
ersten Monats nach der Operation ist von dem Parenchym nichts
mehr übrig. Dafür tritt aber eine lebhafte Sprossung von seiten
der Ausführungsgänge auf. Es entstehen Kanäle mit sekretorisch
differenzierten Endstücken. Diese von den Ausführungsgängen
ausgehende Regeneration hält aber dem weiter um sich greifenden
Schwund nicht stand. An Stelle des zugrunde gegangenen Paren-
chyms entwickelt sich Bindegewebe, das immer weiter um sich
greift und das neu entstehende Gewebe überwuchert und ver-
nichtet. Es dürfte schliesslich von dem neu gebildeten Gewebe
wohl nichts mehr übrig bleiben. Die von Kyrle beigefügte
Zeichnung (5), ein Übersichtsbild, lässt leider Einzelheiten im
transplantierten Gewebe nicht erkennen. Der Vorgang bei der
Transplantation ist also nach Kyrle kurz folgender: Untergang
sämtlichen sekretorischen Parenchyms und Sprossung und Neu-
bildung funktionsfähigen Parenchyms ausschliesslich von seiten
der Ausführungsgänge.
Meine Transplantationsversuche mit Pankreasgewebe wurden
an Fröschen, meist Rana fusca, auch einigen Exemplaren von
Rana esculenta und Tritonen (Triton taeniatus und cristatus) aus-
geführt. Ich habe sowohl Auto- wie Homoiotransplantationen
ausgeführt; Heterotransplantationen habe ich nicht gemacht. Von
der Tatsache ausgehend, dass ein transplantiertes Stück auf einer
gleichartigen Grundlage eher anwächst, habe ich anfangs auf die
der Bauchhöhle zugewandte Seite des Peritoneum parietale trans-
plantiert, bei dem ersten Versuch mittels einer Brücke, dann
ohne eine solche. Später führte ich auch Transplantationen in
den Rückenlymphsack der Tiere aus. Bei sämtlichen Arten der
Transplantation war der Erfolg ein günstiger. Die Operationen
wurden in folgender Weise vorgenommen: Sämtliche Tiere
wurden mit vollständig leerem Magen und Darm
operiert: die Frösche ohne Narkose, die Tritonen in Äther-
narkose. Um bei der Operation nicht durch die aufgeblähten
Lungen behindert zu werden, wurde den Fröschen nach Adolf
96 H. Kischer:
Nussbaum ein Pfropf Fliesspapier in den Mund gesteckt, und
so der Mund offen gehalten. Es ist nämlich durch Townson
und A. Nussbaum!) bekannt, dass bei geöffnetem Mund die
Atmung des Frosches sistiert und die Lungen kollabieren. Die
Tiere wurden von einem Assistenten an Beinen und Kopt ge-
halten und dem Öperierenden so in jede gewünschte Lage ge-
bracht. Dann wurde auf der linken Bauchseite ein etwa 1 cm
langer Hautschnitt angelegt. Die unter dem Messer zurück-
weichende Muskulatur wurde mitsamt dem Bauchfell mit der
Schere durchtrennt. Mittels eines Hakens wurden dann Magen
und Duodenalschlinge vor die Bauchwunde gezogen. Dabei wird
das Pankreas innerhalb der Duodenalschlinge bis zur Leber
sichtbar. Der weitere Gang der Operation richtet sich danach,
ob mittels Brücke oder ohne eine solche transplantiert werden
soll. Das Protokoll über den Frosch, bei dem ich mittels Brücke
transplantierte, verzeichnet über die Operation folgendes:
8. Februar 1910. Rana fusca d, gut genährt:; vor der Operation
längere Zeit ohne Futter. Bei der Operation sind der vor die
Bauchwunde gezogene Magen und der Dünndarm leer. Der in
der Duodenalschlinge nach dem Magen zu befindliche Pankreas-
zipfel wird vom Mesenterium und dem Darm losgetrennt, ohne
den Ausführungsgang zu verletzen. Auf der dorsal von der
Bauchwunde gelegenen Bauchwand wird das Peritoneum mit einem
Messerchen angefrischt. Das äusserste Ende des losgelösten
Pankreaszipfels wird mittels eines sehr dünnen Seidenfädchens
und einer sehr dünn geschliffenen Nadel so an die angefrischte
Stelle angenäht, dass die beiden Enden des Fädchens durch das
Peritoneum und die Muskulatur hindurchgeführt und über der-
selben geknüpft wurden. Die angefrischte Stelle des Peritoneums
ist so gewählt, dass das Transplantat möglichst weit von der
bauchwunde zu liegen kommt. Das so festgenähte Pankreasstück
wird mit einer los angelegten Schlinge umschlungeu, die durch
Muskel und Hautwunde nach aussen geführt wird. Mit letzterem
wird bezweckt, das Pankreasstück nach seiner Anheilung an die
Bauchwand leicht wiederfinden zu können, ohne die Wunde in
ihrer ganzen Länge öffnen zu müssen. Die Muskelwunde wird
mit drei Nähten geschlossen, die Hautwunde mit zwei. Der Frosch
wird in ein sterilisiertes Gefäss gesetzt.
h 1) Pflügers Arch., Bd. 126, p. 524, 1909.
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 27T
11. Februar 1910. Der Frosch sieht sehr wohl aus. Haut
und Muskelwunden sind per primam verheilt. Die Hautwunde
wird vollständig aufgetrennt, in der Muskelwunde wird nur eine
Naht gelöst und ein kleines Loch geschnitten, aus dem sich ohne
Schwierigkeiten der Pankreaszipfel mittels des aus der Wunde
herausgeführten Fadens hervorziehen lässt. Das in die Bauch-
wand vernähte Ende ist gut angewachsen. Die Kommunikation
zwischen Transplantat und eigentlichem Pankreas wird durch
Herausschneiden eines beträchtlichen Stückes unterbrochen. Dabei
zeigt sich eine beträchtliche Blutung, ein Zeichen, dass das Trans-
plantat gut ernährt worden ist. Die Muskelwunde wird wieder
mit einer Naht, die Hautwunde mit drei Nähten geschlossen.
Der Frosch wird vom 15. Februar 1910 ab alle zwei Tage mit
Fleisch gefüttert und nach Heilung der Wunden ins Aquarium
zurückgebracht.
Von einem ohne Brücke operierten Frosch lautet das
Protokoll folgendermassen :
8. März 1910. Rana fusca. Aus dem Freien gefangen: in
gutem Ernährungszustand. Vor der Operation längere Zeit ohne
Futter. Nach Vorziehen des Magens und Duodenums wird der
in der Duodenalschlinge nach dem Magen zu gelegene Teil des
Pankreas vom Mesenterium und Darm losgelöst und unter Schonung
des Ausführungsganges mitsamt einem schmalen Streifen vom
Darm zur Leber exzidiert und in einem sterilen. trockenen
Schälchen verschlossen aufgehoben. An der Bauchwand wird
ventral von der Bauchwunde das Peritoneum angefrischt. An
dieser Stelle wird von aussen durch Muskulatur und Peritoneum
eine feine, mit einem sehr dünnen Faden armierte Nadel geführt.
Von dem exzidierten Pankreasstück wird ein kleiner Teil so
abgeschnitten, dass er mit möglichst viel Schnittflächen auf die
Nadel gebracht werden kann. Nachdem das Pankreasstück über
den Faden bis zur Bauchwand gezogen worden ist, wird die Nadel
durch Peritoneum und Muskelschicht wieder nach aussen geführt
und der Faden hier geknüpft. Man sieht nun das Pankreas-
stückchen auf der Innenseite der Bauchwand dem Peritoneum
parietale fest aufsitzen. Muskel und Hautwunde werden geschlossen.
Durch diese Art der Befestigung ist es dem Transplantate
unmöglich gemacht, sich von seiner Unterlage zu verschieben.
Falls an dem zu transplantierenden Stückchen noch eine Fläche
28 H. Fischer:
war, die nicht angefrischt, also mit dem die Pankreasdrüse um-
scheidenden Bindegewebe versehen war, so wurde dafür Sorge
getragen, dass die nicht angefrischte Fläche nach der freien
Bauchhöhle zu liegen kam. Da auf diese Weise Wundfläche auf
Wundfläche aufruhte, so war eine schnellere (refässversorgung
gewährleistet. Alle auf diese Weise ausgeführten Autotransplan-
tationen sind gelungen.
Bei den Homoiotransplantationen verfuhr ich so, dass ich
ein Tier tötete und von dem lebenden Pankreas kleine Stückchen
auf Tiere derselben Art transplantierte. Das Tier, von dem
transplantiert wurde, hatte ebenso wie die Tiere, auf welche
das Pankreasgewebe überpflanzt wurde, längere Zeit vor der
Operation kein Futter bekommen. Magen und Dünndarm des
Tieres, das zur Transplantation getötet wurde, waren leer. Ich
habe bei diesen Versuchen nicht auf das Peritoneum, sondern
in den Rückenlymphsack, dicht vor dem Becken verpflanzt. Es
wurde ein Hautschnitt angelegt, die Muskelfaszie ventral von
dem Hautschnitt angefrischt und das zu transplantierende Stück
an dieser Stelle mit einem dünnen Seidenfädchen angenäht. In
der ersten Zeit war zu sehen, dass die Haut über dem Trans-
plantate sich stärker vorwölbte, später aber wieder in das Niveau,
das sie gleich nach der Transplantation zeigte, zurückkehrte.
Gehen wir nun zu dem Verlauf der Transplantation, zunächst
bei Autotransplantation auf das Peritoneum parietale selbst über.
1. Rana fusca d.. Einige Tage vor der Operation im
Freien gefangen. Am 8. März 1910 wurde das Tier operiert.
Der Magen und Darm waren bei der Operation leer; das Tier
hatte vor der Operation kein Futter bekommen. Es wurde ein
beträchtliches Stück des Pankreas abgeschnitten und hiervon ein
Teil auf das Peritoneum parietale transplantiertt. Am 15. März
wurde das Tier getötet. Das Tier ist bis zur Tötung nicht
gefüttert worden.
Bei Eröffnung der Bauchhöhle fanden sich in derselben
einige Blutkoagula. Das Transplantat zeigte sich als ein kleines,
von Blutgerinnseln leicht bedecktes Knötchen. Es ist mit der
Unterlage fest verklebt. Verwachsungen der Bauchorgane unter-
einander oder mit dem Transplantat sind nicht vorhanden; das
Transplantat sieht also mit seiner Oberfläche frei in die Bauch-
höhle hinein. Es wird mitsamt dem Peritoneum und der unter
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 29
ihm befindlichen Muskelschicht exeidiert und in Flemmingscher
Flüssigkeit fixiert.
Die mikroskopische Untersuchung der Serienschnitte ergab
folgendes: Die bei der Tötung des Tieres auf dem Transplantat
vorhandenen Blutgerinnsel haben sich zum grössten Teil bei der
Fixation oder der Auswaschung des Präparates abgelöst, ein Zeichen,
dass sie nur lose aufsassen. Nur ein schmaler Überzug von roten
Blutkörperchen ist noch zu sehen. Das Peritoneal- und Muskel-
gewebe erscheint an der Anfrischungsstelle stark infiltriert; die
roten Blutkörperchen sind aus den an der Anfrischungsstelle ange-
rissenen Kapillaren ausgetreten und haben sich in dünner Schicht
zwischen Transplantat und Unterlage ausgebreitet. Einzelne Muskel-
„ua
2
Fig. 2.
Transplantat von 7 Tagen. Das links oben gelegene Transplantat ist
durch eine Schicht geronnenen Blutes mit dem angefrischten Peritoneum (P),
das gleichfalls von Blutkörperchen durchsetzt ist, verbunden. Im Zentrum
des Transplantates sieht man Nekrose, in der Peripherie sind die Alveolen
gut erhalten. Von der Oberfläche dringen bereits Kapillaren (K) nach dem
Zentrum zu in die Tiefe. In der geronnenen Blutschicht unter dem
Transplantat sind grössere Gefässe (G) mit dünner Wandung sichtbar.
M = Muskulatur der Bauchwand.
stückchen, die bei der Anfrischung allzuviel gelitten zu haben
scheinen, sind in Degeneration begriffen; man findet zahlreiche
Fettröpfehen in ihnen. In der zwischen Transplantat und Bauch-
30 H. Rischer:
wand ausgebreiteten Blutschicht liegen die roten Blutkörperchen
besonders dicht nebeneinander. Durchzogen ist diese Schicht von
feinen Bindegewebsstreifen, die zum grössten Teil aus der Bauch-
wand, zum Teil auch von dem Transplantat herkommen. Etwas
von der Oberfläche des Transplantates entfernt sieht man noch
versprengte Stückchen von zugrunde gehendem Pankreasgewebe.
Diese stammen wohl von solchen Pankreasschläuchen der Ober-
tläche des Transplantates, die bei der Verpflanzung aus dem Zu-
sammenhang gelöst und nicht mehr lebensfähig waren. An der
Oberfläche des Transplantates sieht man kleine, rundliche Vor-
buchtungen, die Endstücke der Drüsenschläuche. Zwischen den
einzelnen Drüsenschläuchen senken sich von der Oberfläche her
nach dem Zentrum des Transplantates zu zahlreiche Kapillaren,
die noch nicht bis zum Zentrum hinreichen. Diese an der Ober-
tläche des Transplantates gelegenen Drüsenschläuche sind alle
wohl erhalten, wohingegen die im Zentrum befindlichen mehr
oder weniger zerfallen sind. Man findet hier einfache Atrophie
und fettige Degeneration der Zellen nebeneinander. Es gehen
im Zentrum sowohl Parenchym wie Ausführungsgänge zugrunde;
in letzteren war besonders die fettige Degeneration sehr ausge-
sprochen. Zellteilungen habe ich in diesem Transplantate nicht
gesehen.
Was wir aus diesem Stadium ersehen, ist also kurz folgendes:
Das Transplantat ist durch eine Schicht geronnenen Blutes, in
die bereits gebildete Bindegewebsfasern hineinwuchern, an der
bauchwand fixiert. Der zentrale Teil des Transplantates zeigt
Degenerationserscheinungen, die ganze Peripherie ist wohlerhalten.
Betrachten wir nun ein weiteres Stadium der Transplantation.
2. Rana fusca Z. Mit dem vorigen Tier in dem Freien
gefangen; vor der Operation längere Zeit ohne Futter. Am
Ss. März 1910 wurde in gewohnter Weise ein Stück Pankreas
autoplastisch auf das Peritoneum parietale transplantiert. Das
Tier bekam bis zur Tötung kein Futter. Am 17. März wurde
der Frosch getötet. Das Transplantat war mit der Unterfläche
fest verwachsen und auf seiner Oberfläche mit Blutgerinnsel
bedeckt. Verwachsungen der Eingeweide mit dem Transplantat
waren nicht vorhanden. Der Magen und Darm waren leer.
Das Transplantat wurde mit der Muskelschicht exeidiert und in
Flemmingscher Flüssigkeit konserviert.
Regeneration und Transplantation des Pankreas. al
Die mikroskopische Untersuchung der Serienschnitte ergibt,
dass das Transplantat wie im vorigen Falle durch eine Schicht
geronnenen Blutes auf der Unterlage fixiert ist. In dieser Schicht
zeigen sich jetzt schon scharf begrenzte grosse Blutgefässe mit
sehr dünner Wandung, die kleinere Gefässe in das Transplantat
hineinsenden. Diese umspinnen das ganze Transplantat und gehen
zwischen den einzelnen Alveolen in die Tiefe des Transplantates
hinein. Die peripheren Teile des verpflanzten Stückes sind auch
hier wohlerhalten, die zentralen der Nekrose anheimgefallen.
Diese nekrotischen Massen sind durchsetzt mit zahlreichen roten
Blutkörperchen, die aus den in das Transplantat hineingewucherten
jungen Blutgefässen stammen müssen. Hier und dort treten in
diesen nekrotischen, mit Blut durchsetzten Massen grosse dünn-
wandige Gefässe auf. Die nekrotischen Partikel sind hier weniger
dicht; es scheint ein Teil weggeschafft zu sein. Die erhaltene
vandzone des Transplantates ist relativ nicht mehr so breit wie
in dem vorigen Präparate. Die Schläuche sind an ihrem blinden
Ende, das stets peripher gelegen ist, erweitert. In den Parenchym-
zellen der erweiterten Endstücke finden sich zahlreiche Mitosen,
besonders dort, wo reichlich neue Kapillaren vorhanden sind.
Letzteres ist leicht erklärlich, weil dort die Ernährungsverhältnisse
der Zellen am besten geregelt sind. Auch fand ich in einem
Ausführungsgang, der in dem peripheren Teile erhalten geblieben
war, eine Mitose. Im Zentrum dagegen sind auch hier sowohl
Parenchym wie Ausführungsgänge zugrunde gegangen. In der
erhaltenen Randzone sind die Mitosen zahlreich im peripheren
Teil der Schläuche zu sehen, sehr selten im zentralen. An den
blinden Enden der Tubuli sieht man oft Knospen und kolben-
artige Auftreibungen, die herbeigeführt sind durch Vermehrung
der Parenchymzelien in den Schläuchen. Die Kerne in den
Parenchymzellen sind vielfach vergrössert und sehr chromatin-
reich. ein Zeichen der bevorstehenden Teilung. Langerhanssche
Inseln habe ich in der erhaltenen Randzone nicht nachweisen
können.
Also sehen wir auch in dieser Phase der Transplantation
zentrale Nekrose und Erhaltenbleiben der peripheren Teile. Ferner
Wachstumserscheinungen, und zwar in den peripheren Teilen des
erhaltenen Gewebes weit lebhafter als in den zentral gelegenen.
Dieses Wachstum geht aus von den Parenchymzellen; nur einmal
32 H. Rischer:
war eine Mitose in einem der in der erhaltenen Zone sehr spärlich
vorhandenen Ausführungseänge zu beobachten.
Ein weiteres Präparat zeigt den Stand der Transplantation
nach 11 Tagen.
3. Rana fusca d. Von demselben Fang wie 1 und 2. Vor
der Operation ohne Futter. Am 8. März 1910 wurde in gewohnter
Weise autoplastisch ein Stück Pankreas auf das Peritoneum parietale
transplantiert. Am 19. März 1910 wurde das Tier getötet. Das
Transplantat auf der Bauchwand sitzt fest auf. Es wird exeidiert
und in Flemmingscher Flüssigkeit konserviert.
Bei der mikroskopischen Untersuchung ergibt sich, dass
peripher Pankreasgewebe reichlich vorhanden ist: die zentrale
Nekrose ist aber zum allergrössten Teil verschwunden. An ihre
Stelle ist ein lockeres, zellreiches Bindegewebe getreten, in welches
hinein von der Peripherie nach dem Zentrum zu einzelne Pankreas-
schläuche gewuchert sind. Die Randzone ist im Vergleich mit den
vorigen Präparaten bedeutend breiter geworden und es zeigt sich,
dass dies auf eine Neubildung von Pankreasgewebe zurückzuführen
ist. Die bereits im vorigen Präparat sichtbaren Wachstums-
erscheinungen im peripher gelegenen Parenchym sind lebhafter
geworden: sie haben neue Alveolen, die sich seitlich von den
alten abzweigen, entstehen lassen und die alten selbst erweitert
und verlängert. Die Proliferation ist im Momente der Tötung des
Tieres besonders lebhaft gewesen. In den peripheren Parenchym-
zellen sieht man sehr viele Mitosen: die wenigen Ausführungs-
gänge, die erhalten sind, zeigen ebenfalls Proliferation ihres
Epithels, aber bei weitem nicht so lebhaft wie das Parenchym.
Die Epithelsprossung von seiten der Ausführungsgänge beobachtete
ich hauptsächlich nach dem jungen Bindegewebe zu, das an Stelle
der Detritusmassen im Zentrum des Transplantates getreten ist.
Ich habe nie beobachten können, dass sich ihr Epithel in Paren-
chym umwandelte. Noch eine andere Eigentümlichkeit habe ich
an diesem Präparate wahrgenommen. Die Zellen, alte sowohl
wie neue, waren zum Teil mit Sekretkörnchen gefüllt. Diese
Beobachtungen habe ich an den beiden vorher besprochenen
Versuchstieren nicht machen können. Das Protokoll verzeichnet,
dass das Tier nach Heilung der Wunden gefüttert wurde. Den
Verdauungszustand des Tieres bei der Tötung habe ich leider
nicht verzeichnet. Eine andere Eigentümlichkeit ist die, dass die
Regeneration und Transplantation des Pankreas 333%
Lumina einiger Randalveolen sich bereits mächtig erweitert haben,
sie sind wohl doppelt so breit als die gewöhnlichen Parenchym-
zellen. Die diese Lumina begrenzenden Parenchymzellen sind
stark abgeplattet. Es ist dies in den Präparaten nur noch selten
zu sehen; doch möchte ich mit Rücksicht auf das Folgende bereits
hier darauf hinweisen. Von dem Detritus ist, wie oben schon
bemerkt, nicht viel mehr übrig. Man sieht in dem an seine Stelle
getretenen lockeren Bindegewebe noch vereinzelt mit Safranin
intensiv gefärbte Brocken. In dem Bindegewebe sieht man be-
sonders nahe dem erhaltenen Gewebe vereinzelt erhaltene, normal
aussehende Parenchymzellenkerne. Einmal sah ich darin eine
mangelhaft ausgebildete Mitose. Langerhanssche Inseln waren
auch in diesem Präparate nicht zu sehen.
Die in den Parenchymzellen, den alten sowohl wie den neu-
gebildeten, vorhandenen Sekretkörnchen kann man auf zweifache
Weise erklären. Einmal können zur Zeit der Transplantation die
Zellen mit diesen Granula gefüllt gewesen sein. In diesem Falle
verteilt sich das im Protoplasma vorhandene Sekret bei der Mitose
auf die beiden neuentstehenden Zellen, wie ich das bei normalem
Pankreas sehr oft beobachten konnte. Dann ist es auch möglich,
dass die Sekrettröpfehen erst nachträglich in den alten wie den
neuen Zellen des Transplantates entstanden sind. Wie oben er-
wähnt, fiel bei Herausnahme des Transplantates auf, dass dasselbe
kleiner geworden war. Ich glaube dies darauf zurückführen zu
müssen, dass nach Wegschaffung der Detritusmassen das Trans-
plantat in toto sich um das junge, die im Zentrum befindliche
Höhle ausfüllende Bindegewebe zusammenzog oder bei dessen
Schrumpfung nach der Mitte hin gezogen wurde.
In dem beschriebenen Stadium sind die Verhältnisse also
kurz folgende: lebhafte Neubildung von seiten des peripher
erhaltenen Parenchyms, peripher lebhafter als zentralwärts.
Ersatz des Detritus im Zentrum des Transplantates durch Binde-
gewebe; spärliche Proliferation von seiten der wenigen, erhaltenen
Ausführungsgänge; Vorhandensein von Sekretkörnchen in den
Parenchymzellen; Fehlen der Langerhansschen Inseln.
Ein weiteres Stadium der Transplantation zeigt folgendes
Präparat:
4. Rana fusca 2. Vor der Operation ohne Futter; operiert
am 8. Februar 1910. aA wurde eine autoplastische Transplantation
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 3
34 H. Fischer:
auf das Peritoneum parietale mittels einer Brücke ausgeführt.
Am 7. März 1910 wurde das Tier getötet. Es hatte reichlich
Nahrung bekommen und auch gut verdaut. Der Magen ist bei
der Tötung prall gefüllt. An der linken Bauchwand findet sich
eine etwa linsengrosse Wucherung, die in Flemmingscher
Flüssigkeit konserviert wird. Verwachsungen waren hier nicht
vorhanden.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt peripher Parenchym,
doch ist dies im Vergleich mit dem vorigen Präparate sehr ver-
ändert. Die schon bei diesem erwähnte Erweiterung der Lumina
der peripherwärts gelegenen Alveolen hat hier sowohl an Zahl
als auch an Grösse zugenommen. Sehr viele Alveolen am Rande
des Transplantates haben die Form von Kugeln angenommen.
Das Lumen ist maximal erweitert und bildet den Hauptteil dieser
Kugeln. Die Wand derselben wird von stark abgeplatteten Zellen
gebildet. Die Abplattung ist oft so stark, dass der Protoplasma-
leib der Zelle zu einem sehr schmalen Streifen ausgezogen ist,
in dessen Mitte der ebenfalls stark abgeplattete Kern liegt. Die
eigentümlich erweiterten Alveolen finden sich vorzugsweise im
peripheren Teil der Neubildung, weniger in dem zentral gelegenen
Teil. Mitosen sind nicht so zahlreich im Parenchym vorhanden
wie im vorigen Präparate, aber immer noch reichlich. In den
spärlich vorhandenen Ausführungsgängen fand ich hier keine
Wachstumserscheinungen. Auch der zentrale Teil des Trans-
plantates hat Veränderungen erfahren. Das Bindegewebe ist zum
srössten Teil von Blutmassen durchsetzt. Es verschwindet stellen-
weise unter der Menge der roten Blutkörperchen vollständig.
Ungefähr in der Mitte des Transplantates befindet sich eine grosse
Uyste. Nach dem Epithel zu urteilen, ist sie von einem Aus-
führungsgang entstanden. In dieselbe hinein haben sich grosse
Blutmassen ergossen, so dass die Cyste von Blut fast vollständig
gefüllt ist. In der Uystenwand sind lebhaft Mitosen, ein Zeichen
der Vergrösserung der Üyste. Unter dem Druck ihrer Wand
beim Wachstum scheint das umgebende Gewebe grösstenteils
zur Atrophie gebracht worden zu sein. Was das Verhältnis der
Grösse des erhaltenen Parenchyms zu der des Transplantates
angeht, so ist die Menge desselben im Vergleich mit den vorigen
Präparaten sehr gering. Dabei geht, wie sich aus diesem Präparat
ergibt, vom Zentrum nach der Peripherie eine fortschreitende
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 35
Atrophie des neugebildeten Parenchyms vor sich. Dieser scheint
die Neubildung auf die Dauer nicht standhalten zu können.
Langerhanssche Inseln sind auch hier nicht zu sehen.
Es zeigt sich also auch hier wieder zentral Nekrose, peripher
Erhaltenbleiben der Alveolen und Wachstum, ausgehend von den
Parenchymzellen. Ferner starke Erweiterung der peripheren
Alveolen. Vom Zentrum zur Peripherie hin macht sich eine
Atrophie des Parenchyms bemerkbar; diese schreitet anscheinend
schneller fort, als das periphere Parenchym zu wachsen vermag.
Ausserdem ist eine Uystenbildung im Zentrum des Transplantates
aufgetreten.
In ähnlicher Weise verliefen die Autotransplantate in den
Rückenlymphsack, sowie die Homoiotransplantationen.
Um über das endgültige Schicksal der Transplantate Auf-
schluss zu erhalten, habe ich Versuche von längerer Dauer ange-
stellt, die zurzeit noch nicht abgeschlossen sind. Bei einem Triton
fand ich 49 Tage nach der Transplantation eines Pankreas-
stückchens auf das Peritoneum parietale das Transplantat in seiner
ursprünglichen Grösse vor. Der grösste Teil des Transplantates
bestand aus wohlausgebildeten grossen Parenchymzellen, in denen
vielfach noch Mitosen vorhanden waren, ein kleinerer Teil aus
Bindegewebe, in das Epithelzellen von unbestimmtem Charakter
eingelagert waren. Irgendwelche Degenerationserscheinungen
waren nicht zu sehen, auch keine Erweiterung der Alveolen wie
im vorigen Präparat.
Im vorigen sind die zum Verständnis des Verlaufs der Trans-
plantation nötigen wichtigsten Phasen geschildert worden. Das
Alter der einzelnen Stadien kann natürlich nur einen annähernden
Maßstab abgeben. Es ist selbstverständlich, dass die Wachstums-
erscheinungen in einem Transplantat in erster Linie abhängig
sind von der Gunst oder Ungunst der Bedingungen, die das Trans-
plantat auf seiner neuen Unterlage findet. Sind diese für eine
rasche Gefässversorgung des Transplantates von der Unterlage her
günstig, so werden Wachstumserscheinungen in demselben eher
auftreten, als wenn diese Versorgung längere Zeit ausbleibt. Einen
(radmesser für die mehr oder weniger günstigen Verhältnisse, die
das Transplantat auf dem neuen Boden findet, scheint mir die
relative Grösse der Nekrose im Transplantat zu sein. Diese ist
von der Ernährung abhängig; die Ernährung aber hängt ab von
3+
36 H. Fischer:
der Zeit, in welcher nach der Überpflanzung das Transplantat mit
(sefässen versorgt wird. Tritt die Verbindung des Transplantates
mit der Untertläche schnell ein, so wird das Transplantat früh
mit Gefässen versorgt; es verfällt weniger Gewebe der Nekrose:;
lässt sie länger auf sich warten, so bleibt die Gefässversorgung
länger aus; die Nekrose wird grösser. Es ist daher klar, dass
ein frühzeitig gut ernährtes Transplantat von 5 Tagen bereits
mehr Wachstumserscheinungen zeigen kann, als ein schlecht
ernährtes mit etwa 7 Tagen. Insofern kann also die Zeit des
Bestehens des Transplantates kein unbedingter Maßstab für die
Proliferationserscheinungen sein und umgekehrt.
Nach den vorhin geschilderten Versuchen ist der Verlauf der
Vorgänge bei der Transplantation folgender: Nach Anheftung des
Transplantates auf die angefrischte Unterlage wird das überpflanzte
Stück durch eine Schicht geronnenen Blutes auf der Unterlage
fixiert. Diese Blutschicht breitet sich in geringerem Maße über
das ganze Transplantat aus. In die das Transplantat mit der
Unterlage verbindende Blutschicht wuchert schon früh zartes,
junges Bindegewebe, das seinen Ursprung von der angefrischten
Bauchwand nimmt. Zur selben Zeit sprossen von der Unterlage
her Kapillaren in die Blutschicht und überziehen die Oberfläche
des Transplantates mit einem Gefässnetz. Von diesen netzförmigen
Kapillaren ziehen Äste von der Peripherie des Transplantates nach
dem Zentrum zu, und zwar benutzen sie als Weg die Lücken
zwischen den Alveolen, also denselben Weg, den die Blutkapillaren
auch bei der normalen Drüse ziehen. Auf diese Weise bekommen
die peripheren Teile eine neue Blutversorgung. Für das Zentrum
des Transplantates kommt diese jedoch zu spät. Die Zellen sind
zu lange von der Nahrungszufuhr abgeschnitten gewesen; auch
haben sie ihre eigenen Stoffwechselprodukte nicht fortschafien
können; sie sind der Nekrose anheimgefallen. Die Zerfalls-
erscheinungen zeigen sich in verschiedener Form. Man sieht ein-
fache Atrophie der Zellen neben Chromatolyse und fettiger De-
eeneration. Die Zellen werden klein, sie schrumpfen; die Kerne
nehmen die verschiedenartigsten Formen an. Das Chromatın
schwindet. Schliesslich ist von der ganzen Zelle nur noch ein
schwacher Zellkontur zu sehen, der dann auch bald verschwindet.
In anderen Zellen zerfällt das Chromatin, beziehungsweise der
ganze Kern im kleine Kügelchen, die gierig Safranin aufnehmen.
ne
Regeneration und Transplantation des Pankreas.
In wieder anderen zeigen sich im Protoplasma reichlich schwarze
Körnchen, ein Zeichen der fettigen Degeneration. Der grösste
Teil des auf diese Weise zugrunde gegangenen Bezirkes erscheint
schliesslich als eine homogene Masse, die resorbiert wird. Ein
anderer Teil scheint auf dem Wege der resorptiven Verfettung
weggeschafft zu werden. In verschwindender Menge sieht man
auch Leukoeyten und junge Bindegewebszellen sich mit Zerfalls-
produkten beladen. An Stelle des Detritus tritt ein junges, sehr
zellreiches Bindegewebe. Auch grössere Blutgefässe finden sich
ein. An der Peripherie machen sich inzwischen Wachstums-
erscheinungen bemerkbar. Man sieht zahlreiche Mitosen in den
Parenchymzellen, besonders in unmittelbarer Nähe der Kapillaren.
Die Alveolen erweitern sich in ihren peripheren Teilen infolge Ver-
mehrung der die Wand bildenden Elemente und treiben Knospen.
Diese scheinen zunächst solid zu sein; erst sekundär scheint das
Lumen sich auszubilden. Auch in den wenigen Ausführungsgängen
treten Mitosen auf, doch nur in geringer Zahl. Das Wachstum
des Parenchyms schreitet peripherwärts lebhaft fort, nach dem
Zentrum zu in ganz geringem Maße. Dabei erweitern sich die
peripheren Alveolen teilweise ganz gewaltig. Sie gleichen oft
förmlichen Kugeln. Die Wandzellen sind in höchstem Maße abge-
plattet, einschliesslich der Kerne. Diese Erscheinung scheint eine
vorübergehende zu sein, sie betrifft nur immer periphere Alveolen.
Wenn diese erweiterten Schläuche Knospen gebildet haben, geht
die Erweiterung bis zu einem gewissen Grade zurück. Ich glaube
dieselbe auf eine Sekretstauung in den Alveolen zurückführen zu
müssen. Die Bilder entsprechen denen, die bei der Regeneration
als dureh Stauung hervorgerufen beschrieben sind; nur waren sie
dort nicht so hochgradig. Bei Transplantation von Drüsen mit
innerer Sekretion finden sich diese Erweiterungen nach den
Schilderungen der betreffenden Autoren nicht; hier kann das
Sekret ins Blut abgegeben werden. — Mit dem fortschreitenden
Wachstum an der Peripherie ist ein verstärktes Wachstum des
im Zentrum befindlichen Bindegewebes verbunden. Das nach dem
Zentrum zu gelegene Parenchym geht allmählich zugrunde; es
wird von Bindegewebe durchwachsen. Ob nun die Bindegewebs-
wucherung primär ist, ob also durch dieselbe das Pankreasgewebe
zugrunde gerichtet wird, oder ob das Parenchym aus irgend
einem Grunde zuerst zugrunde geht, die Bindegewebswucherung
38 H. Fischer:
also sekundär ist, vermag ich nicht zu sagen. Aus den erhalten
gebliebenen Ausführungsgängen können sich Cysten bilden. In
einer solchen Oyste fand sich eine grosse Blutmasse. Die Wucherung
des zentralen Bindegewebes und das Zugrundegehen der zentralen
Partien des Parenchyms überwiegen auf meinen Präparaten von
38 Tagen die Proliferation an der Peripherie. Die Frage, ob das
transplantierte Stück auf diese Weise schliesslich ganz zugrunde
geht, oder ob es erhalten bleibt und sich eventuell vergrössert,
vermag ich zurzeit noch nicht zu entscheiden. Die sich darauf
beziehenden Versuche sind noch nicht zu Ende geführt. In einem
Stadium von 49 Tagen fand sich, wie vorhin schon erwähnt, das
Pankreasstückchen noch wohlerhalten.
Langerhanssche Inseln habe ich weder im zugrunde
gehenden Gewebe, noch im erhalten gebliebenen und neugebildeten
erkennen können. Ssobolew!') fand bei einem Stadium der
Transplantation, wo alles Parenchymgewebe bereits geschwunden
war, noch eine Anzahl von Inseln vor. Er ist geneigt, dies so
zu erklären, dass die Langerhansschen Inseln Organe mit
innerer Sekretion sind und infolgedessen erhalten bleiben, während
das Parenchym wegen Mangel an abführenden Wegen zugrunde
gehen müsse. Ich will an dieser Stelle nicht näher auf die An-
gaben Ssobolews eingehen und an anderer Stelle darauf
zurückkommen.
Zu den Beobachtungen Kyrles?) stehen meine Beobachtungen
insofern in Widerspruch, als nach Kvrle alles Parenchym zu-
srunde geht und von den erhalten gebliebenen Ausführungsgängen
die Regeneration von Parenchym erfolgt. Das trifitt bei meinen
Präparaten nicht zu. Allerdings liegt auch ein Unterschied
zwischen beiden Versuchsarten. Kyrle transplantierte in die
Milz. Es war also das transplantierte Stück von allen Seiten
dem Druck des umgebenden Milzgewebes ausgesetzt. Es wäre
denkbar, dass unter diesem beständigen Druck das zarte Paren-
chym zugrunde gerichtet worden ist und nur die widerstands-
fähigeren Ausführungsgänge erhalten geblieben sind. Dass sich
aus Ausführungsgängen Parenchym entwickele, wie Kyrle dies
bei seinen Transplantationen beschreibt, habe ich nie beobachten
können. Aus der von Kyrle beigefügten Fig. 5 lässt sich der
NL @
alte.
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 39
Charakter der neugebildeten Zellen nicht erkennen. Das ganze
tegenerat geht schliesslich dadurch zugrunde, dass sich in der
Umgebung Bindegewebe entwickelt und das Parenchym vernichtet.
Nach Kyrle wäre also die Bindegewebswucherung das primäre.
Ich möchte es nicht unterlassen, zu erwähnen, dass jüngst
M. Nussbaum!) entsprechende Vorgänge wie ich bei der Pankreas-
transplantation bei Hodentransplantation gefunden hat. Auch er
berichtet, dass die peripheren Teile erhalten bleiben, die zentralen
der Nekrose verfallen. Auch dort geht das Wachstum aus von
den in der Peripherie erhalten gebliebenen Spermatogonien.
Die Vorgänge, wie ich sie bei Transplantation des Pankreas
beobachtete, stimmen also überein mit den Vorgängen, wie sie
für zwei andere Drüsen, die Thyreoidea und den Hoden, in zwei
anderen Untersuchungen festgestellt worden sind.
Wenn ich nochmals meine Beobachtungen über die Trans-
plantation kurz zusammenfasse, so ergibt sich folgendes: Bei
der Transplantation kleiner Pankreasstückchen tritt zentral Nekrose
auf; peripher bleiben die Schläuche erhalten. Es ist eine Neu-
bildung von Parenchym im Transplantat möglich, und zwar geht
sie aus von den in der Peripherie erhalten gebliebenen Parenchym-
zellen, nicht von den Ausführungsgängen.
Die vorhin besprochenen Transplantationen wurden sämtlich
an Tieren ausgeführt, die vorher einige Zeit gehungert hatten,
so dass Magen und Darmtraktus leer waren. Das Pankreas befand
sich also bei diesen Tieren im Zustand der Ruhe, es war bei der
Transplantation kein aktivierter Pankreassaft in der Drüse vor-
handen. Es blieb zu untersuchen, ob bei einem Organ, das in
seinem physiologischen Verhalten so eng mit dem Verdauungs-
zustand verknüpft ist, der durch die Verdauung geschaffene ver-
änderte physiologische Zustand der Drüse von Einfluss auf die
Transplantation sei oder nicht. Besonders geeignet erscheinen
für derartige Versuche Tiere, die eine sich lang hinziehende Ver-
dauung haben; dies ist beim Frosch und beim Triton der Fall.
Die Versuche wurden so angestellt, dass Frösche und Tritonen
abends mit einem mässig grossen Stück Fleisch gefüttert wurden.
») Pflügers Archiv, Bd. 126, p. 519, 1909.
40 H. Fischer:
Am nächsten Morgen wurde die Operation in gewohnter Weise
vorgenommen, die sich hier wegen des stark gefüllten Magens
allerdings bedeutend schwieriger gestaltete. Es wurde auch hier
auf das Peritoneum parietale transplantiert. Fünf Tage p. o.
wurde das erste Tier getötet. Die Wunde war gut verheilt, das
Transplantat sass auf der Unterlage fest auf und war mit ge-
ringen Blutgerinnseln bedeckt. Es wurde mit der darunter be-
findlichen Muskulatur entfernt und in Flemmingscher Flüssigkeit
fixiert. Der mikroskopische Befund war folgender: Das Trans-
plantat ist bereits durch Blutgefässe mit der Unterlage in Ver-
bindung gesetzt. In seinem Aussehen aber weicht es sehr von
einem gleichaltrigen Transplantat bei einem Hungertier ab. Die
Zellen haben zum Teil ihre voluminöse Form verloren: im Proto-
plasma sieht man allenthalben homogene, rundliche oder ovale,
mit Flemmingscher Flüssigkeit sich schwarzgrau färbende
Schollen, die grösser sind als die sonst in den Zellen vorkommenden
Fettröpfchen, auch eine unregelmässigere Gestalt besitzen. Die
Struktur des Protoplasma ist dabei in den meisten Zellen schon
vollständig verloren gegangen; diese Erscheinungen treten ziem-
lich gleichmässig im ganzen Transplantat auf, besonders auch an
der Unterfläche, dort, wo das Transplantat aufsitzt und wo die
(refässe hineinsprossen. Das Bindegewebe der Alveolen tritt sehr
deutlich hervor. Hier und da sieht man bereits Alveolarkörbe,
in denen von Zellen nichts: mehr übrig ist als einige Kernbrocken.
In anderen Zellen ist vom Protoplasma nichts mehr zu sehen,
auch die in ihm anderweitig vorhandenen schwärzlichen Schollen
smd verschwunden, während nun im Kern derartige Schollen
sichtbar werden. Das Chromatin des Kerns schwindet dabei all-
mählich vollkommen; die Zelle färbt sich schlecht. Schliesslich
finden sich in diesem Präparat auch Alveolarkörbe, in denen von
der früher darin gelegenen Zelle nichts mehr vorhanden ist, auch
nicht die scholligen Massen. Diese leeren Stellen werden vielfach
später durch Blut ausgefüllt. In den in dem Transplantat vor-
handenen Ausführungsgängen finden sich die vorhin geschilderten
Veränderungen nicht: nur hier und da sieht man einige Fett-
tröpfehen.
Dieselben Erscheinungen finden sich, aber in noch erhöhterem
Maße, bei einem Transplantat von 11 Tagen. Hier tritt besonders
die Intaktheit der Ausführungsgänge gegenüber dem Parenchym
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 41
sehr deutlich hervor. Die Degenerationsprozesse schreiten weiter
fort. An den erhaltenen Ausführungsgängen zeigen sich bereits
Ausbuchtungen.
In einem Transplantat von 9 Tagen sah ich die Degene-
rationserscheinungen bereits weiter fortgeschritten als in einem
Stadium von 11 Tagen. Fast das ganze Parenchym war ver-
schwunden; an einzelnen Stellen fand ich einige wenige Paren-
chymzellen zu kleinen Häuflein angeordnet, anscheinend ohne
Veränderungen. Die Ausführungsgänge waren gut erhalten und
zeigten einige Mitosen.
In einem Transplantat von 21 Tagen besteht fast das ganze
überpflanzte Stück aus jungem Granulationsgewebe; nur an einer
Ecke findet sich, durch Bindegewebe abgekapselt, ein Rest von
erhaltenem Pankreasgewebe. Die Alveolen zeigen starke Stauungs-
erscheinungen; die einzelnen Zellen enthalten noch Zymogen-
körnchen. In anderen gleichalten Transplantaten findet sich von
dem Parenchym keine Spur mehr, das ganze Transplantat besteht
aus Granulationsgewebe. Die Ausführungsgänge sind intakt.
Bei Transplantation auf der Höhe der Verdauung findet sich
also im Vergleich mit den Transplantationen beim Hungertier ein
gewaltiger Unterschied hinsichtlich des Erfolges der Transplantation.
Bei Transplantation auf der Höhe der Verdauung geht das über-
pflanzte Pankreasparenchym entweder ganz oder zum allergrössten
Teil zugrunde, und nur die Ausführungsgänge bleiben erhalten.
Da in ganz genau derselben Weise operiert wurde wie beim Hunger-
tier, wo Parenchym und Ausführungsgänge erhalten bleiben. so
legt gerade der Umstand, dass bei Transplantation während der
Verdauung die Ausführungsgänge intakt bleiben, das Parenchym
aber zugrunde geht, den Gedanken nahe, dass die Ursache zu
diesem Untergang der sekretorischen Elemente in dem durch die
Verdauung veränderten physiologischen Zustand der Pankreaszellen
selbst zu suchen ist. Bei der Verdauung wird bekanntlich der
Pankreassaft aktiviert und ihm dadurch eine verdauende Wirkung
zutel. Nun wissen wir, dass im Pankreas selbst in situ beim
lebenden Individuum Nekrose auftreten kann, und zwar kommt
diese nach Brugnatelli!) dadurch zustande, dass die Fermente
des Pankreas auf die Pankreaszellen eine verdauende Wirkung
!) Brugnatelli, E. Boll. Soc. med. -chir. Pavia 1909. (Referat im
Centralblatt für Pathologie, 1910, Nr. 21.)
42 H. Fischer:
ausüben, wenn durch gewisse Einflüsse die Widerstandsfähigkeit
dieses Organes gegen die Fermente beeinträchtigt wird. Ich
glaube nun die oben beschriebenen Degenerationserscheinungen,
die eine gewisse Ähnlichkeit mit der fettigen Degeneration haben,
als Verdauungsprozesse ansprechen zu müssen. Derartige Er-
scheinungen habe ich bei der Degeneration in Regenerations-,
Transplantations- und Unterbindungsversuchen nie gefunden. Dass
bei diesem Transplantationsverfahren Selbstverdauungsprozesse
leicht auftreten können, ist nach dem vorhin (resagten leicht
ersichtlich. Es ist klar, dass in dem Momente der Transplantation
der Pankreassaft aktiviert war: andererseits ist es sicher, dass
das von dem Pankreas zum Zwecke der Transplantation entfernte
und auf eine neue Grundlage gebrachte Transplantat in seiner
Widerstandskraft geschwächt ist, zumal die Versorgung mit neuen
Gefässen erst in gewisser Zeit vor sich geht. Der aktivierte
Pankreassaft kann also auf das transplantierte Gewebe gewisser-
maßen wie auf ein totes (Gewebe einwirken. Dieser verdauenden
Wirkung erliegt das Transplantat: die Parenchymzellen verfallen
der Selbstverdauung. Anders ist es mit den Ausführungsgängen.
Ihre Epithelien besitzen keine verdauenden Fermente, und die-
jenigen der Drüsen kommen nicht an sie heran: sie bleiben infolge-
dessen erhalten.
Die Aktivierung des Pankreassaftes kann man auf zweifache
Weise erklären; beide Erklärungsarten sind nicht von gleicher
bedeutung für das Transplantat. Die eine ist die, dass die
'ankreassekretion auf dem Nervenwege zustande kommt und
reflektorisch vom gefüllten Magen aus angeregt wird. Trenne ich
also in einem bestimmten Stadium der Verdauung ein Stückchen
von der Pankreasdrüse und bringe es durch Transplantation auf
eine neue Unterlage, so entziehe ich dieses Stück dem weiteren
Einfluss der „Sekretionsnerven“, es bleibt mithin das nicht akti-
vierte Zymogen inaktiv, und es kann an der Selbstverdauung des
Drüsenstückes nicht teilnehmen. Die zweite Theorie des Zustande-
kommens der Pankreassekretion ist die von Ba yliss und Star-
ling.!) Diese Forscher sind auf Grund ihrer Versuche zu folgender
Anschauung gelangt. Beim Eintritt der angedauten Speisen aus
dem Magen ins Duodenum bildet sich durch Einwirkung der
!) Journal of Physiology, Bd. 28, p. 325.
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 45
Speisen auf die Duodenalschleimhaut ein „Hormon“, das Sekretin.
Dieses Sekretin wird resorbiert, gelangt in die Blutbahn und wird
vom Herzen aus mit dem Blute durch den ganzen Körper ver-
teilt. Auf diese Weise gelangt das Sekretin auch zum Pankreas,
und es soll so die Aktivierung der Fermente und die Sekretion
auslösen. Falls diese Theorie zu Recht besteht, ist sie nicht ohne
Einfluss auf das Transplantat. In vorliegendem Falle ist im Moment
der Entfernung des zu transplantierenden Stückes mindestens ein
Teil des vorhandenen Zymogens aktiviert gewesen. Während
nach der ersten Theorie nun aber das Transplantat auf seiner
neuen Grundlage jedem Einflusse einer weiteren Aktivierung von
Z/Zymogen entzogen ist, wirkt nach der zweiten Theorie der akti-
vierende und die Sekretion anregende Stoff, das Sekretin, auch
auf der neuen Unterlage auf das Transplantat weiter. Denn da
das Tier den Magen bei der Operation noch gefüllt hat und die
Verdauung bei Fröschen und Tritonen sich lange hinzieht, so wird
andauernd Sekretin in den Kreislauf gebracht, und dieses gelangt
auf dem Wege der Blutbahn auch zu dem Transplantate, das auf
einer angefrischten Unterlage fixiert ist. Es wird auf diese Weise
schliesslich alles in der Zelle im Moment der Transplantation noch
vorhandene Zymogen aktiviert werden, und die selbstverdauende
Wirkung wird so eine viel stärkere und sicherere sein.
Die Frage, ob eine derartige Weiterwirkung von Sekretin
auf das transplantierte Stück stattfindet, liesse sich vielleicht in
der Weise entscheiden, dass man bei Tieren, die eine schnelle Ver-
dauung haben, nüchtern transplantierte und dann nach beendeter
Operation gleich füttern würde. Vielleicht scheitert aber ein der-
artiger Versuch daran, dass die Tiere die ihnen gleich nach
erfolgter Laparotomie zugeführte Nahrung sofort wieder von sich
geben. Ich habe wenigstens bei Fröschen und Tritonen die Er-
fahrung gemacht, dass dieselben, auch wenn ohne Narkose operiert
war, die ihnen gleich nach der Operation gereichte Nahrung bald
wieder auswürgten. Leider fehlte mir die Zeit, die Frage zum
Abschluss zu bringen.
Aus den vorliegenden Versuchen glaube ich den Schluss
ziehen zu müssen, dass der physiologische Zustand des Pankreas
bei der Transplantation nicht ohne Einfluss auf das Gelingen der-
selben ist. Der günstigste Moment für das Gelingen der Trans-
plantation ist der nüchterne Zustand des Tieres, wo Magen und
44 H. Fischer:
Darm leer sind, die Zeit, wo aktivierter Pankreassaft nicht vor-
handen ist. Ist das Zymogen zur Zeit der Transplantation be-
reits aktiviert, so tritt eine mehr oder weniger umfangreiche
Selbstverdanuung des Parenchyms ein. Die Ausführungsgänge
werden von dieser Verdauung nicht betroffen.
Die Beobachtung Kyrles, dass bei der Transplantation in
die Milz alles Parencehym zugrunde gehe und nur die Ausführungs-
gänge erhalten bleiben, könnte also auch auf diese Weise eine
Erklärung finden ; doch ist bei Kyrle über den Verdauungszustand
der Tiere bei der Operation und nach derselben nichts angegeben.
Nicht ausser acht zu lassen bei einer Beurteilung der von
den Resultaten anderer Autoren abweichenden Ergebnisse meiner
Versuche ist die Verschiedenheit der Versuchsobjekte. Man wird
das Verhalten der Warmblüter nicht direkt mit dem der Kalt-
blüter vergleichen können.
Zum Schlusse möchte ich meine Ergebnisse kurz zusammen-
fassen.
1. Nach Exzision eines grösseren Pankreasstückes bei Fröschen
und Tritonen ist ein Wiederersatz des verloren gegangenen
(sewebes möglich.
Dieser Ersatz wird geliefert von den Parenchymzellen,
nicht von den Ausführungsgängen.
. Das Pankreasgewebe lässt sich mit Erfolg in kleinen
Mengen beim völlig nüchternen Tier transplantieren.
(Magen und Darm müssen leer sein.) Für wie lange Zeit
dieser Erfolg anhält, kann ich zurzeit noch nicht sagen.
4. Bei Transplantation auf der Höhe der Verdauung tritt
eine mehr oder weniger umfangreiche Selbstverdauung
des Parenchyms ein; die Ausführungsgänge bleiben intakt.
5. An den bei nüchternen Tieren transplantierten Stückchen
treten Wachstumserscheinungen auf, und zwar gehen diese
aus von den in der Peripherie erhalten gebliebenen
Parenchymzellen; im Zentrum des Transplantates tritt
Nekrose ein.
6. Weder bei der Regeneration, noch bei dem Wachstum
nach Transplantation waren bis zu dem Zeitpunkte, bis
zu dem ich die Vorgänge verfolgte, in dem neugebildeten
Parenchyhm Langerhanssche Inseln zu finden.
[5
os
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 45
Zur Durchführung der in vorstehender Arbeit beschriebenen
Versuche wurde mir durch gütige Vermittelung von Herrn Professor
Nussbaum eine Unterstützung aus der Elisabeth-Thompson-
Stiftung zuteil. Ich spreche hierfür der Verwaltung der Stiftung,
sowie Herrn Professor Nussbaum meinen herzlichsten Dank aus.
Ferner sei es mir gestattet, dem früheren Assistenten am Bio-
logischen Laboratorium zu Bonn, jetzigen Privatdozenten
in Marburg, Herrn Dr. Harms, für das rege Interesse, das er
meiner Arbeit entgegenbrachte, und für die freundliche Unter-
stützung bei den Versuchen herzlichst zu danken.
46
EIS aRuIesierhkest:
Erklärung der Abbildungen auf Tafel 1.
Die Präparate wurden sämtlich in Flemmingscher Flüssigkeit fixiert,
7,5 „ dick geschnitten und mit Safranin gefärbt. Die Figuren wurden in
der Höhe des Objekttisches mit dem Abb&schen Zeichenapparat gezeichnet.
Riesa.
rc)
Fig. 2.
Fig. 3.
Fie. 4.
Ira, 0)
Aus einem Regenerat von 12 Tagen. Es ist das zugrunde gegangene
Gewebe von der Schnittfläche weggeschafft, hier und da sieht man
noch zwischen den erhaltenen Zellen einige Zellüberreste (r), über
der Schnittfläche eine dünne Schicht Fibrin (F). In der ersten
Zellreihe liegt eine Mitose in einer Parenchymzelle. Vergrösserung:
Zeiss, Obj. F, Ok. 2!)2.
Aus einem Regenerat von 18 Tagen. (Teil der in der Textfigur
abgebildeten Neubildung.) Die neugebildeten Alveolen sind zum
Teil noch ohne Lumen. Die Zellen haben bereits die charak-
teristische Form der Parenchymzellen; Sekretkörnchen sind noch
nicht vorhanden. Daher erscheinen die jungen Zeilen heller als
die alten. An dem unteren Schlauche ist bereits die Bildung einer
Knospe angebahnt (K). An zwei Stellen sieht man eine Mitose.
Die neugebildeten Alveolen sind in ein junges Bindegewebe (B)
eingelagert, in dem amöboide mit Detritusmassen beladene Zellen
(Z) liegen. Vergrösserung: Zeiss, Obj. F, Ok. 1.
Aus einem Regenerat von 21 Tagen. Man sieht eine neugebildete
Alveole mit erweitertem Lumen. An der unteren Seite ist das
Epithel des Schlauches zweischichtig. Hier beginnt an der Stelle,
wo die Mitose gelagert ist, die Bildung einer Knospe. Die junge
Alveole unterscheidet sich ebenso wie auf Fig. 2 durch das helle
Aussehen ihrer Zellen von den alten. Vergrösserung: Zeiss,
(0) 0) Pa a 0) To
Aus einem Regenerat von 27 Tagen. Das Präparat zeigt starke
Stauungserscheinungen. Die Lumina sind maximal erweitert, die
Schläuche in toto stark gedehnt. Die Zellen selbst haben dabei
entsprechend wenig gelitten, wie aus der Unversehrtheit der schönen,
grossen Kerne hervorgeht. Die Tunica propria hat hier wegen
ihrer Zartheit und weil die Schläuche sich noch nicht gegenseitig
behinderten, dem Drucke nachgeben können, deshalb sind die Zellen
nicht so sehr zwischen Tunica und Lumen gequetscht worden, wie
dies bei Stauung im alten Pankreasgewebe der Fall ist. Die Zell-
grenzen sind zum Teil geschwunden, das Protoplasma sieht ver-
waschen aus. In einem weniger gestauten Schlauche ist eine
Mitose sichtbar. Vergrösserung: Zeiss, Obj. F, Ok. 2.
Querschnitt durch einen neugebildeten Schlauch, dessen Zellen
bereits Sekretkörnchen besitzen. Im oberen Teil des Schlauches
Vakuolenbildung in einer Zelle.
IS
98
jez
|
Regeneration und Transplantation des Pankreas. 47
Aus einem Transplantat von 27 Tagen. Sämtliche Schläuche sind
neugebildet. Es machen sich bereits Stauungserscheinungen be-
merkbar, in dem oberen Schlauche mehr als in den beiden unteren.
Rechts oben ist eine Mitose vorhanden.
Siehe Text, Seite 13, Regenerationsstadium 9. Fast der ganze
auf dem Darm liegende Teil des Pankreas ist eine Neubildung.
Die auf dem Regenerat sichtbaren kleinen Höcker entsprechen
den am weitesten auswärts liegenden Alveolen. Nach dem Magen,
d. h. nach rechts zu, schreitet das Regenerat in verschiedenen
Zipfeln vor. In denselben waren noch Wachstumsvorgänge vor-
handen. Die Reliefs der Oberfläche, welche nach rechts gegen den
Pylorus zu folgen, sind nicht von Pankreasneubildung erzeugt.
D, Dünndarm; M, Pylorusteil des Magens; P, Pankreas.
48
Aus dem Anatomischen Institut der Universität Berlin.
Beiträge zum Studium des Zentralnervensystems
der Wirbeltiere.
1. Ein Faserzug am Boden des Recessus praeopticus (Tractus
praeopticus) bei den Amphibien.
Von Dr. med. Paul Röthig.
Hierzu Tafel II.
Das Material der vorliegenden Arbeit umfasst von den
Anuren Rana und Bufo, von den Urodelen Spelerpes fuscus,
Cryptobranchus japonicus, Neeturus maculatus und Sirena lacer-
tina; sie hat zum Gegenstand einen Faserzug, der am Boden des
Recessus praeoptieus in sagittaler Richtung kaudalwärts zieht und
sich unmittelbar oberhalb der postchiasmatischen Kreuzungen
verliert. Dieser Faserzug, der seiner Lage entsprechend Tractus
praeopticus genannt wird, ist besonders stark entwickelt bei der
Kröte. Die Abbildungen 1—5 auf Taf. II zeigen ihn auf einer
reihe kaudalwärts aufeinander folgender Frontalschnitte des
Gehirns von Bufo und in Fig. 6 auf einem Längsschnitt vom
gleichen Material.
Die Fig. 1 (Taf. II) stellt einen Durchschnitt durch den
frontalen Teil des Recessus praeoptieus dar; umgeben wird dieser
von den Zellen des von ©. L. Herrick so genannten Nucleus
praeopticus. Am Boden dieses Recessus erblickt man den Anfangs-
teil der mit der Weigertschen Markscheidenfärbung blau
gefärbten Fasern des Tractus praeopticus. Schreiten wir in der
Serie kaudalwärts vor, so weitet sich ventral der Recessus aus
(Fig. 2, Taf. II), sein Boden wölbt sich spornartig in das Lumen
des Recessus vor und enthält im Innern dieser Hervorwölbung
die eng aneinander gelagerten Tractus praeopticus-Fasern. Nach
oben setzt sich durch einen Spalt der Recessus in Verbindung
mit dem Hohlraum des Zwischenhirns. Er wird wieder umgeben
von den Zellen des Nucleus praeoptieus, an die ganz dorsal die
>
Fasern des medialen Vorderhirnbündels grenzen. Auf Fig. 3 der
Das Zentralnervensystem der Wirbeltiere, 49
gleichen Tafel befinden wir uns im Beginn des Chiasma optieum.
An dasselbe grenzt von dorsal her der Boden des kaudalen Aus-
läufers unseres hecessus, und zwar ist auch hier dieser Boden
halbkugelförmig nach oben in denselben vorgewölbt. In ihm
liegt wieder der Durchschnitt des Tractus praeoptieus, der in
dieser Gegend deutlich in zwei Bündel zerfällt. Weiter nach
hinten legen sich diese eng aneinander (Fig. 4, Taf. I): sie
befinden sich in der Mitte des Bodens des Hohlraumes des Dien-
cephalon oberhalb des Chiasma. Der Ventrikel ist umgeben von
den Ausläufern des Zellarcales des Nucleus praeopticus, an denen man
hier die beiden Abteilungen der vorigen Figur, nämlich die Cellulae
magnae und die Grundzellen des Kernes nicht mehr unterscheiden
kann, hier besteht vielmehr der Nucleus praeoptieus aus gleich-
artigen Zellen. Seitlich grenzen an den Kern die Durchschnitte
des medialen und lateralen Vorderhirnbündels.. Während bis
hierher der Tractus praeopticus als isolierter Zug deutlich zu
unterscheiden war, ist dies weiter kaudal nicht mehr möglich:
dort verliert er sich allmählich in dem Fasergewirr am Boden des
Ventriculus diencephali und oberhalb der postchiasmatischen
Kreuzungen, wie die Fig. 5 (Taf. II) zeigt. Dort sieht man dorsal
den Hohlraum des Zwischenhirns, ventral den des Hypothalamus
und zwischen beiden die (@uerzüge der postchiasmatischen
Kreuzungen und oberhalb letzterer Faserdurchschnitte, zwischen
denen sich unser Tractus verliert. Dieser ganze eben geschilderte
Verlauf zeigt sich auch auf dem Sagittalschnitt in Fig. 6 (Taf. II),
an der man ebenfalls streckenweise eine Scheidung des Faser-
zuges in zwei Bündel bemerken kann.
Was das Vorkommen dieses Tractus praeopticus bei anderen
Amphibien betrifft, so kann ich auf Grund meines Materiales
folgendes aussagen: Er ist ausser bei der Kröte auch bei Rana
nachweisbar; hier aber nur auf ganz kurze Strecken hin und von
sehr geringer Entwicklung. Bei Spelerpes fuscus habe ich ihn
nicht beobachten können, dagegen, allerdings auch hier sehr
schwach ausgebildet, bei Sirena lacertina und bei Necturus macu-
latus. Eine mächtigere Ausbildung, die der bei Bufo nahe kommt.
zeigt er bei Cryptobranchus japonieus. Hier zerfällt er nach den
Befunden auf einer Frontalserie in eine Reihe sagittal verlaufender
feiner Fasern. Ab und zu sieht man zwischen ihnen am Boden
des Recessus praeopticus quer verlaufende Fasern.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.l|. 4
0 Paul Röthig:
In der Literatur habe ich bisher bei den Amphibien den
von mir beschriebenen Zug nicht erwähnt gefunden. Was ein
Blick auf die anderen Wirbeltierklassen betrifft, so erscheint es
mir denkbar, dass er dem von Kappers so genannten Tractus
praethal. cinereus entspricht. Ferner habe ich selbst in meiner
Untersuchung über die Riechbahnen, Septum und Thalamus bei
Didelphis marsupialis (Abh. Senckenberg. Naturforsch. Ges., Bd. 31,
Heft 1, 1909) ein Fasersystem beschrieben, das der Lage nach
mit dem Tractus praeopticus verglichen werden kann. Es wurde
dort Faseiculus supraopticus genannt und den Fasern des zentralen
(Graues des Sehhügels zugerechnet. Dieser Fascieulus supraopticus
verläuft dort im Boden des Recessus opticus dicht oberhalb des
Optieus, nimmt seinen Anfang jederseits aus einer Zellanhäufung,
dem Ganglion supraopticum frontale, und verliert sich weiter
kaudal in Zellanhäufungen, die rechts und links oberhalb des
Chiasma neben dem dritten Ventrikel liegen und Ganglia supra-
optica caudalia heissen. Das hintere Ende des Fasciculus supra-
optieus wird untermischt und zum Teil verdeckt durch die Kuppe
der Decussatio supraoptica dorsalis. Wie man aus dieser kurzen
Beschreibung des Fascieulus supraopticus ersieht, und wie ein
Vergleich mit den Abbildungen 1—5 auf Tafel II der erwähnten
Abhandlung über Didelphis marsupialis des (Grenaueren ergibt,
entsprechen die anatomische Anordnung des Fascieulus supra-
opticus und die des Tractus praeopticus einander. Ein weiterer
Vergleich zwischen beiden Faserzügen ist darin gegeben, dass der
Traetus praeopticus stellenweise in zwei Faserzüge zerfällt und
auch der Fascieulus supraoptieus jederseits als ein geschlossener
Faserzug verläuft, also auch hier eine Zweiteilung des ganzen
Systems vorliegt, die bei Bufo bereits angedeutet ist. Bei anderen
Amphibien zerfällt dieses Fasersystem in mehrere einzelne Züge,
zeigt keine Geschlossenheit zu einem oder zu zwei Zügen. Ver-
gleicht man den Tractus praeoptieus der Amphibien mit dem
Fasciculus supraoptieus, so liegt weiter die Annahme nahe, dass
die Ganglia supraoptica frontalia et caudalia der Marsupialia sich
allmählich differenziert haben mögen aus den Zellen um den
tecessus praeopticus herum, d.h. aus dem Nucleus praeopticus.
Jedenfalls ergibt sich soviel, dass wir in beiden Faserzügen alte
Systeme vor uns haben. Der bei den Amphibien erhobene Befund
wirft somit ein Licht auf die vergleichende Anatomie und die
Das Zentralnervensystem der Wirbeltiere. al
Phylogenese der Ganglia optica basalia der Säugetiere. Sie soll
des genaueren in einer besonderen Arbeit in den Folia Neuro-
Biologica dargestellt werden.
Fig.
.1—9.
D
Erklärung der Abbildungen auf Tafel II.
Fünf in fronto-kaudaler Richtung aufeinander folgende Frontal-
schnitte durch das Gehirn von Bufo, gefärbt mit der Weigertschen
Markscheidenfärbung.
Sagittalschnitt durch den Recessus praeopticus von Bufo, gefärbt
mit der Weigertschen Markscheidenfärbung.
Bezeichnungen.
Recessus praeopticus: Nucleus praeopticus; Tractus praeopticus.
Fasern des medialen Vorderhirnbündels: Nucleus praeopticus;
Recessus praeopticus; Tractus praeopticus.
Cellulae magnae Nuclei praeoptici; Nucleus praeopticus; Recessus
praeopticus; Tractus praeopticus; Tractus opticus.
Mediales Vorderhirnbündel; Laterales Vorderhirnbündel; Traetus
praeopticus; Ventriculus diencephali; Chiasma.
Ventrieulus diencephali; Postchiasmatische Kreuzung; Ventriculus
Hypothalami; Pars hypothalamica des basalen Vorderhirnbündels.
Recessus praeopticus; Tractus praeopticus; Chiasma.
4*
Aus dem biologischen Laboratorium der Universität Bonn.
Zur Entwicklung des Musculus stapedius
und des Stapes.
Von
Prof. Rud. Eschweiler in Bonn.
Hierzu Tafel III.
Die vorliegende Arbeit bildet eine Fortsetzung und Erweiterung
meiner früheren Studien „Zur Entwicklung des schalleitenden
Apparates mit besonderer Berücksichtigung des Musculus tensor
tympani“ in diesem Archiv.!) Es möge daher gestattet sein,
dass die folgenden Zeilen sich an das dort Gesagte enge
anschliessen und die dort gemachten Vorbemerkungen über die
Technik und die Art des verwendeten Materials teils übergangen,
teils nur ganz kurz wieder berührt werden. Zu der damals
benutzten Serie von 14mm Länge wurde eine solche von einem
Embryo von 15 mm angefertigt und intensiver gefärbt — auch
mit Kongorot. Es erwies sich, dass bei der Untersuchung der
kräftiger tingierten Serie teils hierdurch, teils, weil die Grösse
nicht immer im direkten Verhältnis zur Entwicklungsstufe steht,
mehr Details zum Vorschein kamen, als bei dem Stadium von
14 mm Länge. Auch scheint die Entwicklung des Musculus
stapedius kontinuierlicher und gleichmässiger fortzuschreiten als
die des Musculus tensor tympani. Ausserdem wurde noch eine
Serie von einem 16,5 mm langen Embryo, die mit Hämalaun
sehr kräftig gefärbt war, zur Kontrolle der Serie von 15,25 mm
und zur besseren Überleitung zu dem Stadium von 20,5 mm
Länge hinzugezogen. Sie wurde aber nicht detailliert beschrieben,
da sie nur eine Bestätigung und Verdeutlichung der mit dem
Stadium von 15,25 mm erhaltenen Resultate ergab.
Es möge hier vorweg bemerkt werden, dass die Stelle, an
der sich die uns interessierende Entwicklung abspielt, eine räumlich
beschränkte ist. Im Gegensatz zu dem Paukenspanner lässt sich
bei unseren Embryoner für den Steigbügelmuskel weder die
!) Band 63, 1903, S. 150.
(st
®)
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes.
Abstammung von einer anderen grossen Muskelgruppe noch eine
wesentliche Verlagerung der Anlage nachweisen. Infolgedessen ist
die jeweils zu durchmusternde Zahl von Schnitten der Serie viel
kleiner als beim Studium des Tensor tympani.
Da der Bezirk, der hier in Frage kommt, sich räumlich an
den Entwicklungsbezirk des Tensor tympani anschliesst, so schliesst
sich auch die Beschreibung der Schnitte an das entsprechende
Kapitel der früheren Arbeit an und kann ganz im Zusammenhang
gelesen werden. Gelegentlich war es nicht zu vermeiden, eine
Abbildung zu wiederholen. Sie wurde aber aus dem Gesichts-
punkte dieser Arbeit neu gezeichnet.
Während damals nicht näher auf die Entwicklung der
Gehörknöchelchen eingegangen wurde, wird uns hier die Ent-
wicklung des Stapes in höherem Grade interessieren. Durch
>romans eingehende Arbeit!) schien die Frage der Steigbügel-
entwicklung in ein definitives Stadium eingetreten zu sein. Es
ist aber unseres Erachtens Fuchs?) gelungen, einen in mancher
Hinsicht von dem Bromanschen abweichenden Entwicklungs-
modus zu begründen, so dass eine vergleichende Kritik der
Resultate beider Autoren an der Hand unserer Schnitte nicht
umgangen werden konnte.
Das Thema soll in der Weise behandelt werden, dass zunächst
das Protokoll jeder Serie, dann das Resume der einzelnen Stadien
und endlich die zusammenfassende Schilderung des Entwicklungs-
ganges gegeben wird.
I. Embryo a. 10,5 mm Scheitelsteisslänge.
Schnittdicke 0,01 mm; Färbung mit Hämalaun. Schnittebene
verläuft frontal, senkrecht zur ersten Kiemenfurche.
Die Betrachtung beginnt mit Schnitt 118, der in meiner
früheren Arbeit beschrieben und als Fig. 2 auf Taf. VI abgebildet
wurde. Das dort angeschnittene Labyrinthbläschen erweitert in
den folgenden Schnitten das Lumen und bleibt von dem Nervus
facialis und der Vena capitis lateralis (primitive Jugularvene)
durch eine ganz homogene Schicht von Blastem getrennt, in
!) J. Broman. Die Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen
beim Menschen. Anatom. Hefte 1898, I. Bd. 11, S. 509.
®, Hugo Fuchs. Bemerkungen über die Herkunft und Entwicklung
der (rehörknöchelchen bei Kaninchen-Embryonen. Archiv f. Anat. u. Physiol.,
Anat. Abt., Suppl. 1905.
54 Rud. Eschweiler:
welchem nicht die geringste Andeutung von Organanlagen zu
sehen ist. Ebensowenig ist eine konzentrische Schichtung des
Blastems vorhanden, die auf die Stapesanlage hinweisen könnte,
Fig. 1 auf Taf. III gibt die Ansicht von Schnitt 123 der Serie
wieder. L ist das Labyrinthlumen, N? der Nervus facialis,
der, aus seinem Ganglion kommend, nach unten verläuft. V.j. ist
die primitive Jugularvene (Vena capitis lateralis). A und B sind
erster, resp. zweiter Kiemenbogen, getrennt durch die erste
Schlundtasche (I). Die Kombination von Labyrinthblase, Vena
capitis lateralis und dem aus seinem Ganglion nach abwärts
ziehenden Facialnerven beweist, dass wir uns hier in der Region
befinden, wo die Anlage des Stapes und seines Muskels erfolgt. Da
hier keine Andeutung irgend einer Organtrennung besteht, so muss
angenommen werden, dass bei dem Schweinsembryo von 10,5 mm
Scheitelsteisslänge weder Stapes noch Musculus stapedius an-
gelegt sind.
II. Embryo b. 13 mm Scheitelsteisslänge.
Diese Serie wurde neu hergestellt, ist also in der früheren
Arbeit nicht benutzt. Der Unterschied zwischen dieser Serie
und derjenigen von 14mm ist aber nicht so gross, dass nicht
die Beschreibung an die damals gegebene angeschlossen werden
könnte. Die Schnittdicke beträgt 0,01 mm. Die Färbung erfolgte
mit Hämalaun und Kongorot.
Die Betrachtung der Serie beginnt mit Schnitt Nr. 13, der
den ersten Anschnitt der Labyrinthkapsel enthält. Dieser Schnitt
ist in Fig. 2 auf Taf. III abgebildet. Die beiden Kiemenbogen
sind durch ihre resp. Nerven — N5 — trigeminus, N? — facialis
markiert und durch die Schlundtasche resp. den Paukenspalt I,
sowie durch die ihm gegenüberliegende Einsenkung des Ektoderms
isthmusförmig voneinander getrennt. Bei Bl lagert dem
Nervus facialis eine Blastemmasse auf: die erste Andeutung einer
Differenzierung des Reichertschen Knorpels. Nach oben und
medial von diesem Blastem ist ein arterielles verzweigtes Gefäss a
angeschnitten. Dieses ist ableitbar aus der embryonalen Arteria
carotis. Medial von der einen grossen venösen Raum darstellenden
Vena capitis lateralis (V. j.) liegt ein dem Vagus-Glossopharyngeus-
gebiet angehörendes Ganglion GI.
In den folgenden Schnitten entwickelt sich rasch der Hohl-
raum des Labyrinths, während sich das Lumen der Schlundtasche
[b)
[sb 1
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes.
verkleinert. Das Blastem Bl begleitet den Nervus facialis nach
hinten (aboralwärts), ist dabei aber kleiner, auf einen mehr
rundlichen aber später schärfer umschriebenen Bezirk beschränkt
(im Querschnittbilde).
In Schnitt 22, Fig. 3, zeigt sich folgendes Bild. Der
Paukenspalt, resp. die aboralste Partie der Schlundtasche ist
stark verkleinert (I). Zwischen ihr und dem Labyrinth (L) ist
ein rundlicher Blastemhaufen, der zentral einen Gefässquerschnitt
enthält, zu sehen. Dieser Blastemhaufen ist als die erste
Stapesanlage zu betrachten und wurde demgemäss mit St be-
zeichnet. Der kleine Gefässquerschnitt im Innern lässt sich aus
dem Blutgefässe a der Fig. 2 ableiten. Man kann diese Anlage
wohl kaum einem Kiemenbogen zurechnen, am ersten gehört
sie zum periotischen Blastem. Zum ersten Kiemenbogen gehört
sie sicher nicht, ob sie zum zweiten oder zum periotischen
Blastem gehört, ist schwer zu entscheiden (siehe später). Das
dem Nervus facialis an- und aufliegende Blastem Bl ist kleiner
ım Querschnitt und schärfer gegen die Nachbarschaft abgegrenzt.
Vom unteren Rande des Nervus facialis geht ein Nerv (n) bogen-
förmig nach innen und nach unten verlaufend ab und vereinigt
sich mit dem Ganglion Gl. Gleich nach der Abzweigung dieses
kleinen Nerven aus dem Facialis geht ein Nervenfaden nach
oben, in das der medialen Seite des Nervus facialis anliegende
Blastem Bl über. Dieses Blastem darf als die erste Andeutung
einer Stapedius-Anlage angesehen werden und würde daher
mit Stp bezeichnet.
In Schnitt 27 schon ist von diesem Blastem nichts mehr
übrig, nur auf dem Nervus facialis sieht man noch wie eine
Haube einen dunkelgefärbten Blastemhaufen. Es ist dies das
Ende des Reichertschen Blastems. Dasselbe löst sich im
umgebenden Blastem völlig auf, so dass Beziehungen zwischen der
Anlage des Reichertschen Knorpels und der Anlage der
Labyrinthkapsel in diesem Stadium noch nicht bestehen. In
Schnitt 32 ist auch das Schlundtaschenlumen geschwunden. In
Schnitt 36 tritt das Facialis-Ganglion am oberen Pol der Labyrinth-
anlage auf. In Schnitt 38 hat der Nervus facialis seine Biegung
nach oben gemacht, so dass er nunmehr im Längsschnitt und in
Verbindung mit seinem Ganglion erscheint. Der Zellhaufen,
welcher den Stapes markiert, verschwindet so allmählich, dass
56 Rud. Eschweiler:
sich eine Schnittnummer, die den letzten Anschnitt enthielte,
gar nicht angeben lässt. Jedenfalls ist dort, wo der vertikale
Facialisverlauf beginnt, keine Spur einer Stapesanlage zwischen
ihm und der Labyrinthblase mehr zu sehen.
III. Embryo c. 15,25 mm Steisslänge.
Schnittdicke 0,01; Färbung mit Hämalaun.
Die Beschreibung der Serie beginnt mit Schnitt 186, dar-
gestellt in Fig. 4 auf Taf. Ill. Das Bild wird charakterisiert durch
drei Blastemanlagen, die des Stapes St, die des Hammeramboss-
Massivs M und die des Reichertschen Knorpels Re. Die
aborale Ecke der ersten Schlundtasche, die nunmehr als Pauken-
höhle bezeichnet sei (P), endigt blind. Sie trennt die Stapes-
anlage St von dem Blastem beider Kiemenbogen, ganz besonders
von dem des Hyoidbogens. Diese Trennung ist durch die bedeutende
Entfaltung der Paukentasche bedingt. Der Nervus facialis ist an
seinem Abgang vom Ganglion und in der Gegend des zweiten
Kiemenbogens angeschnitten (N7). Im Bereich des zweiten
Bogens hat sich ein Blastemstück, die Anlage des Reichertschen
Knorpels Re, differenziert, die dem Nervus facialis aufliegt. Über
ihr ist die Chorda tympani (ch) sichtbar, die der Vereinigung
mit dem Facialis zustrebt.
Schon in Schnitt 189 ist vom Paukenspalt nichts mehr zu sehen.
Schnitt 195 ist in Fig. 5, Taf. III, dargestellt. Die beiden
Abschnitte des Nervus facialis streben ihrer Vereinigung zu. Aus
dem Hammeramboss-Massiv hat sich der Amboss (JJ), in seinem
Längsschnitt als solcher zu erkennen, losgelöst und ist mit der
Stapesaniage St in Verbindung getreten. Letztere wird von der
Arteria stapedialis durchzogen. Die Chorda tympani (ch) ist im
Begriff, sich mit dem Nervus facialis zu vereinigen. Medial von
ihrem Querschnitt und nach oben hin ist das Blastem Bl, d.h.
das aborale Stück des Hyoidbogens resp. des aus ihm sich diffe-
renzierenden Reichertschen Knorpels ganz difius. Es ver-
schmilzt mit der Amboßstapesverbindung. In Schnitt 199 legt
sich neben den Nervus facialis ein Zellenhaufen, dessen Kerne
mehr spindelförmig sind und mit ihrer Längsachse in der Schnitt-
richtung liegen, so dass ein streifiger, faseriger Charakter dieser
Blastemmasse zustande kommt. Der Stapes verschwindet aus
dem Bilde.
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 57
In Schnitt 203 hat sich das Bild Fig. 6, Taf. II, entwickelt.
Die Vereinigung der Schenkel des Nervus facialis steht nahe
bevor. Medial vom unteren Nervenquerschnitt liegt diesem die
geschilderte Blastemmasse von faserigem Baue an. In dieselbe
tritt ein kleiner Nervenfaden aus dem Nervus facialis ein. Dieser
Blastemhaufen ist mit Sicherheit als Anlage des Musculus
stapedius zu betrachten. Sie hat zu dem Stapes noch keine
Beziehungen.
In Schnitt 206 ist die Vereinigung der beiden Abschnitte
des Nervus facialis vollzogen. Dem medialen Rand desselben
liegt noch ein Rest der Stapediusanlage an, die in Schnitt 210
vollständig geschwunden ist. Die in der vorigen Serie abgebildete
Abzweigung eines Nervenfadens zum Glossopharyngeusganglion
findet in dieser Serie in Schnitt 211 statt. Eine Versorgung der
Muskelanlage von diesem Zweige aus kann nicht konstatiert
werden. Eine Verbindung des aboralen Endes des Reichert-
schen Knorpels resp. Blastems mit dem Blastem der Labyrinth-
kapsel findet auch jetzt noch nicht statt. Nervus facialis und
Vena capitis lateralis scheiden dieses Ende deutlich von der
Labyrinthkapsel.
IlIa. Embryo von 16,5 mm Länge.
Dieser Embryo enthält nur eine gewisse Verdeutlichung der
Ergebnisse des vorhergehenden Stadiums, da die Färbung stärker
ist. Die Distanz der Stapediusanlage von der Abzweigungsstelle
der Chorda tympani aus dem Nervus facialis beträgt drei Schnitt-
dicken. Im übrigen kann auf die Wiedergabe des Protokolls
verzichtet werden.
IV. Embryo d. 20,5 mm Scheitelsteisslänge.
Sehnittdicke 0,01 mm. Färbung mit Hämalaun.
Entsprechend der Grössenzunahme sind die vorknorpligen
(Gehörknöchelchen wiederum deutlicher gegen ihre Nachbarschaft
abgegrenzt. Die ersten Zellen, welche faserige Struktur der
Muskelanlage verraten, treten im Schnitt 244 auf. In Schnitt 248
tritt aus der medialen Peripherie des Nervus facialis ein Ast in
die Muskelanlage ein und zwar aus dem Nervenstamm.
In Fig. 7, Taf. III, ist Schnitt 250 der Serie abgebildet.
Der Stapes zeigt schon Sanduhrform auf dem Querschnitt und
wird von der Arteria stapedialis durchsetzt. Der Amboss und
Rud. Eschweiler:
(db |
q
der Reichertsche Knorpel stehen in blastematöser Verbindung.
Aus dem Nervus facialis löst sich der den Musculus stapedius
versorgende Nervenast ab. Die Muskelanlage ist schärfer als im
vorigen Stadium gegen ihre Umgebung abgesetzt und erscheint
schmaler, schlanker. Die Faserrichtung der Zellen ist nach oben
und etwas nach aussen gerichtet, nach der Stelle hin, wo Stapes
Ineus und Reichertscher Knorpel zusammenfliessen. Das
Labyrinth ist an zwei Stellen angeschnitten.
In Schnitt 252 löst sich vom Nervus facialis und zwar an
der ventralen Seite seines Querschnitts ein ziemlich voluminöser
Nerv los, der über die Vena capitis lateralis hinweg mit dem
Ganglion Gl in Verbindung tritt. Es ist aber auch mit starker
Vergrösserung festzustellen, dass der Nerv des Musculus stapedius
nicht aus ihm, sondern direkt aus dem Nervenstamm des Nervus
facialis abzweigt. Der Reichertsche Vorknorpel löst sich
wieder in eine bBlastemmasse auf, welche lateral von der Vena
capitis lateralis und dem Nervus facialis liegt. Bei Verfolgen
der Schnitte nach hinten lässt sich nachweisen, dass diese
DBlastemmasse zwar noch nicht als Anlage eines Skelettstückes zu
identifizieren ist, dass sie aber einen dichten Mesenchymstreifen
darstellt, der die Verbindung zwischen der schon jungknorpligen
— Zellen mit viel Interzellularsubstanz — Schädelbasis und der
Labyrinthkapsel — nur blastematös — darstellt. Von der Anlage
eines Intercalare kann man nicht reden.
V. Embryo e. 25 mm Länge.
Schnittdicke 0,015. Färbung mit Hämalaun.
Die Betrachtung der Serie beginnt mit Schnitt 284, Fig. 8,
Taf. III. Das Labyrinth, dessen vorknorplige Kapsel jetzt fast
komplett ist, ist an drei Stellen angeschnitten. Der Stapes (St)
ist in seinem hinterem Schenkel getroffen, der Amboss in seinem
Processus posterior, dessen konisch zulaufendes Ende in rundem
Querschnitt erscheint (J). Der Reichertsche Knorpel (Re)
beginnt nach oben einzubiegen zur Verbindung mit dem Schläfen-
bein. Zwischen ihm und dem Stapes befindet sich eine derbe,
zellige und faserige Blastemmasse, welche die Sehne des Musculus
stapedius in sich beherbergt, ohne sie deutlich differenziert
erscheinen zu lassen. Unter dem Reichertschen Knorpel und
medial vom unteren Facialisquerschnitt liegt ein kleines Ganglion,
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 59
welches einen Nervenfaden aus dem Plexus tympanicus aufnimmt
und einen anderen nach der Vena capitis lateralis hin entsendet.
In den folgenden Schnitten hebt sich die Sehne des Musculus
stapedius immer deutlicher von der Nachbarschaft ab und geht
sehr bald in den Muskelbauch über. Letzterer hat im Vergleich
zu den vorigen Stadien eine Drehung erfahren, derart, dass er,
wenn wir ihn als Pyramide auffassen, mit seiner Basis nach
hinten verschoben wurde. Dadurch trifft jetzt die Schnittebene
den Muskelkonus mehr senkrecht zu seiner Achse und die Fasern
erscheinen im ovalen Querschnitt.
In Schnitt 290, Fig. 9, Taf. III, ist der Stapes nur mit seiner
hintersten Kante sichtbar. Er wird noch durch einen kleinen
Komplex dunkler gefärbter Zellen markiert. Der Reichertsche
Knorpel ist im Kontakt mit der Labyrinthkapsel (LK) resp. dem
Schläfenbein, und zwar hat sich nicht etwa die Anlage eines
Intercalare gebildet, sondern der Reichertsche Knorpel ist
weiter nach hinten und oben. die Labyrinthkapsel unter Umfassung
des Nervus facialis weiter nach aussen und unten differenziert
und beide Teile sind in Verbindung getreten. Die Vereinigung
der Querschnitte des Nervus facialis ist vollzogen. Zuerst sind
nur die am oralen Nervenrande gelegenen Fasern im Schnitt
getroffen, wodurch die Sanduhrform des Nervenschnittbildes
zustande kommt. Der Muskelkonus des Musculus stapedius ist
in faserigem Querschnitt getroffen; er liegt dem Nerven enge an.
Je mehr die Serie aboralwärts fortschreitet, um so
mehr wird der Muskelkonus tangential von der Schnittebene
getroffen.
In Schnitt 296 ist der Nerveneintritt in den Muskelbauch
enthalten. Das}Bild ist in Fig. 10, Taf. III, wiedergegeben. Das
in der Längsrichtung getroffene Stück des Nervus facialis, welchem
der Muskelbauch aufsitzt, ist nunmehr in eine Knorpelnische des
Schläfenbeins eingebettet. Der Muskelbauch ist förmlich mit dem
Nerven verfilzt, der mehrere Äste zwischen die Muskelfasern
entsendet. Auch hier ıst die Nervenversorgung eine direkte aus
dem Nervenstamm. Die Abzweigung des Facialisastes zu dem
Ganglion des Glossopharyngeusgebietes erfolgt in Schnitt 299,
wo vom Musculus stapedius nur noch die punktförmigen Quer-
schnitte einiger Endfasern zu sehen sind. In Schnitt 305 ist
auch die letzte Spur des Muskels verschwunden.
60 Rud. Eschweiler:
VI. Embryo f. 30 mm Scheitelsteisslänge.
Schnittdicke 0,01 mm; Färbung mit Hämalaun und Kongorot.
Infolge der Färbung mit Kongorot, die ziemlich kräftig
gewirkt hat, erscheint das Nervengewebe von derbfaseriger
Struktur im Gegensatz zu der Hämalaunfärbung, die vom Nerven
nur die Zellkerne hervorhebt und den Nervenstamm hyalin
erscheinen lässt. In der Zeichnung kommt dies entsprechend
zum Ausdruck. (Vergl. Fig. 1—10 mit Fig. 11—15.)
Die Unterschiede dieser Serie von der vorhergehenden sind
mehr graduell als prinzipiell. Die Schnittebene verläuft in etwas
anderer Richtung, wodurch Stapes und Musculus stapedius im
Schnittbilde mehr in eine Ebene verlegt werden, als in der
vorhergehenden Serie.
Die erste sicher als Muskelsehne zu bezeichnende Partie
findet sich in Schnitt 252 der Serie, wieder an der Stelle zwischen
teichertschem Knorpel, Stapes und Nervus facialis.
Schon in Schnitt 253 sind Fasern zu erkennen und in
Schnitt 256 präsentiert sich das Bild Fig. 11, Taf. III. Die
Bezeichnungen sind ohne weiteres verständlich. Wiederum sitzt
der Musculus stapedius dem Nerven sehr innig auf. Der Verlauf
seiner Sehne ist noch durch dichtes Bindegewebe, welches vom
Muskel zum Stapeskopf zieht, angedeutet. Es ist eben zu
beachten, dass sich bei der Entwicklung die Sonderung der ein-
zelnen Teile voneinander allmählich vollzieht. Der Nerv n ist
der mehrfach erwähnte, aber nur in der Serie 2 abgebildete Nerv,
der eine Verbindung des Facialis- mit dem Glossopharyngeus-
gebiet herstellt. Auch hier, wo er durch die Abweichung der
Schnittebene schon vor Auftreten des Muskels im Bilde zu sehen
ist — sein Abgang vom Nerven liegt in dem weiter oralwärts
liegenden Schnitt 248 — ist es deutlich, dass er zur Versorgung
des Musculus stapedius nicht beiträgt.
In Schnitt 263 ergibt sich das Bild der Fig. 12, Taf. II.
Vom Stapes erscheint noch sein hinterer Schenkel. An der Spitze
des kegelförmigen Schnittes durch ihn zieht der Nervus facialis
von oben nach unten. Seiner ventralen Partie sitzt der Muskel
auf, in dessen Innerem die Verzweigungen des Muskelnerven
sichtbar sind. Muskel und Nervus facialis sind in eine Nische
des knorpeligen Schläfenbeins gebettet, die lateralwärts von dem
mit dem Schläfenbein verschmolzenen Reichertschen Knorpel
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 61
gebildet wird. Hier reichen einige Fasern des Muskels so nahe
an das jungknorpelige Gewebe heran, dass man wohl behaupten
darf, der Muskel entspringe jetzt zum Teil von seiner Knorpelnische.
VII. Embryo 8. 53 mm Scheitelsteisslänge.
Entkalkung in 5°/oiger Salpetersäure; Einbettung in Celloidin;
Färbung mit Hämalaun und Kongorot; Schnittdicke 0,025 mm.
Bei Betrachtung der Serie in der Reihenfolge von vorn
nach hinten erscheint zunächst der Sehnenansatz des Muskels
am Steigbügel, dann folgen etwas schräge Querschnitte der Sehne,
die schon sehr scharf von ihrer Nachbarschaft abgehoben ist,
und schliesslich erscheinen schräge (uerschnitte des Muskelkonus.
Wo der Nerv eintritt ist der Muskelkonus aus den Schnitten
geschwunden. Der Ansatz der Sehne am Stapes findet im
Schnitt 255 statt. Sie verläuft — ausgehend vom Insertions-
punkt — nach hinten, unten und aussen.
Schnitt 259 ist in Fig. 13, Taf. III abgebildet. Der Sehnen-
querschnitt Stp ist durch einen bogenförmigen Faserzug mit dem
oberen Rande der Nische der Fenestra vestibuli verbunden. Der
Reichertsche Knorpel bildet mit einem ihm entgegengewach-
senen Vorsprung des Schläfenbeins die zur Aufnahme des Nervus
facialis und des Muskels dienende Nische. Der Stapes ist in
seinem hinteren Schenkel angeschnitten. Im Labyrinth ist teils der
perilymphatische Raum, teils der endolymphatische angeschnitten.
Die Fenestra cochleae (f. c.) ist deutlich zu erkennen, da jetzt die
Labyrinthkapsel aus vollkommen differenziertem Knorpel besteht.
In Schnitt 261 beginnen Muskelfasern im Querschnittsbilde
des Musculus stapedius aufzutreten. Der Nervus facialis nimmt
vertikale Verlaufsrichtung an und erscheint infolgedessen im
Längsschnitt. Der Stapes verschwindet aus dem Bilde. Seine
Lage ist in Schnitt 267, Fig. 14, Taf. III, nur noch dadurch
angedeutet, dass die aborale Circumferenz der Fenestra vestibuli
angeschnitten ist und durch dichtere Häufung von nichtknorpeligen
Zellen angedeutet wird (f. v.). Der Nervus facialis beginnt der
Vereinigung seines oberen und unteren Ouerschnittes zuzustreben.
Der oberen Partie liegt der im schrägen Querschnitt getroffene
Muskelbauch an, der entsprechend dem Verhalten seiner Sehne
sehr scharf gegen die Nachbarschaft abgesetzt ist und schon mit
einer Muskelscheide ausgestattet erscheint.
%
62 Rud. Eschweiler:
Schon in Sehnitt 261 ist die Vereinigung der Nervenstrecken
vollzogen. In Schnitt 271 legt sich der Muskelbauch so innig
dem Nerven an, dass man fast von einem Entspringen vom Nerven
reden könnte. Es wird damit der Zustand noch gewahrt, der
in viel höherem Maße bei den jüngeren Stadien zu beobachten
war, nämlich ein festes Haften des Muskelbauchs am Nerv. In
Schnitt 273 geht vom Nervus facialis der Verbindungsast zum
Glossopharyngeusgebiet ab. Der Bauch des Musculus stapedius
ist sehr reduziert.
In Schnitt 276 ist der Muskelnerv zu beobachten (Fig. 15,
Taf. II). Die hinterste Ecke der Stapediusnische ist erreicht;
in ihr ist der Nervus facialis, der den Musculus stapedius ver-
sorgende Nervenast und der letzte Rest vom Muskelbauch
gelegen. Es ist ersichtlich, dass der Muskelnerv nunmehr viel
selbständiger in den Muskel eintritt und eine längere extra-
muskuläre Strecke hat als in den früheren Stadien. Infolge der
Schnittrichtung ist das Entspringen der Fasern vom Knorpel nicht
deutlich zu beobachten. Es lässt sich aber durch Rekonstruktion
feststellen, dass die Knorpelnische sich durch Diekerwerden ihrer
Wand allseitig verengt hat und den Muskel umfasst, so dass er
nun in Beziehung zum Perichondrium tritt.
Zusammenfassende Beschreibung der einzelnen
Serien.
I. Embryo von 10,5 mm Länge.
Trotz genauesten Absuchens des Beobachtungsterrains, d.h.
des Blastems der beiden Kiemenbogen im Bereich der Labyrinth-
blase und des periotischen Blastems gelingt es nicht, auch nur
eine Andeutung einer Organanlage in diesen nachzuweisen. Auch
ist die Trennung der drei Bezirke: 1. Kiemenbogen, 2. Kiemen-
bogen und Labyrinthanlage sehr wenig prägnant. Medianwärts
gehen sie kontinuierlich ineinander über und es ist sehr willkürlich,
den Nervus facialis als trennendes Agers anzusprechen. Lediglich
an der Körperoberfläche bildet die erste Kiemenfurche und ihr
entsprechend im Innern die erste Schlundtasche eine Trennung
der peripheren Kiemenbogengegend. Beim Embryo von 10,5 mm
Länge ist also noch kein Stapes und kein Musculus stapedius
angelegt.
)
w
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 6:
II. Embryo von 13 mm Länge.
In diesem Stadium ist eine deutliche Abgrenzung der beiden
Kiemenbogen dadurch erfolgt, dass die Schlundtasche erheblich
stärker ausgebildet ist und aboralwärts tiefer in das Blastem
hineinreicht. Aber auch jetzt noch ist, wie Fig. 3 zeigt, zwar die
Trennung des ersten und zweiten Bogens deutlich, aber die des
zweiten Bogens vom Labyrinthblastem weniger deutlich. Um den
Nerven des zweiten Bogens, den Nervus facialis herum, häufen
sich die Blastemzellen in kompakter Substanz. Sie bilden in
erster Linie die blastematöse Anlage des Reichertschen Knorpels
(Bl in Fig. 2). Zwischen der Labyrinthblase und dem aboralen
Ende der ersten Schlundtasche hat in diesem Stadium das Blastem
in der Nachbarschaft des zweiten Bogens und des periotischen
Blastems in rundlichem Bezirk stärkere Färbung angenommen und
lässt die Andeutung einer konzentrischen Schichtung erkennen.
Da dieser Bezirk schon von einem kleinen Gefäss durchsetzt
wird, welches sich aus der Carotis ableiten lässt, so ist diese
Anlage mit Sicherheit als die Stapesanlage zu bezeichnen. Das
Blastem, welches dem Querschnitt des Nervus facialis wie eine
Kappe aufsitzt (Bl Fig. 5), enthält, noch nicht deutlich differenziert,
aber aus den folgenden Serien mit Sicherheit bestimmbar, die
Anlage des Musculus stapedius (Stp). Diese Anlage scheint in
Fig. 3 eine gesonderte Nervenversorgung zu bekommen und zwar
indirekt aus einem vom Facialis zum Glossopharyngeusgebiet
ziehenden Nerven. Nach vollzogener deutlicher Differenzierung
dieses Blastems zum Muskel ist aber keine Rede mehr von einer
solchen indirekten Versorgung. Später wird, da Fuchs eine
solche beim Kaninchen beobachtet hat, noch einmal auf diesen
Punkt zurückgegriffen werden.
Stapesanlage und Stapediusblastem sind deutlich voneinander
geschieden. Ebenso sind Stapes und Labyrinthblase voneinander
getrennt durch helleres Mesenchym — „intermediäre Zone“. Es
ist also aus der Beobachtung dieses Stadiums, bei der zum ersten-
mal die deutliche Differenzierung des Stapes erfolgt ist, nicht
ohne weiteres zu sagen, ob der Stapes zum periodischen Blastem
oder zum zweiten Kiemenbogen gehört. Keinesfalls besteht in
diesem Stadium eine Trennung der Stapesanlage vom zweiten
Kiemenbogen durch Zwischenlagerung der Schlundtasche. Der
Musculus stapedius hingegen ist als echter Abkömmling des
64 Rud. Eschweiler:
zweiten Kiemenbogens zu betrachten. Er hat aber noch keine
Beziehungen zum Stapes.
III. Embryo von 15,25 und 16,5 mm Länge.
Wiederum hat die Ausstülpung der Schlundtasche nach hinten
(aboralwärts) einen grossen Fortschritt gemacht. Zwischen dem
Schnitt durch die Stapesanlage, die hier an ihrem oralen Pol
getroffen ist (Fig. 4 St) und dem Blastem des Reichertschen
Knorpels ist das aborale Ende der Pauke (P) eingeschoben. Wenn
man nur dieses Bild betrachtet, könnte allerdings der Zusammen-
hang des Stapes mit dem zweiten Kiemenbogen als ausgeschlossen
gelten. Der Reichertsche Knorpel resp. sein Blastem, der Amboss
und der Stapes sind nunmehr deutlich aus dem Blastem gesondert,
wenn auch noch keine Spur von Knorpelstruktur zu sehen ist.
Das dem Nervus facialis aufliegende Blastem Bl, welches nun-
mehr als Reichertscher Vorknorpel (Re) bezeichnet wurde,
verjüngt sich in der aboralen Partie und geht hier in einem
gleichmässig dichten Blastemhaufen auf, der dort liegt, wo der
Amboss und der Stapes zusammentreften. Es ist dies das um-
strittene Feld, wo die Meinungen über die Verbindung des
Reichertschen Knorpels mit dem anderen Visceralskelett so
sehr differiert haben. Ziemlich unabhängig von dem Blastem
des Reichertschen Knorpels differenziert sich an der medialen
Seite des Nervus facialis ein Zellhaufen, der schon Andeutung
von Faserzügen durch Parallelstellung seiner spindligen Kerne
hat (Fig. 6 Stp). In diesen Blastemhaufen hinein gibt der Nervus
facialis einen direkt aus ihm entspringenden Nervenfaden ab.
Eine Verbindung dieses Blastems mit dem Stapes ist noch nicht
nachzuweisen. Andererseits ist aber auch die allseitige Isolierung
des Stapes nicht mehr vorhanden. Es muss angenommen werden,
dass in dem Blastemhaufen, der die Annäherung von Reichert-
schem Knorpel, Stapes und Amboss bedeutet, auch die erste
Andeutung eines Anwachsens des Muskels an den Steigbügel
enthalten ist. Der Musculus stapedius ist vom Reichertschen
Blastem losgelöst, dagegen mit dem Stapes in Beziehungen getreten.
Der Muskel liegt dem Nervus facialis auf und wird von ihm direkt
versorgt.
IV. Embryo von 20,5 mm Länge.
Dieser Embryo weist gegen den von 15,25 mm nur graduelle
Unterschiede auf. Die Anlage des Muskels ist noch schärfer von
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 65
ihrer Nachbarschaft gesondert als vorher. Das Blastem an der
Vereinigungsstelle von Reichertschem Knorpel, Stapes und
Amboss ist ebenfalls schärfer abgegrenzt, räumlich mehr beschränkt
und lässt schon die Lage der Muskelsehne ahnen. Die Nerven-
versorgung direkt aus dem Nervus facialis ist deutlich. Die
Frage der Abstammung des Stapes erledigt sich in diesem Stadium,
so sehr haben sich die Verhältnisse schon dem definitiven Zustand
genähert.
V. Embryo von 25 mm Länge.
Dieses Stadium ist besonders dadurch charakterisiert, dass
die Muskelsehne aus dem Blastem hervorzutreten beginnt. Auch
der Muskelbauch hat wieder Fortschritte in seiner Demarkation
gegen die Umgebung gemacht. Während vorher sich der
Reichertsche Knorpel, der Steigbügel und der Amboss in
eine dichte Blastemmasse auflösten, ist nunmehr mit Fortschreiten
der typischen Knorpelbildung eine deutliche Sonderung dieser
Teile eingetreten. Die Verbindung des Steigbügels mit dem
Reichertschen Knorpel schwindet. Es findet keine Rückbildung
einer vorher bestehenden Verbindung statt; vielmehr stellt sich
bei der Differenzierung des Knorpels aus dem blastem heraus,
dass der Reichertsche Knorpel nicht mit dem Steigbügel
in Verbindung tritt, sondern mit einem Knorpelstück, welches
von der Labyrinthkapsel nach unten verläuft, dem Intercalare
(Dreyfus, Fuchs) oder Laterohyale (Broman). Von einem
Ligamentum hyo-stapediale (Fuchs, 1. c., 5. 75) kann man kaum
reden; man müsste denn die erste Andeutung von der Sehne
des Musculus stapedius für ein solches Ligament halten.
Das Gewebsstück, welches von den Autoren Intercalare
genannt wurde, ist in Fig. 9 zwischen Re und LK abgebildet.
Es bildet mit der Wand der Pars inferior labyrinthi eine Nische,
die den vertikalen Facialisverlauf samt dem Musculus stapedius
aufnimmt. An seiner lateralen Seite ist der Processus brevis
Inceudis befestigt. Wie wir später sehen werden, kommt diesem
Stück des Visceralskeletts keine selbständige Stellung und kein
eigener Name zu.
Die Längsachse des Muskels verläuft in diesem Stadium
noch stärker nach hinten. Der Muskel erscheint auf dem Schnitt
abgeplattet kegelförmig, und ist dort, wo keine Sehne mehr zu
sehen ist, scharf gegen seine Nachbarschaft abgesetzt (Fig. 8 Stp).
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. Abt.1. 5
66 Rud. Eschweiler:
Der Muskel klebt noch am Nerven (Fig. 10). Er verfilzt gewisser-
massen mit ihm und erhält dabei seine Innervation. Eine
Annäherung des Muskels an die Wand der Knorpelnische findet
nicht statt.
VI. Embryo von 30 mm Länge.
Ein Zusammenhang des Reichertschen Knorpels mit dem
Stapes ist kaum mehr nachzuweisen. Es ist nur noch die Muskel-
sehne mit dem ihr benachbarten Bindegewebe, welche eine Ver-
bindung beider vortäuscht. Man sieht deutlich, wie der Muskel
an seinem Ursprung weiter entwickelt ist, als an seinem Ansatz.
Seine Ausbildung findet also in aboral-oraler Richtung statt. In
diesem Stadium tritt der Muskelursprung zum erstenmal in Be-
ziehungen zur Wand seiner Nische. Er entspringt zwar noch
vom Nervenstamm, aus dem er Zweige empfängt, aber er greift
hinter ihm herum auf das Intercalare resp. den Reichertschen
Knorpel über, von dem einige Fasern ihren Ursprung nehmen.
Diese Verhältnisse sind in Fig. 13 dargestellt, es muss aber
betont werden, dass dieses Bild dem hintersten Ende des Muskels
entspricht und dass noch in den unmittelbar vorhergehenden
Schnitten ein Haften an der Fläche des Nerven stattfindet.
Reichertscher Knorpel und Intercalare gehen in ähnlicher
Weise ineinander über wie im vorigen Stadium, doch hat man
den Eindruck, dass an dem in Fig. 12 mit Re bezeichneten
Knorpelstück der Reichertsche Knorpel den grössten Anteil hat.
VII. Embryo von 53 mm Länge.
Die Entwicklung des Stapes und des Musculus stapedius
nähert sich rasch dem definitiven Zustand. Eine Verbindung des
Reichertschen Knorpels mit dem Steigbügel besteht in keiner
Weise. Dicht hinter der Verbindung des langen Amboßschenkels
mit dem Stapes erscheint am Stapeskopf die Muskelsehne in
scharfumschriebenem Querschnitt. Die Sehne ist ziemlich kurz
und leicht konisch. Nach Beginn des muskulären Abschnittes
des Musculus stapedius vergrössert sich der Querschnitt rasch.
Der ziemlich dicke Muskelbauch legt sich der medialen Seite des
Nervus facialis an, liegt aber mehr neben ihm als an ihm. Man
hat durchaus nicht mehr den Eindruck des Herauswachsens aus
dem Nerven. Auch findet kein multipler Eintritt von Nerven-
fasern in den Muskel statt, sondern ein grösseres Stämmchen tritt
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 67
in ihn ein, wobei zum erstenmal eine extramuskuläre Strecke des
Muskelnerven zu sehen ist. Der letzte Rest des Muskelbauchs
verliert sich in der Knorpelnische und bezieht hier Ursprungs-
fasern vom lockeren Perichondrium. Die Knorpelnische ist
gewissermassen um den Muskel herumgewachsen.
VIII. Der definitive Zustand.
Bezüglich der Anatomie des knöchernen Felsenbeins kann
auf meine frühere Arbeit verwiesen werden, wo der Knochen
eine genaue Beschreibung und Abbildung erfuhr.
Der Muskelbauch des Musculus stapedius liegt in der Fossa
muscularis minor eingebettet und wird überlagert von dem bogen-
förmig zum Foramen stylomastoideum verlaufenden Nervus facialis.
Damals wurde schon darauf hingewiesen, dass die Muskelgrube
eine Vertiefung des Facialiskanals darstellt. Somit bekommt man
bei der Präparation den Muskel erst zu Gesicht, wenn man den
Nervus facialis nach oben umschlägt. Bei dieser Manipulation
löst sich der Nerv ohne Zerren und ohne Gewaltanwendung leicht
vom Muskelbauch, während er an der Spitze des Muskelkegels
und an der Sehne fester mit ihm zusammenhängt. Es besteht
demgemäss eine innige Befestigung des Muskelbauchs am Nerven,
wie wir sie beim Embryo sahen, im erwachsenen Zustande nicht
mehr. Wenn man den Muskelbauch aus seiner Grube heraus-
wälzen will, so muss man einige Ursprungsfasern lösen, was
allerdings ohne grosse Mühe geht. In Anbetracht der minimalen
Arbeitsleistung, die dem Muskel zukommt, ist auch seine Anheftung
an der Ursprungsstelle nur locker. Der Muskelbauch ist platt-
pyramidenförmig mit etwas kolbiger Basis. Er entwickelt eine
kurze Endsehne, welche am Stapes dicht unter seinem Köpfchen
inseriert. Die Richtung der Sehne und der Längsachse des
Muskelkegels verläuft in der Ebene, welche man durch die Stapes-
schenkel gelegt denkt. Die Zugrichtung entspricht also ziemlich
derjenigen beim Menschen.
Zusammenfassung.
Die erste Andeutung des Stapes sowohl wie der Anlage
des Musculus stapedius enthält der Schweinsembryo von 13 mm
Scheitelsteisslänge. In Fig. 5 ist die Stapesanlage mit St
bezeichnet. Der konzentrische geschichtete runde Zellhaufen ist
mit Sicherheit als Steigbügelanlage zu bezeichnen, weil er von
Iz
68 Rud. Eschweiler:
einem Gefäss — der Arteria stapedialis — zentral durchsetzt
wird und weil in den folgenden Serien seine kontinuierliche
Weiterentwicklung zum Stapes genau zu verfolgen ist. Wie aus
der Abbildung sich ergibt, liegt die Anlage zwischen dem aboralen
Ende der ersten Schlundtasche und dem Blastem des zweiten
Kiemenbogens einerseits und dem Labyrinth andererseits. Durch
die Schlundtasche ist eine völlige Trennung vom ersten Kiemen-
bogen bewirkt, der somit für die Genese der Anlage gar nicht in
Betracht kommt. Eine deutliche Trennung vom Blastem oder,
besser gesagt, der Region des zweiten Kiemenbogens ist aber in
diesem Stadium nicht vorhanden. Die Anlage ist vielmehr sowohl
vom periotischen Blastem, wie von dem dem Nervus facialis auf-
liegenden Blastem, welches sich aus der Region des zweiten
Kiemenbogens differenziert hat, durch je eine helle intermediäre
Zone getrennt, und es ist somit sehr schwer, wenn nicht unmöglich,
aus diesem Befunde heraus den Stapes dem einen oder anderen
zuzuschreiben. Broman glaubt bekanntlich, die Frage nach
der Herkunft des Stapes definitiv dahin entschieden zu haben,
dass er ihn aus einer einheitlichen Anlage entstehen lässt, die
dem Hyoidbogen resp. dem zweiten Kiemenbogen angehört.
Fuchs hat dann aus seinen Studien an Kaninchenembryonen den
Schluss gezogen, dass der Stapes nicht dem Hyoidbogen, sondern
dem periotischen Blastem entstamme. Eine Hauptstütze für seine
Ansicht sieht er darin, dass er (S. 60) sagt: „Alle diese Figuren
zeigen zunächst deutlich, dass das Stapesblastem medial von der
dorsalen Kante der ersten Schlundtasche liegt; ganz besonders
deutlich tritt dies in Fig. 14 auf Taf. V zutage. Und alle diese
Figuren lehren auch, dass das Stapesblasten topographisch zur
Labyrinthanlage gehört.“ Diese Beweisführung ist nicht ganz
überzeugend. Die Fig. 14 von Fuchs entspricht meiner Fig. 4
(Stadium von 15,25 mm). Auf ihr ist allerdings die Stapesanlage
durch die Schlundtasche (P) vollkommen gegen den zweiten
Kiemenbogen abgesetzt, aber diese Trennung ist, wenn man die
Fig. 4 mit Fig. 2 vergleicht, eine sekundäre, die durch stärkere
Ausstülpung der Schlundtasche zustande kommt. In dem Stadium
von 13 mm Länge (Fig. 2) ist die Stapesanlage zwar medial von
dem Schlundtaschenquerschnitt gelegen, aber doch nicht so gegen
den Bezirk des zweiten Kiemenbogens abgegrenzt, dass man von
räumlicher Trennung reden könnte. Diese unsere kritische Be-
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. 69
merkung richtet sich indessen nur gegen die Art der Beweisführung,
resp. gegen die Beweiskraft dieses einen von Fuchs betonten
Faktums. In der Sache selbst stimme ich Fuchs völlig zu und
zwar aus folgenden Gründen: Der Stapes entwickelt sich, wie aus
dem kontinuierlichen Fortschreiten seiner Entwicklung hervorgeht,
zweifellos aus einem Kern. Nicht die mindeste Andeutung für
eine separate Anlage der Fussplatte besteht. Diese geschlossene
Entwicklung geht topographisch und histologisch Schritt für
Schritt mit der Entwicklung des periotischen Blastems. Man
kann zwar in meiner Serie nicht verfolgen, wie etwa eine Ab-
spaltung der Stapesanlage vom periotischen Blastem erfolgt, aber
wenn man die Serie II von vorne nach hinten durchsieht, und
von Fig. 2 zu Fig. 53 kommt — zwischen beiden Bildern liegen
acht Schnitte — so überzeugt man sich, dass schon in diesem
primitiven Stadium eine Trennung beider Entwicklungsbezirke,
nämlich der Stapes- und Labyrinthregion einerseits und der
Gegend des Hyoidbogens andererseits besteht. Eine Trennung,
die auch durch die Zwischenlagerung des arteriellen Gefässes a
auf Fig. 2 äusserlich in Erscheinung tritt. Späterhin findet ja
eine Annäherung des Reichertschen Blastems an den Stapes
statt, aber diese ist sekundär und auch vorübergehend, da bei
weiterer Entwicklung wieder eine Selbständigkeit des Stapes ein-
tritt. Berücksichtigt man ferner Fig. 1, wo von der Stapesanlage
noch nichts zu sehen ist, so muss man sich überzeugen, dass die
Ursprungsstätte des Stapes in dem Raum zwischen dem Nervus
facialis und der Vena capitis lateralis einerseits und dem Labyrinth
andererseits zu suchen ist. Dieser Raum ist aber durch Vene und
Nerv gänzlich vom Kiemenbogenblastem getrennt. Späterhin mit
dem Auswachsen der Teile verwischt sich diese Trennung, bis dann
mit tieferer Ausstülpung der Schlundtasche wieder eine ganz
scharfe Sonderung vom Bezirk des zweiten Kiemenbogens eintritt.
Der zweite Grund ist das Verhalten des Musculus stapedius.
Derselbe ist sicher ein Abkömmling des zweiten Kiemenbogens.
Er hat aber in seiner ersten Anlage gar keine Beziehung zum
Stapes, dagegen ganz enge Beziehungen zum Reichertschen
Knorpel. Erst sekundär tritt er mit dem Steigbügel in Ver-
bindung, im Gegensatz zum Tensor tympani, der genetisch zum
Hammer gehört. Wäre der Stapes ein Abkömmling des zweiten
Kiemenbogens, so müssten die Anlagen beider in primitivem
70 Rud. Eschweiler:
Zustande zusammenhängen. Die Nervenversorgung des Muskels
durch den Nervus facialis kann also nicht zum Beweise für die
Zugehörigkeit des Stapes zum Hyoidbogen verwendet werden.
Hierin befinde ich mich im Gegensatz zu Broman, der sich
dahin äussert, dass für die Entstehung des Stapes aus dem
zweiten Kiemenbogen „auch dasvon Rab 1 hervorgehobene Faktum,
dass der Musculus stapedius von dem Nerv des Hyoidbogens, dem
Nervus facialis, innerviert wird“ (S. 616) spricht.
Während der Stapes seit Jahrzehnten zu den meist durch-
forschten und meist umstrittenen Skelettanlagen gehört, ist man
dem Musculus stapedius noch nicht bis auf seine ersten Anlagen
nachgegangen. Allerdings ist das Blastem, dem der Muskel
entstammt, von den Forschern gesehen worden. Broman z.B.
gibt ihm den Namen „Facialismantel“ (S. 562). Im übrigen
erwähnen sowohl Broman wie Fuchs den Muskel erst, wenn
er deutlich differenziert ist.
Die erste ganz zweifellos als Muskelanlage zu be-
zeichnende Blastemmasse haben wir beim Embryo von 15,25 mm
Länge beobachtet. Es ist eine relativ voluminöse, durch Parallel-
lagerung der spindelförmigen Kerne faserig aussehende Blastem-
masse, die dem Nervus facialis medial dicht aufsitzt und nach
oben hin (dorsalwärts) mit dem Reichertschen Blastem noch
zusammenhängt. Die Anlage liegt dort, wo der Nervus facialis
anfängt, aus dem horizontalen Verlauf in seine Biegung nach
oben überzugehen (der Verlauf in centripetaler Richtung gedacht,
entsprechend dem Betrachtungsmodus der Serien). Demgemäss
ist aus dem Schnittbilde der Stapes schon verschwunden, d.h. die
Anlage liegt aboralwärts vom Stapes.
Mit ziemlich grosser Sicherheit kann man aber diese Anlage
schon beim Embryo von 13 mm Länge identifizieren. Es ist
allerdings sehr schwer, einen Blastemhaufen genau zu lokalisieren.
Gegen die Annahme, dass der beim Embryo von 13 mm Länge
mit Stp bezeichnete Zellhaufen schon die erste Anlage des
Muskels ist, sprach anfangs der Umstand, dass diese supponierte
Muskelanlage gleichzeitig mit dem ersten Anschnitt des Stapes
im Bilde erscheint, im Gegensatz zu dem eben erwähnten Bilde
des Embryos von 15,25 mm. Da man nun die Schnittebene auch
bei grösster Sorgfalt nie in genau gleiche Richtung bei zwei
Serien bringen kann, und da auch durch die Veränderung der
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. el:
Krümmungsverhältnisse des Embryokopfes bei fortschreitender
Entwicklung Verschiebungen der Organe in ihrer Lage zu einander
vorkommen (vergleiche meine frühere Arbeit S. 152), so suchte
ich nach einem Punctum fixum nahe der Muskelanlage. Als
solches glaube ich die Abgangsstelle der Chorda tympani vom
Nervus facialis bezeichnen zu können. Wenn man von diesem
Punkte aus die Zahl der Schnitte bis zum deutlich ausgeprägten
Muskelblastem feststellt, so ergeben sich für das Stadium von
13 mm 11 Schnitte, für das von 15,25 mm 5 Schnitte und für
das von 16,5 mm 3 Schnitte. Es besteht somit eine ziemlich
übereinstimmende Topographie und eine anscheinend gesetzmässige
Wanderung der Anlage oralwärts. Auffallend ist im Stadium von
13 mm Länge der Eintritt eines Nervenfadens in die Muskel-
anlage, der nicht direkt aus dem Nervus facialis, sondern aus
einem Seitenast dieses Nerves entspringt. Da Fuchs den
Musculus stapedius beim Kaninchen aus einem Verbindungsast
des Nervus facialis mit dem Glossopharyngeusgebiet innerviert
werden lässt, so glaubte ich hier im primitiven Stadium seine
Angaben auch für den Schweinsembryo bestätigen zu können.
Die Durchsicht aller älteren Serien zeigt indessen, dass die
Muskelanlage resp. der Muskel direkt aus dem Nervus facialis
versorgt wird.
Die Muskelanlage wird bei fortschreitender Entwicklung
immer deutlicher gegen ihre Nachbarschaft abgegrenzt, einmal
durch eigene fortschreitende histologische Differenzierung, dann
auch durch Aufhellung der Umgebung, d. h. dadurch, dass die
nicht zu einem bleibenden Organ werdenden Blastemzellen den
Charakter indifferenten hellen Bindegewebes annehmen. Dies
letztere ist besonders auch bei dem Blastem des zweiten Kiemen-
bogens zu beobachten. Dadurch tritt eine Sonderung der Muskel-
anlage vom Reichertschen Blastem auf und wir sehen in Fig. 7
beim Embryo von 20,5 mm Länge, wie die Muskelanlage gegen
den Reichertschen Vorknorpel schon ziemlich gut abgesetzt
erscheint. Zum Stapes bestehen noch keine Beziehungen. Diese
bilden sich erst beim Embryo von 25mm Länge (Fig. 8, 9, 10).
Hier ist der Reichertsche Knorpel schon auf einer ziemlich
vorgeschrittenen Entwicklungsstufe angelangt und mit dem jung-
knorpligen Stapes durch eine dichte Zellmasse verbunden. Diese
Zellmasse als Ligamentum hyo-stapediale zu bezeichnen, halte ich
|
[865]
Rud. Eschweiler:
nicht für richtige. Wenn man jeden Blastemstrang, der nur im
primitiven Entwicklungsstadium zu sehen ist, benennen wollte,
so wäre der Namen kein Ende. Auch weckt man durch solche
Bezeichnungen den Anschein, als ob es sich um Gebilde handele,
die angelegt werden und dann wieder vergehen. Es handelt sich
aber hier nicht um Entstehen und Vergehen, sondern um all-
mähliches Herausentwickeln der Organe aus einem Blastemhaufen,
wobei durch nicht gleichmässige Aufhellung des unbenutzten
Blastems zum indifterenten Bindegewebe vorübergehend Schnitt-
bilder entstehen, die sehr wechselnd sind, da individuelle Ver-
schiedenheiten und rasche Veränderungen in kleinen Zeiträumen
vorkommen. Dieser Ansicht ist auch Fuchs (S. 134). Ich
möchte aber noch etwas weiter gehen und auch noch andere
Gebilde als nicht aufgehelltes Bindegewebe bezeichnen. Zunächst,
wie eben bemerkt, das Ligamentum hyo-stapediale oder Interhyale.
Der so benannte Zellkomplex ist allerdings auf einer gewissen
Entwicklungsstufe deutlich zu sehen, besonders deshalb, weil er
die Sehnenanlage des Musculus stapedius enthält. Wenn man die
Bilder Fig. 5, 6, 7, 8, 9 der Reihe nach betrachtet, so sieht man,
wie aus dem Blastemhaufen, wo Stapes, Incus und Reichert-
scher Knorpel zusammenstossen, sich diese Skeletteile immer
deutlicher sondern, wie zwischen Reichertschem Knorpel und
Stapes ein Zellhaufen übrig bleibt, in dem der in Fig.8 mit Stp
bezeichnete dunkle Komplex sich abhebt. Dieser Komplex ent-
spricht der Spitze des Muskelkonus des Musculus stapedius, resp.
seinem Sehnenende, welches nunmehr an den Stapes herantritt.
Der Muskelbauch selbst ist schon deutlich gegen seine Nachbar-
schaft abgesetzt.
Auch ist in diesem Stadium zum erstenmale zu sehen,
wie das aborale Ende des Reichertschen Knorpels mit der
Labyrinthkapsel in Verbindung tritt. An dieser Verbindungs-
stelle ist, wie eben erwähnt, das Intercalare beschrieben worden.
Durch die Verschmelzung des Reichertschen Knorpels mit der
Labyrinthwand ist nunmehr eine Nische des Schläfenbeins gebildet,
in welche die uns hier interessierenden Teile eingebettet sind. Sie
ist das von Drüner und Fuchs sogenannte „Antrum petrosum
laterale“. In dieser Nische verläuft der Nervus facialis vertikal
und mit ihm der Musculus stapedius, der jetzt erst die Möglich-
keit bekommt, mit dem Schläfenbein in Beziehung zu treten.
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes. U)
Beim Embryo von 25 mm Länge ist davon noch nichts zu sehen. Der
Muskel liegt teils dem Facialis auf (Fig. 9), teils verfilzt sich
seine Basis fest mit dem Nerv (Fig. 10). Aber schon im nächst-
folgendem Stadium greift der Muskel hinter dem Nervus facialis
herum auf die mediale Wand der Nische über (Fig. 12). Seine Sehne
ist noch von dichtem Gewebe eingehüllt und viel weniger differenziert
als die Muskelbasis. An allen Serien kann man beobachten, wie
der Muskel an seiner Basis stets am weitesten entwickelt ist.
In Fig. 11 ist dargestellt, wie jetzt das sogen. Ligamentum
hyo-stapediale nur noch schattenhaft eine Verbindung des Stapes
mit dem Reichertschen Knorpel darstellt und tatsächlich nur
die noch bindegewebig umhüllte Sehne des Musculus stapedius
repräsentiert. Die völlige Differenzierung der Sehne ist in dem
letzten Stadium von 55 mm Länge enthalten. Die Sehne erscheint
im Querschnitt scharf umschrieben, weil der Bindegewebsmantel
verschwunden ist (Fig. 13). Von dem Sehnenquerschnitt zieht
ein Zellstrang zum hinteren Rande der Nische der Fenestra
vestibuli. Ich möchte ihm aber keine Bedeutung beimessen,
sondern ihn wie oben ausgeführt erklären.
Der Muskelbauch liegt dem Nervus facialis noch enge an,
bezieht aber kaum mehr Ursprungsfasern von ihm. Es ist somit
ein dem definitiven Zustande entsprechendes Verhalten erreicht.
Das hinterste Ende des Muskelbauchs verliert sich in der Nische
(Antrum petrosum laterale) und ist dabei etwas vom Nerven
abgerückt, so dass eine extramuskuläre Strecke des Muskelnerves
zu beobachten ist. Der Muskel inseriert jetzt an dem von den
Autoren Intercalare oder Laterohyale genannten Skeletteil. In
der Literatur wird die Entwicklung des aboralen Endes des
teichertschen Knorpels so dargestellt, als ob die Verbindung
desselben mit dem Schläfenbein durch ein selbständig angelegtes
Zwischenstück, eben das Intercalare, erfolge. Es ist darüber ge-
stritten worden, ob dieses Zwischenstück zum Hyoidbogen oder
zum Schläfenbein resp. zum periotischen Blastem gehöre. Fuchs
sagt bei Besprechung dieser Frage: „Wichtig wäre es zu wissen,
ob das Intercalare etwa zuerst mit der Labyrinthkapsel oder zuerst
mit dem Reichertschen Knorpel verschmilzt, oder ob es mit
beiden zugleich verschmilzt“ (S. 131).
In meinen Serien ist der Gang der Entwicklung so, dass,
wie ich schon in meiner früheren Arbeit betonte, die Entwicklung
14 Rud. Eschweiler:
der Kiemenbogen und speziell des Reichertschen und Meckel-
schen Knorpels in oral-aboraler Richtung fortschreitet; successive
lösen sich aus dem Blastem der Kiemenbogen das Blastem der
Visceralknorpel und endlich diese selbst heraus. Zu einer Zeit,
wo in unserem jetzigen Terrain noch alles Blastemhaufen ist, ist
in der Gegend der Mundhöhle schon Knorpelbildung zu beobachten.
Nun entwickelt sich in der aboralen Richtung immer mehr Blastem
zu Vorknorpel resp. Knorpel. In gleicher Weise entwickelt sich
das periotische Blastem zu Vorknorpel und Knorpel und schickt
um den Nervus facialis herum einen Fortsatz von werdendem
Knorpel dem heranrückenden Reichertschen Knorpel entgegen.
Beide Teile verschmelzen und es ist gar nicht möglich, die Stelle
zu bezeichnen, wo sie verschmelzen. Es gibt also kein
Intercalare. Es gibt nur, wenn die Verschmelzung fertig ist,
eine spangenartige Verbindung des Reichertschen Knorpels
mit der Labyrinthkapsel.
Bei dieser Gelegenheit kann es kaum umgangen werden,
nochmals gegen die grobmechanischen Auffassungen der Ent-
wicklungsmechanik Front zu machen. Immer wieder stösst man in
der Literatur auf Ausdrücke wie: Abschnürung, Einschnürung usw.
durch Nerven und Gefässe, gerade als ob ein Kampf zwischen
den Organanlagen bestände. Es ist aber unseres Erachtens keine
mechanische Einwirkung der Organe auf einander, die zur
definitiven Gestaltung führt, sondern es besteht eine im
Organ liegende Tendenz zu typischer Gestaltung.
Jedes Organ wächst aus sich heraus; keines stört das andere.
Sie fügen sich vielmehr alle in das phylogenetisch erworbene
Schema widerstandslos ein.
Zum Schlusse mögen noch einige Bemerkungen zum Vergleich
der Entwicklung des Musculus tensor tympani mit derjenigen des
Musculus stapedius am Platze sein. |
Besonders auffallend ist bei diesem Vergleich die sehr frühe
Anlage des Musculus stapedius. Während bei dem Embryo von
14 mm meiner früheren Arbeit weder eine als solche erkennbare
Hammeranlage noch eine Hammermuskelanlage zu sehen ist, ist
bei unserem Embryo von 13 mm Länge die Anlage des Stapes
und des Musculus stapedius zu erkennen. Bezüglich des Stapes
ist dies zum Teil darauf zurückzuführen, dass der Stapes, der,
wie wir sahen, nicht vom Hyoidbogen abstammt, eine grössere
Qt
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes.
Selbständigkeit besitzt als der Hammer. Er setzt sich deutlicher
ab, weil seine Nachbarschaft freier ist. Aber der Musculus
stapedius ist nicht nur in diesem Stadium schon angelegt, sondern
auch im folgenden von 15.25 mm so deutlich, wie nicht annähernd
der Tensor tympani. Bei diesem Embryo kann man zwar schon
ungefähr den Ort bestimmen, wo der Tensor tympanı sich
entwickeln wird. Aber wenn man diese Verhältnisse mit der
Fig. 6 vergleicht, wo nicht nur die Muskelanlage als solche
deutlich erkennbar ist, sondern auch der Muskelnerv, so ist der
Unterschied zugunsten des Musculus stapedius ganz eklatant. Es
ist auffallend, dass sich die Autoren, soweit sie den Musculus
stapedius flüchtig erwähnen, in umgekehrtem Sinne äussern.
Broman betont ausdrücklich (S. 574), „dass der Musculus tensor
tympani angelegt wird, ehe noch eine Andeutung des Musculus
stapedius existiert“. Allerdings sahen wir schon, dass der ersten
Anlage des Muskels bisher niemand nachgeing. Broman hat
an menschlichen Embryonen studiert. Es müsste um die Gegen-
sätze zu versöhnen, die Annahme gemacht werden, dass derartig
grosse und fundamentale Unterschiede zwischen Menschen- und
Tierembryonen bestehen.
Ein zweiter Punkt der Unterscheidung ist darin gegeben,
dass der Musculus tensor tympani und der Hammer genetisch in
inniger Beziehung zueinander stehen. Sie sind gewissermassen
aus einem Guss, aus demselben Blastem geschaffen. Der Musculus
stapedius dagegen ist ein echter Abkömmling des Hyoidbogens und
tritt erst sekundär mit dem Stapes, der dem periotischen Blastem
entstammt, in Verbindung.
Drittens endlich findet beim Musculus stapedius keine
wesentliche Verlagerung der ersten Anlage statt, d. h derjenigen
Blastemmasse, welche zuerst als Muskelanlage zu identifizieren
ist. Ob nieht in noch früheren Stadien ein enger begrenztes
gemeinsames Ursprungsgebiet für alle vom Nervus facialis ver-
sorgten Muskeln nachweisbar ist, sowie eine sekundäre Verlagerung
der im definitiven Zustand so weit auseinanderliegenden Muskeln,
konnte an unseren Embryonen nicht entschieden werden. Wahr-
scheinlich sind Säugetierembryonen überhaupt nicht geeignet zur
Erforschung dieser Frage; will man aber niedrigere Tierformen
im embryonalen Zustand heranziehen, so muss wieder die ganze
komplizierte Erörterung über homologe Skeletteile und Organe
76 vud..Eschweiler:
aufgerollt werden. Die Verhältnisse liegen hier viel komplizierter
als am Auge, wo es Nussbaum') bekanntlich gelang, sehr
interessante Verlagerungen der Muskulatur nachzuweisen.
Von Anfang an ist das Terrain, in dem sich die Entwicklung
abspielt, gegeben. Wie wir sahen, findet eine geringe Wanderung
der Muskelanlage oralwärts statt und eine gewisse Drehung des
Muskels in der Weise, dass die Achse seiner Pyramide mit
ihrem basalen Ende nach hinten (aboralwärts) verschoben wird.
Aber diese Drehung ist gar nicht zu vergleichen mit der Ver-
lagerung, die die Anlage des Musculus tensor tympani bei dem
Längenwachstum der mehr oralen Partien des Kiemenbogens
erleidet.
Beiden Muskeln gemeinsam ist die Art der Entwicklung der
an ihrem Platz angelangten Anlage zum Muskel. Bei beiden
wird aus dem Blastem die Muskelfaser zuerst da entwickelt, wo
der aborale Pol der Anlage sich befindet; das ist beim Musculus
stapedius die Basis des Muskelkegels, die dem Nervus facialis
aufsitzt. Bei beiden schreitet dann die Entwicklung der muskulären
Elemente in aboral-oraler Richtung fort, so dass bei beiden, dem
Nussbaum schen Gesetz entsprechend, die intramuskuläre Nerven-
strecke in derselben Richtung laufend zu beobachten ist.
Endlich gewinnen beide Muskeln dadurch erst den Anschluss
an den Knochen, dass der Knochen nischenförmig um sie herum-
wächst. Bei beiden ist also der Ursprung vom Schläfenbein
ein sekundärer.
!) M. Nussbaum. Die Entwicklung des Auges im Handbuch der
Augenheilkunde von Graefe-Saemisch.
Zur Entwicklung des Musculus stapedius und des Stapes.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel III.
1. Embryo von 10,5 mm Scheitel-Steisslänge. Schnitt 123. Beschreibung
siehe Seite 54.
2. Embryo
3. Embryo
4. Embryo
5. Embryo
6. Embryo
7. Embryo
8. Embryo
9. Embryo
10. Embryo
11. Embryo
12. Embryo
13. Embryo
14. Embryo
15. Embryo
a
B = Zweiter Kiemenbogen.
Bl = Blastem des Reichertschen Knorpels.
ch = Chorda tympani.
f. c. — Fenestra cochleae.
f.v. — Fenestra vestibuli.
Gl = Ganglion aus dem Glossopharyngeusgebiet.
el = Ganglion aus dem Plexus tympanicus.
Je T—imeus:
L L'’= Labyrinth.
Lk = Labyrinthkapsel.
M = Malleus.
N’ = Nervus trigeminus.
N’ = Nervus facialis.
n = Verbindungsnerv zwischen N? und dem Glossopharyngeus.
P == Paukenhöhle resp. erste Schlundtasche (TI).
Re = Reichertscher Knorpel resp. Blastem.
St == Stapes.
Stp — Musculus stapedius resp. Anlage desselben.
V.j. = Vena capitis lateralis sive Vena
I — Erste Schlundtasche.
von 13 mm Länge.
von 13 mm Länge.
von 15,25 mm Länge.
von 15,25 mm Länge.
von 15,25
von 20,5
von
von
von
von
von
von
von
von
25 mm Länge. Schnitt 284.
25 mm Länge. Schnitt 290.
25 mm Länge. Schnitt 296.
30 mm Länge. Schnitt 256.
30 mm Länge. Schnitt 263.
55 mm Länge. Schnitt 259.
55 mm Länge. Schnitt 267.
535 mm Länge. Schnitt 276.
Zeichenerklärung.
mm Länge.
mm Länge.
Schnitt 13.
Schnitt 22.
Schnitt 186.
Schnitt 19.
Schnitt 203.
Schnitt 250.
Erster Kiemenbogen.
Arterielles Gefäss, aus der Carotis primitiva stammend.
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung :
Beschreibung :
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
Beschreibung
jug. primitiya.
a a Qu OOo or Or
SESEIEDESEITTS
foy |
o
Über eine feine Struktureigentümlichkeit der
Epithelzellen der Gallenblase.')
Von
Dr. G. D’Agata
Ehren-Assistenten am Institut für allgemeine Pathologie und Histologie
zu Pavia (Vorstand Prof. C. Golgi).
Mit 2 Textfiguren.
Nach den wichtigen Mitteilungen Golgis (1) über den
inneren Netzapparat der Nervenzellen hat eine ganze Reihe von
Untersuchern diese Struktureigentümlichkeit in zahlreichen anderen
Zellelementen, sowohl normalen als pathologischen, zur Anschauung
gebracht.
Es mögen hier in chronologischer Aufeinanderfolge erwähnt
werden: die Untersuchungen Verattis (2) über die Nervenzellen
des Sympathicus, jene von Pensa (3) über die Zellen der Neben-
nieren und von Negri (4) über die Zellen des Pankreas, des
Parotis, der Schilddrüse, des Epithels der Nebenhoden und des
Primäreies.
Auf diese Studien folgten die Untersuchungen Pensas (5)
über die Zellen der Nierenkapseln und der Knorpelzellen,
jene Verattis (6) über die Muskelfasern, ferner die Studien
Marenehis (7) über die Zellen der Cutis bei Ammocoetes
branchialis, jene von Gemelli (S) über die Zellen der glandulären
Partie der Hypophyse, von Ancona (9) über jene der Tränen-
drüse, von Brugnatelli (10) über die Nierenzellen, von
Stropeni (11) über die Leberzellen, von Vecchi (12) über
die Deciduazellen, von Bizzozero (13) über die Zellen der
Talgdrüsen, von Maccabruni (14) über die Megaryocyten, von
Riquier (15) über die Luteinzellen, von Lucioni (16) über die
Zellen der weichen Muttermale. Ein möglicherweise dem Golgi-
schen entsprechender Netzapparat ist ferner von Sinigaglia (17)
in den roten Blutkörperchen der Amphibien beschrieben worden.
Wie man sieht, ist es gelungen, den inneren Netzapparat
bei einer grossen Anzahl von verschiedenartigen Gebilden zur
=; ı) Die mikroskopischen Präparate sind in der Sitzung vom 12. Juli 1910
der „Societa Medico-Chirurgiea“* zu Pavia demonstriert worden.
Struktureigentümlichkeit der Epithelzellen der Gallenblase. 79
Anschauung zu bringen; ja, selbst unter pathologischen Verhält-
nissen ist derselbe — mehr oder weniger modifiziert — angetroffen
worden. Ferner ist der Apparat auch zum Gegenstand von Studien
geworden in verschiedenen Funktionsperioden mancher Kategorien
von Grebilden. So hat Golgi (15) im vergangenen Jahre Bericht
erstattet über die Veränderungen des Netzapparates der Magen-
schleimhautzellen, zusammenhängend mit den die Gestalt und
Zusammensetzung der Epithelien betreffenden, mit der Schleim-
entartung derselben verknüpften Modifikationen.
Wie ich bereits bekannt gemacht habe, ist es mir durch
einfaches Auskratzen möglich gewesen, in den Magenschleimhaut-
zellen von Triton beständig eine Änderung der Gestalt und Lage
des Netzapparates je nach den verschiedenen biologischen Zuständen
der Epithelien zu Gesicht zu bekommen (19).
Vorliegende kurze Mitteilung hat nun den Zweck, auf das
am inneren Netzapparat der Fpithelzellen der Gallenblase Fest-
gestellte aufmerksam zu machen. Ich halte es insbesondere für
angezeigt, die von mir erzielten Resultate bekannt zu machen,
weil Policard (20) in letzter Zeit in der „Societe de Biologie“
die Mitteilung gemacht hat, es sei ihm möglich gewesen, in den
Epithelzellen der Gallenblase ein angeblich in der Basalpartie
der (Grebilde vorkommendes „dispositif mitochondrial“ darzustellen.
Nach Policard zeigt sich .diese mitochondriale Anordnung
aus dünnen, unregelmässig verteilten granulösen bezw. varikösen
Fäden von verschiedener Länge und Dicke zusammengesetzt.
Mit Hilfe des neuen (olgischen Verfahrens (arsenige Säure)
habe ich bei verschiedenen Tierarten — namentlich Meer-
schweinchen — einen ächten inneren Netzapparat zur Wahr-
nehmung bringen können, morphologisch und topographisch diffe-
renzierbar von jenem von dem französischen Forscher beschriebenen.
Dieser Apparat erscheint als ein einfacher, aus einigen,
mehr oder weniger groben, miteinander zu einem unregelmässig
gestalteten, nicht sehr komplizierten Netzwerk verflochtenen Fäden
bestehend. In den durch Schaben der Schleimhautoberfläche ge-
wonnenen Epithelfragmenten erscheint der Apparat als ein offener,
unregelmässig gestalteter Ring, aus Fäden zusammengesetzt, die
sich miteinander zu Gebilden verflechten, ähnlich den in Fig. I —
auf die ich verweise — dargestellten. Dieses Geflecht liegt in
der zwischen dem Kern und dem freien Rande der Zellen befind-
s0 Dr. G: Dy’ Ag data;
lichen Partie. Von einer solchen Lage überzeugt man sich leicht an
senkrecht zur Schleimhautoberfläche geführten Schnitten (s. Fig. ID).
Dieser endocelluläre Apparat ist in bezug auf Gestalt, Sitz
und sonstige Beziehungen konstant.
Fig.d
Di,
ss o
Br
ee
#7
Ich halte es für unnütz, auf die Morphologie des von mir
zur Anschauung gebrachten Apparates hier näher einzugehen.
Hervorheben möchte ich nur, dass der von mir erhobene Befund
sich wohl kaum mit dem von Policard mitgeteilten identi-
fizieren lässt.
Es liefert dies einen neuen Anhaltspunkt für die Annahme,
dass der Netzapparat und der mitochondriale zwei verschieden
beschaffene und verschieden zu deutende Bildungen darstellen,
eine Auffassung, die von «olgi (1) vertreten wurde und zu deren
Gunsten die Erfahrungen Verattis(6) und Perroncitos (21) —
denen ich jetzt vorliegenden bescheidenen Beitrag hinzufüge —
sprechen dürften.
Literaturverzeichnis.
1. Golgi: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1898 —1899.
Derselbe: Anat. Anz., Verhand. d. Anat. Gesell. 1900.
Derselbe: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908.
2. Veratti: Anat. Anzeiger, Vol. XV, 1898.
3. Pensa: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1899.
4, Negri: Boll. Societä Medieo-Chirurg. di Pavia 1909.
5. Pensa: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1901.
6. Veratti: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1909.
7. Marenghi: Memorie R. Istit. Lombardo di Scienze e Lettere 1903.
8. Gemelli: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1900.
Struktureigentümlichkeit der Epithelzellen der Gallenblase. 81
Ancona: Dissert. laurea Pavia 1909.
Brugnatelli: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908.
Stropeni: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908.
Vecchi: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1908.
Bizzozero e Botterselle: Arch. Scienze Mediche, No. 12, 1909,
Maccabruni: Boll. Societ4 Medico-Chirurg. di Pavia 1909.
. Riquier: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1909.
Lucioni: Arch. Scienze Mediche, No. 21, 1909.
. Sinigaglia: Arch. Scienze Mediche, No. 29, 1910.
Golgi: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1909.
D’Agata: Boll. Societä Medico-Chirurg. di Pavia 1910.
Policard: Compt. rend. Soci6te de Biologie, Paris, No. 24. 1909.
. Perroncito: Atti Reale Accadem. dei Lincei 1910.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.l. 6
Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula Il.
Von
J. H. F. Kohlbrugge.
Mit 2 Textfiguren.
Unter dem gleichen Titel brachte ich im vergangenen
Jahre Mitteilungen über das Eindringen der Spermatozoiden in
die Blastula bei Fledermäusen. Ich zeigte, dass, wenn diese sich
bereits so weit entwickelt hat, dass das Entoderm ausgebildet
ist und der embryonale Knoten sich deutlich vom Trophoblast
abhebt, immer neue Spermien in die Zellen des Embryo eindringen.
Ich sprach am Schluss den Wunsch aus, dass durch Nachprüfung
bei anderen Tieren recht bald festgestellt werden möchte, ob hier
eine Erscheinung vorliegt, die für alle Säugetiere eilt.
Inzwischen hatte ich Gelegenheit, diese Verhältnisse bei
Kaninchen nachzuprüfen. Es wurden die Weibchen eine be-
Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula II. to)
stimmte Anzahl Stunden nach der persönlich beobachteten Be-
gattung getötet und dann der Geschlechtsapparat in Schnittserien
zerlegt, um festzustellen, was aus den Spermatozoiden geworden
war, die in die Vagina ejakuliert waren. Es war mir besonders
darum zu tun, festzustellen, ob die Spermien auch, noch vor
Ausbildung der Blastula, in die sich teilenden Furchungskugeln
eindringen. Dies geschieht, wie ich früher hervorhob, bei Fleder-
mäusen nicht, bei diesen ist auch die Morula noch lange von der
Zona pellucida umschlossen, und diese scheint ausser dem ersten
befruchtenden Spermatozoid keine weiteren durchzulassen. Man
kann dies als feststehend annehmen, da mir sehr viele Eier aus
allen Stadien vorliegen, in denen niemals Spermien gefunden
wurden, so lange die Zona sie umgab.
Bei Kaninchen verhält sich die Sache ganz anders. Die
Eier zeigen zwar stets die Zona bei den hier beobachteten
Stadien von 2, 4. 6, 8 Furchungskugeln, aber diese Zona hält
die Spermatozoiden nicht zurück. So lange nur zwei Furchungs-
kugeln vorhanden sind, sieht man zwar zuweilen einige Spermien
in der Zona, aber niemals in den Furchungszellen oder zwischen
diesen. Ist die Teilung aber weiter fortgeschritten (4, 6, S Zellen),
dann zeigt fast jeder Durchschnitt solch eines Eies mehrere
Spermien. Die meisten findet man am Innenrande der Zona
und also zwischen dieser und den Eizellen, andere sind aber
bereits in diese Zellen eingedrungen. Die beiden Abbildungen
zeigen dies deutlich, die eine zeigt vier, die andere sechs Zellen.
Diese sind von der Zona umschlossen, der zuweilen noch Zellen
der Granulosa anliegen, und das ganze wird von einer zweiten
Schicht (Aussenzona) umhüllt, welche weit dicker ist als die
eigentliche Zona. Kirkham!) gab vor kurzem Abbildungen
der Eier von Mäusen, die die gleiche doppelte Umhüllung zeigen.
24 Stunden nach der Cohabitation fand ich nur zwei Zellen,
nach 30 Stunden deren vier und nach 48 Stunden sechs bis acht.
Es scheint, dass die Spermien in dem Protoplasma zu kleinen,
länglichen, tonnenförmigen Gebilden anschwellen, die das Chromatin
nur an dem einen Pol zeigen. Solche wurden in beiden Figuren
abgebildet und mit K bezeichnet. Ich habe sie nirgends in die
!) Maturation of the Egg of the white mouse. Transactions Connecticut
Academy, Vol. XIII, p. 65, 1907, Textfigur 1—4.
6*
54 I. HH. FIRohIhTmeR er
Kerne der Zellen eindringen sehen, auch sah ich nicht, dass sie
sich diesen Kernen anlegten wie bei den Fledermäusen. Ich
kann noch hinzufügen, dass bei älteren Stadien, also bei der
eigentlichen Blastula, ebensogut Spermien in deren Zellen treten,
wie dies für Fledermäuse festgestellt wurde. Damit ist nun
wahrscheinlich gemacht, dass gleiches für alle Säugetiere gilt;
es werden jetzt die Haifische bearbeitet, über die ich später
berichten werde.
Fig. 2.
Ich fasse diese Erscheinung so auf, dass die Spermatozoiden
einerseits als Aktivitäts- oder Energiespender zu betrachten sind,
welche die Eizellen reizen, zur Teilung anregen, andererseits
nehme ich an, dass die Spermatozoiden dem Ei Nahrungsstoffe
zuführen, so lange dieses noch frei schwebt, also noch nicht mit
der Uteruswand verklebt ist. Legt sich das Ei aber an die
Mucosa an, dann spielen die Spermien wieder eine Rolle bei
dieser Verklebung oder Umwachsung (Einbettung), wie ich bei
Fledermäusen gezeigt habe. Bei Kaninchen konnte ich diese
Stadien noch nicht beobachten.
Der Einfluss der Spermatozoiden auf die Blastula II. 8
Ob das Eindringen der Spermien auch irgend welche Rolle
bei der Vererbung spielt, ist natürlich auf dem bisher befolgten
Wege nicht zu ermitteln; das wird sich nur durch das Experiment
feststellen lassen, indem man ein zweites vom ersten ganz ver-
schiedenes Männchen einige Stunden nach der Befruchtung zu
dem Weibchen lässt, oder dessen Samen künstlich injiziert. Ob
auf diesem Wege etwas zu erreichen ist, bleibt abzuwarten. Die
ersten Schritte in dieser Richtung sind getan, aber ich fürchte
dabei auf grosse Schwierigkeiten zu stossen, die auseinander-
zusetzen hier wohl nicht der Ort ist.
Utrecht, den 15. Dezember 1910.
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87
Aus der Universitäts - Augenklinik in Freiburg i. Br. (Direktor: Geheimrat
Professor Dr. Th. Axenfeld).
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes
im Auge der Wirbeltierembryonen und in
Chorioidealsarkomen.
Von
Dr. Aurel v. Szily, Privatdozent und I. Assistent der Klinik.
Hierzu Tafel IV— VII.
Inhalt: Seite
1; anlage Re; N 87
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1. Einleitung.
Die dunklen Pigmente, die sogenannten Melanine, erfreuen
sich einer weiten Verbreitung in der Tierreihe. Die dunklen
Farbstoffe der Tegumente und Tegumentanhänge von Vertebraten
und Avertebraten, die gefärbten Inhaltsbestandteile aller gewöhn-
lichen Pigmentzellen des Bindegewebes, ferner der Chromatophoren,
der Zellen des Pigmentepithels der Retina, der melanotischen
Tumoren usw. gehören alle in diese Gruppe hinein.
Unsere Kenntnisse über die Genese der eben erwähnten
schwarzen Farbstoffe müssen aber noch recht dürftige genannt
werden.
Soviel steht wohl fest, dass die von vielen Seiten her in
Angriff genommene chemische Analyse der natürlichen Farbstoffe
noch zu keiner einwandfreien Lösung der Frage nach der Her-
kunft des Melanins geführt hat. Während man früher nicht
daran zweifelte, dass die dunklen Pigmente der Haut, sowie auch
der Hautgebilde dem Blutfarbstoff entstammen, neigt man heute
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 7
35 Aurel v. Szily:
einer anderen Ansicht zu. Man glaubt nicht mehr, dass sie ein-
fach aufgespeicherte Abkömmlinge der Blutfarbstoffe sind, sondern
führt sie mit Vorliebe auf komplizierte lokale Stoffwechselvorgänge
in der betreffenden pigmentführenden Zelle selbst zurück.
Die Beweise, welche als Stütze für die Annahme einer
autochthonen Bildung des Pigments in der Zelle angeführt und
gegenüber ihrer Abstammung aus dem Blutfarbstoffe geltend
gemacht werden, sind zweierlei Art. Der erste Beweis ist ein
negativer, und bezieht sich darauf, dass die sogenannten „Melanine“
im Gegensatz zu den Blutfarbstoffen kein Eisen enthielten. Dieser
"Beweis ist jedoch kein zwingender. Ich erwähne bloss, dass z. B.
M.B. Schmidt (104—106; 1859—1900) und E. Neumann (82;
1888) an sicher hämatogenen Pigmenten den Mangel an Eisen
nachweisen konnten. Fehlender Eisengehalt kann also zur Ent-
scheidung der Frage weder in dem einen, noch im andern Sinne
verwendet werden, denn es kann sich ja immerhin beim Melanin
um ein spätes, jenseits der Hämosiderinreaktion befindliches
Stadium des Blutpigmentes handeln (Schmidt).
Einen viel wichtigeren Beweis für die mögliche Unabhängig-
keit der Melaninentstehung vom Blutfarbstoff bildet der positive
Nachweis der Bildung von melaninähnlichen Stoffen aus gewöhn-
lichem Eiweiss, wonach alle bisher bekannten tierischen Farb-
stoffe auf eine chromogene Gruppe des Eiweissmoleküls als
Muttersubstanz zurückzuführen wären. Aber auch dieser Beweis
ist kein unfehlbarer und der Skeptiker wird mit Recht zuvor
noch den Nachweis der chemischen Identität des künstlichen
Melaninfarbstoffes mit dem natürlichen Melanin einfordern dürfen.
Ein solcher Beweis ist jedoch schon deshalb mit den grössten
Schwierigkeiten verbunden, weil es sich gezeigt hat, dass von
den bisher untersuchten pathologischen und normalen Melaninen
nicht zwei die gleiche Zusammensetzung haben.
Die grosse Bedeutung, welche den Fermenten im Chemismus
der Zelle zukommt. liess endlich in einigen Forschern die Ver-
mutung aufkommen, dass auch bei der Bildung der mannigfaltigen
Farben in der Natur fermentative Vorgänge eine Rolle spielen.
Bertrand (11; 1896) verdanken wir die Entdeckung, dass gewisse
Pflanzen ein oxydatives Ferment (Tyrosinase) enthalten, das Tyrosin
unter Bildung dunkler gefärbter Substanzen zu oxydieren vermag.
Seither ist der Nachweis der Tyrosinase in den Körpersäften und
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 89
Organextrakten der verschiedensten Pflanzen und Tiere gelungen.
Die Umwandlung des Tyrosins in künstliches Melanin unter Ein-
wirkung der Tyrosinase erfolgt unter Abgabe von Wasserstoff
und Aufnahme von Sauerstoff ohne eine wesentliche Verschiebung
des Verhältnisses zwischen Stickstoff und Kohlenstoff.
Das von C. Neuberg (83; 1908) aus einem melanotischen
Nebennierentumor gewonnene ÖOrganextrakt blieb zwar ohne
Einfluss auf das Tyrosin, vermochte jedoch auf Adrenalin und
p-Oxyphenyläthylamin unter Farbstoffbildung einzuwirken. Eine
weitgehende Bedeutung erhält aber diese Feststellung durch die
Angaben Halles, wonach das Adrenalin in dem tierischen
Organismus über die Stufe des p-Oxyphenyläthylamins aus Tyrosin
entsteht.
Nach Jäger (53; 1909) ist die Melaninproduktion bei der
Melanosarkomatose chemisch charakterisiert als ein oxydativer
Umwandlungsprozess des Suprarenins, der im Zytoplasma unter
der Wirkung spezifischer Zellfermente abläuft. Die chemische
Auslösung des Farbstoffes erfolgt nach der Meinung dieses Autors
auf enzymatischem Wege, wobei ihn dann die Zelle selbst synthetisch
durch ihre spezifische Tätigkeit erzeugt: eine autochthone, meta-
bolische Pigmentbildung (S. 86).
Ö.v. Fürth (24; 1909), dem wir zahlreiche wertvolle Unter-
suchungen über die Synthese der tierischen Farbstoffe verdanken,
zerlegt die Prozesse physiologischer und pathologischer Melanin-
bildung auf Grund der bisherigen Erfahrungen in zwei Phasen:
1. Die Abspaltung zyklischer Komplexe aus dem Eiweiss-
molekül, wobei an die Mitwirkung autolytischer Fermente
gedacht werden könnte und
2. die Überführung dieser zyklischen Komplexe durch die
Wirkung oxydativer Fermente in Melanine.
Es erscheint nach v. Fürth nicht unwahrscheinlich,
dass dieser Vorgang zuweilen noch dadurch kompliziert
wird, dass
3. accessorische Gruppen (schwefelhaltige und eisenhaltige
Komplexe und möglicherweise auch verzweigte aliphatische
Ketten) in den Kondensationsprozess einbezogen werden.
Diese eben erwähnte Anschauung v. Fürths, welche die
herrschende Ansicht der physiologischen Chemiker über das
Wesen und die Entstehungsbedingungen der Melanine treffend
Tr
90 Aurelin.Szuly:
kennzeichnet, besitzt selbstverständlich bloss den Wert einer
glücklich gewählten Arbeitshypothese. Ihre Richtigkeit werden
erst weitere Untersuchungen beweisen müssen.
In derallerletzten Zeit gelang esnun H. Eppinger (20; 1910),
einen sicheren Beweis für die Entstehung des Melanins aus dem
Tryptophan zu erbringen. Er konnte in einem pathologischen
Falle von Melaninbildung einen Zwischenkörper isolieren, der
leicht unter Kondensation, bei gleichzeitiger Oxydation in einen
schwarzen Farbstoff übergeht, ähnlich wie Anilin in Anilinschwarz.
Es bleibt abzuwarten, ob die von Eppinger beschriebene Substanz
auch alle Fälle von normaler Pigmentbildung zu erklären vermag.
Aber selbst eine eindeutige Beantwortung der hier ihrer
Lösung harrenden wichtigen chemischen Fragen vorausgesetzt,
muss bei Zeiten davor gewarnt werden, die Ergebnisse der
Laboratoriumsversuche auf Vorgänge zu übertragen, wie sie im
lebenden Organismus stattfinden. Diese Versuchung ist leider
gross und nur allzuleicht wird der physiologische Chemiker, ver-
trauend auf seine ungleich exakteren Methoden, den Chemismus
des Laboratoriums auf die lebendige Tier- und Pflanzenwelt un-
eingeschränkt übertragen wollen. Auf der anderen Seite blickt
der Morphologe mit Anerkennung und Zuversicht auf die schönen
Erfolge des Biochemikers, der ihn durch Versuche in vitro über
den Abbau und die Synthese aller im Organismus vorkommenden
Stoffe belehrt. Fehlte es doch selbst von seiten ausgezeichneter
Morphologen nicht an der Mahnung: „Physikalische und chemische
Betrachtungsweise sind auszubauen und gegenüber der morpho-
logischen in den Vordergrund zu stellen“ (Albrecht in „Zellular-
Pathologie“, 3; 1907).
Es wäre jedoch sicherlich gefehlt, wenn wir den Sinn dieser
Worte Eugen Albrechts so deuteten, als müssten bei der
Entscheidung biologischer Fragen morphologische Momente hinter
die Resultate der physikalisch-chemischen Experimente zurück-
treten. Ein solches Prinzip ist bei Vorgängen, soweit sie sich
innerhalb der Zelle abspielen, nicht am Platze. Hier gehen
morphologische und chemische Veränderungen Hand in Hand
und es ist die Aufgabe des Biologen, den Zusammenhang dieser
beiden Vorgänge zu erkennen und ihrer Bedeutung nach im
einzelnen richtig zu würdigen. Dass hierbei je nach der Arbeits-
richtung des betreffenden Forschers bald die eine, bald die andere
Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 91
Seite der Frage über Gebühr in den Vordergrund tritt, ist leicht
denkbar. Es muss also hier, wie auf allen wissenschaftlichen
Grenzgebieten, von Zeit zu Zeit von sachkundiger Hand die
Bilanz gezogen werden, um auch dem mehr spezialistisch geschulten
Forscher über den tatsächlichen Bestand des wissenschaftlichen
Schatzes zu orientieren.
In der Pigmentfrage steht augenblicklich infolge von zahl-
reichen wichtigen Feststellungen die chemische Betrachtungsweise
im Vordergrund und man hört nicht selten die Behauptung, es
sei zwecklos, an die Lösung des Problems der Melaningenese
anders als mit rein chemischen Methoden heranzutreten.
Es ist daher vielleicht zeitgemäss, dieser fälschlichen
Anschauung gegenüber dem vernachlässigten morphologischen
Standpunkt erneute und gebührende Geltung zu verschaffen.
Der morphologischen Bearbeitung der Frage nach der
Pigmentgenese ergibt sich aber meines Erachtens eine Frage-
stellung von selbst, die ich in den folgenden zwei Punkten fest-
legen möchte:
1. liegt den durch die Chemiker isolierten Melaninkörnern
ein heterogenes, etwa eiweissartiges Stroma zugrunde ?
2. wenn ja, von welchem Teile der Zelle, resp. von welcher
Zellgruppe sind diese Stromata herzuleiten ?
Als Vorläufer der Ansicht, dass in den Granulis der echten
Pigmentzellen organisierte lebende Teile vorliegen, ist vor allem
der Begründer der „Granulalehre“ Altmann selbst zu nennen.
Aber erst Reinke (97; 1894) hat den einwandfreien Nachweis
erbracht. dass es sich, wenigstens in den von ihm untersuchten
Fällen von Pigmentierung, nicht bloss um eine körnige Farbstoff-
abscheidung handelt, sondern um wirkliche Granula, d. h. um
Organellen, an welche der Farbstoff gebunden ist. Erhat bekanntlich
bei den Pigmentzellen der Salamanderlarve nachgewiesen, dass
der Farbkörper durch Oxydation zerstört werden kann und dass
alsdann ungefärbte Granula hinterbleiben, welche ihrerseits durch
Safranin tingierbar sind.
Nach Galeotti (25; 1895) sollen bei Kröten und Frosch-
embryonen in den Epithelzellen mit Fuchsin darstellbare Körnchen
vorkommen, die sich späterhin in echtes Pigment verwandeln. Form
und Anordnung dieser Körnchen lässt nach Galeotti keinen
Zweifel zu, dass es sich um Jugendzustände des Pigments handelt.
92 Aurel y. Szily:
Auf ähnliche Weise geht auch nach Alfred Fischel
(21; 1896) die Entwicklung des Pigments vor sich. Er fand,
dass sich innerhalb der späteren Pigmentzellen in immer reich-
licherer Weise Körnchen entwickeln, die anfangs lichter sind
und erst später eine dunklere Färbung annehmen. Diese helleren
Körnchen sieht Fischel als Pigmentbildner an, die durch
spezifische Umwandlung oder Zusammensetzung mit einem Farb-
stoff zu Pigment werden.
Nach Leydig, Reinke u.a. sollen die Augen albinotischer
Tiere in den Retinaepithelien an Stelle der gefärbten Körperchen
ungefärbte gleicher Art aufweisen.
Es scheint danach zweifellos zu sein, dass gewisse Pigment-
zellen und besonders die typischen Chromatophoren besondere
Granula hervorbringen, in welchen sich die Farbstoffbildung
lokalisiert, und die daher als primitive, farblose Pigmentträger
zu bezeichnen sind. Inwieweit freilich die Körner aktiv an der
Farbstoffbildung beteiligt sind, bleibt auf Grund dieser Unter-
suchungen nach wie vor unentschieden.
Die zweite wichtige Frage, die hier noch von morphologischer
Seite ihrer Beantwortung harrt, ist die: von welchem Teile der
Zelle resp. von welcher Zelleruppe sind diese Stromata herzuleiten ?
Für die grössere Zahl der Autoren, die die Pigmentfrage
mit der Bioblastenlehre Altmanns in Beziehung bringen, ist die
nächstliegende Annahme die, dass die Stromata unabhängig vom
Zellkern im Cytoplasma entstehen. Zwar konnten am Zellkern
die verschiedensten Veränderungen in der Färbbarkeit, in der
Form und Zahl der Nukleolen usf. erkannt werden, aber der
Nachweis einer direkten Beteiligung des Zellkerns an der Bildung
der Primärgranula ist bisher nicht gelungen. Den darauf bezüg-
lichen Angaben von Galeotti (25; 1895) stehen ebenso bestimmte
negative Erhebungen von M. Heidenhain (41; 1907) gegenüber.
Es wurde daher auch Behauptungen, die den Zellkern zur
Pigmentbildung in Beziehung brachten, bis auf den heutigen Tag
wenig Beachtung geschenkt. Wir müssen aber an diese Frage
schon deshalb ausführlicher herantreten, weil sie in Verbindung
steht mit jenem wichtigen allgemein-biologischen Problem über
die bisher noch wenig bekannte Wechselbeziehung zwischen
Protoplasma und Zellkern, auf die ich weiter unten noch näher
zu sprechen komme.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 93
Von den älteren Beobachtern, die für eine Beteiligung des
Zellkerns an der Pigmententstehung eintraten, ist vielleicht an
erster Stelle Mertsching (72; 1889) zu nennen. Er stützt
seine Ansicht durch Befunde an den Querschnitten der Haarrinde
und an Melanosarkomzellen, wo nach seiner Meinung das Pigment
zuerst in der sogenannten Kernmembran auftreten soll. Bei
Mertsching finde ich zuerst die Ansicht deutlich ausgesprochen,
der wir im folgenden noch öfters begegnen werden, dass die
Pigmentbildung im Bindegewebe ebenso wie in der Epidermis
in Beziehung zum Zerfall der Zelle, in erster Linie des Zell-
kerns steht.
Weitere Angaben über Pigmenteinschlüsse in den Zellkernen
der verschiedensten Tierarten haben Steinhaus, Leydig,
Maurer, Ajello, Rosenstad u. a. gemacht. Bei der Bewertung
solcher Behauptungen ist aber grösste Vorsicht geboten, weil
infolge der bekannten Anlagerungen des Pigmentes an die Kern-
membran eine Entscheidung der Frage, ob es sich im gegebenen
Falle tatsächlich um eine intranukleäre Lagerung der
Pigmentkörnchen handelt, oft mit den grössten Schwierigkeiten
verbunden ist. Gelegentlich seiner Untersuchungen über die
Beziehungen zwischen den Pigmentbändern des Mantels und denen
der Schale bei Helix nemoralis L. und hortensis Müller,
hat Distaso (17; 1908) einen direkten Zerfall des Kerns in
Pigment beobachten können.
Unter den Dermatologen hat sich namentlich Jarisch
(56; 1892) auf Grund seiner Befunde an Schwänzen von etwa
15 bis 20 mm langen Tritonlarven zugunsten der Herkunft des
Pigments aus Kernsubstanz ausgesprochen, ohne indes wirkliche
Beweise für die Richtigkeit seiner Anschauung geliefert zu haben.
Für das Melanosarkom hat vielleicht zuerst Lukjanow
(68; 1891) den Pigmentierungsvorgang als einen teilweisen oder
vollständigen Kerntod aufgefasst, wobei die freigewordenen Plasmo-
somen sich zum Pigment umwandeln sollten.
Ausser den technischen Schwierigkeiten, welche bei der
Entscheidung der Frage über den Austritt von Kernteilchen ins
Cytoplasma eine glatte, einwandfreie Beurteilung sehr erschwerten,
standen für eine ganze Reihe von Forschern einer solchen Mög-
lichkeit von vornherein noch andere, nicht. weniger wichtige
theoretische Bedenken entgegen.
94 Aurel v. Szyli:
Ich erinnere bloss an jene verbreitete Anschauung, die bis
zur neuesten Zeit inHeidenhain (41: 1907) ihren gewichtigsten
Vertreter fand, wonäch der Kern innerhalb des Zellprotoplasmas
in der Teilungsruhe in vollständigem Zustande der Untätigkeit
verharren soll. Er bildete sozusagen den ruhenden Punkt inner-
halb des funktionierenden Protoplasmas. Die Aufgabe des Zell-
kerns beschränkt sich nach dieser Auffassung ausschliesslich auf
den schöpferischen Akt der Erzeugung neuer lebender Teile.
Demnach wäre der Kern im Wechselverhältnis mit dem Proto-
plasma in den meisten Fällen, vielleicht nur mit Ausnahme der
Drüsenzellen im Sekretionszustand, allein der nehmende Teil, der
aus dem Gesamtstoffumsatz der Zelle für seinen Bestand und für
die Bewahrung seiner spezifischen Qualität gewissermaßen den
grösseren praktischen Vorteil zöge.
Als besonders wichtige und lehrreiche Beweise für die
Bedeutung des Kerns in der Zelle werden die schönen Experi-
mente M. Nussbaums (85; 1885) und A. Grubers (33; 1883)
angeführt, welche den einwandfreien Beweis lieferten, dass kern-
lose Teilstücke von Infusorien unfehlbar zugrunde gehen. A.Gruber
schliesst aus seinen Versuchen an „Actinophrys“, dass der Kern
keine Bedeutung für diejenigen Funktionen des Zellkörpers hat,
welche nicht direkt in Beziehung zur Fortpflanzung stehen, also
zur Bewegung (Pseudopodienbildung), zur Nahrungsaufnahme,
Exkretion (Pulsation der kontraktilen Vakuole) und zum Wachstum;
auch auf die äussere Gestalt kann er einflusslos sein.
Eine Ergänzung zu diesen eben erwähnten Experimenten
ist nın von Verworn (111; 1888) gemacht worden. Er ent-
fernte bei Thalassicola, einem durch seine Grösse ausgezeichneten
Radiolar, den Kern und fand, dass derselbe, selbst wenn er vor
allen Schädlichkeiten geschützt blieb, nach einiger Zeit stets
zugrunde ging, ohne die geringsten Regenerationserscheinungen
erkennen zu lassen.
Aus ähnlichen Versuchen, deren Zahl bis zur neuesten Zeit
aus der Literatur beliebig vermehrt werden könnte, geht deutlich
hervor, dass weder der Kern, noch das Protoplasma allein, die
Hauptrolle im Leben der Zelle spielt, sondern beide in gleicher
Weise am Zustandekommen der Lebenserscheinungen beteiligt
sind (Verworn). Eine ähnliche Ansicht verfichtt Rabl in
seiner an der Universität Leipzig gehaltenen Antrittsvorlesung
Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 95
(1906), in welcher er gegen die Theorien Weismanns und
O.Hertwigs Stellung nimmt, wonach die chromatische Substanz
der (reschlechtskerne als der alleinige Träger der „Vererbungs-
substanz“ anzusehen wäre. Er hält zur Vererbung, zur Wieder-
holung der Entwicklungsprozesse, als deren Endresultat die
Eigenschaften der Eltern im Kinde wieder erscheinen, alle
Zellbestandteile in gleicher Weise für nötig. Er gelangt unter
Berücksichtigung aller wichtigen Versuchsergebnisse zu dem
Schlusse, dass die Qualitäten der Teile des Kerns nur bei
qualitativ gleicher Teilung des Protoplasmas unverändert erhalten
bleiben können, dass dagegen ungleiche Teilung des Protoplasmas
eine qualitative Veränderung des Kerns in Gefolge haben muss.
Nach Rabl (95; 1906) stehen Kern und Protoplasma in
den innigsten Wechselbeziehungen zueinander. Diese Wechsel-
wirkungen zwischen Kern und Protoplasma sind materieller oder
substantieller Art. Das Protoplasma nimmt zweifellos Substanzen
aus der Umgebung auf und gibt dieselben zum Teil an den Kern
ab, zum Teil werden sie von ihm selbst weiter verarbeitet. Er
empfängt aber auch — und darin erblicke ich gegenüber den
Ansichten Heidenhains einen prinzipiellen Fortschritt —
Substanzen aus dem Kern, diese verbinden sich ihrerseits mit
gewissen Substanzen des Protoplasmas und aus dieser Verbindung
gehen neue Substanzen mit neuen Eigenschaften hervor.
Es sei jedoch ausdrücklich hervorgehoben, dass diese Auf-
fassung C. Rabls über die Abgabe von Stoffen aus dem Kern
ans Cytoplasma sich lediglich auf das veränderte Kernbild stützt,
welches Drüsenzellen im Stadium der lebhaften Sekretion dar-
bieten. Von der Abgabe morphologisch sichtbarer Teile
aus dem Kernbestand ans Cytoplasma ist nirgends die Rede.
Durch die grundlegenden Untersuchungen Richard
Hertwigs (45; 1898 und 47; 1903) ist die Frage der Kern-
plasmabeziehung in eine neue und sowohl für die allgemeine
Biologie, als auch im speziellen für die Pigmentgenese gleich
bedeutungsvolle Phase getreten. Ich kann nicht umhin, auf die
mit dieser Frage zusammenhängende Literatur hier etwas genauer
einzugehen, obwohl sie sich zum grössten Teil vorläufig auf
niedrig organisierte Tiere bezieht. Die Übertragung der Ergeb-
nisse dieser Forschung auf die Metazoenzelle hat aber schon
begonnen und verspricht uns auch hier viel neue und wichtige
96 Aurel v. Szily:
Aufschlüsse zu geben über die mannigfaltigen, bisher unbekannten
Wechselbeziehungen zwischen Zellkern und Protoplasma.
R. Hertwigs Untersuchungen beziehen sich auf die Proto-
zoen. Er fand im Jahre 1898 (45) bei Actinosphaerium Eich-
horni das Plasma von zahlreichen, oft in Strängen gelagerten
chromatischen Körperchen durchsetzt, denen er einige Jahre
später (1902) den Namen „Chromidien“ gab. Die Körnchen
stammen aus dem Kern und spielen eine wichtige Rolle im Zell-
leben. Sie nehmen bei übermässiger Fütterung, wie auch bei
intensivem Hunger an Masse zu. Ihre Beziehung zum Kern
wird dadurch besonders deutlich gemacht, dass sich diese unter
Umständen ganz in Chromidien auflösen können. Bei Mono-
thalamien ist wiederum der umgekehrte Vorgang zu beobachten.
Hier treten die Chromidien in Form eines distinkten Chromidial-
netzes auf, das wieder Beziehungen zu dem Kern zeigt, aus dem
sich Kerne sogar neu bilden können.
Nach weiteren Untersuchungen Hertwigs kommt bei den
von ihm untersuchten Protozoen ein Chromidialapparat normaler-
weise immer vor und scheint aus Chromatin und Nukleolar-
substanz zusammengesetzt zu sein. Die Chromidien der Pro-
tistenzelle sind nach seiner Meinung vergleichbar mit jenen
Chromatinpartikeln, die bei der Eireifung aus den Kernen von
Metazoeneizellen auswandern können.
Das Hauptergebnis seiner Untersuchungen hat Richard
Hertwig dahin zusammengefasst: „dass jeder Zelle normaler-
weise eine bestimmte Korrelation von Plasma- und Kernmasse
zukommt“. Diese Gesetzmässigkeit bezeichnet er als die „Kern-
plasmarelation“ (47; 1903 und 48; 1903). Die Wechselwirkung
von Kern und Plasma denkt sich Hertwig so, dass der Kern
zunächst dem Protoplasma Teile entnimmt, wobei dieses in eine
funktionierende Substanz und in einen in den Kern eintretenden
Rest gespalten wird. Die hierdurch erfolgende Zunahme der
Kernsubstanz nennt er: „funktionelles Wachstum des Kerns“.
Dieses funktionelle Wachstum des Kerns kann unter patholo-
gischen Bedingungen zu seiner Hypertrophie führen. Es besteht
dann ein Missverhältnis zwischen Kern und Plasma, welches
dadurch wieder seinen Ausgleich finden kann, dass weitere Assi-
milation von Stoften unterbleibt und der Kern durch Resorption
und durch Abgabe an das Plasma seinen Inhalt reduziert.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. si
In solchen Fällen wird die „Kernplasmarelation“ dadurch wieder
hergestellt, dass Chromatin in das Protoplasma ausgestossen
wird, wo es sich dann unter Umständen zu einer bräunlichen
Masse verfärbt.
Die Umwandlung von Chromidien in Pigment hat R.Hertwig
bei Actinosphaerium beobachtet. Sie tritt hier unter verschiedenen
Bedingungen auf: bei der Encystierung, bei übermässiger
Fütterung und bei Hunger. Also überall dort, wo auf natürliche
oder künstliche Weise der Gleichgewichtszustand zwischen Proto-
‚plasma und Zellkern eine Störung erfuhr. Wenn der Kern im
Verhältnis zum umgebenden Cytoplasma über eine gewisse Grenze
sich vergrössert, muss, wie schon erwähnt, damit das Gleich-
gewicht wieder hergestellt wird, ein Teil des Chromatins ans
Plasma abgegeben werden. Das abgestossene überschüssige
Chromatin oder die Chromidien, wie wir diese Chromatinbrocken
von nun an nennen wollen, werden entweder verbraucht resor-
biert, oder in bräunliche Pigmentkörner verwandelt.
Durch die eben erwähnten grundlegenden Untersuchungen
Hertwigs, und nicht weniger auch infolge der an sie geknüpften
klaren und logischen Folgerungen eröffneten sich ganz neue
Ausblicke für die gesamte feinere Zellforschung. Es wurden
jedoch nicht nur von neuen Gesichtspunkten aus weitere Daten
zur Bestätigung und Ausbau der Hertwigschen Lehren
gesammelt. Jetzt, wo der Bann gebrochen war, der bis dahin
für die meisten Autoren die Annahme eines Austritts von Kern-
teilchen in das Cytoplasma unmöglich erscheinen liess, war die
Zeit gekommen, um auch ältere Angaben erneut auf ihre Richtig-
keit zu prüfen und mit den Ideen Hertwigs in Beziehung zu
bringen.
Da sind zunächst jene immer wiederkehrenden Angaben über
die Beziehungen gewisser spezifischer Strukturen in den Drüsen-
zellen zu dem Zellkern einer Nachprüfung zu unterziehen.
M. Nnssbaum (84; 1877—1879) hat bekanntlich in
Pankreaszellen von Amphibien fadig strukturierte Körper be-
schrieben, die er als „Nebenkerne“ bezeichnet und denen gleich-
setzt, die in Spermatiden und den Dotterkernen der Eier vor-
kommen. Ähnliche eigenartige, sich stark mit Chromatinfarb-
stoffen tingierende Fäden hat Gaule (26—28; 1880—1881) in
Blutkörperchen, Pankreas- und Leberzellen vom Frosch gesehen.
98 Aurel v. Szily:
Ogata (87; 1853) hat dann ausdrücklich betont, dass sie aus
Körpern bestehen, die aus dem Kern in das Plasma ausgetreten
sind. Eine Ansicht, der M. Heidenhain aufs bestimmteste
entgegentritt. Platner (91; 1886) hat diese Nebenkerne mit
der Bildung der Zymogene in Beziehung gebracht und fand, dass
sie mit dem Auftreten der letzteren verschwinden. Ähnliche
Angaben macht auch Mathews (70; 1899) auf Grund von sorg-
fältigen Untersuchungen an Pankreaszellen von Necturus und
Leberzellen vom Frosch. All diese Autoren stimmen darin
überein, dass die fraglichen Gebilde stark chromatisch sind, wahr-
scheinlich aus einem Nukleoalbumin bestehen und direkt vom
Chromatin des Kerns abzuleiten sind. Über die Art und Weise
ihrer Abstammung aus dem Kern hat sich Laguesse (65; 1899)
geäussert. Nach seiner Meinung sollen sie durch ungleiche
(heteropole) Kernteilung entstehen. Er hält sie für: „une sorte
d’apport nutritif du noyau au Protoplasme“.
Als Zellstrukturen, die vielleicht mit den Chromidien der
Protisten vergleichbar sind, wären dann noch die „Mitochondria“
Bendas (10; 1902) zu nennen. Es sind das Körnchen, die dieser
Forscher vor allem in den Samenbildungszellen gefunden hatte
und die durch besondere Methoden von anderen Zelleinschlüssen
unterschieden werden können. Sie bilden den Spiralfaden der
Spermien. Benda hält sie nach weiteren Untersuchungen an
Wimper- und Muskelzellen für spezifisch motorische Apparate.
Eine Reihe von weiteren wichtigen Beobachtungen verdanken wir
Meves (79; 1901) über die sich zu körnigen Fäden aneinander
fügenden Mitochondrien, den sogenannten Chondromiten. Sie
bilden einen regelmässigen Befund bei der Spermatogenese.
Es sei hier noch kurz an andere Differenzierungen im
Cytoplasma erinnert, an die sogenannten Pseudochromosomen,
Zentralkapseln (auch Centroformien und Archoplasmaschleifen
genannt), unter welchem Namen mehr oder weniger zusammen-
gehörige Gebilde beschrieben wurden. Auffallend ist ihre morpho-
logische und tinktorielle Ähnlichkeit mit richtigen Chromosomen.
Trotzdem betont M. Heidenhain (41; 1907) ihre Entstehung
im Cytoplasma, während Folke Henschen (42; 1903) für eine
Abstammung aus dem Kern eintrat.
Ebenso werden von manchen Autoren die von Holmgren
(51; 1901) beschriebenen Trophospongien hierher gezählt, wenig-
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 39
stens diejenigen intensiv tingierbaren Netze, welche je nach ver-
schiedenen Funktionszuständen der Drüsenepithelien ein ver-
schiedenartiges Aussehen haben und mit Kernfarbstoffen gefärbt
werden können.
Zu entscheiden wäre weiterhin, ob die von v. Lenhossck
so genannten Tigroidscholien, die je nach dem Funktions-
zustande der Ganglienzellen grosse Verschiedenheiten zeigen
sollen, wirklich mit dem ÜChromatin der Zellkerne verwandt,
oder gar, wie manche glauben, mit ihm identisch sind. Auch
M. Heidenhain (41; 1911) hat sich neuerdings der Ansicht
angeschlossen, „dass das Tigroid aller Wahrscheinlichkeit nach
ein Cytochromatin ist, und wir sind deswegen berechtigt,
die weitere Frage anzuschliessen, ob das Tigroid bei dem relativ
geringen Volumen des Kerns eventuell bestimmt ist dessen Masse
zu substituiren.* (8. 870).
Endlich sei noch der im Jahre 1898 von Ü. Golgi
beschriebene Apparato reticolare erwähnt, der ein an Chromsilber-
präparaten der Ganglienzellen sichtbares, merkwürdiges Netzwerk
darstellt. Später haben Negri (81; 1899), Pensa (89; 1899)
und Kopsch (61; 1902) dieses Netzwerk mit derselben Methode
auch in den verschiedensten Drüsenzellen nachgewiesen, während
Marenghi (69; 1903) über ähnliche Befunde in den Epidermis-
zellen von Ammocoetes, Veratti (110; 1902) in den quer-
gestreiften Muskelfasern bei Larven von Gastrophilus equi
berichtet.
Einen weiteren Ausbau erhielt die Lehre vom Hertwigschen
Chromidialapparat durch Beiträge von seiten der Mitarbeiter
und Schüler dieses hervorragenden Forschers.
Hier sind zunächst die interessanten Mitteilungen G old-
schmidts zu erwähnen. Die Untersuchungen von Goldschmidt
(29; 1904) beziehen sich auf den gemeinen Spulwurm, Ascaris
lumbricoides L., Ascaris megalocephala Cloqu. Es handelt sich
zugleich um den ersten Versuch einer systematischen Übertragung
der Hertwigschen Beobachtungen auf die Metazoenzelle.
Die Gewebe der Ascariden zeichnen sich zum Teil dadurch
aus, dass sie nicht durch Zellteilung wachsen, sondern durch
ungeheure Grössenzunahme einer geringen Zahl von Zellen. So
besteht nach Goldschmidt der rund 7 cem haltende Ösophagus
aus 35 Zellen, das Exkretionsorgan aus drei Zellen, der
100 Aurel v.8zily:
Enddarm, die Lippen, der Spiculaapparat aus einigen wenigen
grossen Zellen. Naturgemäss bieten alle diese Zellen allerlei
merkwürdige funktionelle Strukturen dar.
Die intensive Ausprägung des Uhromidialapparates lässt das
Material für die in Frage stehenden Untersuchungen äusserst
geeignet erscheinen. Die Struktur findet sich nach Feststellungen
von Goldsehmidt nur in den Zellen von lebhafter Funktion,
also in Epithelmuskelzellen, Körpermuskelzellen, Muskelzellen der
inneren Organe. resorbierenden Epithelien und Drüsenzellen. Der
Chromidialapparat besteht auseinem System von Fäden, Chromidial-
fäden, Chromidialsträngen, die typische Reaktion, Struktur und
Anordnung innerhalb des Cytoplasmas zeigen. Sie färben sich
stets intensiv chromatisch, in gleichem Farbenton, wie das
Chromatin des Kerns. Die einzelnen Fäden verlaufen meist stark
gewunden durch das Cytoplasma, sind von wechselndem Umfang
und meist fein vakuolisiert. Am dichtesten sammeln sich die
Fäden immer um den Kern, den sie völlig umspinnen können.
Auch direkte Beziehungen zum Kern sind nachzuweisen: Auf-
lagerungen der Fäden auf die Kernmembran, wahrscheinlich auch
Eindringen in den Kern. Sodann treten aus den Kernen bisweilen
chromatische Körper aus, die mit der Neubildung der Chromidien
zusammenhängen.
Überaus bemerkenswert sind die Angaben Goldschmidts
über die wechselnde Struktur des Chromidialapparates je nach
dem Funktionszustand der betreffenden Zelle. Bald ist er mächtig
entwickelt, bald schwach oder fehlt sogar vollständig. Nach-
weislich hängt dies mit verschiedenen Funktionszuständen der
Zelle zusammen. Zunächst ergibt sich die Regel, dass stärker
beanspruchte, funktionsmannigfaltigere Zellen auch reichere
Chromidienbildung aufweisen. Bei den Drüsenzellen sehen wir
die Uhromidien nur auftreten, wenn der Kern ruht, gänzlich
fehlen, wenn er in Wechselbeziehung zum Plasma tritt. In den
Darmepithelzellen treten sie nur auf, wenn die Zelle in lebhafter
Funktion ist, was durch die Anwesenheit von Nahrungströpfchen
bewiesen wird; in gehungerten Tieren, also bei untätigen Darm-
zellen, verschwinden sie. In den Muskelzellen konnte endlich
(oldschmidt den direkten experimentellen Beweis des Zusammen-
hangs mit der Funktion liefern. — Bei starker Funktion (Tetanus,
Alkoholreizung) vermehren sie sich zunächst mächtig und degene-
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 101
rieren schliesslich bei übermässiger Beanspruchung ohne die
Möglichkeit eines Ersatzes. Sie werden aufgebraucht.
Wie wir aus diesem kurzen Auszug der Goldschmidtschen
Abhandlung sehen, besteht zwischen dem Chromidialapparat der
Protozoen und der niedrig organisierten Metazoen die weitgehendste
Übereinstimmung, nicht nur in morphologischer Beziehung, sondern
auch was die Abhängigkeit vom jeweiligen Funktionszustand der
Zelle anbelangt.
Der erste Versuch, auf Grund dieser neuen Entdeckungen
die Pigmentbildung in Melanosarkomen einer genauen Prüfung
zu unterziehen, stammt von R. Rössle (99; 1904) und ist unter
der persönlichen Leitung Hertwigs ausgeführt worden.
Der bemerkenswerteste Befund, welcher sich hier seinen
Augen darbot, ward zugleich bestimmend für seine ganzen
Ansichten über den Pigmentierungsvorgang in diesen Geschwülsten:
der grosse Gehalt der Kerne an Nukleolarsubstanz. Diese
Überproduktion an Nukleolarsubstanz ergab sich nicht so sehr
in den pigmentfreien und protoplasmaarmen Rundzellen, als
vielmehr ganz besonders in den pigmentierten Spindelzellen und
Rundzellen und zwar denjenigen, deren Pigmentreichtum noch
nicht beträchtlich war, die also in Pigmentbildung offenbar
begriffen waren. An anderen Zellen befand sich die Nukleolar-
substanz in lebhafter Umbildung und Verarbeitung. Man findet
an solchen Nukleolen: Abschnürung von Tröpfchen, Bildung
von Ketten- und Flaschenformen und vakuolenartigen Aufhellungen.
Im Anschluss daran glaubt Rössle schliesslich auch den Austritt
von Nukleolarsubstanz aus dem Kern und die Umbildung der-
selben im Protoplasma zu Pigment festgestellt zu haben.
Der typische Pigmentierungsvorgang verläuft nun nach
seiner Meinung auf folgende Weise: Der in den jugendlichen
Stadien noch chromatinreiche Kern, mit wenig Nukleolarsubstanz,
verarmt zunächst beim Anwachsen der Zelle über ein gewisses
Maß mehr und mehr an Chromatin, bereichert sich aber offenbar
auf dessen Kosten mit Nukleolarsubstanz. Rössle bezeichnet
dieses Stadium: die grosse pigmentlose Rundzelle (I. Stadium).
In diesem Stadium pflegen nicht selten Mitosen aufzutreten. Auf
diese Weise entstehen dann pigmentlose Rundzellen mit relativ
grossem bläschenförmigem Kern und meist bereits recht grossen
und zahlreichen Kernkörperchen. Weiterhin wächst die Zelle
102 Aurel v. Szily:
offenbar sehr schnell in typischer Weise aus, wobei das Plasma
bedeutend an Masse zunimmt und zunächst plumpe Fortsätze
bildet. Stadium der pigmentlosen grossen Spindelzelle (II. Stadium).
In allen diesen Entwicklungsstufen soll die Färbung des
Kerns oft deutlich die lebhafte Verarbeitung von Chromatin zu
Nukleolarsubstanz erkennen lassen, indem die ursprünglichen
blauen Kernnetze bei der Färbung mit Hämatoxylin-Eosin einen
deutlich rötlich-violetten Ton annehmen.
Ist erst das meiste Chromatin in Nukleolarsubstanz ver-
wandelt, so besteht unter Umständen der Kern überhaupt fast
ausschliesslich aus dem Kernsaft und einem im Mittelpunkt des-
selben schwimmenden riesenhaften Nukleolus. Während die
Anhäufung von Nukleolarsubstanz nun weiter fortschreitet, sendet
das Protoplasma mehr und feinere Ausläufer aus. Stadium der
pigmentlosen Chromatophore (III. Stadium).
Nun beginnt die Pigmentierung. Überrascht man ihre
Entstehung, so sieht man aus dem Kern Teilchen austreten,
welche die Farbenreaktion der Kernkörperchen geben, und später
den Kern mit einem bräunlich-schwärzlichen Mantel umgeben.
Aus diesem Vorgang wird dann sehr schnell die typische Chro-
matophore (IV. Stadium), die grosse, protoplasmareiche Zelle, mit
ovalem bläschenförmigem Kern und langen bandartigen Ausläufern,
welche das Pigment zuerst ausschliesslich beherbergen.
Während der Zelleib nun stärker gefärbt wird, behält er
anfangs noch die spezifische amöbenähnliche Form bei. Bald
aber verliert er seine Ausläufer, und die Zelle erhält die Form
einer stumpfen Spindel. Stadium der pigmentierten Spindelzelle
(V. Stadium).
Von da ab ist zweierlei möglich: entweder wird die Spindel-
form beibehalten, indem sich die Zelle verschmälert und stärker
(absolut und relativ) pigmentiert; solche Zellen legen sich dann
den Alveolarsepten parallel an, so dass sie einen Teil derselben
zu bilden scheinen und dazu beitragen, diese breiter und pig-
mentreicher erscheinen zu lassen und die Grenze zwischen Stroma
und Geschwulstmasse zu verwischen. Solche Partien machen
vollkommen den Eindruck von einem stark pigmentierten Spindel-
zellensarkom:; in dieser Form können sich die veränderten
Chromatophoren, sogar unter hochgradiger Verschmälerung,
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 103
Dunkelfärbung und Kernverkleinerung, lange halten. Oder aber
die pigmentierte Spindelzelle kugelt sich immer mehr ab, und
verkleinert sich im ganzen (pigmentierte Rundzelle), bis der Farb-
stoff zu vollkommen undurchsichtigen, fast schwarzen, den Kern
ganz verbergenden Schollen kondensiert ist
Die bösartigen Zellen sind die Jugendformen der Melano-
sarkomzelle, welche sich, wie schon oben erwähnt, nach Rössles
Ansicht durch eine Überproduktion von Nukleolarsubstanz aus-
zeichnen. Neben dieser Art der Pigmentierung läuft aber noch
eine zweite einher, die Rössle als Pigmentdegeneration bezeichnet.
Der Kern entledigt sich seines Inhalts, die herausgeschleuderte
Nukleolarsubstanz verwandelt sich innerhalb des Zelleibes in
massenhaftes Pigment. Da sich jedoch die in Pigmentdegeneration
befindlichen Zellen nicht teilen, so ist diese Art der Pigmentierung
für die Frage des Geschwulstwachstums belanglos. Es ist also
für diesen Fall der übliche Vergleich der Geschwulstzellen mit
embryonalen Zellen richtig; die Degeneration ist aber etwas, was
mit dem Wachstum des Tumors in keiner Beziehung steht.
Was die Abhängigkeit der Pigmentbildung von den Blut-
gefässen anbetrifft, so stellt sich Rössle dieselbe lediglich als
eine indirekte vor. Grössere dünnwandige Gefässe, sowie Zirku-
lationsstörungen jeglicher Art (namentlich Stauungen) sollen die
Ernährungsgrösse der Sarkomzelle derart beeinflussen, dass eine
Pigmentbildung erfolgt. Während bei normaler Kapillarernährung
die Sarkomzellen sich offenbar ohne Erschöpfung und Ende, und
ohne Veränderung ihres morphologischen Charakters weiterzuteilen
vermögen, erlischt diese Fähigkeit sofort, sobald sie bei der
Wucherung an ein grösseres dünnwandiges Gefäss (Prokapillaren)
oder in die Nähe eines Lymphgefässes gelangen. Dasselbe
geschieht, wenn im Geschwulstgewebe neue, durchlässige (refässe
gebildet werden. An solchen Stellen tritt alsbald eine Über-
ernährung ein, deren Folge das Aufhören der Teilung und die
Pigmentbildung ist.
Eine Bestätigung der Angaben von Rössle für Melano-
sarkom hat Staffel (1906 Münch. med. Wochenschrift) beim
Xeroderma pigmentosum geliefert. Er legt das Hauptgewicht
auf das Austreten von nukleolärer Substanz ins Plasma, ohne jedoch,
wie mir scheint, für diese Behauptung zwingende Beweise erbracht
zu haben.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. fo)
104 Aurel w Szily:
Die Reihe dieser Mitteilungen beschliesst eine erst kürzlich
erschienene Monographie von E. Meirowsky (76; 1910).')
Dieser Autor hat seine Objekte zumeist mit absolutem
Alkohol fixiert, und nach Einbettung in Celloidin, gelegentlich
auch in Paraffin, nach der von Pappenheim angegebenen und
von Unna für Schnittfärbung modifizierten Methylgrün-Pyronin-
methode gefärbt.
Untersucht wurden auf verschiedene Weise vorbehandelte
Hautstücke, Teile von pigmentierten Geschwülsten und embryonale
Augen.
Er findet überall, wo es zur Pigmentbildung kommt, zunächst
eine Vermehrung der pyroninroten Kernsubstanz. Unter dieser
Bezeichnung versteht er jene färberisch darstellbare Kernsubstanz,
welche bei der von ihm benutzten Färbung durch das Pyronin
rot gefärbt erscheint. In den darauf folgenden Stadien soll die
pyroninrote Kernsubstanz zum Teil in die Kernmembran über-
fliessen, zum grösseren Teil jedoch ins Cytoplasma ausgestossen
werden. Die pyroninrote Kernsubstanz erscheint im Protoplasma
entweder in Gestalt von kugeligen oder feinkörnigen, oder aber
auch verschieden geformten Gebilden. Wenn nun an diesen
Vorgang anschliessend die Pigmentierung eintrat, so konnten alle
Nuancen von der pyroninroten Kernsubstanz bis zum tiefen
Schwarz der ähnlich geformten Pigmentteilchen aufgefunden
werden.
Aus diesem Verhalten schliesst Meirowsky darauf, dass
die rote Kernsubstanz in Pigment übergeht.
Was die Natur der durch Pyronin rot gefärbten Kernsubstanz
anbelangt, so handelt es sich nach der Ansicht von Meirowsky
in der Hauptsache um Nukleolarsubstanz, aber nicht ausschliesslich
um solche, da gleichzeitig in derselben färberischen Darstellung
auch andere Kernbestandteile erscheinen, die mit den Nukleolen
diejenigen physikalischen und chemischen Eigenschaften gemein
haben, die die gleiche Färbung bedingen. Er bringt daher für
die durch ihn mit der Pigmentbildung in Beziehung gebrachte
rote Kernsubstanz die indifferente Bezeichnung „pyrenoide (naclı
Jäger wohl richtiger pyronoide) Substanz“ in Vorschlag.
!) Die früheren Arbeiten dieses Autors über denselben Gegenstand
sind im Literaturverzeichnis vermerkt.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 105
Jäger (53; 1909) wendet sich in einer kürzlich erschienenen
Arbeit gegen die Eiweiss-Natur der von Meirowsky für Farb-
stoffträger erklärten „pyronoiden Substanz“. Es handelt sich
vielmehr um eine aliphatische Verbindung, also um einen fett-
verwandten Stoff, der sich weiterhin in Myelin umwandelt.
Mit dem Beweise ihrer Fettnatur würde die pyronoide Substanz
natürlich aus dem Problem der Melaningenese ausscheiden. Er
betont ausdrücklich, dass morphologische Daten in der Pigment-
bildungsfrage keine Rolle spielten und entwickelt eine chemische
Theorie, die am Eingange dieses Literaturberichts kurz wieder-
gegeben ist.
Die an diese Mitteilungen geknüpfte Polemik zwischen
Meirowsky und Jäger (54; 1910) hat zu keiner weiteren
Klärung der Frage geführt.
II. Beschreibender Teil.
Die vorliegenden Untersuchungen sind an embryonalen
Wirbeltier-Augen und melanotischen Tumoren des menschlichen
Auges ausgeführt worden. Es wurde ausschliesslich gut konser-
viertes Material benützt. Ich stehe dabei, wie ich schon in einer
früheren Arbeit (109: 1908) ausgeführt habe, auf dem Standpunkte,
dass die Fixierung bei weitem den wichtigsten Teil der histo-
logischen Methodik darstellt, welcher gegenüber die färberischen
Methoden in den meisten Fällen bloss eine untergeordnete Rolle
spielen. Was diese letzteren anlangt, so gebe ich, wenn irgendwie
möglich, dem einfachsten Verfahren den Vorzug.
Als Fixierungsflüssigkeiten haben sich hauptsächlich die
Zenkersche Lösung, conc. Sublimat-Eisessig, Flemmings
Gemisch und die Lenhosscksche Flüssigkeit bewährt. Besondere
Beachtung verdient die Zeitdauer der Fixierung, die bei kleinen
Objekten sich oft nicht über einige Minuten zu erstrecken
braucht. Genauere Angaben über diesen Teil meiner Technik,
sowie die benützte Einbettungsmethode enthält meine oben er-
wähnte Arbeit.
Weiterhin habe ich besonderes Gewicht darauf gelegt, zur
Darstellung der hier zu beschreibenden Strukturen möglichst
leicht ausführbare Färbemethoden anzuwenden. Hierbei erwies
sich erfreulicherweise die Delafieldsche Hämatoxylin-Eosin-
Methode als vorzüglich brauchbar. Zur Ergänzung und für
g*
106 Aurel y. Szily:
besondere Zwecke sind zahlreiche Serien mit der R. Heiden-
hainschen Eisen-Hämatoxylin-Methode, mit Hämatoxylin-
Säurefuchsin-Pikrinsäure nach Van Gieson, mit Ehrlichs
Triacid und der Unna-Pappenheimschen Methylgrün-Pyronin-
färbung behandelt worden.
Ich beginne mit der Besprechung der Pigmententwicklung
in embryonalen Augen.
Unsere Kenntnisse über die Entwicklung des Pigmentes im
Auge haben in den letzten Jahrzehnten grosse Wandlungen
durchgemacht. Den älteren Autoren, deren Arbeiten noch vor den
70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen sind, war die
genetische Differenz von Pigmentepithel und Chorioidea überhaupt
noch unbekannt.
Remak (98; 1855) vertrat noch die Ansicht, dass die
äussere Lamelle der Augenblase die gemeinschaftliche Anlage der
Chorioidea, der Processus ciliares und der Iris bilde. Erst
Kölliker (59; 1861) hat den Nachweis geliefert, dass die Pig-
mentschicht der Retina „aus der äusseren Lamelle der sekundären
Augenblase sich entwickelt“. Von demselben Autor stammt die
heutzutage allgemein anerkannte Entdeckung, dass die Pigment-
schicht an der hinteren Irisfläche aus derselben Matrix ent-
stehe, dass also das hintere Irispigment dem „Retinalpigment“
Babuchins homolog sei.
Diese richtige Vorstellung Köllikers wurde zeitweilig
durch ihr widersprechende irrtümliche Angaben Arnolds (5:
1574) getrübt. Nach Arnold sollte nämlich das Augenblasen-
pigment nicht in der Pigmentlamelle, sondern unter gleichzeitiger
Atrophie und schliesslich vollständigem Schwund der äusseren
Lamellen als selbständige Schicht zwischen den beiden Blättern
der Augenblase entstehen.
Der Irrtum Arnolds ist einige Jahre später durch
Kesslers (58; 1877) ausgezeichnete Untersuchungen aufgeklärt
worden. Die Entstehung des Pigmentes im Auge fand durch
diesen Forscher in Text und Bild eine so vollständige Bearbeitung,
dass die seitherigen Untersucher ihr nichts Wesentliches hinzu-
zufügen vermochten.
Die späteren Mitteilungen beschränkten sich daher lediglich
auf Angaben darüber, an welcher Stelle das Pigment zuerst in
die Erscheinung tritt und in welcher Richtung es sich weiter-.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 107
verbreitet. Hierbei haben sich zwischen den einzelnen Tierspezies
geringfügige Unterschiede ergeben. M. Nussbaum (86; 1899)
hat aber vollständig recht, wenn er diesen Angaben keinen allzu
grossen Wert beimisst. Alles was wir wissen ist vorläufig in dem
Satz ausgedrückt: das äussere Blatt der sekundären Augenblase
entwickelt sich zur Pigmentschicht der Retina. Über das Wesen
des Vorganges haben wir vorläufig noch keine richtige Vor-
stellung. Er meint (loe. eit., S. 16): „Die Sache wird nicht
klarer, wenn man in dogmatischer Weise über derartige Vorgänge
viel zu reden versucht. Sie sind vorläufig nur zu registrieren,
nicht zu erklären.“ |
Ein Versuch, den Zellkern mit der Entstehung des Melanins
im Pigmentepithel des Auges in Beziehung zu bringen, stammt
von Meirowsky (76; 1910), über dessen Arbeit in der Ein-
leitung berichtet wurde. Seine Beweise an den Pigmentepithelien
von Rindsembryonen müssen in dieser Hinsicht recht armselig
genannt werden. Wenig vertrauenerweckend in bezug auf die
technischen Leistungen dieses Autors klingt auch die am Schlusse
dieses Kapitels gegebene Erklärung: „Ferner wurden zahlreiche
Untersuchungen am bebrüteten Hühnchenei angestellt und an
diesem Objekt die Bildung des retinalen Pigments studiert. Für
die Frage der Pigmentbildung erwies es sich jedoch als unge-
eignet, da die Fixierung des wasserreichen Gewebes nicht exakt
gelang.“
Die neueste Erscheinung auf diesem Gebiete ist die Arbeit
von Seefelder (107; 1910), die zwar die Frage der Pigment-
genese auch nicht weiter bringt, aber dafür wenigstens den
Vorzug hat, dass die betreffenden Beobachtungen ausschliesslich
an Serien von gut konserviertem menschlichem Material ange-
stellt sind, die ihm von den Besitzern dieser Kostbarkeiten
bereitwilligst zur Verfügung gestellt wurden.
Er findet die ersten Anfänge der Pigmententwicklung bei
6,25—6,5 mm langen menschlichen Embryonen. Das Pigment ist
bei diesen sowohl in der basalen als in der freien Protoplasma-
hälfte in Form von kleinsten, stark lichtreflektierenden, gelblich-
bräunlichen runden Tröpfchen oder kurzen Stäbchen abgelagert. Es
findet sich in diesen allerfrühesten Stadien noch ausschliesslich in der
Nähe des dorsalen (oberen) Umschlagsrandes, während es auf der
ventralen Seite vollständig fehlt. Auch ist es nicht in den direkten
108 Aurel v. Szily:
am Umschlagsrande, sondern erst in den etwas weiter rückwärts
befindlichen Zellen (etwa der vierten bis fünften Zellenreihe vom
Umschlagsrande an gerechnet) nachweisbar. Von hier an finden
sich aber bis in die Nähe des Äquator bulbi Zellen, welche
bereits Pigment enthalten. Man kann auch nicht sagen, dass
dessen Menge vom Umschlagsrande nach dem Äquator hin
gradatim abnimmt, sondern es enthalten manchmal die Zellen in
der Gegend des Äquators viel mehr Pigment, als solche, welche
näher am Becherrande liegen. Im allgemeinen ist die freie (innere
Zellhälfte) stärker pigmentiert als die basale, doch sind die
Unterschiede zunächst noch sehr unbedeutend und kaum in die
Augen springend. Die Intensität der Pigmentierung fand
Seefelder sehr verschieden. Die Farbe schwankt daher zwischen
einem ganz hellen Gelb und einem schönen Kastanienbraun.
Was die Behauptung Rabls (94; 1900) anbelangt wonach
das Pigment wie in allen pigmentierten Epithelien, so auch in
den Zellen des Tapetum nigrum zunächst nur an der freien Seite
auftritt, fand Seefelder für den Menschen nicht zutreffend.
Ebensowenig teilt er die von Scherl (103; 1893) und Krückmann
(62; 1899) vertretene Meinung, wonach das Retinalpigment bei
den Vögeln zuerst an der basalen Seite auftritt. Er findet hier
wie dort die allerersten Pigmentspuren über die ganze Pigment-
epithelzelle verteilt. Kurze Zeit darauf ist jedoch beim Hühnchen
nur noch die basale Zellhälfte mit Pigment beladen, während die
freie Seite ganz pigmentlos erscheint. Anders ist das spätere
Verhalten beim Menschen. Hier ist in entsprechend alten Ent-
wicklungsstadien das Pigment auf die äussere und innere Zell-
hälfte annähernd gleichmässig verteilt.
Die Intensität der Pigmentierung nimmt im weiteren Ver-
laufe der Entwicklung rasch zu. Die Zunahme äussert sich
einerseits in der Vermehrung der Zahl und in einem Grösser-
werden der Pigmentkörnchen, andererseits in einer dunkleren
Färbung des Pigments.
Die Teilung der Pigmentepithelien erfolgt nach Seefelder
bei den jüngsten Stadien ausschliesslich durch Mitose. Etwa von
dem Ende des dritten Monats nimmt die Zahl der Mitosen in
dem Pigmentepithel erheblich ab. Daraus und aus dem Vor-
handensein von zahlreichen mehrkernigen Zellen schliesst
Seefelder mit einiger Bestimmtheit auf eine intensive amito-
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 109
tische Kern- bezw. Zellteilung bei menschlichen Föten, vorwiegend
im fünften Monat der Schwangerschaft.
Über die Art der Entstehung des Pigments konnte Seefelder
selbst bei den jüngsten Stadien nichts Bestimmtes ermitteln.
„Man ist einfach“ — sagt er auf S. 432 — „vor die Tatsache
gestellt, dass es vorhanden ist, ohne sehen zu können, woher es
gekommen ist. Trotz sorgfältigster Untersuchung der benach-
barten noch pigmentlosen Zellen und deren Umgebung habe ich
dort keine Veränderungen bemerken können, welche mit dem
Vorgange der Pigmentbildung in Zusammenhang zu bringen
gewesen wären.“ — „Ich lasse mich deshalb“ — auf 8. 433 —
„auf die Streitfrage nach der Herkunft des Pigmentepithels“
(soll heissen Pigmentes)“ gar nicht ein, da ich keine leeren
Hypothesen aufstellen möchte.“
Das günstigste Beobachtungsmaterial für Untersuchungen
über die Entstehung des Pigmentes im Auge des Hühnchens sind
meines Erachtens Embryonen vom vierten und fünften Tage der
Bebrütung.
Das Pigment tritt hier bekanntlich vorwiegend in Form von
dünnen stäbchenförmigen Gebilden in die Erscheinung. Daneben
findet man seltener auch rundliche und spindelförmige Pigment-
einschlüsse. Auffallend ist die Ansammlung der pigmentierten
Stäbehen im Gebiete der basalen Zellperipherie, also dort, wo
bereits in diesem Stadium die embryonale Choriocapillaris das
Auge umspinnt. Es sei jedoch gleich vorneweg gesagt, dass
zwischen diesem zuerst in die Erscheinung tretenden Pigment-
partikelchen und den äusseren Blutgefässen direkte Beziehungen
in keinem Stadium der Entwicklung nachgewiesen werden konnten.
Als besonders wichtige Feststellung, welche für die ganze
weitere Auffassung der Pigmentgenese von ausschlaggebender
Bedeutung sein musste, kann aie Tatsache gelten: dass neben
den Pigmentstäbchen auch Gebilde von ganz identischer Grösse,
Form und Aussehen vorhanden sind, welche auf diesem Stadium
noch keine Spur einer Pigmentierung aufweisen. Diese Zellein-
schlüsse färben sich intensiv mit allen Kernfärbemitteln. Da man
nun im selben Gesichtsfeld den Übergang dieser unpigmentierten
chromatinhaltigen Stäbchen in richtige Pigmenteinschlüsse Schritt
für Schritt verfolgen kann, so unterliegt es keinem Zweifel, dass
sie als die jüngeren Stadien des Pigmentes anzusprechen sind.
110 Aurel v. Szily:
Weitere Untersuchungen führten zur Feststellung der neuen
und interessanten Tatsache, dass die unpigmentierten chromatin-
haltigen Stäbchen im Cytoplasma des Pigmentepithels des
Hühnchens in ihrer Gesamtheit von den Zellkernen des äusseren
Blattes des Augenbechers, des sog. Pigmentblattes herzuleiten
sind. Ihre Entwicklung vollzieht sich auf die folgende Weise:')
Man findet nicht selten bei optimaler Einstellung des Kern-
querschnittes einen kleinsten zierlichen Fortsatz am Kern sitzen
(Taf. IV, Fig. 1), der zunächst so aussieht wie die feinste Duplikatur
der Kernmembran. Die Kernstruktur wird durch das Auftreten
dieser Fortsätze keineswegs verändert, das Chromatingerüst zeigt
das gewöhnliche Bild, wie es dem ruhenden Zellkern an dieser
Stelle zukommt. Er verrät den Zustand der Tätigkeit nicht ein-
mal durch intensivere Färbbarkeit seines Bestandes. Es sind in
diesem Stadium ein bis zwei Nucleolen vorhanden, der eine zu-
meist in der Mitte des Kerns, der andere mehr oder weniger
peripherisch gelagert.
Eine Bevorzugung der basalen oder der freien Zellhälfte
findet nicht statt. Wir sehen im Gegensatz zur ersten Abbildung
in Fig. 2 (Taf. IV) einen ebensolchen Fortsatz in der Nähe der
freien Zellperipherie entspringen.
Direkte Beziehungen zu dem Chromatingerüst des Zellkerns
sind in den meisten Fällen nachweisbar, im Sinne eines kon-
tinuirlichen Zusammenhanges. In selteneren Fällen können die
Fortsätze durch Vermittlung des Kerngerüstes bis an den Nucleolus
verfolgt werden. (Taf. IV, Fig. 5).
Die nächste Abbildung (Taf. IV, Fig.4) kann insofern als sehr
günstig bezeichnet werden, als hier der ganze Entwicklungsgang
an der Hand eines einzigen Zellbildes klar zutage tritt. Es ist
zunächst ein kräftiger seitlicher Fortsatz zu sehen, dessen
Zusammenhang mit dem Chromatingerüst des Zellkerns über
jeden Zweifel erhaben ist. Im Bilde nach unten, gegen die freie
Oberfläche zu, erblicken wir*einen solchen Fortsatz gerade im
Moment der Ablösung. Ein zarter Faden vermittelt noch eine
!) Sämtliche Abbildungen von Querschnitten durch das Pigmentepithel
der embryonalen Augen sind so orientiert, dass die ursprünglich freie Ober-
fläche, welche der Retina zugewendet ist, nach unten zu liegen kommt. In
der Zeichnung nach oben liegen die basalen Zellteile, an welche sich das
umliegende gefässführende Bindegewebe anschmiegt.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. Ian
Verbindung mit der Stelle des früheren Zusammenhanges. Dieses
eben abgestossene Chromatinstäbchen ist noch gänzlich unpig-
mentiert, ebenso ein Teil der frei im Cytoplasma liegenden Ein
schlüsse von ganz identischem Aussehen. Von diesen noch gänzlich
unpigmentierten Chromatinpartikelchen bis zum fertigausgebildetem
Pigmenteinschluss, sind auf dieser Abbildung sämtliche Übergänge
nebeneinander zu sehen.
Die Fortsätze können noch im Zusammenhange mit der
Zelle zu ganz imposanter Länge heranwachsen, wobei nicht selten
bereits am distalen Ende die Pigmentierung einsetzt (Taf. IV,
Fig. 5). Die Umwandlung, durch welche das Chromatinstäbchen
endlich zum sog. Pigment wird, beginnt an einem Ende, in
selteneren Fällen an beiden Enden zugleich, wobei in den mitt-
leren Gebieten eine hellere Stelle, welche den Chromatinfarbstoff
annimmt, sich noch einige Zeit erhält.
Mächtige Fortsätze zeigen die Zellkerne auf Fig. 6 und 7
(Taf. IV), welche etwas älteren Entwicklungsstadien angehören.
Auf der ersteren Abbildung (Taf. IV. Fig. 6) ist die Pigmentierung
der kräftigen Chromatinfortsätze noch im Zusammenhange mit
dem Zellkern recht intensiv. Daneben findet sich an dem kleineren
er.beiden auf dieser Abbildung sichtbaren Zellkerne, auch noch ein
schmächtigerer keulenförmiger Fortsatz, der seiner Form nach an die
Jüngeren Stadien erinnert, mit denen die Reihe begonnen wurde, nur
dass bei diesem hier die Pigmentumwandlung schon eingesetzt bat.
Die zweite Abbildung (Taf. IV, Fig. 7) zeigt an dem nach
unten (retinalwärts) gerichteten Fortsatz das seltene Vorkommnis,
dass die Pigmentierung manchmal ausnahmsweise auch an dem
medialen Ende des Fortsatzes beginnen kann, also dort, wo das
Stäbehen mit seiner Basis noch an der Kernmembran festsitzt.
Diese Serie beschliesst ein Bild des Pigmentepithels vom
Hühnchen, welches auf das Gebiet von vier Zellen sich erstreckt
(Taf. IV, Fig. 8). Man sieht noch zahlreiche Fortsätze an den
Kernen, der eine Zellkern besitzt zwei solcher Fortsätze, die in
nächster Nälie voneinander entspringen und deren Zusammenhang
mit dem Chromatingerüst des Kerns deutlich zutage tritt. Die
Zahl der von einem Kern zu gleicher Zeit entspringenden Fort-
sätze beträgt gewöhnlich eins bis zwei; in selteneren Fällen
kommen auch drei zur Beobachtung, doch weisen dann dieselben
gewöhnlich erhebliche Altersunterschiede auf.
112 Aurel v. Szily:
Auf derselben Tafel befinden sich einige Stadien von Mitosen
aus dem Pigmentblatt des Hühnchens am vierten Tage der
Bebrütung. Ich verzichte hier darauf, eine bis in die Einzelheiten
gehende Schilderung dieses Vorganges an der Hand einer lücken-
losen Serie von Kernbildern aus allen Stadien der Mitose zu
geben. Es soll hier nur ein kurzer Hinweis geschehen auf jene
Vorgänge, welche im Verlaufe der Mitosen im Pigmentblatt des
Hühnchens die Bedeutung von Kernbestandteilen für die Melanin-
bildung erkennen lassen.
Schon geraume Zeit, bevor die eigentliche Kernteilung
einsetzt, kann man an solchen Zellen tiefgehende Veränderungen
wahrnehmen. Die Zellen, die bekanntlich auf der, dem Lumen des
Sehventrikels zugekehrten Oberfläche gelegen sind, runden sich
ab, das Chromatin der Kerne wird grobscholliger, und bildet
stellenweise feinere und dickere Forsätze (Taf. IV, Fig. 9). In dem
darauffolgenden Stadium, welches man schon als Prophase der
Mitose bezeichnen könnte, ist der Nucleolus vollständig ver-
schwunden, das Chromatin beginnt in einzelne Brocken zu zer-
fallen. Die Chromatinfortsätze haben sich vergrössert; neben dem
einen Kern ist ein solcher losgelöster Fortsatz sichtbar, der im
Cytoplasma liegend sich eben zu pigmentieren beginnt (Taf. IV,
Fig. 10).
Die nächste Abbildung (Taf. IV, Fig. 11) zeigt ein Stadium,
welches vielleicht nur um geringes älter ist, wie das vorher-
gehende. Hier ist am Kern nur ein einziger Fortsatz sichtbar.
Dafür befinden sich im Cytoplasma zwei bereits losgelöste Chro-
matinpartikelchen und auf der anderen Seite neben dem Kern
zwei Pigmenteinschlüsse von ganz identischer Form und Grösse.
Es kommt hier die Gesetzmässigkeit, die ich weiter unten durch
andere Befunde noch ergänzen werde, zum Ausdruck, wonach die
zuerst erscheinenden Pigmentträger, abgesehen vom Farbstoff,
in morphologischer Beziehung mit den daselbst gebildeten
Chromatineinschlüssen vollkommen identifiziert werden können.
Während der Metaphase der Mitose sieht man die hier
stäbehenförmigen Chromosomen nicht selten sich abnorm ver-
längern (Taf. IV, Fig. 12), wobei sich dann einzelne loslösen und
in einiger Entfernung von dem Mutterknäuel liegen (Taf. IV,
Fig. 13). Alsbald beginnt an solchen versprengten Chromatin-
teilchen die Pigmentierung, während aus den allmählich äquatorial
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 115
angeordneten Ohromosomenschleifen immer neue Teile hinzu-
kommen. Diese lebhafte Abstossung von Chromatinbrocken
während der Mitose mit nachfolgender Pigmentierung hat zur
Folge, dass sich gerade die älteren Stadien der Mitosen im
äusseren Blatte des Augenbechers vom Hühnchen durch einen
besonderen Reichtum an pigmentierten Zelleinschlüssen auszeichnen
(Bars V. Fig: 14).
Ich werde weiter unten versuchen, für diesen bemerkens-
werten Vorgang der Uhromidialabstossung im Verlaufe der Mitose
eine einigermassen befriedigende Deutung zu geben.
Ich gehe jetzt über zur Schilderung der Entwicklung des
Pigmentes im Auge der Säugetierembryonen auf Grund meiner
Befunde beim Kaninchen. Hier eignen sich am besten die Stadien
von der tiefen Linsengrube bis zur vollständigen Abschnürung
der Linse (11., 12., 13. Tag nach der Befruchtung). Ausserdem
standen mir noch für diese Untersuchungen einige Serien von
Meerschweinchen, Rind, Katze, Hund und eine einzige aus ent-
sprechendem Stadium vom Mensch zur Verfügung.
Die Bildung des Pigmentes vollzieht sich nun hier auf eine
wesentlich verschiedene Art, wie beim Hühnchen. Während es
sich dort um einen Austritt von einzelnen Chromatinteilchen aus
dem intakten Zellkern handelte, haben wir es hier mit tief-
greifenderen Veränderungen zu tun, wobei der Kern zum Schluss
in den meisten Fällen in toto aufgebraucht wird.
Ich möchte hier gleich vorwegnehmen, dass ganz ähnliche
Kernveränderungen auch im Anschluss an andere, ausgesprochen
degenerative Prozesse vorkommen können, über die ich ein
andermal zusammenhängend berichten möchte.
Ausserdem soll zur Vermeidung einer jeden falschen Deutung
meiner weiteren Ausführungen bereits an dieser Stelle betont
werden, dass die hier zu beschreibenden Zelldegenerationen sich
stets nur auf eine Anzahl von Kernindividuen beziehen. Es
unterliegen diesen Veränderungen bloss jene vielleicht über-
schüssigen Zellkerne die aus dem Gefüge des ursprünglich mehr-
zeiligen äusseren Blattes des Augenbechers herausfallen. Nach
Ablauf dieser Veränderungen wird das Pigmentblatt durch eine
kontinuierliche Reihe kernhaltiger Epithelzellen gebildet, welche
die zu Pigment umgeformten Reste jener eben erwähnten, für
überschüssig erklärten, degenerierenden Kerne in sich aufnehmen.
114 Anırlel ws zilg:
Auf Taf. IV, Fig. 15, ist ein Teil des Querschnittes durch
das Pigmentblatt eines elf Tage alten Kaninchenembryo zu sehen.
Die Kerne sind in zwei Reihen angeordnet, die Zellgrenzen nur
andeutungsweise erkennbar. Die grossen bläschenförmigen Kerne
enthalten ein ziemlich gleichmässig verteiltes Uhromatingerüst
mit mehreren (in der Regel zwei bis vier) Nukleolen. Neben
diesen intakten, normalen Zellkernen sind noch andere im selben
Schnitt zu sehen, die im ganzen etwas zusammengeschrumpft
erscheinen, wobei ihr Chromatin sich in stark färbbare Klumpen
zusammenzuballen beginnt. Ein Vorgang, den man im Sinne der
Gellularpathologie als Karyorrhexis bezeichnen könnte. Ausser
diesen intensiv färbbaren schrumpfenden Kernen sind im Üyto-
plasma auch frei einzelne Chromatinschollen sichtbar. Da nun
von diesen letzteren, bis zu den tiefschwarzen Pigmenteinschlüssen
von ganz ähnlicher Form und Aussehen, alle Zwischenstadien
vorhanden sind, unterliegt es keinem Zweifel, dass diese Chromatin-
brocken ein jüngeres Stadium des Pigmentes darstellen und
in ihrer Gesamtheit auf das Chromatin des Kerns zurück-
zuführen sind.
Sehr schön kommt auch auf der nächsten Abbildung (Taf. IV,
Fig. 16) dieser Entwicklungsmodus zum Ausdruck. Man sieht
hier zwischen einer Anzahl normaler Zellkerne zerstreut auch
solche, welche auf verschiedenen Stufen der Pigmentumwandlung
sich befinden. Die Kernmembran ist hier noch erhalten, während
das Chromatin in grössere und kleinere Brocken zerfällt. Was
diesem Bild besondere Beweiskraft verleiht, ist der Umstand,
dass stellenweise noch innerhalb der als Rest der Kernmembran
gedeuteten Begrenzung der Uhromatinanhäufungen bereits die
Pigmentierung einsetzt.
Ich möchte an dieser Stelle eine Erklärung von mehr
allgemeiner Bedeutung abgeben, die sich auf die Begrenzung der
einzelnen Zellen in diesem Stadium bezieht. Diese Frage muss
hier schon deshalb ventiliert werden, weil sie uns über das
spätere Schicksal der frei gewordenen Chromatinschollen Auf-
klärung gibt.
Meine durch zahlreiche Beobachtungen begründete Ansicht
lässt sich dahin zusammenfassen, dass die embryonalen Zellen in
diesem Stadium gegeneinander nicht scharf abgegrenzt sind,
sondern ein sogenanntes Zellsyneytium bilden. Besonders aus-
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 115
geprägt finde ich dieses Verhalten im Pigmentepithel des Anges.
Hier sind in diesem Stadium des intensiven Wachstums, das mit
hochgradigen Kernverschiebungen einhergeht, mit den besten
Methoden Zellgrenzen nicht nachweisbar. Eine Ausnahme bilden
vielleicht nur Zellen, die sich zur Mitose anschicken und gegen
die umliegenden mehr oder weniger deutlich abzugrenzen pflegen.
Aus diesem Verhalten ergibt sich dann die natürliche
Folgerung, dass die Protoplasmareste und Uhromatinschollen der
in Pigmentumwandlung begriffenen Zellen von den Nachbarzellen
aufgenommen, assimiliert oder als Pigmenteinschlüsse weiter-
geführt werden.')
Sehr auffallend ist z. B. diese mangelnde Zellbegrenzung
auf der nächsten Abbildung (Taf. IV, Fig. 17). Die dunklen, zumeist
aus zwei bis vier Schollen bestehenden rundlichen Einschlüsse
sind in Pigmentumwandlung begriffene Zellkerne. Es ist wahrlich
nicht möglich, sie dem Gebiete einer bestimmten Zelle zuzuteilen.
Oft bleiben die Chromatinschollen, die aus einem einzigen
Kern entstehen, noch einige Zeit durch Vermittlung einer weniger
kompakten, zuweilen nur sich mit Plasmafarbstoffen färbenden
Substanz verbunden, in einem Haufen liegen. Einige dieser
Schollen zeigen in diesem Falle noch vor ihrem Ausschwärmen
mehr oder weniger deutliche Pigmentierung (Taf. V, Fig. 18).
Die Verteilung des Pigmentes bei seinem ersten Erscheinen
im Auge der Säugerembryonen ist keiner bestimmten Regel unter-
worfen. Nicht selten findet man die Pigmenteinschlüsse zuerst
in der Nähe der ursprünglich freien Oberfläche (Taf. V, Fig. 19).
Gewöhnlich sind sie aber über den ganzen Querschnitt gleich-
mässig verteilt.
Einige Worte auch über das Entstehen von Anhäufungen
von Pigmentschollen, wie sie auf den Figuren 19 und 20 der
Taf. V zu sehen sind und die gewöhnlich schon bei schwacher
Vergrösserung ins Auge fallen. Sie kommen dadurch zustande,
dass nicht selten zwei oder mehr Kerne nebeneinander einer
gleichzeitigen Pigmentumwandlung anheimfallen. Dadurch kommen
zunächst Lücken im Protoplasma zustande, die von grösseren und
!) Bezüglich der Frage des Zusammenhanges embryonaler Zellen,
sowie die Übernahme von Zellprodukten in das Gebiet benachbarter Zellen
verweise ich auf meine frühere Arbeit: Über das Entstehen eines fibril-
lären etc. (109; 1908).
116 Aurel v. Szily:
kleineren Chromatinschollen erfüllt werden (Taf. V, Fig. 20) und
die später nach vollendeter Pigmentierung die oben erwähnten
Pigmentkonglomerate bilden.
Zwei aufeinander folgende Stadien der Pigmentumwandlung
zeigen die beiden nächsten Abbildungen auf Taf. V. Auf der
ersten (Taf. V, Fig. 21) sehen wir inmitten des verflüssigten
Uytoplasma den geschrumpften Zellkern liegen, dessen Chromatin
zu kugeligen Gebilden zusammengeballt erscheint. Die nächste
Abbildung (Taf. V, Fig. 22) zeigt das darauffolgende Stadium des
Zerbröckelns und Pigmentierung. Die Kernmembran ist geborsten
und die zum Teil schon intensiv gebräunten Ohromatinschollen
schwärmen ins Gebiet der intakten Nachbarzellen aus.
Neben dem Chromatinzerfall des ganzen Kernindividuums
ist nicht selten ein Austritt des Nukleolus aus dem sonst intakten
Zellkern zu beobachten. Dieser Vorgang, der sich nicht aus-
schliesslich auf das Pigmentblatt beschränkt, sondern in diesem
Stadium in der Embryonalanlage sehr verbreitet vorkommt, voll-
zieht sich auf die folgende Weise. Der randständige Nukleolus
buckelt an einer Stelle die Kernmembran vor, wobei nicht selten
das Chromatingerüst der Umgebung etwas gelockert erscheint
(Taf. V, Fig. 23). Im nächsten Stadium rückt der Nukleolus ins
umliegende Cytoplasma weiter vor, die Kernmembran flaschen-
halsförmig nach sich ziehend (Taf. V, Fig. 24). Endlich löst er
sich vom Kern gänzlich los und liegt frei in einer Delle des
letzteren" (Taf V, Eig.25).
Eine besonders lebhafte Produktion von Chromatinschollen
findet in der Nähe der Übergangsstelle von Pigment- und Retinal-
blatt statt, im Anschluss an Mitosenbildungen, die bekanntlich
in diesem Stadium vorwiegend an jener Stelle vorzukommen
pflegen.
Auf Taf. V, Fig. 26, sind drei Zellkerne zu sehen, die in
ihrer natürlichen Reihenfolge von links nach rechts drei aufein-
anderfolgende Prophasen der Mitose darstellen. Diese beginnt
mit dem Anwachsen der chromatischen Substanz im Kern, die
alsbald sich zu kleinen Schollen oder Tröpfehen, den sogenannten
Chromosomen, umwandelt. In diesem Stadium gehört die Ab-
stossung von Chromatinteilchen zur Regel. Sehr deutlich zeigt
diesen Vorgang auch die nächstfolgende Abbildung (Taf. V,
Fig. 27).
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. E17
Einen nicht unwichtigen Punkt von allgemeiner Bedeutung
bildet die Frage, ob die vollentwickelten Pigmentschollen leblose
Zelleinschlüsse darstellen, oder ob man sie als lebende Organellen
ansprechen darf. Ich glaube mit Bestimmtheit zugunsten dieser
letzteren Auffassung eintreten zu dürfen. Ich halte mich dazu
vor allem auf Grund der Feststellung für berechtigt, dass es mir
gelang, eine Vermehrung der bereits pigmentierten Zelleinschlüsse
durch Zerschnürung (Fragmentierung) nachzuweisen. Auf Taf. V,
Fig. 28, sind verschiedene solche Teilungsstadien in der natür-
lichen Reihenfolge abgebildet.
Zur Schilderung der Chromatinabstossung im Verlaufe der
mitotischen Kernteilung bei Säugerembryonen wähle ich absichtlich
nicht Bilder aus dem Pigmentblatt des Auges. Dies geschieht
einmal deshalb, weil es sich dabei keineswegs um einen Vorgang
handelt, der nur in Verbindung mit der Pigmentgenese vorkommt,
und dann auch, weil die Ausdehnung des Phänomens der Chro-
midialausstossung auf eine grössere Gruppe embryonaler Zellen
meines Erachtens zugleich ein besseres Verständnis der analogen
Vorgänge in bösartigen Geschwülsten des Erwachsenen gewähr-
leistet.
Eine solche Serie mitotischer Kernteilungsfiguren aus der
Mittelhirnwandung des zwölftägigen Kaninchenembryo sehen wir
auf Taf. V abgebildet. Sie beginnt mit dem Verschwinden des
Nukleclus und der Bildung der sogenannten Chromosomen, die
hier bei der von mir geübten Technik Tropfenform besitzen. Die
Kernmembran ist in diesem Stadium noch erhalten (Taf. V,
Fig. 29). Alsbald wird aber letztere stellenweise etwas undeutlich,
und nun beginnt die Auswanderung der Chromatintröpfchen (Taf. V,
Fig. 30). Jetzt beginnt sich auch die in Teilung befindliche Zelle
Hand in Hand mit dem Verschwinden der Kernmembran gegen
die Umgebung deutlicher abzugrenzen (Taf. V, Fig. 31). In den
darauffolgenden Stadien nimmt die Abstossung von Chromatin
noch weiter zu, wobei es unter Umständen vielleicht auch zu
einer Verschiebung mehrerer solcher versprengter Uhromatin-
brocken kommt (Taf. V, Fig. 32). Schon jetzt macht sich eine
deutliche Verminderung der Färbbarkeit der eliminierten Chro-
matinbrocken bemerkbar, die weiterhin immer deutlicher zutage
tritt. Während dieselben anfangs die Kernfarbstoffe ebenso
intensiv annahmen und behielten, wie die Chromosomen des
115 Aurel v. Szily:
Zellkerns, nimmt ihre Färbbarkeit mit zunehmendem Alter der
Mitose an Intensität ab und schliesslich färben sie sich nur noch
mit Eosin, im Farbenton des Cytoplasma. Dieses Verhalten zeigen
die letzten Glieder der Serie (Taf. V, Fig. 33—38) deutlich. Aber
auch in der letzten Abbildung, welche einen Kern in der Telo-
phase der Teilung darstellt, sind die abgestossenen Chromatin-
brocken als kompaktere, mit Eosin rötlich gefärbte Schollen im
Zellplasma deutlich erkennbar.
Nur noch einige Worte über das Verhalten des Nukleolus
während der Kernteilung. Wir haben gesehen, dass dieser in der
Regel in der Prophase zur Teilung undeutlich wird und färberisch
nicht mehr nachzuweisen ist. Der Zeitpunkt seines Verschwindens
scheint jedoch nicht an eine bestimmte Phase der Teilung
gebunden zu sein. Ich habe ihn hier zuweilen noch in ziemlich
späten Stadien der Mitose (vollausgebildete Tochtersegmente)
auffinden können. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die
auf Taf. V, Fig. 35-38, abgebildeten gröberen mit Eosin
gefärbten Schollen im Cytoplasma für Reste des Nukleolus halte.
Auf der einen Zeichnung (Taf. V, Fig. 37) zeigt der Einschluss eine
deutliche Ähnlichkeit mit dem in Zerfall begriffenen Nukleolus, den
O0. Hertwigin dem sich zur ersten Richtungsspindel umbildenden
Keimbläschen von Limax maximus dargestellt hat (1909, S. 218).
Bezüglich der Frage nach der Herkunft des Chorioideal-
pigmentes möchte ich bloss einige kurze Angaben machen. Diese
Frage ist von keiner geringen Bedentung für die Beurteilung der
in der Aderhaut primär entstehenden malignen Geschwülste. Ich
erinnere bloss an die bereits vor Jahren von Th. Leber geäusserte
Anschauung über die Mitbeteiligung des Pigmentepithels bei der
Geschwulstbildung in der Aderhaut, die erst in der allerletzten
Zeit durch Wieting und Hamdi (113; 1907) von neuem zur
Diskussion gestellt wurde. Nach der Ansicht der beiden zuletzt
erwähnten Autoren sollen die Melanoblastome des Augeninnern
von den epithelialen Elementen der Retina ihren Ursprung nehmen.
Sie sind also richtige Neuroepitheliome, die aus Zellkomplexen
hervorgehen, welche in der Aderhaut versprengt wurden, vielleicht
auch im Sinne Schwalbes und Borsts nur missbildete
Elemente sind.
Die von ophthalmologischer Seite als unumstösslich sicher
hingestellte sarkomatöse Natur der malignen Melanome soll nach
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 119
der Ansicht von Wieting und Ilamdi einer Revision auf Grund
entwicklungsgeschichtlicher und vergleichend-anatomischer Beob-
achtungen bedürfen.
Diese Autoren gehen sogar so weit, dass sie der Chorioidea
die Fähigkeit, Pigment zu bilden, vollständig absprechen. Nach der
Meinung von Wieting und Hamdi findet die primäre Entstehung
des melanotischen Pigmentes ausschliesslich im Epithel statt.
Hiermit berühren wir eine Streitfrage, in welcher sich bis
zur neuesten Zeit zwei geradezu diametral entgegengesetzte
Meinungen gegenüber stehen. Es handelt sich um die Herkunft
der Pigmentzellen in den epithelialen Zellschichten.
Für das in der Epidermis vorkommende Pigment war eine
zelluläre Entstehung, da doch dort keine Blutgefässe anzutreffen
sind, das Zunächstliegende. Kölliker (60: 1897) hat dann auf
die Möglichkeit hingewiesen, dass es sich um aus der Cutis ein-
gewanderte pigmentierte Bindegewebszellen handeln könnte. Von
den Zellen ektodermaler Herkunft ist von Kölliker nur der
Pigmentlage der Netzhaut, sowie den pigmentierten Nervenzellen
die Fähigkeit, Pigment zu bilden, zuerkannt worden. In allen
anderen Fällen soll es sich um eine Pigmentierung durch Ein-
wanderung von pigmentführenden Zellen aus dem benachbarten
Bindegewebe zwischen die Epithelzellanlagen handeln. Bekanntlich
erklären Äby, Kölliker, Riehl, Karg u.a. die Pigmentzellen
für Abkömmlinge der gewöhnlichen Bindegewebszellen, Ehrmann
(19; 1896) dagegen behauptet, sie seien besondere mesodermale
Pigmentbildner (Melanoblasten).
Einer konsequenten Durchführung dieser Theorie der sekun-
dären Pigmentierung der Epithelien vom Bindegewebe aus haben
sich aber in der Folge grosse Schwierigkeiten entgegengestellt.
Man hat Befunde mitgeteilt, welche mit dieser Anschauung nicht
nur unvereinbar waren, sondern gerade das Gegenteil zu beweisen
scheinen.
Die vielumstrittene Pigmentfrage hat inzwischen in den
Naevi ein Lieblingsobjekt gefunden. Nach dem neuesten Be-
arbeiter der Frage der Pigmentgenese an diesem Objekt. Dalla
Favera (16; 1908) sind die Chromatophoren der Naevi durch-
weg epithelialen Ursprungs. Nach seiner Meinung sprechen
dafür eine Reihe von Beweismomenten: die Elemente, die wir
als Chromatophoren auffassen, sind vom übrigen Epithel durchaus
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1I. 9
120 Aurel v. Szily:
nicht zu trennen; sie sind zwischen den Epidermiszellen ein-
gelagert, sie erleiden wie diese eine Schwellung, sie bieten die
degenerativen Erscheinungen dar, die den Epithelien bei dem
Naevusprozesse eigen sind. Seine Ansicht deckt sich daher mit
der kürzlich von Wieting und Hamdi geäusserten Anschauung,
wonach diese Chromatophoren besonders differenzierte Epithel-
zellen seien, denen die Fähigkeit, Pigment zu bilden, in viel
höherem Grade als den übrigen Elementen zukommt.
Dem Naevus der Bindehaut des Augapfels und der Aderhaut
hat erst kürzlich M. Wolfrum (114; 1909) eine Arbeit gewidmet.
Bezüglich des Pigmentes der Eier von Rana esculenta und
temporaria hat in der allerletzten Zeit K. Wagner (112; 1910)
bewiesen, dass beim Auftreten des ersten Pigmentes der Eier
keine primären Melanoblasten im Spiele sind, die etwa das
Pigment aus dem Stroma des Ovariums in die Eier transportieren,
sondern dass das Pigment im Ei selbst gebildet wird.
Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass die zuletzt erwähnten
Autoren, die für das Entstehen von Pigment im Epithel eintraten,
die Beteiligung des Zellkerns an der Pigmentgenese als überaus
wahrscheinlich hinstellen, ohne jedoch selbst hierfür einen stich-
haltigen Beweis erbracht zu haben. So sagt z. B. Wolfrum
(114; 1909) in seiner Arbeit über Naevus der Bindehaut und
Chorioidea: „Manchmal konnte man wirklich im Zweifel darüber
sein, ob nicht einzelne sehr kleine Pigmentkörnchen noch dem
Kern selbst angehören. Ich lasse jedoch diese Frage offen, da
sie ebenso wie die, ob das Pigment in ‚Nukleolarsubstanzen‘ des
Kerns seine Vorstufen besitze, ein Spezialstudium erfordert.
Jedenfalls aber sprechen diese Befunde für die Berechtigung
solcher Anschauungen“ (S. 239).
Die von Wieting und Hamdi vertretene Ansicht, wonach
die echten Melanoblastome des Augenhintergrundes epithelialer
Natur wären, hat zur Voraussetzung, dass die Stromazellen der
Chorioidea nicht die Fähigkeit besitzen, Pigment zu bilden. Das
Pigment stammt nach ihrer Meinung unter normalen Umständen
ausschliesslich vom Pigmentblatt der Retina her. Man darf daher
nach der theoretischen Schlussfolgerung dieser Autoren erst dann
„Melanosarkome“ der Chorioidea anerkennen, wenn erwiesen wäre,
dass durch die physiologische passive Beladung mit Pigment die
Bindegewebszellen selber zur Pigmentbildung befähigt würden.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 123]
Diese Auffassung ist insofern unzutreffend, als den Binde-
gewebszellen der Aderhaut die spontane Pigmentbildung keines-
wegs abgesprochen werden darf.
Über die Pigmentgenese in der Aderhaut, Iris und Ciliar-
körper kann ich auf Grund meiner eigenen Beobachtungen in
Kürze folgendes mitteilen. Das Pigment der Uvea ist zweifachen
Ursprungs. Erstens einmal treten im Gebiete der Iris und des
Ciliarkörpers zahlreiche Zellindividuen aus dem Verbande des
Pigmentepithels ins umgebende Bindegewebe über. An der
Bildung von solchen pigmentierten Wanderzellen nimmt der
gesamte vordere Abschnitt des Pigmentblattes des Augenbechers
vom Pupillarrande bis zur Ora serrata teil. Der Austritt von
einzelnen pigmentierten Zellen und Zellgruppen findet beim
Hühnchen in den ersten 14 Tagen der Entwicklung in grossem
Umfange statt. Beim Mensch beginnt dieser Vorgang Ende des
dritten Monats und ist bei der Geburt noch nicht beendet. Die
ersten Angaben über die Entstehung von pigmentierten Wander-
zellen aus dem Pigmentblatt des Augenbechers stammen von
W. H. Lewis. Für die sogenannten Klumpenzellen in der Iris
des Erwachsenen haben Elschnig und Lauber die Herkunft
aus dem Pigmentblatt der Iris verfochten.
Die Hauptmasse des Chorioidealpigmentes entsteht jedoch
gänzlich unabhängig von dem Pigmentepithel zuerst in der
Grenzschicht zwischen Ader- und Lederhaut, im hinteren Bulbus-
abschnitt. Die ersten Spuren des Pigmentes bindegewebigen
Ursprungs treten im Gegensatz zu den eben erwähnten ekto-
dermalen Pigmentzellen des Ciliarteiles zuerst in einiger Ent-
fernung um den Sehnervenkopf herum in die Erscheinung. Den
wichtigsten Beweis für die Unabhängigkeit des eigentlichen
Chorioidealpigmentes von den Pigmentzellen des Augenbechers
erblicke ich in dem Umstande, dass die ersten Pigmentkörnchen
stets in den peripherischsten Zellschichten der Aderhaut gefunden
werden, oberhalb der Schicht der groben Aderhautgefässe, an der
Stelle der späteren Suprachorioidea. Von hier aus schreitet die
Pigmentierung allmählich nach innen, in der Richtung nach dem
Pigmentepithel zu, fort. Die ersten Pigmentkörnchen der Ader-
hautstromazellen unterscheiden sich in Farbe und Form ganz
erheblich von den Pigmenteinschlüssen der retinalen Pigment-
zellen. Vor dem Auftreten des Pigmentes in der Aderhaut können
9*
122 Aurel v. Szily:
an den Zellkernen ganz ähnliche Veränderungen beobachtet
werden, wie es gewisse Zellen in den von mir untersuchten
Aderhautsarkomen aufwiesen. Das Pigment mesodermalen Ur-
sprungs tritt beim Menschen kurz vor der Geburt, oder noch
später in die Erscheinung und erreicht seine volle Ausbildung
erst im Verlaufe der ersten Lebensjahre.
Aus dieser Schilderung geht hervor, dass entgegen der
Ansicht von Wieting und Hamdi der Chorioidea die Fähigkeit,
Pigment zu bilden, unzweifelhaft zukommt. Wir sind daher
berechtigt so lange von Melanosarkomen der Aderhaut zu sprechen,
bis mindestens einwandfrei erwiesen ist, dass ein solcher Tumor
vom Pigmentblatt der Retina seinen Ursprung nahm. Dieser
Beweis steht aber zurzeit noch aus.
Ich kehre jetzt wieder zur Beschreibung meiner eigenen
Untersuchungen zurück.
Im Anschluss an meine Befunde bei Embryonen habe ich
die melanotischen Tumoren des Auges!) von diesem neuen Gesichts-
punkte aus einer Prüfung unterzogen. Diese ergab im grossen
und ganzen eine prinzipielle Übereinstimmung mit der embryonalen
Pigmentgenese, insofern auch hier die Muttersubstanz des nicht
hämatogenen Pigmentes ausschliesslich auf den Zellkern zurück-
geführt werden konnte.
Das ausgezeichnet konservierte Material ist mir von meinem
verehrten Chef und Lehrer, Herrn Geheimrat Professor Dr.
Th. Axenfeld und Herrn Professor Dr. W. Stock für den Zweck
dieser Untersuchungen bereitwilligst zur Verfügung gestellt worden
wofür ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche.
Es handelt sich um typische Pigmentzellensarkome, mit
leicht angedeutetem alveolären Charakter, mit nicht zu reich-
licher Gefässverteilung, stellenweise kleinen Blutungen.
Die Pigmentierung verläuft hier nicht nach einem einheit-
lichen Typus, wie wir es an dem embryologischen Material fest-
stellen konnten. Ich war bestrebt, aus diesem Chaos von
!) Bezüglich der Anatomie und Histologie der Sarkome des Auges
verweise ich auf die Arbeit von F. Schieck (Das Melanosarkom als einzige
Sarkomform des Uvealtraktus.. Bergmann, Wiesbaden 1906). Über die
Herkunft des nicht hämatogenen Pigmentes enthält diese Abhandlung keine
näheren Angaben.
3
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 12:
Zellbildern die zusammengehörenden Phasen der Pigmentbildung
herauszufinden.
Dies geschah zunächst auf die umständliche Art, dass jedes
Zellbild genau mit dem Zeichenapparat entworfen wurde, bis sich
die Figuren von selbst zu einer lückenlosen Reihenfolge zusammen-
schlossen.
Ich führe nunmehr die meines Erachtens zusammengehören-
den Entwicklungsserien einzeln vor und beginne mit der Pigmen-
tierung im Verlaufe der mitotischen Zellteilung in Melano-
sarkomen.
Ich kann aus eigener Erfahrung die Angabe Rössles (99;
1904, S. 305) bestätigen. wonach man stark pigmentierte Zellen
so gut wie gar nicht in Mitose anzutreffen pflegt. Jedenfalls
gehört ein solches Verhalten zur Seltenheit. Ob nur die wenig
oder gar nicht pigmentierten Sarkomzellen vermehrungsfähig sind,
oder aber ob diese pigmentierten Melanomzellen im Prodomal-
stadium der Mitose ihr Pigment wieder verlieren, darüber kann
ich keine bestimmten Angaben machen.
Zellen, die sich zur Mitose anschicken, zeichnen sich schon
geraume Zeit vor der Auflösung der Kernmembran durch beson-
dere Strukturveränderungen aus. Sie runden sich zumeist etwas
ab, das ÜOytoplasma erscheint durchsichtiger, wie aufgelockert.
Hand in Hand mit diesen Veränderungen im Zelleib erweitert
sich die Kernwandung bläschenförmig, wobei sein Chromatininhalt
zu Tröpfehen zerfällt. In diesen Zeitpunkt fällt auch gewöhnlich
die Auflösung des Nukleolus. Besondere Beachtung verdienen
zahlreiche kleine Einschlüsse im Cytoplasma, die sich mit allen
Kernfarbstoffen intensiv färben und deutliche Beziehungen zum
Chromatingerüst des Zellkerns erkennen lassen (Taf. VI, Fig. 39).
Wenn die Kernmembran erst verschwunden ist, kommt es zur
Bildung des Mutterknäuels. Die Nukleintröpfehen liegen eng
beieinander, die Zwischensubstanz färbt sich leicht mit Eosin.
Sie enthält vielleicht Bestandteile des aufgelösten Nukleolus. Sehr
deutlich ist auch in diesem Stadium das Ausschwärmen einzelner
Chromatinteilchen ins Cytoplasma (Taf. VI, Fig. 40). Bemerkens-
wert ist weiterhin die Übereinstimmung zwischen den Nuklein-
tröpfehen und der Grösse und Form der ausgestossenen Kern-
substanz. Sehr deutlich kommt dies auf dem nächsten Stadium
zum Ausdruck, wo sich die Kernsegmente eben im Äquator der
124 Aurel v. Szily:
andeutungsweise sichtbaren Spindel anordnen (Taf VI, Fig. 41).
So erwünscht es wäre, durch Zählmethoden den sicheren Nachweis
einer Eliminierung von Chromosomen während der Mitose zu
liefern, so musste ich nach vielen vergeblichen Bemühungen
schliesslich darauf verzichten. Es ist schlechterdings unmöglich,
die konstante Chromosomenzahl der Melanosarkomzellen auch
nur mit annähernder Genauigkeit festzustellen. Die Loslösung
von Chromatinteilchen lässt sich bis zum Stadium der Tochter-
sterne in der Anaphase der Teilung verfolgen (Taf. VI, Fig. 42).
Es sei hier ganz kurz auf die von D. v. Hansemann (37; 1891)
beschriebenen „versprengten Chromatinschleifen“ im Verlaufe der
mitotischen Kernteilung der Carcinomzellen verwiesen. Er ist
geneiet, sie für den Ausdruck einer atypischen Kernteilung anzu-
sehen. Ich werde weiter unten versuchen, dieses Phänomen im
Anschlusse an die bereits erwähnten analogen Erscheinungen in
lebhaft wachsenden normalen embryonalen Zellen zu erklären und
beschränke mich hier auf die Feststellung des allgemeinen Vor-
kommens dieser Chromatinversprengungen im Verlaufe der
mitotischen Zellkernteilung unter normalen und pathologischen
Verhältnissen.
Im weiteren Verlaufe der Kernsegmentierung können die
versprengten Kernbestandteile an Grösse bedeutend zunehmen
(Taf. VI, Fig. 43). Dies geschieht einmal dadurch, dass zwei
oder mehrere Chromatinbrocken miteinander verschmelzen, zum
grössten Teil jedoch wahrscheinlich durch aktives Wachstum der
einzelnen Einschlüsse, die man auch nach ihrer Loslösung vom
Kern keineswegs als tote Masse betrachten darf. Sie behalten
zweifellos auch während ihrer Lage im Cytoplasma als lebende
Zellorganellen den eigenen Stoffwechsel, die Fähigkeit des
Wachstums, vielleicht auch die der Vermehrung, wie ich es weiter
oben für die Pigmenteinschlüsse im Auge der Kaninchenembryonen
nachweisen Konnte.
Im nächsten Stadium beginnt nun die Umwandlung der
Uhromatinschollen in Pigment (Taf. VI, Fig. 44). Zunächst nimmt
die Affinität der Chromatinschollen zu den Kernfarbstoffen merklich
ab. Sie werden etwas blasser, einige von ihnen nehmen bereits
einen gelblichen Farbenton an. In dem folgenden Stadium, welches
sich auch durch erhebliches Wachstum der Zelleinschlüsse aus-
zeichnet, haben sich alle zu gelblichbraunen Gebilden umgewandelt,
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 125
in welchen jedoch auch einzelne schwarze Pünktchen sichtbar
sind (Taf. VI, Fig. 45). Aber sowohl hier, als auch in dem
folgenden Stadium der Telophase der Teilung sind noch junge
unpigmentierte Chromatinteilchen neben den zum Teil intensiv
pigmentierten Einschlüssen sichtbar. Die Serie beschliesst eine
eben aus der Mitose hervorgegangene Tochterzelle mit kleinem,
intensiv färbbarem Kern und pigmentierten Einschlüssen (Taf. VI,
Fig. 46).
Als einen bemerkenswerten Gegensatz zu dem eben
beschriebenen Entstehungsmodus. der Chromidien im Verlaufe der
mitotischen Zellkernteilung bei Embryonen der höheren Wirbel-
tiere und Geschwulstzellen möchte ich hier das Auswandern der
Sekundärkerne aus dem polyenergiden Primärkern von Aula-
cantha scolymantha, einem Protisten, hinstellen, nach den
schönen Befunden von Borgert (13; 1909). Es differenzieren
sich hier bei Beginn aus dem sogenannten Ohromatingerüst des
grossen Primärkerns die Chromosomen (Sekundärkerne) zunächst
an der Peripherie des Kerns. Die Kernmembran löst sich dann
völlig auf und die Sekundärkerne treten nach und nach ins
Endoplasma über. Sie erscheinen zunächst als kleine Caryosom-
kerne, die zuweilen noch die schleifenförmige Chromosomenform
besitzen. Später teilen sich die Caryosome mitotisch, indem ein
jedes in ca. zehn bis zwölf Teilchromosomen zerfällt. Ein grosser
Teil des chromatischen Materials, also der im Primärkern vor-
gebildeten Sekundärkerne, bildet einen grossen kernartigen Binnen-
körper, der später aufgelöst wird und mithin als somatischer
Rest zu betrachten ist. Ich erwähne diesen Befund ohne Kom-
mentar, bloss weil er eine ganz merkwürdige Umkehrung der
von mir bei Wirbeltierzellen im Verlaufe der Mitose gefundenen
Vorgänge darzustellen scheint.
Den zweifellos verbreitetsten und daher wichtigsten Modus
der Pigmentierung finden wir weiterhin auf Taf. VI abgebildet.
Es muss allerdings zugegeben werden, dass gerade dieser Vorgang
der Pigmentbildung für den Skeptiker weniger überzeugend
erscheinen kann. Ich halte mich jedoch auf Grund sorgfältiger
Untersuchungen für ermächtigt, ihn mitzuteilen, und rechne
bestimmt darauf, dass er bei einer Nachprüfung als der gewöhn-
liche Pigmentierungsmodus der Melanosarkomzelle Anerkennung
finden wird.
126 Aurel v. Szily:
Dieser Vorgang wird eingeleitet durch eine in grossem
Maßstabe einhergehende Ausstossung von Chromidialsubstanz ins
Cytoplasma (Taf. VI, Fig. 47). Man findet solchen Austritt vor-
wiegend in Zellen mit kleinem Protoplasmaleib und relativ grossem
Kern, für welche also die von R. Hertwig als Vorbedingung
einer Chromidienbildung angesehene Störung der „Kernplasma-
relationen“ sicher zu recht besteht. Die ausgestossene Chromatin-
masse verliert unter Umständen ihre Affinität zu Chromatinfarb-
stofien, ist aber als schollige Einlagerung im Cvtoplasma noch
deutlich erkennbar (Taf. VI, Fig. 48). Den Schlussakt bildet die
Umwandlung der Chromatinelemente im Cytoplasma in Pigment.
wobei zugleich durch Verkleinerung des Zellkerns, zwischen dem
letzteren und dem Uytoplasma wieder normale Massenbeziehungen
herbeigeführt werden (Taf. VI, Fig. 49).
Während diese beiden zuerst erwähnten Arten der Pigmen-
tierung im Melanosarkom durchweg den Charakter aktiver oder
produktiver Zellveränderungen an sich trugen, treten bei den jetzt
zu beschreibenden Formen deutlich degenerative Momente in den
Vordergrund.
Einer dieser Vorgänge beginnt mit dem Ausströmen des
Chromatingehalts des Kerns ins Cytoplasma (Taf. VI, Fig. 50)
wobei die Kernmembran an einer nmschriebenen Stelle einreisst.
Bald erscheint das Chromatingerüst durch den Verlust gelichtet.
Der Nukleolus pflegt schon frühzeitig herausgeschleudert
zu werden. Endlich bleibt nur noch die Kernmembran mit
einigen dürftigen anhaftenden Chromatinresten übrig (Taf. VI,
Fig. 51). Diese Veränderung führt zu einem Zustand, wie er auf
der nächsten Abbildung (Taf. VI, Fig. 52) zu sehen ist. Hier
haben sich die spärlichen Reste von chromatischer Substanz, und
ausschliesslich nur diese, pigmentiert.
Zuweilen kommt es auch zur Pigmentierung der frei
gewordenen, nicht resorbierten Nukleolen und des Kernsaftes.
Kombination mit der vorhin an lebensfähigen Zellen beschriebenen
Chromidienbildung mit nachträglicher Pigmentierung kommt vor.
Die grössten Schwierigkeiten für eine einigermassen richtige
Deutung boten Anhäufungen runder, intensiv pigmentierter Gebilde,
die oft in kaum feststellbarer Anzahl neben- und übereinander
in wenig Protoplasma gebettet vorkommen. Die Grösse und Form
dieser Einschlüsse entspricht etwa den kleineren Zellkernen der
Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 127
umliegenden Melanomzellen. Die (rebilde kommen vorwiegend in
der Nähe von grösseren (Gefässen und Blutungen vor, und
entstehen nach meinen Feststellungen auf die folgende Weise:
Den Ausgangspunkt bilden rundliche Zellen mit einem unver-
hältnismässig grossen Kern. Die mittleren Teile des Kerns nimmt
ein riesenhafter Nukleolus ein, der schon auf diesem Stadium
Vakuolen erkennen lässt, die von den meisten Autoren als
Degenerationserscheinungen gedeutet werden (Taf. VI, Fig. 53).
Diese Zellen mit hypertrophiertem Nukleolus im Melanosarkom
sind schon bekannt, und u. a. von Trambusti und Oppenheimer
beschrieben worden. Auf diese haben Rössle und Meirowsky
bei ihrer Erklärung der Pigmentgenese in Melanosarkomen,
wie schon in der Einleitung erwähnt, ganz besonderes (Gewicht
gelegt.
Ich finde nun alsbald eine beginnende Zersplitterung des
Nukleolus (Taf. VII, Fig. 53). Dabei hypertrophiert der Kern und
lässt an seiner Oberfläche beginnende Lappenbildung erkennen
(Taf. VII, Fig. 54). Das Cytoplasma ist nur in beschränktem
Maße imstande, diesem abnormen Wachstum des Kerns zu folgen.
Es entstehen auf diese Weise relativ grosse Zellen, die aber fast
vollständig erfüllt werden von einem riesenmässigen gelappten
Kern, der bis zu 20 Nukleolen und darüber enthält. Bereits in
diesem Stadium: schnüren sich einzelne Fragmente vom Kern ab,
so dass mehrkernige Riesenzellen entstehen (Taf. VII, Fig. 55).
Eine Verwechslung dieser Gebilde mit degenerierten Pigment-
epithelien ist bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu vermeiden.
Das Riesenwachstum des Zellkerns bedeutet eine tiefgreifende
Schädigung der normalen „Kernplasmarelationen“. Zur Schaffung
halbwegs normaler Beziehungen ist eine Reduktion des Kern-
bestandes unbedingt erforderlich. Das geschieht nun auf die
Weise, dass sich einzelne Teile vom Kern abschnüren und als-
bald einer Degeneration anheimfallen. Diese besteht nun darin,
dass ihr Chromatin sich innerhalb der Kernmembran bis auf
geringe Reste auflöst, und ihre Affinität zu den Chromatinfarb-
stoffen verliert. Auf Taf. VII, Fig. 57, ist eine solche mehrkernige
Riesenzelle zu sehen, mit Kernfragmenten in den verschiedensten
Stadien der Degeneration. Ein Kernrest erhält sich dabei in der
Regel (Taf. VII, Fig. 58), woraus man auf die reparative Tendenz
des Vorganges schliessen kann.
jr
[80]
©)
Aurel wszily:
Wenn nun, und das ist von ausschlaggebender Bedeutung,
eine solche Zelle der Pigmentierung anheimfällt, so ist es stets
ohne Ausnahme ein Chromatinrest im Cytoplasma, welcher sich
zu pigmentieren beginnt, wobei zuweilen die ursprüngliche Struktur
dieses Kernderivates von neuem wieder zum Vorschein kommt
(Taf. VII, Fig. 59). Auf der nächsten Abbildung erkennen wir,
dass der Pigmentierungsvorgang wesentliche Fortschritte gemacht
hat (Taf. VII, Fig. 60). Daneben sind auch andere Formen der
Kerndegeneration vorhanden, bei welcher statt einer Abnahme
der Färbbarkeit die Bildung intensiv gefärbter Schollen im Vorder-
grund steht. Bald fällt auch dieser Chromatinklumpen der
Pigmentumwandlung anheim. Der Kernrest macht noch eine
letzte Anstrengung, durch eine Mitose die Oberhand zu gewinnen
(Taf. VII, Fig. 61), aber er trägt dadurch bloss zur Vermehrung
des Chromatingehaltes bei und die Pigmentierung schreitet unauf-
haltsam weiter.
Auf diese Weise kommen schliesslich vollständig pigmentierte
Kernkonglomerate zustande, wie eines auf Taf. VII, Fig. 62, abge-
bildet ist. Wie weit dabei ausserdem noch Verschmelzungen
mehrerer Zellindividuen eine Rolle spielten, vermag ich nicht ohne
weiteres zu unterscheiden.
Der mit der Entstehung dieser eben erwähnten Riesenzellen
einhergehenden multiplen Kernfragmentierung ist ein Vorgang
zur Seite zu stellen, der wesentlich einfacher verläuft und wobei
in der Regel nur ein einziges Kernfragment gebildet wird.
Einen solchen Vorgang sehen wir auf Taf. VII, Fig. 63,
dargestellt.
Der normale Zellkern, dessen relativ kleiner Nukleolus in
der Mitte gelegen ist, erscheint an einer Stelle llaschenhalsförmig
ausgezogen. Alsbald löst sich diese Kernknospe vollständig vom
übrigen Kern ab und liegt nun frei im Cytoplasma in einer
kleinen Eindellung des Kerns (Taf. VII, Fig. 64). Dieses Bild
erinnert einigermassen an die sogenannten Guarnierischen
Körperchen bei der Vaceineerkrankung des Hornhautepithels.
Auch solche kleine losgelöste Kernknospen werden alsbald in
Pigment verwandelt (Taf. VII, Fig. 65).
Die beiden zuletzt zu beschreibenden kurzen Serien zeigen
Kernbilder vom wohlbekannten degenerativen Typus.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 129
Zunächst ein Zellkern in Karyorrhexis (Taf. VII, Fig. 66).
Daneben sind auch vereinzelte schwach gefärbte Chromatinschollen
im Cytoplasma sichtbar, die daran denken lassen, dass hier der
Zerfall vielleicht einen Kern in der Prophase zur Mitose über-
rascht hat. Dasselbe gilt für das nächste Bild (Taf. VII, Fig. 67),
in welchem die Chromatinballen ausserhalb der Kernmembran
liegen. Wie ein solcher Kern nach vollzogener Pigmentierung
aussieht, zeigt uns Taf. VII, Fig. 68.
Schliesslich ein sogenannter pyknotischer Zellkern (Taf. VII,
Fig. 69). Dieser ist anfangs intensiv färbbar, später verliert er
seine Färbbarkeit immer mehr (Taf. VII, Fig. 70). Schliesslich
wird er in toto zu Pigment verwandelt, wobei das Uytoplasma
hier ebenso wie bei der vorhergehenden Form keine Spur von
Pigment sonst aufzuweisen braucht (Taf. VII, Fig. 71).
III. Kritischer Teil.
Überblicken wir die Resultate der eben mitgeteilten Unter-
suchungen, so kann als ihr wichtigstes Ergebnis die neue und
interessante Feststellung gelten, wonach die Bedeutung der
chromatischen Kernsubstanz in der Metazoenzelle im Sinne der
bisherigen Forschung in vieler Hinsicht zu eng umgrenzt worden
ist. Für viele Untersucher ist der Zellkern bis auf den heutigen
Tag lediglich das Fortpflanzungsorgan der Zelle, der im übrigen,
in der Teilungsruhe, hinter seiner Begrenzungsmembran in
ziemlicher Untätigkeit verharrt. Hier wartet er nach dieser
Anschauung inmitten des Cytoplasma und doch dem regen Stoft-
wechsel des letzteren bis zu einem gewissen Grad entrückt, auf
das Eintreten des Zeitpunktes, wo er in das Leben des Organismus
schöpferisch eingreifend das höchste Wunder der Natur vollbringt:
die Zeugung artgleicher Individuen.
Dadurch wurde der Kernsubstanz eine vom Protoplasma
verschiedene Aufgabe zugeteilt. Für sie, als Eigenschaftsträgerin
des Organismus, als dessen Erbmasse (Idioplasma) war dieses
Entrücktsein zugleich eine unvermissbare Bedingung für die Er-
haltung und Weiterleitung der in ihr enthaltenen vererbbaren
Eigenschaften.
Die Annahme, wonach die Kernsubstanz (das Chromatin) in
erster Reihe als die von den Eltern auf das Kind übertragene
Erbmases angesehen werden muss, wird durch mehrere wichtige
150 Aurel v. Szily:
Feststellungen gestützt. Abgesehen davon, dass die Kerne die
einzigen, an Masse äquivalenten Stoffe bei dem Akte der Be-
fruchtung darstellen, findet nachher bei jeder weiteren Karyokinese
eine ganz gleichmässige Verteilung der halbierten Chromatin-
schleifen auf die Tochterkerne statt. Dieser Vorgang ist der
Annahme überaus günstig, welche das Chromatin für den Träger
der Vererbung ansieht, indem die Kernsubstanz jedesmal in zwei
gleiche Hälften zerlegt wird und somit auch die Eigenschaften
der Mutterzelle zu gleichen Teilen den beiden Tochterzellen
überliefert werden.
Als eine überaus wichtige Stütze für die Ansicht, dass das
Chromatin des Kerns der Träger der vererbbaren Eigenschaften
ist, wird mit Recht das Phänomen der Chromatinreduktion im
Verlaufe der Ovogenese herangezogen.
Es wird dabei bekanntlich sowohl in den männlichen wie
in den weiblichen Geschlechtsprodukten die färbbare Kernsubstanz
ihrer Masse und der Zahl der Chromosomen nach auf die Hälfte
reduziert. Erst durch die Befruchtung, welche auf der Ver-
schmelzung zweier Kerne beruht, wird dann die volle Substanz-
masse und die volle Anzahl der Chromosomen eines Normalkerns
wieder hergestellt. Ei- und Samenkern werden also zunächst
durch Reduktionsteilung zu Halbkernen umgewandelt, die dann
durch Verschmelzung erst zu einem Vollkern, dem Keimkern
der befruchteten Eizelle werden.
Die Reduktion des Chromatins vor der eigentlichen Be-
fruchtung, d.h. der Verschmelzung des Spermakerns mit dem
Eikern ist von der allergrössten Wichtigkeit für das gesamte
Problem der Vererbung. Sieht man nämlich mit der über-
wiegenden Mehrzahl der Forscher, als deren hervorragendste
Vertreter Weismann, O0. Hertwig, Roux zu nennen sind,
das Chromatin des Kerns als den Träger der erblichen Eigen-
schaften an, so muss man als den wichtigsten Akt bei der
Befruchtung die Verschmelzung von äquivalenten Kernmassen
väterlichen und mütterlichen Chromatins annehmen. Diese Annahme
wird durch die Erfahrung unterstützt, dass der geschlechtlich
erzeugte Organismus Eigenschaften seiner beiden Erzeuger in
etwa gleichem Maße in sich vereinigt.
Wenn nun bei der Befruchtung die gesamte, nicht reduzierte
Chromatinmenge zur Verschmelzung käme, so würde daraus ein
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 3}
Kern mit doppelter Chromatinmasse und doppelter Chromosomen-
zahl hervorgehen. Ebenso würden alle aus diesem Kern hervor-
gehenden Segmente beschaffen sein und der veränderte Charakter
der Nachkommenschaft ist im Sinne der oben erwähnten Theorie
notgedrungen die Folge.
Damit diese Summation von Kernsubstanz in den auf-
einanderfolgenden Generationen nicht eintrete, muss schon vor
der Befruchtung eine Reduktion des Chromatins stattfinden.
Würde aber eine solche Reduktion ausbleiben, so wären nach
0. Hertwig (43; 1909, S. 307) auch ganz abgesehen von den
(Gesichtspunkten des Vererbungsproblems unhaltbare Zustände,
Riesenkerne, ein Missverhältnis von Kern und Protoplasma die Folge.
Und dadurch wird das Problem der Chromatinreduktion
bei der Eireifung schon einigermaßen hinübergeleitet zur andern,
nicht minder wichtigen biologischen Frage, die Richard
Hertwig als „die Kernplasmarelation“ bezeichnet hat.
Ein anderer Vorgang, wobei es sich ebenfalls um einen
Übertritt von chromatischer Substanz ins Cytoplasma handelt,
ist das von Boveri entdeckte Phänomen der Chromatindiminution.
Diese beruht bekanntlich darauf, dass bei der Entwicklung
der Zellengenerationen, die bei Ascaris megalocephala aus dem
befruchteten Ei hervorgehen, auf einem bestimmten Stadium im
Verlaufe der Karyokinese Bestandteile der einzelnen Chromo-
somen abstossen, wodurch die Konstitution des Kerns eine
Änderung erfährt. Die Angaben von Boveri sind später von
zahlreichen Untersuchern bestätigt und auch auf die Oogenese
anderer Wirbellosen ausgedehnt worden. Die Art und Weise
der Diminution variiert ein wenig bei den verschiedenen Spezies.
Es ergeben sich auch insofern noch Unterschiede, als die Zahl
der Chromosomen in den diminuierten Kerpen einmal trotz ein-
getretener Diminution gleich bleiben kann, das anderemal auf
die Hälfte vermindert wird. Der Vorgang der Chromatindiminution
wiederholt sich im ganzen viermal. Die zuletzt, im 32-Zellen-
stadium zurückgebliebene einzige Zelle mit ursprünglichem Kern
ist die Urgeschlechtszelle. Von ihr leiten sich durch weitere
einfache Teilung die Ei- und Samenzellen des Embryo ab, die
anderen Zellen, welche die „Chromatindiminution“ erfahren haben,
bauen die übrigen Gewebe des Körpers auf (Somazellen nach
Weismann).
152 Aurel v. Szily:
Weit entfernt davon, die von mir im vorhergehenden Teil
dieser Arbeit beschriebene Chromatinabstossung im Verlauf der
Mitose während der normalen Entwicklung bei Embryonen und
in Geschwülsten, mit den eben erwähnten Vorgängen von eminent
wichtiger theoretischer Bedeutung vergleichen zu wollen, sei es
mir doch gestattet, auf die bestehende oberflächliche morpho-
logische Ähnlichkeit hinzuweisen.
Es handelt sich hier wie dort um Eliminierung eines Teiles
des Chromatinbestandes des Zellkerns, ohne merkliche Gefährdung
der spezifischen Eigenschaften der betreffenden Zelle. In dieser
Beziehung fehlt also den hier mitgeteilten Befunden das
Wunderbare, Überraschende vollkommen. Sie sind nicht mehr
beispiellos.
Anders steht es bezüglich der theoretischen Deutung des
von mir beschriebenen Phänomens. Diese kann sich auf Grund
der aus den Vorgängen bei der Reduktionsteilung gezogenen
Konsequenzen nur die eine bereits anerkannte Annahme zu nutze
machen, wonach die Erbmasse bis zu einem gewissen Grade teil-
bar ist, ohne dass ihre Eigenschaft aus sich das ganze zu
reproduzieren, verloren ginge. Auf meine Untersuchungen über-
tragen, lautet diese Regel folgendermassen: Gewisse embryonale
Zellen und die Tumorzellen im Melanosarkom besitzen die
Fähigkeit, während der Mitose Teile ihres Chromatinbestandes
ans Uytoplasma abzugeben, ohne ihrer spezifischen Eigenschaften
verlustig zu werden.
Die theoretische Deutung dieses Vorganges musste aber
andere Wege gehen, als diejenige bei der Reife der männlichen
und der weiblichen Geschlechtsprodukte. Und hier glaube ich
keinen unrichtigen Schritt zu tun, wenn ich mich behufs einer
Erklärung für meine Befunde in den Ideenkreis begebe, dem
zuerst, und wie mir scheint bisher am treftendsten R. Hertwig
Ausdruck verliehen hat.
Ich denke dabei an das von R. Hertwig formulierte
Gesetz der „Kernplasmarelation“, dessen Inhalt und Bedeutung
ich ja in der Einleitung zu dieser Arbeit schon kurz skizziert
habe. Der wichtigste Umstand, der mich veranlasst, meine
Befunde in den Kreis der Hertwigschen Ideen hinüberzuleiten,
ist die Feststellung, dass in allen Fällen, wo ein Austritt von
Chromatin aus dem Zellkern, eine sogenannte Chromidienbildung,
.. < H . 29
Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 133
stattfindet, es sich sehr wohl um eine Störung in den normalen
Wechselwirkungen zwischen Kern- und Zellsubstanz handeln konnte.
Da sind zunächst die Mitosen in embryonalen Geweben.
Es ist wohl kaum anzuzweifeln, dass im Organismus während
der Entwicklung, namentlich anfangs, im Stadium des rapiden
Wachstums ein erhebliches Plus an Nährmitteln vorhanden ist,
dass der Organismus sozusagen überernährt wird. Die Über-
ernährung führt, wie es ja Hertwig durch seine Experimente
deutlich zeigen konnte, zu einer Hypertrophie des Kerns. Dadurch
wird der Gleichgewichtszustand zwischen Kern und Plasma getrübt
und eine Funktionsstörung ist unvermeidlich, wenn hier der
natürliche Regulierungsvorgang nicht eingreifen würde. Dieser
besteht darin, dass Teile aus dem überernährten Kern ausgeschaltet
werden. Dieselben Chromatinteilchen, die solange sie sich
innerhalb der Kernmembran des hypertrophierten Kerns befinden,
für diesen überflüssig, für die gesamte Zelle sogar schädlich
sind, werden wieder zu nützlichen Zellbestandteilen, sobald sie
aus dem Kernverbande ausgeschieden werden. Dem Zellproto-
plasma mit seinem lebhaften Stoffwechsel, seinen Fermenten etc.
überliefert, wird ihr kostbares Material bald zu nützlichen Nähr-
stofften verwandelt. Unter Umständen findet statt einer Assimi-
lierung die Überführung in wichtige Zelleinschlüsse statt. Als
ein weiteres Beispiel dafür haben wir durch vorliegende Arbeit
die Umwandlung solcher Chromidien in Pigmenteinschlüsse kennen
gelernt.
Dasselbe gilt auch für die Mitosen in Melanosarkomen, bei
denen ich die lebhafteste Chromidienbildung in der Nähe von
Blutgefässen und von Hämorrhagien festgestellt habe, also
überall dort, wo die Nahrungsmittelzufuhr am reichlichsten war.
Durch die reichliche Chromatinverschleuderung bei der Mitose im
Melanosarkom gelangt der oft betonte embryonale Charakter
dieser Tumorzellen deutlich zum Ausdruck.
Ich kann bei der theoretischen Bewertung meiner Unter-
suchungsergebnisse der in obiger Beschreibung der eigenen
Befunde absichtlich übergangenen Frage nicht ausweichen, ob es
sich bei der von mir mitgeteilten Ausstossung von Kernbestand-
teilen tatsächlich um Chromatin handelt, oder ob nicht aus-
schliesslich andere weniger wichtige Kernbestandteile dabei be-
teiligt sind. Ich werde zu dieser Fragestellung durch die Angaben
154 Aukvel vw. Szily:
der Autoren gedrängt, die, wie Meirowsky und zum Teil auch
Rössle, den Nukleolus des Zellkerns bei der Pigmentierung im
Melanosarkom die Hauptrolle spielen lassen.
Bekanntlich wurde der Ausdruck Chromatin von Flemming
für diejenigen Bestandteile des Zellkerns eingeführt, die sich mit
bestimmten Färbemitteln, wie z.B. den basischen Anilinfarb-
stoffen, tingieren. Es ist dies dieselbe Substanz, die auch in
den Chromosomen, die ebendaher den Namen führen, enthalten
ist. Nun hat später M. Heidenhain eine ganz andere Substanz,
eine Substanz, die er anfangs als Lanthanin bezeichnet hatte,
gleichfalls mit dem Namen CUhromatin belegt, nur nannte er sie,
da sie sich mit sauren Anilinfarbstoffen tingiert, Oxychromatin,
während er gleichzeitig für das „Chromatin der Autoren“ oder
das „Chromatin der Chromosomen“ den Ausdruck Basichromatin
einzuführen suchte.
Nach Heidenhain ist es möglich, dass die eine Art des
Chromatins in die andere übergeführt, dass z. B. das Basi-
chromatin durch Abgabe von Phosphor in Oxychromatin, oder dieses
umgekehrt durch Aufnahme von Phosphor in Basichromatin
umgewandelt werden könnte.
C. Rabl meint dagegen, dass wir in der Beurteilung des
färberischen Verhaltens der Kern- und Plasmabestandteile im
äussersten Grade vorsichtig und zurückhaltend sein müssen, da
wir ja vorläufig keine einigermaßen plausible Theorie der Färbung
organischer oder richtiger organisierter Substanzen besitzen.
Ebensowenig wissen wir über die Beziehungen der beiden Sub-
stanzen zueinander, wie sie sich histologisch, wie sie sich chemisch
gegenseitig verhalten.
Trotz solcher beherzigenswerter Mahnungen sind auf Grund
oft recht geringfügiger tinktorieller Unterschiede im Zellkern
noch eine ganze Reihe verschiedener Substanzen beschrieben
und mit neuen Namen belegt worden. So unterscheidet z. B.
Pappenheim (SS; 1908) einmal Nuklein, ferner Basipara-
chromatin, Oxychromatin, Basiplastin und Oxyplastin. Die letzten
vier Substanzen gehören als Plastinsubstanzen zusammen, und
stehen dem Chromatin (Basichromatin Heidenhains) gegenüber.
Von allen diesen Kernbestandteilen interessiert uns nebst
dem Chromatin am meisten die sogenannte Nukleolarsubstanz.
Was versteht man unter Nukleolen ?
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 155
Häcker (36; 1899) erklärt die Nukleolen für strukturlose,
unorganisierte Körper. Auch Flemming hält die Dinge, die
wir Nukleolen nennen, für keine morphologisch wichtigen Teile
des Kerns. Sie sind nach seiner Meinung nur Ablagerungen von
Substanzen, welche für den Stoffwechsel im Kern verbraucht und
wieder neu gebildet werden. Sie würden damit gewiss physio-
logisch wichtige Teile des Kerns bleiben, — was ohnehin durch
ihr fast allgemeines Vorkommen genügend erwiesen ist, — aber
doch keine eigentlich organischen, d. h. morphologisch wichtigen
Kernbestandteile.
Balbiani (6; 1881) geht schon einen Schritt weiter auf
dem Wege der Erkenntnis. Auch er glaubt, dass die Nukleolar-
substanz ein Stoffwechselprodukt darstellt. Er erkennt aber
schon, dass die Ausbildung des Nukleolus in einem gewissen
Abhängigkeitsverhältnis zur Intensität und vegetativen Leistungen
von Kern und Zelle steht.
M. Heidenhain hat endlich die Entstehung der Nukleolen
durch folgende chemische Überlegungen zu erklären versucht:
Hereingetragen werden in den Kern eiweissreiche Nukleoalbumine,
die hier auf nicht näher bekannte Weise in Nukleoproteide
umgesetzt werden. Die eiweissreichen Nukleoproteide würden
nun fernerhin durch Abspaltung (basischer) Eiweisse in phosphor-
reiche Nukleoproteide, das sind Basichromatine übergeführt werden.
Das abgespaltene (basische) Eiweiss wird, falls es nicht aus dem Kern
auszutreten vermag, oder zum Aufbau anderer Kernbestandteile
verwendet wird, in der Nukleolarsubstanz aufgesammelt.
Ich berufe mich auf die Meinung dieses ausgezeichneten
Oytologen ausdrücklich, gegenüber der erst kürzlich aufgestellten
Behauptung von Jäger (53; 1909) wonach die Oberfläche des
Kerns ebenso wie der Nukleolus — der Lieferant der pyronoiden
Substanz Meirowskys — von einer fettartigen Substanz gebildet
werden. Jäger stützt sich dabei auf Eugen Albrecht als
(rewährsmann.
Die Nukleolen sind zumeist gänzlich strukturlos; es ist
indessen die Regel (Montgomery), dass innerhalb der grösseren
Nukleolen Vakuolen auftreten (Nervenzellen, Eizellen, gross-
kernige Drüsenzellen), und diese können bei massenhaftem Vor-
kommen wabige, netzige, fädige Strukturerscheinungen hervor-
bringen, welche Heidenhain als Pseudostrukturen ansieht.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 10
136 Aurel v. Szily:
Die Teilungserscheinungen der Nukleolen scheidet Mont-
gomery (50; 1898) in zwei Arten: 1. der Nukleolus verlängert
und zerlegt sich in zwei oder mehrere Teilstücke, welche selbst
wiederum teilungsfähig sind, 2. der Nukleolus unterliegt dem
gleichzeitigen Zerfall in eine Vielzahl granulärer Teilstücke. Den
zweiten Modus hält der Autor für Degeneration.
Dass Nukleolen aus dem ruhenden Kern gelegentlich aus-
gestossen werden, ist öfters behauptet und ebenso oft bestritten
worden. Heidenhain (41; 1907) hat einen solchen Vorgang
nur ausnahmsweise beobachtet, wenn zuvor bei flach geformten
Kernen (Kerne der Kapillarwände und des Bindegewebes) der
Nukleolus mit der Kernmembran sich verlötet und die Verlötungs-
stelle nach aussen sich öffnet.
Die Möglichkeit einer solchen Ausstossung ist aber neuerdings
von Montgomery an einem Objekt gezeigt worden, das jede
Täuschung ausschliesst.
Es handelt sich um einzellige Drüsen von Piseicola rapax.
Der Vorgang wird eingeleitet durch ein kolossales Wachstuni
von Zelle und Kern. Während der Wachstumszunahme des
Kerns nimmt auch der ursprünglich einfache Nukleolus an Masse
zu, verlängert sich, wird unregelmässig und zerfällt schliesslich
in eine sehr grosse Anzahl von Fragmenten, welche sich weiterhin
teilen, so dass auf der Höhe der Entwicklung bis zu 300 Nukleolen
vorhanden sein dürften. Sobald die Sekretion einsetzt, beginnt
der Kern an Grösse abzunehmen und lässt von da ab seine
Nukleolen allmählich in das Zellplasma übertreten. Es fehlt
jedoch nach der Meinung dieses Autors jede direkte Beziehung
zur Bildung der Sekretkörperchen. Schliesslich bleibt in dem
sehr verkleinerten Kern nur ein einziger Nukleolus zurück. Die
ausgestossenen Nukleolen verlieren allmählich ihre Färbbarkeit, ver-
schmelzen untereinander und verschwinden schliesslich vollständig.
Besonderes Interesse verdienen die Angaben der Autoren
über das Verhalten der Nukleolen im Verlaufe der Zellteilung
Man hat früher angenommen, dass der Nukleolus sich bei
der Amitose durch Abschnürung teilt. Heidenhain hält diese
Teilung für eine passive, da ja die Nukleolen nach seiner Auf-
fassung lebloser Natur sind. Hierfür spricht auch nach seiner
Meinung, dass das Verhalten der Nukleolen während der Mitose
in prinzipienloser Weise variiert.
Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 137
Im Verlaufe der indirekten Teilung (Mitose) soll nun der
allgemeine biologische Charakter der Nukleolen als unorganisierter,
zur gänzlichen Ausscheidung bestimmter Stoffe am deutlichsten
zum Vorschein kommen. Es sind bei den verschiedenen Zell-
arten bisher die folgenden Verhaltungsmöglichkeiten beobachtet
worden: 1. Es verschwinden die Nukleolen zu allermeist in der
Prophase der Mitose, solange die Kernmembran noch erhalten
ist; dies ist das gewöhnliche Vorkommen. 2. Sind die Nukleolen
besonders gross oder dicht, so ereignet es sich, dass sie auch
nach der Auflösung der Kernmembran eine Zeitlang fortbestehen
und in das Plasma hinein zu liegen kommen, wo sie dann
allmählich resorbiert werden; diese aus dem Kernraum befreiten
und in den Zelleib eingelagerten Nukleolen nennt man nach
Häcker Metanukleolen. 3. Ferner mag es unter Umständen
vorkommen, dass die Metanukleolen, wenn sie zufällig die ent-
sprechende Lage haben, in die Tochterkerne übergehen. {(Ver-
gleiche Heidenhain |. c., S. 192.)
In der Regel verschwinden die Nukleolen während der
früheren Knäuelstadien spurlos, woraus wohl mit einigem Recht
gefolgert werden kann, dass sie keine lebenswichtigen Organe
darstellen.
Die von Wendt (bei Pflanzen) behauptete Teilnahme der
Nukleolarsubstanz am Aufbau der Chromosomen hält Heidenhain
für höchst unwahrscheinlich.
Eine Vertiefung unserer Anschauungen über die Bedeutung
der einzelnen Kernbestandteile ist durch die moderne Protozoen-
forschung angebahnt worden und verspricht in der Zukunft auch
für die Lehre von der Organisation der Metazoenzelle frucht-
bringend zu werden.
Bei gewissen Protozoen kommen nämlich oft zwei für ver-
schiedene Zwecke dienende Kernbestandteile zeitlebens gesondert
vor, die Schaudinn (102; 1904) als die Stoffwechsel- und
Geschlechtskernsubstanz bezeichnet. Die Untersuchungen dieses
ausgezeichneten Forschers bezogen sich auf das Chromidialnetz
der beschalten Rhizopoden, die er als verteilte Geschlechtskern-
substanz aufzufassen geneigt war. Es entging seinem weit-
gehenden Blicke nicht, dass sich dadurch für die gesamte Zell-
forschung neue Perspektiven eröffnen, wie aus seinen eigenen
Worten hervorgeht: „Die Aufgabe der weiteren Forschung wird
10*
135 Aurelvw Dzily:
es nun sein, auch die Zellen der höheren Wesen auf das Vor-
handensein dieser zwei bei gewissen Protozoen für verschiedene
Zwecke ausgebildeten Kernbestandteile der Stoffwechsel- und
Geschlechtskernsubstanz zu untersuchen und ihr Verhalten
zueinander festzustellen.“
Aus diesen und den daran anknüpfenden Untersuchungen
von v. Prowazek (93; 1904) und Leger (66; 1904) an Blut-
tlagellaten und Gregarinen ergab sich eine allgemeine Gesetzlichkeit,
die man als „Doppelkernigkeit der tierischen Zellen“ bezeichnen
kann. Nach Schaudinn und v. Prowazek besteht der Kern
eines ruhenden Trypanosoma oder Herpetomonas aus zwei
ineinandergeschalteten Kernen, die sich bei der Umbildung des
Ookineten zum Trypanosoma voneinander trennen. Der eine
wird zum Geschlechtskern, der andere zum Bewegungskern oder
Blepharoplast. Nach Weismann wären dieselben als propa-
gatorischer und somatischer Kern zu bezeichnen.
Bei den in ihrem Bewegungsapparat höchst organisierten
Formen der Trypanosomen und Infusoren bleibt die Trennung
der beiden Kerne dauernd bestehen.
Beide haben nur ein kurzes Stadium, das beide Kerne
vereinigt zeigt; das ist gleich nach der Befruchtung. Bei beiden
folgt alsbald eine Teilung des befruchteten Kerns, die nichts
anderes ist, als die Zerlegung in den propagatorischen und
somatischen Teil. Schaudinn schildert in seiner bahnbrechenden
Trypanosomenarbeit, dass diese erste Teilung, die zur Bildung
des Bewegungskerns führt, eine heteropole ist und zwei ver-
schiedenartige Kerne liefert.
Für die Ei- und Samenzelle von Dytiscus, einem Metazoen,
ist die Zweikernigkeit auch deutlich nachweisbar. Sonst tritt
jedoch bei den Metazoenzellen die völlige Trennung beider Kern-
arten nur in wenigen Fällen ein. Wo sie jedoch nach Gold-
schmidt vorhanden ist, wie z. B. bei allen Arten von funktions-
tätigen Zellen, im Gegensatz zu Stützzellen und Deckzellen, tritt
der somatische Kern in Form eines Chromidialapparates in die
Erscheinung. Hier ergibt sich also wiederum ein Anknüpfungs-
punkt für die Erklärung ähnlicher Vorgänge in höher organisierten
Metazoenzellen.
Am schwersten ist eine Unterscheidung in obigem Sinne
durchzuführen, wenn die Sonderung innerhalb eines einheitlichen
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 139
Kerns vorgeht, derart, dass die Existenz von zwei Arten von
Chromatin erschlossen werden muss. In sehr glücklicher Weise
hat dies neuerdings Lubosch (67; 1902) durchgeführt, indem
er die Begriffe des Idiochromatins und Trophochromatins auf-
stellte. Er wird dazu vor allen Dingen durch die Verhältnisse
des Amphibienkeimbläschens geführt. Die Nukleolengenerationen,
die hier vor allem nach Carnoys bekannten Untersuchungen
während der Wachstumsperiode auftreten, sind eben Ausdruck
dieses Trophochromatins. Der somatische Kern funktioniert hier
während der trophischen Periode der Zelle, ohne aber seine
Lagerung innerhalb des Amphinukleus aufzugeben. Der gleiche
Fall dürfte auch vorliegen, wenn die trophischen Prozesse deutliche
Beziehungen zu einem Nukleolus zeigen, wie z. B. in den Entoderm-
zellen der Nassa-Embryonen nach R. W. Hoffmann (50; 1892),
der Nukleolus enthält dann hier das Trophochromatin.
Weitaus die häufigste Art, in der sich die Existenz der
beiden Kernarten ausprägt, ist die eines zeitweiligen Auftretens
der somatischen Kernsubstanz im Plasma in Form von Chromidien.
Goldschmidt (29; 1904) fasst auf Grund dieser eben
erwähnten und anderen Angaben aus der Literatur sowie der eigenen
Untersuchungen an Ascariden seine Ansicht in folgenden Sätzen
zusammen, die ich ihrer Wichtigkeit halber hier wörtlich wiedergebe:
„Jede tierische Zelle ist ihrem Wesen nach doppelkernig:
sie enthält einen somatischen und einen propagatorischen Kern.
Ersterer steht den somatischen Funktionen, Stoffwechsel und
Bewegung vor und kann vorherrschend Stoffwechselkern oder
Bewegungskern sein. Der propagatorische Kern enthält vor
allem die Vererbungssubstanzen, denen auch die Fähigkeit
zukommt, einen neuen Stoffwechselkern zu erzeugen. Die beiden
Kernarten sind gewöhnlich in einem Kern, dem Amphinukleus,
vereinigt. Die Trennung kann in mehr oder minder hohem
Maße erfolgen; eine völlige Trennung ist selten, am häufigsten
eine Trennung in einen vorwiegend propagatorischen aber doch
gemischten Kern, den Zellkern im gebräuchlichen Sinne, und in
die Hauptmasse des somatischen Kerns, den Chromidialapparat.
Die vollständige Trennung beider Kernarten dürfte nur in
wenigen Fällen vorliegen, im Zusammenhang mit der Fortpflanzung
bei den Protozoen, ferner in der Oogenese und Spermatogenese
der Metazoen.
140 Aurel v. Szily:
In (Grewebezellen kann die Trennung möglicherweise auch
gar nicht bemerkbar sein, wie in den meisten nicht lebhaft
funktionierenden Zellen, auch fertig ausgebildeten Eizellen. Inner-
halb des Kerns kann sie dann besonders bei Eizellen bemerkbar
werden in der Unterscheidung zweier Chromatinarten, des Idio-
chromatins und Trophochromatins. Deutlich wird dann die
Trennung, wenn Teile des somatischen Kerns ins Plama gelangen,
hier Chromidien bilden. Bei Drüsenzellen besonders tritt dies
in regelmässigen Perioden ein, bei Eizellen während der Dotter-
bildung. Eine nahezu vollständige Trennung kann dann in
Ganglienzellen und Muskelzellen verwirklicht sein. Der somatische
Kern liegt als Chromidialapparat im Plasma, steht aber in engster
Verbindung mit dem vorwiegend propagatorischen Kern, von dem
aus er immer neu ersetzt wird.
Zellen mit nur propagatorischem Kern, der aber ja den
somatischen neubilden kann, sind wohl nur in den Gameten der
Protozoen und in gewissen Nährzellen des Ovariums gegeben,
möglicherweise auch in manchen Spermatozoenarten.
Zellen mit nur somatischem Kern sind auch möglich: der
Restkörper der Gregarinen, die diminuierten Zellen von Ascaris,
gewisse Muskelzellen.“
Dieser, in den soeben mitgeteilten Worten Goldschmidts
geäusserten Doppelkernigkeit der Metazoenzelle tritt neuerdings
Hartmann (38; 1911) auf Grund seiner an zahlreichen Protisten-
kernen gesammelten Beobachtungen entgegen. Nach der Ansicht
dieses ausgezeichneten Forschers kann von einer eigentlichen
Doppelkernigkeit streng genommen nur bei Ciliaten, einem Teil
der Rhizopoden und Gregarinen, sowie bei Myxosporidien die
Rede sein, da nur hier ganze Kerne als somatische Kerne zugrunde
gehen. Der Makronukleus der Infusorien, der Goldschmidt
als Grundlage für die Ausdehnung des Begriffs der Doppel-
kernigkeit auf die Metazoenzelle dient, kann aber berechtigter-
weise nur mit dem Kern der Metazoenzelle selbst, nicht aber
mit den Chromidien einer Körperzelle eines Metazoons homo-
logisiert werden. Diese Auffassung begründet Hartmann mit
dem von ihm zuerst aufgestellten Satz, wonach von einer eigent-
lichen Doppelkernigkeit nur dann gesprochen werden darf, wenn
durch eine polare Teilung des individualisierten Centriols, sei sie
homopol oder heteropol, zwei distinkte Kernindividuen gebildet
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 141
werden. Dieser Zustand findet sich aber nur bei einem kleinen
Teil der Protozoen. Die Bildung vegetativer Chromidien ist
hingegen eine Eigentümlichkeit, die unter Umständen jedem ein-
wertigen Kern, der stark funktioniert, zukommen kann, und
ist z. B. auch vom Makronukleus der Infusorien durch Comes
bekannt.
Wir wollen nun dieses noch strittige Gebiet verlassen und
uns der Frage zuwenden:
Was lässt sich aus dieser Fülle von Befunden für unsere
spezielle Frage der Pigmentgenese aus dem Zellkern frucht-
bringend verwerten ?
Da müssen wir zunächst den Übertritt von Chromatinteilen
aus dem Kern ins Cytoplasma als eine verbreitete Eigenschaft
der tierischen Zelle unter normalen und pathologischen Umständen
erwähnen. Zweitens sind wir nach Kenntnisnahme der Forschungs-
ergebnisse an Wirbellosen nicht mehr gezwungen, das Gewicht
auf die Frage zu legen, ob es sich im einzelnen Falle um Aus-
tritt von Chromatin, oder bloss um die Eliminierung von unbrauch-
barer Nukleolarsubstanz handelt. Wir haben gelernt, an Stelle
der umständlichen und unsicheren Unterscheidung von Kern-
bestandteilen auf Grund tinktorieller Besonderheiten das ungleich
wichtigere morphologisch-funktionelle Moment zu setzen. Wir
unterscheiden zwischen dem eigentlichen Chromatin, als Fort-
pflanzungsanteil des Kerns, dem Idiochromatin, einerseits und
den übrigen Bestandteilen des Kerns, die aus sämtlichen Zwischen-
stufen des An- und Abbaues des Chromatins bestehen, anderer-
seits. Wir bezeichnen diese letzteren mit Lubosch (64; 1902)
als das Trophochromatin. Die Nukleolen sind unter diesem
zuletzt erwähnten Sammelbegriff untergebracht.
Diese Feststellungen und Überlegungen im Vereine mit der
von R. Hertwig proklamierten Gesetzmässigkeit der Kernplasma-
relationen sind imstande, sowohl die weiter oben beschriebenen
Vorgänge im Verlaufe der Mitose in embryonalen Zellen und in
Geschwülsten, als auch die Ausstossung von Chromatinsubstanz
in weiterem Sinne aus dem sonst intakten, ruhenden Zellkern zu
erklären.
Es erübrigt nur noch einige Worte zu sagen über die
Deutung jener Befunde, bei welchen die Pigmentbildung mit
Umwandlungen der gesamten Kernsubstanz einhergeht, die man
142 Aurelv. Szily:
im Sinne der heutigen Cytopathologie degenerative Vorgänge
nennt. Ich rechne hierher die Entstehungsweise des Pigmentes
im Auge der Wirbeltierembryonen und die mannigfaltigen Arten
von Pigmentbildung in Melanosarkomen, wobei der Kern restlos
aufgebraucht wird.
Wir kommen damit wiederum auf ein Gebiet zu sprechen,
das zu mehr als einer Fragestellung innige Beziehungen hat.
Die Pigmentgenese spielt dabei vielleicht nur eine untergeordnete
Rolle, gegenüber der grossen allgemeinen Bedeutung, welche
diesen Vorgängen für die gesamte feinere Zellpathologie zukommt.
Es wird heutzutage von vielen Autoren über spezifische
Zellveränderungen und Zelleinschlüsse bei ansteckenden Krank-
heiten gearbeitet, ohne jegliche Kenntnis der mannigfaltigen
Umwandlungen, welche die Zelle aus sich selbst heraus oder
unter dem Einflusse nichtspezifischer äusserer Einflüsse durch-
zumachen vermag. Ich erinnere in dieser Hinsicht an die kolossale
Literatur betreffend die vermeintlichen Erreger der Vaceine-
erkrankung der Hornhaut, des Trachoms, der verschiedenen
malignen Geschwülste ete. Es unterliegt wohl keinem Zweifel,
dass hier die genaue Kenntnis der feineren Zellpathologie uns
vor manchem Irrtum zu bewahren imstande ist. Dass solche
Irrtümer wohl möglich sind, dafür liessen sich zahlreiche Beispiele
aus der bezeichneten Literatur anführen, auf die ich hier gerne
verzichten will. Ich behalte mir aber vor, auf die verbreiteten
Degenerationserscheinungen bei Embryonen, ihre Beziehungen
zur Zellpathologie und ihre Bedeutung als Entwicklungsfaktor in
einer besonderen Arbeit binnen kurzem zurückzukommen.
Zuletzt berichtete Reichenow (96; 1908) bei seinen
Untersuchungen über Rückbildungserscheinungen am Anurendarm
über Zelldegenerationen, die einige Ähnlichkeit mit den von mir
beschriebenen Kernveränderungen aufweisen. Beziehungen zur
Pigmentbildung hat dieser Autor nicht festgestellt. Die Ver-
änderungen im Protoplasma traten in Form von zunehmender
Vakuolisierung auf. Die ersten Anzeichen der beginnenden
Depression am Kern machen sich in Zusammenklumpungen der
vorher fein verteilten Chromatinbröckchen bemerkbar, das Linin-
gerüst wird grobmaschiger, die Nukleolen verschwinden.
Auf vorgerückterem Stadium der Degeneration verwischen
ich die charakteristischen Kernstrukturen immer mehr. An
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 143
Stelle des Lininnetzes durchziehen nur einige wenige plumpe
Balken den Kern, bis schliesslich auch diese verschwinden. Das
zusammengeklumpte Chromatin geht später in eine kugelige
Form über, die Reichenow als ein Zeichen dafür ansieht, dass
eine chemische Rückbildung stattgefunden hat, die den lebenden
Stoff in einen toten verwandelt. Diese kugligen Tropfen liegen
gewöhnlich der Kernmembran dicht an, die in der Regel gut
erhalten bleibt.
Diese Bilder erinnern an diejenigen, welche Amann (4;
1895) in Uteruscareinomen und degenerierenden Nierenepithelien
gesehen hat, und als „Kernwandhyperchromatose“ bezeichnet.
Die eng zusammenliegenden degenerierenden Zellen besitzen
nach Reichenow die Neigung zu Verschmelzungen. Es entstehen
dadurch Bilder, die nach der Ansicht dieses Autors leicht den
Pathologen in die Gefahr bringen, sie falsch zu deuten, unter
Umständen sogar — wie es ja bereits nicht einmal geschehen
ist — für richtige „Erreger“ zu halten.
Die Abschnürung von kleinen Kernstücken hält Reichenow
ebenso wie die Zerschnürung des ganzen Kerns in zwei oder
mehrere Teilstücke für den Ausdruck eines Versuches, der
beginnenden Degeneration Herr zu werden. Der abgelöste
Chromatinklumpen scheint sich sogleich durch Flüssigkeitsauf-
nahme zu vergrössern; er erhält sofort den Charakter einer
unbelebten Masse, indem er Tropfenform annimmt. Auf diese
Weise können Gebilde entstehen, die ausserordentlich an die be-
kannten bei Vaccine zur Beobachtung kommenden G uarnierischen
Körperchen erinnern.
Gewiss ist nun die Frage berechtigt, ob es wohl angängig
sei, den normalen Pigmentierungsvorgang in der Augenanlage
des Säugetierembryo mit Kernveränderungen in Beziehung zu
bringen, die wir auf Grund unserer heutigen Kenntnisse der
Cytopathologie für degenerative Vorgänge erklären müssen. Man
bedenke demgegenüber, dass die Zerlegung einer Anzahl von
Zellen in Baumaterial zugunsten der Überlebenden, selbst im
gewohnten Bilde der Degeneration verlaufend, nicht gleichlautend
mit „degenerativem Vorgang“ zu sein braucht. Er kann im
Gegenteil, da es sich ja bloss um eine Umformung des Kern-
materials handelt, im Sinne der Gesamtanlage für den Ausdruck
eines erhöhten aktiven oder produktiven Zustandes gelten.
144 Aurelv. Szily:
Bei einem Erklärungsversuch dieser zuletzt erwähnten Er-
scheinungen muss vor allem die Frage beantwortet werden: sind
Kernveränderungen von degenerativem Typus, in direktem Anschluss
an die zuerst beschriebene Chromatinverschleuderung, in sich
teilenden lebensfähigen Zellen denkbar, oder handelt es sich
vielleicht um einen prinzipiell verschiedenen Vorgang, der schliesslich
nur durch Zufall zu demselben Endresultat, zur Pigmentbildung
führt ?
Ich glaube auf Grund meiner Erfahrungen an reichlichem
embryologischen Material mich zur Ansicht bekennen zu dürfen,
dass ein solcher Zusammenhang im Sinne einer Steigerung, aus-
gehend vom Typus der Chromatinausstossung aus dem intakten
Kern bis zum vollständigen Kernaufbrauch, tatsächlich besteht.
Auch die Hertwigsche Lehre von den „Kernplasma-
relationen“, in deren Bann ich meine Ausführungen gestellt habe,
ist einer solchen Anschauung durchaus günstig. Derselbe Impuls,
der in mässigem Grade tätig, im Sinne dieser Lehre, den Kern
zu geringgradiger Hypertrophie und in der Folge zur Bildung
von Chromidien veranlasst, führt, über eine gewisse Grenze
gesteigert, ein Versagen der natürlichen Regulierungsvorgänge
und somit den Verfall der ganzen Zelle herbei.
Mit der Feststellung der Herkunft des Pigmentes vom Zell-
kern und der Beschreibung der einzelnen Phasen der Entstehung
ist die Aufgabe des Morphologen beendet. Nun hat die Arbeit
des Biochemikers ergänzend einzugreifen, und uns über die bei
der Pigmentumwandlung wirksamen chemischen und fermentativen
Prozesse genauer zu unterrichten. Hierbei wird die chemische
Forschung die u. a. durch vorliegende Untersuchungen festgestellte
Tatsache berücksichtigen müssen, dass es sich bei der Pigmen-
tierung der tierischen Zelle nicht bloss um eine Aufspeicherung
von im Blute kreisenden Substanzen handelt, die durch bestimmte
(sewebsarten zurückbehalten und dort durch spezifische Zell-
fermente in Pigment überführt werden. Das Primäre sind viel-
mehr die hier beschriebenen morphologischen Veränderungen an
den Kernen der betreffenden Zellarten, woran sich dann erst
sekundär die Umwandlung in Pigment anschliesst.
Uber die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 145
Eine solche Auffassung der autochthonen Pigmentierung der
tierischen Zellen ist mit den Ergebnissen der modernen physio-
logisch chemischen Forschung keineswegs unvereinbar. Ange-
nommen, die von uns beschriebenen verschleuderten Chromatin-
teilchen bildeten das Rohmaterial für die Pigmentgenese, und
seien mit dem Zwischenkörper des Tryptophans im Sinne von
H. Eppinger (20; 1910) oder vielleicht mit diesem selbst
identisch. Es käme dann als weitere, vorläufig hypothetische
Annahme hinzu, dass die unter normalen oder pathologischen
Verhältnissen eliminierten Chromatinpartikelchen unter der Wirkung
von spezifischen Zellfermenten — vielleicht der Tyrosinase — in
Pigment umgewandelt würden.
Solange das Chromatin, die Muttersubstanz des Pigmentes
sich innerhalb der normalen Kernmembran befindet, ist es vor
der schwärzenden Wirkung der Zellfermente geschützt. Diese
können ihre Wirkung auf die Chromatinbrocken erst ausüben,
wenn die Kernmembran normalerweise im Verlaufe der Mitose
zeitweise verschwindet, oder wenn einzelne Chromatinpartikelchen
in der Teilungsruhe unter den eben beschriebenen Umständen
aus dem Kern eliminiert werden.
Wie weit dieser eben entwickelte Ideengang für alle Fälle
von normaler und pathologischer Pigmentierung zutrifft, bleibt
weiteren Untersuchungen vorbehalten.
IV. Zusammenfassung.
1. Den schwarzen Pigmenten des Auges und der bösartigen
Geschwülste liegen in allen Fällen farblose Stromata,
die sogenannten Pigmentträger, zugrunde.
2. Die farblosen Pigmentträger unterscheiden sich bei den
verschiedenen Tierspezies und je nach dem Orte ihres
Vorkommens morphologisch wesentlich voneinander. Ihre
Form ist aber für die betreffende Stelle typisch und
deckt sich vollständig mit der Form der daselbst zuerst
in Erscheinung tretenden Melaninpartikelchen.
3. Die farblosen Pigmentträger der Metazoen stammen in
allen von mir untersuchten Fällen ausschliesslich vom
Zellkern ab. Ihr Entstehen direkter Weise aus dem
Chromatin der Kerne und ihr Übergang ins Cytoplasma
kann genau verfolgt werden. Sie färben sich leicht und
146
—I
Aurel v. Szily:
intensiv mit allen Kernfärbemitteln und sind den
„Chromidien“* Hertwigs gleichzusetzen.
Je nach dem verschiedenen Verhalten des Zellkerns bei
der Bildung der farblosen Pigmentträger lässt sich eine
Einteilung in zwei Haupttypen für alle Fälle leicht durch-
führen. Sie sind nach dem heutigen Stande unserer
Kenntnisse über Kernstruktur und Kerntod als der
aktive oder produktive und der degenerative
Typus zu bezeichnen.
Der aktive oder produktive Typus wird dadurch
ausgezeichnet, dass in diesem Falle der Zellkern durch
die Abgabe von Chromidialsubstanz an das Cytoplasma
in seinen vitalen Funktionen keinerlei irgendwie bemerkens-
werte Einbusse erleidet. Nach diesem Typus entstehen
die farblosen Pigmentträger im Pigmentepithel der Netz-
haut beim Hühnchen in der Teilungsruhe des Zellkerns.
Ausserdem gehören in diese Rubrik die sehr verbreitete
Abstossung von Chromidialsubstanz in der Prophase zur
mitotischen Zellkernteilung in embryonalen Zellen und
bei Geschwülsten.
. Der degenerative Typus ist mit einem vollständigen
oder teilweisen Kernaufbrauch verbunden. Als Beispiel
für den vollständigen Aufbrauch von Kernsubstanz bei
der Pigmententwicklung dienen einerseits die Pigment-
epithelien im Auge von Säugerembryonen, andererseits
die im Texte genau gekennzeichneten verschiedenen Arten
von Pigmentierung in Melanosarkomen. Einen teilweisen
Kernaufbrauch von degenerativem Typus mit nachfolgender
Pigmentierung finden wir bei Kernfragmentierungen in
rasch wachsenden bösartigen Geschwülsten.
. Die Umwandlung der farblosen Pigmentträger in Pigment
erfolgt wahrscheinlich unter dem Einfluss von spezifischen
Zellfermenten. Die letzteren können ihre Wirkung auf
das Chromatin, die Muttersubstanz des Pigmentes, erst
dann ausüben, wenn die Kernmembran normalerweise im
Verlaufe der Mitose zeitweise verschwindet, oder wenn
einzelne Chromatinpartikelchen in der Teilungsruhe unter
den eben beschriebenen Umständen aus dem Kern eliminiert
werden.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 147
Die in dieser Arbeit niedergelegten Befunde enthalten das
Resultat von Untersuchungen die sich auf eine Reihe von Jahren
ausdehnen und in verschiedenen Instituten angestellt worden sind.
Die ersten damit zusammenhängenden Beobachtungen machte
ich während meiner Arbeitszeit im l. Anatomischen Institut in
Budapest. Die Untersuchungen habe ich später im Freiburger
Anatomischen Institut fortgesetzt und im Laboratorium der
Universitäts-Augenklinik in Freiburg zum Abschluss gebracht.
Meinen verehrten Lehrern und Chefs, Herrn Hofrat Prof. Dr.
M. v. Lenhossek in Budapest und den Herren Geheimräten
Prof. Dr. R. Wiedersheim und Prof. Dr. Th. Axenfeld in
Freiburg i. Br. erlaube ich mir auch an dieser Stelle für ihre
gütige Unterstützung ergebenst zu danken.
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Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes etc. 153
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Ein primäres Melanoblastom der Gallenblase. Zieglers Beiträge zur
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Wolfrum, M.: Der Naevus der Bindehaut des Augapfels und der
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v. Gräfes Arch. f. Ophth., Bd. 71, S. 195—282, 1909.
VI Erklärung der Abbildungen auf Taf. IV—VIl
Alle Figuren sind bei Zeiss’ Apochr. 2 mm, Comp.-Okular Nr. 18, die
Umrisse mit dem Ab b&schen Zeichenapparat entworfen. Wo keine andere
Angabe steht, ist als Fixation Zenkersche Lösung benützt worden. Die
reproduzierten Präparate sind durchweg mit Delafieldschem Hämatoxylin-
Fig.
Fig.
Fig.
Eosin gefärbt.
Tafel IV.
Fig. 1—8. Teile eines Querschnittes durch das Pigmentblatt des
Hühnchens. 4.—5. Tag der Bebrütung.
1. Junger Chromatinfortsatz am Zellkern. Pigmenteinschlüsse im
basalen Zellteil.
2. Junger Chromatinfortsatz am Zellkern. Pigmenteinschlüsse in der
Nähe der basalen Zellperipherie.
3. Wachsender Chromatinfortsatz in der Gegend des Nukleolus ent-
springend.
4. Beginnende Ablösung der Chromatinfortsätze am Zellkern. Im
Cytoplasma sind alle Stadien vom pigmentfreien Chromatinstäbchen
bis zu den dunklen Pigmenteinschlüssen nebeneinander zu sehen.
5. Kräftige Chromatinfortsätze am Zellkern. Der eine beginnt sich
noch im Zusammenhange mit dem Zellkern zu pigmentieren.
6. Mächtige Chromatinfortsätze am Kern, die sich zum Teil noch im Zu-
sammenhange mit dem Chromatingerüst des Zellkerns pigmentieren.
7. Chromatinfortsätze am Zellkern.
8. Drei von den abgebildeten Zellkernen tragen Chromatinfortsätze.
Daneben im (Cytoplasma zahlreiche abgestossene pigmentfreie
Stäbchen. Übergänge von diesen bis zu den Melaninstäbchen sind
reichlich vorhanden.
Fig. 9—14. Mitosenbilder aus dem Pigmentblatt des Hühnchens.
4. Tag der Bebrütung.
9. Frühes Prodromalstadium. Etwas dichteres Chromatinnetz. Nukleolus
noch da. Vier Chromatinfortsätze von verschiedener Dicke.
Fig. 10. Zwei Kerne am Anfang der Prophase. Beginnende Chromosomen-
bildung Zahlreiche Fortsätze. Einer bereits losgelöst.
11%
Fig.
Fig.
>'
16.
Aurel v. Szily:
Prophase. Kernmembran noch erhalten. Zahlreiche losgelöste
Chromatinpartikelchen im Cytoplasma.
Knäuelbildung. Einzelne Chromatinschleifen gewaltig verlängert.
Das verdickte Ende im Begriffe sich loszulösen.
Knäuelbildung. Ausschwärmen von Chromatinteilen mit beginnender
Pigmentierung.
Äquatorialplatte. Zahlreiche unpigmentierte und pigmentierte Zell-
einschlüsse.
Fig. 15—17. Teile eines Querschnittes durch das Pigmentblatt des
11 Tage alten Kaninchenembryo.
Sechs normale Zellkerne. Dazwischen verschiedene Kerne in
Pigmentumwandlung. Freie unpigmentierte und pigmentierte
Chromatinschollen.
Kerne in Pigmentumwandlung. Die Kernmembran ist noch erhalten,
der Chromatinbestand in Schollen gruppiert. Die Pigmentierung
beginnt stellenweise noch innerhalb der Kernmembran.
Intensiv gefärbte Chromatinschollen in Cytoplasma. Kernderivate.
Tafel V.
Fig. 15—28. Teile eines Querschnittes durch das Pigmentblatt
des 12 Tage alten Kaninchenembryo.
Kerne in vorgeschrittenen Phasen der Pigmentumwandlung.
Kerne in Pigmentumwandlung. Ausschwärmende Chromatinschollen.
Beziehungen zur Mitose.
Kerne in Pigmentumwandlung. Dadurch bedingte Lücke im
Oytoplasma.
Kern in Pigmentumwandlung. Erstes Stadium: unpigmentierte
Chromatinschollen.
Kern in Pigmentumwandlung. Zweites Stadium: Ausschwärmen
und beginnende Pigmentierung.
Nukleolenaustritt 1.
Nukleolenaustritt 1.
Nukleolenaustritt III.
Prodromalstadien der Mitose in Beziehung zur Pigmentbildung.
Uhromatinaustritt aus dem Kern in der Prophase der Teilung.
Die aufeinanderfolgenden Teilungsstadien der pigmentierten Zell-
einschlüsse.
Fig. 293—37. Mitosenbilder aus der Mittelhirnwandung des 12 Tage
alten Kaninchenembryo.
Prophase I. Bildung von Nukleinspindeln.
Prophase II. Austritt von Chromatinspindeln.
Knäuelbildung I. Die Kernmembran ist verschwunden. Austritt
von geformten Chromatinteilen ins Uytoplasma.
Knäuelbildung II. Versprengte Chromatinteile.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes ete. 155
33. Übergang zur sog. Äquatorialplatte. Zahlreiche Chromatinbrocken
im Cytoplasma, die zum Teil ihre Färbbarkeit einbüssen.
34. Äquatorialanordnung mit beginnendem Auseinanderweichen der
Tochtersegmente.
35. Die Tochtersegmente haben die beiden gegenüberliegenden Pole
erreicht. Zahlreiche Kernderivate befinden sich verstreut im Cyto-
plasma, die sich mit Chromatinfarbstoffen nur mehr schwach färben.
36. Telophase der Teilung. Zahlreiche zum Teil vakuolig aufgetriebene
Zelleinschlüsse, die vom Kern abstammen.
37. Teilung des Zellkörpers. Die Tochterchromosomen schliessen sich
zu den neuen Kernen zusammen. Zahlreiche mit Eosin gefärbte
Einschlüsse, die vom Mutterkern herstammen.
Fig. 385. Chromatinverschleuderung im Verlaufe der Mitose in
Chorioidealsarkomen.
38. Prodromalstadium. Grosser bläschenförmiger Kern. Nukleintröpfchen
in der Kernperipherie. Zahlreiche Chromatinschollen im pigment-
freien Cytoplasma zum Teil gerade in Austritt begriffen.
Tafel VI
Fig. 39—46. Chromatinverschleuderung im Verlaufe der Mitose in
Chorioidealsarkomen. (Fortsetzung.)
39. Prophase. Kernmembran und Nukleolus verschwunden. Lebhaftes
Ausschwärmen von Kernbestandteilen ins Cytoplasma.
40. Anaphase. Äquatorialplatte. Vergrösserung und Zusammenfliessen
der Kernderivate im Oytoplasma.
41. Metaphase der Teilung I. Beginnende Wanderung der Tochter-
chromosome zum Pol. Zahlreiche Schollen im Cytoplasma.
. 42. Metaphase der Teilung II. Die Polwanderung ist weiter vor-
geschritten. Anwachsen der ausgestossenen Kernteile deutlich.
43. Metaphase der Teilung III. Beginnende Pigmentierung der ver-
sprengten Kernderivate im Uytoplasma.
44. Telophase I. Zunehmende Pigmentierung.
45. Telophase II. Teilung des Zellkörpers.
46. Tochterzelle mit ruhendem Kern und Pigmentschollen im Cytoplasma.
Fig. 47—53. Zellbilder aus einem pigmentierten Chorioidealsarkom.
47. Chromatinaustritt aus dem ruhenden Kern.
48. Das im Cytoplasma angehäufte Chromatin verliert seine Affinität
zu den Kernfarbstoffen.
49. Das ausgestossene Chromatin wird in Pigment verwandelt.
50. Öffnung der Kernmembran. Ausströmen des Kerninhalts ins
Cytoplasma.
51. Der Kern hat sich seines Inhalts entleert. Bloss die Kernmembran
und spärliche Chromatinreste bleiben sichtbar.
52. Pigmentumwandlung der Chromatinreste.
53. Runde Zelle mit grossem Kern und Riesennukleolus.
Aurel v. $Szily: Über die Entstehung ete.
Tafel VII.
. 54—71. Zellbilder aus einem pigmentierten Chorioidealsarkom.
Zersplitterung des Nukleolus.
Anwachsen des Kerns, weitere Zersplitterung des Nukleolus.
Bildung von Kernfragmenten in der Zelle mit riesenhaften
Dimensionen.
Kernfragmente in verschiedenen Stadien des Zerfalles.
Fortschreitender Kernzerfall.
Erstes Auftreten von Pigment an der Stelle der Kernderivate.
Fortschreitende Pigmentierung der Kernderivate.
Fortschreitende Pigmentierung der Kernderivate. Der Rest vom
Zellkern in Mitose.
Pigmentkonglomerat. Der grosse Haufen von Kernderivaten in
Pigment verwandelt.
Bildung von Kernknospe.
Abschnürung der Kernknospe.
Pigmentumwandlung der Kernknospe.
Karyorrhexis 1.
Karyorrhexis II.
Karyorrhexis in Pigment verwandelt.
Pyknose I.
Pyknose II.
Pyknotischer Kern in Pigment verwandelt.
157
Histologisches und embryologisches Institut der k. u. k. tierärztlichen
Hochschule in Wien.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion
der Lamellenkörperchen.
Von
Prof. Siegmund v. Schumacher.
Hierzu Tafel VIII und 4 Textfiguren.
Einleitung.
Die unmittelbare Veranlassung zu vorliegender Mitteilung gab
mir eine Arbeit Michailows (7) über „Die Struktur der Vater-
Pacinischen Körperchen und ihre phvsiologische Bedeutung“,
auf die ich erst durch ein Referat im Anatomischen Zentralblatt
aufmerksam gemacht wurde. Michailow gelangt auf Grund
des Nachweises von reichlichen Kapillaren im Inneren der Vater-
Pacinischen Körperchen zu einer ganz ähnlichen Hypothese über
die Funktion der Lamellenkörperchen, wie ich sie vor einiger
Zeit ausgesprochen habe (12). Meine diesbezüglichen Aus-
einandersetzungen scheinen Michailow entgangen zu sein, was
begreiflich erscheint, da die Überschrift der betreffenden Arbeit
nicht vermuten liess, dass der Inhalt sich mit den Lamellen-
körperchen beschäftigt. Daher möchte ich hier nochmals zu
dieser Frage Stellung nehmen, um so mehr, als ich durch inzwischen
angestellte Untersuchungen imstande bin, meine Hypothese über
die Funktion der Lamellenkörperchen besser zu begründen, als
dies seinerzeit möglich war.
Michailow gibt zunächst eine historische Übersicht über
die Entwicklung der Lehre vom Aufbau der typischen Vater-
Pacinischen Körperchen, namentlich auch von der Art der
Nervenendigungen im Innenkolben. Nach der Ansicht Michailows
gehören die im Innenkolben zu findenden Kerne Wanderzellen
an und der Innenkolben selbst stellt (ähnlich wie die inter-
kapsulären Zwischenräume) einen mit Blutserum angefüllten
Hohlraum dar. Unter dem Einflusse veränderter Bedingungen,
namentlich der Einwirkung von Reagentien, gerinnt das Blut-
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 11%
155 Siegmundv. Schumacher:
serum und kann in diesem Zustande Zellstrukturen vortäuschen.
Das den Innenkolben erfüllende Blutserum stammt aus den im
Innenkolben vorhandenen Blutkapillaren und ebenso dürften aus
letzteren die Leukozyten ausgewandert sein. Eingehend befasst
sich Michailow mit der Frage der Vaskularisation der Lamellen-
körperchen.
Schon seit langem ist es bekannt, dass die Vater-
Pacinischen Körperchen ihre eigenen Blutgefässe besitzen.
So finden sich nach Kölliker (5) im Stiele und den
benachbarten Teilen der Körperchen, weniger häufig am anderen
Ende derselben, wo die Lamellen nicht selten durch einen Längs-
strang (Lig. intercapsulare) verbunden sind, einzelne feine Blut-
gefässverästelungen.
Ausführliche und vollkommen zutreffende Mitteilungen über
die Gefässe der Vater-Pacinischen Körperchen machte schon
Herbst (3) im Jahre 1848. „An den beiden Seiten der Körperchen
liegen zwei Blutgefässe, von denen das eine gross, das andere
aber nur etwa !/s so weit ist; zahlreiche Äste derselben dringen
in die Oberfläche und in die peripherischen Kapseln, zu deren
besseren Versorgung das grössere Blutgefäss einen Hauptzweig
quer über die Mitte des Körperchens sendet. Ferner befindet
sich ein ansehnliches arterielles Gefäss, als Begleiter der Nerven-
faser, im Stiele. Dasselbe dringt in die Basis des Körperchens,
nimmt an allen Windungen der Nervenfaser teil, gibt nach allen
Seiten an die Kapselinterstitien Äste, welche durch Zellgewebe
in ihrer Lage erhalten werden, sich wie andere Kapillargefässe,
nach einem kürzeren oder längeren Laufe schlingenförmig um-
biegen und gegen den Stiel zurückkehren. Der Stamm dieses
Gefässes ist bis zum Boden der innersten Kapsel sichtbar.“ „Ein
anderes Blutgefäss dringt in das peripherische Ende des Körperchens,
erstreckt sich in gerader oder schräger Richtung gegen den
oberen Teil des innersten Kapselsystems und gibt zahlreiche
Äste an die äusseren Kapseln, welche zum Teil mit den -vom
zentralen Ende hier ihnen entgegenkommenden anastomosieren.“
Nach Michailow beschäftigte sich in letzter Zeit mit der
Frage der Gefässversorgung der Vater-Pacinischen Körperchen
Kowrygin im Laboratorium Dogiels und gelangte zu dem
Schlusse, dass in die Innenkolben der Körperchen Kapillaren ein-
dringen. Auf Grund solcher Präparate Kowrygins schreibt
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 159
Dogiel, dass feine Arterienzweige mit den Nerven in jedes
Körperchen eintreten und sich in Kapillaren auflösen ; letztere
dringen in die Zwischenräume zwischen den äusseren und den
nach innen zu gelegenen Lamellen ein, ziehen sich hier auf
eine ziemlich grosse Entfernung hin, oft sogar bis zur Hälfte
der Länge des Körperchens und bilden ein feinschlingiges Netz.
Ausserdem dringen eine bis zwei kleine Arterien in das Körperchen
von seiten des Poles ein, welcher der Stelle des Nerveneintrittes
gegenüberliegt (nicht selten in der (regend des Lig. interlamellare),
und zerfallen hier in Kapillaren, deren Schlingen auf eine kleine
Strecke in die Zwischenräume zwischen den Aussenkapseln ein-
dringen. Die beiden Kapillarsysteme können untereinander durch
lange Anastomosen verbunden sein. Schliesslich lässt sich bei
manchen Körperchen nachweisen, dass ein bis zwei Kapillar-
schlingen mit den Nervenfasern zusammengehen und diese bis
zum Innenkolben begleiten, wobei sie sogar mitunter in den
letzteren eindringen, sich jedoch nicht weiter als bis zum Anfangs-
teil desselben erstrecken.
Michailow gelang es bei der Katze (im Mesenterium,
Pankreas und anderen Organen) durch Injektion nachzuweisen,
dass in jedes Vater-Pacinische Körperchen in der Gegend
der Nerveneintrittstelle Kapillaren eindringen, sich im Innen-
kolben verzweigen, verflechten, anastomosieren und so einen
komplizierten Knäuel bilden. Dieser Knäuel hat der Form des
Innenkolbens entsprechend eine längliche Gestalt und breitet sich
hauptsächlich in der Hälfte des Innenkolbens aus, die die Nerven-
eintrittstelle trägt. Aber auch in der anderen Hälfte des
Körperchens sind Kapillaren vorhanden, die entweder Zweige des
beschriebenen Glomerulus darstellen oder vom entgegengesetzten
Pole in das Körperchen eindringen; so dass in manchen Körperchen
im Bereiche des ganzen Innenkolbens Kapillaren zu finden sind.
Michailow konnte aber in keinem Falle, trotz vollkommen
gelungener Injektion, das Eindringen von Kapillaren in das
Kapselsystem eines Körperchens beobachten.
An der Oberfläche der Lamellenkörperchen gelang Michailow
der Nachweis eines feinen elastischen Fasernetzes.
Bezüglich der Funktion der Vater - Pacinischen
Körperchen äussert sich Michailow folgendermassen: „Wir
haben schon gesehen, dass in dem Innenkolben der Vater-
12*
160 Siegmund v. Schumacher:
Pacinischen Körperchen ein Knäuel von Blutkapillaren vor-
handen ist. Aus diesen Kapillaren muss unter dem KEinflusse
ihres Blutdruckes das Blutserum in die benachbarten Gewebe
transsudieren. Wir haben gleichfalls gesehen, dass in dem Innen-
kolben ebenfalls ein kompliziert gebauter Nervenendapparat des
Körperchens vorhanden ist. Wenn wir nun annehmen, dass der
Blutdruck in den Kapillaren aus irgend einem Grunde sich ver-
grössert, so können folglich einerseits die Kapillaren sich erweitern,
andrerseits kann die Filtration des Blutserums aus ihnen in den
benachbarten Raum einen intensiveren Charakter annehmen.
Unserer Meinung nach muss der eine, sowie auch der andere
Umstand unbedingt als Erreger des Nervenendapparates des
Vater-Pacinischen Körperchens dienen, wobei, dank der
unmittelbaren Berührung zwischen diesem Nervenendapparat und
dem Glomerulus der Blutkapillaren, d. h. dank der angepassten
Struktur der Körperchen, sogar die minimalsten Schwankungen
des Blutdruckes in diesen Kapillaren durch die Vater-
Pacinischen Körperchen leicht wahrgenommen und registriert
werden können.“ „Das aus dem Glomerulus der Blutkapillaren
in den Hohlraum transsudierende und von hier wiederum in die
interkapsulären Zwischenräume durchdringende Blutserum ist
imstande, das Körperchen so weit auszudehnen, als es die Elastizität
des beschriebenen Netzchens gestattet. Dank der Anwesenheit
dieses Netzchens geschieht es, dass alle Hohlräume des Körperchens
beim varlıierenden Quantum des das letztere ausfüllenden Blut-
serums stets durch dieses vollständig ausgefüllt sind.“
Demnach scheint Michailow die Hypothese sehr wahr-
scheinlich, „dass die typischen Vater-Pacinischen Körperchen
solche Nervenendapparate vorstellen, welche Registratoren des
Blutdruckes in den Kapillaren (und folglich auch im ganzen
Blutgefäßsystem) sind, d. h. als Anfänge des zentripetalen Weges
desjenigen Reflexbogens erscheinen, dank welchem die Regulation
des Blutdruckes verwirklicht wird.“
Schon vor längerer Zeit glaubte Thoma (14) die von ihm
in allen Teilen des Aortensystems gefundenen Vater-Pacinischen
INörperchen als Regulationsvorrichtungen des (efässtonus an-
sprechen zu dürfen. Allerdings stellt sich Thoma die Einwirkung
des Füllungsgrades der Gefässe auf die Nervenendigungen in
den Lamellenkörperchen wesentlich anders vor als Michailow.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 161
Thoma äussert sich diesbezüglich folgendermassen: „Dieselben
(erg. Pacinischen Körperchen) liegen in den äussersten Zonen
der Adventitia oder unmittelbar nach aussen von dieser. Sie
erscheinen demgemäss vorzüglich geeignet, die leisen Vibrationen,
die jeder strömenden Bewegung zukommen, zu perzipieren und
als Nervenerregungen auf die Gefässmuskeln überzuleiten.“
Auch Rainer (S) spricht in einer jüngst erschienenen
kurzen Mitteilung über besonders modifizierte Vater-Pacinische
Körperchen, die retroperitoneal zwischen der Wurzel des Mesocolon
transversum und Mesenterium im adventitiellen Gewebe der
grossen Venen gelegen sind, den Gedanken aus, dass diese Körperchen
zu dem Füllungsgrade der Venen in funktioneller Beziehung
stehen.
Nach Van de Velde (15) tritt in den basalen Pol der
Vater-Pacinischen Körperchen meistens eine kleine Arterie
ein, welche sich in interkapsuläre Kapillaren teilt. Aus dem Bau
und der Lage der Körperchen ist zu entnehmen, dass diese
besonders für Druck empfindlich sind. „Auch ihre Lage im Pankreas
lässt hierauf schliessen: Wenn dieses seine Wirkung entfaltet,
erweitern sich die Blutgefässe des Organs und üben schon hier-
durch einen Druck auf die in dieser Drüse gelegenen Körperchen
aus. Dieser Druck ist jedoch nicht nur extrakapsulär vorhanden ;
er wird auch interkapsulär gerade durch die früher genannten
in die Körperchen eintretenden Kapillaren hervorgerufen, sei es,
dass die Nervenendigung gedrückt wird durch die Ausdehnung
von den Kapillaren allein, sei es, dass eine Vermehrung der
interkapsulären Flüssigkeit durch grössere Blutzufuhr entsteht
und diese einen grösseren Druck zustande bringt. In beiden
Fällen kann dann ein Reflex auf andere Digestionsorgane vom
Pankreas aus ausgelöst werden.“
Aus diesen Angaben geht hervor, dass in letzter Zeit sich
die Auffassung über die Funktion der Vater-Pacinischen
Körperchen, wenigstens bei einigen Autoren, insofern geändert
hat, als die Körperchen nicht mehr im gewöhnlichen Sinne des
Wortes als Drucksinnesorgane aufgefasst werden, sondern ihnen
bei der Regulierung des Blutdruckes eine wichtige Rolle zuge-
schrieben wird. In diesem Sinne habe ich mich schon vor dem
Erscheinen der zitierten Arbeiten von Michailow, Rainer
und Van de Velde ausgesprochen.
162 Siegmundv. Schumacher:
Ich machte seinerzeit auf das Vorkommen von kleinen
Lamellenkörperchen in der Nähe des von mir als arterio-venöse
Anastomose (resp. als eine Gruppe von solchen) erkannten Glomus
coccygeum des Menschen!) und in der (allerdings nicht unmittel-
baren) Nachbarschaft der dem Glomus coceygeum bei Säugetieren
entsprechenden Glomeruli caudales aufmerksam. Gewöhnlich
liegen diese in kleineren oder grösseren Gruppen beisammen und
speziell beim Menschen kommen in der Gegend des Glomus
coccygeum kleine Lamellenkörperchen vor, die oft in grosser
Anzahl eng aneinanderliegend von einer dichten fibrösen gemein-
samen Kapsel umgeben sind. Diese Lagebeziehung der Lamellen-
körperchen zu den arterio-venösen Anastomosen liess an eine
funktionelle Beziehung zwischen ersteren und letzteren denken,
namentlich nachdem in der Nähe der arterio-venösen Anastomosen
an den Endphalangen der Fledermäuse ebenfalls das Vorkommen
von Gruppen Vater-Pacinischer Körperchen nachgewiesen
worden war. Diesbezüglich hatte schon Grosser (1) vor mir
den Gedanken eines funktionellen Zusammenhanges zwischen
Lamellenkörperchen und Anastomosen ausgesprochen, indem er
glaubt, dass erstere als eine Art Indikator für den Füllungsgrad
der Anastomose funktionieren könnten.
Ich schrieb seinerzeit über die mutmassliche Funktion der
in der Nähe von arterio-venösen Anastomosen gelegenen Lamellen-
körperchen folgendermassen: „Mir scheint die Annahme ebenfalls
plausibel, dass diese Nervenendkörperchen funktionell mit den
Anastomosen in Beziehung stehen. Es wäre dieser Zusammenhang
vielleicht in der Art denkbar, dass die Lamellenkörperchen eine
Art von Feuchtigkeitsregulatoren darstellen. Es dürfte zugunsten
dieser Anschauung auch der Bau der Lamellenkörperchen sprechen.
Die Hülle besteht bekanntlich aus einer grossen Anzahl von
ineinander geschachtelten Kapseln, die Bindegewebsfasern und
Flüssigkeit enthalten. Würde nun aus irgend einem Grunde der
Druck im Kapillargebiete steigen, so wäre die nächste Folge eine
stärkere Transsudation von Flüssigkeit aus den Kapillaren, eine
stärkere Durchfeuchtung des Gewebes. Liegen im Bereiche der
stärker durchfeuchteten Stelle Lamellenkörperchen, so würden
ihre Kapseln Flüssigkeit aufnehmen, stärker verquellen und dadurch
'; Beim Menschen hatten in der Gegend des Glomus coccygeum schon
vor mir Luschka, Walker und Stoerk Lamellenkörperchen gesehen.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 165
einen Druck auf den Innenkolben resp. auf den Achsenzylinder
ausüben. Dieser Nervenreiz könnte auf die Vasomotoren über-
tragen werden und diese würden die Anastomosen erweitern, SO
dass die Nebenschliessung zwischen Arterie und Vene hergestellt
wird und der Druck im entsprechenden Kapillargebiet sinkt.
Aber auch dort, wo keine Anastomosen vorhanden sind, wäre an
die Möglichkeit einer ähnlichen Funktion der Lamellenkörperchen
zu denken, an eine Quellung bei stärkerer Durchfeuchtung und
an eine reflektorische Beeinflussung der (Grefässweite in der Art,
dass der Blutdruck sinkt. Mir scheint diese Hypothese der
Funktion der Lamellenkörperchen eher annehmbar zu sein, als
ihre ihnen gewöhnlich zugeschriebene Bestimmung, dem Druck-
sinne zu dienen. In gewissem Sinne würden sie ja auch nach
meiner Hypothese als Druckkörperchen wirken, indem auch ich
mir vorstelle, dass die Nervenendigungen in den Körperchen durch
Druck erregt werden, nämlich durch den Druck, den die Lamellen
infolge ihrer grösseren Flüssigkeitsaufnahme, infolge ihrer Ver-
quellung ausüben. Namentlich scheint diese Auffassung durch
die für gewöhnliche Drucksinnesorgane schwer verständliche
Lokalisation der Vater-Pacinischen Körperchen gestützt.“
Aus dem Vergleiche der oben ausführlich wiedergegebenen
Ansicht Michailows und meinen seinerzeit gemachten Aus-
führungen ergibt sich ohne weiteres die Übereinstimmung in
unserer Auffassung von der Funktion der Lamellenkörperchen.
Der einzige nennenswerte Unterschied besteht darin, dass
Michailow annimmt, dass eine Flüssigkeitstranssudation aus
den im Innenkolben selbst gelegenen Kapillaren stattfindet und
eventuell die Erweiterung der Kapillaren direkt auf die Nerven-
endigungen im Innenkolben einwirken kann, während ich mir
vorstellte, dass die (rewebsflüssigkeit von aussen her in die
Körperchen eindringt und sie zur Aufquellung bringt. Ich hatte
seinerzeit das Vorkommen von Blutgefässen in den Lamellen-
körperchen nicht beachtet, möchte aber erwähnen, dass nach dem
Nachweis eines Kapillarknäuels im Inneren des Körperchens der
(redanke Michailows auch mir naheliegend erscheint, dass
nämlich bei steigendem Blutdruck in den Kapillaren zunächst
Flüssigkeit in die Lamellenräume transsudiert und so einen Druck
auf die Nervenendigungen ausübt. Unterstützend dürfte dabei
der in der Umgebung der Körperchen herrschende Flüssigkeits-
164 Siegmundv. Schumacher:
druck insofern wirken, als bei grösserem Aussendruck eine
Diffusion von Flüssigkeit aus dem Körperchen in das umgebende
(zewebe verhindert wird oder bei geringer Flüssigkeitsmenge in
den äusseren Lamellenräumen von aussen her in diese Flüssig-
keit diffundiert. Schliesslich dürfte auch noch die ausserordentlich
innige Anlagerung der Körperchen an grössere (sefässe (Arterien,
Venen und Lymphgefässe), wie sie ausnahmslos im Mesenterium
der Katze zu finden ist, funktionell von Bedeutung sein. Diese
Lagerung ist derart, dass bei einer Erweiterung der Gefässe ein
direkter Druck auf die Körperchen ausgeübt werden muss.
Die Lamellen und der ‚„Innenkolben“ der Vater-
Pacinischen Körperchen.
Nach Key und Retzius (4) erscheinen die Kapsellinien
der Vater-Pacinischen Körperchen oft nur einfach: nach
Behandlung mit Osmiumsäure sieht man sie indessen sich der
Länge nach in zwei spalten. Die Kerne liegen im Innern der
durch die Spaltung entstandenen Räume, an der Oberfläche der
Wandhäutchen, die den Spaltraum begrenzen. „Diesen Struktur-
verhältnissen zufolge mag man nicht, wie von den Verfassern
bisher geschehen ist, als Kapseln die oben erwähnten Kapsellinien
betrachten ; eine Kapsel ist nach unserer Auffassung der die albumin-
haltige Flüssigkeit und die feinen Fibrillen enthaltende Raum mit
seinen beiderseits begrenzenden, mit Zellenhäutchen bekleideten
Wänden, welche, wenn ihrer zwei der angrenzenden Kapseln dicht
beisammen liegen, im optischen Querschnitt als einfache Linien er-
scheinen können. Den die Flüssigkeit und die Fibrillen enthaltenden
Raum selbst kann man einen Kapselraum oder Intrakapsularraum
(den Interkapsularraum anderer Verfasser) nennen, wogegen die
Räume zwischen den Kapseln Spaltenräume genannt werden können.“
Diese Schilderung scheint mir nach meinen Untersuchungen
vollkommen zutreffend zu sein. Häufig sieht man, wie sich
Kapsellinien stellenweise spalten (Fig. 1 und 2, Taf. VII) und
erkennt dann, dass die Kerne in den so entstehenden Spalt-
räumen liegen. Im übrigen ist färberisch in den Spalträumen
kein Inhalt nachzuweisen, während in den Kapselräumen (Intra-
kapsularräumen) die Flüssigkeit je nach ihrem Eiweissgehalt eine
schwächere oder intensivere Färbung annimmt. Des besseren
Verständnisses halber sei auf das Schema Textfig. 1 verwiesen.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 165
Wir haben uns demnach die Kapseln (Lamellen) als mit
Flüssigkeit gefüllte Hohlkapseln (Hohllamellen) vorzustellen, deren
Wände von einem Bindegewebshäutchen und diesem oberflächlich
aufgelagerten ganz flachen Zellen gebildet werden. Es ist wohl
anzunehmen, dass intra vitam die Wandungen zweier benachbarter
Lamellen so dicht aneinander liegen, dass zwischen ihnen Kein
Spaltraum vorhanden ist. Letzterer kann aber infolge der Ein-
wirkung verschiedener Agentien postmortal auftreten, indem sich
die Wandungen zweier benachbarter Kapseln von einander
abheben, ein Zeichen, dass diese untereinander keinerlei Ver-
bindung eingehen, während die bindegewebigen Wandungen ein
und derselben Kapsel untereinander durch verschieden stark aus-
gebildete Fibrillen oder Fibrillenbündel verbunden sind. Die
Kapsellinien sind demnach als Doppellinien aufzufassen, erscheinen
aber bei dichter Aneinanderlagerung einfach. Die Kapseln hätte
man sich etwa in der Weise entstanden zu denken, dass sie zunächst
als kompakte Bindegewebshäutchen, deren Oberflächen mit endothel-
artigen Zellen bekleidet sind, auftreten. Im Innern dieser
Bindegewebshäutchen sammelt sich weiterhin Flüssigkeit an, so
dass hierdurch die Randpartien der Häutchen mit den aufliegenden
Zellen auseinandergedrängt werden und zwischen den beiden Rand-
teilen der Lamellenraum entsteht. Als Zeichen des ursprünglichen
Zusammenhanges der beiden nunmehr durch die Flüssigkeit aus-
einandergedrängten Randteile sieht man noch einzelne Fibrillen
oder Fibrillenbündel, welche die beiden Wandungen einer Lamelle
untereinander verbinden.
Wie schon erwähnt, konnte Michailow an der Oberfläche
der Vater-Pacinischen Körperchen der Katze ein feines
elastisches Netz nachweisen. Ein Körperchen würde sich nach
Michailow so weit ausdehnen können, als es die Elastizität
dieses Netzchens gestattet. Infolge der Anwesenheit desselben
sollen alle Hohlräume des Körperchens beim variierenden Quantum
des das letztere ausfüllenden Blutserums stets durch dieses voll-
ständig ausgefüllt sein.
Elastische Fasern in den Lamellen sind schon von Henle
und Kölliker (2) gesehen worden. Sie erwähnen diesbezüglich,
dass man bei Betrachtung von Kapselfragmenten bei stärkerer
Vergrösserung ausser den Elementen des Bindegewebes häufig
die blassen, geraden, stellenweise verästelten und in Essigsäure
166 Siegmundv. Schumacher:
unlöslichen Fasern erkennen kann, welche in der Lamina fusca,
Zonula Zinnii und an anderen Stellen vorkommen.
Nach Key und Retzius (4) sieht man oft, sowohl am Gipfel
der Körperchen als auch am Stiel, besonders am Anfange des
Innenkolbens, ringförmige Einschnürungen von eireulären elastischen
Fasern herrührend, welche in den Kapselhäutchen verlaufen.
Diese Ringe sind vorzugsweise zu sehen, wenn die Kapseln eine
Schwellung erlitten hatten.
Das von Michailow an der Oberfläche der Lamellen-
körperchen, d.h. in der Aussenwand der äussersten Lamelle
gelegene elastische Netz lässt sich leicht nachweisen, sowohl an
isolierten Körperchen durch die Einwirkung von Essigsäure,
Kalilauge oder mit irgend einem Färbemittel für elastische Fasern,
als auch an Schnitten. Besonders eignen sich hierzu nicht zu
dünne, mit Resorein-Fuchsin gefärbte Längsschnitte, die durch
die Peripherie des Körperchens gehen, so dass ein Teil der
Lamellen mehr oder weniger schräg getroffen ist. Am reinen
(uerschnitt durch die Lamellen sind die elastischen Fasern des
Netzes allerdings auch in Form von feinsten Punkten zu sehen,
aber bei der Feinheit der einzelnen Fasern immerhin schwieriger
nachzuweisen, als wenn die Lamellen mehr tangential getroffen
sind. Bei günstiger Schnittrichtung lässt sich, ebenso wie am
isolierten Körperchen, nachweisen, dass ein elastisches Fasernetz
nicht nur in der Aussenwand der oberflächlichsten Lamelle vor-
handen ist, sondern auch in der Innenwand derselben und weiterhin
noch in den Wänden von zwei bis drei nach innen folgenden
Lamellen; allerdings werden die elastischen Fasernetze von der
Oberfläche gegen das Innere hin immer feiner und mit Resorein-
Fuchsin schwächer färbbar. Die elastischen Fasern verlaufen ge-
streckt, zeigen eine etwas verschiedene Dicke, sind im allgemeinen
aber als fein zu bezeichnen und zeigen keine bestimmte Richtung.
Was den „Innenkolben“ betrifft, so will ich hier nicht alle
verschiedenen Angaben, die diesbezüglich gemacht wurden, wieder-
holen, sondern nur die wichtigsten Anschauungen über den Bau
desselben herausgreifen. Eingehende Literaturangaben finden sich
bei Key und Retzius (4) und bei Merkel (6).
In letzter Zeit wird mit Recht ziemlich allgemein ange-
nommen, dass im Innenkolben der Lamellenkörperchen keine
„sekundären Sinneszellen“ vorkommen.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 167
Nach Kölliker (5) ist der Innenkolben ein heller, fein-
körniger und mit zarten Kernen (Zellen?) versehener weicher
Strang, der als eine Art einfacher Bindesubstanz aufzufassen ist,
um so mehr, als er wenigstens in seinen äusseren Teilen wie
aus zarten, dicht beisammen liegenden Kapseln zu bestehen scheint.
Rauber (9) bemerkt bezüglich des Innenkolbens folgendes:
„Ich selbst sah im Innenkolben einer grösseren Zahl von Vater-
schen Körpern des Menschen, der Katze und des Kaninchens
sowohl Kerne als Längsstreifen. Die Kerne sind sehr deutlich
beim Kaninchen. In manchen Fällen lassen sich von diesen aus-
gehend Streifenfortsätze erkennen. Die Längsstreifen waren bei
allen drei Arten in einzelnen Fällen und wenn die Kerne sich
nur spärlich vorhanden zeigten, sehr ausgeprägt und konnten
deren fünf bis neun jederseits gezählt werden. In einer anderen
Reihe von Körpern war der Innenkolben infolge der allmählichen
Abnahme der Dicke der Kapseln von dem inneren Kapselsystem
nicht scharf abgegrenzt und konnte man zwischen zwei, drei und
vier Streifen wählen, welche den Anfang des Innenkolbens dar-
stellen sollten.“
Nach Key und Retzius zeigt der Innenkolben hier und
da eine Längsstreifung mit längsgehenden kleinen Spalten, wie
auch eine konzentrische Anordnung, aber keine weitere Fibril-
lierung, sondern ist schwach körnig.
Im Lehrbuche der Histologie von Stöhr (13) wird der
Innenkolben als eine feinkörnige Masse beschrieben, welche kon-
zentrische Schichtung zeigt und an der Peripherie spärliche Kerne
aufweist.
Wie schon einleitend bemerkt, hält Michailow in Über-
einstimmung mit einigen anderen Autoren den Innenkolben für
einen mit Blutserum angefüllten Hohlraum und die in diesem
vorkommenden Kerne für Kerne von Wanderzellen, welche aus
den Kapillaren im Innern des Körperchens ausgewandert sein
dürften.
Eingehender muss ich mich mit den Angaben Merkels
über den Bau des Innenkolbens befassen, da sie den von mir
erhobenen Befunden sehr nahe kommen, ja in den Hauptpunkten
mit diesen vollkommen übereinstimmen. Merkel bezeichnet den
Innenkolben der Autoren seiner Struktur nach als „inneres
Lamellensystem“. In dem inneren Lamellensystem der
168 Siegmundv. Schumacher:
Vaterschen Körperchen der Vögel sieht man am Querschnitt
an den beiden Schmalseiten der bandartigen Nervenfaser die zu
zwei Reihen angeordneten Kerne und erkennt, wie aus dem sie
umgebenden sehr spärlichen Protoplasma die Lamellen hervor-
gehen. „Man hat also Halbrinnen vor sich, welche durch die
beiden Zellenreihen zusammengehalten werden. Kennt man diesen
Bau, dann erklärt sich auch die Längsstreifung ganz einfach als
der optische Durchschnitt der übereinander liegenden Lamellen.“
Auch bei den Krauseschen Endkolben der Säugetiere ist der
„Innenkolben“ nach Merkel nichts anderes, als ein System von
übereinander gelagerten Lamellen und es tritt die Längsstreifung
meist weit schärfer hervor als bei den Vaterschen Körperchen
der Vögel. Querschnitte zeigen die einzelnen Lamellen sehr
deutlich. Letztere bilden auch hier keine Röhren mit ringförmigem
Durchschnitt, obgleich dickere und schief ausgefallene Schnitte
oft genug solche vortäuschen. „Von den Schmalseiten der Ter-
minalfaser geht auf feinen @uerschnitten ein streifenförmiger
Kontur aus, an welchen die Lamellen herantreten. Man kann
ihn nach seinem Aussehen am besten mit dem Namen ‚Raphe:‘
bezeichnen.“ Die Vaterschen Körperchen der Säugetiere zeigen
genau das innere Lamellensystem wie die bisher beschriebenen
Körperchen. „Besieht man feine Querschnitte sorgfältig gehärteter
Körperchen, dann fällt auf den ersten Blick die lamellöse Schichtung
und die von beiden Seiten der Terminalfaser ausgehende Raphe
auf. Auch erkennt man stets in den äusseren Lamellen Kerne,
welche nach der Spezies in grösserer oder geringerer Menge
vorhanden sind.“ Soweit die Darstellung Merkels über den
„Innenkolben“.
An (uerschnitten durch Lamellenkörperchen aus dem Mesen-
terium der Katze, worauf sich meine Untersuchungen zunächst
beziehen, konnte ich in Übereinstimmung mit Merkel nach-
weisen, dass die Lamellen bis an den zentralen Achsenzylinder
heranreichen, so dass zwischen letzterem und den innersten
Lamellen kein Spaltraum übrig bleibt, der etwa als Innenkolben
gedeutet werden könnte. Die innersten sechs bis zwölf unmittel-
bar dem zentralen Achsenzylinder aufgelagerten schmalen Lamellen
zeigen aber gegenüber den weiter peripher folgenden einen auf-
fallenden Unterschied (siehe das Schema Textfig. 1 und Fig. 1
und 2, Taf. VIII). Sie erscheinen am Querschnitt nämlich nicht
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 169
als geschlossene Reife, wie dies schon Merkel richtig erkannt
hat, sondern sichelförmig, also als Halbreife, deren etwas
zugespitzte Enden nicht in die der Halbreife der anderen Seite
(N |
er, il;
Schema des Innenteiles eines Lamellenkörperchens im Querschnitt. Der
abgeflachte Achsenzylinder A wird von sechs Halblamellenpaaren H umfasst,
welche in ihrer Gesamtheit den Innenkolben bilden. Die Kanten der Halb-
lamellen schliessen im Vereine mit der innersten kontinuierlichen Lamelle
ik den gemeinsamen Spaltraum gS ab. K — Kern im gemeinsamen Spalt-
raum, L — Lamellenraum, S — Spaltraum zwischen zwei Lamellen.
übergehen, sondern sie höchstens berühren, meistens aber mit
denen der anderen Seite einen kleinen Spaltraum einschliessen.
Demnach sind die innersten Lamellen als Halblamellen aufzufassen,
die alle in derselben Weise zum Achsenzylinder orientiert sind.
Der Achsenzylinder ist für gewöhnlich mehr oder weniger
abgeplattet, so dass er am (uerschnitt spindelförmig erscheint.
An die Breitseiten des Achsenzylinders lagert sich unmittelbar
das innerste Halblamellenpaar an, dieses von aussen umfassend
das zweite usf. Indem sich die etwas zugespitzten Enden der
Halblamellenpaare gewöhnlich nicht berühren, sondern in einem
kleinen Abstande voneinander enden, schliessen sie in ihrer
Gesamtheit je einen Spaltraum ein, der in die Verlängerung der
Schmalseiten des Achsenzylinders zu liegen kommt. Denkt man
sich den Achsenzylinder herausgezogen, so begrenzen beide
innersten Halblamellen im Vereine mit den zugespitzten Enden
der nach aussen folgenden Halblamellen einen spaltförmigen
170 Siegmundv. Schumacher:
Raum. Der mittlere Teil dieses „gemeinsamen zentralen Spalt-
raumes“ wird vom Achsenzylinder eingenommen, von dem stellen-
weise Fortsätze weiter peripher in den Spaltraum hineinzuragen
scheinen (Raphe Merkels), die möglicherweise den von Retzius
(10, 11) an Golgi-Präparaten gesehenen Fortsätzen des Achsen-
zylinders entsprechen. Nach Retzius strahlen diese Fortsätze
vom Nervenfaserstamm und vom Endköpfchen wie kleine knopf-
förmige Sprossen zu beiden Seiten aus. Ausserdem dürften die
beiden bis an die Kanten des zentralen Achsenzylinders heran-
reichenden Spalträume als Durchtrittspforten für die von
mehreren Autoren beschriebenen, vom Achsenzylinder abgehenden
Seitenäste bestimmt sein. Erwähnt sei hier noch, dass die
unmittelbar an die Schmalseiten des Achsenzylinders sich an-
schliessenden Teile des gemeinsamen Spaltraumes, gewöhnlich
eine feinkörnige Masse enthalten, die vielleicht als Protoplasma
der im Spaltraum liegenden Lamellenzellen aufzufassen ist.
Der gemeinsame zentrale Spaltraum hält keine bestimmte
Richtung zur Breiten- oder Diekenachse des Körperchens ein,
bald fällt er mit dem Breitendurchmesser zusammen, bald steht
er vertikal oder schräg zu ihm.
Die Lamellenkerne der Halblamellen sind im allgemeinen
ebenso gelagert wie die der kontinuierlichen Lamellen; nur wenn
ein Kern an der Spitze einer Sichel gelegen ist, erscheint er
entweder abgeknickt und förmlich um die Spitze herumgelegt
oder er endet im gemeinsamen Spaltraum wie abgehackt, also
nicht zugespitzt wie die übrigen Kerndurchschnitte. Häufig findet
man auch im gemeinsamen Spaltraum freiliegende Kerne, die am
@uerschnitte nicht länglich zugespitzt. sondern mehr oder weniger
rundlich erscheinen (Fig. 1, K, Taf. VIII). Ich glaube aber, dass
es sich auch bei diesen Kernen um Lamellenkerne handelt und
nicht um Kerne von Lymphozyten — als Kerne (polymorph-
kerniger) Leukozyten sind sie schon infolge ihrer Gestalt nicht
anzusprechen — die wegen der veränderten Raumbedingungen,
die sie an dieser Stelle finden, eine etwas abweichende Form
angenommen haben.
Nach aussen von dem Halblamellenkomplex (Innenkolben)
schliesst sich stets eine Lage schmaler, dichtgedrängter, kon-
tinuierlicher Lamellen an und erst noch weiter peripher folgen
die Lamellen mit ihren breiten Lamellenräumen.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 171
Die innerste kontinuierliche Lamelle begrenzt mit dem
äussersten Halblamellenpaar gewöhnlich einen mehr oder weniger
deutlichen Spaltraum, in den sich der gemeinsame Spaltraum
beiderseits öffnet. Gerade dort, wo der gemeinsame Spaltraum
durch die erste kontinuierliche Lamelle abgegrenzt wird, liegt
sehr häufig ein Kern (Fig. 2,K, Taf. VIII), so dass man in dieser
Lagerung eine gewisse Ähnlichkeit mit der Lagerung der Kerne
in zwei Längsreihen bei den Lamellenkörperchen der Vögel
erkennen kann.
Als „Innenkolben“ oder „‚inneresLamellensystem“
(Merkel) möchte ich demnach jenen zentralen Teil
desLamellenkörperchens bezeichnen, der zum Unter-
schiede von den weiter peripher gelegenen Anteilen
des Körperchensnicht von kontinuierlichen, sondern
von sechs bis zwölf Paaren von Halblamellen
gebildet wird. Die Halblamellenpaare fassen zwischen
sich einen gemeinsamen Spaltraum, dessen zentraler
Anteil vollständig vom flachgedrückten zentralen
Achsenzylinder ausgefüllt wird.
Die lamellöse Struktur des Innenkolbens ist nicht nur am
Querschnitte, sondern auch am Längsschnitte zu erkennen (Fig. 9,
Taf. VIII), nur kommt natürlich an letzterem die charakteristische
Zusammensetzung des Innenkolbens aus Halblamellen nicht zum
Ausdruck.
Der Querdurchmesser des Innenkolbens (nach meiner Defi-
nition) beträgt im Durchschnitte etwa 35 «, hängt aber von der
Gesamtgrösse des Körperchens ab, so dass die Dicke des Innen-
kolbens nicht unerheblich schwankt, was von allen Autoren
hervorgehoben wird.
An seinem distalen Ende enthält der Innenkolben auffallend
viele Kerne, die nicht mehr so regelmässig angeordnet sind wie
in seinen übrigen Teilen. Hier kommen auch Kerne vor, die an
Leukozytenkerne erinnern, wahrscheinlich aber auch den Lamellen-
kernen zuzurechnen sind. Auch die Lamellen lassen an dieser
Stelle nicht mehr die regelmässige Anordnung erkennen wie in
anderen Teilen des Innenkolbens. In einem Falle, in dem der
Achsenzylinder an seinem distalen Ende gegabelt war, sah ich
jeden der beiden Teiläste von kontinuierlichen Lamellen umgeben,
so dass in diesem Falle jede der Halblamellen des Innenkolbens
172 Siegmundv. Schumacher:
in ihrem distalsten Anteile sich zu einer kontinuierlichen Lamelle
geschlossen hat.
Erwähnt sei noch, dass ich den gemeinsamen zentralen
Spaltraum deutlicher an Lamellenkörperchen einer verbluteten
als an denen einer mit Kochsalzlösung von der Aorta aus
injizierten Katze ausgeprägt fand, was ja begreiflich erscheint,
wenn man annimmt, dass durch die Injektion alle Kapselräume
stärker gefüllt werden. Die natürliche Folge der stärkeren
Füllung der Kapselräume muss eine Einschränkung der Spalt-
räume sein.
Wie schon erwähnt, reichen die zugespitzten Enden (am
Querschnitte gesehen) der Halblamellen mitunter ganz aneinander
heran. In diesen Fällen bekommt man den Eindruck einer Naht,
die von den Schmalseiten des Achsenzylinders ausgehend jeder-
seits nahezu bis zur innersten kontinuierlichen Lamelle reicht
(Fig. 2, Taf. VII).
Der Innenkolben mit den dicht gedrängten unmittelbar nach
aussen an ihn sich anschliessenden Kapseln erscheint am gefärbten
Präparat etwas dunkler als die peripheren Teile des Lamellen-
körperchens und zwar einerseits infolge der dichteren Lagerung
der Kapseln, andererseits infolge des etwas stärker färbbaren
Kapselinhaltes. Die stärkere Färbbarkeit der Kapselflüssigkeit
gegen die Achse des Körperchens hin dürfte auf einen grösseren
Eiweissgehalt derselben zurückzuführen sein.
An der Längsachse der Lamellenkörperchen können drei
verschiedene Abschnitte unterschieden werden (siehe Schema
Textfig. 2). Der erste Abschnitt reicht vom basalen (— proxi-
malen) Pol des Körperchens bis zur Basis der innersten Lamelle
und soll als „proximaler Achsenteil“ bezeichnet werden. Er wird
von den Nerven und von den mit diesen eindringenden Kapillaren
eingenommen. In seiner ganzen Ausdehnung nehmen die Lamellen
ihren Ausgang.
Der zweite Abschnitt oder „zentrale Achsenteil“ entspricht
der Ausdehnung der innersten Lamelle, er wird vom zentralen
Achsenzylinder erfüllt.
Der dritte Abschnitt oder „distale Achsenteil“ erstreckt
sich vom distalen Ende des zentralen Achsenzylinders bis zum
distalen Pol des Körperchens. In seinem Bereiche liegt, wenigstens
annähernd, das Ligamentum interlamellare, wenn ein solches
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 173
vorhanden ist, was übrigens nicht häufig der Fall zu sein scheint;
ausserdem können in ihm vom distalen Pole aus eintretende
Kapillaren vorkommen. J
St
pA za dA
Fig. 2.
Schema eines Medianschnittes durch ein Lamellenkörperchen. pA = proximaler
Achsenteil, zZA — zentraler Achsenteil, dA — distaler Achsenteil, I —= Innen-
kolben, St — Stiel des Körperchens.
Die Längenausdehnung des Innenkolbens fällt nicht genau
mit der des zentralen Achsenteiles zusammen, sondern erstere
überragt letztere sowohl distal als proximal.
Für den von mir als proximalen Achsenteil benannten
Abschnitt wird von Key und Retzius die Bezeichnung „Stiel“
gebraucht. Ich glaube, dass letztere Bezeichnung nach Analogie
an anderen Organen und in Übereinstimmung mit anderen Autoren
besser für das ausserhalb des Körperchens gelegene und in dessen
basalen Pol eindringende (Gefäss- und Nervenbündel reserviert
werden soll.
Eigene Untersuchungen über die Blutgefässe der
Lamellenkörperchen.
Die Durchsicht meiner Präparate von Lamellenkörperchen
aus der Gegend der Steissbeinspitze des Menschen und im Schwanze
langschwänziger Säugetiere ergab, dass auch ohne vorhergegangene
Injektion Kapillaren in Lamellenkörperchen leicht nachzuweisen sind.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 13
174 Siegmundv.Schumacher:
So konnte ich in einzelnen Körperchen in der Nähe des
Glomus coceygeum eines jungen Weibes ziemlich reichliche Kapil-
laren eindringen sehen (Fig. 3, Taf. VIII). Die Kapillaren sind
hier leicht erkennbar, da alle rote Blutkörperchen enthalten. Es
handelt sich um ein Injektionspräparat, wobei die Injektions-
masse zwar nicht in die Kapillaren der Lamellenkörperchen ein-
gedrungen ist, wohl aber das Blut bis dorthin vorgetrieben wurde.
Namentlich finden sich gefüllte Kapillaren in den verhältnismässig
dicht liegenden äusseren Kapseln der Körperchen. Sie dringen
an verschiedenen Stellen von aussen her in die Körperchen ein
— keineswegs etwa nur in der Gegend der Pole, wie dies von
Michailow beschrieben wurde — und sind an den Reihen-
schnitten auf ziemlich weite Strecken in ihrem im allgemeinen
schrägen Verlaufe durch die Kapseln zu verfolgen.
Ebenso konnte ich bei zwei Neugeborenen an einzelnen
Vater-Pacinischen Körperchen die äusseren Kapseln durch-
setzende Kapillaren nachweisen, die bis gegen die mittleren
Lamellen zu verfolgen sind.
An Querschnitten durch ein Lamellenkörperchen aus dem
Schwanze des Iltis sah ich vom basalen Pol mit dem Nerven drei
Kapillaren in das Körperchen eindringen, von denen zwei Blut-
körperchen enthielten. Die Kapillaren erreichten aber nicht die
Basis der innersten Kapsel, also nicht den zentralen Achsenteil
des Körperchens. In Fig. 4, Taf. VII, habe ich einen Längsschnitt
(der etwas seitlich von der Achse des Körperchens geführt ist) durch
ein nicht injiziertes Körperchen aus dem Schwanze eines Macacus
rhesus abgebildet. Man sieht mehrere Kapillaren in der Gegend des
basalen Achsenteiles, Kapillarquerschnitte in der Gegend des distalen
Poles in Bindegewebe eingebettet und an verschiedenen anderen
Stellen des Körperchens teils längs, teils schräg getroffene Kapillaren.
Bezüglich des Gefäßsystems der zusammengesetzten Lamellen-
körperchen in der Nähe des Glomus coceygeum, die, wie schon
erwähnt, aus kleineren oder grösseren Gruppen dicht aneinander
gedrängter kleiner Einzelkörperchen bestehen und von einer
gemeinsamen dicken fibrösen Kapsel umgeben sind, scheint
bemerkenswert, dass präkapillare Gefässe und Kapillaren allent-
halben zwischen den einzelnen Körperchen, also innerhalb der
gemeinsamen Kapsel, in verhältnismässig grosser Menge zu finden
sind, ohne aber in die einzelnen Lamellenkörperchen einzudringen.
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 75
Nimmt man an, dass bei erhöhtem Blutdruck aus den
Gefässen innerhalb der zusammengesetzten Lamellenkörperchen
eine stärkere Flüssigkeitstranssudation erfolgt, so muss der
Turgor im Innern eines derartigen Komplexes von Lamellen-
körperchen wesentlich steigen und könnte eventuell als Reiz auf
die Nervenendigungen in den Körperchen in der schon oben
erwähnten Art wirken. Es würde bei dieser Annahme auch der
Zweck der dichten gemeinsamen Kapsel verständlich; es käme ihr
die Aufgabe zu, eine Transsudation aus dem Innern des Lamellen-
körperchen-Komplexes in die Umgebung zu verhindern, so dass
der Effekt des Flüssigkeitsdruckes auf die einzelnen Körperchen
und auf die in diesen sich befindenden Nervenendigungen ein
wesentlich höherer sein wird, als wenn keine gemeinsame Kapsel
vorhanden wäre. Der gemeinsamen Kapsel dürfte demnach die-
selbe Funktion zukommen, wie den äusseren Lamellen der einzeln
liegenden grossen Vater-Pacinischen Körperchen, vorausgesetzt,
dass die Annahme von der Nervenerregung in den Lamellen-
körperchen durch stärkere Transsudation aus den Eigengefässen
des Körperchens zutrifft.
Eingehendere Untersuchungen über die (refässe der Lamellen-
körperchen habe ich am Mesenterium der Katze vorgenommen.
Zu diesem Zwecke wurden die Mesenterialgefässe von der Aorta
abdominalis aus mit Berlinerblau bei zwei Katzen injiziert. Bei
der ersten Katze gelang die Injektion nicht vollkommen, indem
die Eigengefässe der Lamellenkörperchen des Mesenteriums nur
in einzelnen Fällen unvollständig gefüllt waren, in anderen gar
nicht. Die Ursache des teilweisen Misslingens der Injektion dürfte
wohl darin zu suchen sein, dass ich zu kurz nach dem Tode
(etwa eine Stunde) die Injektion vornahm. Bei der zweiten Katze
injizierte ich erst 24 Stunden nach dem Tode und hier gelang
die Injektion gut, so dass nahezu jedes Körperchen injizierte
Eigengefässe zeigt. Das ganze Gekröse samt dem Darm wurde
in 10°/o Formalinlösung gehärtet, dann in Alkohol gebracht,
Gekrösestückchen mit Lamellenkörperchen herausgeschnitten, in
Xylol aufgehellt und unter dem stereoskopischen Mikroskop
untersucht.
Zunächst fällt die bekannte Tatsache auf, dass die Lamellen-
körperchen des Mesenteriums hauptsächlich den grösseren Gefässen
angeschlossen liegen. Ja es ist überhaupt kein Körperchen zu
13%
176 Siegmundv. Schumacher:
finden, das nicht mit einem Teile seiner Oberfläche einer wenig-
stens kleineren Arterie und Vene angelagert wäre; auch die
grossen Lymphgefässe liegen oft unmittelbar an die Oberfläche
der Körperchen angeschmiegt (Fig. 5, Taf. VIII. Die Lamellen-
körperchen sind im allgemeinen so orientiert, dass ihre Längs-
achse mit der Verlaufsrichtung der Gefässe zusammenfällt. Nur
ausnahmsweise liegt ein Körperchen schräg zu einem grösseren
(Gefäßstamm. Sehr häufig sitzen Lamellenkörperchen in dem
Teilungswinkel der grösseren (Grefässe, so dass sie von zwei Seiten
von Gefässen umfangen werden. Oft zweigt von den grösseren
(sefässen, denen ein Körperchen aufliegt, ein Ast (von der Arterie
oder Vene oder von beiden) ab, umschlingt bogenförmig den
distalen Pol des Körperchens, sich innig an seine Oberfiäche
anlegend, oder aber es zieht ein Gefässast quer bogenförmig über
das Körperchen, wie dies schon Herbst erwähnte. In manchen
Fällen schliessen die grösseren Gefässe im Vereine mit den von
ihnen ausgehenden feineren Ästen und Präkapillaren einen förm-
lichen Gefässkranz um die grösste Peripherie des Körperchens ab.
Die Anlagerung der grösseren Gefässe an die Lamellen-
körperchen ist eine so innige, dass man an Schnittpräparaten bei
stark gefüllten (refässen die Körperchen im Bereiche der An-
lagerungsstelle der Gefässe häufig eingedrückt findet. Dieser
Umstand spricht, wie schon oben angedeutet, dafür, dass die
innige Lagebeziehung der Körperchen zu den Gefässen funktionell
nicht bedeutungslos sein dürfte. Bei stärkerer Füllung müssen
die anliegenden (Grefässe einen stärkeren Druck auf die Oberfläche
der Körperchen ausüben, der auf das Innere derselben übertragen,
als Reiz auf die Nervenendigungen wirken könnte. In ähnlicher
Weise stellt sich Thoma, wie schon hervorgehoben, eine direkte
Einwirkung des Gefässtonus auf die Lamellenkörperchen vor.
Bezüglich der in die Körperchen eindringenden (Gefässe ist
am aufgehellten Präparat zu erkennen, dass diese nicht als direkte
Zweige von Arterien oder Venen abgehen, sondern dass sich noch
ausserhalb des Körperchens in der Nähe seines basalen Poles ein
Kapillarnetz bildet, in das sich sowohl Arterien- als auch Venen-
äste auflösen (Fig. 7, Taf. VIII). Nebenbei bemerkt sei hier,
dass ich in der Nähe dieses ausserhalb des Körperchens gelegenen
(reflechtes in einem Falle (Fig. 7, An) zwei direkte Verbindungen
zwischen einem Arterien- und Venenstamm (arterio-venöse Ana-
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 177
stomosen) nachweisen konnte. Von dem erwähnten Kapillarnetz
dringen gewöhnlich mehrere Äste mit den Nerven oder auch in ihrer
Nähe in die Basis des Körperchens ein und bilden hier abermals
ein Kapillarnetz mit mehr oder weniger reichlichen Schlingen.
Von diesem Netz entspringt eine Kapillarschlinge (Fig. 7 und 9,
Taf. VII), die weiter distal in der Achse des Körperchens vor-
dringt, mit ihrem Scheitel aber höchstens den Boden der innersten
Lamelle erreicht, also bis zur distalen Grenze des proximalen
Achsenteiles vordringt, wie dies schon zutreffend von Herbst (3)
beschrieben wurde. Diese Kapillarschlinge scheint in jedem
Körperchen vorhanden zu sein und zeichnet sich durch etwas
weiteres Kaliber als die feinsten, z. B. in dem die Körperchen
umgebenden Fettgewebe gelegenen Kapillaren, aus. Bedeutend
seltener dringen Kapillaren an anderen Stellen in die Körperchen
ein. Allerdings fällt hier die Entscheidung, ob die Kapillaren
die oberflächlichen Lamellen durchsetzen oder nur an der Ober-
fläche des Körperchens liegen, nicht leicht. Nur in einem Falle
sah ich mit Bestimmtheit am aufgehellten Präparat eine Kapillare
am distalen Pol des Körperchens eintreten, die eine Schlinge
bildete, deren Scheitel bis zum distalen Ende des zentralen
Achsenteiles vordrang. Niemals konnte ich, im Gegensatz zu
Michailow, ein Kapillarnetz im Bereiche des ganzen Innen-
kolbens finden; stets entbehrte der zentrale Achsenteil der
Kapillaren. Möglicherweise ist das Verhalten der Gefässe in den
Lamellenkörperchen verschiedener Körpergegenden ein etwas ver-
schiedenes.
An Schnitten durch injizierte Körperchen konnte das
geschilderte Verhalten der Gefässe im Innern der Lamellen-
körperchen bestätigt werden, so dass dem oben gesagten nicht
viel hinzuzufügen bleibt. Im basalen Anteil der Körperchen findet
man stets nicht nur axial, sondern an verschiedenen Stellen, oft
auch nahe der Oberfläche des Körperchens, Kapillaren zwischen
den Lamellen (Fig. 9, Tat. VIII), auch im distalen Abschnitt der
Körperchen sind Kapillaren nachzuweisen, die keineswegs nur
axial verlaufen. Stets bleibt aber derInnenkolbenin
seinem Hauptabschnitt, der der Ausdehnung des
zentralen Achsenteiles entspricht, vollkommen
getässfrei. Wenn auch die Injektion unvollkommen sein
sollte, so müssten im Bereiche des Innenkolbens wenigstens die
178 Siegmundv. Schumacher:
Durchschnitte leerer Kapillaren nachzuweisen sein, was aber in
keinem Falle möglich war. Erwähnenswert scheint mir noch, dass
man manchesmal an einem basal in ein Körperchen eindringenden
Gefäss eirculäre Muskelfasern nachweisen kann, so dass demnach
nicht ausschliesslich Kapillaren, sondern wenigstens mitunter auch
kleinste Arterien in das Körperchen eintreten.
Experimentelle Untersuchungen.
Von den sehr spärlichen bisher angestellten Versuchen die
Frage der Funktion der Lamellenkörperchen experimentell zu
lösen, will ich hier die von Rauber (9) erwähnen. Nach Rauber
sind die Vaterschen Körperchen selbst für sehr geringen Druck
äusserst empfindlich. Bedeckt man die Körperchen mit Gläschen
im Gewicht von 2 mg bis 1 g, so nimmt bei Mensch und Katze
ihr Längendurchmesser beiläufig um !/s, ihr Breitendurchmesser
um "/ı, beim Hahn Längen- und Breitendurchmesser um '/ıo ZU.
An dieser Zunahme des Längen- und Breitendurchmessers
beteiligen sich in von aussen nach innen abnehmender Stärke
die verschiedenen Kapseln. „Schon bei geringem Drucke,
kleinerem, als man von vornherein annehmen sollte, wurde das
Maximum der Ausdehnung erreicht. Nur selten wirkte eine
Belastung von über 1 g noch ausdehnend, sei das diesem nahe
Gewicht in allmählicher Steigerung oder sogleich aufgelegt worden.
Dagegen zeigte sich meist, dass nach der Entfernung einer Last
von 50 mg das Körperchen seine frühere Gestalt verloren hatte,
abgeplattet, verzogen, vernichtet war.“
Ausgehend von der Vorstellung, dass auf eine stärkere
Durchfeuchtung des umgebenden (rewebes die Lamellenkörperchen
mit einer Aufquellung reagieren dürften, unternahm ich schon
seinerzeit, bald nach dem Erscheinen meiner Arbeit über das
Glomus coceygeum und die Glomeruli caudales, worin ich meine
Ansicht über die Funktion der Lamellenkörperchen auseinander-
gesetzt hatte, diesbezügliche Versuche.
Von drei jungen Katzen wurden Stücke des Mesenteriums,
welche Vater-Pacinische Körperchen enthielten, auf einen
Korkrahmen unter möglichster Vermeidung von Zerrungen mit
Nadeln aufgespannt und zunächst ohne jeden Zusatz (und ohne
Deckglas) unter dem Mikroskop mittels eines Okularmikrometers
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 179
gemessen.) Hierauf wurde ein Tropfen physiologischer, auf
Körpertemperatur erwärmter Kochsalzlösung auf das beobachtete
Lamellenkörperchen gebracht, ohne dessen Lage zu verändern
und abermals gemessen. Hierbei stellte sich sofort nach der
Befeuchtung oder nur kurze Zeit (wenige Sekunden) nachher eine
Formveränderung am Lamellenkörperchen ein und zwar im gegen-
teiligen Sinne als erwartet worden war, indem nämlich in der
Regel eine Verkürzung sowohl des Längen- wie des Breiten-
durchmessers des Körperchens eintrat. In einigen Fällen konnte
nicht mit voller Bestimmtheit die Längenabnahme der beiden
Durchmesser nachgewiesen. sicher aber eine Längenzunahme der-
selben ausgeschlossen werden. Die Messungen wurden allerdings
wesentlich durch das die Körperchen umgebende Fettgewebe
erschwert. Nach der Befeuchtung scheint das Gewebe über die
Ränder des Körperchens gegen dessen Mitte etwas vorzurücken,
wodurch die Umrisse des Körperchens verschleiert werden und
eine scharfe Einstellung auf dieselben erschwert wird.
Zunächst dachte ich daran, dass die Längenabnahme der
beiden Durchmesser eine Folge der Konzentration oder der
Temperatur der Kochsalzlösung sein könnte und versuchte deshalb
mit stärkeren und schwächeren Kochsalzlösungen, dann mit
wärmeren und kälteren Lösungen, aber immer mit demselben
Erfolge. Stets konnte eine Längenzunahme der beiden Durch-
messer ausgeschlossen, hingegen eine Längenabnahme derselben
mit ziemlich grosser Sicherheit nachgewiesen werden. Ich habe
seinerzeit die Veröffentlichung dieser Versuche unterlassen, da
ich mir die Erscheinungen nicht erklären konnte und ich mir
dachte, dass vielleicht doch Beobachtungsfehler, bedingt durch
die erwähnten Verschiebungen des Fettgewebes in der Umgebung
der Körperchen, vorliegen könnten.
Angeregt durch die Arbeit Michailows nahm ich abermals
die Versuche auf und zwar in einer etwas anderen Anordnung.
Ich suchte nämlich durch erhöhten Druck in den Mesenterial-
gefässen die Form der Lamellenkörperchen zu beeinflussen. Zu
diesem Zwecke wurde folgendermassen vorgegangen:
') Selbstverständlich wurde diese Prozedur möglichst rasch und
unmittelbar nach dem Tode der Katze vorgenommen, so dass das beobachtete
Mesenteriumstück noch nicht ausgetrocknet war.
180 Siegmundv. Schumacher:
Eine Katze wurde in Narkose durch Durchschneiden der
Carotiden verbluten gelassen, dann die Brust- und Bauchhöhle
eröffnet und eine Kanüle in die Aorta descendens vor dem Abgange
der A. mesenterica superior eingebunden. Hierauf wurde ein Stück
des Mesenteriums, in welchem ein Lamellenkörperchen möglichst frei
lag, unter dem Mikroskope auf einen Korkrahmen mit Nadeln
fixiert und die Länge und Breite des beobachteten Körperchens
gemessen. Nachdem dies geschehen war, injizierte der Assistent
bei mässigem Drucke physiologische, auf Körpertemperatur erwärmte
Kochsalzlösung, während ich unter dem Mikroskope das vorher
gemessene Lamellenkörperchen beobachtete. Während der Injektion
sieht man, dass das Körperchen eine Formveränderung eingeht,
die auf den ersten Blick nicht leicht zu definieren ist. Die Umrisse
des Körperchens werden unschärfer, man muss auf ein anderes
Niveau mit der Mikrometerschraube einstellen, um die Konturen
wieder deutlich zu sehen und die Durchmesser genau messen zu
können. Die Messung nach der Injektion ergab wieder, sowie
nach der Befeuchtung eines Lamellenkörperchens am heraus-
geschnittenen Gekrösestück, eine Verkürzung des Längen- sowie
des Breitendurchmessers des Körperchens.
So betrug in dem ersten diesbezüglichen Versuch:
die Länge des Lamellenkörperchens vor der Injektion 1152 u;
die Breite „ 2 NE e 720 u;
die Länge „ u nach „ = Ir:
die Breite „ a Bas e 688 u.
Nach diesem Versuche wurden die Baucheingeweide samt
der Aorta abdominalis herausgenommen, die A. coeliaca und die
Aorta kaudal vom Abgange der A. mesenterica superior unter-
bunden, wieder ein Teil des Mesenteriums mit einem Lamellen-
körperchen unter das Mikroskop gebracht und gemessen. Hier-
bei blieb die Kanüle in die Aorta abdominalis eingebunden
und nun wurde nach der Messung des eingestellten Lamellen
körperchens neuerdings physiologische Kochsalzlösung injiziert
und nach der Injektion abermals gemessen. Hierbei ergaben sich
folgende Maße:
Länge des Körperchens vor der Injektiin . 928 u;
breiten . ei, 2 er 5b0rn-
Länge „ e nachzee 2 EUNA TEE
Breite „ 5 u: 5 DSH:
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 181
Dieser Versuch wurde bei einer zweiten Katze wiederholt,
nur wurden hier schon gleich anfangs die Baucheingeweide samt
der Aorta abdominalis herausgenommen und von letzterer aus
(kranial vom Abgange der A. mesenterica superior nach Unter-
bindung der A. coeliaca und des kaudalen Abschnittes der Aorta
abdominalis) physiologische Kochsalzlösung injiziert. Ein vor und
nach der Injektion gemessenes Lamellenkörperchen zeigte dieselben
Veränderungen wie in den früheren Fällen; das heisst nach der
Injektion — nachdem in diesem Falle allerdings auch auf die
Oberfläche des beobachteten Gekrösestückchens physiologische Koch-
salzlösung gebracht worden war — erschien der Längen- wie der
Breitendurchmesser verkürzt:
Länge des Körperchens vor der Injektion . 1360 u;
Breite), h Se = 2800725
Länge „ n nach „ " SIEHE
Breite „ n era; R 26838. 1
Hierauf wurde ein (rekrösestück mit einem anderen Lamellen-
körperchen herausgeschnitten, eingestellt und gemessen, dann mit
physiologischer Kochsalzlösung befeuchtet und abermals gemessen:
Länge des Körperchens vor der Befeuchtung 1200 u;
Breite „ 2 rs r 768 u;
Länge „ u nach „ R 1168 u;
Breite , 5 an; n 720 u.
Weiterhin wurde ein Lamellenkörperchen vollkommen aus
seiner Umgebung herauspräpariert, was unter Zuhilfenahme einer
Lupe nicht schwer gelingt. Man spaltet zu diesem Zwecke die
Tunica serosa mit einer spitzen Lanzette, worauf sich das
Lamellenkörperchen aus dem Fettgewebe der Lamina mesenterii
propria herausschälen lässt, so dass es vollständig frei, ohne
anlagerndes Fettgewebe, unter dem Mikroskop beobachtet werden
kann. Nun wurde das isolierte Körperchen zunächst auf einen
Objektträger gebracht und ohne Zusatz (und ohne Deckgläschen)
gemessen, hierauf wurde ein Tropfen physiologischer Kochsalz-
lösung zugesetzt, so dass das Körperchen allseitig von Flüssigkeit
umgeben war und abermals gemessen:
Länge des Körperchens vor dem Flüssigkeitszusatz . 1200 u;
Breite » » D) D) » . 832 u;
Länge „ ; nach‘; , r 7 Mo 2:
Breite „ 4 Susıla Y 2
182 ‘Siegmund v. Schumacher:
Noch später, etwa 2!/» Stunden nach dem Tode der Katze,
wurden noch zwei weitere Körperchen isoliert, gemessen und
befeuchtet. In diesen beiden Fällen konnte aber keine Verkürzung
der beiden Durchmesser der Körperchen nach der Befeuchtung
mehr nachgewiesen werden, eher erschienen nach dem Kochsalz-
lösungzusatz die Durchmesser etwas vergrössert.
Ein weiterer Versuch mit Injektion von physiologischer Koch-
salzlösung durch die A. mesenterica superior bei einer dritten (alten)
Katze ergab verhältnismässig geringfügige Änderungen in den
Dimensionen eines beobachteten Körperchens:
Länge des Körperchens vor der Injektion . . 992 u;
Breite „ £ a 2 OHCALOTRE
Länge „ Li nach „ 4 N 33
Breite „ N Eu; s 624 u.
Bei einer vierten und letzten (jungen) Katze ergab die
Messung eines Körperchens vor und nach der Injektion von
physiologischer Kochsalzlösung durch die Aorta abdominalis:
Länge des Körperchens vor der Injektion . 1120 u;
Breite ” „ » BD) » ö 560 u;
Länge „ u nach „ L 104096:
Breite „ e N n na Bl 2NHE
Die aus den mitgeteilten Versuchen sich ergebende, auf den
ersten Blick überraschende und unerwartete Tatsache der Abnahme
des Längen- und Breitendurchmessers der Lamellenkörperchen
sowohl bei grösserem Druck in den Gefässen als auch bei
stärkerer Durchfeuchtung des umgebenden Gewebes würde sich
leicht erklären lassen, wenn nachgewiesen werden kann, dass die
Lamellenkörperchen bei verhältnismässig geringem Blutdruck,
resp. schwacher Durchfeuchtung des anliegenden Gewebes keine
Eiform besitzen, sondern abgeplattet sind, so dass also ihr Quer-
schnitt nicht kreisförmig, sondern elliptisch wäre.
Wir können die drei Dimensionen eines Lamellenkörperchens
als Länge, Breite und Dicke bezeichnen. Die Länge und Breite
würden parallel zur Oberfläche des Gekröses liegen, die Dicke
senkrecht darauf, wobei also nachzuweisen wäre, dass die Breite
im allgemeinen grösser ist als die Dicke. Würden nun, beim
Zutrefien dieser Annahme, die Körperchen bei stärkerer Durch-
feuchtung aufgebläht, so würde die nächste Folge die sein, dass
die Körperchen, von der Fläche betrachtet, kürzer und schmäler er-
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc, 153
scheinen werden, wobei natürlich ihr Dickendurchmesser zunehmen
würde. Sind die äussersten Lamellen der Körperchen nicht oder nur
sehr wenig dehnbar, so könnte die Aufblähung nur so weit gehen,
bis die Dicke gleich gross wie die Breite des Körperchens geworden
ist, so dass das Körperchen am Querschnitt Kreisförmig und nicht
mehr elliptisch wie im kollabierten Zustande erscheinen würde.
So zahlreiche Maßangaben über die an verschiedenen Ört-
lichkeiten vorkommenden Vater-Pacinischen Körperchen,
namentlich in der älteren Literatur, auch vorliegen, so beschränken
sich diese nahezu ausnahmslos nur auf zwei Dimensionen, nämlich
auf die Länge und Breite der Körperchen. Nur Rauber (9)
spricht ausser von einer Länge und Breite auch von einer Dicke
der Körperchen, ohne aber im allgemeinen für letztere gesonderte
Zahlen anzugeben. Nur von den Lamellenkörperchen in den
Gelenkkapseln des Hahnes bemerkt Rauber, „dass ihr Dicken-
durchmesser etwas unter den Breitendurchmesser zurücksinkt“.
In der Erwartung, die an frischen Lamellenkörperchen durch
verschiedene Füllung der Gefässe resp. verschieden starke Durch-
feuchtung des umgebenden Gewebes erzeugten Formveränderungen
auch am konservierten Material nachweisen zu können, liess ich
eine Katze verbluten, während einer zweiten gleichgrossen Katze,
ohne sie vorher verbluten zu lassen, unmittelbar nach dem Nar-
kosetode in die Aorta descendens ein grösseres Quantum auf
Körpertemperatur erwärmter physiologischer Kochsalzlösung inji-
ziert wurde. Die Baucheingeweide beider Katzen wurden in das
gleichgrosse Quantum 10°/o Formalin eingelegt und nach ein-
wöchentlicher Härtung wurde von beiden Katzen aus dem Gekröse
eine grössere Anzahl von Stückchen mit Vater-Pacinischen
Körperchen herausgeschnitten. Hierbei wurde die Schnittrichtung
so gewählt, dass später eine Orientierung der Körperchen nach
ihrer Längsachse möglich war. Die auf diese Weise gewonnenen
Präparate wurden in genau gleicher Art weiterbehandelt, in
Celloidin eingebettet und in Schnittreihen zerlegt. Die Schnitt-
richtung wurde so gewählt, dass die Körperchen möglichst genau
quer getroffen waren.
Es war zu erwarten, dass die Körperchen der verbluteten Katze
eine grössere Differenz zwischen Breiten- und Dickendurchmesser
zeigen würden als die der injizierten Katze, vorausgesetzt, dass
die Formen in ihrem natürlichen Zustande fixiert worden waren.
184 Siegmundv. Schumacher:
Leider war diesbezüglich das Ergebnis kein ganz einwand-
freies, indem alle Lamellenkörperchen, sowohl von der injizierten
als auch der verbluteten Katze, an ihrer Oberfläche stellenweise
Schrumpfungen zeigten und zwar in der Richtung der Längsachse
der Körperchen. Auch ein Fixierungsversuch in Formol-Alkohol
ergab keine besseren Resultate. Wenn daher auch die Einzel-
maße nicht in jedem Falle genau mit den Maßen der Körperchen
im frischen Zustande übereinstimmen werden, so dürften doch
die Durchschnittsmaße einen annähernd richtigen Ausdruck der
Formverhältnisse der Körperchen geben. Von den Körperchen
der verbluteten und der injizierten Katze wurden je zehn
gemessen und zwar wurde in der Serie einer der Schnitte hierzu
gewählt, der annähernd durch die Mitte des Körperchens geht.
Ausdrücklich sei hervorgehoben, dass unter den zu messenden
Körperchen keinerlei Auswahl getroffen, sondern die ersten zehn
geschnittenen Körperchen beider Katzen gemessen wurden. In
beistehender Tabelle führe ich die absoluten Breiten- und Dicken-
maße der Körperchen der verbluteten und injizierten Katze und
die daraus sich ergebenden Durchschnittsmaße an. Bemerkt sei
hier noch, dass nahezu ausnahmslos der kleinere Durchmesser
des Körperchenquerschnittes, also die Dicke, senkrecht auf die
Fläche des Gekröses zu stehen kommt, während der grössere
Durchmesser, die Breite, in der Fläche des Gekröses liegt. Nur
in der unmittelbaren Nachbarschaft der grossen Gefässe, wo die
Lamina mesenterii propria reichliches Fettgewebe führt, kommen
Ausnahmen von dieser Regel vor.
Injizierte Katze Verblutete Katze
Nr. | Breite in « | Dicke in « Nr. Breite in« | Dicke in a
1 560 560 1 512 | 384
2 464 432 2 448 400
b) 544 | 512 3 60 | 304
Re 576 512 4 512 | 448
5) 544 544 5 | 560 368
6 576 512 Bun 464 384
7 688 | 640 7 592 | 416
3 544 368 8 464 | 320
g | 480 | 480 9 512 | 512
10 544 | 464 10 560 400
Durch-) Pe | Br Durch- 2 | One
schnitt 552 | 502.4 schnitt 518.4 | 393.6
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 185
Aus den vorstehenden Zahlen ergibt sich zunächst, wie ja
zu erwarten war, dass der Querschnitt der Lamellenkörperchen
der injizierten Katze von der Kreisform weniger abweicht als der
der verbluteten Katze, indem sich bei ersterem im Durchschnitt
die Breite zur Dicke verhält wie 552:502,4, bei letzterem wie
518,4:393,6. Setzt man in beiden Fällen die Breite = 1, so
ergibt sich für die Körperchen der injizierten Katze eine Dicke
von 0,910, für die der verbluteten von 0,759. In Textfig. 3
habe ich dieses Verhältnis bildlich ausgedrückt.
a {
Durchschnittliche Umrisse des Querschnittes von Lamellenkörperchen; a nach
Kochsalzinjektion in die Gefässe, b nach Verblutung.
Bei ein und demselben Körperchen müsste bei der Zunahme
des Diekendurchmessers eine entsprechende Abnahme des Breiten-
durchmessers eintreten; man würde demnach bei der injizierten
Katze einen im Durchschnitt kleineren Breitendurchmesser
erwarten als bei der verbluteten Katze. Dass der gefundene
Durchschnittswert für den Breitendurchmesser bei der injizierten
Katze grösser ist als bei der verbluteten, dürfte sich einerseits
durch die verschiedene Grösse der Lamellenkörperchen bei ein
und derselben Katze erklären lassen — es könnten ja zufällig
bei der injizierten Katze verhältnismässig breite Körperchen zur
Messung gelangt sein — andererseits durch die längst bekannte
Tatsache, dass bei verschiedenen Katzen die Lamellenkörperchen
in hohem Grade verschiedene Durchschnittsdimensionen aufweisen,
so dass in diesem Falle die injizierte Katze durch Lamellen-
körperchen grösserer Dimensionen gegenüber der verbluteten
ausgezeichnet gewesen sein könnte.
Bei Betrachtung der einzelnen Werte der Körperchen-
dimensionen beider Katzen findet man, dass bei der injizierten
186 Siegmund v. Schumacher:
Katze drei von zehn Körperchen genau gleichbreit und gleichdick
erscheinen, während dies bei der verbluteten Katze nur für eins
von zehn Körperchen zutrifft. Die grössten Differenzen zwischen
Breite und Dicke zeigt das Körperchen Nr. 3 der verbluteten
Katze mit 560 « Breite und 304 «u Dicke, bei der injizierten
Katze Nr. S mit 544 4 Breite und 368 « Dicke. Demnach
erreicht keines von den Körperchen der injizierten Katze, in
bezug auf die Grösse der Differenz zwischen Breiten- und Dicken-
durchmesser, das am meisten abgeflachte Körperchen der ver-
bluteten Katze. Es kann somit ein Körperchen derart auf-
gebläht werden, dass es am Querschnitt kreisförmig erscheint,
während andererseits ein Körperchen so weit kollabieren kann,
dass sein Dickendurchmesser nicht viel mehr als die Hälfte des
Breitendurchmessers beträgt (Dicke: Breite = 304:560), wobei
nicht gesagt sein soll, dass nicht noch eine grössere Differenz
zwischen Dicken- und Breitendurchmesser erreicht werden könnte.
In Textfig. 4 sind diese beiden Grenzfälle bildlich dargestellt.
h
0
Fig. 4.
Querschnittsumrisse, a eines maximal aufgeblähten Lamellenkörperchens nach
Kochsalzinjektion in die Gefässe. b eines maximal kollabierten Körperchens
nach Verblutung.
Jedenfalls ergibt sich aus dem angeführten Verhältnis des
Dicken- zum Breitendurchmesser, dass im allgemeinen die
beiden Querdurchmesser nicht gleichgross sind,
dass also nahezu alle Körperchen in der Richtung
der Flächenausdehnung des Gekröses abgeflacht
erscheinen und dass nur bei extremer Füllung der
Lamellenräume ihre Querdurchmesser gleichgross
werden können. Würde man ein Körperchen auf seine
Schmalseite (Kante) eingestellt haben und nun durch Injektion den
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 157
Druck in den Gefässen erhöhen, so wäre zu erwarten, dass bei
der Injektion der @Querdurchmesser zunehmen und der Längs-
durchmesser abnehmen würde. Da aber, wie schon gesagt, die
Körperchen im allgemeinen so orientiert sind, dass ihre Breite
(d. i. der grössere Querdurchmesser) mit der Fläche des Gekröses
zusammenfällt und nur dort, wo die Lamina mesenterii propria
durch reichliches Fettgewebe ausgezeichnet ist, d. i. an Stellen, wo
überhaupt im frischen Zustande eine Messung der Körperchen infolge
der beträchtlichen Dicke des Gekröses ausgeschlossen erscheint,
die Körperchen auch anders eingestellt sein können, erklärt es
sich, dass in allen beobachteten Fällen eine Abnahme des queren
Durchmessers nach der Injektion resp. nach der Befeuchtung der
Körperchen eingetreten ist.
Dass die Iamellenkörperchen in der Regel nicht walzen-
förmig, sondern abgeflacht sind, lässt sich ohne weiteres an
isolierten Körperchen sowohl im frischen als auch im fixierten
Zustande unter dem stereoskopischen Mikroskope nachweisen.!)
Wurde schon durch die Belastungsversuche von Rauber
gezeigt, dass die Lamellenkörperchen durch geringen auf ihre
Oberfläche wirkenden Druck ihre Gestalt verändern, so ergaben
meine Versuche, dass ebenso eine Formveränderung der Körper-
chen eintritt bei stärkerer Füllung ihrer Lamellenräume, bedingt
durch stärkeren Druck in den EFigengefässen des Körperchens
und, wie es scheint, auch durch stärkere Durchfeuchtung des
umgebenden tewebes, wobei es wahrscheinlich zu einer Diffusion
von der Umgebung in die Lamellenräume kommt. Wir haben
uns vorzustellen, dass bei mässigem Blutdruck und
daher auch bei mässiger Durchfeuchtung des
Gewebes die Körperchen in mässigem Grade kolla-
!) Bemerkt sei hier noch, dass nach der Kochsalzinjektion das
Mesenterium bedeutend dicker erscheint als nach der Verblutung; die Lamina
mesenterii propria ist aufgequollen. Man könnte vielleicht daran denken,
dass diese Aufquellung des Mesenteriums die Ursache für die Formver-
änderung der Lamellenkörperchen ist, so dass diese durch die unmittelbare
Anlagerung der beiden Tunicae serosae abgeflacht werden und sobald durch
Aufquellung der Lamina propria mehr Raum für die Lamellenkörperchen
geschaffen wird, diese, ihrer Elastizität folgend, sich mehr der Kugelform
nähern. Gegen diese Auffassung spricht aber die Tatsache, dass auch voll-
ständig isolierte Körperchen für gewöhnlich abgeflacht erscheinen und erst
nach Befeuchtung walzenförmig werden.
188 Siegmundv. Schumacher:
biert sind, während sie bei wachsendem Blutdruck
so weit aufgebläht werden, als es die oberfläch-
lichsten Lamellen gestatten. Dass es hierbei nicht zu
einer Vergrösserung der Oberfläche der Körperchen kommt, dass
also die Körperchen bei höherem Blutdruck nicht in allen ihren
Dimensionen zunehmen, muss auf einer geringen Ausdehnungs-
fähigkeit der Lamellenwände beruhen. Veränderungsfähig
ist nur das Volumen, nicht aber die Grösse der Ober-
fläche. Geht ein Körperchen aus dem kollabierten
in den aufgeblähten Zustand über, so muss ent-
sprechend der Dickenzunahme die Breite und auch
die Länge abnehmen; es muss sich das Körperchen
mehr oder weniger der Kugelform nähern.
Bei starker Füllung der Lamellenräume mit Flüssigkeit
muss ein Druck auf die Nervenendigungen im Innern des
Körperchens ausgeübt werden. Dieser Druck wird allerdings so
lange schwach sein, als das Körperchen noch abgeflacht ist,
sobald es aber Walzenform angenommen hat und sich nicht mehr
weiter aufblähen kann, wird die Druckwirkung auf die Nerven-
endigungen im Innern des Körperchens voll zur Geltung gelangen.
Da der Innenkolben, sowie das ganze übrige Körperchen aus mit
Flüssigkeit gefüllten Lamellen aufgebaut wird, so erscheint er
sehr gut geeignet, einen Druck auf den Achsenzylinder zu
übertragen.
Es ist anzunehmen, dass die Nervenendigungen im Körper-
chen durch den auf sie ausgeübten Druck erregt werden, dass
diese Erregung zentripetal weitergeleitet und auf die Vasomo-
toren übertragen wird, so dass in dem Gefässgebiete, wo das
stark gefüllte Körperchen, von dem die Erregung ausging,
gelegen ist, der Blutdruck sinkt. Bei steigendem Blutdruck in
einem (refässgebiete, das Lamellenkörperchen enthält, muss auch
der Druck in den reichlichen Eigengefässen der Körperchen
zunehmen und die unmittelbare Folge wird eine stärkere Trans-
sudation aus den Binnengefässen des Körperchens in die Lamellen-
räume hinein sein, letztere werden stärker gefüllt, der Binnen-
druck des Körperchens steigt, die Nervenendigungen im Körperchen
werden erregt.
Die Versuche lassen vermuten, dass auch eine stärkere
Durchfeuchtung des Gewebes in der Umgebung der Körperchen,
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 189
wie eine solche bei höherem Blutdruck eintreten muss, aufquellend
auf die Körperchen einwirkt. Es dürfte von aussen her in das
Körperchen hinein Flüssigkeit diffundieren, vorausgesetzt, dass
im Innern der Körperchen ein kleinerer Flüssigkeitsdruck herrscht
als in der Umgebung. Wenigstens wird ein grosser Flüssigkeits-
gehalt des umgebenden (Gewebes bei steigendem Druck im
Körperchen eine Diffusion aus dem Körperchen in die Umgebung
bis zu einem gewissen Grade verhindern und so einer Abnahme
der Blähung des Körperchens entgegenwirken.
Ausserdem dürfte auch der innigen Lagebeziehung der
Lamellenkörperchen zu grösseren (refässen, wie man sie an vielen
Örtlichkeiten findet, eine funktionelle Bedeutung zukommen und
zwar in der Art, dass, wie dies schon Thoma (14) ausgesprochen
hat, stark gefüllte Gefässe einen Druck auf die Oberfläche der
Körperchen ausüben, der auf die Nervenendigungen übertragen
werden könnte und zwar um so wirksamer, je stärker die Körperchen
mit Flüssigkeit gefüllt sind.
So dürften alle drei Momente, nämlich starke
Füllung der Binnengefässe des Körperchens, hoch-
gradige Durchfeuchtung des umgebenden Gewebes
und starke Füllung der dem Körperchen ober-
flächlich angelagerten Gefässe gleichzeitig zu-
sammenwirken können, um den Druckeffekt auf die
Nervenendigungen im Körperchen zu erhöhen.
Weiterhin spricht, wie schon früher hervorgehoben, die
Lokalisation für die Auffassung der Lamellenkörperchen als Blut-
druckregulatoren: Das oft massenhafte Vorkommen derselben in
der Nähe der arterio-venösen Anastomosen (in den Endphalangen
der Fledermäuse, in der Gegend des Glomus coccygeum beim
Menschen, im Schwanze der langschwänzigen Säugetiere), die wohl
allgemein als blutdruckregulatorische Apparate aufgefasst werden;
die Lagerung in der Adventitia (oder deren unmittelbaren Nach-
barschaft), der Aorta und ihrer grösseren Äste (Thoma); das
reichliche Vorhandensein in serösen Häuten (Mesenterium der
Katze) und in den Gelenkskapseln, wo ja eine Feuchtigkeits-
regulation von grösster Bedeutung ist. Auch das Vorkommen
der Körperchen an den Fingern, speziell an den Endgliedern, das
wohl zunächst die Ursache war, die Körperchen als Drucksinnes-
organe aufzufassen, spricht eher für als gegen die Auffassung,
Archiv f.mikr. Anat. Bd.77. Abt.1I. 14
190 Siegmundv. Schumacher:
dass die Lamellenkörperchen Blutdruckregulatoren sind. Gerade hier
ist ja eine prompte Wärmeregulation nötig und diese geht Hand
in Hand mit der Blutdruckregulation.
Freilich muss die hier entwickelte Auffassung der Lamellen-
körperchen als Blutdruckregulatoren vor der Hand noch Hypothese
bleiben, aber wie mir scheint, eine besser begründete als die,
welche den Lamellenkörperchen die Funktion von Drucksinnes-
organen beilegt. Für die erstere Hypothese spricht der Bau der
Körperchen, ihre Lokalisation und das Ergebnis der Versuche,
indem gezeigt werden Konnte, dass bei stärkerem Druck in den
Gefässen sich die Körperchen aufblähen, während sie bei
schwächerem Blutdruck kollabieren.
Zusammenfassung.
Die Lamellenkörperchen sind aus Hohllamellen (Hohlkapseln)
aufgebaut. Jede Lamelle besteht aus zwei bindegewebigen Wan-
dungen, zwischen denen ein spaltförmiger, mit Flüssigkeit gefüllter
Raum gelegen ist (Key und Retzius). Die Oberfläche der
Lamellen ist von flachen Zellen bekleidet. Die Hohllamellen sind
einander nur angelagert, nicht miteinander fester verbunden.
Infolgedessen können sich zwei benachbarte Lamellen voneinander
abheben (wahrscheinlich nur postmortal), wodurch ein Spaltraum
entsteht. Die Spalträume sind zum Unterschiede von den Lamellen-
räumen nicht mit Flüssigkeit gefüllt, enthalten auch keine Binde-
gewebsfibrillen.
Ein elastisches Fasernetz findet sich nicht nur an der Ober-
fläche der Lamellenkörperchen (Michailow), sondern es konnte
ein solches in den Wandungen der drei bis vier äussersten Lamellen
nachgewiesen werden.
Der Innenkolben ist ebenso aus Lamellen aufgebaut, wie die
nach aussen von ihm gelegenen Anteile des Körperchens (Merkel).
Die Lamellen des Innenkolbens unterscheiden sich aber von den
weiter peripher gelegenen dadurch, dass sie nicht geschlossene
doppelwandige Röhren darstellen, sondern nur doppelwandige
Halbrinnen, die paarweise konzentrisch um den zentralen Achsen-
zylinder angeordnet sind. Die Kanten der Halblamellen des Innen-
kolbens sind so orientiert, dass sie in ihrer Gesamtheit entweder
einen ganz schmalen Spaltraum jederseits einschliessen, der in
der Verlängerung der Schmalseiten des zentralen Achsenzylinders
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion etc. 191
gelegen ist; oder es können die Kanten der Halblamellenpaare sich
berühren, so dass in der Verlängerung der Schmalseiten des Achsen-
zylinders eine Art Naht entsteht.
Die im Innenkolben gelegenen Zellkerne sind prinzipiell
nicht verschieden von den übrigen an der Oberfläche der Lamellen
gelegenen Kernen.
Die dunklere Färbung (am gefärbten Präparat) des Achsen-
zylinders ist bedingt durch die stärkere Färbbarkeit der in seinen
Lamellenräumen enthaltenen Flüssigkeit und die geringere Weite
der Lamellenräume (dichtere Lagerung der Kapselwände).
Blutgefässe dringen, wie längst bekannt, hauptsächlich in
der Gegend des basalen Poles mit den Nerven in die Lamellen-
körperchen ein, seltener am distalen Pole oder an anderen Stellen
der Oberfläche und bilden im basalen Abschnitt der Körperchen
ein schlingenreiches Kapillarnetz, von dem eine Schlinge bis an
die Basis des Innenkolbens heranreicht, oder höchstens nur auf eine
ganz kurze Strecke in den Anfangsteil des Innenkolbens eindringt.
Der Hauptteil des Innenkolbens bleibt (wenigstens bei den Lamellen-
körperchen im Mesenterium der Katze) stets gefässfrei. In allen
übrigen Teilen des Körperchens können Kapillaren vorkommen.
Bei steigendem Druck in den Gefässen blähen sich die
Lamellenkörperchen infolge stärkerer Füllung ihrer Lamellen-
räume auf; sie nähern sich mehr der Kugelform, während sie für
gewöhnlich mehr oder weniger abgeflacht (kollabiert) erscheinen,
so dass ihr Dickendurchmesser hinter dem Breitendurchmesser
zurücksteht. Die Füllung der Körperchen kann so weit gehen,
bis der Dickendurchmesser gleich dem Breitendurchmesser wird.
Eine Oberflächenvergrösserung findet hierbei nicht statt.
Eine Aufblähung der Körperchen scheint auch bei stärkerer
Durchfeuchtung des dieselben umgebenden Gewebes einzutreten.
Die Anlagerung der Lamellenkörperchen im Mesenterium
der Katze an grössere Gefässe ist eine so innige, dass wahr-
scheinlich bei starker Füllung der Gefässe auf die Oberfläche der
Körperchen ein Druck ausgeübt wird.
Der Bau, die Lage und die Versuchsergebnisse sprechen
dafür, dass die Lamellenkörperchen Blutdruckregulatoren sind.
Wien, Anfang März 1911.
14*
192
I)
Ne)
Fig.
Siegmundv. Schumacher:
Literaturverzeichnis.
Grosser, O.: Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Gefäss-
systems der Ohiropteren. Anat. Hefte, H. 55, 1901.
Henle, J. und Kölliker, X.: Über die Pacinischen Körperchen
an den Nerven des Menschen und der Säugetiere. Zürich 1844.
Herbst, @G.: Die Pacinischen Körper und ihre Bedeutung. Ein
Beitrag zur Kenntnis der Nervenprimitivfasern. Göttingen 1848.
Key, A. und Retzius, G.: Studien in der Anatomie des Nerven-
systems. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 9, 1873.
Kölliker, A.: Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Bd. I, 1889.
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der Wirbeltiere. Rostock 1850.
Michailow, S.: Die Struktur der typischen Vater-Pacinischen
Körperchen und ihre physiologische Bedeutung. Folia neuro-biolog.,
Ba. II, 1909.
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Pacini. Compt. rend. Soc. biol. Paris, T. 67, 1909.
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der Vaterschen Körper. München 1867.
Retzius, G@.: DiePacinischen Körperchen in Golgischer Färbung.
Biolog. Untersuch., N. F., Bd. 6, 1894.
Derselbe: Zur Frage von der Endigungsweise der peripherischen sensiblen
Nerven. Biolog. Untersuch., N. F., Bd. 8, 1898.
v. Schumacher, $.: Über das Glomus coccygeum des Menschen und
die Glomeruli caudales der Säugetiere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 71, 1907.
Stöhr, Ph.: Lehrbuch der Histologie und mikroskopischen Anatomie
des Menschen. 13. Aufl., 1909.
Thoma, R.: Über die Abhängigkeit der Bindegewebsneubildung in
der Arterienintima von den mechanischen Bedingungen des Blutumlaufes.
lI. Das Verhalten der Arterien in Amputationsstümpfen. Virchows
Arch., Bd. 95, 1884.
Van de Velde, E.: Die fibrilläre Struktur der Nervenendorgane.
Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. 26, 1909.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII.
(Sämtliche Abbildungen sind mit dem Prisma entworfen.)
1. Zentraler Anteil eines Querschnittes durch ein Lamellenkörperchen
aus dem Mesenterium einer verbluteten Katze. 10°/ Formalin,
Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 680fach. A — zen-
traler Achsenzylinder, I = Innenkolben, gS — gemeinsamer Spalt-
raum, begrenzt von den Kanten der Halblamellen des Innenkolbens
und der innersten kontinuierlichen Lamelle, kL = innerste kon-
tinuierliche Lamelle, K = Kern im gemeinsamen Spaltraum,
L = Lamellenräume, S — Spalträume.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
5, 6,
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion ete. 193
Zentraler Anteil eines Querschnittes durch ein Lamellenkörperchen
aus dem Mesenterium von derselben Katze wie Fig. 1. Behandlung,
Vergrösserung und Bezeichnungen wie in Fig. 1. Die Kanten der
inneren Halblamellen des Innenkolbens berühren sich, so dass an
dieser Stelle statt eines gemeinsamen Spaltraumes eine Art Naht
entsteht.
Schrägschnitt durch ein Lamellenkörperchen aus der Nähe des Glomus
coceygeum eines jungen Weibes. 10°/o Formalin, Delafieldsches
Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 250fach. Alle Kapillaren des Lamellen-
körperchens enthalten rote Blutkörperchen.
Längsschnitt (etwas seitlich vom Achsenzylinder) durch ein Lamellen-
körperchen aus dem Schwanze eines Macacus rhesus. Zenkersche
Flüssigkeit, Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 85fach.
Drei längs getroffene Kapillaren — K im basalen Achsenteil, mehrere
im Bindegewebe eingebettete Querschnitte von Kapillaren in der
Gegend des distalen Poles und Durchschnitte durch Kapillaren an
verschiedenen anderen Stellen des Körperchens.
7 und 8. Lamellenkörperchen aus dem Mesenterium der Katze.
Gefässe mit Berlinerblau injiziert; 10° Formalin mit Xylol auf-
gehellt, ungefärbt. Vergr. 85fach. Arterien (= A) dunkelgrau,
Venen (= V) und Kapillaren schwarz. Die Abbildungen zeigen
die innige Lagebeziehung der Lamellenkörperchen zu den Gefässen.
Die Binnengefässe der Körperchen (= K) sind nur in Fig. 7 gut
gefüllt, teilweise auch in Fig. 5.
Zeigt ein Körperchen, das ausser Blutgefässen auch einem grösseren
Lymphgefäss (— L) innig anliegt.
Zwei unmittelbar einander angelagerte Körperchen. Zwischen den
Berührungsflächen zieht eine grössere Arterie und Vene.
In kleiner Entfernung von der Basis des Körperchens sind zwei
arterio-venöse Anastomosen (= An) sichtbar. Von dem in der
Nähe der Basis des Körperchens gelegenen Kapillarnetz zweigt
das Binnengefässnetz des Körperchens (= K) ab. In diesem
erkennt man deutlich eine etwas stärkere Schlinge, die bis zum
zentralen Achsenteil des Körperchens reicht.
Arterie und Vene liegen so innig dem Körperchen an, dass sie
dessen Oberflächenkrümmung mitmachen.
Längsschnitt durch ein Lamellenkörperchen aus dem Mesenterium
der Katze. Gefässinjektion mit Berlinerblau. 10°, Formalin,
Delafieldsches Hämatoxylin, Eosin. Vergr. 17Ofach. Reichliche
Kapillaren nicht nur im proximalen Achsenteil, sondern auch an
anderen Stellen in den Lamellenräumen. K = Kapillarschlinge,
die bis gegen die Basis des Innenkolbens reicht. A — zentraler
Achsenzylinder, I — Innenkolben, S = Spaltraum zwischen Innen-
kolben und innerster kontinuierlicher Lamelle. iL — innerste, dicht
gelagerte kontinuierliche Lamellen.
194
Aus der Prosektur des Krankenhauses Balachany (Baku).
Studien über den Bau und das Wachstum der
Nervenzellen.
Von
M. Mühlmann.
Hierzu Tafel IX.
Die Entwicklung der Nervenzelle ist vielfach Gegenstand
der Untersuchung gewesen. Dabei wurde die Aufmerksamkeit
hauptsächlich auf die Bildung der Nervenzelle aus dem indifferenten
Zustand gerichtet. Weniger bekannt ist das Wachstum der
Nervenzelle von dem Moment an, als sie den indifferenten Zustand
bereits hinter sich hat und zu einem Bestandteil des Nerven-
systems geworden ist. Folgende Untersuchung hat den Zweck
diese Lücke auszufüllen. Als Untersuchungsobjekte dienten
Nervenzellen vom Rind, Mensch, Schaf, Kaninchen und Meer-
schweinchen. Von allen diesen Tieren wurden Embryonen von
möglichst frühem Alter an, aber mit bereits ausgebildeten Nerven-
zellen in verschiedenen Entwicklungsstadien bis zum erwachsenen
Alter hin der Untersuchung unterzogen. Die Verhältnisse bei
allen diesen Säugetieren erwiesen sich ziemlich gleich. Da die
grösste Zahl der untersuchten Embryonen dem Rind angehörte,
so halten wir uns bei der Darstellung der Untersuchungsergebnisse
hauptsächlich an dieses Tier.
Die Tiere wurden sofort nach dem Schlachten längs der Wirbelsäule
zerlegt, so dass Spinalganglien und Rückenmarksstücke erwachsener Tiere
etwa 30 Minuten nach dem Tode derselben in die gewünschte Fixier-
flüssigkeit gebracht wurden. Embryonen bekam ich etwa 20 Minuten nach
dem Tode der Mutter. Vom Schaf und den übrigen untersuchten Tieren
konnte das Material erst in einem kurzen Intervall nach dem Tode des
Tieres zur Untersuchung gelangen.
Die Objekte wurden in Sublimat, Zenkerformol oder Orthscher
Flüssigkeit fixiert, mitBöhmers, Hansens, Heidenhains Hämatoxylin,
Giemsas Methylenazureosingemisch!)und Biondis Dreifarbengemisch?) ge-
') Das Giemsagemisch wurde in 5°'o Lösung gebraucht, die Präparate
darin 24 Stunden gelassen, dann mit Alkohol entfärbt. Manchmal wurde
ein minimaler vorheriger Zusatz von Essigsäure erforderlich.
°) Biondis Lösung wurde in üblicher starker Verdünnung mit gleich-
falls geringem Essigsäurezusatz gebraucht. Stetige Kontrolle des Papierfleckens.
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 195
färbt, sowie auch in Flemmings Lösung fixiert oder nach Mar chi bearbeitet.
Spezielle mikrochemische Untersuchungen, welche angewandt wurden, finden
an entsprechender Stelle Besprechung. Die Studien der Neurofibrillen-
entwicklung haben wir unterlassen, da hierüber für die Fötalperiode ein-
gehende Untersuchungen von Bielschowsky und Brodmann,
Gierlich und Herxheimer und Held vorliegen. Ich unterlasse auch
eine Literaturübersicht über den Bau und die Zusammensetzung des Kernes,
welcher in der vorliegenden Untersuchung hauptsächlich in Betracht kam,
weil das meiste, was bezüglich desselben bekannt ist, nicht die Nervenzelle,
sondern hauptsächlich die Eizelle betrifft, und darüber gibt es eingehende
Übersichten in den Monographien von ©. Hertwig, M. Heidenhain,
Ogneff, Ruzicka, Zaccharias, Carnoyund Lebrun, Montgomery
und anderen. Das ganze, was vom Kern der Nervenzelle bekannt ist, findet
unten Berücksichtigung.
Rind.
Nachdem die Untersuchung beendet war, liessen sich in
verschiedenen Wachstumsperioden des Organismus eigentümliche
Veränderungen nachweisen, die die Einteilung des embryonalen
Wachstums in mehrere Stadien als zweckmässig erwiesen. Die
folgenden vier Stadien, nach welchen die Darlegung der Unter-
suchungsergebnisse geordnet ist, entsprechen etwa denjenigen eines
kleinen, mittelgrossen, grösseren und grossen Embryo.
17 Stadıum.
Von kleineren Embryonen (2—6 cm) wurden 13 Exemplare')
untersucht. Die Befunde bei ihnen sind ziemlich gleichartig,
weshalb sie zusammen geordnet werden.
Im Hämatoxylineosinpräparat ist das Protoplasma rot, leicht
gekörnt, der Kern nimmt etwa °/s der Grösse des Zelleibes ein,
ist rund, durch einen scharfen Rand vom Protoplasma abgegrenzt.
Der Kern enthält zahlreiche dunkelviolett gefärbte Körnchen,
von denen mehrere sich durch ihre Grösse auszeichnen. Wir
wollen die letzteren zunächst alle als Kernkörperchen, Nukleolen,
bezeichnen. Sie treten in verschiedener Zahl auf, selten in der
Einzahl, meist drei, vier und fünf. Manchmal lassen sich auch
sechs und sieben Nukleolen zählen. Die Nukleolen sind meist
gleichgross, besonders wenn sie in grösserer Zahl auftreten,
manchmal ist ein Körperchen grösser als die übrigen. Dies ist
am häufigsten der Fall, wenn ein Kernkörperchen, und das ist
!) Davon 1&2tm, 332,5 cm,1ä3cm, 133,5cm,1&3,7 cm, la4cm,
1&45cm, 15cm, 225,5 und 136 cm.
196 M. Mühlmann:
das grössere, mehr zentralwärts liegt, die übrigen peripherisch
im Kern. Es ist eine ziemlich gewöhnliche Erscheinung, dass
die Körperchen im Kern randständig sind, gewissermassen als
Verdickung des Kernrandes erscheinen. Ihre Form ist dann
nicht selten halbmondförmig, kappenartig. Sonst ist die Form
des Kernkörperchens ziemlich verschieden, selten vollkommen
kreisrund. Eine nähere Struktur lässt sich in den Nukleolen
wegen ihrer Kleinheit nicht wahrnehmen. Ihr Durchmesser über-
steigt kaum 0,001 mm. Im Kern lassen sich manchmal violette
(durch Alaunhämatoxylin) oder schwarze (durch Eisenhämatoxylin)
in Fäden geordnete Kügelchen oder Stäbchen unterscheiden,
welche die Nukleolen untereinander verbinden.
Das Eisenhämatoxylinpräparat, in welchem das Protoplasma
vollständig entfärbt ist und als homogene grauliche oder spärlich
gekörnte Masse erscheint, bringt die Nukleolen am schärfsten in
Form von schwarzen Körnern hervor. Die Zahl, Lage, Grösse
und Form der Körperchen ist hier gleichfalls besser zu über-
sehen, als in anders gefärbten Präparaten (Fig. 1).
Bei Giemsafärbung ist das Protoplasma bläulich, der Kern
rötlich, die Kernkörperchen bläulichviolett. Es lassen sich diese
Nuancen nicht immer schön hervorbringen, und die rote Farbe
tritt oft zurück. Niemals werden die Körperchen in derselben
grossen Anzahl wie im Hämatoxylinpräparat mitgefärbt.
Bei Biondifärbung ist das Protoplasma rötlich, im Kern
tritt die grüne Farbe in den Vordergrund. Es lässt sich gut
wahrnehmen, dass die grüne Farbe nicht durch die gleichmässige
Färbung aller Kernteile hervorgebracht wird. Die geringe Grösse
dieser gefärbten Teile lässt sie aber nicht immer distinkt
abgrenzen und manchmal ist der Kern diffus grün gefärbt
(Fig. 2a). Gewöhnlich aber scheint ein spärlich rötliches oder
ungefärbtes Netz im Kern vorzuliegen, in dessen Knoten grüne
Körner eingelagert sind (Fig. 2b), diese grünen Körner entsprechen
den Nukleolen. Allerdings lassen sich niemals diese grünen
Körperchen in derselben Menge nachweisen, wie im Hämatoxylin-
präparat. An einem Präparat konnte ich feine grüne unregel-
mässig gefärbte Fäden unterscheiden, die die Nukleolen mit-
einander verbanden.
Wir sehen also, dass nicht alle Färbemittel: die verschiedenen
Bestandteile der Nervenzelle gleich tingieren. Nur die Hämatoxylin-
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 197
präparate liefern gleiche Bilder, mag es Hansens, Böhmers
oder Eisenhämatoxylin sein. Es treten da im Kerne mehrere
grössere Körner von verschiedener Form und zahlreiche kleinere
meist rundliche Körnchen auf. Alle sind gleich gefärbt und
stellen also die chromatische Substanz des Kernes dar. Gemäss
dem üblichen Gebrauch müssen wir die grösseren als Nukleolen
bezeichnen, die anderen einfach als Chromatinkörnchen. In den
Nukleolen lässt sich vorläufig keine Differenzierung unterscheiden;
der Rand ist stärker als das Innere gefärbt, aber das kann ein-
fach auch eine optische Erscheinung sein. Sowohl die Chromatin-
körnchen, wie die Nukleolen sind keineswegs kreisrund, sondern
von sehr variabler Form, die sich der runden nähert.
Die Metallverbindungen des Hämatoxylins färben haupt-
sächlich basophile Substanzen, sie können aber mitunter auch
oxyphile Substanzen tingieren. Es wäre also auf Grund des
Hämatoxylinpräparates unrichtig, auf die Natur der gefärbten
Körnchen zu schliessen. Carnoy und Lebrun führten ausge-
dehnte Untersuchungen über die Natur der Kernsubstanzen im
Batrachierei aus und erklären die darin beobachteten Nukleolen
gegenüber den Untersuchungen von Zaccharias u.a. für nuklein-
haltige. Diesen Standpunkt teilt mit einigen Einschränkungen
auch Lubosch. Die Autoren geben zwar an, dass sie sowohl
Hämatoxylin-, als Methylgrünfärbungen anwendeten, aber aus den
Schilderungen und Zeichnungen Carnoys und Lebruns ist deutlich
zu ersehen, dass sie ihre Schlüsse aus Hämatoxylinpräparaten
zogen. Die Untersuchungen an den Nervenzellen zeigen mit
Evidenz, dass die Methylgrünpräparate von den Hämatoxylin-
präparaten insofern abweichen, als nicht alles Chromatin vom
Methylgrün angegriffen wird. Es wurde eine geringere Körner-
zahl durch Biondis Gemisch grün gefärbt, somit sind nicht alle
Chromatinkörner basophil. Wir wissen andererseits nach den
Untersuchungen von Pappenheim, dass Methylgrün die ganz
spezifische Eigentümlichkeit besitzt, aus allen sonstigen chromo-
philen Substraten bloss Nuklein zu tingieren. Damit ist aber
nicht gesagt, dass alles, was von Methylgrün nicht tingiert wird,
nicht basophil sein kann. Nuklein wird von stark alkalischem
Methylgrün dissociert, bei Anwendung aber von anderen Basen-
srundlagen lassen sich, wie die Untersuchungen von Mosse
zeigten, noch andere basophile Substanzen tingieren, die somit
195 M. Mühimann:
als schwächer basophil erscheinen. Die von mir zu diesem Zwecke
angewendete neutrale Methylenazureosinlösung in der Form von
Giemsas (Gemisch hat die Verhältnisse nur insofern aufgeklärt,
als sie die Natur des Protoplasmas und des Kernes der embryonalen
Nervenzelle als oxyphiler Substanz deutlich zum Vorschein brachte.
Die durch das Hämatoxylin tingierten Kernkörperchen sind nicht
alle durch Giemsa gefärbt worden; die gefärbten zeigen eine
violette Farbe, also ein (semisch von oxy- und basophilen
Substanzen.
Nun fragt es sich, wie können wir die erhaltenen Färbungs-
verhältnisse auf die Frage nach dem Nukleingehalt der Chromatin-
körper des Kernes anwenden? Den. einzigen Anhaltspunkt gibt
die Baso- und Oxyphilie der Farbstoffe, resp. der Kernsubstanzen,
und da steht die Sache jetzt so, dass zu den Nukleinsubstanzen
dasjenige gerechnet wird, was stärker basophil ist. Dazu gehören
die das Methylgrün aufnehmenden Substanzen. Dann wird in
der jungen Nervenzelle nur ein sehr geringer Teil nukleinhaltig
sein und zwar ein oder zwei Kernkörperchen. Das einzige Mittel,
diese Frage auf mikrochemischem Wege zu lösen, ist die Benutzung
des Verdauungsversuches und die Probe der Löslichkeitsverhältnisse
der Zellbestandteile in Säuren etc.
Die Anstellung der Verdauungsproben mit den Elementen
des Zentralnervensystems sind insofern nicht ganz einfach, weil
der Verdauungssaft nicht leicht ins Innere der Nervenzelle ein-
zudringen scheint: wenigstens muss ich so aus der Tatsache
schliessen, dass zahlreiche von mir behufs Entscheidung mancher
biochemischen Fragen bezüglich des Baues der Nervenzelle ange-
stellte Verdauungsversuche sehr ungleichmässig ausfielen. Wenn
ich aus allen Versuchen den Durchschnittsschluss ziehen darf, so
hat sich immerhin ein grosser Unterschied zwischen dem Ver-
halten der jungen und alten Teile gegenüber dem Verdauungs-
saft erwiesen. Während der künstliche Magensaft in der
erwachsenen Zelle innerhalb 24 Stunden den Kern samt dem
Kernkörperchen auflöst (s. u.), bleiben beim 8 cm grossen
Embryo alle Teile der Kerne der Nervenzellen ziemlich gut
erhalten. Wir haben also kein Recht; den embryonalen Nukleolen
in diesem Stadium die nukleinige Natur abzusprechen und können
die Methylgrünfärbung nicht für ein ausreichendes Mittel zur
Unterscheidung der nukleinhaltigen und nukleinlosen Teile ansehen,
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen 199
da ja nicht alle Kernteile gleichmässig vom Methylgrün tingiert
wurden. Wohl aber kann das Verhalten der Substanzen zu
diesem Farbstoff als ein Differenzierungsmittel dienen für die
Abschätzung der Beziehung der Substanzen zum Nuklein.
Da die Basophilie nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse
vom Reichtum an Nukleinsäure abhängt, so ist die Stärke der
Basophilie ein Zeichen der Höhe des Gehaltes an Nukleinsäure
oder der Bindung derselben mit Basen. Die Tinktion mit
Methylgrün bedeutet wohl entweder einen reicheren Gehalt an
Nukleinsäure oder eine schwächere Bindung derselben. Dass
Nuklein auch den methylgrünnegativen Teilen nicht fehlt, zeigen
die Verdauungsversuche. Das Löslichkeitsvermögen in 0,2 — 3"/o
Salzsäure wenigstens innerhalb von ein bis zwei Stunden entspricht
dem Verdaulichkeitsvermögen dieser Substanzen. Das Verhalten
der Körner bei der Giemsafärbung bestätigt gewissermassen
die mikrochemische Reaktion. Die violette Färbung der Nukleolen
müssen wir im Sinne Mosses deuten, dass die methylgrünlosen
Körner schwächer alkalisch sind. Dem Gesagten zufolge können
wir den Schluss ziehen, dass die methylgrünnegativen aber
methylenblaupositiven Körner entweder weniger Nuklein enthalten
oder die Nukleinsäure darin stärker gebunden ist, weshalb sie
das Methylgrün nicht aufnehmen.
Wir haben somit zweierlei oder vielmehr dreierlei Chromatin-
körner im Kerne der Nervenzellen zu unterscheiden. Erstens
die meist grösseren, in der Zahl von eins, zwei, seltener drei,
welche vom Methylgrün tingiert werden und also nukleinreicher
sind, oder die Nukleinsäure am schwächsten gebunden enthalten.
Wir können sie nicht mit den gebräuchlichen Terminis klassı-
fizieren: sie gehören zwar zu den Nucleoies nucl&iniens Carnoys
und Lebruns, aber auch die von ihnen sich unterscheidenden
übrigen Körner sind gleichfalls nukleinhaltig. Wir wollen sie
als Primärnukleolen bezeichnen. Die übrigen grösseren
Körner, welche von Methylgrün nicht gefärbt werden, wohl aber
Hämatoxylin und Methylenblau aufnehmen, wollen wir als
Sekundärnukleolen nennen. Den auf der Hand liegenden
Namen „Paranukleolen“ möchte ich für dieses Entwicklungs-
stadium deshalb nicht gebrauchen, weil damit nukleinlose Bestand-
teile des Kernes bezeichnet werden. Schliesslich die kleineren
Teile, welche nur vom Hämatoxylin gefärbt werden und im
200 M. Mühlmann:
ganzen Kernraum punktförmig zerstreut sind, wollen wir als
Kernkörnchen bezeichnen. Sie sind möglicherweise nur chromatische
Ablagerungen in den Knoten des Plastinnetzes. Ob sie auch
Methylgrün aufnehmen, ist wegen der Kleinheit dieser Elemente
nicht mit Sicherheit zu sagen. Es ist also immerhin evident,
dass Carnoys und Lebruns Behauptungen bezüglich der nuklein-
haltigen Natur der Nukleolen nicht allein für Eier, sondern auch
für Nervenzellen zu Recht bestehen, dass in einem gewissen
Stadium der Entwicklung die Nukleolen .derselben wirklich zu
den „Nucleoles nucleinieres“ gehören.
II. -Stadıum.
Hierzu gehören sechs Embryonen von 7'/s bis 14 cm Länge.!)
Das Verhalten der verschiedenen Teile der Nervenzellen zu den
Farbstoffen ist bei ihnen ziemlich gleichartig. Doch gleicht es
nicht dem Verhalten derselben bei den kleineren Embryonen der
ersten Reihe.
Protoplasma.
Das Protoplasma der Nervenzellen ist im Hämatoxylin-
präparat etwas stärker und fleckig, allerdings undeutlich und
unförmig gefärbt, im Eisenhämatoxylin ist eine randständige
Körnelung zu verzeichnen. Somit sehen wir hier die erste
Andeutung der Nisslschollen.
Die biologische Bedeutung der Nisslschen Körperchen ist
bis jetzt noch in Dunkel gehüllt. Es wird ihnen eine nervöse
Funktion ziemlich allgemein abgesprochen und eine trophische
zugeschrieben. Es ist aber selbst ihre Präexistenz nicht durch-
aus festgestellt. Als ich vor einigen Jahren in einem Vortrag
in der Deutschen Pathol. Gesellschaft die Ansicht von Chenzinsky
vertrat, wonach die Tigroidsubstanz keine präexistenten Gebilde
darstellen sondern nur Knotenpunkte an der Stelle der Neuro-
fibrillenkreuzungen, in welchen Farbstoffe sich leichter ablagern,
wurde mir von Schwalbe und Schridde erwidert, ich wäre
im Irrtum. Ich habe mich seit jener Zeit mit dieser Frage ein-
gehend befasst und kann doch den Standpunkt nicht aufgeben,
dass die Nisslkörper keine präexistenten Gebilde der Nerven-
zelle darstellen. Es stehen hier bekanntlich zwei Ansichten
schroff gegenüber. Ein Teil der Autoren glaubt die Tigroid-
1) 2& 7! cm, 1&8cm, 2&1lcem und 1& 14 cm.
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 201
substanz in der lebenden Zelle gesehen zu haben (v. Lenhossck,
Obersteiner); dagegen glauben Ziehen und Held, dass sie
sich beim Absterben der Zelle bilde. Bethe u.a. halten es
für möglich, dass sie dank ihrem Brechungsvermögen in der
frischen Zelle unsichtbar ist und die beim Absterben der
Zelle zustandekommenden Änderungen des Brechungsvermögens
verschiedener Zellteile sie zum Vorschein bringt. Nissl spricht
sich nicht ganz bestimmt aus, aber er schreibt mit anderen
dieser Frage keinen grossen Wert zu, da er nur dem Äquivalent-
bilde, welches nach ganz bestimmter Bearbeitung der Nerven-
zelle entsteht, eine anatomische und pathologische Bedeutung
zukommen lässt. Ich bin sehr geneigt, mich Ziehens Ansicht
aus folgenden Gründen anzuschliessen :
Die morphologische Natur der Tigroidsubstanz entspricht
nicht geformten lebenden Zellteilen. Für solche ist die Inkonstanz
der Form, die Variabilität charakteristisch. Ein lebender Zell-
teil bewahrt nicht, wie die Tigroidschollen, ständig dieselbe Form
bei verschiedenen Individuen, in verschiedenem Alter, unter ver-
schiedenen physiologischen Umständen. Die Tigroidsubstanz
ändert ihre Form nur unter pathologischen Umständen, bei der
Desintegration der Zelle. Unter physiologischen Umständen ver-
hält sie sich ziemlich gleich, abgesehen von Reiz- und Ermüdungs-
zuständen, welche den Aggregatzustand der ganzen Zelle ändern
und passiv die Tigroidsubstanz mit begreifen. Aber auch bei
dieser Änderung ihrer Form verliert die Tigroidsubstanz nicht
oder kaum eine andere Eigenschaft, welche an lebenden Teilen
gleichfalls unbekannt ist, nämlich das gesetzmässige Verhalten
der einzelnen Schollen zueinander. Die Schollen sind beinahe
mathematisch genau gegeneinander abgegrenzt (besonders gut an
Rinderrückenmarkszellen zu sehen) und hängen in ihrer Anordnung
nur von der Zellkonstruktion und den Fortsatzrichtungen ab.
Alle Schollen sehen ziemlich gleich aus, und wenn Abweichungen
in dieser Hinsicht zu konstatieren sind, so hängen sie von der
Lage derselben am Zentrum oder an der Peripherie der Zelle,
also von äusserer Beschränkung und nicht von der inneren
Struktur der Schollen ab; diese Abweichungen ändern nicht die
allgemeine Konfiguration ihrer Form und die Gruppierung der
Körnchen, aus welchen die Schollen bestehen; man sieht also,
dass die Schollen hie und da zusammengedrückt, resp. ausgezogen
202 M. Mühlmann:
sind, dass die Formänderung also passiv ist. Eine derartige
kristallartige Anordnungsweise passt nicht für lebende Zellteile,
wenn man unter solchen selbständige entwicklungsfähige Teile,
wie wir sie am Kern, an den Fortsätzen kennen, zu verstehen hat.
Wenn man die Nervenzelle der Trypsinverdauung aussetzt,
so löst sich alles darin auf, mit Ausnahme der Neurofibrillen.
Nach der Silberimprägnation bekommt man dann das schönste
Bild der Neurofibrillen: die leeren Lücken zwischen den Neuro-
fibrillen geben das Bild der Nisslschollen (Fig. 3). Am besten
empfehle ich dazu folgendes Verfahren: dünne Ochsenrückenmarks-
scheiben auf einen Tag in 5°/o Formalin, auf drei Tage in
Trypsinlösung mit Chloroformzusatz, darauf in 12"/o Formalin,
Gefrierschnitte und weitere Bearbeitung nach Bielschowsky.
Mencl will bei der Neurofibrillenimprägnation gleichsam ein
negatives Bild der „tigroiden Achsen“ Studnickas bekommen
haben, glaubt aber den Verlauf der Neurofibrillen von der Lage
der NissIschollen abhängig zu machen. Er gibt ja selbst die
Möglichkeit zu, dass die Neurofibrillen primär, die Nisslschollen
sekundär auftreten: es ist dann nicht einzusehen, weshalb sich
die ersteren in ihrer Lagerung den anderen unterordnen müssen,
um so mehr als die Resistenz der Neurofibrillen grösser ist als
diejenige der Nisslsubstanz.
Die vorgeführten Tatsachen lassen uns die Nisslschollen
als eine gleichmässig in der Zelle aufgelöste Masse vorstellen,
welche die freien Räume zwischen den Neurofibrillenbündeln ein-
nimmt, beim Absterben eine Art Gerinnung erfährt und so einen
Abguss des Neurofibrillengitters liefert. Diese Vorstellung wird
wohl im Einklange mit den Tatsachen stehen, die auch Bethe
bei seinen Untersuchungen dieser Frage gewann und die auch
aus den Schilderungen Ramon y Cajals zu erschliessen sind.
Bezüglich der chemischen Natur der Nisslschollen wissen wir
recht wenig. Nach Macallum und Scott enthalten dieselben
Eisen und Phosphor und reihen sich demnach den Nuklein-
substanzen an. Scott und Holmgren glauben, Basichromatin
trete aus dem Kern der Nervenzellen in das Cytoplasma derselben
hinein. Sollen die Bilder, auf welche die Autoren sich beziehen,
eine solche Deutung der Tatsachen zulassen, so kann dies nur
für ein gewisses Entwicklungsstadium richtig sein. Denn in der
erwachsenen Zelle ist ein grosser Haufen von Chromatin da,
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 203
welchen man sich schon deshalb nicht als aus dem Kern her-
gekommen vorstellen kann, da im Kern der erwachsenen Nerven-
zelle beinahe kein Chromatin vorhanden ist. Man müsste dann
einen fortwährenden Zufluss von Chromatin aus dem Kern zulassen,
welches nicht verbraucht wird. Dann müsste Chromatin zu einem
Rückstandsmaterial werden. Für eine solche Annahme gibt es
weder hier, noch in der Biologie überhaupt Anhaltspunkte. Das
Chromatin der Nisslschollen entspricht jedenfalls nicht dem
Nuklein, wie manche geneigt sind anzunehmen. Die Verdauungs-
versuche fallen hier ebenso schwerdeutig aus, wie vom Kern,
was die Verschiedenartigkeit der Angaben der Autoren erklärt.
Ich habe hier zwar ungleiche Ergebnisse erhalten; da man aber
nach dem Verdauungsversuche Schnitte bekommen kann, an
welchen keine Nisslfärbung zu erhalten ist, darf geschlossen
werden, dass der Verdauungssaft die Schollen auflösen kann. An
nicht ganz frischen Nervenzellen, sowie an formalinisierten lassen
sie sich nach dem Verdauungsversuch gut färben; da haben wir
wohl dieselbe noch nicht erklärte Erscheinung, welche Ernst
an den Radspeichenfiguren der Nervenfasern bekam, wo die
Trypsinverdauung nach Formalinhärtung sie besser darstellen
lässt, also ohne dieselbe.
Gleiche Schwierigkeiten zeigt das Verhalten der Nissl-
schollen zum Methylgrün. Trotz entgegengesetzter Angaben
(Rosin) fand ich keine Konstanz in diesem Verhalten. Beim
Öchsenembryo, sowie beim Kaninchen konnte ich mittels der
Biondifärbung regelmässiger die Methylgrüntinktion der Nissl-
schollen erhalten, beim erwachsenen Rind und beim Menschen selten.
Steht also die Natur der Nisslschollen noch im Unklaren,
so ist meiner Ansicht nach von Bedeutung die Tatsache der
Beziehung derselben zu Neurofibrillen, welche Beziehung schon
von anderen Autoren (Ramon y Cajal u. a.) angedeutet wurde.
Die Mannigfaltigkeit der Schollenbilder an verschiedenartigen
Nervenzentra wird dann durch die Mannigfaltigkeit der Neuro-
fibrillenstrukturen an diesen Zentren bedingt sein, umgekehrt
gleichartige Nisslbilder sehen wir an Nervenzellen derselben
Region, wo die Neurofibrillen adäquate Richtungen einschlagen.
Das erste Erscheinen der Tigroidsubstanz in unserem zweiten
Embryonalstadium des Rindes hängt damit zusammen, dass in
diesem Stadium das erste Neurofibrillenbild zustande kommt.
204 M. Mühlmann:
Kern.
Der Kern der Nervenzelle (Fig. 4), welcher etwa die Hälfte
der Zelle einnimmt, besteht im Hämatoxylineosinpräparat, ebenso
wie in der ersten Embryonenreihe, aus einer rötlichen Grundlage,
in welcher violette Körnchen netzförmig reichlich zerstreut sind,
die Rötung ist aber intensiver als diejenige des Protoplasma und
unter den Körnchen treten die grösseren nicht in ebenso reich-
licher Zahl auf, wie bei den kleineren Embryonen, und zwar
treffen wir häufiger ein bis vier Körperchen, seltener fünf und
sechs, am häufigsten ist die Zahl drei vertreten. Dann lässt sich
ein Unterschied in bezug auf die Grösse der Körperchen in dem
Sinne wahrnehmen, dass eins gewöhnlich die übrigen überwiegt.
In den grösseren Kernkörperchen lässt das Hämatoxylineosin-
präparat eine deutliche Struktur konstatieren, indem sie aus
einer homogenen rötlichen Grundlage bestehen, welche von einer
violetten Kugel dicht umgeben ist; dieser violette Rand enthält
eine stärkere Substanzverdickung, welche die Hämatoxylinfärbung
aufnimmt. Im Eisenhämatoxylinpräparat kann man nicht selten
eine kettenförmige Verbindung zwischen den einzelnen Kern-
körperchen konstatieren, wobei die Ketten aus kurzen Stäbchen
bestehen (Fig. 5).
Das Giemsapräparat lässt eine Andeutung von Tigroid-
substanz im Zelleib, eine indifferente Färbung der Kernsubstanz
und eine gleichmässig blaue Durchtränkung aller Kernkörperchen
mit Ausnahme der Kernkörnchen hervortreten.
Die Differenz in der Farbstoffverwandtschaft zwischen den
verschiedenen Körperchen tritt am deutlichsten im Biondi-
präparat auf, wo nur die grösseren Körperchen (eins, zwei, selten
drei) von Methylgrün gefärbt werden. Das Protoplasma ist hier
rot gefärbt und die Kernmasse besteht aus einem indifferenten
Netz, welches durch die intensive Färbung der grossen Körperchen
einen grünen Schimmer bekommt. Die kleinen Körperchen
(Sekundärnukleolen), sowie die Körnchen bleiben ungefärbt, oder
sind in rötlichem Ton homogen verwischt.
Im gefärbten Nukleolus des Biondipräparates, besonders
wo er einzeln im Kern vertreten ist, lässt sich an entsprechenden
Schnitten eine weitere Differenzierung konstatieren: der Nukleolus
erscheint nicht durchweg grün gefärbt, sondern an vielen Schnitten
nur in der Peripherie. Er besteht dann aus einem grünen Ring,
.
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 205
welcher eine indifferent gefärbte Masse umgibt (Fig. 6). Am
grünen Rande ist oft eine ebenso gefärbte punktförmige Ver-
dickung zu sehen. Manchmal ist nicht der ganze Rand grün
gefärbt, sondern nur ein Teil desselben. Da an vielen Nukleolen-
schnitten nicht der grüne Rand, sondern nur seine punktförmige
Verdickung nachweisbar ist, und an anderen Zelldurchschnitten
statt dessen eine diffus grüne Färbung der Nukleoli vorliegt, so
muss man sich vorstellen, dass die methylgrünpositive Masse nicht
kegelförmig den Nukleolus umgibt, sondern ihn schalenartig,
dachförmig bedeckt.
Die nukleinigen Schollen am Rande der Nervenzellnukleoli
wurden zuerst von Levi bei niederen Wirbeltieren gesehen.
Ziehen und Marinesco bestätigen den Befund. Ramon y
Cajal, sowie Lenhossek haben diese chromatische Decke an
den Nukleolen der menschlichen Nervenzellen nicht bestätigen
können. Das könnte daher kommen, dass die letzteren Forscher
Nervenzellen erwachsener Leute und von Kindern höheren Alters
untersuchten, denn in einem gewissen Stadium der embryonalen
Entwicklung, ebenso wie im ersten Jahresalter konnte ich die
nukleinhaltige Hülle der Nukleolen beim Menschen ebensogut
nachweisen, wie beim Rinderembryo. Ich glaube durch das
Vorhergehende genügend klar gelegt zu haben, dass ich unter
. der nukleinhaltigen Hülle den Methylgrün aufnehmenden Ring
verstehe, und in dieser Hinsicht stimme ich in dieser Deutung
der Methylgrünfärbung v. Lenhossek und Levi vollkommen
bei. Beim Menschen ist dieser Ring sehr fein (Fig. 16), noch
feiner wurde er von mir beim Schaf konstatiert, ziemlich dick
ist er beim Meerschweinchen (Fig. 7), weniger dick beim Kaninchen.
Ramon y Cajal verneint die Existenz der peripherischen
Konzentration des Chromatins an den Nukleolen und meint,
Levis und v. Lenhosseks Beobachtungen verdankten ihre
Befunde der Fixierung in Sublimat, wogegen seine Fixierung in
Alkohol ein richtigeres Bild der netzförmigen Ausbreitung des
Chromatins lieferte. Meiner Ansicht nach kommt die Differenz
in den Beobachtungen in erster Linie von der Verschiedenheit
der untersuchten Objekte her. Wie aus dieser Abhandlung
ersichtlich sein wird, wandert die Nukleinverteilung im Laufe der
Entwicklung von einem Kernteil in den anderen, seine Lokalisation
hängt vom Alterszustand der Nervenzelle ab. Die Fixierung
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. Abt. 1. 15
206 M. Mühlmann:
spielt hierbei keine so grosse Rolle, wie Cajal meint. Eigentlich
ist es etwas gewagt sowohl Alkohol als Sublimat als Fixierungs-
mittel für das Nervensystem zu betrachten, beide verzerren das
Lebensbild der Nervenzelle beträchtlich. Durch Alkohol schrumpfen
dieselben vielleicht noch stärker als nach Sublimat in konzen-
trierter Lösung; aber das Durchschnittsbild der Nukleinverteilung
wird durch die Fixierungsart nicht gestört, indem nach beiden
Fixierungsarten dieselbe netzförmige Verteilung des Chromatins,
also auch des Nukleins, beobachtet werden kann. Abgesehen
von diesen Erwägungen ist der nukleinige Ring der
Nervenzellnukleoli bei der Biondifärbung eine
so morphologisch -typische, für ein bestimmtes
Wachstumsstadium charakteristische Erscheinungs-
form, dass man ihn unmöglich zu den Kunstprodukten zählen kann.
Wir kehren zu den Präparaten des Rinderembrvo des
Il. Stadiums zurück.
Wenn man die Hämatoxylinpräparate mit den Biondi-
präparaten vergleicht, so sieht man einen grossen Unterschied
in der Färbung der Nukleolen, indem an den ersteren die Färbung
des Nukleolenrandes, besonders der Verdickungen desselben
(Fig. 4), beinahe stets vorhanden ist, während an den Biondi-
präparaten die Methylgrüntinktion dieser Nukleolenteile weniger
häufig beobachtet wird. Es ist also auch hieraus zu ersehen,
dass nicht der ganze Nukleolenrand stark basichromatisch ist und
die chromatische Hülle der Nukleolen ausserhalb der nukleinigen
Schale nukleinlos ist.
Die Färbung des nukleinigen Ringes, resp. der nukleinigen
Schale ist nicht die einzige Form, in welcher die Methylgrün-
tinktion bei der Biondifärbung der Nervenzellen im II. Stadium
sich verwirklicht, an vielen Zellen lässt sich eine unbestimmte,
netzartige, punktförmige, unterbrochene Tinktion des einen oder
des anderen Kernteiles wahrnehmen. Trotz der Unbestimmtheit
der Färbung lässt sich doch dieselbe an die Nukleolen anknüpfen.
Man kann aber mittels der Methylgrünfärbung nie dieselbe Zahl
von Nukleolen auffinden, welche man mittels der Hämatoxylin-
färbung sieht, und da das Methylgrün gewöhnlich nur die grossen
Nukleolen tingiert, die Tinktion der Nukleolenschalen gar aus-
schliesslich an den letzteren geschieht, so kann man für dieses
Stadium noch bestimmter als für das erstere behaupten, dass
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 207
vom Methylgrün nur die Primärnukleolen gefärbt werden.
Andererseits muss bemerkt werden, dass die Methylgrüntinktion,
in welcher Form sie auch erscheinen mag, beinahe in jeder Zelle
aufgefunden werden kann (sie ist manchmal selbst bei der
stärksten Vergrösserung nur stäubchengross), und da sie nur die
Primärnukleolen stempelt, so muss gefolgert werden, dass die
Reduktion der Nukleolenzahl, welche in diesem Stadium im Ver-
gleich mit dem ersteren beobachtet wird, auf Kosten der
Sekundärnukleolen geschieht. Es findet also zunächst ein Schwund
derjenigen Teile statt, welche nukleinärmer sind.
Zusammenfassung der Ergebnisse der Unter-
suchung des Il. Stadiums. Im Protoplasma beginnt eine
schwach basichromatische Körnelung aufzutreten, die im Zusammen-
hang mit der Neurofibrillenbildung steht. Sie scheint nukleinfrei
zu sein. Die Nukleolen nehmen an Grösse zu, an Zahl ab. Die
Reduktion der Zahl findet auf Kosten der Sekundärnukleolen
statt. Gleichzeitig tritt eine Differenzierung der Primärnukleolen-
teile ein, die nukleinreichen Teile nehmen die Peripherie,
die nukleinarmen oder nukleinlosen den inneren Raum der
Nukleolen ein.
Ill. Stadium.
Es wurden acht Stück von 17 — 20 cm Länge!) untersucht.
Ich reihe diese an Grösse stärker wie früher voneinander sich unter-
scheidenden Embryonen aneinander, weil die Verhältnisse bei
ihnen ziemlich übereinstimmen. Die Nisslschen Körperchen
treten hier bei den grösseren Exemplaren am besten im Giemsa-
präparat hervor. Ausserdem ist jetzt im Protoplasma eine neue
Erscheinung zu sehen: es sind darin hellglänzende minime
Körnchen vereinzelt zerstreut. Sie sind bei ihrer Kleinheit auch
mit den fstärksten Vergrösserungen im ungefärbten Präparat
schwer aufzufinden. Dagegen sind sie leicht nach der Fixierung
in Flemmingscher Lösung oder nach Marchi, wo die Osmium-
säure dieser Körnchen schwärzt, zu sehen. Ihre Form scheint
rund zu sein, die Zahl ist in diesem Stadium gering. Mit dem
weiteren Wachstum der Zellen werden sie grösser, dann ist ihre
Form besser erkennbar, sie sind dann unregelmässig rund, ver-
mehren sich dabei an Zahl. Beim Erwachsenen gewinnen sie
1\ 1&17cm, 2&18cm, 1&20cm, 1&25cm, 1327 cmund 2428 cm.
15%
208 M. Mühlmann:
eine gelbe bis braune Beifärbung und werden als Pigmente
gekennzeichnet. Die an ihnen entdeckten lipoiden Eigenschaften
haben ihnen den Namen lipoide Pigmente verliehen. Wir
wollen diese Bezeichnung auch für das embryonale Stadium bei-
behalten, obwohl hier das pigmentierte Aussehen noch fehlt und
nur die lipoiden Eigenschaften vorhanden sind. Diese lipoiden
Körnchen der Nervenzellen wurden von mir nicht bei allen
Embryonen des II. Stadiums gefunden, sondern nur bei einem
17, einem 18, einem 27 cm grossen. In späteren Stadien werden
sie regelmässiger beobachtet.
Die übrigen Zellteile unterscheiden sich vom vorhergehenden
Zustand dadurch, dass mit der Zunahme der Zellgrösse eine
weitere Abnahme der Kerngrösse und der Nukleolenzahl statt-
greift. Der Kern ist immerhin nicht kleiner als die halbe Zell-
dimension. Die meisten Kerne (Fig. 8) enthalten eine Nukleole und
zahlreiche punktförmige Körnchen. Man begegnet mehrnukleoligen
Kernen, aber die Zahl derselben tritt im Vergleich mit den ein-
nukleoligen zurück. Unter den mehrnukleoligen macht sich in
bezug auf die Nukleolenzahl auch eine stufenförmige Reihe
bemerkbar, indem fünf Nukleolen seltener als vier, diese seltener
als drei auftreten. Dabei kann man aber nicht behaupten, dass
dieses Verhältnis in einem Zusammenhang mit der Grösse der
Embryonen dieser Reihe steht, dass also eine stufenförmige
Abnahme der Nukleolenzahl parallel mit der Grössenzunahme
der Embryonen gehe. Eher kann man eine Abnahme der Nukleolen-
zahl bei allen Embryonen dieses Stadiums im Vergleich mit den
zwei vorhergehenden Stadien konstatieren; sicher ist auch die
Zahl der Nukleolen im dritten Embryonalstadium im allgemeinen
grösser, als beim mehrmonatlichen Fötus, geschweige denn beim
erwachsenen Tier, wo die Nukleolenzahl auf eins regelmässig
reduziert ist und ein zweinukleoliger Kern nur eine Ausnahme dar-
stellt; aber in kleinen Wachstumsgrenzen sind die Schwankungen
zwischen verschiedenen Individuen sehr gross. Das sind wohl
individuelle Schwankungen, die in dieselbe Reihe zu stellen sind,
wie individuelle Schwankungen der Grösse, Ernährung etc. des
erwachsenen Organismus, und die grösstenteils hereditärer Natur
sind. Gewöhnlich werden mehrnukleolige Kerne in den Spinal-
ganglienzellen angetroffen, viel häufiger als in den Rückenmarks-
zellen. Die Nukleolen sind miteinander durch chromatische
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 209
Fäden verbunden, welche aus minimen Körnchen und Stäbchen
bestehen. Häufig ziehen diese kettenförmigen Fäden strahlig von
dem zentralgelegenen Primärnukleolus zum Kernrand hin. Diese
Ketten bilden auch das einzige den Kern ausser den Nukleolen
zusammensetzende Material. Die Zwischenräume sind farblos,
sie scheinen auch substanzlos zu sein. Daher das rarefizierte
Aussehen der Kerne.
In den Fällen, wo mehrere Nukleolen vorhanden sind, ist
gewöhnlich einer grösser, als die übrigen. Die kleineren Nukleolen
zeigen keineswegs eine Rundform, wie es die grossen tun; sie
nehmen oft unregelmässig eckige und stäbchenförmige (Gestalten
an (Fig. 9), und liegen im letzteren Falle wie Radspeichen
gegenüber dem axial gelegenen grossen Nukleolus da, insbesondere
bei Eisenhämatoxylinpräparaten. Nicht selten sind auch die
kleinen Nukleolen zu Verdickungen der chromatischen Fäden
reduziert und liegen unregelmässig im Kernraume, aber häufiger
liegen sie dann direkt dem Rande des grossen Nukleolus an, an
eins, zwei und drei Stellen knotenartige Verdickungen des
Randes bildend.. Das ist gut an Alaunhämatoxylinpräparaten
sichtbar.
Die Giemsafärbung ergibt nichts Charakteristisches. Blaue
Tigroidsubstanz im Protoplasma, rötlicher Kern, blaue Nukleolen
mit einem Stich ins Rötliche zentralwärts; die kleinen Nukleolen
werden nicht blau mitgefärbt, ebensowenig die Ketten. In den
Nukleolen scheint der peripherische Teil intensiver blau gefärbt
zu sein, als der zentrale.
Die Färbung mit Biondis Gemisch zeigt im Vergleich
mit dem vorhergehenden Stadium keine grossen Differenzen. Im
Protoplasma nur oxyphile Färbbarkeit, im Kernleib rarefizierte
oxyphile Granulierung. Es lässt sich nur ein Kernkörperchen
mit Methylgrün deutlich tingieren: Ein grosser Nukleolus, die
übrigen Körperchen sind in der oxyphilen Granulierung verwischt.
In dieser Hinsicht könnte man von einem Unterschied zwischen
diesem und dem vorhergehenden Stadium reden, da dort ausser
dem Primärnukleolus hie und da noch der eine oder der andere
Sekundärnukleolus von Methylgrün tingiert wird, hier aber nur
der Primärnukleolus. Darin finden wir wiederum dieselbe Ver-
teilung der Nukleinsubstanz an der Peripherie des Körperchens.
Je nach dem Durchschnitt treffen wir die grüne Tinktion entweder
210 M. Mühlmann:
in Form eines dünnen Ringes (wie in Fig. 17) oder von einem
Kügelchen am Nukleolenrande. Manchmal ist der grosse Nukleolus
im Durchschnitt diffus grün gefärbt, wobei in seinem Zentrum
ein helles Körperchen auftritt, von welchem bald die Rede sein
wird. Es muss aber hinzugefügt werden, dass der Befund der
nukleinigen Nukleolenhülle, wie überhaupt der Methylgrünfärbung
hier noch unregelmässiger beobachtet wird, als im zweiten
Stadium: an vielen Zellen hinterlässt das Methylgrün keine
deutlichen Spuren.
Um zu entscheiden, ob in den Fällen, wo das Methylgrün
den Nukleolus nicht färbt, derselbe nukleinlos ist, stellte ich
Verdauungsproben an. Nach einer vierstündigen Einwirkung des
künstlichen Magensaftes auf das Mark eines 22 und eines 24 cm
grossen Embryos blieben die Kerne der Spinalganglienzellen mit
ihrer Netzstruktur gut erhalten und in denselben konnte ein
Kernkörperchen gut unterschieden werden. Zum Unterschied von
den jüngeren Embryonen waren jetzt einzelne Nervenzellen stärker
verändert, besonders nach einer 24stündigen Einwirkung des
Magensaftes konnten in mehreren Nervenzellen der Spinalganglien
keine Kerne mit ihrem Gesamtinhalt mehr gefunden werden:
der Zelleib war gleichmässig destruiert. Die meisten Zellen
waren jedoch noch gut erhalten, aber in den Kernen war gewöhnlich
nur ein Nukleolus sichtbar. Die kleineren Nukleolen sind sowohl
aus den Zellen des Rückenmarkes, als aus denjenigen der Spinal-
ganglien verschwunden. Wir bekommen also hier einen unzwei-
deutigen Beweis dafür, dass zwischen den Primär- und Sekundär-
nukleolen ein grosser chemischer Unterschied existiert. Die
ersteren sind Nukleinträger par excellence. Sie werden mit der
Entwicklung auf die Einzahl reduziert. Die Sekundärnukleolen
sind also in der Konstitution, wie sie anfangs auftreten, ver-
gängliche Gebilde. Sie verkleinern sich, verlieren die Nuklein-
reste, verwandeln sich vielleicht in nukleinlose Körner und
Körnchen, oder in die methylgrünnegativen Randverdickungen der
Primärnukleoli. Da wo im Kern nur ein Nukleolus vorliegt, ist
es der Primärnukleolus, die Sekundärnukleolen sind also destruiert.
Da wo neben dem grossen Nukleolus mehrere kleinere vorkommen,
handelt es sich nicht mehr um Sekundärnukleolen, wie wir sie
:nfangs kennen lernten, da sie kein Nuklein mehr enthalten,
sondern um Neben- oder Paranukleolen, da sie jetzt aus nuklein-
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 2
freien Eiweisskörpern bestehen. Wenn wir jetzt von einem
Nukleolus sprechen, ist damit der einzige grosse Primärnukleolus
gemeint.
In demselben tritt jetzt eine Erscheinung auf, welche wir
im vorhergehenden Stadium nicht sahen und welche ihn von den
Nebennukleolen sehr unterscheidet: es treten darin wie erwähnt
glänzende kristallartige Körperchen in einer grossen Anzahl auf.
Besonders schön sind sieim Biondipräparat sichtbar (vgl. Fig. 16
des IV. Stadiums). Sie sind farblos, hellglänzend; die Form ist
unregelmässig eckig. Bei der Färbung mit Osmiumsäure (nach
Flemming, Marchi) sind sie schwarz konturiert (vgl. Fig. 15).
Es handelt sich also um das Auftreten von „Lipoidosomen“.
Ich wähle diese Bezeichnung für die Fettreaktionen gebenden
Körperchen im Nukleolus der Nervenzellen, um sie von den ihnen
nahe stehenden lipoiden Pigmenten zu unterscheiden. Beide
machen einen verschiedenen Gang in den Wachstumsperioden des
Organismus durch. Die lipoiden Pigmente entstehen in Form
von Lipoidkörnern im Protoplasma der Nervenzellen, wie wir
sahen, sehr frühzeitig, sammeln sich allmählich im Zellkörper an
und erreichen ihre grösste Entwicklung im hohen Alter. Die
Lipoidosomen entstehen gleichfalls sehr frühzeitig, scheinen früher
im Nukleolus aufzutreten als die Lipoidkörper des Protoplasmas.
Es ist sehr schwer, bei der minimen Grösse der Lipoidosomen
genau das erste Auftreten im Kernkörperchen zu bestimmen.
Wenn wir aber die Tatsache in Betracht ziehen, dass sie in
diesem III. Stadium viel regelmässiger in der Nervenzelle auf-
gefunden werden, als die lipoiden Körner im Protoplasma, so ist
wohl die Annahme zulässig, dass die Lipoidosomen früher auf-
treten, als die Protoplasmakörner. Ihre Entwicklung an Zahl
und Grösse wollen wir vorläufig bei Seite lassen. Sie unter-
scheiden sich in ihrer Entwicklung von den Lipoidkörperchen
des Protoplasmas dadurch, dass sie ihre lipoiden Eigenschaften
und eckigen Formen nicht bis ins hohe Alter bewahren, sondern
früh verlieren: namentlich beim Menschen konnte ich sie mit
diesen Eigenschaften versehen bis nur etwa zum 30. Lebensjahre
verfolgen, beim Rind habe ich sie noch bei einer etwa zwei
Jahre alten Kuh gesehen. Im höheren Alter bekommen die
Lipoidosomen eine Rundform und erscheinen als vakuolenähnliche
Gebilde, weshalb sie als Vakuolen schon längst bekannt sind.
212 M. Mühlmann:
Die (Geschichte dieser Vakuolen ist eng mit der Frage der
„Nukleoluli“ oder „Nukleolini“ verbunden. Die letzteren wurden
hauptsächlich an Eiern beobachtet und bald als feste, geformte,
bald als form- und leblose Gebilde geschildert. Einerseits sind
im Keimfleck feste Körper beschrieben worden (Schrön,
Lavdowski, Rohde, Lubosch, Heidenhain), die alle von
M. Heidenhain als leblose Ablagerungsprodukte angesehen
werden. Andererseits sind in demselben Vakuolen beschrieben,
dienach Häcker, Balbiani, Carnoy und Lebrun organisierte
Teile der Nukleolen darstellen sollen, indem sie nach den beiden
erstgenannten Autoren periodisch sich bilden, nach den letzteren
aus der Grundsubstanz der Nukleolen bestehen; Flemming,
Montgomery, Lubosch, Heidenhain stimmen dem nicht
bei. Heidenhain summiert die Beobachtungen der meisten
Autoren über die Vakuolen in der Weise, dass er sie als
Zersetzungserscheinungen der nukleolären Masse betrachtet, was
ja mit seiner Anschauung von den Nukleolen als strukturlosen
unorganisierten Körpern zusammenfällt.
Aus den Beobachtungen an tierischen Eiern tritt mit Evidenz
hervor, dass die Autoren die Nukleini als feste leblose Körper
von den Vakuolen scharf trennen. Beide sollen miteinander
nichts zu tun haben. Nur Flemming hält die Schrönschen
Körper gleichfalls für Vakuolen.
Nicht so steht es mit den wenigen Beobachtungen analoger
Gebilde an den Nervenzellen. Vakuolenähnliche Gebilde der
Kernkörperchen derselben sind schon längst bekannt. Sie haben
allerdings bis jetzt noch keinen Eingang in die Lehrbücher der
Histologie gefunden. Wenigstens finde ich darüber keine Erwähnung
bei Stöhr, Böhm und Davidoff, Kultschitzki. Auch ist
darüber in den speziellen Monographien betreffend die Histologie
des Nervensystems bei Kölliker, Goldscheider und Flatau,
Carriere nichts zu finden. Aber v. Lenhossek, ÖOber-
steiner, Ramon y Cajal tun derselben bereits Erwähnung.
Ramon y Cajal hält sie für Vakuolen, die anderen beiden für
fixe morphologische Gebilde. v. Lenhossck färbte sie mit
Hämatoxylin, Obersteiner mit Karmin. Eingehend wurden
sie von Ruzicka untersucht. Er konnte sie in den Nerven-
zellen vermittels der Färbung mit erwärmten Anilinfarbstoften
regelmässig darstellen.
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 213
Ich will hier nicht näher auf die Difterenzen eingehen,
welche zwischen den Autoren bezüglich der Schilderung der
Eigenschaften und der Bedeutung dieser Gebilde obwalten. Ich
halte das für eine müssige Sache, weil alle Autoren meiner
Ansicht nach Gebilde von derselben oder analogen biologischen
Bedeutung sahen, und die Differenzen in der Deutung derselben
bald als Vakuolen, bald als fester Körper daher kommen, dass
die Gebilde von den Forschern an verschiedenen Objekten beobachtet
wurden, an Eiern und Nervenzellen, deren einzelne Zellbestand-
teile zwar ähnlich, aber doch nicht identisch zu sein brauchen.
Ganz besonders aber glaube ich die Differenzen davon ableiten
zu sollen, dass auch an den Zellen desselben Gewebssystems die
Beobachtungen bei verschiedenen Entwicklungsperioden der
betreffenden Tiere geschahen. Im Laufe meiner Untersuchung
hat sich herausgestellt, dass die vakuolenähnlichen Gebilde mit
der Entwicklung der Zelle in engem Zusammenhange stehen.
Vom Entwicklungsstadium der Zelle hängt ihre
Existenz, Grösse Form Zahl und chemische
Reaktion ab.
Die Fragen der Existenz, Form und Reaktion der Lipoido-
somen wurden schon berührt. Bezüglich der Form ist wegen
ihrer geringen Grösse schwer etwas Näheres zu sagen. Sie ist
unregelmässig eckig, bald rundlich, der Glanz gibt ihnen ein
kristalloides Aussehen. Im vakuolären Stadium sind sie rund.
Mehrere Lipoidosomen in einer Nukleole sind niemals von der-
selben Gestalt und Grösse. (Gewöhnlich ist eine grössere von
kleineren umgeben. Das gleiche ist mit den Vakuolen der
Falle Mit dem Grössenwachstum der Nukleolen wächst die Grösse
der Lipoidosomen; in einer älteren Nukleole können jedoch
einzelne Lipoidosomen angetroffen werden, die kleiner sind, als
diejenigen einer jüngeren Nukleole.
Was die chemische Reaktion anbetrifft, so wurde das Ver-
halten zur Osmiumsäure schon besprochen. Dass es eine Fett-
reaktion ist, bezeugt das Fehlen der ÖOsmiumschwärzung nach
Einwirkung von Alkoholäther. Die Osmiumschwärzung selbst ist
an und für sich ziemlich charakteristisch; sie fällt intensiv lack-
schwarz aus, und nicht nur an Flemming-Präparaten, sondern
auch an den Marchischen, was nach Wlassak für eine Neutral-
fettreaktion spricht. Die Entscheidung hierüber ist von Wichtigkeit,
214 M. Mühlmann:
weil man in Anbetracht des kristallinischen Aussehens geneigt
sein könnte, die Lipoidosomen der Nervenzellen für Myelin-
produkte zu halten. Protagon und Leeithin geben nach Wlassak
bei der Marchischen Behandlung nicht die erwähnte tiefschwarze
Färbung. Das spricht aber nicht ganz gegen die myelinige
Natur derselben. Neutralfettreaktion gibt nur der dicke Rand
der Lipoidosomen; es ist also möglich, dass wir es da mit einer
myelinigen Figur zu tun haben, welche eine fettige Umwandlung
an der Peripherie erfährt. Wenn wir in Erwägung ziehen, dass
Myelin in seiner chemischen Konstitution uns noch nicht genau
bekannt ist und nach den neueren Untersuchungen (vgl. Aschoff)
eine fettige Metamorphose erfahren kann, so wird unsere
Betrachtungsweise nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen
sein. Allerdings konnte ich mittels der Weigertschen Mark-
scheidenfärbung keine blauen Figuren im Zentrum der Nukleolen
erzielen, aber Weigerts Färbung ist für die Myelinfrage nicht
entscheidend.
Etwas weiteres über die chemische Natur der Lipoidosomen
zu erfahren, ist mir wegen ihrer geringen Grösse nicht gelungen.
Bei Hämatoxylinfärbung erscheinen sie nicht in Form von glänzenden
Körnchen, sondern sie sind gefärbt. Am schönsten sind in
Hämatoxylinpräparaten jeder Art (auch bei der Markscheiden-
färbung) diese Gebilde im Vakuolenzustand zu sehen, aber dann
ist von Färbung keine Spur daran vorhanden. Die Färbung mit
Anilinfarben nach Ruzi@cka habe ich vielfach versucht; sie
gelingt nicht regelmässig, die Gebilde werden damit auch im
vakuolären Zustand, allerdings schwach, gefärbt. Wie dies zu
verwerten ist, ist mir noch nicht klar. Mit Neutralrot und
Nilblausulfat bekam ich negative Ergebnisse.
IV. Stadium.
Von grossen Rinderembryonen wurde einer von 35 cm, einer
von 38 cm, einer von 50 cm und einer von 65 cm Länge untersucht.
Hier finden wir einen Übergang zu den Verhältnissen, wie
sie bei der erwachsenen Zelle beobachtet werden. Im Protoplasma
distinkte Tigroidsubstanz; sie nimmt Methylenblau, einigermassen
Hämatoxylin und unregelmässig Methylgrün auf. Das lipoide
Pigment ist im Zelleib etwas dichter gelagert, also noch nicht
an einem Zellteil lokalisiert, wie es beim Erwachsenen der Fall
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 215
ist. Die lipoiden Körnchen werden nun etwas grösser, ihre Form
ist wegen ihrer Kleinheit noch nicht genau festzustellen. Der
Kern nimmt jetzt nicht mehr ganz die Hälfte des Zellraums ein.
Er ist rarefiziert, von undicht gelagerten oxyphilen und mit
Hämatoxylin sich färbenden Körnchen ausgefüllt, die ebenso wie
früher Knötchen eines engmaschigen Netzes zu bilden scheinen.
Der Nukleolus ist noch regelmässiger in der Einzahl repräsentiert.
Man trifit auch zwei, drei und vier Nukleolen an, aber nur aus-
nahmsweise. Jedenfalls ist die Nukleolenzahl fünf und sechs,
wie es im vorhergehenden Stadium noch möglich war, hier nicht
mehr anzutreffen. Wo mehrere Nukleolen vorliegen, ist, wie
dort, nur einer gross.
Das Verhalten bei der Biondifärbung erwies sich ungleich.
Beim 35 cm Fötus entsprach die Tinktion ungefähr derjenigen
der dritten Gruppe. Dagegen gab das Methylgrün bei den beiden
übrigen Embryonen keine lokalisierte Tinktion der Nukleoli.
Nach der Biondifärbung (Fig. 16) ist das Protoplasma rot oder
rötlichbraun, der Kern zeigt eine rar angeordnete Granulierung
in derselben Nuance, der grosse Nukleolus ist von einer schwer
definierbaren Farbe, welche ein Gemisch von rot und blau oder
Grün darstellt; bald überwiegt die eine, bald die andere Farbe,
aber auch bei dem sicheren Beigemisch von Grün ist dieses
letztere an keinem bestimmten Teil zu lokalisieren, um so mehr
als die Nukleoli keine deutliche Differenzierung ihrer Teile zeigen.
Man kann von einer Auflösung der Nukleinsubstanz und
einer gleichmässigen Diffusion derselben im Nukleolus reden.
Wir haben auch im ersten Embryonalstadium eine gleich-
mässig grüne Nukleolenfärbung, ja sogar Kernfärbung konstatieren
können, aber der Unterschied zwischen jener Färbung und dieser
im IV. Stadium ist sehr gross: im ersten Stadium ist die grüne
Färbung intensiv, im vierten ist sie schwach und mit der roten
Farbe vermischt. Dort handelt es sich um eine Konzentration
des Nukleins, hier um eine Auflösung desselben. Ich mache hier
auf diesen letzten Ausdruck besonders aufmerksam, weil er in
demselben Sinne weiter unten wiederholt wird, unter Auflösung
soll also gleichsam eine Verringerung der Nuklein-
substanz verstanden werden.
Dass eine solche Verringerung wirklich eingetreten ist, zeigt
die Verdauungsprobe. Beim 35 em-Embryo ist nach der vier-
216 M. Mühlmann:
stündigen Einwirkung des künstlichen Magensaftes die Konfiguration
des Kernes ncoh erhalten geblieben, aber vom Nukleolus ist darin
nichts zu ermitteln und durch ‚Farbstoffe auch nichts mehr zu
enthüllen. Somit zeigen die Nervenzellen in diesem IV. Ent-
wicklungsstadium einen grossen Unterschied vom vorhergehenden,
wo der Nukleolus selbst nach 24 stündiger Einwirkung des Ver-
dauungssaftes nicht aufgelöst wurde. Der Verlust der Widerstands-
fähigkeit gegenüber dem Verdauungssafte, welcher die Zellen
dieser Gruppe den Zellen der erwachsenen nähert, war der Grund,
weshalb ich alle vier Embryonen in eine Reihe stellte, obwohl
beim kleineren die Darstellung der Nukleolenhülle durch Methyl-
grün noch erhalten blieb. Die Auflösung der Nukleinsubstanz
geschieht wohl im Laufe des Wachstums allmählich, und weder
die feine Färbung mit Methylgrün noch die grobe Verdauungs-
probe sind jede für sich imstande, diesen Übergangsmoment fest-
zulegen, dagegen glauben wir eben durch die Kombination dieser
beiden Proben denselben festgestellt zu haben.
Eine schwache Basichromatie besitzt der Nukleolus noch
immer, da er von Methylenblau angegriffen wird, wogegen die
Kernnetzgranulierung bei der Giemsafärbung rot ist. Diese
Basichromatie gehört aber wohl kaum der Nukleinsubstanz an,
wie es aus der Verdauungsprobe zu erschliessen ist. Man kann
also jetzt Zaccharias Recht geben, dass der Nukleolus keine
Nucleole nucleinien Carnoys ist, ohne aber damit dem Nukleolus
völlig basichromatische Eigenschaft abzusprechen, wie es Heiden-
hain tut. Die Primärnukleolen der ersten Embryonenreihe und
der Nukleolus der letzten Embryonenreihe sind also ganz ver-
schiedene Dinge. Dort waren sie Nucl&oles nucleiniens, jetzt sind
sie keine mehr.
V. Stadium.
Die Nervenzellen der erwachsenen Tiere sind in ver-
schiedenen Altersstadien nicht gleichwertig: die Zelle hohen Alters
unterscheidet sich erheblich von derjenigen des jüngeren. Es
wäre deshalb unrichtig, sie in einer Reihe zu vereinigen. Da es
mir aber nicht gelungen war, in bezug auf das Alter der
erwachsenen Tiere dieselbe grosse Wahl beim Rindermaterial zu
treffen, wie es mir für das fötale Alter gelang, und ich für das
grosse Vieh keine genauen Data über das Alter derselben
bekommen konnte, so bleibt mir nichts übrig, als die Zellen der
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. DT
Erwachsenen in ein Stadium zu vereinigen. Doch konnte ich
ungefähr den Verlauf der Veränderungen während des Wachstums
der Erwachsenen anmerken.
Während mittels der Methylenblau- und Hämatoxylinfärbung
die Nisslschen Körperchen in den Rückenmarkszellen nachweis-
bar sind, lassen sie sich durch Methylgrün nicht tingieren.
Das lipoide Pigment beschränkt sich haufenweise auf einen Zellteil.
Der pigmentierte Teil vergrössert sich mit dem Alter auf Kosten
des unpigmentierten. Der Kern stellt ein rarefiziertes Netz dar
und nimmt nur oxyphile Farbstoffe auf. Man trifft darin gewöhn-
lich einen Nukleolus; zweien begegnet man ausnahmsweise bei
jüngeren Individuen. Ausserdem werden von Hämatoxylin im
Kern oxyphile punktförmige Körnchen gefärbt. Sie liegen oft
dem Nukleolenrande an (Fig. 10, lla). Grössere Körperchen,
welche im Hämatoxylinpräparat sichtbar sind, scheinen zusammen-
geballte kleinere zu sein. Ihr Aussehen und schliessliches Ver-
schwinden nach längerer Differenzierung des Eisenhämatoxylin-
präparates spricht dafür, dass sie den Sekundärnukleolen nicht
gleichzustellen sind. Es sind also Paranukleolen (Fig. 11b, 12).
Nach Ramon y Cajal besteht der Nukleolus aus kleinen
mikrokkenähnlichen Kügelchen, Heidenhain hält denselben für
ein unorganisiertes Gebilde. Ich glaube kaum, dass ein unor-
ganisiertes Gebilde im Laufe des Lebens derartige Substanz-
umwandlungen zeigen könnte, wie wir sie am Nukleolus kennen
gelernt haben. Die Lipoidosomenbildung kann wohl auch zur
Charakteristik des Kernkörperchens als lebenden Bestandteils des
Kerne beitragen. Das Hämatoxylin, welches sonst ganz geringe
Differenzierungen erkennen lässt, färbt den Nukleolus kaum und
ganz homogen: es wird im Nukleolus eigentlich nicht der ganze
Durchschnitt tingiert, sondern nur sein Rand, welcher violett
erscheint und eine, zwei oder drei Verdiekungen, Polkörperchen,
enthält, die Masse des Nukleolus bekommt einen unbestimmten
hellbläulichen Teint. Wenn man mit Hämatoxylin gefärbte
Körnchen in den Nukleolen antrifft, so sind sie vereinzelt und
entsprechen den Lipoidosomen, zumal sie bei jungen Tieren
beobachtet werden. Von Methylenblau wird der Nukleolus
gleichsam diffus gefärbt. Das Methylgrün hinterlässt an ihnen
entweder gar keine Spuren, oder nur geringe in einer ganz
diffusen Art. Bei Biondifärbung werden die Nukleolen meistens
218 M. Mühlmann:
rot gefärbt, selten kommt dazu ein grüner Hauch, welcher
zusammen mit der roten Färbung eine blaue oder unbestimmte
Verfärbung erzeugt. Die durch diese Verfärbung sich anscheinend
kundgebende fragliche Beimischung von Nukleinsubstanz gehört
aber wohl kaum derselben an, da schon nach vierstündiger Ein-
wirkung von künstlichem Magensaft eine vollständige Auflösung
der Nukleoli zustande kommt; der Kern erscheint dann als ein
ganz homogenes substanzloses Gebilde. An vielen Zellen lässt
das ungefärbte Präparat nach dem Verdauungsversuch allerdings
noch einen Rest vom Kernkörperchen sehen, von welchem kanal-
artige Lücken der zersprengten protoplasmatischen Substanz nach
der Peripherie hinziehen. Von Kernstruktur ist dabei aber keine
Spur mehr zu sehen.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals an die Widerspenstig-
keit der Verdauungsversuche bei den Nervenzellen erinnern. Es
bleiben bei diesen Versuchen noch eine grosse Menge von Zellen
gut konserviert. Das kommt entschieden daher, dass der Magen-
saft nicht alle Zellen gleichmässig durchtränkt, denn gewöhnlich
widerstehen nicht einzelne Zellen unter vielen, die verdaut werden,
sondern mehrere zusammenhängende auf einmal. Der Unterschied
zwischen embryonalen Zellen und denjenigen erwachsener Tiere
tritt nichtsdestoweniger ganz deutlich hervor, da bei den Embryonen
des I. Stadiums derartige Verstümmelungen der Zellen, wie sie
beim Erwachsenen beobachtet werden, nicht vorkommen.
Nach einer 24stündigen Einwirkung des künstlichen Magen-
saftes verschwindet jede Spur vom Nukleolus. Nach dieser Frist
werden aber auch die Kerne anderer Gewebszellen, z. B. des
Bindegewebes, aufgelöst und nur das Nuklein der weissen Blut-
körper bleibt nach dem Verdauungsversuch erhalten und wird
mit Methylgrün gefärbt. Um so interessanter ist der Unterschied
der Zellen erwachsener Tiere von denjenigen der fötalen, bei
welchen auch nach 24stündiger Einwirkung des Magensaftes die
Kerne samt den Nukleolen aller ihrer Gewebe intakt bleiben.
Das nach einer 24stündigen Einwirkung des Magensaftes mit
Hämatoxylin gefärbte Mark des erwachsenen Tieres zeigt in den
Nervenzellen noch eine Andeutung von Protoplasma mit einer
bläulichen Färbung desselben, an Stelle des Kernes hinterbleibt
aber ein leerer Raum, den ich als homogen bezeichnete, weil er
nicht einfach eine Höhle darstellt, sondern eine ungefärbte oder
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 219
vielmehr etwas gelb verfärbte homogene Masse, vielleicht eine
gelatinöse Grundsubstanz, in die sich die verdaute Eiweissmasse
umwandelte. Vom Kernkörperchen ist keine Spur zu sehen. Wir
haben also Recht, das Nuklein als gänzlich aus dem Kern
geschwunden zu betrachten.
Was die Lipoidosomen anbetrifft, so zeigen sie das schon
früher berichtete Verhalten. Die Zahl der Vakuolen ist bei
älteren Tieren ebenso wie bei jungen ziemlich gross: gewöhnlich
ist eine grosse von mehreren (5—10) kleineren umgeben (Fig. 10).
In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Nervenzellen der Rinder
von denjenigen des Menschen. Beim letzteren sind die Lipoido-
somen in grösserer Anzahl bei jungen Individuen vertreten. Wenn
sie sich in Vakuolen umwandeln, vermindert sich ihre Zahl und
bei alten Leuten ist nur eine Vakuole zu finden. Im Greisen-
alter: schwinden am grössten Teil der Nervenzellen auch die
letzteren.
Da es mir in den früheren Arbeiten nicht gelang, eine
kolorierte Abbildung von Lipoidosomen beizugeben, welche sie
dank der Osmiumschwärzung am besten demonstriert, so tue ich
es hier in Fig. 15, welche die Rückenmarkszelle einer etwa zwei-
jährigen Kuh darstellt. Da ist auch das lipoide Pigment des
Protoplasma zu sehen.
Mensch.
Obwohl das Studium der Entwicklung der Nervenzellen beim
Rind alle charakteristischen Züge der Veränderungen, welche bei
Säugetieren überhaupt beobachtet werden, erkennen lässt, und
wir bei der Schilderung der Wachstumsveränderungen der Rinder-
nervenzellen die bedeutenderen Abweichungen, welche bei anderen
Säugetieren vorkommen, jedesmal notierten, sei dennoch auf
einige Einzelheiten im Wachstum der Nervenzellen des Menschen
und anderer untersuchten Tiere hingewiesen, die uns nicht ganz
wertlos zu sein scheinen.
Der Wert der histologischen Untersuchung der menschlichen
Embryonen steht derjenigen der tierischen nach, weil die ersteren
selten so lebensfrisch erhalten werden können, wie die letzteren.
Wenn die Leichenmaceration auf die Gewebe überhaupt deletär
wirkt, so ist das in höchstem Maße beim Nervengewebe der Fall.
Trotz allem Entgegenkommen des Leiters der geburtshülflichen
Abteilung des Krankenhauses Balachany, Herrn Dr. Mitrofanow.
220 M. Mühlmann:
welcher für mich die menschlichen Embryonen so rasch als
möglich in die Fixationsflüssigkeit brachte, konnte ich hier selten
so scharfe Bilder bekommen, wie es bei tierischen möglich war.
Von menschlichen Embryonen wurden Exemplare von 2, 3,
5, 11 und 20 em untersucht, dann mehrere neugeborene Kinder
und Nervenelemente erwachsener Leute verschiedenen Alters. Die
Präparate wurden wie oben bearbeitet.
Beim 2-, 3- und 5 em-Embryo nimmt der Kern mehr als
die Hälfte der Zellgrösse ein. Der Zelleib wird zwar durch
Hämatoxylin nur ganz schwach tingiert, er wird ebensowenig
von Methylgrün angegriften, aber Methylenblau färbt ihn; so muss
denn darin neben Oxychromatin eine Beimischung von Basichromatin
angenommen werden. Im Kern lassen alle neutralen (Gemische
ein oxyphiles neben einem basophilen Körnchennetz erkennen
und in demselben mehrere Nukleolen, welche von Hämatoxylin,
Methylenblau und Methylgrün tingiert werden. Es muss somit
ein reichlicher Gehalt von Nuklein im Kern der embryonalen
menschlichen Nervenzelle anerkannt werden. Verdauungsversuche
konnte ich mit diesem geringen Material allerdings nicht anstellen.
Die Zahl der Kernkörperchen ist nicht so gross, wie beim Rind,
im Durchschnitt etwa vier. Beim 5 cm langen Embryo ist die Zahl
der Nukleolen etwas geringer: neben ein bis zwei grösseren lassen
sich aber mehrere kleinere Körnchen wahrnehmen. In den
grösseren lässt das Hämatoxylin randige Verdickungen wahr-
nehmen. Auch das grüne Kernnetz des Biondipräparates lässt im
Zentrum einen rundlicheckigen grünen Ring mit zwei bis drei
Verdickungen, welche eben diese Eckigkeit demselben verleihen,
unterscheiden. Sonst sind keine Differenzierungen in den Nukle-
olen zu sehen.
Beim 11- und 20 cm-Embryo haben sich die Verhältnisse
insofern geändert, als der Kern einen geringeren Zellteil ein-
nimmt, beim 20 cm grossen etwa ein drittel, und das Über-
wiegen der geringeren Nukleolenzahl mehr zum Vorschein kommt.
Eine nukleinige Schale ist im Kernkörperchen schwach angedeutet,
indem im Biondipräparat zwei bis drei grüne Knötchen an der
Peripherie desselben durch eine schwache, kaum wahrnehmbare
Bogenlinie verbunden sind oder aber der nukleolige Ring in
vollem Umfang in grüner Farbe zum Vorschein kommt (Fig. 17).
Der Nukleolus sieht nicht homogen aus, sondern etwas punktiert.
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. Dal
Beim Neugeborenen kommen die Nisslschen Körper ganz
gut zum Vorschein. Im Kern hinterlässt Methylgrün nur frag-
liche Spuren, aber im rötlichen Kernkörperchen des Biondi-
präparates ist ein grünes Körperchen von unregelmässiger, manchmal
stäbchenförmiger Form nachweisbar: es liegt meistens an der
Peripherie der Nukleole. Zentralwärts sind jetzt in der Nukleole
bereits ein bis zwei vakuolenartig-glänzende Figuren sichtbar, die
osmiert schwarze händer enthalten. Die Einzahl der Nukleole
ist die Regel, zwei werden seltener beobachtet, mehr kaum.
Bei erstjährigen Kindern und bei einem vierjährigen Mädchen
war der Nukleolus der Nervenzellen meist grün verfärbt und zur
roten Farbe beigemischt. Nur bei einem 1!/smonatlichen zurück-
gekommenen, unausgetragenen Kinde konnte der nukleinige
Ring der Nukleole ganz gut mit Methylgrün gefärbt werden.
Sonst aber verschwindet im Kern die nukleinige Färbung all-
mählich, und bei Erwachsenen ist sie nicht mehr sichtbar.
Dagegen lässt sich dieselbe an den Nisslschen Körperchen
manchmal hervorbringen. Dass die letztere wohl kaum einem
Nukleingehalt derselben zuzuschreiben ist, zeigen die Verdauungs-
proben an frischen Rinderzellen, nach welchen die Nisslschen
Körper weder sichtbar noch darstellbar sind.
Über die Lipoidosomen und das lipoide Pigment habe ich
dem (resagten nichts hinzuzufügen. An den Fig. 13 und 14
demonstriere ich die Lipoidosomenfärbung durch Osmiumsäure
bei einem vierjährigen Kinde und einem 1Sjährigen Manne. Beim
ersteren sieht man in der Hypoglossuskernnervenzelle (a) bereits
den Beginn der Lipoidbildung im Protoplasma in Form von spär-
lichen Körnchen. Die Fig. 14 zeigt eine Purkinjesche Zelle des
Kleinhirns, wo lipoides Pigment spärlich oder gar nicht auftritt,
dagegen aber die kristallinische Form der Lipoidosomen in ganz
eklatanter Weise demonstriert werden kann.
Wenn wir die Veränderungen im Nukleingebiet der Nerven-
zellen des Menschen und beim Rind in bezug auf deren Alter
miteinander vergleichen. so ist der Unterschied sehr gross: beim
neugeborenen Menschen z. B. ist die nukleinige Färbung in den
Nukleolen stärker als beim neugeborenen Rind. Wenn wir aber
die Körpergrösse eines neugeborenen Menschen mit der eines
neugeborenen Kalbes vergleichen, so werden wir im Bau der
Fötalnervenzellen des Menschen und des Rindes keinen grossen
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 16
222 M. Mühlmann:
Unterschied finden. Reiche Methylgrünfärbung des Kernes finden
wir beim 2—5 em grossen menschlichen Fötus, entsprechend also
dem Befunde im ersten Embryonalstadium des Rindes, wo die
Grösse des Tieres ungefähr dieselbe ist. Das Überwuchern der
nukleinigen Färbung in die Peripherie des Nukleolus sahen wir
beim menschlichen Fötus von 11 und 20 cm; beim Rinde sahen
wir dasselbe im Il. Stadium von 8—14 cm Grösse. Beim neu-
geborenen Menschen unterscheiden sich die Verhältnisse von den
vorhergehenden des 20 cm grossen Fötus wenig, aber die peri-
pherische nukleinige Schale der Nukleoli kommt nicht mehr
deutlich zum Vorschein: der Grösse nach entspricht der Neu-
geborene (Beine abgerechnet) dem III. Rinderstadium. Dass die
Verhältnisse bei Kindern in den ersten Lebensjahren denjenigen
des Rindes im IV. Embryonalstadium entsprechen, werden wir
nacıı dem oben Gesagten nicht befremdlich finden. Der Befund
am 1'/smonatlichen Kind stellt nicht nur keine Ausnahme vor,
sondern bestätigt vielmehr die Abhängigkeit des geschilderten
Verhaltens von der Grösse des Organismus. Es handelte sich
um ein frühgeborenes Kind, welches 1000 gr wog. Es war etwa
halb so gross, als ein normales Neugeborenes (ich habe es leider
bei der Sektion nicht gemessen, da ich damals nicht voraussah,
dass die Grössenmessung von Bedeutung sich erweisen werde).
Die Sektion ergab ausser hochgradiger Abmagerung keine Ver-
änderung an den Organen.
Andere Säugetiere.
Vom Schaf sind Nervenzellen von Embryonen von 2, 5, 10,
12, 26, 27 und 32 cm Länge und von erwachsenen Tieren unter-
sucht worden.
Die histologischen Bilder entsprechen im allgemeinen den-
jenigen des Rindes. Der nukleinige Ring der Nukleolen wurde
bereits an 10—12 cm grossen Embryonen beobachtet. Bei den
26—32 cm grossen war der Nukleolus im Biondipräparate ent-
weder grün diffus gefärbt oder er enthielt einen grünen Flecken
am Rande, während er selbst in unbestimmter rötlicher Farbe
erschien, oder er zeigte keine grüne Beifärbung. Bei einem
27 cm grossen Embryo konnte der grüne Nukleolenring mit
einer Verdickung nachgewiesen werden. Bei allen diesen grösseren
Embryonen konnten auch die Lipoidosomen in grösserer Zahl
D
D
N)
SS]
SD
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen.
im Biondipräparat konstatiert werden. Ihre kristallinische
Form, der helle Glanz dokumentierte sie ganz zweifellos als
Lipoidosomen, aber mit der Osmiumfärbung wurde keine
Schwärzung derselben erreicht. Dagegen konnten mittels der-
selben vereinzelte lipoide Körnchen im Protoplasma des 27 cm
grossen Fötus nachgewiesen werden.
An den Nervenzellen von erwachsenen Hammeln konnte mit
der Biondifärbung keine basichromatische Färbung erzielt
werden: sowohl das Protoplasma als der Kern samt dem Kern-
körperchen sind rot gefärbt. An den Vorderhornzellen eines jungen
Hammels konnte der Rand der Lipoidosomen ebenso wie die
lipoiden Körner des Protoplasmas geschwärzt werden.
Von Meerschweinchen und Kaninchen konnte ich
nur Embryonen und verhältnismässig junge Tiere, ein bis zwei
Jahre alte, zur Untersuchung bekommen. Selbst bei ziemlich
schweren erwachsenen Kaninchen (1850 gr) und Meerschweinchen
(800 gr) konnte der nukleinige Ring im Querschnitt der Nerven-
zelle, ebenso wie bei den neugeborenen Tieren, nachgewiesen
werden; beim Kaninchen ist er feiner als beim Meerschweinchen.
Die Fig. 7 stellt eine Rückenmarkszelle eines drei Wochen alten
Meerschweinchens mit Biondis Dreifarbgemisch gefärbt dar.
Das Protoplasma und der Kern sind rötlichbraun, das Kern-
körperchen mehr homogen in derselben Farbe tingiert, von einem
grünen Ring umgeben, welcher an drei Stellen Verdickungen
zeigt. Ausser dem grossen Nukleolus enthält der Kern einen
grün gefärbten kleineren. An den anliegenden Neurogliazellen tritt
gegenüber den Nervenzellen ein Reichtum des Kernes an nuklein-
haltiger Substanz deutlich hervor.
Vakuolen sind in den Kernen erwachsener Nervenzellen,
sowie Lipoidosomen bei jüngeren Tieren nachweisbar.
Der Fund des nukleinigen Ringes der Nukleolen bei ver-
hältnismässig älteren kleinen Nageltieren steht keineswegs in
Widerspruch mit den Befunden bei grösseren Säugetieren. Die
histologischen Veränderungen an den Nervenzellen, welche ich bei
verschiedenen Tieren und beim Menschen schilderte, können als
Funktionen des betreftenden Organismus nur im Zusammenhang
mit seiner Grösse in der Wachstumsperiode betrachtet werden,
für den Zustand des erwachsenen Individuums kann das Alter
nur bei wenigen Tieren als Maßstab dienen, da bei den meisten
16*
224 M. Mühlmann:
die natürliche Lebensdauer unbekannt ist; besonders gilt das für
die Haustiere, welche wohl: selten eines natürlichen Todes an
Altersschwäche sterben. Die charakteristischen Veränderungen
in bezug auf den Nukleingehalt des Zellkernes haben wir gut bei
Rinder- und Schafembryonen beobachten können und sie bei einer
(srösse derselben verfolgen können, die diejenige des erwachsenen
Meerschweinchens oder Kaninchens nicht überschreitet (III. Em-
bryonalstadium); so können wir bloss auf diese Tatsache auf-
merksam machen und daran denken lassen, dass die phylo-
genetische Untersuchung die skizzierten Veränderungen zu einer
Funktion nicht so sehr des Alters des Tieres, als seiner Grösse
macht.
Zum Schluss will ich noch über die Untersuchung der
Nervenzellen von einer Katze (35 cm lang) am Ende der Schwanger-
schaft und ihrer zwei Früchte (7 cm lang) berichten.
Im Alaunhämatoxylinpräparat besteht der Unterschied haupt-
sächlich im Kernbild. Der Kern enthält bei den Feten ausser
einer grossen Nukleole noch zwei bis drei kleinere, wogegen bei
der Mutter ausser der Nukleole nur ein Paar Körnchen im
eosinroten Netz des Kernes eingelagert sind. Im Eisenhäma-
toxylinpräparat erscheinen jedoch auch bei der Mutter kleine
Nukleolen (ein bis drei), die im Biondipräparat fehlen. Der
Rand des Nukleolus zeigt bei der Mutter leichte Verdickungen.
Bei der Biondifärbung stellt der Kern der fötalen Nervenzellen
ein rarefiziertes grünes Netz dar, in welchem der Nukleolus
einem grünen Knoten oder einem feinen grünen Ringe mit
Randverdickung und farblosem Inhalt entspricht; in den mütter-
lichen Zellen ist der Kern durchaus rot, rarefiziert, in dem
Nukleolus ist zur rötlichen Farbe eine grüne diffus beigemischt.
Der Zusammenhang zwischen den Bildern der Nuklein-
wanderung in der Nervenzelle und der Tiergrösse lässt sich an
den Befunden bei der Katze ebensogut sehen, wie bei den
vorhergehenden Tieren. Wir sehen nämlich im Kern der erwach-
senen Katze noch ein Beigemisch von stark basophiler Substanz.
insofern entspricht der Befund nicht demjenigen des erwachsenen
Menschen oder Rindes, aber die untersuchte Katze war 35 cm
lang, entsprach also den Rinderfeten des III. —IV. Stadiums, mit
deren histologischen Nervenzellenbefunden das geschilderte Ver-
halten der Nervenzellen der erwachsenen Katze ungefähr zusammen-
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 225
fällt. Der Befund an den Feten der Katze entspricht dem bei
den Rinderfeten des II. Stadiums, mit deren Grösse die ersteren
auch zusammenfallen.
Ergebnis.
Das Wachstum der Nervenzellen lässt in der Zusammen-
setzung aller ihrer Teile charakteristische Züge erkennen. Das
Protoplasma unterscheidet sich schon frühzeitig von demjenigen
anderer Gewebszellen, indem es mit einer basichromatischen
Substanz versehen wird. Die Basichromatie derselben unter-
scheidet sich nicht unwesentlich von derjenigen der Kernsubstanzen.
Anfangs ist diese basichromatische Substanz ordnungslos, körnig-
diffus im Protoplasma zerstreut, bald aber sammelt sie sich in
interfaseiculären Schollen an und bildet die Tigroidsubstanz. In
der lebenden Zelle ist die Tigroidsubstanz wahrscheinlich in einem
gleichmässig gelösten Zustand, sie wird körnig bei der Leichen-
starre der Zelle. Sie muss eine wichtige physiologische Bedeutung
haben, da sie in enger Beziehung zu den Neurofibrillen steht
und die Maschen zwischen den Bündeln derselben ausfüllt. Wenn
die Tigroidsubstanz bereits gut ausgesprochen ist, treten im
Protoplasma ungeordnet vereinzelte fettige Körnchen auf. Im
Laufe des Wachstums vermehren sich diese Körnchen, bekommen
ein farbiges Beigemisch, welches sie zu Pigment macht, und
treten schliesslich beim erwachsenen in grossen Haufen auf. Im
hohen Alter kann die lipoide Eigenschaft verloren gehen und es
binterbleibt nur der Pigmentcharakter.
Im Kern ist anfangs ein reichlicher Nukleingehalt wahr-
nehmbar, welcher allmählich reduziert wird, indem er von
mehreren Nukleolen auf einen übergeht, an diesem dann eine
äussere Schale bildet, darauf im Nukleolus aufgelöst wird und
schliesslich aus dem Kernbereich schwindet. Im Nukleolus bilden
sich die Lipoidosomen, die in bezug auf ihre chemischen Eigen-
schaften eine vollkommene Analogie mit denjenigen des Proto-
plasmas aufweisen, aber sich mit zunehmendem Alter nicht
anhäufen, sondern in noch jugendlichem Alter verschwinden und
Vakuolen hinterlassen.
Ich habe mich in dieser Abhandlung, bemüht nur Tatsachen
mitzuteilen, wie sie sich in der Entwicklungsgeschichte der
226 M. Mühlmann:
Nervenzelle kundgeben, ohne auf die Frage nach ihrer biologischen
Bedeutung einzugehen. Es ist auch nicht leicht, alle Tatsachen in
eine harmonische Lehre zu vereinigen. Der Sinn des allmählichen
Schwundes der Nukleinsubstanz ist aber wohl leicht begreiflich.
Das Nuklein ist bekanntlich derjenige Bestandteil der Zelle,
worin die formative Tätigkeit derselben zuerst ausgelöst wird;
eine Verringerung resp. ein Schwund der Nukleinsubstanz muss
zu einer Verringerung dieser Tätigkeit führen. In der Tat wissen
wir, dass am Nervensystem höherer Vertebraten die regenerative
Tätigkeit der Nervenzellen am schwächsten ausgesprochen, wenn
nicht überhaupt unbekannt ist. Unsere Untersuchung lehrt, dass
der Verlust dieser regenerativen Tätigkeit sehr tief wurzelt und
in der Struktur der Nervenzellen begründet ist. Der Schwund der
Zellreproduktion muss im Nervensystem tatsächlich sehr früh
beginnen. Karyokinetische Figuren habe ich am Kern der Nerven-
zellen niemals gesehen. Es lassen sich in den jüngeren Stadien
zwei und mehr Nervenzellen nebeneinander derartig gelagert
beobachten, dass sie sich als Ergebnis einer soeben erfolgten
Teilung einer Mutterzelle betrachten lassen (Fig. 5e). Aber den
Teilungsmoment selbst konnte ich nicht wahrnehmen. So muss
denn in Anbetracht des Fehlens der mitotischen Figuren der
Prozess als Folge amitotischer Teilung angesehen werden. Die
Amitose muss im Kern so geschwind geschehen, dass sie sich
nicht fixieren lässt und nur das Endmoment zum Vorschein bringt.
Aber auch solche Tochterzellenbildungen, wie sie die Fig. 5 wieder-
gibt, werden nicht häufig beobachtet. im mittleren und höheren
Embryonalstadium, geschweige denn bei Erwachsenen gar nicht;
so muss denn gesagt werden, dass den Nervenzellen eine Ver-
mehrungsfähigkeit so gut wie abgeht. In den ersten Embryonal-
stadien ist ein Rückenmarksdurchschnitt von Zellen überhäuft.
Die Zellen liegen eng nebeneinander, enthalten sehr wenig Proto-
plasma, so dass eigentlich nur Kerne sichtbar sind, welche das
(rewebe dicht durchsetzen. Mit dem Fortschritt des Wachstums
werden die Räume zwischen den Kernen grösser. Es bildet sich
um einen Teil derselben mehr Protoplasma aus, andere Kerne
verschwinden. Die Protoplasmabildung wird zuerst in den Vorder-
hörnern reichlicher beobachtet, an den Hinterhörnern bleibt die
Kernanhäufung länger bestehen. Parallel mit dem Kernschwund
bildet sich die Faserung stärker aus.
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 227
Es findet also keine Vermehrung von Zellen, sondern viel-
mehr ein Schwund derselben statt, an den hinterbliebenen wächst
zwar die absolute Grösse der Kerne, aber sie tritt im Vergleich
mit der Protoplasmabildung an Grösse zurück, ihre relative (rrösse
wird also reduziert. Die Vergrösserung des Kernes geschieht
nicht auf Kosten der formativen Massen, sondern infolge Aus-
bildung anderweitiger Substanzen, die nichts für die Frucht-
bildungsfunktion beibringen. Die mathematisch genaue Abrundung
des Kernes, die Rarefizierung desselben, die Verminderung der
Nukleolenzahl, die Entstehung von Lipoidosomen zeigt vielmehr,
dass die Vergrösserung des Kernes eine Reduktionserscheinung
darstellt. Auch in der anwachsenden Protoplasmamasse muss die
Fruchtlosigkeit, also das Fehlen der Anfrischung, zu degenerativen
Veränderungen führen, welche wir in der lipoiden Pigmentierung
kennen gelernt haben. Sowohl die Lipoidosomen, als das lipoide
Pigment sind also Rückstandsprodukte der im Wachstum und
Vermehrung zurückgebliebenen Zelle.
Die Ursache, weshalb die Vermehrung der Nervenzellen
frühzeitig stockt und in denselben Rückbildungsveränderungen
auftreten, wurde von mir in den Wachstumsbedingungen des
Organismus erblickt. Die Wege, welche mich zu dieser Ansicht
führten, und die Tatsachen, welche mich zu derselben brachten,
sind anderweitig eingehend mitgeteilt. Hier wollen wir nur mit
denjenigen Tatsachen rechnen, welche bei der in dieser Abhandlung
geschilderten Untersuchung gewonnen wurden. Da glaube ich
genügend klargelegt zu haben, dass die Veränderungen in der
Nervenzelle, speziell in ihrem Kerne, welcher in einer Nuklein-
elimination bestehen, bei verschiedenen Säugetieren insofern ganz
gleichmässig verlaufen, als die verschiedenen Phasen dieser Elimi-
nation nicht bei gleichem Alter dieser Tiere gleich sind, sondern
bei gleicher Grösse derselben. Die Grösse des Tieres ist es,
welche diese Veränderungen leitet. Ungefähr bei derselben
Grösse des Organismus wandert das Nuklein vom Kernleibe zum
Nukleolus, vom Nukleolenleibe zu dessen Peripherie, um sich dann
aufzulösen und zu verschwinden. Ungefähr bei derselben Grösse
des Organismus bilden sich im Zelleibe und im Zellkerne Rück-
standsprodukte aus. Es ist also die Grösse der Masse, ihr
Wachstum, welche eine Ernährungsstörung in den Nervenzellen
bewirkt und die Reduktionsveränderungen leitet: die wohl nur durch
225 M. Mühlmann:
Ernährungsstörungen hervorgebracht werden können. Das Wachs-
tum gibt eine Richtschnur nicht nur für progressive Prozesse,
sondern auch für regressive. Warum der Regress am ehesten
am Nervensystem entsteht, darüber lehrt das Nähere die physi-
kalische Wachstumstheorie.
Mittels derselben können wir auch den Unterschied im
Verlauf der Lipoidbildung im Zellkern und im Zelleibe erklären.
Da wir in den lipoiden Körnern Rückbildungsprodukte erblicken,
so kann ihre Menge und die Zeit, wann sie entstehen und ver-
gehen, von lokalen Ursachen ihrer Bildung, von den Besonder-
heiten der Struktur des Protoplasmas und der Nukleolen der
Nervenzelle abhängen. Die Lipoidkörnelungen bilden sich infolge
von Ernährungsmangel an der Nervenzelle, welche durch das
Wachstum bedingt und gesteigert wird. Da sie Rückstands-
produkte immerhin organisierter, lebender Zellteile darstellen, so
muss ein Zeitpunkt kommen, in dem ebenso wie die Lebens-
tätigkeit dieser Teile zurückgeht, auch die Produktion dieser
Rückstände aufhören muss. Der Nukleolus als zentraler Zellteil
befindet sich in ungünstigeren Ernährungsverhältnissen als der
peripherische. Wir haben darin eine frühere Entstehung, aber
auch ein früheres Verschwinden der Rückstandsablagerungen zu
erwarten. Das erste Moment der Lipoidosomenbildung ist wegen
ihrer geringen (rösse schwer zu erfassen; doch konnten wir sie
beim Menschen, ebenso wie bei den Nagetieren, in einer früheren
Entwicklungsperiode beobachten, als die Lipoidkörnelung im
Protoplasma. Am evidentesten konnten wir das frühere Ver-
schwinden der Lipoidosomen im Vergleich mit den Plasma-
lipoiden studieren. Das Verschwinden der ersteren geschieht im
blühendsten Lebensalter, während die Plasmakörnelung erst im
höchsten Alter des Organismus ihre lipoide Reaktion verliert.
Das frühere Entstehen und Vergehen der Lipoidosomen kommt
also von der zentralen Lage derselben im Nukleolus der Nerven-
zelle. Auch hierin bewährt sich somit die Gültigkeit der physi-
kalischen Wachstumstheorie.
Nachtrag.
Aus dem inzwischen mir zugegangenen Artikel von G.Mari-
nesco: „Recherches sur le noyau et le nucleole de la cellule
nerveuse a l’&tat normal et pathologique*“ (Arch. für Psychologie
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 229
und Neurologie, Bd. V, 1905), welchen ich beim Verfassen der
‚vorliegenden Arbeit nur aus dem Zitat bei Ramon y Cajal
kannte, ersehe ich, dass er beim menschlichen Fötus die all-
mähliche Abnahme der Zahl der sich basisch färbenden Nukleolen
konstatierte; der schliesslich bleibende eine Nukleolus wird
amphophil. Auch Ramon y Cajal spricht die Vermutung aus,
dass die Änderung der Färbeeigenschaften der Kernbestandteile
wohl mit dem Alter in Zusammenhang stehe.
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX.
Fig. 1. a = Spinalganglienzelle, b und ce — Rückenmarksnervenzelle eines
2!’ cm grossen Rinderembryo. Fixierung: Orthsche Mischung.
Färbung: Eisenhämatoxylin nach M. Heidenhain. Vergr. 2340.
Fig. 2. Spinalganglienzellen eines 5!/» cm grossen Rinderembryo. Fixierung:
Zenkerformol. Färbung: Biondis Dreifarbgemisch. Vergr. 2340.
a — diffuse, b — differenzierte Methylgrünfärbung.
Fig. 3. Rückenmarkszelle eines erwachsenen Ochsen nach Trypsineinwirkung
mit Silber nach Bielschowsky imprägniert. Vergr. 667.
Fig. 4. Spinalganglienzelle eines 11 cm grossen Embryo. Fixierung:
Sublimat. Färbung: Böhmers Hämatoxylineosin. Vergr. 2000.
er LTE
„10.
She.
212:
0:
Studien über den Bau und das Wachstum der Nervenzellen. 231
a — Rückenmarksnervenzelle, b und ce — Spinalganglienzellen
eines 14 cm langen Embryo. Fixierung: Sublimat. Färbung:
Eisenhämatoxylin. Vergr. 2000.
Rückenmarksnervenzelle eines 11 cm grossen Embryo. Fixierung:
Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 1334.
Rückenmarksnervenzelle eines Meerschweinchens. 3 Wochen alt.
Fixierung: Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 1040.
a und ce — Spinalganglienzellen, b — Rückenmarksnervenzelle
eines 27 cm langen Rinderembryo. Formalinhärtung. Eisen-
hämatoxylinfärbung. Vergr. 1040.
Rückenmarksnervenzelle eines 13 cm grossen Embryo. Fixierung:
Sublimat. Färbung: Eisenhämatoxylin. Vergr. 520.
Rückenmarksnervenzelle eines erwachsenen Ochsen. Formalin-
härtung. Färbung: Hansens Hämatoxylin. Vergr. 780. Zwei
Paranukleolen, wovon einer frei im Kernleibe, der andere der
Nukleole anliegend.
Spinalganglienzellen eines erwachsenen Ochsen. Fixierung: Sublimat.
Färbung: a — Alaunhämatoxylin, b — Eisenhämatoxylin. Vergr. 780.
a mit Polverdiekungen des Nukleolenrandes, b mit Paranukleolen-
rudimenten im Kern.
Rückenmarksnervenzelle eines erwachsenen Ochsen mit drei Para-
nukleolen und einer Polverdickung des Nukleolenrandes. Formalin-
härtung. Eisenhämatoxylinfärbung. Vergr. ca. 600.
a — Hypoglossuskernzelle, b — Vaguskernzelle eines vierjährigen
Mädchens. Bearbeitung nach Marchi.
Purkinjesche Kleinhirnnervenzelle eines 18jährigen Mannes.
Bearbeitung nach Marchi. Nachfärbung mit Safranin. Vergr. 2000.
Rückenmarkszelle einer zweijährigen Kuh. Bearbeitung nach
Marchi. Nachfärbung mit Safranin. Vergr. 2000.
Rückenmarkszelle eines 33 cm grossen Rinderembryo. Fixierung:
Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 780.
Spinalganglienzelle eines fünfmonatlichen menschlichen Fötus.
Fixierung: Sublimat. Färbung: Biondi. Vergr. 780.
[9
v
Aus dem anatomisch-histologischen Laboratorium der Universität
St. Petersburg.
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus.
Von
W. Hworostuchin.
Hierzu Tafel X.
In zahlreichen histologischen Arbeiten kommen die Autoren
neuerer Zeit einstimmig zum Ergebnis der sekretorischon Tätig-
keit des Epithels, welches die Plexus chorioidei bedeckt; diese
Befunde werden auch durch Versuche eines verstärkten Zuflusses
der cerebrospinalen Flüssigkeit bestätigt. Die vielfachen Unter-
suchungen aus der letzten Zeit beweisen, dass die Forschungen
auf diesem Gebiet energisch fortgesetzt werden, doch sind viele
Seiten der Frage entweder noch gar nicht oder nur unvollständig
untersucht worden.
Auf Rat meines hochverehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr.
A.S. Dogiel, habe ich versucht, so viel als möglich diese Lücken
auszufüllen. Ich spreche ihm hier meinen Dank aus!
Kurze Übersicht der neueren Literatur.
Ich verweise zunächst auf die Arbeit von Galeotti (1897). Beim
Studium der vergleichenden Anatomie des Diencephalon verschiedener Wirbel-
tiere vermerkte er die sekretorische Tätigkeit des Epithels der Plexus
chorioidei. Den Sekretionsprozess selber hat er recht ausführlich beschrieben.
Im Kern sollen sich kleine Granula bilden, die später ins Protoplasma über-
treten und zur Peripherie der Zelle rücken. Beim Abrücken derselben vom
Kern nehmen sie allmählich an Grösse zu und werden schliesslich in die
Gehirnventrikel ausgeschieden. Ferner beobachtete Galeotti die Umwandlung
fuchsinophiler Granula in Pigmentkörner. Findlay (1899) hält gleich
Galeotti die Plexus für sekretorische Organe. Er sah im Protoplasma der
Epithelzellen überall zahlreiche homogene Sekretgranula, im apikalen Abschnitt
einiger Zellen jedoch Vakuolen, welche infolge einer Zerstörung der Zell-
membran in den Liquor cerebrospinalis übergingen.
Studniäka (1900) konnte beim Studium des Ependyms bei ver-
schiedenen vorwiegend niederen Wirbeltieren die Ausstossung der Sekret-
tropfen nicht nur aus dem Epithel der Plexus chorioidei, sondern auch aus
den Ependymzellen verschiedener Abschnitte der Gehirnventrikel (Wandungen
der Paraphyse, Fossa rhomboidea u. a.) beobachten. Diese Beobachtungen
.. De = 99
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 2,33
veranlassten ihn, die Vermutung auszusprechen, dass das ganze Ependym
sich an der Sekretion beteilige. Hierbei nimmt er jedoch an, dass in Berück-
sichtigung der histologischen Struktureigentümlichkeiten der einzelnen Epen-
dymabschnitte auch ein Unterschied in den Sekretprodukten erwartet werden
müsse. |
Fast zu denselben Ergebnissen wie Galeotti gelangte auch Francini
(1907). Unter anderem beschrieb er in den Epithelzellen des Plexus chorioi-
deus Tropfen mit intensiv gefärbtem Saume.
Cavazzani (189), PaulClaisse et Charles Levi (1897) und
Loeper (1904) studierten den Plexus chorioideus in pathologischen Fällen
und gelangten hinsichtlich seiner sekretorischen Tätigkeit zu positiven
Ergebnissen.
Cappelleti (1901), Petit et Girard (1901) und Meek (1907) kon-
statierten bei Einwirkung von Pilokarpin, Muskarin und anderer Substanzen
eine Zunahme der ÜÖerebrospinalflüssigkeit, wobei Petit et Girard sowie
Meek an dem nach den Versuchen fixierten Material ausserdem charak-
teristische Veränderungen im Epithel der Plexus gesehen haben. Petit et
Girard schreiben hierüber folgendermassen: „la hauteur des el&ments
epitheliaux s’accroit, la differenciation en deux zones s’exagere, la zone distale
prend un d@veloppement exagere et Ja production des globules hialins devient
plus active qu’ a l’e&tat normal; en an mot, ces dl&ments hypersecretent.“
Fast dasselbe vermerkt auch Meek: „a differentiation inte two zones, a
basal granular, and an outer clear... The granulations, however, are
always heavier and more compact toward the base of the cell. Clear spaces
begin to appear toward the lop, and rarely dues the stainable cytoplasm
extend to the upper cell wall. Masses of larger granules are common in
the upper part of the cell where the lines forming the reticulations cross.“
Ohne mich ausführlich bei einer Reihe anderer Arbeiten von Ima-
mura, Loeper, Schläpfer, Joschimura u.a. aufzuhalten, will ich nur
einige interessante Angaben aus denselben hier wiedergeben. Imamura
(1902) beschreibt glänzende, fettartige Körner, welche eine Reaktion mit
Ösmiumsäure ergeben. Loeper (1904) beobachtete Glykogenkörner sowie
kleine und grössere fettartige Gebilde, die häufig das Aussehen einer Morula
haben; sie werden durch Äther, Xylol gelöst. während Osmiumsäure sie
schwach färbt. Schläpfer (1905) nahm Sekrettropfen mit lipoider Hülle
wahr. Joschimura (1909) schliesslich fand in den Epithelzellen des Plexus
Leeithin, Fett, Fibrin und Glykogen.
Material und Technik.
Ich studierte die Plexus chorioidei hauptsächlich an fixiertem Material,
das ich verschiedenen Säugetieren (Katze, Maus, Kaninchen, Hase, Pferd,
Affe u. a.) unter normalen Bedingungen entnahm. Ausserdem untersuchte
ich auch lebendes Gewebe in cerebrospinaler Flüssigkeit oder in physio-
logischer Kochsalzlösung. Zur Fixierung versuchte ich viele der in der
mikroskopischen Technik gebräuchlichsten Gemische, wobei die Mehrzahl
derselben sich untauglich erwies. Einige derselben enthielten keine Osmium-
säure, infolgedessen zahlreiche fettähnliche Einschlüsse in dem Epithel
234 W. Hworostuchin:
unsichtbar blieben (Gemische von Carnoy-Gilson, Lenhossck, konzen-
trierte Sublimatlösung in physiologischer Kochsalzlösung u. a.); andere
Gemische enthielten Osmiumsäure, doch auch eine grosse Menge Essigsäure,
welche, soviel ich beurteilen kann, Veränderungen in diesem zarten Organ
verursachte (die Mitochondrien löste u. a.). Die besten Resultate ergab die
Fixierung der Präparate nach Altmann und abgeänderte Verfahren dieser
(1° Osmiumsäure und 2'»°o Kaliumbichromatlösung zu gleichen Teilen).
Gewöhnlich fixierte ich die Präparate 24 Stunden lang, wusch sie darauf in
Wasser aus und härtete sie in Alkohol von steigender Konzentration, schloss
sie in Paraffin ein und fertigte aus ihnen Schnitte von 3—4 „ Dicke an.
Zur Färbung benutzte ich hauptsächlich saures Fuchsin und Hämatoxylin
nach Heidenhain.
Bau des Epithels der Plexus chorioidei.
Meine Untersuchungen bestätigen teilweise die Beobachtungen
der angeführten Forscher, teilweise ergeben sie neue Befunde, die
ich nachstehend beschreiben werde.
Die Form der Epithelzellen, welche die Oberfläche des
Plexus chorioideus des vierten Ventrikels und der Seitenventrikel
bekleiden, ist äusserst mannigfaltig. Gewöhnlich weisen die Zellen
kubische Form auf, oder ihr Längsdurchmesser ist beträchtlich
grösser als der Querdurchmesser oder umgekehrt der Querdurch-
messer ist grösser als der Längsdurchmesser (Fig. I). Bereits
diese Grössenschwankungen der Zellen geben Veranlassung zur
Annahme, dass hierbei der Funktionszustand eine gewisse Rolle
spielt, obgleich beim Studium eines dermassen zarten Objektes,
wie es die Plexus chorioidei sind, die Möglichkeit einer Form-
veränderung der Zelle durch rein mechanische Ursachen, wie z. B.
durch Zerrung der Membran während der Präparation u. dgl. ins
Auge gefasst werden muss.
Bereits bei Hüchtiger Durchsicht der Präparate ist es jedoch
nicht schwer, in den einzelnen Zellen eine wechselnde Menge von
Granula wahrzunehmen (Fig. I), während bei einer genauen
Beobachtung ein gewisser Unterschied in dem Bau der Granula
erkannt werden kann.
So fand ich häufig im Epithel, welches den Plexus chorioideus
der Seitenventrikel und des vierten (Grehirnventrikels der Katze
auskleidet (nach einer Fixierung desselben in modifiziertem
Altmannschen Gemisch mit nachfolgender Hämatoxylinfärbung
nach Heidenhain) kubische Zellen, deren Protoplasma eine
beträchtliche Menge körniger Fäden, welche ihrer Form und ihrer
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 235
Lage nach an Mitochondrien erinnern, sowie eine geringe Anzahl
einzelner Granula enthielten. Diese körnigen Fäden haben gewöhn-
lich Komma-, Bogen- oder Stäbchenform, doch werden auch wellen-
förmige Fäden verschiedener Länge angetroffen. Diese Gebilde
sind in der ganzen Zelle verstreut, wenngleich sie in grösserer
Zahl neben dem Kern im distalen Teil der Zelle sich vorfinden
(Fig. I und Fig. II, Zelle 2).
In einigen Zellen derselben Form ist umgekehrt eine grössere
Menge isolierter Körner und eine unbedeutende Anzahl von Fäden
vorhanden. Die Körnchen selber sind in diesen Fällen verschieden
gross (Fig. II, Zelle 1 und 3: Fig. VI, Zelle 2). Derartige Bilder
habe ich auch bisweilen auf Präparaten gesehen, die nach dem
Originalverfahren von Altmann behandelt worden waren.
Fernerhin werden auf Präparaten, die nach denselben Ver-
fahren bearbeitet worden sind, Zellen angetroffen, in denen nur
kleine, mehr oder weniger gleichmässig gefärbte Granula, häufig
in dermassen grosser Anzahl, dass die ganze Zelle von ihnen
angefüllt zu sein scheint, sich vorfinden. Die Granula sind in
diesen Fällen hauptsächlich im distalen Zellabschnitt, sowie zu
beiden Seiten des Kerns angeordnet; bisweilen jedoch werden
einige Granula auch unterhalb des Kerns angetroffen (Fig. VII,
Zelle 1, Fig. IV, Fig. V, Zelle 4).
Ausserdem sind auch Bilder wie folgt sichtbar: die ganze
Zelle von mehr oder weniger länglicher Form ist dicht angefüllt
von Granulis der verschiedensten Form und der verschiedensten
Färbungsintensität; dieselben sind unregelmässig in der Zelle ver-
streut, wobei die grössten und am stärksten gefärbten Granulain dem
distalen Zellteil sich vorfinden (Fig. V, Zelle 7; Fig. VI, Zelle 1 und 3).
In anderen hohen Zellen werden neben kleinen homogenen
Granulis bisweilen hauptsächlich in der Nähe des Zellgipfels
besondere grosse „Granula mit hellem Zentrum“ oder „Tropfen
mit stark gefärbtem Saum“, wie sie von einigen Forschern
bezeichnet werden, angetroffen (Fig. V, Zelle 3 und 6; Fig. VII,
Zelle 2). Sie erinnern einigermassen an die von M. Heidenhain
in der Beckendrüse von Triton helveticus, von Nicolas in den
Tränendrüsen sowie von anderen Forschern in Drüsen mit flüssiger
Sekretion beschriebenen „Halbmondkörperchen“.
Am häufigsten finden sich jedoch in den hohen Zellen ausser
verschiedenen Granulaarten noch Vakuolen. Sie sind gewöhnlich
236 W. Hworostuehin:
neben den „Granulis mit hellem Zentrum“ gelegen und infolge-
dessen bisweilen schwer von ihnen zu unterscheiden (Fig. \V.
Zelle 1 und 2; Fig. VII, Zelle 3 und 4).
Wie aus der vorliegenden Darstellung hervorgeht, ist zwischen
der Zellform und der Struktur derselben eine gewisse (Gresetz-
mässigkeit vorhanden. Diese (Gresetzmässigkeit kann natürlich
nur als allgemeine Regel, als Bilder, die am häufigsten anzutreffen
sind, angesehen werden; in seltenen Fällen fand ich jedoch auch
Ausnahmen von dieser Regel, die jedoch eine Erklärung zuliessen.
Die vermerkte (resetzmässigkeit, das Vorhandensein von
Mitochondrien und Halbmondkörperchen geben meiner Meinung
nach einen Hinweis auf den Sekretionsmechanismus des Plexus-
epithels. Soviel ich beurteilen kann, verläuft der Sekretions-
prozess folgendermassen: die einzelnen Chondriomitenkörner
nehmen an Umfang zu. als nähmen sie Nährmaterial aus dem
Protoplasma auf: derartige Körner treten in stets zunehmender
Zahl auf, während die Zahl der Chondriomiten abnimmt. Weiter-
hin nehmen die Körner (Granula) an Grösse zu, in ihnen geht
ein komplizierter Prozess vor sich, der sich äusserlich durch eine
intensivere Färbung der Granula mit saurem Fuchsin und Häma-
toxylin nach Heidenhain dokumentiert. Alsdann folgt gleich-
sam eine Lösung und Umwandlung derselben in Sekrettropfen.
Von der Richtigkeit der hier dargelegten Annahme werde
ich überzeugt durch die in letzter Zeit angestellten Unter-
suchungen an verschiedenen typischen Drüsen. So fanden Regaud
et Mawas (1909) Mitochondrien in der Parotis und der Sub-
maxillaris und vermerkten ihre Beteiligung an der Sekretions-
tätigkeit,. dasselbe beschrieb auch Regaud (1909) in der Niere,
Policard (1909) und Fiessinger (1909) in der Leber u. a.
Unwillkürlich taucht nun die Frage auf, was denn die
Epithelzellen des Plexus chorioideus vorbereiten ?
Auf meinen nach Altmanns Verfahren behandelten Prä-
paraten sind fast immer in den Zellen Körner zweierlei Art
sichtbar. Die einen derselben färben sich mit saurem Fuchsin und
haben die Form und die Grösse typischer Sekretgranula; andere
färben sich mit Osmiumsäure schwarz (bei Kaninchen und Hasen),
oder dunkelgrau (beim Pferd) oder hellgrau mit einem gelblichen
Farbenton (bei Katzen u. a.); ihre Grösse und Form ist äusserst
verschieden. In einigen Zellen sind sie klein und einzeln ver-
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioidenus. 237
streut (Fig. VIII; Fig. I, Zelle d); in anderen liegen derartige
Körner in Gruppen, vorwiegend zu vier, zusammen. Ausser
kleinen Körnern und einzelnen kleinen Anhäufungen derselben
sind in den Zellen auch grössere Granula sichtbar (Fig. I). Am
häufigsten besonders bei Katzen, Pferden, Hasen und Kaninchen
werden grosse, bald homogene, bald körnige, kugelförmige Gebilde,
oder wie sie von einigen Autoren bezeichnet werden „Gebilde
von Morulaform“ angetroffen (Fig. V, Zelle 1 und 3; Fig. I,
Zelle ce; Fig. VI).
In welchem Wechselverhältnis beide Arten von Granula
stehen, habe ich nicht feststellen können ; ich will nur vermerken,
dass in Zellen, in denen viele fuchsinophile Granula vorhanden
sind, die mit Osmiumsäure gefärbten kugelförmigen Gebilde nur in
geringer Zahl sichtbar sind. nicht selten nur ein grosses (rebilde
im basalen Teil der Zelle.
Auf Grund meiner Beobachtungen kann ich mit Bestimmt-
heit aussagen, dass Meek mit seiner Behauptung, als würden
die grossen kugelförmigen Gebilde unter normalen Bedingungen
nur bei Kaninchen angetroffen, nieht im Recht ist; unrichtig sind
meiner Meinung nach auch seine Schlüsse über zweierlei Arten
von Sekretion. Es ist schwer, anzunehmen, dass bei allen von
mir untersuchten Tieren (Katzen, Pferden, Hasen u. a.) die
Epithelzellen des Plexus chorioideus sich unter anormalen Be-
dingungen befunden haben. Diese Gebilde haben ausserdem auch
viele andere Forscher beschrieben, wobei sie am häufigsten für
Tropfen einer fettähnlichen Substanz gehalten wurden (Loeper,
Engel [1909], Imamura); Galeotti und einige andere
erklärten sie für Pigment, Joschimura für Leeithin. Auf Grund
einer Reihe von Reaktionen, in Berücksichtigung der Lösung der
Substanz der kugelförmigen Gebilde in Alkohol und Äther, ihres
Verhaltens zu Osmiumsäure und zu der speziellen Reaktion von
Ciaccio!), halte ich es für das wahrscheinlichste, dass in den
Bestand dieser Gebilde Lecithin eingeht.
Galeotti. Engel und einige andere Autoren beschreiben
noch besondere grosse basophile Gebilde. Ich sah sie nur ein-
!; Das Nachweisverfahren von Leeithin nach Ciaccio gründet sich
auf die Tatsache, dass das Lecithin nach einer Behandlung mit alkalischen
Bicbromaten in den gewöhnlichen Fettlösungsmitteln unlöslich wird. Diese
Reaktion ergab jedoch bei mir nicht immer günstige Resultate.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 7
239 W. Hworostuchin:
bis zweimal in Präparaten, die nach Hermann und Galeotti
fixiert und mit saurem Fuchsin und Lichtgrün gefärbt worden
waren. Zunächst hielt ich sie für grosse basophile Gebilde, bei
einer genaueren Untersuchung und nach Fixierung von Teilen
desselben Stückes in verschiedenen Flüssigkeiten habe ich mich
davon überzeugt, dass hier dieselben fettähnlichen (Leeithin) Gebilde
vorliegen, welche ich soeben beschrieben habe.
Auf ungefärbten, in Hermannscher Flüssigkeit fixierten
Präparaten erscheinen sie matt, auf solchen, die mit Lichtgrün
gefärbt waren, weisen sie einen leicht grünlichen Ton, wie das
gesamte Protoplasma, auf. Es liegt kein Grund vor, anzunehmen,
dass die basophilen Granula bei der Behandlung zerstört werden,
da das fixierte Material dasselbe Strukturbild vom Epithel des
Plexus chorioideus ergibt, wie frisches Gewebe (Fig. XII).
Am Schlusse der Beschreibung der sekretorischen Erschei-
nungen im Epithel muss ich noch die Frage über die Beteiligung des
Kernes an diesem Prozesse berühren. Eine unmittelbare Beteiligung
des Kerns an der Bildung der Sekretgranula, wie sie einige
Autoren beschreiben (Galeotti u. a.), habe ich nicht gesehen.
Ich kann nur angeben, dass ich Kernveränderungen in verschiedenen
Phasen der sekretorischen Tätigkeit der Zellen gesehen habe,
jedoch keinerlei (resetzmässigkeit festzustellen vermochte. Ich
lasse daher diese Frage offen. Das einzige, was ich über die
Kerne in den Epithelzellen des Plexus chorioideus aussagen kann,
ist, dass ich vielfach beim Hasen, seltener bei Affen, noch seltener
bei Katzen, Pferden und anderen Tieren, zweikernige Zellen
wahrgenommen habe (Fig. IX; Fig. I, Zelle b). In einigen Fällen
berührten sich die Kerne (Fig. X). Da ich in den Kernen keine
Mitosen gesehen habe, einige Bilder jedoch auf eine direkte
Teilung hinwiesen, so ist die Annahme zulässig, dass sich die
Kerne hier amitotisch teilen.
Häufiger als auf Schnitten habe ich zweikernige Zellen auf
Flächenpräparaten nach Behandlung derselben mit Methylenblau
gesehen. In ein bis zwei Fällen habe ich (beim Hasen) drei-
kernige Zellen gesehen (Fig. IX).
Soviel mir bekannt ist, ist eine Teilung der Epithelzellen
und speziell zwei- und dreikerniger Zellen von niemand früher
im Epithel des Plexus chorioideus vermerkt worden.
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 28:
Nerven der Plexus chorioidei.
Nachdem ich mich von der sekretorischen Tätigkeit des
den Plexus chorioideus bedeckenden Epithels überzeugt hatte,
interessierte mich die Frage über die Ausbreitung der Nerven
in diesem Organ. Literaturangaben über diese Nerven sind nur
wenige vorhanden; sie geben keine positive Antwort auf die
gestellte Frage. In der älteren Arbeit von Benedikt (1874)
sind nur einige Hinweise darauf vorhanden, dass in dem Plexus
chorioideus des vierten Ventrikels Äste vom Nervus vagus teils
mit den Blutgefässen, teils jedoch anscheinend zum Epithel des
Plexus verlaufen.
Einige neue Befunde ergaben die Arbeiten von Findlay
(1599) und Bochenek (1899). Findlay hat entgegen Bochenek
nur vaso-motorische Nervenfasern gesehen, während letzterer beim
Frosch in der Paraphyse ein grosses Geflecht auf den Blutgefässen
beschreibt, welches Ästchen zum Plexus chorioideus der Seiten-
ventrikel abgibt. Die das Geflecht bildenden Nerven stammen,
wie Bochenek nachweisen konnte, aus den die Carotis cerebralis
umflechtenden Plexus sympathicus.
Aus dem Mitgeteilten geht hervor, dass noch niemand aus-
führlich die Nervenverteilung in den Plexus chorioidei selber
verfolgt hat, infolgedessen ich mich bemüht habe, diese Frage
vermittels einer Färbung der Nerven mit Methylenblau klar-
zustellen. Ich färbte hierbei folgendermassen: am Gehirn eines
frisch getöteten Tieres öftnete ich vorsichtig die Gehirnventrikel.
Ich entfernte die überflüssigen Gehirnteile, wobei ich nur diejenigen
Gehirnabschnitte unberührt liess, welche dem Plexus chorioideus
anliegen; darauf feuchtete ich die Oberfläche des letzteren mit
einer geringen Menge einer schwachen Methylenblaulösung
('/s/o—/ı6°/o) an, worauf das Präparat in einem Tihermostaten
auf eine für verschiedene Tiere verschiedene Zeit aufgestellt
wurde; von Zeit zu Zeit kontrollierte ich den Verlauf der Färbung
unter dem Mikroskop. Ich fixierte die Präparate nach der Färbung
in molybdänsaurem Ammonium.
Mein Hauptaugenmerk richtete ich auf das Studium der
Nerven des Plexus chorioideus des vierten Ventrikels und der
Seitenventrikel. In dem Teil des Plexus chorioideus des dritten
Ventrikels, welcher dem Foramen Monroi gegenüber liegt, habe
ich ein grosses breitmaschiges Geflecht aus sehr dicken mark-
1Y7G
I4U W. Hworostuchin:
haltigen und marklosen Nervenfasern gesehen. Im Plexus
chorioideus des Seitenventrikels habe ich an verschiedenen Stellen
ein breitmaschiges Geflecht aus markhaltigen und marklosen
Fasern angetroffen; nirgends waren dieselben jedoch so dick, wie
in dem angegebenen Geflecht des dritten Ventrikels. Bisweilen
habe ich wahrnehmen können, dass von einem Ast des Greflechts
sich feinere Zweige absondern, die ihrerseits in noch feinere
zerfielen. Letztere vertlechten sich miteinander, wobei das gebildete
(reflecht unmittelbar unter dem Epithel des Plexus liegt (Fig. XII).
In einigen Fällen konnte ich feststellen, dass von einigen
Astehen des subepithelialen Geflechts feine Fädchen abgingen,
die auf der Oberfläche der Epithelzellen endigten. Ausser diesem
(Geflecht werden natürlich stets von ihnen deutlich unterschiedliche
(reflechte auf den zahlreichen Blutgefässen angetroffen.
In dem Plexus chorioideus des vierten Ventrikels sah ich
den Eintritt dicker Nervenfasern mit der Arteria cerebelli inferior
posterior; auch in ihm habe ich wie in dem Plexus der Seitenventrikel
häufig zarte subepitheliale (reflechte sowie Greflechte auf den Blut-
gefüssen beobachtet.
Ependym.
ei der Fixierung ganzer (Gehirne kleiner Tiere hatte ich
(elegenheit, auch den Bau des Ependyms des Seitenventrikels
kennen zu lernen. Auf derartigen Präparaten konnte ich in
den Ependymzellen deutlich sowohl fuchsinophile Granula als auch
Vakuolen wahrnehmen. Diese Bilder bestätigen die von Stud-
nıcka (1900) ausgesprochene Annahme von einer sekretorischen
Tätigkeit überhaupt des Ependyms der Gehirnhöhlen.
Ergebnisse.
Das Studium des feineren Baues des den Plexus chorioideus
des Seitenventrikels und des vierten Gehirnventrikels bedeckenden
Epithels ergibt positive Resultate hinsichtlich der Beteiligung
derselben an der Bildung des Liquor cerebrospinalis.
In den ruhenden Drüsenzellen des Plexus chorioideus sowie
in den frühen Sekretionsstadien sind Mitochondrien vorhanden,
hinsichtlich derer Gründe vorliegen, sie für identisch mit den
vegetativen Fäden Altmanns zu halten. In den späteren
Sekretionsstadien sind in den Epithelzellen Gebilde sichtbar. die
an die Halbmondkörperchen von M. Heidenhain erinnern.
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 241
Zahlreiche Nervenfasern bilden im Plexus chorioideus
gröbere und feinere Geflechte sowohl auf den Blutgefässen als
auch unterhalb des Plexusepithels, wobei vom subepithelialen
Geflecht feinste Fädchen abgehen, welche auf der Oberfläche der
Epithelzellen endigen.
Die Epithelzellen des Plexus chorioideus enthalten gewöhnlich
einen Kern, doch werden auch zwei- und dreikernige Zellen
angetroffen, wobei die Teilung des Kerns augenscheinlich durch
Amitose erfolgt.
Hinsichtlich der von den Drüsenzellen ausgearbeiteten Produkte
gelang es mir nur festzustellen, dass unter ihnen Leeithin vor-
handen ist.
242 W. Hworostuchin:
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Polieard: Notes histophysiologiques sur la cellule hepatique. Comp.
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') Diese Arbeiten waren mir nur in Auszügen bekannt.
Zur Frage über den Bau des Plexus chorioideus. 243
Prenant: Les mitochondries et l’ergastoplasme. Journ. de l’Anatom. et
de la Phys., Nr. 3, 1910.
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Regaud: Partieipation du chondriome A la formation des grains de
segregation dans les cellules des tubes contournes du rein. Comp.
rend. de la Soc. Biol., 1909.
Schläpfer'): Über den Bau und die Funktion der Epithelzellen des
Plexus chorioideus Zieglers Beiträge, VII, 1905.
Studniäka: Untersuchungen über den Bau des Ependyms der nervösen
Zentralorgane. Anat. Hefte, H. XLVIII, 1900.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel X.
Fig. 1. Katze. Schnitt durch den Plexus chorioideus des vierten Hirn-
ventrikels. Behandlung nach Altmann. Reichert, homog.
Immers. !/ı2. Okul. Leitz I. Eingeschobener Tubus. Abbildung
vergrössert. a — Vakuolen; b — zweikernige Zelle; € —= grosses
fettähnliches Gebilde; d — zwei Arten von Granula: 1. fuchsinophile,
2. mit Ösmiumsäure gefärbte; e == Durchschnitt einer drüsenförmigen
Einsenkung des Plexus chorioideus. Sämtliche Zellen enthalten
fuchsinophile Zellen in verschiedener Menge.
Fig. 2. Katze. Das den Seitenventrikel bedeckende Epithel. Fixiert. in
dem modifizierten Gemisch von Altmann. Färbung mit Häma-
toxylin nach Heidenhain. Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm.
Comp.-Okul, 8. Tubuslänge 160. Mitochondrien sowie eine geringe
Menge von Granula sichtbar
Fig. 3. Katze. Seitenventrikel. Fixierung, Färbung und Vergrösserung
wie in Fig. 2 In der mittleren Zelle sind Mitochondrien und
kleine Granula, in den seitlich gelegenen eine grössere Anzahl von
Granula sichtbar.
Fig. 4. Maus. Seitenventrikel. Fixierung und Färbung nach Altmann.
Apochromat Zeiss 1,30, 2 mm. Okul. Reichert 4. Tubus-
länge 160. Fuchsinophile Körner.
Pferd. Seitenventrikel. Fixierung und Färbung wie in Fig. 4.
Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm. Comp.-Okul. 8. Tubuslänge 160,
Fuchsinophile Körner; Haibmondkörperchen; Vakuolen; fettähnliche
rebilde.
Fig. 6. Katze. Vierter Ventrikel. Fixierung und Färbung wie in Fig. 2.
Apochromat Zeiss 1.30, 2 mm. Comp.-Okul. 8.
Fig. 7. Katze. Seitenventrikel. Behandlung wie in Fig. 2. Zeiss, Apo-
chromat 1,50, 2 mm. Comp.-Okul. 8. Tubuslänge 160.
=
IS
oo.
!) Diese Arbeiten waren mir nur in Auszügen bekannt.
Fig.
Fig.
ig. 13.
10.
julk
W. Hworostuehin: Zur Frage über den Bau ete.
Affe. Seitenventrikel. Fixierung und Färbung nach Altmann.
Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm. Comp.-Okul. 12. Tubuslänge 160.
Zwei Arten von Granula.
Affe. Vierter Ventrikel. Behandlung nach Altmann; Tusch-
zeichnung. Zeiss, Apochromat 1,30, 2 mm. Comp.-Okul. 12.
Tubuslänge 160.
Dasselbe Präparat. Vergrösserung wie in Fig. 7.
Hase. Seitenventrikel. Oberflächenansicht. Färbung in Methylen-
blau: fixiert in molybdänsaurem Ammonium. Vergrösserung wie
in Fig... a = in Alkohol aufgelöste fettähnliche Gebilde
Katze. Seitenventrikel. Frisches Gewebe in physiologischer Koch-
salzlösung. Sofort nach Eröffnung des Seitenventrikels abgezeichnet.
Reichert, homog. Immers. !"ı2; Okul.4. a = fettähnliche Ge-
bilde. Überall sind verschieden grosse glänzende Körner sichtbar.
Pferd. Seitenventrikel. Nervengeflecht im Plexus chorioideus.
Gefärbt mit Methylenblau; fixiert in molybdänsaurem Ammonium.
Reichert, homog. Immers. !Jı2; Comp.-Okul. 8. a — Blutgefässe;
b = markhaltige Nervenfasern; ce —= vasomotorische Nervenfasern;
d = marklose Nervenfasern. In der Tiefe ist das zarte subepitheliale
(Geflecht sichtbar.
[88}
mg
1
Betrachtungen über den tatsächlichen Bau und
die künstlich hervorgerufenen Deformationen der
markhaltigen Nervenfaser.
Von
J. Nageotte.
Hierzu Tafel XI und 4 Textfiguren.
Nichts ist leichter, als künstliche Netze in der Markscheide
der Nervenfasern sichtbar werden zu lassen; daher beschäftigen
sich seit langem schon die Histologen mit diesen Bildungen.
Erst kürzlich hat Nemiloff in zwei seiner Arbeiten sie wieder
aufleben lassen, indem er versuchte, ihnen mit Hilfe der Ehr-
lichschen Methode Beweiskraft zu verleihen.!)
Ich möchte den Mechanismus beleuchten, der jene Netz-
bildungen hervorruft und zeigen, wie sie gewöhnlich von wichtigen
Veränderungen des Achsenzylinders begleitet sind. Ich dächte,
es wäre an der Zeit, diese Artefakte auszuscheiden und eine
genaue Beschreibung der Struktur der Nervenfaser, jenes wunder-
baren Kraftleiters, zu geben, der man früher oder später das
(reheimnis des nervösen Fluidums ablocken wird.
Ich werde zuerst zeigen, wie die Nervenfaser gebildet ist,?)
wobei ich in allem auf dem Standpunkte objektiver Kritik bleiben
werde. Alsdann werde ich auf die Veränderungen der Nerven-
fasern eingehen. Es wird hier nur von der peripherischen Nerven-
faser die Rede sein; die zentrale Nervenfaser weicht in bezug
auf die Anordnung ihrer Elemente ein wenig von der peripheren
ab, ohne jedoch im Bauprinzip wesentlich verschieden zu sein.
Ich habe nur die Nerven der Säugetiere gründlich untersucht —
) Anton Nemiloff: Finige Beobachtungen über den Bau des
Nervengewebes bei Ganoiden und Knochenfischen. Teil II: Der Bau der
Nervenfasern. Arch. f. mikr. Anat.. Band 72, 1908. — Derselbe: Über die
Beziehung der sogenannten Zellen der Schwannschen Scheide zum
Myelin in den Nervenfasern von Säugetieren. Ibid., Bd. 76, 1910.
?) Ausführliche anatomische Einzelheiten, sowie ein Expose der
Fragen, die nicht in den Rahmen dieser Arbeit gehören, findet man in einer
Reihe von Mitteilungen (Societe de Biologie 1909 et 1910. Academie des
Sciences 1910. Comptes rendus de l’Association des Anatomistes 12 e r&union.
Bruxelles 1910.)
246 J. Nageotte:
aber ich habe mich davon überzeugen können, dass, abgesehen
von der Zahl der Schwannschen Zellen, kaum ein Unterschied
zwischen den Nerven der Fische und denen der höheren Säuge-
tiere besteht ; in diesem Punkte stimme ich durchaus mit Nemiloff
überein.
I. Die tatsächliche Struktur der markhaltigen
Nervenfaser.
Die nebenstehende schematische Darstellung (S. 247) fasst zu-
sammen, was ich in bezug auf die markhaltige Faser in Erfahrung
gebracht habe. Trotz ihres schematischen Charakters ist sie mit dem
Bestreben, die Formen und tatsächlichen Verhältnisse im ganzen
wie im einzelnen genau innezuhalten, hergestellt. Es finden sich
auf dieser Zeichnung Linien, deren Genauigkeit als absolut sicher
gelten darf und andere, die nur als wahrscheinlich bestehende
anzusehen sind; erstere sind diejenigen, die auf Grund wieder-
holter Beobachtungen an der überlebenden Nervenfaser ohne
Einwirkung eines Fixierungsmittels festgestellt wurden; letztere
sind diejenigen, welche die für histologische Untersuchungen
angewandten technischen Verfahren ergaben; selbst zahlreiche,
verschiedene und zusammenlaufende technische Verfahren können
nur zu Resultaten führen, die man nicht anders als wahr-
scheinliche und annähernd richtige bezeichnen darf.
a) Morphologie der markhaltigen Nervenfaser in
den interannulären Segmenten.
Die allgemeine Form der Faser, ihrer Einschnürungen und Ein-
kerbungen ergibt sich aus der Untersuchung eines gleich nach
seiner Entnahme in einer adäquaten Flüssigkeit (humor aqueus,
Blutserum, 1°/o Kochsalzlösung, Lösung von zitronensaurem Natron
von gleichem osmotischem Druck [A = — 0,55)|, dissoziierten
Nerven. Wenn man vorsichtig zu Wege geht, über eine gute
Objektivlinse verfügt und die Beleuchtung sorgfältig reguliert,
dann sieht man diejenigen Fasern, die von den Zufällen der
Zerfaserung verschont geblieben sind, sich in einer Reinheit der
Linien und Beständigkeit der Form darstellen, die von der Treue
der erhaltenen Bilder zeugen. Es genügt einmal eine unberührte
Faser gesehen zu haben, um zu verstehen, dass kein Artefakt
diesen zarten Kristallzylinder herzustellen vermöchte, der als
die primitive Form erscheint, aus der die ganze Reihe der
Über die markhaltige Nervenfaser. 247
traumatischen Veränderungen entspringt, die man auf dem übrigen
Teil des Präparates beobachten kann.
6.Sch.
.
F.My.
k
CN egyl.
Soll Rm.6.Sch.
C.My. N‘ il
NE.
D.6.Sch.
B. ep.
Fig. 1. Graphisch perspektivische Darstellung einer markhaltigen Nervenfaser.
Daneben rechts der Schnürring im Längsschnitt gesehen. F.My. — Myelin-
blätter; C.My. — Chondriomiten der Markscheide; C'.My. = Die von den
Chondriomiten auf der Oberfläche der Scheide gebildete Zeichnung; B. ep. =
Bracelet epineux (die Stacheln sind nur in der unteren Hälfte dargestellt);
C.Cyl. = Chondriomiten des Achsenzylinders; 1.I'. = Schmidt-Lanter-
mansche Einkerbung, enthaltend das Rezzonicosche Gerüst und Körner
(diese letzten nur auf einem Teil ihrer. Ausdehnung dargestellt); G.Sch. =
Schwannsche Scheide; D.G.Sch. — Blende der Schwannschen Scheide;
Rm.C. Sch. — Protoplasmatisches marginales Netz der Schwann schen
Zelle; N.F. — Neurofibrillen.
248 J. Nageoötte:
Man erkennt, dass der Achsenzylinder enorm ist im Ver-
hältnis zu dem Fortsatze des Zellkörpers, aus dem er hervor-
gegangen ist: ferner, dass die Markscheide in der ganzen Aus-
dehnung ein und derselben Faser eine durchaus gleichförmige
Dicke besitzt, die kaum ein Drittel vom Durchmesser des Achsen-
zylinders beträgt; bei den meisten Fasern ist das Verhältnis
sogar bedeutend geringer: !/a, !/s, '/)s, ja noch weniger. Die
Abplattung der Faser durch den Druck des Deckglases kann
allerdings den Achsenzylinder umfangreicher erscheinen lassen,
als er ist. Dieses ist Ursache von Irrtümern, die jedoch minimal
sind, wenn man sich an diejenigen Fasern hält, deren Kaliber
auf einer gewissen Strecke sich merklich gleich bleibt. Sobald
also die Markscheide eine Dicke annimmt, die derjenigen des
Achsenzylinderdurchmessers gleich oder ihr überlegen ist, kann
man getrost behaupten, dass ein Artefakt vorliegt. Wollte man
solche Bilder als der Wirklichkeit entsprechend auffassen, so
hiesse das einen groben Irrtum begehen, der viele andere nach
sich zieht, wie wir weiterhin sehen werden.
Bei der Zerfaserung frischer Nerven sieht man auch sehr
gut die C'hondriomiten des Achsenzylinders. Doch scheinen
hier im Gegensatz zu dem, was von anderer Seite behauptet
wird, die Neurofibrillen selbst mit Hilfe von Belichtung auf
dunklem Grunde (Paraboloid-Hohlspiegel von Siedentopf) nicht
sichtbar zu werden — ausgenommen vielleicht unter gewissen
physiologischen Bedingungen.
Blättrige Struktur der Markscheide.
Wenn wir einen Augenblick die normalen Bilder verlassen,
um die traumatischen Artefakte zu betrachten, so sehen wir,
dass sich die Substanz der Nervenscheide bei leichter Verletzung
in äusserst dünne Lamellen spaltet. Diese Gebilde sind _ seit
langem bekannt, sind aber oft falsch gedeutet worden. Manche
Autoren beschreiben Fäden, die in Wirklichkeit nur optische
Schnitte von dünnen Lamellen sind; es bilden sich bei den ver-
schiedenen Arten von Veränderungen der Nervenscheide keinerlei
Fäden, die Lamellen trennen sich vielmehr indem sie vielerlei
Windungen beschreiben und so jede für sich allein sichtbar wird.
Die Spaltung beginnt mit den Schmidt-Lantermanschen
Einkerbungen und gibt über den schon Mauthner bekannten
Über die markhaltige Nervenfaser. 249
blättrigen Bau des Myelins wertvolle Aufschlüsse, die durch ver-
schiedene andere Tatsachen bestätigt werden. Da dieses ein für
die Physiker äusserst interessanter Punkt ist, will ich etwas
länger dabei verweilen... Man kann diese Struktur sehr leicht
auf Querschnitten von Nerven sichtbar werden lassen; es genügt,
die Nerven einen Tag in Kaliumbichromat mit 2,5°/o Essigsäure
zu fixieren und sie mit Eisenhämatoxylin zu färben. Man bemerkt
alsdann ein Quellen des Myelins, das um so stärker ist, je grösser
der Zusatz an Essigsäure ist, und das von einem entsprechenden
Schrumpfen des Achsenzylinders begleitet wird, der auf dem
Schnitt ein sternförmiges Aussehen annimmt. Das (Quellen der
Scheide wird durch das Auseinandertreten der Blätter verursacht,
die sich wunderbar schön. in Form von sechs bis sieben kon-
zentrischen Kreisen darstellen. Ein sternförmiges Gebilde, das
vom Achsenzylinder ausgeht, durchschneidet diese Kreise und
bringt eine Zeichnung hervor, die einem Spinngewebe oder dem
(Querschnitt eines Baumstammes gleicht. Wir werden weiterhin
sehen, dass diese strahlentörmig angeordneten Bahnen aus Proto-
plasma bestehen, das sich direkt auf den Achsenzylinder fort-
setzend die unzähligen Chondromiten der Markscheide enthält.
Je nachdem nur Kaliumbichromat mit Essigsäure verwendet wird
oder der Fixierung ein mehr oder weniger langes Verweilen in
einfachem Kaliumbichromat folgt, werden entweder die proto-
plasmatischen Linien oder die Kreise des Myelins besser zum
Vorschein kommen. (Photo. 20 und 23 der Taf. XJ).
Diese Zerlegung der Markscheide durch Kaliumbichromat
mit Essigsäure zeigt also, ebenso wie die Dissoziation im frischen
Zustande, den blättrigen Bau der Markscheide. Sie spaltet diese
aber in eine viel geringere Anzahl von Blättern. Da die Zahl
der so sichtbar werdenden Blätter sich ziemlich gleich bleibt
(ich habe nur die gröbsten Fasern im Auge) und ihre Dicke
gleich ist, so denke ich, dass jedes von ihnen aus der Verlötung
einer bestimmten Anzahl feinerer, elementarer Lamellen besteht;
die Leichtigkeit, mit der sie sich trennen, lässt mich annehmen,
dass sie im lebenden Zustande durch äusserst feine Schichten
einer Substanz voneinander isoliert sind, die nur zu quellen
braucht, um die beobachteten Wirkungen hervorzurufen.
Man könnte vermuten, dass die so erscheinenden Kreise
nicht das Mvelin selbst, sondern gerade diese hypothetische
250 J. Nageotte:
Substanz darstellen, die zwischen den Blättern des Myelins ein-
gelagert zu sein scheint. Aus verschiedenen Gründen halte ich
letztere Annahme nicht für richtig. Übrigens ist dies aber
durchaus unwichtig; in jedem Falle ist das physikalische Resultat
dasselbe:
Die Nervenscheide ist wie ein Kondensator gebaut.
Um einen solchen Bau besser zu verstehen, bringe man
auf chemischem Wege gewonnenes, in Alkohol gelöstes reines
Myelin in Wasser und untersuche die Mischung unter dem
Mikroskop. Diese Substanz lagert sich in Gestalt von Hohl-
kugeln ab, von denen Hohlzylinder ausgehen, die wirklichen
Nervenschläuchen zum Verwechseln ähnlich sehen. In jedem der
erhaltenen Bilder sind die Wände wie die Scheide der Nerven-
faser an jedem ihrer Punkte von gleicher Dicke, sie besitzen
dasselbe glänzende Aussehen und doppelte Lichtbrechung. Meist
sieht man sehr deutlich, dass diese Wände Streifungen zeigen
und sogar eine viel deutlichere blättrige Struktur besitzen als
die Scheide der Nervenfaser, da sie ohne Hilfe von Dissoziation
erscheint.
Die chemische Substanz, die man Myelin nennt, besitzt also
die Eigenschaft, sich in Lamellen anzuordnen, wenn sie durch
ein auflösendes Reagens wie Alkohol flüssig gemacht ist und
durch Zusatz von Wasser in den Zustand grosser Zerteilung
gebracht wird. Diese Eigenschaft macht es zu einem flüssigen
Kristalle, was man an seiner doppelten Lichtbrechung erkennt.
Das Experiment zeigt, dass die sich so bildenden Lamellen-
systeme sich so viel man will auseinander ziehen lassen, aber
nicht wieder zusammengehen. Da sie jeder Elastizität bar sind,
behalten sie die einmal angenommenen Dimensionen; wir werden
später diesen Mangel an Elastizität bei den Veränderungen der
Markscheide unter dem Einfluss von Verletzungen näher betrachten.
Eine Folge dieser physikalischen Eigentümlichkeiten ist die
Beständigkeit der Bildungen in Gestalt von Hohlzylindern, trotz-
dem die flüssige Natur der Substanz das Bestreben zeigen müsste,
eine sphärische (Gestalt anzunehmen. Da die Zylinder nun aber
geschlossen und ihre Kapazität begrenzt ist, könnte eine solche
Umwandlung nur dank einer Zusammenziehung der Wände,
begleitet von einer Verdickung der Lamellen zustande kommen,
Über die markhaltige Nervenfaser. 251
was mir unter den gegebenen Bedingungen des Experiments nicht
möglich scheint. Dies alles zeigt, dass in der Myelin gewisse
Kräfte vorhanden sind, die teils als Antagonisten der ober-
tlächlichen Spannung wirken.
Die Umbildung des Zylinders in Kugeln kann also nur
durch Segmentierung stattfinden, wenn die Zylinder lang genug
sind, und das findet in der Tat bei der Wallerschen Entartung
statt, wenn der Achsenzylinder zerfällt. Die Konsistenz des
normalen Zylinders genügt, um diese Neigung zur Segmentierung
zu verhindern, die sich im Beginn der Wallerschen Entartung
oder bei eben ausgeschnittenen Nerven durch eine rosenkranz-
förmige Bildung äussert, die den Anfang eines Zerfalls des
Zylinders andeutet.
Die Markscheide der lebenden Faser bleibt also im Gleich-
gewicht in ihrer zylindrischen Form, ohne dass man irgend einen
Stützapparat für sie anzunehmen brauchte. Der gegenseitige
Druck der Fasern im Nerven kann nur dazu beitragen, dieses
(Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Selbstverständlich kann aber
dieser ganze Bau, der auf dem Spiel der molekulären Kräfte
beruht, nur in den Grenzen der gewöhnlichen Dimensionen der
Nervenfasern stabil bleiben.
b) Die Ranvierschen Schnürringe und die Doubles
bracelets Epineux.
Die Morphologie der Schnürringe beruht natürlich auf dem
blättrigen Bau des Myelins und darum verweise ich an dieser
Stelle darauf. Mein Schema, die Textfig. 2 und die Fig. 1—14
der Taf. XI zeigen, wie die Scheide sich am äussersten Ende
jedes Segments umbiegt, indem sie einen regulären Bogen
beschreibt, um sich senkrecht zu dem Achsenzylinder zu stellen,
und nun den verengten Teil desselben ringförmig zu umgeben.
Auf diesem ganzen Wege behält die Scheide ihre unveränderte
Dicke; da der Teil des Achsenzylinders, auf dem sie endet,
ebenfalls genau zylindrisch ist, so setzt sich also im normalen
Schnitte die Markscheide auf dem Achsenzylinder fest, und zwar
so, dass jedes Blatt der Scheide mit seinem Rande dem Achsenzylinder
anhaftet. Alle Flächen haben hier eine geometrische Form und
die Winkel sind scharf ausspringend, weil die Elementarlamellen
der Markscheide alle in derselben Höhe durchschnitten sind.
[&S}
oa
IN
J. Nageotte:
Man hat viel über die Morphologie dieses Teiles der Nerven-
faser gestritten und scheint im allgemeinen der von Nemiloff
vertretenen Meinung beizustimmen: Der Achsenzylinder behalte
Fig. 2. Ranviersche Schnürringe N. ischiadieus des Kaninchens; die
Fasern wurden unter den gröbsten ausgewählt. Vergrösserung 1150. Apo-
chromat 2 mm, Apert. 1,40, Comp.-Okul. 4, Zeiss. (Die photographischen
Negative wurden mit 650 Durchmesser hergestellt.) a und b — frische
Nerven, dissoziiert in einer isotonischen Lösung von zitronensaurem Natron.
Man bemerkt die regelmässig zylindrische Form des engen Teils des Achsen-
zylinders und das Fehlen von renflements biconiques; die Regelmässigkeit der
Kurven, welche die gegeneinander lehnenden Myelinkuppeln beschreiben: die
scharfen Winkel, die die beiden Oberflächen dieser Kuppeln mit der zylin-
drischen Wand des sie durchschneidenden Kanals bilden; endlich die feine
Querstreifung dieser Wand. ce = ein in Laguessescher Flüssigkeit J
fixierter Nerv, mit Säurefuchsin gefärbt (Paraffinschnitt). Man sieht den
„eylindre de renforcement de la gaine du cylindraxe“ sich ohne Unterbrechung
auf der ganzen Länge des engen Teils des Achsenzylinders hinziehen. Die
Markscheide ist auf der Höhe ihrer Einfügung in den engen Teil des Achsen-
zylinders etwas verdickt, infolge einer an dieser Stelle stattfindenden Spaltung
in Lamellen, die in der Figur nicht deutlich zu sehen ist; im übrigen Teil
ihres Verlaufes hat die Scheide wie auch der Achsenzylinder an Dicke ver-
loren. d = ein Nerv, der 14 Tage lang in 5°o Kaliumbichromat im Wärme-
schranke fixiert und mit Säurefuchsin nach Altmann gefärbt wurde (Paraffin-
Schnitt). Double bracelet &pineux, diskontinuierliche Bildung; Stacheln von
verschiedener Länge. Der Achsenzylinder ist nicht sichtbar. Man sieht, die
Faser seitlich begrenzend, die Balken des „reseau protoplasmique marginal“
der Schwannschen Zelle.
sein Volumen auf der Höhe des Schnürringes. Ich werde weiter-
hin darlegen, auf welche Artefakte und physiologische Besonderheiten
dieser Irrtum sich gründet.
Über die markhaltige Nervenfaser. 253
Es genügt, einmal einen intakten Schnürring an einer
durchaus frischen Nervenfaser beobachtet zu haben, was aller-
dings ziemlich schwer ist, um über diesen Punkt ins Klare zu
kommen.)
Das Studium der traumatischen Veränderungen der Schnür-
ring-Partie ist gleichfalls lehrreich; es gestattet ein deutliches
Erkennen der Insertion einer jeden durch Spaltung isolierten
Marklamelle auf den verengten Teil des Achsenzylinders. Ja,
gerade unter diesem mehr oder weniger deutlich ausgeprägten
Bilde stellte sich die grosse Mehrzahl der Schnürringe selbst in
den am besten gelungenen Dissoziationen dar. Die Empfindlichkeit
dieser Teile ist so gross, dass man nur ausnahmsweise im über-
lebenden Nerven einen ganz intakten Schnürring findet; das, was
man gewöhnlich sieht, sind Schnürringe, von denen nur die Hälfte
oder ein Viertel ihren normalen Bau bewahrt haben, sowie die
meisten der von mir photographierten. Es kann jedoch über die
tatsächliche Gestalt der Schnürringe kein Zweifel bestehen,
höchstens könnte man über den genauen Abstand zwischen den
zwei Myelinkuppeln streiten; sehr oft erscheint dieses infolge der
erlittenen Zerrungen übertrieben. Indem ich mich auf diejenigen
Bilder stütze, die mir am wenigsten deformiert schienen, glaube
ich annehmen zu dürfen, dass sie ungefähr den vierten Teil der
Dicke der Markscheide beträgt; das ungefähr zeigen die Präparate,
!) Das technische Verfahren, welches mir die besten Resultate
gegeben hat, ist folgendes: Bei einem jungen Kaninchen, das durch Verbluten
getötet wurde, legt man den Ischiadicus sorgfältig bloss, schneidet dann
mit der Spitze eines haarscharfen Seziermessers den N. tibialis int. der
Länge nach auf, durchschneidet den Ischiadicus mit der Schere und isoliert
ein Fragment von 5—6 mm, das man in einem Tropfen physiologischer
Kochsalzlösung oder besser in einer Lösung von zitronensaurem Natron von
gleichem osmotischem Druck auf den Objektträger bringt. Mit Hilfe von
Nadeln befreit man dieses Fragment von seiner zuvor geöffneten Scheide,
wobei man jede Zerrung sorgfältig vermeidet; es bleibt ein Nervenzylinder,
der unter dem Druck des Deckglases platt gedrückt wird. Die Bündel der
Wurzeln der Spinalnerven haben entgegen aller meiner Erwartung keine so
guten Resultate gegeben. Dünne Membranen, deren Studium oft anempfohlen
wurde, in der Absicht, jede traumatische Veränderung zu vermeiden, enthalten
zu feine Nervenfasern, als dass man die Morphologie der Schnürringe an
ihnen analysieren könnte; das beweist die Tatsache, dass keiner der Autoren,
die dieses Verfahren angewendet haben, die wesentlichen Punkte des Auf-
baus dieses Teiles gesehen haben.
Archiv f.mikr. Anat. Bd.77. Abt. I. 18
254 J. Nageotte:
auf denen die „bracelets“ nach Fixierung in Kaliumbichromat,
mit Säurefuchsin nach Altmann oder frisch nach Ehrlich-
Bethe gefärbt sind. Übrigens wird diese Entfernung zwischen den
Kuppeln je nach dem Spannungsgrad des Nerven verschieden sein.
Mehrere Reagentien gestatten die Gestalt der Schnürringe
wenigstens in ihren Hauptlinien zu erhalten: Osmiumsäure,
besonders Osmiumehromsäure und die Laguessesche Flüssigkeit J;
man darf aber die Nerven nicht spannen, wie man es gewöhnlich
tut: Die Längsschnitte solcher Stücke präsentieren sich zwar
lange nicht so schön, man vermeidet jedoch die Zerrungen, die
beim Fixieren eintreten können und eine verhängnisvolle Wirkung
auf die Schnürringe ausüben. Natürlich leidet die Sauberkeit
der Linien und an die Stelle der geometrischen Kurven treten
mehr oder weniger eckige Konturen. Endlich darf man nicht
vergessen, dass selbst in den besten Präparaten nur eine sehr
geringe Anzahl gut fixierter Schnürringe sich vorfindet (Textfig. 2, e).
Der verjüngte Teil des Achsenzylinders, der — ich wieder-
hole es — durchaus zylindrisch ist und, wenn intakt, keine Spur
von doppelkegelförmiger Verdickung zeigt, bildet alsodenSchluss-
stein für das Gewölbe der Markscheide. Der Kontakt wird
hergestellt mit Hilfe eines merkwürdigen Gebildes, das ich im
vorigen Jahre beschrieben habe: es ist das „Double bracelet
epineux“. Die Struktur desselben ist kompliziert, es besteht
1. aus einer nicht unterbrochenen zylindrischen Scheide, die den
Achsenzylinder in Höhe des Schnürringes umgibt und die ich
„eylindre de renforcement de la gaine du cylindraxe“ genannt
habe; 2. aus einer Serie kreisrunder Kämme („eretes“), fünf oder
sechs für jede Hälfte; 3. aus den auf diesen Kämmen sitzenden
Stacheln. Von alledem sieht man im frischen Zustand nur die
kreisrunden Kämme, die in Gestalt einer feinen Streifung auf
der Innenseite des zylindrischen Kanals erscheinen, der durch
die Durchbohrung der Markscheide seitens des verjüngten Teiles
des Achsenzylinders entstanden ist (Fig. 2a und b, Phot. 4 der
Taf. XD. Dieses genügt, um die Gewissheit zu haben, dass die
„bracelets“ im lebenden Zustande vorhanden sind und im all-
gemeinen eine Form haben, die grosse Ähnlichkeit mit derjenigen
besitzt, die wir sehen, wenn man sie elektiv färbt.
Dagegen werde ich mich wohl hüten, zu behaupten, dass in
Wirklichkeit solche Stacheln existieren, wie wir sie in den
Uber die markhaltige Nervenfaser. 259
Präparaten zu sehen bekommen. Gewiss existiert da aber eine
Substanz, die sich von allen benachbarten unterscheidet. Wenn
man nämlich einen Nerven eine Zeitlang — vielleicht eine Woche,
in Kaliumbichromat fixiert, dann erscheint die Markscheide mit
den Resten der Chondriome angefüllt, die zumeist stark ver-
ändert sind. Diese Reste, die sich lebhaft färben und eine Art
Netz bilden, ähnlich dem Protoplasmagerüst Nemiloffs, ver-
decken zum Teil die „Doubles bracelets epineux“. Hat man
dagegen die Nerven zwei Wochen lang in Doppelchromsaurem
Kali gelassen, dann färben sich die Chondriomreste kaum und
die bracelets wie auch die Körner der Schmidt-Lanter-
manschen Einkerbungen treten prächtig gefärbt hervor: ein
längeres Verweilen nimmt diesen beiden Organiten die Möglichkeit
sich zu färben. Die bracelets bestehen also aus einer Substanz,
deren Färbung eine andere Zeitdauer erfordert als die der
Chondriome.
Hätte Nemiloff das von mir angegebene Verfahren ange-
wandt, so hätte er sicher nicht so leichthin behauptet, dass sie
durch ich weiss nicht welches Artefakt entstehen. Sein Irrtum ist
um so weniger verständlich, als die „bracelets“ sehr gut nach Ehrlich
gefärbt werden können (Textfig. 3, Phot. 21 b., c.,d., Taf. XJ).
Allerdings ist es sehr schwierig, sie intakt zu erhalten, wegen
der Manipulationen, denen der frische Nerv bei dem Ehrlich schen
Verfahren unterworfen ist. Bald sind sie allein, bald zusammen
mit dem Achsenzylinder gefärbt, niemals aber habe ich gleich-
zeitig mit ihnen Fetzen von Protoplasma gefärbt gesehen. Die
Art und Weise des Färbens ist verschieden. Man kann einfach
eine dünne zylindrische Scheide haben, die den verjüngten Teil
des Achsenzylinders umhüllt, oder dieselbe Scheide mit parallelen
Kreisen, oder endlich eine vollständige Bildung mit Stacheln. Im
letzteren Falle aber schlägt sich das Blau in solcher Menge
nieder, dass alle Einzelheiten sich in der Trübung der gesamten
Bildung verlieren und dass die Trennung, die zwischen den beiden
Hälften des bracelet besteht, kaum sichtbar wird. Es kommt
vor, dass nur eine Hälfte sich färbt, während die andere voll-
kommen unsichtbar bleibt (Fig. 3, f).
Sehr oft werden die Bilder durch Läsionen verändert. Die
bracelets können in einen langen gleichförmigen Streifen ver-
wandelt werden, der sich am Achsenzylinder entlang zieht. Eine
18*
256 J. Nageotte:
interessante Veränderung erscheint aber unter dem Einfluss nicht
so starker Verletzungen: zuerst können die zwei Hälften weit
auseinander klaffen (Phot. 21, d); oft ist die Bildung durch
Zerrung dissoziiert und man sieht eine Serie von Kreisen, die
sich in drei bis vier voneinander getrennten Ringen zusammen-
schliessen (Fig. 3, e.. g.), einer dieser Ringe kann schräg stehen
und in einem Punkte dem darüber liegenden Ringe, in einem
diametral gegenüberliegenden Punkte dem unter ihm befindlichen
‘- Ringe anliegen. Alle diese Besonderheiten sind leicht zu ver-
=
=
EDS
ee
Be
EL u
Be a A
|
vun
>
(&
5 cr
4%
Fig. 3. Fasern von der Cauda equina des Meerschweinchens, mit Methylen-
blau nach Ehrlich-Bethe gefärbt. Apochromat 2 mm, Apert. 1,40, Comp.-
Okul. 8, Zeiss. Camera lucida. Vergrösserung 1350. a—d = verschiedene
Bilder von „Doubles bracelets epineux“, wenn sie nicht traumatisch verändert
sind; e und g — Veränderungen infolge von Spalten des Myelin in Lamellen;
bei f hat sich nur eine Hälfte des bracelet gefärbt; h — eine Nervenfaser,
wo das Chondriom der Markscheide gefärbt ist: man bemerkt die Dicke des
Achsenzylinders (vielleicht etwas übertrieben durch einen gewissen Grad der
Abplattung der Faser beim Präparieren), die Regelmässigkeit der Konturen
und die Dünne der Markscheide. Die Chondriomiten sind an den Rändern der
Faser dargestellt wie sie auf dem optischen axialen Schnitt erscheinen; im
übrigen Teil der Faser wurden sie so gezeichnet, wie man sie bei Ein-
stellung auf die Oberfläche sieht.
Uber die markhaltige Nervenfaser. 257
stehen, wenn man die Bildung kennt. Ein Blick auf die Reihe
der traumatischen Spaltungen des Myelins an diesem Punkte
genügt, um auf die Erklärung hingeführt zu werden, die man
diesen Abweichungen im Aussehen der bracelets geben muss
(Phot. 3—14 der Taf. XI).
Alles in allem gibt die Ehrlichsche Methode interessante
Resultate in bezug auf das Studium der Doubles bracelets &pineux:
sie trägt zur Erbringung des Beweises bei, dass hier eine besondere
Substanz vorhanden ist, fähig sich elektiv zu färben, selbst wenn
ihre Gestalt eine Veränderung erlitt; sie zeigt auch, dass die
Substanz wohl kaum dem Achsenzylinder anliegt, denn oft sieht
man diesen, sehr geschrumpft, hineingleiten in die zu weiten
bracelets, die sich von ıhm getrennt und ihre ursprünglichen
Dimensionen und ihre Form behalten haben; aber die durch das
Methylenblau gegebenen Bilder sind infolge der Bedingungen,
unter denen es angewandt wird, nicht so regelmässig und nicht
so genau. wie diejenigen, welche man nach der Altmannschen
Methode nach Fixierung mit Kaliumbichromat erhält.
Ich gehe hier nicht auf die Lage der Neurofibrillen in der Höhe
der Schnürringe ein; ich habe feststellen können, dass sie dieselben
durchschneiden, ohne eine andere Veränderung als ein durch die
Verjüngung des Achsenzylinders bedingtes Zusammenrücken zu
erleiden. Die interfibrilläre Substanz erleidet keine Unter-
brechung; die einzige Substanz, die in dem verengten Teil des
Achsenzylinders fehlt, ist die Flüssigkeit, die das physiologische
Ödem der interannulären Segmente verursacht ; ist diese Flüssigkeit
ausgeflossen, dann nimmt der Achsenzylinder überall den Durch-
messer an, den er normaler Weise beim passieren der Schnür-
ringe besitzt.
Die Morphologie der Schnürringe wird vervollständigt durch
die besondere Anordnung, welche die Schwannsche Scheide auf
dieser Höhe annimmt. Diese Scheide folgt dem Myelin getreulich
bis in die Nähe des Achsenzylinders, dann schlägt sie sich um
und begibt sich zu dem Myelin des benachbarten Segments. Da
die beiden Segmente der Markscheide an dem Punkte, wo sie
sich an den Achsenzylinder ansetzen, einander sehr nahe sind,
nimmt die Schwannsche Scheide die Form an, die ein elastischer
Schlauch haben würde, den man umschnürt hätte und es erscheint
eine Blende in der Höhlung des Achsenzylinders. Diese Blende,
258 J. Nageotte:
bestehend aus zwei Schichten, durch deren enge Öffnung der
Achsenzylinder geht, habe ich in einer anderen Arbeit näher be-
schrieben; ich will hier nicht weiter darauf zurückkommen und nur
daran erinnern, wie wenig Raum hier für die Ranviersche Ver-
wachsungsscheibe (disque de sondure), dieSchiefferdeckersche
/wischenscheibe, den Zwischenring Nemiloffs, übrig bleibt. Ich
habe keine Gelegenheit gehabt, diesen Ring nach der Ehrlichschen
Methode zu beobachten, aber ich kenne ihn aus den metallischen
Niederschlägen, die bei Behandlung mit Höllenstein sich darauf
festsetzen und ihm ein so übertriebenes Volumen geben.
Warum schlägt sich das Silber in solcher Menge in Form
eines bisweilen hohl erscheinenden Ringes nieder? Ich wüsste es
nicht zu sagen; doch kann ich behaupten, dass im lebenden Zustand
hier kein Platz für eine so voluminöse Bildung vorhanden ist. Es
sind also diese Bildungen, die nach Nemiloff in den mit Methylen-
blau hergestellten Präparaten wieder erscheinen, zum grossen Teil
durch die technische Behandlung erzeugte Kunstprodukte.
Ist der Raum zwischen der Öffnung der Blende und dem
Achsenzylinder sehr klein, so befindet sich jedoch oberhalb der
Scheide, wie Fig. 1 (rechts) schematisch darstellt, ein ziemlich
grosser leerer Raum zwischen der Schwannschen Scheide und
dem Mvelin. Dieser Raum wird durch ein unregelmässig geformtes
Stück Protoplasma ausgefüllt, welches sich ohne Unterbrechung
in die Gerüstfäden fortsetzt, denen ich den Namen „reseau proto-
plasmique marginal de la cellule de Schwann“ gegeben habe.
c) Die Schmidt-Lantermanschen Einkerbungen, ihre
körnige Struktur und das Rezzonicosche Gerüst.
Das tatsächliche Vorhandensein der Schmidt-Lanter-
manschen Kerbungen, deren Morphologie sehr leicht am frischen
Nerven sich studieren lässt, unterliegt keinem Zweifel mehr;
nicht so ihr Inhalt, der nur mit Hilfe von Reagentien sichtbar wird.
Die von mir beschriebene Körnelung wird durch eine
einzige Behandlungsmethode, Fixierung mit Chromsäure, sichtbar.
Die ihr zugrunde liegende Substanz existiert sicher. Aber nimmt
sie in Wirklichkeit die Form von Körnchen an, und unterscheidet
sie sich überhaupt von der Substanz der Rezzonicoschen
Fäden? Niemand vermag es zu sagen, einstweilen muss man
sich mit der Beschreibung der Befunde begnügen.
Über die markhaltige Nervenfaser. 259
Die Rezzonicoschen Fäden dagegen werden nach vier
Methoden gefärbt. 1. Behandlung mit Silber, durch die sie
zuerst gesehen wurden; 2. Fixierung mit Laguessescher
Flüssigkeit J, nach welcher wir sie in saurem Fuchsin in einer
Form, die Fig. 1 genau wiedergibt, färben konnten, 3. Fixierung
durch Kaliumbichromat mit Essigsäure, gleichfalls mit Färbung
durch Säurefuchsin; 4. endlich durch Osmiumsäure Durch
letztere habe ich sie kürzlich in Form von Fäden. die kaum
dunkler waren, als der Rest der Faser, sehen können. Bei dieser
Behandlung zeigen sie die gleiche Anordnung wie bei Fixierung
durch Laguessesche Flüssigkeit J. Golgi und seine Schülerin
G. Cattani sagen, dass sie dieselben bei allen gebräuchlichen
Färbungen und bei Behandlung mit Osmiumsäure gesehen haben ;
die von ihnen gegebenen Beschreibungen und Abbildungen lassen
mich jedoch vermuten, dass sie in Wirklichkeit nur die von den
abgespaltenen Myelin-Lamellen auf der Höhe der veränderten
Einkerbungen gebildeten Zeichnungen gesehen haben.
Vielleicht muss man zu diesen vier Techniken noch die
Behandlung nach R. Cajal mit salpetersaurem Silber hinzufügen,
wenn ich Fig. 14 der Taf. XXI dieses Archiv Bd. LXXII richtig
verstehe, wo Nemiloff eine Struktur darstellt, die den
Rezzonicoschen Fäden ähnelt; übrigens deutet genannter
Autor sie nicht in diesem Sinne. Jedenfalls wäre es interessant,
diesen Punkt klar zu stellen.
d) Das Protoplasma der Markscheide und ihre
Mitochondrien.
Hier kommen wir auf ein Gebiet, das ganz dem Bereich
der technischen Verfahren und Färbemittel angehört. Die
beobachteten Bilder beruhen auf keinem Befund im frischen
Zustande und können nur mit Hilfe von Kenntnissen aus der
allgemeinen Zellenlehre diskutiert werden. (Gewiss kann man
durch eine Reihe zusammenstellender Vergleichungen von den
Mitochondrien der Markscheide bis zu denen der Geschlechts-
zellen und Protozoen fortschreiten, die ihrerseits direkt sichtbar
sind; aber ich verschweige es nicht, dass hier, wie überhaupt bei
den meisten Fragen auf dem Gebiet der Zellenlehre, ein gewisses
Maß von Auslegung mitspielt. das zu allen möglichen Diskussionen
Anlass geben kann. Eines der Argumente zugunsten der An-
260 J. Nageotte:
nahme, dass die von unseren Techniken gegebenen Bilder in
Wirklichkeit existieren, ist folgendes: Das Chondriom des Achsen-
zylinderss und das der Neurogliazelle (F. Bollscher Reif)
erscheinen bei entsprechender Behandlung so, wie man sie ohne
Färbung, im frischen Zustande sieht.
Das Myelin lässt im frischen Zustande, ausgenommen eine
sehr leichte Längsstreifung, keine Struktur sehen. Diese Längs-
streifung erscheint bei gewissen Belichtungen auf optischen
Axial-Schnitten und steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem
blättrigen Bau in Beziehung. Einmal glaubte ich mit Hilfe des
Paraboloidhohlspiegels eine doppelte Schrägstreifung zu sehen,
die das Aussehen der Mitochondrien zeigte. Diese Bilder habe
ich aber später nicht wiederfinden können und denke, dass
sie von den Diffraktionsstreifen herrührten. Es wäre interessant,
die Photographie mit ultravioletten Strahlen zu versuchen, die
ich noch nicht vornehmen konnte.
Mit diesem Vorbehalt und nachdem so der Grad des Ver-
trauens, das man dem protoplasmatischen Bau der Markscheide
schenken darf, bestimmt ist, werde ich in Kürze angeben, was
man beobachtet.
Auf Fig. 23 der Taf. XI erscheint die Markscheide, wie
wir es gesehen haben, durch das regelmässige Auseinandertreiben
ihrer Blätter gequollen, während der Achsenzylinder zusammen-
geschrumpft ist und verloren hat, was die Scheide gewonnen.
Vom Achsenzylinder, der ein sternförmiges Aussehen bekommen
hat, gehen zahlreiche Fortsätze aus, die sich verzweigen und
sich an der Peripherie festsetzen, indem sie die Myelinblätter
durchschneiden und mit ihnen ein wahres Spinnengewebe
bilden. Alle diese Trabekeln sind augenscheinlieh infolge des
(Juellens der Scheide sehr deformiert, aber alles spricht dafür,
dass diese Deformation systematisch ist und sich auf ein Aus-
ziehen in einer einzigen Richtung beschränkt. Sie liegen dem
Achsenzylinder fest an, in dessen Substanz sie sich fortzusetzen
scheinen. Augenscheinlich muss man ihrer Wirkung dieses stern-
artige Aussehen des Achsenzylinders zuschreiben, das jedesmal
eintritt, wenn er unter dem Einfluss eines Reagens zusammen-
schrumpft. Dieses Aussehen ist übrigens schon seit langem
bemerkt worden, ohne dass man jedoch, meines Wissens wenigstens,
die Ursache geahnt hätte. Die Trabekeln sind von verschiedenem
Über die markhaltige Nervenfaser. 261
Kaliber; es gibt Hauptbalken und Verzweigungen von allmählich
abnehmenden Grössenverhältnissen.
Ich denke, dass es sich da um das Protoplasma der
Markscheide handelt; demnach gehört dieses Protoplasma zum
Achsenzylinder, wie sein Übergehen auf letzteren es anzeigt.
Die protoplasmatische Natur dieser Bildung scheint mir fest
begründet durch das Vorhandensein zahlloser Stäbchen in diesem
Balkenwerk, die dessen Chondriom darstellen.
Will man diese Chondriomiten gut sehen, so muss man
nach Fixierung mit Kaliumbichromat und Essigsäure, mit Säure-
fuchsin nach Altmann färben. Alsdann sieht man granulöse
Stäbchen sich massenhaft vom Achsenzylinder nach der Peripherie
der Faser hinziehen, nicht genau in radialer Richtung, sondern
in Längs- und Querrichtung sich durchkreuzend. Diese Stäbchen,
die, wie ich es angegeben habe, durch die — etwas modifizierte —
bBendasche Methode gefärbt werden können, sind in die Länge
gereckt und ihre Richtung ist durch die von mir erwähnte
Technik etwas verändert. Man kann sie jedoch in ihrer wahren
Lage sehen, wenn man sie zuerst ganz kurze Zeit in Formol
(zu 10°/o) mit Zusatz von 1°/o Chlornatrium fixiert und sie dann
einen Tag ohne vorheriges Waschen in Kaliumbichromat mit
wenig Essigsäure behandelt. Man kann so dazu gelangen, die
Markscheide und den Achsenzylinder in ihren genauen Proportionen
zu fixieren und man sieht die Chondrioconten an ihrem Platz
nicht in die Länge gezogen, sondern sich durchflechtend eine
feine sehr regelmässige Guillochierung zeigend:; jeder Chondriomit
besitzt eine Dicke, die etwa dem Raum gleichkommt, der ihn
von seinem Nachbar trennt.
Das peripherische Ende der Chondriomiten bildet eine sehr
charakteristische Punktierung an der Oberfläche der Nervenfaser.
Ist die Färbung sehr rein, dann sind die Punkte isoliert; oft aber
sieht man sie wie durch ein blasses Balkenwerk verbunden, das
wahrscheinlich die Spur der protoplasmaarmen Balken darstellt,
wofern nicht diese Bildung von dem Schatten herrührt, der eine
Folge der schrägen Richtung der Chondriomiten ist.
Ist die Fixierung nicht gut, dann zeigen die Chondriomiten
eine starke Neigung, in Reihen, dann in Paketen zusammenzukleben.
Die Punktierung an der Oberfläche erleidet dadurch eine Veränderung
und ‚wird in ein Netz mit unregelmässigen Maschen verwandelt.
262 J. Nageotte:
Dieses Chondriomwerk erfreut sich einer besonderen Eigen-
schaft, die ihm einen Platz für sich unter seinen Stammver-
wandten anweist: es verträgt sich sehr gut mit Essigsäure,
vorausgesetzt, dass die Dosis nicht zu stark ist. Aber — und
dieses ist merkwürdig — das gleiche gilt für die Chondriomiten
des Achsenzylinders, die sich auch nach Uhromessigsäure ziemlich
gut färben. Die Chondriomiten der Nervenzelle dagegen fürchten
die Essigsäure im selben Maße wie die Chondriomiten es im
allgemeinen tun und färben sich absolut nicht auf den Schnitten,
wo das Chondriom des Myelins sehr gut sichtbar wird.
Wenn man den Grad des Vertrauens, das man einer Struktur
schenken darf, nach der Zahl der Techniken bemisst, durch welche
diese Struktur sichtbar wird, dann müssen die Chondriomiten
der Markscheide einen recht hohen Platz in der Achtung der
Histologen einnehmen. Ohne von der Fixierung und Färbung
durch Osmiumsäure zu reden, auf die ich später noch, gelegent-
lich des Lantermanschen Netzes, zurückkomme,. sieht man
sie bei vier Arten von Fixierung. 1. Formol, gefolgt von Beizen
mit Chromessigsäure, wobei sie ihre Form und ihre natürliche
Lage beibehalten können; 2. Kaliumbichromat mit Essigsäure,
das sie in die Länge gezogen, in Gestalt von granulösen Stäbchen
zeigt; 3. einfaches Kaliumbichromat, das sie in einigen ganz
bestimmten Punkten korrekt fixiert, wenn sie dieselben auch aus-
reckt; endlich 4. die Ehrlichsche Methode.
Letztgenannte Technik ist ganz besonders wichtig wegen
des vielleicht etwas übertriebenen Rufes, den sie besitzt, die
Strukturen nicht zu deformieren. Ich habe mich kürzlich über-
zeugen können, dass das Methylenblau, auf überlebenden Nerven
angewandt, nicht nur die von Nemiloff beschriebenen trauma-
tischen Artefakte färbt, sondern auch das Chondriom der Scheide
in derjenigen Form, die ich für die wirkliche halte. Durch
Behandlung der Spinalwurzeln des Meerschweinchens mit der
'/s°/o blauen Lösung in 1°/o Salzwasser habe ich in Fasern, deren
Markscheide ihre Dünne und Regelmässigkeit behalten hatte, feine
schräg sich durchkreuzende und an der Oberfläche der letzteren
die charakteristische oben beschriebene Punktzeichnung erhalten.
Durchaus klar sind die Bilder in den Präparaten, die mit
Ammoniakmolybdat fixiert, mit Salzwasser gewaschen und in
Balsam eingedeckt sind (Textfig. 3, h, Phot. 19a und b, Taf. XI).
Über die markhaltige Nervenfaser. 263
Zwei Punkte sind betreffs der Technik zu beachten. Erstens:
die stets sehr kurzen Teilstücke der Fasern, in welchen die
Färbung der Chondriomiten vor sich geht, sitzen stets in der
Nähe einer Verletzung der Faser, z. B. auf der Höhe der durch-
schnittenen Enden, und mit Vorliebe sogar auf sehr kleinen
Stücken, die ganz isoliert, aber nicht zerdrückt wurden, wenn
man zweimal ansetzte, um die Wurzel zu durchschneiden. Es
scheint, dass das Methylenblau durch das Innere der Faser ein-
dringen muss, um sich auf dem Chondriom des Myelins festsetzen
zu können.
Zweitens: diese Teilstücke der Fasern werden wunderbar
durch das Methylenblau fixiert, denn das Myelin behält vollkommen
seine Gestalt und Dünne trotz aller späteren Behandlungen,
welche die nicht gefärbten Teile der Markscheide stark alterieren.
An diesen Punkten ist die Fixierung der Markscheide so gut,
wie die durch Osmiumsäure erzielte, und wie bei letzterer wird
das Myelin spröde. Eine fixierende Wirkung gewisser Färbemittel
auf die verschiedenen (rewebe ist nicht unbekannt; hier ist sie
sanz besonders beachtenswert, weil sie mit dem Prinzip der
Ehrlichschen Methode in Widerspruch zu stehen scheint. Fixiert
hier wirklich das Blau oder rührt die Fixierung von der Wirkung
des Molybdats auf die mit Blau imprägnierten Teile her? Ich
vermag es nicht zu entscheiden, aber es ist sicher, dass das
Molybdat diese Wirkung nicht auf diejenigen Teile ausübt, die
nicht gefärbt sind. Hierbei möchte ich bemerken, dass eine gute
Fixierung nicht das gleichzeitige Steifwerden sämtlicher Bestand-
teile des Protoplasmas nötig macht, wohl aber voraussetzt, dass
keiner derselben eine Veränderung seiner Gestaltung durch die
Wirkung der angewandten Reagentien erleide. Bei der Mark-
scheide z. B. gestattet das Ineinandergreifen der verschiedenen
Substanzen die Vermutung, dass die Fixierung gut sein kann,
wenn einige gehärtet sind, die anderen indifferent bleiben; so
könnte eine vollkommene Fixierung der Lamellen des Myelins
die Deformationen des Protoplasmagerüstes verhindern und
umgekehrt könnte das Gerinnen des Protoplasmas unter guten
Bedingungen die Lamellen des Myelins festigen bis zu dem Augen-
blick, wo diese ihrerseits durch ein anderes Reagens fixiert oder
aufgelöst wären — in letzterem Falle hätte die Veränderung
der lipoiden Bestandteile keinen Einfluss mehr auf die Morphologie
264 J. Nageotte:
der eiweisshaltigen Struktur. Das geht wahrscheinlich bei der
Fixierung der Markscheide nach der Ehrlich-Betheschen
Methode vor sich, denn es ist kaum anzunehmen, dass das
Methylenblau während der wenigen Minuten seiner Anwendung
das eigentliche Myelin unlöslich macht. |
Wie dem auch sei, es ergibt sich hieraus, dass das von
Nemiloff gefärbte künstliche Netz nicht von einer Umwandlung
der Scheide infolge der Einwirkung des Molybdats oder des
Montierens der Nervenfaser in Balsam herrühren kann; die
Bildung des Netzes muss vor der Färbung oder gleichzeitig mit
ihr erfolgt sein; sie ist tatsächlich, wie wir es sehen werden,
durch eine Verletzung der Fasern während der Entnahme des
Nerven verursacht.
Hier dürfte wohl das Aufzählen der Bestandteile der Nerven-
fasern ein Ende haben. Die Scehwannsche Zelle und die
Schwannsche Scheide sind Nebenapparate, wie ich, gestützt
auf Gründe, die von der Histologie der normalen Zelle wie auch aus
dem Zustand der Zelle bei der Wallerschen Entartung her-
geleitet waren, wiederholt bemerkt habe. Das Protoplasma der
Schwannschen Zelle, das äusserst zahlreiche Granulationen
besitzt, enthält auch Mitochondrien, die von denjenigen der
Nervenfaser durchaus verschieden sind und die man weder in
den Schmidt-Lantermanschen Kerben und noch weniger
selbstverständlich in dem Protoplasma der Markscheide wieder-
findet. Dies ist natürlich kein unumstösslicher Beweis für die
verschiedene Natur der beiden Protoplasmen, da wir ja wissen,
dass in ein und demselben Zellenelement, je nach der Gegend,
mehrere Arten von Mitochondrien sich finden können, und das
Neuron ist ein gutes Beispiel für eine solche Anlage. Nichts-
destoweniger scheint mir der Zusammenhang von Achsenzylinder
und Markscheide unendlich viel enger als der von der Mark-
scheide und der Schwannschen Zelle.
II. Die künstlichen Netze, das Quellen des Myelins
und die Schrumpfung des Achsenzylinders.
Das so gebrechliche Gebäude der markhaltigen Nervenfaser
erleidet gar leicht Veränderungen, und welches auch deren
Ursache sein mag, sie führen fast immer zu demselben Ergebnis:
der Achsenzylinder verliert sein Wasser und die Markscheide
Über die markhaltige Nervenfaser. 265
nimmt es auf, woraus eine Umkehrung in ihrem gegenseitigen
Verhältnis entsteht.
a) Physiologische Veränderungen.
Es gibt indessen einen Fall, wo der Achsenzylinder seinen
flüssigen Inhalt ausfliessen lässt, ohne dass die Markscheide sich
desselben bemächtigt: dieses tritt ein im Beginn der Waller-
schen Entartung. Dieser Vorgang ist von Mönckeberg und
Bethe mit Hilfe von Osmiumsäure untersucht worden. Ich habe
jene Untersuchungen jüngst wieder aufgenommen und habe am
frischen Nerven den Vorgang verfolgen können.
Bereits am zweiten Tage, wenn der durchschnittene Nerv
an Ort und Stelle im lebenden Tiere geblieben ist — nach
wenigen Augenblicken, wenn das ausgeschnittene Nervenstück in
eine Kochsalzlösung mit Caleiumsalzzusatz gelegt wurde!) — sieht
man, wie der Achsenzylinder zusammenschrumpft und das Kaliber
annimmt, das er normaler Weise an den Schnürringen besitzt;
dabei verliert er eine Flüssigkeit, die sich zwischen ihm und der
an ihrem Platze verbliebenen Markscheide ansammelt.
In dieser Periode ist die Markscheide nämlich noch intakt.
Eine Reihe von quer verlaufenden Fäden, welche die Schicht
der ausgeflossenen Flüssigkeit durchziehen, verbinden diese
Scheide mit dem geschrumpften Achsenzylinder und erhalten
ihn in der Achse des Hohlraums. Eine aufmerksame Beob-
achtung zeigt, dass diese Fäden in Wirklichkeit die optischen
Schnitte eines Lamellensystems sind, die vieleckige Grübchen
umgrenzen. Ich bin zu der festen Überzeugung gelangt, dass
es sich da um die Hauptbalken des protoplasmatischen Apparats
des Myelins handelt, die sich, wie wir es gesehen haben, in die
Substanz des Achsenzylinders fortsetzen und sich in die Länge
strecken, ehe sie brechen.
Später treten Segmentierungen ein:
l. Segmentierung der Schicht der ausgetretenen Flüssigkeit
in Gestalt von Tropfen, die sich rosenkranzförmig
anordnen;
!) Mönckeberg und Bethe haben die Segmentierung sich in der
Leiche vollziehen sehen, aber sie haben sie nicht an den isolierten Nerven
beobachten können, wahrscheinlich weil sie sich einer reinen Chlornatrium-
lösung bedienten.
266 J. Nageotte:
2. Segmentierung der geschrumpften Substanz des Achsen-
zylinders, welche die körnig-fettige Entartung erleidet
und infolge der Veränderungen, welche in der sie
umgebenden Flüssigkeit vorgegangen sind, in Stücke
zerbricht ;
3. Segmentierung des Myelinschlauches, der sich in immer
kleinere regelmässige eirunde oder kreisrunde Teilchen
auflöst, ohne die Dicke seiner Wände zu verändern.
Während dieser ganzen Periode der Zerteilung bleiben die
Mitochondrien des Myelins unversehrt, solange das Myelin eine
Hohlkugelgestalt behält; es ist meiner Ansicht nach lebend und
seine Segmentierung ist eine Äusserung dieses Lebens.
Lässt man die Nerven mehrere Tage (wenigstens fünf) in
einer reinen Chlornatriumlösung, wo sie sich nicht segmentieren
können. und bringt man sie alsdann in die Lockesche Flüssigkeit,
die das zur Entwicklung des Lebens notwendige Quantum Chlor-
kalzium enthält, so segmentiert sich die Nervenfaser nicht mehr,
obgleich ihre Morphologie unversehrt geblieben ist und die
Mitochondrien des Myelins sich noch färben können: der Tod
ist eingetreten und die Wallersche Entartung kann nicht mehr
stattfinden.
Ich gehe nicht näher auf diesen Prozess ein, dessen erste
Phasen allein in den Rahmen dieser Arbeit gehören, weil sie vom
ersten Augenblick an beobachtet werden, wenn man den frischen
Nerven untersucht. Ich verweise nur noch darauf, dass die ersten
Vacuolen, welche den Beginn der Wallerschen Entartung
anzeigen, in der Nähe der Ranvierschen Schnürringe, zwischen
der Markscheide und dem Achsenzylinder erscheinen; da auch
zeigen sich die ersten Spuren der Gerinnselscheide.
b) Traumatische Veränderungen.
Die Schrumpfung des Achsenzylinders wird beschleunigt
durch die Verletzungen, die während der Dissoziation stattfinden
und kann sogar in reiner Chlornatriumlösung vor sich gehen.
Dies erklärt, warum es fast unmöglich ist, durch die Ehrlich-
sche Methode die korrekte Form des Achsenzylinders in der
Nachbarschaft der Schnürringe zu erlangen. Selbst auf den
Präparaten, wo die Achsenzylinder auf einem grossen Teil ihrer
Über die markhaltige Nervenfaser. 267
Längsausdehnung ihren normalen Durchmesser behielten, sah ich
die Endstücke der interannulären Segmente geschrumpft und den
dünnen Zylinder des Schnürrings mit dem dicken Zylinder der
interannulären Segmente durch einen länglichen Kegel verbunden,
der die halbkugelförmige Kuppel ersetzt, die tatsächlich an diesem
Punkte vorhanden ist.
Unabhängig von dieser Veränderung, die sich unmerklich
an die oben beschriebenen physiologischen Vorgänge anschliesst,
führen Verletzungen verschiedene Veränderungen herbei:
1. Es erscheinen sehr leicht Abspaltungen des Mvelins,
über die ich mich oben eingehend geäussert habe. Ich
füge hier nur ein paar Worte hinzu, um darauf auf-
merksam zu machen, dass dieses Abspalten der konzen-
trischen Lamellen den protoplasmatischen Bau zerstört,
von dem man keine Spur sieht. Bleiben die Chondrio-
somen in den durch die Verletzung hervorgerufenen
dünnen Lamellen kleben oder werden sie ausgeschieden ?
Es war mir unmöglich, dieses zu ergründen. die abge-
spaltenen Lamellen erscheinen durchaus homogen. Eine
andere Frage bleibt gleichfalls ungelöst, nämlich die,
welche sich auf die genaue Zusammensetzung der Lamellen
der Markscheide bezieht. Sind sie aus reinem Myelin
gebildet oder sind ihnen mehrere fettige Bestandteile
beigemischt oder besitzen sie gar eine Art eiweisshaltigen
Stromas? Wir wissen es nicht; eines aber ist sicher:
sie verdanken den grössten Teil ihrer physikalischen
Eigenschaften dem unter dem Namen „Myelin“ als selb-
ständig bekannten Körper.
2. Ist die Verletzung stärker, so bilden sich kleine sphärische
Einstülpungen. deren Innenraum durch einen schmalen
Spalt mit dem Äusseren in Verbindung steht und deren
Vorsprünge in der Substanz des Achsenzylinders einen
Druck ausüben, ohne dass die allgemeine Form der Faser
verändert wird. Dieses rührt von dem bereits von mir
betonten Mangel an Elastizität der Scheide her; wird sie
ein wenig gezerrt, so strecken sich ihre Lamellen und
dann wird ihre Oberfläche für den Raum, den sie aus-
füllen soll und für die Form, die die Oberflächenspannung
ihr aufzwingt, zu gross, der überschüssige Stoff kriecht
268 J. Nageotte:
in die Falten hinein, deren Form ebenfalls durch die
Spannungskraft bedingt wird.
an
3. Bei höherem (rrade vervielfältigen sich diese Einstülpungen
dermassen, dass sie einander berühren; dann findet eine
vollständige Veränderung der Struktur der Faser statt.
Der Achsenzylinder verliert seine Flüssigkeit und nimmt
das sehr verminderte Volumen an, das er normalerweise
auf der Höhe der Schnürringe hat. Die Flüssigkeit findet
sich in der Markscheide wieder, die gequollen ist, ıhre
Homogenität verloren hat und das Aussehen von zer-
stossenem Glas annimmt. Derselbe Artefakt tritt ein,
wenn man den Nerven in einer hypotonischen Flüssigkeit
zerzupft.
Die Bilder verändern sich übrigens je nach den Umständen, die
sie hervorgerufen haben; bald sieht man lichtbrechende Fetzen in
der aus dem Achsenzylinder ausgetretenen Flüssigkeit herum-
schwimmen, indem sie sich mehr oder weniger um die Schmidt-
Lantermanschen Einkerbungen gruppieren, bald bildet sich
ein lichtbrechendes, mehr oder weniger regelmässiges Netz. Durch
Färbung dieser Artefakte mit Methylenblau erhielt ich alle von
Nemiloff dargestellten Bilder. Netze und Fragmente sind
übrigens ungefärbt sehr gut sichtbar. Man kann sie auch, wie
das normale Myelin, mit Osmiumsäure färben.
Da sich gerade an denjenigen Punkten, wo die Fasern ver-
letzt wurden, das Chondriom nach der Ehrlichschen Methode
auf zufällig unversehrt gebliebenen Fragmenten von Fasern färbt,
so kann es vorkommen, dass man den Übergang zwischen dem
sogenannten protoplasmatischen Netz Nemiloffs zu der tat-
sächlichen Struktur sieht. Fig. 4 stellt eine Faser dar, wo dieses
der Fall ist: die Markscheide erscheint darauf an nebeneinander
liegenden Punkten in zwei verschiedenen Formen:
1. Fragmente des dünnen Myelimschlauchs mit regelmässig
gelagerten Chondrioconten, die einen dicken Achsenzylinder
umhüllen (oben):
2. ein unregelmässiges Netz, das einen dünnen Achsen-
zylinder umgibt.
Eine dieser Formen ist sicher die ursprüngliche und die
andere ist durch Artefakt aus ihr entstanden. Ich glaube nicht,
Über die markhaltige Nervenfaser. 269
dass es irgend jemand in den Sinn kommen könnte, dieses Netz
für die ursprüngliche Form anzusprechen.
Fig. 4. Eine Faser aus der Cauda equina des Meerschweinchens, nach
Ehrlich-Bethe. Apochromat 2 mm, num. Apert. 1,40, Comp -Okul. 4,
Zeiss, Camera lucida. Vergrösserung 650 Durchmesser. Oben einRanvier-
scher Schnürring, in dessen Nähe ein gewisser Teil der Markscheide korrekt
gefärbt und fixiert ist, wobei ihre Chondriosomen sichtbar werden; dieser
Abschnitt, der durch die Fixierung sehr spröde geworden ist, ist beim Zer-
zupfen zerbrochen: auf derselben Höhe hat der Achsenzylinder seine normale
Dicke behalten; die Schwann sche Scheide ist künstlich ausgedehnt und von
der Markscheide getrennt. Unten ist die Markscheide, infolge eines vor jeder
Fixierung und Färbung vorgekommenen Trauma, in ein unregelmässiges
Netz umgewandelt worden. In den Maschen dieses Netzes findet sich eine
Flüssigkeit vor, die aus dem geschrumpften Achsenzylinder ausgeflossen ist.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 19
270 I. Na eotiber
e) Durch Reagentien hervorgerufene Veränderungen.
Diese sind interessanter, weil es möglich ist ihre Form zu
regulieren, was gestattet ihren Mechanismus zu ergründen und
nützliche Aufschlüsse betretis der normalen Zusammensetzung der
Markscheide zu gewinnen.
Viele Reagentien rufen ein umgekehrtes Verhältnis zwischen
dem Durchmesser des Achsenzylinders und der Dicke der Mark-
scheide hervor; hierzu gehören: Kaliumbichromat, Höllenstein,
Alkohol usw.
Alle diese Veränderungen lassen sich auf zwei Typen
zurückführen: Die einen entstehen aus der regelmässigen Spaltung
der Blätter des Myelins und deren Anseinandergehen durch das
Eindringen einer zwischen dieselben gelangenden Flüssigkeit oder
durch Quellung einer hypothetischen Substanz, die sich normaler-
weise zwischen den Blättern befindet (Kaliumbichromat mit Essig-
säure). Die anderen erklären sich aus dem Auftreten eines Netzes,
das man bald das Lantermansche Netz, bald das Neuro-
keratinnetz genannt hat, trotzdem seine Natur, wie wir sehen
werden. sich gleich bleibt.
Es ist überflüssig, auf die Veränderungen des ersten Typus
zurückzukommen, über die ich im Verlauf meiner Darlegung alle
die näheren Angaben gemacht habe, die ich besitze.
Die Veränderungen der zweiten Art nähern sich bis zu
einem gewissen Punkte den traumatischen Läsionen. Ich greife
als Typen diejenigen heraus, welche sich in den mit Osmiumsäure
schlecht fixierten Fasern bilden und diejenigen, welche von der
Behandlung mit Formol herrühren. Erstere bilden das Lanter-
mansche Netz, letztere dürfte man mit dem Neurokeratinnetz
in Verbindung bringen.
1. Das Lantermansche Netz. Wenn man in einer
schwachen Osmiumlösung einen nicht einmal besonders volumi-
nösen Nerven, wie den Ischiadicus des Kaninchens, fixiert und
nach Einbetten in Paraffin Längsschnitte vornimmt, dann bemerkt
man beträchtliche Verschiedenheiten zwischen den äusseren und
den inneren Nervenfasern (vgl. Phot. 18, Taf. XD. Eırstere
tragen auf ihrer Oberfläche eine feine schwarze Punktierung,
deren Aussehen genau dasselbe ist wie das der Zeichnung, die
durch die äussersten Enden der Chondriomiten gebildet wird:
Uber die markhaltige Nervenfaser. 271
auf den optischen Schnitten der Markscheide sieht man eben das-
selbe Geflecht von mehr oder weniger granulierten Stäbchen.
Je näher man aber an die tiefer gelegenen Fasern kommt,
desto mehr sieht man dieses Bild sich verändern; die schwarzen
Stäbchen treten zusammen. bilden zuerst längliche Massen, die
schräg in der Scheide liegen und dann wirkliche Täfelchen mit
eirundem oder kreisrundem Umriss, die immer mehr an Umfang
zunehmen und der Faser ein unregelmässig getüpfeltes Aussehen
verleihen (Phot. 17, Taf. XI). An den Stellen, wo die Veränderung
am ausgeprägtesten ist, bemerkt man eine gewisse Verdickung
der Scheide auf Kosten des Achsenzylinders.
Es gibt also in der Markscheide eine Substanz, die unter
dem Einfluss einer schlechten Fixierung sich in immer umfang-
reicheren Massen ansammelt: diese Substanz ist viel osmio-
reduktiver als der übrige Teil der Scheide. Wo hat sie Ihren
Sitz im lebenden Zustande? Das ist ein dunkler Punkt. Das
Aussehen der peripherischen Nervenfasern macht den Eindruck,
als ob es die Chondriomiten wären, die sich so schwarz abheben.
Gestützt auf die Tatsache, dass die Chondriomiten so leicht
zusammenkleben, wenn die Fixierung ungenügend ist, hatte ich
zuerst gedacht, dass die grossen Flecken auf den Fasern, im
Zentrum des Präparates, von dem Zusammenkleben und der Ver-
schmelzung von Chondriomitengruppen herrühre. Ich habe mich
dann aber davon überzeugen können, dass die Chondriomiten in
dem Neurokeratinnetz bleiben, das — wie wir sehen werden —
mit der zwischen den schwarzen Flecken sitzenden Substanz
identisch ist oder beinahe. Doch gleichviel: mag die osmio-
reduktive Substanz zuerst auf dem CUhondriom fixiert werden oder
das Aussehen der peripherischen Faser schon ein Artefakt sein,
die Hauptsache ist, dass in der Myelinschicht unter dem Einfluss
einer mangelhaften Fixierung ein Vacuolisationsprozess stattfindet
durch Ansammlung einer im lebenden Zustand zerstreut lagernden
Substanz.
Wenn man nun einen solchen Schnitt mit Terpentin behandelt,
dann sieht man die schwarzen Flecken vollständig verschwinden,
während die graue Färbung der zwischengelagerten Substanz sich
kaum verändert: aus einer fleckigen wird eine netzartige Scheide.
Hat man das Myelin aufgelöst, wie G. Cattani es mit Terpentin
zu tun dachte? Ich weiss es nicht; sicher ist jedoch, dass man
19*
2372 J. Nageotte:
die osmio-reduktive Substanz aufgelöst hat. Das graue Netz,
das um so feinere und mehr linienförmige Maschen hat, je
mehr die Faser an der Oberfläche liegt, ist das Lanterman-
sche Netz, dessen künstlicher Charakter also offenbar wird.
Wenn man die Schnitte mit schwachem Wasserstoffsuperoxyd
bleicht und mit Säurefuchsin nach Altmann neu färbt, dann tingiert
sich dieses Netz lebhaft und man kann es besser studieren
(Phot. 18). Man erkennt dann an seinem gut ausgebildeten Teil,
wo die Maschen weit sind, dass das Netz in Wirklichkeit doppelt
ist: es bildet eine innere und eine äussere Scheide, die durch
Trabekeln verbunden sind und gibt getreu das bekannte Bild des
Neurokeratinnetzes wieder, mit dem Unterschied, dass es viel
mehr abgeplattet ist, weil die Verdickung des Myelins schwach ist.
Aber man begreift, dass man, wenn die in den Maschen
enthaltene Substanz quellen sollte, ein typisches Neurokeratinnetz
erhalten würde.
Solche kleinmaschige Netze sind unlängst von Spuler,
Ernst und Fuchs beschrieben und als „Radspeichenbau“ der
Markscheide bezeichnet worden. Ich habe mir die Arbeiten der
beiden erstgenannten Autoren nicht verschaffen können, aber nach
der Beschreibung und den Figuren, die Fuchs!) gibt, der sich
ganz der Meinung jener Autoren anschliesst, ist über die Natur
dieser Netze kein Zweifel möglich: sie sind eine genaue Wieder-
gabe dessen, was man in den Fasern sieht, die sich in mittlerer
Entfernung von der Peripherie befinden eines mit Osmiumsäure
behandelten, mit Wasserstoffsuperoxyd gebleichten und mit Säure-
fuchsin wieder gefärbten Nervs (Phot. 18).
2. Das Neurokeratinnetz: Verständigen wir uns vor
allem über den Ausdruck. Das Ewald- und Kühnesche Neuro-
keratin ist ein in der Markscheide gebildetes und gründlich
entfettetes Netz; aber unter gewissen Bedingungen sieht man
auch ohne Entfettung sehr deutlich ein Netz, das genau dieselbe
Gestaltung besitzt. Da man andererseits jetzt weiss, dass die
chemischen Merkmale der von Ewald und Kühne Neurokeratin
genannten Substanz nicht den geringsten Wert besitzen, so hat
es nichts zu sagen, wenn man diesem Wort nur eine rein
morphologische Bedeutung beimisst. Ein sehr gutes Mittel, das
", Hugo Fuchs: Bemerkungen über den Bau der Markscheide am
Wirbeltiernerven. Anat. Anz., Bd. XXX, 1907.
N
—I
oo
Uber die markhaltige Nervenfaser.
Neurokeratinnetz hervortreten zu lassen, ist das Fixieren mit
Formol. Wenn man kurze Zeit mit Formol — warm — mit
Salzzusatz fixiert und sofort in Kaliumbichromat mit Essigsäure
behandelt, kann man eine korrekte Fixierung der Markscheide
erhalten, die ihre normale Dünne bewahrt und in der sich kein
Netz gebildet hat. Wenn man aber lange in Formol fixiert oder
nach Fixierung lange in Wasser auswäscht, dann sieht man, dass
ein stark lichtbrechendes Netz mit mehr oder weniger grossen
Maschen sich bildet. Wenn man mit Alkohol behandelt, erfolgt
das (Quellen der Maschen sofort und ist viel besser sichtbar. Die
Balken des Netzes verschmälern sich dann bedeutend und wenn
man sie mit Säurefuchsin (Phot. 15, Taf. XI) oder Hämatoxylin
färbt, erhält man ein durchaus typisches Neurokeratinnetz. Ein
Punkt ist erstens zu beachten: Nemiloff, der sein proto-
plasmatisches Netz mit dem Neurokeratinnetz für identisch hielt,
worin er recht hat, behauptet, dass dieses Netz sich in das Proto-
plasma der Schwannschen Zelle fortsetzt. Das nun ist durchaus
unzutreffend. Daraus, dass zwei einander eng sich anschmiegende
Substanzen in gewissen Farbelösungen zusammen gefärbt werden
können, darf man nicht den Schluss ziehen, dass sie ein und
dasselbe Ganze bilden. Durch ein anderes Verfahren könnte man
sie vielleicht einzeln färben: dies ist der Fall für dieSchwannsche
Zelle und das Neurokeratinnetz. In meinem Memoire au Congres
des Anatomistes (Bruxelles 1910) habe ich die einfachen Tech-
niken angegeben, die es gestatten. Der Unterschied, der zwischen
dem Chondriom der Schwannschen Zelle und dem des Myelins
besteht, spricht auch ganz zugunsten der Scheidung dieser zwei
Protoplasmen — wie ich es bereits bemerkt habe.
Der zweite interessante Punkt beim Neurokeratinnetz ist,
festzustellen, was in den Maschen gelegen ist und woraus die
Balken bestehen. Nemiloff hat die Frage in einer sehr ein-
fachen Weise gelöst - ohne sie überhaupt aufzuwerfen. Sind
die Balken das Protoplasma, dann befindet sich das Myelin in
den Maschen. Ich bemerke nebenbei, wenn das stimmte, dann
wäre nichts leichter, als auf der lebenden Faser die dicken Balken
des sogenannten protoplasmatischen Netzes zu sehen wegen des
enormen Brechungsunterschiedes, der zwischen dem Protoplasma
und dem Myelin besteht; wenn man auf der unberührten frischen
Faser absolut nichts sieht, so ist das Protoplasma in Wirklichkeit
274 J. Nageotte:
in so feinen Trabekeln verteilt, dass jede optische Analyse ohne
die spezifischen Färbungen unmöglich wird. Und wie sollte das
Myelin mit seinen so besonderen physikalischen Eigenschaften es
wohl anfangen, sich in den Maschen eines grobschwammigen
(Gewebes unterzubringen und Polarisationsachsen geben, die ganz
regelmässig in der Richtung der Faser verlaufen ?
In der Tat, das Myelin — ich meine hier die besondere
fettartige Substanz, die durch chemische Mittel isoliert werden
kann — sitzt, so lange die Faser nicht entfettet ist, in den
Balken und nicht in den Maschen, wie die Untersuchung bei
polarisiertem Lichte zeigt, und wie das starke Brechungsver-
mögen des Netzes in den im Wasser untersuchten Fasern es
vermuten lassen könnte.
Was ist also in den Maschen? Eine sehr stark osmio-
reduktive, aber selır wenig lichtbrechende Substanz, die in Form
von schwarzen Flecken erscheint, wenn man die Fasern eines
mit Formol fixierten und dann mit Osmiumsäure behandelten
Nerven dissoziiert (Phot. 16, Taf. XI). Das Aussehen ist das-
selbe wie das der tiefliegenden Fasern in einem Nerven, den
man direkt in schwacher Osmiumsäure fixiert hat. Folglich ist
das Neurokeratinnetz mit dem Lantermanschen Netz identisch:
es entsteht aus einer Vacuolisation der Markscheide, erzeugt
durch eine tropfenförmige Anhäufung einer ursprünglich zer-
streuten Substanz. Der einzige Unterschied besteht darin, dass
eine Quellung dieser Vacuolen in Wasser und besonders in Alkohol
eintritt, woher Verdickung der Markscheide und Schrumpfung des
Achsenzylinders. Im typischen Neurokeratinnetz ist auch Myelin
von den Balken durch Alkohol abgelöst, aber dies ist sekundär.
Tatsächlich ist dieses Neurokeratinnetz, wenigstens so wie
man es nach Fixierung in Formol beobachtet, kein wirkliches
Netz; die isolierten Balken, die man zu sehen glaubt, sind nur
die optischen Schnitte von Wänden, die zwischen den Vacuolen
liegen oder die linienförmigen Verdickungen, die sich an den
Treffpunkten der Wände bilden; aber es besteht keine Verbindung
zwischen den Hohlräumen der Vacuolen. In den durch Läsionen
erzeugten unregelmässigen Netzen entstehen die Maschen nicht
durch die Quellung einer tropfenförmig angehäuften Substanz,
sondern durch die Zerreissung der Markscheide bei dem brutalen
Eindringen der aus dem Achsenzylinder ausgetretenen Flüssigkeit.
Über die markhaltige Nervenfaser. 275
Man wird bemerken, dass die osmio-reduktive Substanz, die
nach Fixierung durch Osmiumsäure oder durch Formol isoliert
wird, sich nicht nur in Tropfen auf der ganzen Ausdehnung des
Markkegels, sondern auch in Blättern ansammelt, welche die
Membran der Schmidt-Lantermanschen Einkerbung auf
beiden Seiten bekleiden. Daher erscheinen letztere auch in Gestalt
von breiten schwarzen Streifen (Phot. 16 und 17, Taf. XI).
Ist durch längeres Verweilen im Wasser oder besser noch
durch Behandlung mit Alkohol die Quellung jener Substanz
erfolgt, dann bilden sich grosse kreisrunde Vacuolen, welche die
Faser ausdehnen, den Achsenzylinder zusammenpressen und die
isolierte trichterförmige Membran der Einkerbung umschliessen
(Phot. 15). Die gleiche Umbildung findet statt, wenn man die
mit Osmiumsäure behandelten Fasern mit Terpentin behandelt.
Es schlägt sich gleichfalls eine kreisförmige Anhäufung
dieser Substanz rund um die „bracelets epineux“ nieder, so dass
nach der Quellung auch an dieser Stelle eine grosse kreisförmige
Vacuole erscheint, deren Druck die Konvexität der Kuppel ver-
wischt, in welche die interannulären Segmente des Achsenzylinders
enden. (Compte-rendu de l’Association des Anatomistes. Bruxelles
19105. Rat. Il, Eig.11a.)
Diese fettartige Substanz, die unter gewissen Bedingungen
im Wasser quillt!), zeigt dann Eigenschaften, die von den vorhin
beobachteten etwas verschieden sind.
Wenn man eine nur kurze Zeit mit Formol fixierte Faser
mit Osmiumsäure warm behandelt, dann sind die von ihr
gebildeten Anhäufungen tiefschwarz gefärbt und lösen sich nur
sehr langsam und sehr unvollkommen in den in Balsam mon-
tierten Präparaten. Hat der Nerv dagegen nach Fixierung mit
Formol lange im Wasser gelegen, dann färben sich die Anhäufungen
nicht so gut und lösen sich sofort, wenn man sie mit Xylol
behandelt, wobei sie einige unregelmässige schwarze Granulationen
zurücklassen.
Höchst wahrscheinlich ist es dieselbe Substanz, welche die
Markscheide der in reines Wasser gelegten frischen Fasern zum
(Quellen bringt.
') Ich wüsste zur Zeit nicht zu sagen, ob diese Eigenschaft, die für
einen fettartigen Körper eher ungewöhnlich ist, den fettartigen Bestandteilen
selbst oder einer beigemischten eiweisshaltigen Substanz zuzuschreiben ist.
276 J. Nageotte:
Ihre physiologische Rolle scheint gross zu sein, denn ihre
Menge nimmt in den Anfangsstadien der Wallerschen Degene-
ration bedeutend ab, wie ich es jüngst bewiesen habe. In
jedem Fall ist sie die unmittelbare Ursache für die Bildung der
künstlichen Netze, die man den Reagentien verdankt.
Schlussfolgerung.
Das sind die Tatsachen, die seit langem von mir beobachtet
und kontrolliert wurden. Bei den hier formulierten Auslegungen
habe ich mich einzig und allein von diesen Tatsachen leiten lassen.
Nichts weiter wollte ich sein als treuer Dolmetsch der Natur.
So wurde ich zu einer Auffassung der Nervenfaser gebracht,
die auf den ersten Blick befremdlich scheinen könnte, denn das
Protoplasma, das die Markscheide bildet, hat meines Wissens
kein Analogon. Das liegt daran, dass die kristallartigen Eigen-
schaften des Deutoplasmas, d. h. des eigentlichen Myelins, in der
Zusammensetzung dieser organisierten, lebenden Maschine eine
hervorragende Rolle spielen.
Man wird vielleicht schwer verstehen, wie die Blätter des
Myelins, ohne ihre Kontinuität zu verlieren, von den proto-
plasmatischen Balken, die ihrerseits auch keine Unterbrechung
erleiden, durchschnitten werden können. Aber man darf nicht
vergessen, dass wir uns auf dem (Gebiet der Mizellen befinden:
im Protoplasma ist jede Substanz im kolloiden Zustand. Was die
scheinbare Kontinuität seiner Strukturen bildet, ist nicht eine
tatsächliche Kontinuität der Substanz. wie unsere Sinne sie uns
vortäuschen, sondern das Ergebnis molekularer Kräfte, die in
bestimmten Richtungen wirken, wenn auch die verschiedenen
Arten von Mizellen gemischt sind; nichts hindert uns folglich,
anzunehmen, dass zwei Strukturen, die einander durchdringen,
jede ihre Kontinuität bewahren.
Ein höchst lehrreiches Schauspiel bietet uns die Segmen-
tierung der überlebenden Nervenfasern, die in einer geeigneten
Flüssigkeit dissoziiert und unter dem Mikroskop untersucht werden.
Manchmal kann der Beobachter in wenigen Sekunden eine Seg-
mentierung vor seinen Augen sich bilden sehen: der Myelin-
schlauch schnürt sich ein, die Blätter löten sich zusammen, die
Trennung findet statt, man befindet sich vor zwei Segmenten,
deren entsprechende äusserste Enden durch zwei genau halb-
LS)
—]
—]
Uber die markhaltige Nervenfaser.
kugelförmige Kuppeln gebildet werden, deren Wand auf allen
ihren Punkten genau dieselbe Dicke und das gleiche Aussehen
wie der übrige Teil der Markscheide hat. Die Verletzung ist
erfolgt und ist augenblicklich vernarbt, ohne eine Spur zu hinter-
lassen. Es ist natürlich unmöglich, die Beschaffenheit dieser
Kuppeln selbst, die der Beobachter vor seinen Augen sich bilden
sah, histologisch zu studieren; aber man kann dieses an voll-
kommen ähnlichen Kuppeln tun, an einem Nerven, der die natür-
liche oder künstliche Wallersche Entartung erlitten hat. In
solchem Falle findet man nun die CUhondriomiten mit derselben
Regelmässigkeit gelagert, wie in den anderen Teilen der Scheide.
Unter der Bedingung, dass die Blätter des Myelins weder Zerrung
noch Dislokation erlitten haben — Veränderungen, die, einst-
weilen wenigstens, wie wir sahen, nicht umkehrbar sind — die
Scheide sich trennen und sich augenblicklich wieder von selbst
zusammenlöten kann, ohne dass in ihrem Protoplasma die
geringste Spur einer Zerreissung zurückbleibt. Dieses zeigt, dass
die ganze so überaus komplizierte Struktur aus der kontinuier-
lichen Tätigkeit der molekularen Kräfte entspringt, die in den
hier vorhandenen Stoffen wirken. Nichts ist hier endgültig
gefesselt; alles wird an Ort und Stelle gebracht und erhalten
durch Kraftlinien, die bei Eintritt einer Störung die Struktur
sofort wieder herstellen, vorausgesetzt, dass diese Störung nicht
über eine gewisse Grenze hinausgeht.
Man kann also das Prinzip der Anordnung dieser unzähligen
Teilchen mit dem eines magnetischen Feldes vergleichen, mit
dem Unterschied, dass jede Mizelle in sich selbst die Kraft trägt,
die ihr ihren Platz in dem Ganzen anweist.
Zum Schluss erinnere ich an die so interessante Beobachtung
von Fabre-Domergue, die Faur&-Fremiet!') zitiert: Eine
Infusorie, von der ein Stück eingeklemmt und die somit ihrer
Bewegungsfreiheit beraubt war, versuchte zu entkommen; bei
jeder Anstrengung riss das Protoplasma weit auf, reparierte sich
aber von selbst, sobald das kleine Lebewesen innehielt. Trotz
aller seiner Kompliziertheit, verhält sich das Protoplasma, aus
welchem die Markscheide besteht, nicht anders.
Parıs, den 1. März 1911.
!) Faur6-Fremiet: Etude sur les mitochondries des Protozoaires
et des cellules sexuelles. Arch. d’Anat. microsc., XI, 1910.
J. Nageotte:
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI.
Sämtliche Photographien sind unter derselben Vergrösserung von 650 Durch-
messer eingestellt worden. Apochr. 2 mm, Apert. 1,40, Comp.-Ok. 4, Zeiss.
Fig. 1-14. Fasern vom Ischiadieus des Kaninchens, die in frischem Zustande
[bj
&
3
Fig.
Fig.
Fig.
in Salzwasser zu 1°, (Fig. 2, 6, 8, 9, 11 12, 13, 14) oder in einer
zitronensauren Natronlösung von gleichem osmotischem Druck
fixiert wurden.
1. Zwei unberührte grobe Fasern mit ihren Schmidt-Lanter-
man schen Einkerbungen.
2. Zwei grobe Fasern, an deren Einkerbungen infolge eines leichten
Trauma Spaltung eingetreten ist.
3. Eine Faser, die Quetschungen und Zerrungen in der Gegend eines
Schnürringes erlitten hat; Bildung eines unregelmässigen Netzes
und Verschmälerung des Achsenzylinders in dem verletzten Teile.
4. Intakter Schnürring (das gleiche Negativ wie Fig. 2b).
Verschiedene Formen traumatischer Veränderung mit blättrig
sich abhebendem Myelin oder Auseinanderklaffen der Segmente.
In Fig. 9 und 12 bemerkt man Bruchstellen an der Markscheide im
Innern der Röhre.
15 und 16. Fasern vom Ischiadieus des Kaninchens in Formol zu 10°.»
fixiert und zerzupft.
15. Eine mit Säurefuchsin gefärbte und in Alkohol gequollene Faser.
Neurokeratinnetz; kreisrunde Vakuole auf der Höhe jeder Ein-
kerbung, enthaltend eine trichterförmige Membran mit Schrumpfung
des Achsenzylinders durch an dieser Stelle erfolgende Zusammen-
pressung.
16. Nicht gequollene, mit Osmium gefärbte Faser. Osmiumempfindliche
Substanz, die sich anhäuft entsprechend den Maschen des Netzes
auf der vorhergehenden Abbildung; Niederschlag derselben Substanz
auf der Seite der Einkerbungen, die hier keine Vacuolen bilden.
17 und 15. Fasern vom Ischiadicus des Kaninchens in Osmiumsäure
zu !/soo fixiert.
17. Dissoziierte, in Balsam montierte Faser. Das Aussehen ist das
gleiche wie auf Fig. 16.
15. Längsschnitt nach Paraffineinbettung: Entfärbung in Wasserstoff-
superoxyd und Neufärbung mit Säurefuchsin. Lanterman sches
Netz, dessen Maschen grösser werden, je weiter man sich von der
Peripherie des Nerven entfernt (rechts). Vgl. diese Abbildung mit
der vorigen und mit Fig 15.
19. Fasern von der Cauda equina des Meerschweinchens nach Ehrlich-
Bethe, in Balsam montiert. Chondrioconten der Markscheide;
das gegenseitige Verhältnis von Achsenzylinder- und Markscheiden-
dicke ist unverändert geblieben. a Einstellung auf die Oberfläche;
b Einstellung auf den Achsenschnitt. Diese Abbildung, die mir
Fig. :
Fig.
Fig.
Über die markhaltige Nervenfaser. 279
viele Mühe gekostet hat, gibt jedoch gar nicht die Klarheit des
Präparates wieder, wegen der grossen Schwierigkeiten, denen man
bei der photographischen Wiedergabe so komplizierter und kleiner
Bilder begegnet; man sieht aber nur, dass die Markscheide ihren
normalen Durchmesser behalten hat (vgl. mit Textfig. 3, h, die ein
gleiches, vermittelst der Camera lucida, gezeichnetes Präparat
darstellt. ,
Ischiadieus des Kaninchens. Kaliumbichromat mit Essigsäure 1 Tag,
Kaliumbichromat 3 Monate. Einbettung in Paraffin, Färbung mit
Eisenhämatoxylin.. Abspaltung der Myelinblätter; der strahlen-
förmige protoplasmatische Bau ist wenig sichtbar.
a Ischiadicus des Meerschweinchens, Kaliumbichromat 2 Wochen,
Paraffin, Altmannsche Färbung. b—d Cauda equina des Meer-
schweinchens nach Ehrlich-Bethe. Verschiedene Formen und
Veränderungen der Doubles bracelets @pineux.
Ischiadicus des Meerschweinchens, Kaliumbichromat mit Essigsäure
(1,25°)0 Essigsäure) 1 Tag, Paraffin, Altmannsche Färbung.
Chondriome der Markscheide.
Ischiadicus des Meerschweinchens, Kaliumbichromat mit Essigsäure
(2,50 °/ Essigsäure) 1 Tag, Paraffın, Eisenhämatoxylin. Abspaltung
der Blätter des Myelins; strahlenförmige Balken des Protoplasmas
(vgl. Fig. 20).
250
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern,
nach Untersuchungen am Hühnchen.
Von
M. v. Lenhossek, Budapest.
PR %
Hierzu Tafel XI].
Die Literatur ermangelt nicht der Angaben über die Ent-
wicklung der Zonulafasern, doch prüft man die betreffenden
Äusserungen etwas genauer, so findet man, dass sie zumeist
weniger auf unmittelbarer Beobachtung der histogenetischen
Vorgänge, als vielmehr auf dem Studium des Verhaltens der
Zonulafasern im entwickelten Auge beruhen, also mehr oder
weniger nur Rückschlüsse aus dem fertigen Zustand auf die mut-
massliche Entwicklung sind. Es ist aber klar, dass in dieser
Frage die unmittelbare Beobachtung der Entwicklungsvorgänge
das letzte Wort zu reden hat. Von diesem Gesichtspunkte aus
dürften die mitzuteilenden Untersuchungen, die die fraglichen
Vorgänge von den ersten Stadien an auf Grund unmittelbarer,
zusammenhängender Beobachtung verfolgen, einige Beachtung
verdienen.
Material, Technik.
Als Objekt diente das Auge des Hühnchens, und zwar
wurden die Stadien vom 4.bis zum 21. Tage der Bebrütung
geprüft. Meine Resultate verdanke ich in erster Reihe der An-
wendung eines Verfahrens, das meines Wissens auf diesem Gebiet
bisher noch nicht benutzt wurde. Es ist dies die R. y Cajalsche
Silbermethode, wie sie zur Darstellung der Neurofibrillen ange-
wendet wird. Sie gibt eine überraschend scharfe Färbung sowohl
der Glaskörperfibrillen, wie auch der Zonulafasern, und zwar von
allem Anfange an. Schon in sehr frühen Stadien, wo man an
den nach den gewöhnlichen Methoden gefärbten embryologischen
Schnittserien den Glaskörperraum gewöhnlich fast ganz leer findet,
sieht man diesen Raum an den nach Cajal behandelten Präparaten
durch einen Filz zarter, distinkt gefärbter schwarzer Fäserchen
gleichmässig erfüllt. Allerdings färben sich in ähnlicher Weise
ab und zu, nicht regelmässig, auch Gerinnsel in den Hohlräumen
der Hirnbläschen, wodurch der Verdacht wachgerufen werden
könnte, dass auch der vermeintliche Glaskörperfilz einer solchen
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 281
Beurteilung anheimfällt, sei es, dass er in seiner (resamtheit ein
Gerinnsel ist, sei es. dass er aus einem Gemisch von wirklichen
Glaskörperfibrillen und Gerinnselfäden besteht. Allein die nähere
Prüfung der Präparate lässt diesen Verdacht als unbegründet von
der Hand weisen. Das Gerinnsel in den Hirnventrikeln weist
einen ganz anderen Öbarakter auf als der Glaskörperfilz. Es ist
stark körnig, unregelmässig, während das Glaskörperretikulum
an gelungenen Präparaten aus glatten, scharf gezeichneten Fäden
besteht. Besonders beweisend aber für die Realität dieses Faser-
werkes ist der Umstand, dass darin sozusagen von den frühesten
Stadien an bestimmte Faserrichtungen typisch hervortreten, was
ja bei einem Gerinnsel nicht wohl der Fall sein könnte.
Übrigens bleiben die Niederschläge in den Hohlräumen der
Hirnbläschen weg, wenn man zur Fixierung statt des Alkohol-
ammoniakgemisches 15°/,iges Formalin benutzt, bei 24stündiger
Anwendung. Der Glaskörper kommt auch hierbei zur Darstellung,
allerdings nicht in so vollkommener Weise, wie bei der anderen
Fixierung, indem die Fibrillen keine schwarze, sondern eine
blassere, mehr braune oder gelbe Färbung annehmen und auch
etwas gröber und körniger erscheinen als an den Alkoholpräparaten.
Ich habe mich daher hauptsächlich an die letztere Fixierung
gehalten, obgleich die Formalinfixierung vor ihr den grossen
Vorzug hat, dass sie es ermöglicht, das Auge in allen Stadien
seiner Entwicklung prall, den Glaskörperfilz ohne nennenswerte
Schrumpfungen durch alle Phasen der Behandlung hindurch-
zuführen, was bei der Alkoholammoniakfixierung nicht immer
gelingt. Bei beiden Fixierungen kommt es häufig vor, dass der
letzte Akt der Präparation, nämlich das Auflegen des Deckglases,
den zarten Faserfilz in Unordnung bringt, ja sogar teilweise
zerstört. Ich habe es daher für zweckmässig befunden, einen
Teil meiner Präparate nach Art der Golgipräparate ohne Deck-
glas aufzuheben. Ja selbst bei dem Bedecken des Schnittes mit
Kanadabalsam muss vorsichtig vorgegangen werden, damit das
feine Fasernetz nicht Schaden leidet.
1. Die Zonula im Auge des entwickelten Huhnes.
(Fig. .1.)
3evor ich auf den eigentlichen Gegenstand meiner Mitteilung,
nämlich auf die Entwicklung der Zonula eingehen würde, scheint
282 M. v. Lenhossek:
es mir angebracht, eine gedrängte Übersicht des Verhaltens der
Zonula im Auge des entwickelten Huhnes zu geben. Es dürfte
dies schon aus dem Grunde nicht überflüssig sein, weil die Lite-
ratur meines Wissens keine einzige genauere Beschreibung der
Vogelzonula aufweist. Die ausführlichste Darstellung habe ich
noch in der kürzlich erschienenen Monographie des Vogelauges
von V.Franz (Lit. 1, S. 205) gefunden. Sie besteht aus den
folgenden paar Zeilen: „Nicht viei zu bemerken habe ich über
die Zonulafasern. Sie entspringen sowohl von der distalen Partie
der vitrealen Zone (des Giliarkörpers), als auch in der lentalen
Zone, als auch an der distalen Kante der lentalen Faltenreihe.
Sie inserieren natürlich an die Linse, und zwar in bedeutend
breiterem Bereiche als die Ciliarfalten selbst.“
Ebensowenig gibt es in der Literatur eine gute Abbildung
der Vogelzonula. In Fig. 1 habe ich diesem Mangel einiger-
massen abzuhelfen gesucht.
Die Untersuchung des Zonulaapparates der Vögel ergibt
zunächst die auf den ersten Blick auffallend erscheinende Tat-
sache, dass dieser Apparat hier verhältnismässig schwach ent-
wickelt ist, bedeutend schwächer als derjenige der Säuger und
besonders des Menschen, bei dem die Zonula überhaupt die
stärkste Entwicklung zeigt. Weder mit freiem Auge, noch mit
der Lupe lässt sich beim Huhn etwas von den Zonulafasern
wahrnehmen, während bei den Säugern und dem Menschen bei
entsprechender Präparationsmethode !) die Zonulafasern schon bei
schwacher Lupenvergrösserung auf das schärfste hervortreten und
die bekannten zierlichen Bilder geben. Die schwache Entwicklung
dieses doch unzweifelhaft im Dienste der Akkomodation stehenden
Apparates beim Vogel könnte deshalb auffallend erscheinen, weil
das Vogelauge bekanntlich in bezug auf die Akkomodation hoch
über dem Säugerauge steht. V. Franz sagt: (S. 263) „Durch
die Akkommodation bekommt das Vogelauge sein charakteristisches
Grepräge. Das Vogelauge ist das Akkommodationsauge zaı’ &Soynv,
es verfügt über die beste, präziseste Akkommodation und ist
daher auch besser als irgend ein anderes Auge für diese Funktion
ausgerüstet.“
') Fixierung des Auges in 100/o-igem Formalin während 24 Stunden,
frontale Halbierung des Auges, Abtragung der Cornea und der Iris, Lupen-
untersuchung.
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 285
Allein die Erklärung für diese scheinbar sinnwidrige Tat-
sache ist unschwer zu finden. Das Vogelauge besitzt eine Ein-
richtung, die im Auge des Säugetieres nicht vorhanden ist und
die uns das Zurücktreten des Zonulaapparates verständlich macht.
Es ist dies die unmittelbare Verwachsung der Ciliarfortsätze mit
der Linse. Wie Fig. 1 zeigt, schliessen sich die schmalen
kammförmigen Ciliarfortsätze unter leichter Verbreiterung un-
mittelbar der Linse an, und zwar an einer etwas vor dem Linsen-
äquator und vor dem breitesten Teil des Linsenwulstes gelegenen
Stelle. An der Verwachsungsstelle sehen wir das ganze Epithel
des Ciliarfortsatzes zu einer dicken Cuticula umgewandelt, die
mit der Linsenkapsel auf das innigste verschmolzen erscheint.
Was also im Säugerauge die Zonula allein zu besorgen hat,
nämlich das Gespannthalten der Linse im nicht akkommodierten
Zustande, wird hier zum grossen Teil durch die Ciliarfortsätze
bewirkt
Der Komplex der Zonulafasern befindet sich in dem schmalen,
auf dem Durchschnitte die Form eines langausgezogenen Drei-
eckes darbietenden Raume, der von dem Ciliarkörper, der Linse
und dem Glaskörper umfasst wird. Nach hinten wird dieser
Raum durch die vordere Verdichtungsmembran des Glaskörpers
begrenzt.
Diese Membran geht in der Literatur unter verschiedenen
Namen. Retzius (2) und Salzmann (3) nennen sie z. B.
„vordere Grenzschicht des Glaskörpers“ und unterscheiden sie
von der Membrana hyaloidea.. Spee (4) spricht einfach von
einer „Glaskörpermembran“. Mawas (5) bezeichnet sie, wie die
meisten Forscher vor ihm, als „Hyaloidea“. Sie ist beim Vogel
ausserordentlich stark entwickelt, beträchtlich stärker als z. B. beim
Menschen, was meiner Ansicht nach mit der energischeren
Akkommodationsfunktion des Vogelauges zusammenhängt. Ihr
Zweck dürfte nämlich darin bestehen, bei der Akkommodation
ein Vorwärtsquellen des Glaskörpers zu verhindern.
Bei allen von mir angewendeten Färbungen erscheint diese
Membran homogen; eine Zusammensetzung aus Fibrillen lässt
sich an ihr nicht nachweisen. Am besten färbt sie sich noch mit
sauren Anilinfarben, z. B. mit saurem Fuchsin, aber auch mit
diesen blass, bis auf ihren hinteren Rand, der an manchen Augen,
nicht an allen, als dunkler gefärbter Grenzsaum hervortritt. Die
284 M. v. Lenhosseck:
Membran ist nach beiden Seiten hin scharf begrenzt. Sie fehlt
noch im Bereich des hinteren Linsenpoles, hier berühren die
Glaskörperfibrillen unmittelbar die hintere Linsenkapsel. Erst
etwas seitlich davon bildet sie sich allmählich heraus Schon
hinter dem Linsenäquator erreicht sie eine beträchtliche Dicke,
wird aber nach aussen hin immer noch, bis zuletzt, stärker.
Schon in einiger Entfernung vor der Ora terminalis ') lösen sich
von Ihr an ihrer vorderen Fläche einzelne Membranellen ab, ohne
aber der Membran als einheitlicher Haut Eintrag zu tun. Diese
Häutchen setzen sich schief an dem vor der Ora termi-
nalis gelegenen Teil des Ciliarepithels an. Im Bereich der Ora
blättert sich aber die ganze Haut in eine Anzahl feiner Mem-
branen auf und findet damit auch als einheitliche Haut ihr Ende.
Diese Membranen endigen dann in verschiedener Weise; einzelne
heften sich sofort an der Limitans interna der Retina propria
an, gleich hinter der Ora, andere wieder strahlen in den Glas-
körper aus und verlieren sich bald in ihm. Durch ihren welligen
Verlauf erinnert der Komplex dieser Häutchen an ein Büschel
welliger Haare.
Die ganze vordere Verdichtungshaut des Glaskörpers be-
schränkt sich also auf das Gebiet zwischen hinterem Linsenpol
und Ora terminalis, oder mit anderen Worten: auf das Gebiet
des Zonularaumes. Von der Ora terminalis an, im Bereich der
Retina propria, lässt sich am Glaskörper des Vogels keine aus-
gesprochene Grenzhaut gegen die Netzhaut nachweisen. Eine
Membrana hyaloidea ist hier also nicht vorhanden, wenn wir nicht
etwa die eigentlich zur Netzhaut gehörige Limitans interna als
solche bezeichnen wollen.
Die Zonulafasern weisen dieselben histologischen Charaktere
auf wie beim Säuger, nur sind sie im allgemeinen zarter. Wir
sehen starre, geradlinig begrenzte, homogene Fäden, die sich in
färberischer Beziehung indifferent verhalten, indem sie sich mit
sehr verschiedenen Farbstoffen darstellen lassen. Sie sind von
sehr verschiedener Dicke, ohne dass sich in der Anordnung der
schwächeren und stärkeren Fasern eine Regelmässigkeit feststellen
liesse. Viele von ihnen zeigen die Tendenz einer geringfügigen
büschelförmigen Auflösung an ihren beiden Enden, besonders an
') = serrata. Beim Huhn ist der Rand der Pars optica retinae nicht
sezahnt.
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 285
dem lenticulären Ende. Ich finde es nicht gerechtfertigt, die
breiteren Mittelstücke der an ihren Enden aufgesplitterten Fasern
als verklebte Fasergarben, d. h. als Komplexe verklebter Einzel-
fibrillen aufzufassen. Dies wäre eine in physiologischer Beziehung
sehr ungünstige Struktur, da die Fasergarben Gefahr liefen, bei
den Zerrungen, denen die Fasern ausgesetzt sind, sich schliesslich
in ihre Komponenten aufzulösen. Histologische Anhaltspunkte
für eine solche Struktur habe ich nicht finden können und wie
wir sehen werden, bietet auch die Histogenese der Zonulafibrillen
nichts, was dafür spricht.
Der Ursprung der Fasern umfasst das ganze Gebiet des
Ciliarkörpers, mit Abrechnung eines schmalen Abschnittes vor
der Ora terminalis, derjenigen Zone nämlich, die durch die sich
hier ansetzenden Lamellen der Glaskörperhaut in Anspruch
genommen wird. Bis zur Ora terminalis reicht also der Ursprung
nicht. Auf diesem weiten Gebiet ist aber die Dichtigkeit des
Ursprunges der Fasern verschieden. Am gedrängtesten entspringen
sie an den Ciliarfortsätzen und den zwischen ihnen gelegenen
Tälern. Dementsprechend ist die Anordnung der Zonulafasern
in den vordersten Teilen des Zonularaumes, d. h. im ciliolentieu-
lären Winkel am dichtesten; hier bilden sie eine dichte Streifung,
in der stellenweise auch spitzwinklige Kreuzungen der Fasern
nachzuweisen sind. Die Ciliarfortsätze entsenden nur an ihren
Seitenflächen und hinteren Kanten Zonulafasern, nicht aber an
ihrer vorderen Kante, und ebenso überschreitet das aus den
Tälern zwischen den Fortsätzen entspringende Faserbündel mit
seinen vordersten Fasern niemals das Niveau der Ciliarfortsätze.
Nach hinten und nach den Seiten hin wird die Anordnung der
Fasern lockerer, sie laufen in weiteren Abständen voneinander.
Die Fasern im ciliolenticulären Winkel laufen schnurgerade, die
weiter hinten folgenden beschreiben nach vorne konvexe sanfte
Bögen, parallel der Krümmung der vorderen Verdichtungshaut
des Glaskörpers. Zwischen den Zonulafasern findet sich nirgends
eine Spur von Glaskörperfibrillen, es ist eine reinliche Scheidung
von Glaskörper und Zonula vorhanden.
Der Ansatz der Fasern erfolgt an der Linsenkapsel im
Bereich des Linsenäquators und an den benachbarten Gebieten
der vorderen und hinteren Fläche. An der letzteren umfasst die
Ansatzzone ein viel ausgedehnteres (Gebiet als auf der vorderen
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 20
286 M.v Lenhossck:
Fläche, wo schon der Ansatz der Ciliarfortsätze die Grenze
bezeichnet. Bemerkenswert ist, dass die Zonulafasern nach der
Linse hin allmählich ihre Färbbarkeit verlieren; dicht an der
Linse erscheinen sie an allen meinen Präparaten fast ganz
ungefärbt.
„Orbiculo-ciliare® und „intereiliare Fasern“ (Czermak),
d. h. Fasern, die nicht zur Linse gehen, sondern verschiedene
Punkte des CGiliarkörpers miteinander verbinden, lassen sich beim
Huhn bestimmt ausschliessen, wohl aber glaube ich gefunden zu
haben, dass die am weitesten hinten, nahe zur Ora terminalis
entspringenden Fasern die Linse nicht immer erreichen, sondern
sich nach längerem Verlauf schief der Glaskörpermembran an-
schliessen und in einer Verschmelzung mit ihr auch ihr Ende
finden. Es liegt hier allerdings eine gewisse Schwierigkeit
vor, indem es nicht immer leicht ist, zu entscheiden, was schon
Zonulafaser ist und was noch zu der Grenzmembran des Glas-
körpers gehört, als ein sich von ihr ablösendes Häutchen. Wenn
man aber in der schärferen Begrenzung und stärkeren Färbbarkeit
Kriterien für die Zonulafasern erblickt, so darf man die betreffenden
Fasern doch als Zonulafasern auffassen. Entwicklungsgeschichtlich
lässt sich das Vorkommen derartig endigender Zonulafasern wohl
verstehen.
Was die feineren histologischen Verhältnisse des Ursprunges
der Zonulafasern an der Pars ciliaris retinae betrifft, so zeigen
meine Präparate nur so viel. dass sie sich mit der Limitans
eiliaris interna!) verbinden. Ein Eindringen der Fasern direkt
in das Epithel habe ich nicht beobachten können Ich möchte
hier eine mir nicht unwichtig erscheinende Beobachtung erwähnen,
die ebenfalls auf die innigen Beziehungen zwischen Zonulafasern
und Limitans ciliaris hinweist. Es ist dies die Tatsache, dass
!) Mit Wolfrum (6) halte ich es für das zweckmässigste, die innere
Cuticula des Ciliarepithels als Limitans ciliaris interna zu bezeichnen, da
sie die direkte Fortsetzung der Limitans interna retinae bildet. Ist zwischen
den beiden Lagen des Ciliarepithels wirklich eine besondere Outicularmembran
vorhanden, wie es zuerst Berger (7) behauptet hat, so müsste sie eigentlich
Limitans ciliaris externa genannt werden, da sie unzweifelhaft die Fortsetzung
des als Limitans externa retinae bezeichneten Schlussleistennetzes ist. Ich
würde es aber trotzdem aus Gründen der Deutlichkeit vorziehen, diese Haut
Limitans intermedia zu nennen und als Limitans ciliaris externa die zwischen
Ciliarepithel und Bindegewebe befindliche Glashaut zu bezeichnen.
Die Entwicklung und Bedeutung. der Zonulafasern. 237
die Dicke und scharfe Ausprägung dieser Grenzhaut Hand in
Hand geht mit der Dichtigkeit der von ihr entspringenden Zonula-
fasern. Verfolgt man beim Huhne die Limitans eiliaris von der
Ora terminalis nach den Ciliarfortsätzen hin, so sieht man, dass
sie in dem Maße, wie die Zonulafasern reichlicher von ihr ent-
springen, allmählich stärker wird. Am dicksten ist sie an den
Ciliarfortsätzen. Wir haben hier also den Ausdruck einer gesetz-
mässigen gegenseitigen Abhängigkeit und damit den Beweis einer
Zusammengehörigkeit beider Gebilde. Ich bemerke, dass meine
Beobachtungen in dieser Beziehung das gerade Gegenteil von
dem ergeben haben, was Wolfrum (6) für den Menschen
behauptet, dass nämlich die Limitans ceiliaris an den Stellen, wo
viele Zonulafasern am Ciliarkörper entspringen, nicht nur nicht
stärker, sondern im Gegenteil schwächer wird, ja sich überhaupt
nicht nachweisen lässt. Beim Huhne ist der von mir angegebene
Tatbestand leicht festzusteilen.
Schliesslich möchte ich erwähnen, dass man an manchen
Schnitten zwischen den eiliaren Wurzelteilen der Zonulafasern,
besonders im Bereich des Orbiculus ciliaris, dicht am Epithel
einzelne fortsatzlose, ganz freistehende Zellen findet, wie sie hier
auch für Säuger schon von mehreren Seiten beschrieben sind
Sie sind sehr spärlich, man findet deren höchstens zwei bis vier
an je einer Seite des Schnittes. Mit den Zonulafasern haben sie
bestimmt nichts zu tun; sie liegen gerade nur zwischen: ihnen.
Sie sehen eher wie ausgeschaltete Epithelzellen, als wie Leukocyten
oder Bindegewebszellen aus. Der Mechanismus ihrer Ausschaltung
aus dem Epithel ist allerdings angesichts der Limitans ciliaris
nicht leicht zu verstehen.
2. Die Entwicklung der Zonula.
a) Hühnchen vom 4. Tage. (Fig. 2.)
Meine Untersuchungen setzen am 4. Tage der Bebrütung
ein. Der Glaskörper stellt sich um diese Zeit bereits als ein
selbständiges Netzwerk dar, das sich von seinem Mutterboden, für
') Im Interesse der Kürze und Übersichtlichkeit meiner Darstellung
habe ich in nachfolgender Beschreibung aus den von mir kontinuierlich von
Tag zu Tag untersuchten Stadien nur einige mir besonders charakteristisch
erscheinende herausgegriffen.
20*
283 M. v. Lenhossck:
den ich nach wie vor in erster Linie die Linse halte, schon voll-
kommen abgelöst hat, was sich in dem schon erfolgten Schwund der
Basalkegel der Linsenzellen und besonders in der Gegenwart einer
nirgends unterbrochenen Cuticularhaut im ganzen Umfang des
Linsenbläschens ausspricht. Auch die Netzhaut grenzt sich gegen
den Glaskörperfilz in ihrer ganzen Ausdehnung durch eine scharfe,
ununterbrochene Cuticularhaut ab, und ist sie wirklich, wie das
so viele Forscher behaupten, an der Bildung des Glaskörpers
beteiligt, so gehören die entsprechenden Vorgänge einer früheren
Periode an, denn vom 4. Tage an kann die Netzhaut angesichts
ihrer Cuticula, der späteren Limitans interna, nicht mehr als
Bildungsstätte des Glaskörpersin Betracht kommen. Der Glaskörper-
filz wächst von nun an selbständig weiter; er trägt vollkommen die
Bedingungen einer selbständigen Vermehrung und Differenzierung in
sich. Ich finde darin nichts so auffallendes und unglaubliches, wie
es Rabl (8) seinerzeit hinzustellen sich bemüssigt gesehen hat,
und kann ihm nicht beistimmen, wenn er sagt, dass „eine solche
Auffassung allen unseren histiologischen und histogenetischen
Vorstellungen widerspricht.“ Der Glaskörper ist in dieser Be-
ziehung kein Unikum, er verhält sich nicht anders, als das
fibrilläre Bindegewebe, das ja bekanntlich von einem gewissen
Zeitpunkt der Entwicklung an ebenfalls die Fähigkeit einer selb-
ständigen, von der produktiven Tätigkeit cellulärer Elemente
unabhängigen Vermehrung und Ausbreitung in sich trägt. Neuere
Untersuchungen zeigen, dass auch bei der Entwicklung der fibril-
lären Grundsubstanz des Zahnbeines und Knochengewebes ähnliche
Vorgänge im Spiele sind. Auch bei der Vermehrung und dem
Wachstum der Neuroglia dürfte über ein bestimmtes Stadium
hinaus den Zellkörpern der Astrocyten keine so bedeutsame Rolle
zukommen, vielmehr der Schwerpunkt des Wachstums in einer
selbständigen Wucherung der Gliafasern liegen, obgleich ich der
Überzeugung bin, dass diese ihren Zusammenhang mit den Zellen
niemals ganz aufgeben.
Doch gehören diese Fragen nicht in den Rahmen vor-
liegender Untersuchung, und so will ich nicht länger bei ihnen
verweilen.
Fig. 4 zeigt, wie sich das Auge des viertägigen Hühnchens
an Silberpräparaten darstellt. Am Linsenbläschen erscheint
die proximale Wand bereits zu einem kräftigen Hügel hervor-
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 289
gewölbt, doch haben die verlängerten Epithelzellen die noch dicke,
mehrzeilige distale Wand noch nicht völlig erreicht, das Bläschen
weist noch einen schmalen, halbmondförmigen, an den beiden
Enden etwas erweiterten Hohlraum auf. Die proximale Fläche
der Linse ist flach, die distale stark konvex. Die Cornea-Anlage
liegt der Linse unmittelbar an. Sie besteht aus dem verhältnis-
mässig hohen Epithel und aus der bekannten kernlosen „hyalinen“
Lage. Letztere ist nach hinten sehr scharf abgegrenzt und
endigt seitlich zugeschärft, mit deutlichster Abgrenzung gegen
das Mesenchym zwischen Ektoderm und Augenbecherrand. Am
dicksten ist sie ungefähr vor dem Linsenäquator. Mit stärkeren
Vergrösserungen betrachtet erscheint diese Lage nicht eigentlich
homogen, sondern aus sehr zarten Fibrillen zusammengesetzt,
die unter leichten Schlängelungen der Oberfläche parallel laufen.
Mit Silber färbt sie sich gelblich, ihre Fibrillen zeigen nicht die
Reaktion der Glaskörperfibrillen.
Diese hyaline Lage wurde von Kessler im Jahre 1877 (9)
entdeckt, und von ibm auch schon ziemlich genau beschrieben.
Sehr ausführlich beschäftigte sich neuerdings Knape (10) mit ihr.
Dieser Forscher leitet sie aus einer Umbildung des von mir (11)
beschriebenen vorderen Glaskörpers ab, abweichend von Kessler,
der in ihr ein Ausscheidungsprodukt des Epithels erblickte. Die
Frage nach der Herkunft dieser Lage scheint mir durch die bis-
herigen Untersuchungen nicht endgültig gelöst zu sein. Ich finde
beim Hühnchen, dass sie sich gegen den vorderen Glaskörper
stets scharf abgrenzt, was der Auffassung Knapes nicht gerade
günstig ist. Die Bildungsweise und die weiteren Schicksale dieser
Schichte verdienen wohi eine erneute Untersuchung, um so mehr
als diese Frage auch in Betreff des Verhältnisses der ver-
schiedenen Keimblätter zueinander von Interesse ist.
Am Augenbecher ist ein beträchtlicher Diekenunterschied
zwischen den beiden Blättern vorhanden. Das dünnere äussere
Blatt weist schon bis zur Umbiegungsstelle Pigmentkörner in
seinen Zellen auf, wenn auch noch in spärlicher Zahl. Das innere
Blatt ist in seiner ganzen Ausdehnung von gleicher Dicke; die
Unterscheidung einer Retina propria und einer Retina coeca ist
also noch nicht möglich. Zwischen den beiden Blättern befindet
sich noch ein spaltförmiger Raum, der am Rande des Augen-
bechers eine geringe Erweiterung erkennen lässt.
290 M. v. Lenhossek:
Der schon ziemlich ansehnliche Glaskörperraum erscheint
durch einen fädigen Glaskörper erfüllt. Die Fäden bilden ein
ziemlich lockeres, weitmaschiges Geflecht; sie sind auch etwas
kräftiger als in den späteren Stadien.
Auch ein „vorderer Glaskörper“ ist noch nachzuweisen,
allerdings nur mehr in seinen letzten Spuren, indem gerade nur
seine seitlichsten Teile erhalten sind. In dem Winkel nämlich
zwischen Augenbecherrand, Linsenperipherie und Corneaanlage
findet man auf einem kleinen dreieckigen Raum besonders auf
der einen Seite typisches Glaskörpergewebe, mit der charakte-
ristischen schwarzen Färbung der Fibrillen, wodurch sich dieses
(sewebe gegen das von der Seite herandringende Bindegewebe
lebhaft abhebt. Mit dem Hauptteil des Glaskörpers hat dieses
(sewebe keinen Zusammenhang, da sich Augenbecherrand und
Linsenäquator unmittelbar berühren, ein „Isthmus“ also, wie wir
ıhn im Auge der Säugerembryonen dieser Entwicklungsstufe
sehen, nicht vorhanden ist.
Die Anordnung der Fibrillen des Glaskörpers ist als unregel-
mässig zu bezeichnen. Nur an einer Stelle lassen sie die ersten
Anzeichen einer bestimmten Gruppierung erkennen. Es ist dies
der vorderste Teil des Glaskörpers, die Gegend des Augenbecher-
randes. Hier bekommt man an manchen Schnitten bei der
Betrachtung mit schwachen Vergrösserungen den Eindruck, als
wollte sich ein Bündelchen hervorheben, dessen Fasern von dem
Umbiegungsrand der Netzhaut oder einer unmittelbar dahinter
gelegenen Stelle ausgehen und divergierend nach hinten verlaufen.
Merkwürdigerweise ist diese bündelartige Anordnung der Fasern
immer nur auf der einen Seite des Schnittes, und zwar immer
in der oben Hälfte des senkrecht durchschnittenen Auges zu er-
kennen, welche Seite sich auch durch den weiter fortgeschrittenen
Schwund des vorderen Glaskörpers etwas entwickelter zeigt.
Das Bündelchen ist aber gerade nur andeutungsweise zu sehen;
vielleicht würde es mir ohne die Kenntnis der späteren Stadien,
wo es viel kräftiger hervortritt, garnicht aufgefallen sein. Die
Netzhaut ist auch an der Ursprungsstelle dieses Bündels durch
eine scharfe Limitans abgegrenzt. Es liegt kein Grund vor für
die Annahme, dass das Bündelchen auf eine Bildung von Glas-
körperfibrillen von seiten der Netzhaut zu beziehen sei. Unter-
sucht man das Bündel mit stärkeren Vergrösserungen, so sieht
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 291
man, dass seine Fasern mit der Limitans retinae zumeist gar nicht
unmittelbar zusammenhängen, sondern selbständig im Glaskörper
ihren Ursprung nehmen.
b) Hühnchen vom 7.Tage. (Fig. 3.)
Das Auge hat grosse Fortschritte gemacht. Die Linse ist
nun schon auf beiden Seiten konvex, auf der vorderen aber noch
stärker als auf der hinteren. Ein Hohlraum ist nicht mehr
nachzuweisen. In der Äquatorgegend sehen wir die ersten
Anzeichen des Linsenwulstes. In den zentralen Teilen der Linse
sind die Kerne der Linsenfasern bereits geschwunden. Die Linsen-
kapsel liegt auf dem Präparat der Linse überall dicht an.
Zwischen Linse und Hornhaut hat sich nun schon eine
ansehnliche vordere Kammer ausgebildet. Die frühere hyaline
Schicht erscheint nun in ihrer hinteren Abteilung schon mit
Kernen versehen, während ihr vorderer Teil, in dem wir vielleicht
die Anlage der Bowmanschen Haut zu erblicken haben, noch
kernlos ist. Ein weiterer Fortschritt gibt sich darin kund, dass
die hyaline Schichte seitlich nicht mehr zugeschärft und gegen
das Mesenchyn scharf abgesetzt endigt, sondern in die binde-
gewebige Anlage der Sclera unmittelbar übergeht.
An dem inneren Blatt des Augenbechers hat sich die
bemerkenswerte Veränderung eingestellt, dass sich daran nun
schon eine Pars optica und Pars coeca unterscheiden lässt. Die
Netzhaut ist nämlich jetzt nicht mehr bis zur Umbiegungsstelle
von gleicher Dicke, sondern verdünnt sich schon in einiger
Entfernung davor. Doch ist der Diekenunterschied zwischen den
beiden Teilen noch ziemlich geringfügig und die Stelle der
späteren Ora terminalis nicht ganz genau festzustellen. Man
kann an der Pars coeca schon eine Pars ciliaris und eine frei
hervorstehende Pars iridica abgrenzen; letztere ergänzt sich
schon durch den Anschluss einer schmalen Bindegewebsschicht
an ihre vordere Fläche zu einer vollkommenen Iris. Ihr pupillarer
vand berührt nicht unmittelbar die vordere Fläche der offenbar
etwas geschrumpften und nach hinten verlagerten Linse; ein zartes
Fädchen verbindet die beiden Gebilde miteinander, vielleicht ein
abgelöstes Blättchen der vorderen Linsenkapsel. Die Pars ciliaris
ist noch ganz glatt, sie weist noch keine Spur einer Falten-
bildung auf.
292 M. v. Lenhossek:
Der Faserfilz des Glaskörpers ist nun zum grössten Teile
dichter und zarter als auf der früheren Stufe. Er ist nicht mehr
so ungeordnet wie früher, sondern lässt gewisse Fasersysteme
typisch hervortreten.
So nimmt ein charakteristisches Fasersystem von dem keil-
förmig vorspringenden Sehnervenkopf und der Anlage des Kammes
seinen Ursprung, um kelchartig divergierend und ein trichter-
förmiges Gebiet umfassend nach der Linse hinzuziehen; letztere
wird aber von diesen Fasern niemals ganz erreicht.
Viel auffallender und für uns auch von grösserem Interesse
ist ein zweites Bündel. Es beginnt in der Gegend der späteren
Ora terminalis, d. h. an der Grenze des dicken und verdünnten
Teiles der Netzhaut. Das Bündel besteht aus auffallend starken
und regelmässig verlaufenden Glaskörperfasern, die zuerst dicht
zusammengefasst geradeaus nach hinten ziehen, um sich aber
bald aufzulockern und kelchartig auseinander zu weichen, wobei
die innersten Fasern in der Richtung der zentralen Teile des
(Glaskörpers ausstrahlen. Die meisten Fasern verlieren sich schon
nach kürzerem Verlauf im Fibrillengewirr des Glaskörpers. ein-
zelne zeichnen sich aber durch recht langen Verlauf aus, ja sie
lassen sich als zusammenhängende scharfe Linie bis zum Sehnerven-
kopf verfolgen, so dass durch sie der Glaskörper gewissermassen
in zwei Schichten, eine kugelschalenartige Rindenschicht und eine
kugelförmige innere Schicht geteilt wird. Ich habe dieses Stadium
an mehreren Augen untersucht und das Verhalten des Bündels
an allen gleich gefunden.
Wir haben es offenbar mit demselben Bündel zu tun, dessen
Andeutungen wir bereits beim viertägigen Hühnchen begegneten.
Das Bündel weist aber hier eine gewisse Verlagerung gegen jenes
Stadium auf. Am 4. Tag lag sein Ausgangspunkt am freien Rand
des Augenbechers, hier liegt er beträchtlich weiter hinten, nämlich
an der Stelle, wo sich das innere Netzhautblatt zu verdünnen
beginnt.
Eine genaue Prüfung der Verhältnisse ergibt, dass das
Bündel eigentlich an Ort und Stelle geblieben ist, und dass sein
Lagewechsel dadurch bedingt ist, dass mittlerweile aus dem Rande
des Augenbechers die Pars coeca retinae hervorgewachsen ist,
wodurch sich das in seiner topographischen Beziehung zur Netz-
haut konservative Bündel scheinbar nach hinten verschoben hat.
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 295
Die Pars coeca verdankt also ihre Entstehung nicht etwa einer
eigentlichen Differenzierung des inneren Blattes in zwei Teile,
in dem Sinne, dass der vordere Teil dieses Blattes bei dem gleich-
mässigen expansiven Wachstum der Netzhaut in seiner Dicken-
zunahme zurückbleibt, sondern sie entsteht in der Weise, dass
sie als eine Neubildung aus dem Rande der späteren Pars optica
hervorwächst, ähnlich wie etwa bei der Zahnentwicklung die
Epithelscheide der Zahnwurzel aus dem Rande des Schmelzorganes.
Ich möchte erwähnen, dass ich diese Art der Entstehung der
Pars coeca retinae schon im Jahre 1903 (11, S. 100) für das
Kaninchen beschrieben habe.
Mit dem Hervorwachsen einer Pars coeca aus dem Becher-
rand hat sich der Glaskörperraum nach vorne hin durch einen
neuangesetzten Rezess erweitert. Das ganze auf dem Augen-
durchschnitt dreieckig erscheinende Gebiet, das man von dem
Hauptteil des Glaskörperraumes in der Weise abgrenzen kann,
dass man vom hinteren Linsenpol zur Gegend der Ora terminalis
eine Linie zieht, ist ein Novum.
Dieser neue Raum zeigt sich schon mit Glaskörpergewebe
erfüllt. Dieses hat hier aber eine besondere Beschaffenheit: es
ist lockerer und grobfaseriger als der übrige Teil des Glas-
körpers; es stellt sich ebenso dar, wie der ganze Glaskörper etwa
am 4. Tage. Diese Beschaffenheit stimmt damit zusammen, dass
dieser Teil des Glaskörpers erst kürzlich entstanden ist.
Der neue Rezess des Glaskörperraumes ist für uns schon
deshalb von besonderem Interesse, weil wir hier die Anlage des
Zonularaumes vor uns haben. Das Gebiet der späteren Zonula
ist also anfangs bis zur Wurzel der Iris von typischem Glas-
körpergewebe erfüllt. Ich will noch hervorheben, dass in diesem
(sewebe zunächst noch keine Spur einer bestimmten Anordnung
der Fasern wahrzunehmen ist; das lockere Geflecht erscheint
ganz unregelmässig.
Doch kehren wir zu dem oben beschriebenen Faserbündel
des Glaskörpers zurück. Zunächst einige historische Angaben.
Das Bündel ist, so viel ich weiss, bisher beim Hühnchen nicht
beschrieben worden, obgleich es eine sehr auffallende Bildung
darstellt. Wohl aber habe ich es schon im Jahre 1905 beim
Kaninchen als Isthmusbündel erwähnt (11, S. 51) und abgebildet.
Es ist aber beim Kaninchen sehr schwach entwickelt und nur in
294 M. v. Lenhosseck:
den frühesten Stadien vorhanden. Auf der Entwicklungsstufe, wo
es beim Huhn gerade auf dem Höhepunkt seiner Ausbildung
steht, ist es beim Kaninchen bereits geschwunden.
Wir kennen aber ein ganz ähnliches Bündel beim erwachsenen
Frosch und es ist gewiss von Interesse, dass eine Anordnung,
die im Glaskörper des Vogels nur embryonal als vorübergehende
Erscheinung auftritt — denn, wie wir sehen werden, schwindet
das Bündel bald —, beim Frosch als dauernde Bildung festgehalten
ist. Hier wurde es im Jahre 1894 von Retzius (2) beschrieben
und bildlich wiedergegeben. Aus der Fig. 10, Taf. XXXII des
Retziusschen Werkes geht die Analogie des beim Frosch vor-
handenen Glaskörperbündels mit dem von mir beim Hühnerembryo
beobachteten klar hervor. Auch beim Frosch nimmt das Bündel
von der Gegend der Ora terminalis seinen Ursprung, welche
Stelle hier durch die circulär verlaufenden Äste der Vasa hyaloidea
(s. Gaupp 12, 8. 859) gekennzeichnet ist, auch hier strahlt es
nach hinten in den Glaskörper aus, mit dem Unterschiede nur,
dass alle Fasern des Bündels mit ihren hinteren Enden die Netz-
haut erreichen, um sich an ihrer Limitans zu inserieren, während
beim Hühnchen dies nur für eine geringe Zahl von Fasern zutrifft.
Ich schlage daher vor, das Bündel auch beim Hühnchen
und auch bei anderen Embryonen, wo es noch beobachtet werden
sollte, als Retziussches Bündel zu bezeichnen.
Untersucht man die Stelle, wo sich das Bündel an der Ora
terminalis anzusetzen scheint, mit stärkeren Vergrösserungen, so
erkennt man, dass das Zeitwort „scheint“ hier wirklich angebracht
ist. Die Fasern des Bündels reichen nämlich zumeist gar nicht
bis unmittelbar an die Netzhaut heran. Dicht an der Innenfläche
der Netzhaut findet sich an den Silberpräparaten eine homogene,
gelblich gefärbte, nach dem Glaskörper hin verschwommen ver-
laufende Substanzlage, vielleicht eine Verdichtung der inter-
fibrillären Grundsubstanz des Glaskörpers oder ein Ausscheidungs-
produkt der Netzhaut. Sie erstreckt sich von der Stelle der Ora
terminalis aus längs der Pars coeca retinae bis zur Wurzel der
Iris. Diese Substanzlage schiebt sich zwischen Glaskörperfibrillen
und Netzhaut, aus ihr tauchen erst die Fasern des Retziusschen
Bündels auf.
Ich lege auf diese Beobachtung deshalb Gewicht, weil durch
sie der Möglichkeit einer Intrepretation der hier beschriebenen
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 295
Bilder vorgebeugt wird, die ich für eine falsche halten würde.
Die Übergangsstelle der Pars optica und coeca retinae wird von
manchen Forschern als besonders wichtig für die Entstehung des
(laskörpers bezeichnet. Es könnte somit das Retziussche
Bündel mit der vermeintlichen Bildung des Glaskörpers aus der
genannten Stelle der Netzhaut in Verbindung gebracht werden,
in dem Sinne, dass es gewissermassen das Hervorströmen der
Glaskörperfibrillen aus der Netzhaut verkörpert. Es ist also
wichtig zu wissen, dass die Fibrillen des Bündels mit der Netz-
haut hier keinen unmittelbaren Zusammenhang haben. Überdies
möchte ich auf die Gegenwart der Limitans interna an der
betreffenden Netzhautstelle hinweisen, und ebenso auf den Umstand,
dass hier an der Netzhaut überhaupt keine Spuren davon zu
erkennen sind, dass sie sich irgendwie produktiv betätigt. Würde
sie hier ein so dickes Faserbündel aus sich hervorgehen lassen,
so müssten doch gewisse Veränderungen an ihr nachweisbar sein,
zumindest eine Verdickung oder gewisse darauf hinweisende
Erscheinungen an ihren Zellen. Nichts derartiges ist aber hier
zu sehen.
Die einzig richtige Beurteilung der Verhältnisse kann meiner
Ansicht nach nur die sein, dass das Retziussche Bündel aus
einer lokalen Verstärkung und bestimmten Zusammenordnung der
schon früher angelegten Glaskörperfibrillen zustande gekommen
ist, ähnlich wie sich in der Knochenspongiosa aus dem Balken-
werk gewisse bestimmt orientierte stärkere Züge herausbilden.
Die beschriebene Verdichtung der Grundsubstanz des Glaskörpers
dicht an der Netzhaut könnte vielleicht den Zweck haben, in der
weiteren Folge die innige Verschmelzung der Zonulafibrillen mit
der Limitans ciliaris zu befördern.
ec) Hühnchen vom 10. Tage. (Fig..4.)
Die Vergleichung der bei derselben Vergrösserung gezeich-
neten Fig. 3 und 4 zeigt, dass das Auge gegenüber seinem Ver-
halten am 7. Tag etwa um ein Drittel seines Umfanges gewachsen ist
und auch in seiner inneren Ausgestaltung beträchtliche Fortschritte
gemacht hat. An der schon stark konvex vorspringenden Hornhaut
ist das Epithel niedriger geworden, die Substantia propria erscheint
nun ganz mit Kernen besetzt, bis auf einen schmalen Saum hinter
dem Epithel: der Anlage der Bowmanschen Haut.
296 M.v. LDenhossek:
An der Linse ist der Linsenwulst schon ziemlich gut ent-
wickelt, in Form einer länglichen spindelförmigen Verdickung der
seitlichen Partien des vorderen Blattes. Der auf der Figur
sichtbare spaltförmige Raum zwischen Linsenwulst und Linsen-
fasern ist wohl als Kunstprodukt aufzufassen; war doch schon
am 7. Tage von einem solchen Raume nichts zu sehen. Ein
weiteres Kunstprodukt ist die Ablösung der vorderen Linsenkapsel
von der Linse hinter dem Pupillarrand der Iris.
Am Ciliarkörper erkennt man die Anfänge der Faltenbildung.
Die ersten Falten scheinen aber nicht wie später meridional,
sondern circulär zu verlaufen, da sie auf dem Meridionalschnitt
quer getroffen sind. Man erkennt deren zwei bis drei.
Der Dickenunterschied zwischen Pars optica und coeca
retinae ist. nun viel grösser wie früher, wenn auch gegen das
endgültige Verhalten noch stark rückständig. An der Grenze
beider Abteilungen hat sich eine kleine faltenartige Abhebung der
Netzhaut eingestellt, für deren Zustandekommen offenbar das sich
hier anheftende Retziussche Bündel des Glaskörpers verantwort-
lich zu machen ist
Das fibrilläre Gerüstwerk des Glaskörpers ist an den Silber-
präparaten prachtvoll zu sehen; es ist noch feiner und dichter
als am 7. Tage. Nur im Zonularezess zeigt es immer noch eine
lockere und grobfaserige Beschaffenheit, besonders auf der unteren
Seite des Augendurchschnittes.
Das vom Sehnervenkopf und vom Kamm ausgehende trichter-
förmige Fasersystem des Glaskörpers ist im dargestellten Schnitt
nicht getroffen. An anderen Schnitten ist es noch immer zu
erkennen, wenn auch schon etwas reduziert.
Das Retziussche Bündel verhält sich in den beiden Hälften
des Schnittes wesentlich verschieden. Die Abbildung ist einem
Frontalschnitt des Kopfes entnommen. Die Augen sind um diese
Zeit beim Hühnchen noch fast ganz seitwärts gerichtet, wir haben
also einen senkrechten, ungefähr in der Augenachse geführten
Meridionalschnitt vor uns, an dem wir eine obere und untere
Seite unterscheiden können. Das Bündel erscheint auf der unteren
Seite stark rückständig gegenüber seinem Verhalten in der oberen
Augenhälfte. Schon am 4. Tage haben wir einen ähnlichen Unter-
schied zwischen den beiden Hälften des Auges feststellen können.
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 297
Auf der unteren Seite zeigt das Bündel gegen den 7. Tag
nur geringfügige Veränderungen. Sie bestehen im wesentlichen
darin, dass der früher nur ganz wenig geöffnete Fächer des
Bündels nun etwas weiter ausgebreitet ist. Die Fasern des
Bündels divergieren von Anfang an. Ihre Anordnung ist sehr
regelmässig; die äussersten Fasern schliessen sich in ihrem
Verlaufe der inneren Fläche der Netzhaut an, von ihr durch
eine schmale verdichtete homogene Belegschicht getrennt, nach
innen lenkt der Gang der Fasern mehr und mehr einwärts um,
die innersten schlagen schon die Richtung des Mittelpunktes des
Glaskörpers ein. Alle Fasern laufen leicht bogenförmig, mit
einwärts gekehrter Konkavität und unter ganz zarten welligen
Krümmungen. Ein weiterer Unterschied gegen früher ist, dass
nun die langen, bis zum Sehnervenkopf reichenden Fasern
geschwunden sind: alle Fasern hören schon beträchtlich früher
auf, die inneren früher als die äusseren. Immer noch sehen wir,
wie am 7. Tage, die Fasern des Bündels nicht unmittelbar von
der Limitans retinae entspringen, sondern aus einem schmalen
Saum einer gelblich gefärbten verschwommenen homogenen Lage,
die die Netzhaut an der betreffenden Stelle bedeckt. Sie erstreckt
sich von der Ora terminalis aus längs des Ciliarkörpers fast bis
zur Wurzel der Iris, aber auch eine kurze Strecke weit auf das
Gebiet der Retina propria. Überall erscheint die Netzhaut von
einer scharfen undurchbrochenen Limitans bedeckt.
Eine sehr wichtige Beobachtung können wir machen, wenn
wir das auffallend lockere Gerüstwerk des Zonularezesses der
unteren Seite betrachten. Wichtig ist diese Beobachtung, weil
uns hier die ersten Spuren der Entwicklung der Zonulafasern
entgegentreten.
Wir sehen nämlich, dass die Anordnung dieses Reticulums
nicht mehr so durchaus regellos ist, wie am 7. Tage, indem darin
schon die ersten Zeichen einer bestimmten Orientierung der
Fasern zu erkennen sind. In dem Gerüstwerk heben sich nämlich
einzelne stärkere und zusammenhängendere Züge hervor, und
zwar alle in der Richtung der Verbindungslinie zwischen Ciliar-
körper. und Linse gelegen. Wir haben es aber nicht mit
isolierten Fasern zu tun, sondern nur mit stärkeren Balken des
(rerüstes, die durch schief und quer verlaufende Fibrillen immer
noch in netzförmigem Zusammenhang miteinander stehen.
295 M. v. Lenhosseck:
Die betreffenden Fasern reichen mit ihren Enden weder bis
zur Linse. noch bis zum Glaskörper, ein Umstand, auf den ich
besonderen Nachdruck legen möchte. Geht man ihnen in der
Richtung des Ciliarkörpers nach, so sieht man, dass sie schon in
einiger Entfernung davor aufhören; in der Nähe des Ciliarkörpers
ist das Glaskörpernetz wieder ganz diffus. Ähnlich liegt die Sache
an der Linse; hier ist noch hinzuzufügen, dass unmittelbar an dieser
der Glaskörper eine besonders feine, dichte Beschaffenheit annimmt.
Wir sehen also, dass die Differenzierung der Zonulafasern — denn
um solche handelt es sich — mitten aus dem Glaskörper heraus
erfolgt, unabhängig vom Ciliarkörper und der Linse. Die Zonula-
fasern wachsen also nicht etwa aus dem Üiliarepithel hervor, wie
das von manchen Forschern angenommen wird, sondern bilden
sich selbständig aus dem Fibrillenwerk des Glaskörpers heraus.
Betrachten wir nun die Verhältnisse in der oberen Hälfte
des Auges. Hier hat sich alles von Grund aus umgestaltet.
Statt des früheren schmalen Retziusschen Bündels sehen wir
nun einen vollkommen geöffneten Fächer, eine Strahlensonne
locker angeordneter, kräftiger Fasern von der Gegend der Ora
terminalis und des Ciliarkörpers ausstrahlen. Der Fächer
erscheint ganz einheitlich, alle seine Teile schliessen sich ohne
Abgrenzung aneinander und es ist nur die Kenntnis der Ante-
cedentien, die es gestattet, an ihm einen älteren Abschnitt, dem
früheren Retziusschen Bündel entsprechend, und einen neu-
hinzugekommenen zu unterscheiden. Das Retziussche Bündel
dürfte etwa in dem äusseren Drittei des ganzen Fächers vertreten
sein, in der Gruppe jener Fasern, die zum Teil parallel mit der Netz-
hautoberfläche nach hinten ziehen, zum Teil etwas einwärts davon
mehr nach den inneren Gebieten des Glaskörpers umlenken. An
dem so abgegrenzten Retziusschen Fasersystem ist gegen früher
unverkennbar eine Reduktion eingetreten. Sie spricht sich nicht
nur in der loseren Beschaffenheit des Bündels aus, sondern vor
allem auch darin, dass seine Fasern nun viel kürzer sind als
vordem. Alle hören nun schon nach sehr kurzem Verlauf auf,
indem sie sich im Netzwerk des Glaskörpers verlieren.
Die neuentstandenen zwei Drittel des Faserfächers möchte
ich wieder in zwei Teile trennen, und zwar ist es hier nicht die
Herkunft, sondern das weitere Schicksal der beiden Abteilungen,
die ihre Unterscheidung ermöglicht. Der eine Teil steht nämlich zu
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern 299
der Bildung der vorderen Verdichtungsmembran des Glaskörpers in
Beziehung, der andere zu der der Zonula. Es ist hier also gleich
darauf hinzuweisen, dass diese beiden Gebilde, Verdichtungshaut
und Zonula, in den ersten Stadien sich ganz gleich entwickeln.
Der erstere Abschnitt begreift die Fasern in sich, die unter mehr
oder minder querem Verlauf hinter die Linse hinziehen ; einzelne
dieser Fasern sind recht lang, sie überschreiten auch die Mittel-
linie. Die Fasern dieser Abteilung sind es, die in der weiteren
Folge durch allmähliche Verstärkung und gegenseitige Ver-
schmelzung die vordere Grenzmembran des Glaskörpers bilden.
Der noch übrig bleibende Teil des Fächers ist der Zonulateil.
Betrachten wir diesen letzteren Teil etwas näher. Was auf
der anderen Seite erst angedeutet war, tritt uns hier nun schon
ausgesprochen entgegen: in dem fibrillären Glaskörpergewebe,
das den Zonularezess immer noch ausfüllt, herrscht nun unver-
kennbar die vom Ciliarkörper zu den äquatorialen Teilen der
Linse hinziehende Richtung vor. Immer noch handelt es sich
aber nicht um isolierte Fasern, sondern um stärkere Züge des
Reticulums, doch lassen sich die betreffenden Fasern nun schon
auf längere Strecken verfolgen, teilweise unter spitzwinkligen
Überkreuzungen. Im vordersten Teil des Rezesses, wo ihre
Anordnung schon etwas dichter ist, scheinen die zonularen Züge
schon bis zur Linsenkapsel zu reichen, weiter hinten ist dies
noch nicht der Fall, indem unmittelbar an der Linse das Netz
wieder diffus und zart wird, ebenso wie wir es auf der anderen
Seite sahen. Nach der ciliaren Seite hin haben sich die zonularen
Balken ebenfalls verlängert, sie würden die Limitans interna wohl
auch erreichen, wäre hier nicht immer noch jene homogene Beleg-
schicht vorhanden, die die Fasern von dem Epithel trennt. Ich
bemerke, dass mir auf dem in der Abbildung wiedergegebenen
Präparat dieser Zwischenraum infolge einer geringen Schrumpfung
des Glaskörpers etwas erweitert zu sein scheint; in Wirklichkeit
dürfte er wohl etwas schmäler sein. In der ganzen Ausdehnung
der Retina coeca lässt sich an der Netzhaut die gleiche scharfe,
nirgends unterbrochene Limitans nachweisen.
d) Hühnchen vom 14. Tage. (Fig. 5.)
Wegen der Grösse des Auges ist in der Fig. 5 nur der die
Zonula und ihre Umgebung in sich begreifende Teil des Schnittes
300 M. v. Lenhossek:
bei derselben Vergrösserung wie die früheren Stadien dargestellt.
Der Linsenwulst ist nun kräftig entwickelt; die Spalte, die ihn
von den Linsenfasern trennt, und ebenso die geringfügige Ab-
hebung der Linsenkapsel von der Oberfläche der Linse sind
bestimmt Kunstprodukte. Am Ciliarkörper hat die Faltenbildung
beträchtliche Fortschritte gemacht; der Schnitt scheint einem
Tale zwischen zwei Oiliarfortsätzen zu entsprechen. Das Retzius-
sche Bündel hat nun seine Rolle ausgespielt, es ist vollkommen
geschwunden (in der Zeichnung ist der betreffende Teil des
Schnittes nicht abgebildet); man findet im Glaskörper keine Fasern
mehr, die von der Ora terminalis nach hinten ausstrahlen. Das
Bündel ist also im Auge des Vogels eine vorübergehende embryo-
nale Einrichtung, deren Bedeutung einstweilen nicht festzustellen
ist. Vielleicht kann für die Beurteilung ihrer Bedeutung die
Tatsache einen Anhaltspunkt abgeben, dass sich jene Fasern,
woraus sich die vordere Glaskörperhaut und die Zonula bilden,
an dieses Bündel anschliessen.
Um so stärker sind nun die Fasern entwickelt, die von der
Ora terminalis zur hinteren Linsenfläche ziehen. Jetzt kommt
ihre Bedeutung auch schon deutlich zum Vorschein. Sie stehen
unverkennbar zur Bildung der vorderen Verdichtungsmembran
des Glaskörpers in Beziehung. Sie sind gegen früher beträchtlich
verdickt; am kräftigsten sind die vordersten Fasern, die schon
an das Zonulagebiet grenzen. Durch diese dicken Fasern wird
nun schon eine scharfe Trennung des Glaskörpergebietes vom
Zonulagebiet bewirkt; diese Abgrenzung ist der wesentlichste
Fortschritt, den wir auf diesem Stadium feststellen können. Am
10. Tage war von dieser Abgrenzung noch nichts zu sehen. Im
Zonulagebiet sind die Fortschritte gegen den 10. Tag nicht sehr
beträchtlich. Immer noch ist hier Glaskörper vorhanden, immer
noch sind die vom Ciliarkörper zur Linse hinziehenden Zonula-
fasern nicht selbständige Bildungen,. sondern nur Teile eines
(rerüstwerkes. Verfolgt man sie nach ihren beiden Enden hin,
so sieht man folgendes. Die Linsenkapsel erreichen sie nun fast
alle. um sich unter Aufsplitterungen an sie anzusetzen. Bezüglich
dieser Aufsplitterungen ist darauf hinzuweisen, dass sich hier in
den früheren Stadien ein besonders dichter, feinfaseriger Teil
des Glaskörpers befand, dessen Gegenwart hier vielleicht mit der
büschelförmigen lentieulären Endigung der Zonulafasern in
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern 301
beziehung zu bringen ist. An dem anderen Ende findet man,
dass die Fasern an einer Stelle nun schon mit der Limitans
eiliaris unmittelbar verschmolzen sind; es ist dies das Gebiet der
Processus ciliares. Weiter nach hinten, im Gebiete des Orbiculus
ist dies wohl stellenweise, aber nicht durchgehends der Fall. In
den Mittelgebieten zwischen Ciliarfortsätzen und Ora terminalis
ist immer noch jene homogene Belegschicht des Ciliarepithels zu
sehen, wodurch die Zonulafasern an ihrem unmittelbaren Heran-
treten an das Epithel gehindert werden; nach der Ora terminalis
hin fehlt diese Substanz bereits und hier ist die Verschmelzung
der Zonulafasern mit der Limitans ciliaris schon eingeleitet.
c) Hühnchen vom 16. Tage. (Fig. 6.)
Alle Teile des bei derselben Vergrösserung gezeichneten
Auges scheinen gegen das letztbeschriebene Stadium vergrössert.
Der Schnitt geht gerade durch die Anheftungsstelle eines Ciliar-
fortsatzes an der Linse. Nicht leicht sind die pigmentierten
Epithelvorsprünge an der hinteren Irisfläche zu erklären. An der
Ora terminalis springt die Netzhaut faltenartig hervor, eine Folge
der Reagenzienwirkung. Die hintere Abgrenzung des Zonula-
raumes ist nun noch schärfer geworden, vermöge der Verdickung
und dichteren Anordnung der vordersten Grenzfasern. Wahr-
scheinlich haben wir es hier gar nicht mehr mit Fasern zu tun, sondern
mit Durchschnitten feiner Membranen, die durch die flächenhafte
Verschmelzung von Glaskörperfibrillen entstanden sind. Auch die
Diekenzunahme der Fasern ist als Ergebnis einer Verschmelzung
zu erklären. Die Zahl der stärkeren Fasern beträgt vier bis fünf;
sie treten schon, besonders in ihren inneren, linsenwärts gelegenen
Teilen in spitzwinklige, geflechtartige Anastomose miteinander.
Nach hinten, gegen den eigentlichen Glaskörper hin, ist das System
dieser Fasern noch nicht so scharf wie nach vorne abgesetzt.
Wenn wir nun unsere Aufmerksamkeit dem Zonulagebiet
zuwenden, so gewahren wir einen grossen, prinzipiellen Fort-
schritt. Die Zonulafibrillen treten uns nun schon als isolierte
Fasern entgegen. indem die zwischen ihnen gelegenen Glaskörper-
fibrillen fast vollkommen geschwunden sind. Auch sind die Zonula-
fasern gegen früher etwas stärker geworden.
Die jungen Zonulafasern erreichen nun alle die Linsenkapsel,
während am Ciliarkörper dies noch nicht durchgehends der Fall
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 77. Abt.1. 21
302 M. v. Lenhossek:
ist. Ein grosser Teil der Fasern ist hier immer noch durch die
bewusste homogene Belegschicht vom Epithel getrennt. Mit
stärkeren Vergrösserungen erkennt man aber, dass viele Fasern
diese Schichte bereits durchsetzen, um sich mit der Limitans
ciliaris zu verbinden.
f) Hühnchen vom 21. Tage.
Die Zonula kann nun als vollkommen entwickelt bezeichnet
werden. Schon am 16. Tage war ja dies halb und halb der Fall;
sie unterschied sich von dem fertigen Verhalten nur dadurch,
dass sich ihre Fasern noch nicht alle unmittelbar mit der Limitans
ciliaris verbanden, sondern zum Teil noch in der das Ciliar-
epithel bedeckenden Belegschicht zu endigen schienen. Diese
Schichte ist nun schon vollkommen geschwunden, und damit im
Zusammenhange haben nun alle Zonulafasern den Anschluss an
die Limitans des Oiliarkörpers gefunden
Dagegen kann die Verdichtungshaut des Glaskörpers immer
noch nicht als vollkommen fertig bezeichnet werden. Denn immer
noch ist ihre Zusammensetzung aus geflechtartig verbundenen
groben Fibrillen oder richtiger Durchschnitten von Membranen
zu sehen. Besonders ist dies in ihrer peripheren Hälfte der Fall,
während in ihrem hinter dem Linsenäquator und den Ciliarfort-
sätzen gelegenen Teil der Verschmelzungsprozess schon grössere
Fortschritte gemacht hat; von einer einheitlichen, nach beiden
Seiten scharf begrenzten Membran kann aber auch hier noch
nicht die Rede sein. Die letzten Vorgänge der Ausgestaltung
der vorderen Verdichtungshaut des Glaskörpers gehören also der
Zeit nach dem Ausschlüpfen des Hühnchens aus dem Ei an, einer
Periode, auf die sich meine Untersuchungen nicht mehr erstrecken.
Es ist aber nicht schwer, sich aus den bisher verfolgten Vor-
gängen auch die letzten Stadien zu vergegenwärtigen. Sie bestehen
unzweifelhaft darin. dass sich die schon beim Ausschlüpfen teil-
weise netzförmig verbundenen Membranellen nun vollkommen
zusammenschliessen und unter scharfer Abgrenzung nach beiden
Seiten hin zur Grenzmembran werden. Der Zusammenschluss
der Membranellen unterbleibt in den seitlichsten Teilen der Ver-
dichtungshaut, woraus sich dann die Auflösung dieser Membran
in feinere Häutchen in der Gegend der Ora terminalis beim
entwickelten Huhn erklären lässt.
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 30
Zusammenfassung der Befunde.
Aus den dargelegten Beobachtungen geht bezüglich der
Herkunft und Bedeutung der Zonulafasern eine Auffassung hervor,
die mit der modernen Strömung in der Beurteilung dieser Fasern
im Widerspruch steht und sich mehr an ältere, schon vor Jahr-
zehnten und seitdem auch mehrfach ausgesprochene Ansichten
anschliesst. Die Zonulafasern entstehen nach meinen Befunden
keineswegs in der Weise, wie es neuerdings vielfach behauptet
wird, dass sie aus dem Ciliarepithel, sei es als direkte Fortsätze
der Zellen, sei es als deren exoplasmatische oder mehr sekret-
artige Produkte hervorwachsen, um an die Linse heranzutreten
und sich mit ihrer Kapsel zu verbinden, sondern sie bilden sich
ohne jede Beteiligung der Retina ciliaris aus dem Glaskörper
heraus, aus einer Differenzierung seines Fasergerüstes, aus
einer Verstärkung und bestimmten Gruppierung von Glaskörper-
fibrillen.
„Zonula und Glaskörper gehören genetisch zusammen“ —
diesen Satz habe auch ich als richtig befunden, aber nicht in
dem Sinne, wie er aufgestellt worden ist, dass nämlich beide aus der-
selben Grundlage, nämlich der Netzhaut, aber unabhängig von-
einander, sozusagen als Geschwister, hervorgehen, sondern in der
Bedeutung, dass der Glaskörper die Matrix abgibt, woraus sich
die Zonulafasern herausbilden.
Dem Auftreten der Zonulafasern selbst geht die Entstehung
des Zonularaumes voraus. Dieser Raum entsteht auf einer
bestimmten Stufe der Entwicklung als ein sekundärer Rezess des
grossen Glaskörperraumes, im Zusammenhang mit dem Hervor-
wachsen der Pars coeca retinae aus dem Rande des Augenbechers.
Sowie diese Bucht entsteht, füllt sie sich auch schon mit typischem
reticulären Glaskörper, indem Hand in Hand mit ihrer Bildung
vom Hauptteil des Glaskörpers her die Fibrillen in den sich neu
anlegenden Raum hineinwuchern. Während dieses Vorganges und
auch später verhält sich das Ciliarepithel vollkommen passiv, was
sich unter anderem in der Gegenwart einer undurchbrochenen
Limitans ceiliaris an ihr kund gibt.
Auf einer zweiten Stufe differenzieren sich in dem besonders
lockeren, vollkommen ungeordneten Fasernetz des zonularen
Glaskörpers einzelne stärkere Züge, die durch ihre Verlaufsrichtung
und ihre Anordnung von ihrem ersten Auftreten an auf die
21*
304 M. v. Lenhosseck:
späteren Zonulafasern hinweisen. Besonders betont zu werden
verdient, dass ihre Differenzierung nicht im Anschluss an das
Ciliarepithel, sondern aus der Mitte des zonularen Glaskörpers
heraus erfolgt. Erst nachträglich verlängern sie sich an ihren
Enden so weit, dass sie zunächst an die Linse und später auch
an den Ciliarkörper den Anschluss gewinnen.
Der Raum, worin sich später die Zonulafasern befinden, ist
also zunächst von Glaskörpergewebe erfüllt, und die Zonulafasern
sind in ihren ersten Stadien nichts anderes als stärker hervor-
tretende Balken dieses Fasernetzes.
Die weiteren Vorgänge lassen sich folgendermassen zusammen-
fassen. Zunächst grenzt sich der Glaskörper gegen den Zonula-
raum durch die Bildung der vorderen Verdichtungshaut ab. Die
Entstehung dieser leitet sich schon sehr frühzeitig, schon
am 7. Tage ein, indem ihrem Verlauf entsprechend stärkere
(Glaskörperfasern zwischen Ora terminalis und hinterer Linsenfläche
auftreten. Diese vereinigen sich zunächst zu einigen flächenhaft
angeordneten Membranen, die dann kurze Zeit vor dem Aus-
schlüpfen des Hühnchens aus dem Ei miteinander zu verschmelzen
beginnen. Den Abschluss findet aber dieser Vorgang erst in den
ersten Zeiten des postembryonalen Lebens.
In dem nun nach hinten abgegrenzten Zonularaum tritt
etwa am 16. Tage eine wesentliche Veränderung ein. Die zwischen
den Zonulabalken befindlichen Fäserchen des Glaskörpernetzes
unterliegen einer Resorption, während die Zonulabalken selbst
erhalten bleiben und sich nun als selbständige Zonulafasern dar-
stellen.
Sie haben sich mittlerweile mit der Linsenkapsel verbunden,
während die Verbindung mit der Limitans ciliarıs um diese Zeit
noch keine vollkommene ist. Man findet auf dieser Entwicklungs-
stufe immer noch wie früher eine schmale, saumförmige, homogene,
verschwommene, an den Silberpräparaten gelblich gefärbte Beleg-
schicht auf dem Ciliarepithel. durch die die Faserenden zum
grossen Teil von dem Epithel getrennt werden. Wir haben es
hier entweder mit einer Verdichtung der zwischen den Fibrillen
befindlichen Grundsubstanz des Glaskörpers oder mit einem Aus-
scheidungsprodukt des Ciliarepithels zu tun. Die Schichte dürfte
die Bestimmung haben, die Verschmelzung der äusseren Enden
der Zonulafasern mit der Limitans ciliaris zu befördern und zu einer
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 305
besonders festen zu gestalten. Wie sie das tut, ist freilich einst-
weilen nicht festzustellen. Erst mit ihrem Schwunde — gegen
das Ende der Brutzeit — sehen wir diese Verschmelzung an allen
Zonulafasern zum Abschluss gebracht. womit dann auch die
Entwicklung des Zonulaapparates ihr Ende findet.
Geschichtliches und Kritisches.
Die Entstehung der Zonula aus dem Glaskörper ist eine
alte Erkenntnis, und so kann die mitgeteilte Untersuchung kein
anderes Verdienst für sich in Anspruch nehmen, als dasjenige,
für eine schon vor langer Zeit aufgestellte, aber nieht genügend
begründete Anschauung auf Grund einer neuen histologischen
Methode und auf Grund zusammenhängender Beobachtung exakte
Beweise erbracht zu haben.
Statt einer erschöpfenden historischen Zusammenstellung
möchte ich mich auf folgendes Zitat aus dem Werke von Retzius
beschränken: „Es ist von mehreren Forschern (Lieberkühn,
Angelucci, Loewe, Schwalbe, Haensell u. a.), welche die
Entwicklung des Auges und vor allem des Glaskörpers studiert
haben, schon vor langer Zeit hervorgehoben worden, dass die
Zonula in ihrem Ursprung aus dem vorderen Glaskörpergewebe
entsteht.“ Diese Liste möchte ich noch durch die Namen von
Kölliker (1868), Iwanoff (1873), Salzmann (1900), de
Waele (1902) und vor allem durch den von Retzius selbst
(1894) ergänzen.
Letzterer Forscher widmet in seiner wichtigen Abhandlung
vom Jahre 1894 der Frage nach der Entstehung der Zonulafasern
allerdings nur einige Zeilen, nach Untersuchungen an Kaninchen-
embryonen, doch ist in jener knappen Darstellung eigentlich
schon alles wesentliche enthalten. Der Glaskörper erstreckt sich.
anfangs auch in das Gebiet der späteren Zonula hinein. Dann
tritt hier ein System von feinen Fasern hervor, entsprechend
dem Verlauf der späteren Zonulafasern. Allmählich grenzt sich
der eigentliche Glaskörper durch eine Membran vom Zonula-
gebiet ab. „Das noch zurückgebliebene Glaskörpergewebe, wird
nebst den Blutgefässen resorbiert und nur die genannten Fasern
bleiben.“
Die neuere Literatur weist zwei von dieser Darstellung
abweichende Auffassungen auf.
306 M. v. Lenhosseck:
Nach der einen, die meines Wissens ausser ihrem Urheber,
Nussbaum (12), keinen Anhänger gefunden hat, sollen sich im
Zonulagebiet zur Zeit, da sich die Fasern zu entwickeln beginnen,
gewisse freistehende Bindegewebszellen finden, aus denen diese
Fasern auswachsen. „Ich habe bei 13 Tage alten Kaninchen die
Zonulafasern als zu echten Bindegewebszellen gehörig erkennen
können“ — sagt Nussbaum. Beim Huhn lässt sich jedenfalls
nichts derartiges beobachten. Das Zonulagebiet entbehrt bei den
Embryonen vollkommen der von Nussbaum beim Kaninchen
beobachteten Zellen und somit kann hier schon aus diesem Grunde
ein derartiger Entwicklungsmodus der Zonulafasern nicht in
Betracht kommen.
Nach der anderen, viel verbreiteteren Anschauung sind die
Zonulafasern Fortsätze oder sekretartige Produkte der Epithel-
zellen der Pars ciliaris retinae und wachsen als solche aus dem
Epithel hervor, unabhängig vom Glaskörper.
Als histogenetischen Vorgang, d. h. durch Vergleichung ver-
schiedener Stadien, hat dieses Hervorwachsen noch niemand ver-
foigt; immer nur handelt es sich um theoretische Ableitungen
aus den Verhältnissen des Zonulaursprunges im Ciliarkörper
erwachsener Tiere und besonders des erwachsenen Menschen. Im
besonderen beruht die Angabe immer auf der Beobachtung, dass
die Fasern nicht nur bis zur Limitans ciliaris verfolgt werden
können, sondern mit den darunter befindlichen Epithelzellen in
mehr oder weniger innige Beziehung treten.
Der erste, der mit einer derartigen Angabe hervortrat, ist
Schön (1895). Nach ihm sind die Zonulafasern protoplasmatische
Fortsätze der oberflächlichen Epithelzellen der Pars ciliares retinae.
„Jede Zelle sendet einen Fortsatz aus. Eine Anzahl davon ver-
schmelzen zu je einer Faser.“
Agababow (1897) vermag die Zonulafasern ebenfalls über
die Glashaut hinaus in das Epithel zu verfolgen, doch sieht er sie
nicht als unmittelbare Fortsetzungen der Zellen, sondern als
intercellulär verlaufende Fibrillen.
Terriens (1898) Beobachtungen ergeben, dass die Zonula-
fasern durch die ganze Dicke des zweischichtigen Ciliarepithels
intercellulär hindurchdringen, um sich mit der darunter befind-
lichen Glashaut zu vereinigen. Er fasst sie als Analoga der
„Müllerschen Stützfasern“ der Netzhaut auf, als Stützfasern,
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 307
die über die Netzhaut hinausgewachsen sind. Letztere Angabe
muss den Verdacht wachrufen, dass Terrien zur Zeit, als er
seine Abhandlung schrieb, über den feineren Bau der Netzhaut
nicht ganz au fait war. „Stützfasern“, wie sie noch in den
80er Jahren des vorigen Jahrhunderts angenommen wurden, gibt
es ja in der Netzhaut gar nicht, sondern nur Stützzellen, mit
denen die kernlosen Zonulafibrillen doch nicht verglichen werden
können.
Metzner (1903) kann die Fasern noch weiter verfolgen als
Terrien, indem er sie durch das Ciliarepithel und auch das
darunter gelegene Bindegewebe hindurch bis zwischen die glatten
Muskelfasern des Akkommodationsmuskels gelangen lässt.
Nach Wolfrum (6, 1908) dringen die Zonulafasern nicht
so tief ein: sie endigen schon an der Grenze zwischen oberfläch-
licher und tiefer Zellschichte, indem sie sich mit der hier befind-
lichen Kittleiste verbinden. Das bemerkenswerteste Ergebnis der
Untersuchungen Wolfrums ist, dass die Fasern nicht inter-
cellulär verlaufen, wie es alle seine Vorgänger angegeben hatten,
sondern innerhalb des Protoplasmas der pigmentlosen oberfläch-
lichen Epithelzellen ihre Lage haben.
Mavas endlich (1908 und 1910), der letzte Autor auf
unserem Gebiet, kann den Fasern ebenfalls nur bis zur Grenz-
linie zwischen den beiden Epithelzellenschichten nachgehen, be-
schreibt und zeichnet sie aber wieder als intercelluläre Bildungen.
Er fasst sie alsexoplasmatische Formationen der inneren Zellschicht
auf. „La zonule de Zinn n’est qu’une depandance de la retine
eiliaire.“ „En realite, Ja zonule de Zinn est un systeme de
fibrilles, elaborees a la peripherie des territoires cellulaires de la
couche des cellules claires, ce sont des productions exoplastiques
de ces cellules.“ (5, S. 15.)
Diesen Angaben stehen bestimmte Äusserungen anderer
Forscher, teilweise auch aus neuerer Zeit, gegenüber, nach denen
die Zonulafasern nur bis zur Limitans ciliaris interna gehen, dass
sie in der Verschmelzung mit ihr ihr Ende finden. In .diesem
Sinne haben sich z. B. Czermak (1887), Topolanski (1891),
Salzmann (1900) und v. Ebner (1902) ausgesprochen.
Wollte ich mich streng an meine eigenen Befunde halten,
so müsste ich mich diesen letzteren Forschern anschliessen. Ich
habe nämlich die Zonulafasern niemals, weder beim Vogel, noch
308 M. v. Lenhosseck:
bei Säugetieren und dem Menschen über die Limitans_ ciliaris
hinaus in die Tiefe des Epithels verfolgen können. Es liegt mir
aber fern, auf diesen negativen Befund Gewicht legen zu wollen,
da ich nicht alle Methoden versucht habe, mit denen man fibrilläre
Differenzierungen in einem Epithel zum Vorschein bringen kann.
So habe ich z. B. die Heldsche Gliaprotoplasmamethode, der sich
Wolfrum bediente, nicht angewendet, und so kann ich mich
auch nicht für berechtigt halten, Zweifel an der Richtigkeit der
Angaben der obengenannten Forscher und insbesondere an den-
jenigen Wolfrums, die mir mit Rücksicht auf die von ihm
benützte spezielle Technik am zuverlässigsten scheinen, aus-
zusprechen.
Anders liegt aber die Sache in bezug auf die Auffassung
der fraglichen intraepithelialen Fasern. Hier darf eine Kritik
wohl schon zu Worte kommen, auch wenn sie sich nicht auf
eigene Beobachtungen stützt.
Alle die genannten Forscher fassen die von ihnen beob-
achteten intraepithelialen Fasern unbedenk'ich als unmittelbare
Fortsetzungen der Zonulafasern, als ihre in das Epithel hinein-
gesteckten Wurzelteile auf. Ist diese Auffassung richtig? Jeden-
falls ist sie nicht die einzig mögliche Auslegung der Befunde,
auch eine andere Auffassung ist möglich, und mir scheint gerade
diese die zutreffende zu sein. Darnach hören die Zonulafasern
schon an der Limitans ciliaris auf und die intra- oder intercellu-
lären Fasern des Epithels sind nicht ihre eigentlichen Fortsetzungen,
sondern etwas anderes, nämlich fibrilläre Differenzierungen des
Protoplasmas der Epithelzellen, die sich im Anschluss an die
Zonulafasern gebildet haben. Es ist hier auf die Analogie mit
den Flimmerzellen hinzuweisen. Niemand wird es einfallen, die
sogenannten Wimperwurzeln dieser Zellen, wie sie besonders im
Darmepithel von Anodonta so schön entwickelt sind, als die
eigentlichen Wurzelstücke der Flimmerhaare aufzufassen, vielmehr
lässt man allgemein die Flimmerhaare erst an den Basalkörpern
beginnen und erblickt in den Wimperwurzeln intracelluläre
Differenzierungen, gleich den Muskel- und Nervenfibrillen. In
ähnlicher Weise möchte ich auch die Fibrillen im Ciliarepithel
beurteilt wissen; auch sie sind meiner Ansicht nach nicht mehr
Zonulafasern, sondern Zellstrukturen der Epithelzellen. Sollte
wirklich auch jede Fibrille in der Fortsetzung je einer Zonulafaser
Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern. 309
liegen, wie dies behauptet wird, so spricht dies nicht gegen diese
Auffassung; auch bei den Flimmerzellen sehen wir ähnliches.
Sie bilden sich wahrscheinlich erst nach der Geburt, wenn das
Spiel der Akkommodation beginnt, infolge funktioneller Reize
aus dem Protoplasma heraus, gleichsam als materialisierte Zugs-
trajektorien. Für die Entstehung und Herkunft der Zonula kann
man aus diesen Fibrillen keine Schlüsse ableiten. Ich möchte
noch erwähnen, dass auch ihr färberisches Verhalten gegen ihre
Auffassung als unmittelbare Fortsetzungen der Zonulafasern spricht ;
wären sie solche, so müssten sie auch aus gleicher Substanz be-
stehen, wie diese und daher auch mit allen Färbungen, mit denen
sich die Zonulafasern darstellen lassen, sichtbar gemacht werden
können. Das ist nun aber nicht der Fall; ich kann auf Grund
eigener Erfahrungen bestimmt behaupten, dass man sie auch an
Präparaten, wo die Zonulafibrillen stark gefärbt sind, nicht sieht.
Um sie zum Vorschein zu bringen, muss man sich schon spezieller
Methoden bedienen. Nach alledem scheint es mir, dass man diese
fibrillären Strukturen des Epithels bisher nicht richtig beurteilt
hat; mit der Erkenntnis ihrer wahren Natur werden natürlich
auch die bisher aus ihrer Gegenwart abgeleiteten Schlüsse
hinfällig.
Literaturverzeichnis.
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der Tiere, Bd. 28, 1909, S. 73.
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suchungen, Neue Folge, VI, 1894, S. 67.
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Wien 1900.
4. v. Spee: Über den Bau der Zonulafasern und ihre Anordnung im
menschlichen Auge. Verh. d. Anat. Gesellsch., XVI. Versammlung, Halle
1902, S. 236.
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menschlichen Auge. Gräfes Arch. f. Ophthalm., Bd. LXIX, 1908, S. 148.
‘. Berger, E.: Anatomie normale et pathologique de l’oeil. Paris,
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uw
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Anat. Anz., Bd. 34, 1909, S. 417.
11. v. Lenhossek, M.: Die Entwicklung des Glaskörpers. Leipzig 1903.
12. Nussbaum, M.: Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges
Gräfe-Sämisch, Handb. der gesamten Augenheilk., 2. Auflage, Bd. 2,
1904, S. 41.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI.
Fig. 1. Meridionalschnitt durch das Auge des Huhnes. Schwache Ver-
grösserung; ein Teil der Einzelheiten ist nach etwas stärkeren
Vergrösserungen eingezeichnet.
Auge des viertägigen Hühnchens, nach Cajal behandelt. Senk-
rechter Durchschnitt. Leitz, Obj. 4, Ok. 1, Tubuslänge 160. Mit
dem Zeissschen Zeichenapparat gezeichnet, bei Projektion des
Bildes auf die Ebene des Arbeitstisches.
Fig. 3. Auge des siebentägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz, Obj. 2,
Ok. 1, Zeichenapparat.
Fig. 4 Auge des zehntägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz, Obj. 2,
Ok. 1, Zeichenapparat.
Fig. 5. Aus dem Auge des l4tägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz,
Obj. 2, Ok. 3, Zeichenapparat.
Fig. 6. Aus dem Auge des 16tägigen Hühnchens. Silberpräparat, Leitz,
Obj. 2, Ok. 3, Zeichenapparat.
180)
Fig.
Roma, 1910, Reale Accademia dei Lincei.
Beiträge zur Biologie der Zelle (Mitochondrien,
Chromidien, Golgisches Binnennetz in den Samen-
zellen).
Von
Dr. A. Perroncito, Pavia.
Selbstreferat seiner Abhandlung:
„Contributo allo studio della biologia cellulare.“ (Mitocondri, Cromidii e
Apparato reticolare interno nelle cellule spermatiche.)
Hierzu 6 Textfiguren.
In den letzten Jahren sind von verschiedenen Autoren
Gebilde innerhalb des Zellprotoplasmas beschrieben worden, deren
Bedeutung und beziehungen noch nicht völlig geklärt sind,
nämlich: 1. Die Nebenkerne. Sie sind namentlich von La
Valette St. George und von Prenant in den Spermatozoen
niederer Tiere beschrieben worden und sind als unvollkommene
Darstellungen des Golgischen Binnennetzes und des Mitochon-
driums zu betrachten. Einzelne Figuren von Prenant sind
schon von relativ grosser Feinheit. 2. Das Golgische Binnen-
netz, von Golgi (1898) in den Nervenzellen entdeckt und von
verschiedenen Forschern in sehr vielen normalen und patho-
logischen Zellen nachgewiesen. Wir sind, wie in dieser Arbeit
des Näheren gezeigt wird, berechtigt, das Binnennetz als einen
wesentlichen Bestandteil der Zelle zu betrachten. 3. Die Mito-
chondrien, von Benda im gleichen Jahre gefunden und von
vielen anderen studiert, namentlich von Meves, der auf diesem
Gebiet neue Tatsachen von grösstem wissenschaftlichen Interesse
entdeckte. Wir werden aber sehen, dass nicht alles, was Mito-
chondrium heisst, mit Recht dafür gehalten werden darf: unter
diesen Begriff fallen eine ganze Anzahl von Gebilden (Chondrio-
miten, Chondrioconten, Chondriosomen usw.). 4. Die Tropho-
spongien (Holmgren, 1899).
Sie sind in zahlreichen Elementen gefunden und als ein
Netz von intracellulären, mit der Umgebung kommunizierenden
Kanälchen beschrieben worden. Man hielt sie für identisch mit dem
312 A. Perroncito:
Golgischen Binnennetz. 5. Die Pseudochromosomen und
die Zentralkapseln (Heidenhain, 1900), sowie dieZentro-
formien (Ballowitz) hängen nach Ansicht dieser Autoren mit
den Zentrosphären zusammen. Endlich 6. die Chromidien
(Hertwig, 1899), chromatische Gebilde, die vom Kern abstammen
und in einigen Protozoen, später von Goldschmidt u.a. in
verschiedenen Zellen gefunden worden sind.
Heute geht das Bestreben dahin, alle diese Gebilde in eine
einzige Kategorie zusammenzufassen und viele angesehene Forscher
haben sich in diesem Sinne ausgesprochen. Heidenhain,Meves,
Goldschmidt, Arnold u.a. wollen die Mitochondrien, Chromidien,
Blephasoplasten, Pseudochromosomen und das Golgische Binnen-
netz miteinander in Beziehung setzen und betrachten sie nur
als verschiedene Erscheinungsformen einer einheitlichen Formation,
Holmgren und Ramön y Gajal erklären ohne weiteres das
Binnennetz und die Trophospongien als identisch und betrachten
beide als ein Netzwerk von Kanälchen. Einige Forscher (Meves,
Heidenhain, Arnold) identifizieren diese Gebilde mit den
Protoplasmastrukturen (Flemmings Filarmasse, Altmanns
Bioblasten etc.).
(iegen diese Anschauung erhob sich zunächst die gewichtige
Stimme von Retzius, der in seinen meisterhaften Untersuchungen
über die Samenfäden erklärt, es sei durchaus übereilt, jede Art
von Granulabildung in den verschiedensten Zellen als Mito-
chondrien anzusprechen und diese Bezeichnung nur für einen
Teil der unter diesem Namen beschriebenen Gebilde gelten lässt.
Die Gleichsetzung des@olgischen Binnennetzes mit den Holmgren-
schen Trophospongien hatte Kopsch in seinen interessanten Studien
über die Ganglienzellen strikte abgelehnt und neuerdings konnte
Golgi in einer eingehenden vergleichenden Untersuchung unter
Berücksichtigung aller Charaktere der beiden Formationen ihre
Wesensverschiedenheit nachweisen.
Wenn wir von der anatomischen zur physiologischen und
morphologischen Betrachtung übergehen, d. h. die Biologie und
Bedeutung dieser (rebilde erforschen wollen, so müssen wir
zugeben, dass wir hier völlig am Ende unseres Wissens ange-
langt sind.
Ich stellte mir nun zunächst die Aufgabe, zu erforschen,
ob das Golgische Netz sich in den Spermazellen findet und
Beiträge zur Biologie der Zelle 315
konnte es in allen Elementen dieser Art, in den Sertolischen
Zellen und in den Stützzellen des Hodens aller von mir unter-
suchten Säugetiere nachweisen. Auch gelang es mir, das Ver-
halten des Binnennetzes bei der Umwandlung der Spermatiden
in Samenfäden zu verfolgen. Der Kürze halber gehe ich auf
die in der Arbeit ausführlich dargelegten Tatsachen nicht ein
und beschränke mich auf die Konstatierung, dass beim Arbeiten
am genannten Material viele Bilder mir anfangs unklar blieben
und mir erst klar wurden, als ich meine Studien auf grössere
Zellen und auf niedere Tiere ausdehnte. Erst an den Sperma-
zellen von Paludina vivipara fand ich die Lösung der Hauptfrage
und den Weg zur Aufklärung dessen, was mir in den an anderem
Material gewonnenen Bildern unverständlich geblieben war.
An der oligopyrenen Reihe von Paludina vivipara konnte ich
die Mitochondrien und das Binnennetz ohne Unterbrechung
während verschiedener Phasen des Zellebens und während zweier
Teilungen beobachten. Ich bemerkte hierbei, dass bei der Zell-
teilung das Binnennetz eine Reihe von Veränderungen durch-
macht, die mit der Karyokinese grosse Ähnlichkeit haben. weshalb
ich das neue Phänomen Diktokinesis nannte. Auch die
Mitochondrien zeigen bei der Zellteilung ein charakteristisches
Verhalten. Hier in aller Kürze meine Beobachtungen:
1. Wachsende Spermiocyten.
Das Binnennetz, ursprünglich relativ einfach. nimmt an
Grösse zu und wird verwickelter; es befindet sich in Kontakt
mit dem Kern und auf der Mitte desselben, wo die Protoplasma-
menge am grössten ist. Die Mitochondrien umgeben das Binnen-
netz und nehmen auf derselben Seite des Kerns den noch übrigen
Teil des Protoplasmas ein. Ein scheiben- oder mützenförmiges
Körperchen (wahrscheinlich das Üentrosoma) findet sich auf der
anderen Seite des Kerns, unmittelbar an der Kernmembran.
2. Spermiocyten erster Ordnung, voll entwickelt.
Das zierliche, überaus vielverzweigte Golgische Netz liegt
dem Kern unmittelbar an. Nun entwickeln’ sich in ihm eine
Reihe charakteristischer biologischer Erscheinungen, die bisher
völlig unbekannt waren. Sie sind die Vorläufer der Zellteilung
und haben mich speziell zu dem Vorschlag der zusammenfassenden
314 A. Perroncito:
Benennung Diktokinesis veranlasst. Ihre Ähnlichkeit mit der
Kernmitose ist auffallend. Vor der Kernteilung lassen sich folgende
Phasen unterscheiden:
a) Die Fäden des Binnennetzes zerfallen in gekrümmte
Stäbchen.
b) Diese Stäbchen (ich nenne sie Diktosomen) ordnen sich
zu einer dem Monaster sehr ähnlichen Figur, für die ich
wegen ihrer Lage oberhalb des Kerns den Namen
„Corona“ vorschlage.
c) Die Stäbchen verteilen sich über das ganze Zellproto-
plasma. Sehr häufig gruppieren sie sich in zwei
getrennte Massen, einige verwandeln sich schon jetzt in
Ringe und weiterhin in Scheiben.
Die Mitochondrien verteilen sich über das ganze Proto-
plasma; hat sich die Gorona gebildet, so ordnen sie sich in diesem
Teil der Zelle zwischen den Diktosomen radiär an, wobei ihr
Mittelpunkt mit dem der Corona zusammenfällt. Sie erscheinen
in ihrer charakteristischen Gestalt als fadenförmig angeordnete
Körnchen und als Stäbchen mit verdickten Enden (diese Stäbchen
sind viel dünner als die aus dem Zerfall des Golgi-Netzes
hervorgegangenen).
Das Centrosoma beschreibt einen Halbkreis und wandert an
den entgegengesetzten Zellpol und teilt sich. Jeder der beiden
Teile rückt an ein Ende der Zelle.
3. Karyokinese des Spermiocyten erster Ordnung.
Die über die ganze Zelle verteilten Diktosomen gruppieren.
sich um die beiden Polkörperchen. Die Mitochondrien bleiben
über das ganze Protoplasma verstreut und gelangen teils in die
eine, teils in die andere der beiden Tochterzellen.
4. Spermiocyt zweiter Ordnung.
Die Mitochondrien sind im Zellplasma verteilt. Kern und
Binnennetz bilden sich wieder in unvollständiger Weise und lösen
sich sogleich wieder in Chromosomen resp. Diktosomen auf.
5. Teilung des Spermiocyten zweiter Ordnung.
Die in der Zelle verteilten Diktosomen und Mitochondrien
wandern in die beiden Tochterzellen, analog dem oben beschriebenen
Vorgang.
(do |
Beiträge zur Biologie der Zelle 31
6. Spermiden.
Die verstreuten Diktyosomen sammeln sich um den Kern
und bilden allmählich wieder ein Binnennetz. Die Mitochondrien
oder wenigstens die Abkömmlinge der von mir bisher so
bezeichneten Elemente sammeln sich an einem Pol des Sper-
miden in einem kreis-, sternförmig oder polygonal begrenzten
Raum; sie entsprechen den Mitochondrien von Meves. An der
äussersten Peripherie der Zelle erscheint eine zusammenhängende
Schicht relativ grober Körnchen, die im frischen Präparat und
mit allen Methoden sichtbar, mit Eisenhämatoxylin und einigen
Kernfarbstoffen (Fuchsin) färbbar sind; sie entsprechen den
Mitochondrien von Benda.
7. Umwandlung der Spermiden in die Spermien.
Manchmal bleibt das Binnennetz erhalten, bis das Sper-
mium nahezu vollständig gebildet ist und nimmt den Teil
des Protoplasmas ein, der die bekannte Ausbuchtung bildet,
entsprechend der Ursprungsstelle des Zilienbündels; häufiger,
bald schon sehr früh, bald später, zerfällt das Binnennetz in
gekrümmte Stäbchen, Ringe, Scheiben, wie dies bei den grossen
Spermiocyten beschrieben worden ist. Die Mevesschen Mito-
chondrien verteilen sich über ein Bündel von aus Granulis
bestehenden Fäden, welches sich zwischen dem Kern und der aus
dem ÜCentrosoma hervorgegangenen (eissel ausspannt und die
Achse des Spermiden, später des Samenfadenkörpers bildet.
Die Bendaschen Mitochondrien verteilen sich an der äussersten
Peripherie des Körpers und bilden den sogenannten Mitochondrien-
Mantel.
8. Spermium.
Die aus der Auflösung des Binnennetzes hervorgegangenen
Teilchen befinden sich in nicht mehr nachweisbarer Form zwischen
der zentralen, durch die Mevesschen Mitochondrien bezeich-
neten, und der peripherischen, durch die Bendaschen Mito-
chondrien charakterisierten Schicht. Man kann aber einen
Überrest stets am kaudalen Ende des Samenfadenkörpers nach-
weisen, färbbar im lebenden Spermium mit Neutralrot und
Kresylviolett.
Die Mevesschen Mitochondrien bilden die Achse des Samen-
fadens, die Bendaschen bilden im Gegensatz zu den früheren
316 A. Perroncito:
Behauptungen ein gut nachweisbares, mit Eisenhämatoxylin
färbbares gewundenes Band.
Auch in der Entwicklungsreihe der Samenzellen von Palu-
dina vivipara, aus der der eupyrene Samenfaden hervorgeht, lassen
sich Tatsachen auffinden, die genau dem für die oligopyrene
Reihe aufgestellten Typus entsprechen. Hier sind nicht alle
Bilder und Beziehungen gleichmässig klar, entsprechend der
geringeren Protoplasmamenge. Augenfälliger sind die Beziehungen
zwischen Diktokinesis und Karyokinese, die einander rascher
folgen als bei der oligopyrenen Reihe. Die Corona erscheint
gleichzeitig mit der Verteilung der Chromosomen in Ring- und
Achterform, bei noch geschlossener Kernmembran. Dann folgt
der Zerfall des Kerns und wir finden Chromosomeu und Dikto-
somen durcheinander gemischt; endlich vollzieht sich die Wieder-
herstellung des Binnennetzes etwas langsamer als die des Kernes.
In der fertigen Spermie verhält sich das Binnennetz genau so wie
in der oligopyrenen Spermie.
Auch in den Sertolischen Zellen und in allen Sperma-
Elementen der Säuger ist das Binnennetz nachweisbar.
Obgleich das Arbeiten an solchem Material ungleich
schwieriger ist, stimmen doch alle von mir erhaltenen Bilder
völlig mit dem überein, was man bei Paludina verfolgen und
analysieren kann, so dass wir bei den Säugern identische Prozesse
annehmen dürfen.
Nachdem wir so die Vorgänge in den Spermazellen verfolgt
haben, ergibt sich die Notwendigkeit einer Klassifizierung der
beschriebenen Gebilde. Auf Grund der angeführten Tatsachen
glaube ich, dass man im wesentlichen dreierlei Formationen zu
unterscheiden hat: dasGolgischeBinnennetzund zweierlei
Mitochondrien, zur bequemeren Unterscheidung Mitochondrien
(Benda) und Chondriosomen (Meves) genannt. Was die anderen
beschriebenen Gebilde anlangt, so glaube ich, dass das, was die
Autoren als Nebenkerne abgebildet haben, grösstenteils zum
>innennetz, zum Teil auch zu verschiedenen anderen Elementen:
Zentrosphären usw. gehört. Pseudochromosomen und Zentroformien
gehören zweifellos zum Binnennetz.
Was die Mitochondrien anbetrifft, so halte ich nach meinen
Untersuchungen die Ansicht, dass sie vom Nukleolus abstammen
und paraplasmatische Bildungen sind, nicht für begründet. Besser
Beiträge zur Biologie der Zelle. 317
gestützt und erwägenswert scheint mir die Meinung, dass sie vom
Kern abstammen. Jedoch scheinen mir unvergleichlich bessere
Gründe für ihre protoplasmatische Natur zu sprechen; dass sie
der Flemmingschen Filarmasse oder den Altmannschen
Bioblasten entsprechen, halte ich indessen noch nicht für genügend
gesichert. Auch bezüglich ihres biologischen Wertes und ihrer
Bestimmung ist grösste Zurückhaltung geboten, so sehr auch die
kürzlich von Benda geäusserte Hypothese über ihre Bedeutung
für die Vererbung mit allem Vorbehalt (wie Benda selbst
hervorhebt) einer ernsten Beachtung wert ist.
Ich berichtige gerne ein Versehen, das mir in meiner
Arbeit unterlaufen ist: Benda hat als erster die Hypothese von
der eventuellen Funktion der Mitochondrien bei der Vererbung
aufgestellt, eine Hypothese, die, von einem vorsichtigen und weit-
blickenden Forscher ausgesprochen, auch heute noch viel annehm-
barer erscheintals dieähnlichen Vermutungen späterer Untersucher.
Das Golgische Binnennetz, das zuerst in den Nervenzellen
gefunden wurde, darf nunmehr als ein wesentliches Element wohl
aller Zellen angesehen werden, dessen Wichtigkeit nicht nur in
der normalen, sondern auch in der pathologischen Biologie hervor-
tritt. Es würde zu weit führen, die Entwicklung unserer Kennt-
nisse über diese Formation zu schildern; ich erinnere nur daran,
dass die Untersuchungen speziell der @olgischen Schule die
Anwesenheit des Binnennetzes in fast allen normalen und ver-
schiedenen pathologischen Zellen erwiesen haben. Bis heute
jedoch ist, wie Golgi selbst bemerkt, die Bedeutung des Netzes
dunkel geblieben; nur sehr anfechtbare Hypothesen sind darüber
aufgestellt worden und gar nichts ist bekannt über seine Physio-
logie und seine eventuelle Bedeutung für das Zelleben. Dagegen
haben meine Untersuchungen dazu geführt, ganz bestimmte und
typische Lebensäusserungen dieses Zellbestandteils nachzuweisen.
Ich bemerke sogleich, dass die Kenntnis dieser biologischen
Erscheinungen alle bis jetzt aufgestellten Erklärungen über die
Natur des Golgi-Netzes hinfällig macht und uns zeigt, dass es
im Organismus der Zelle einen selır hohen Rang einnimmt. Geht
doch aus meinen Erörterungen hervor, dass das Binnennetz das
erste Zeichen zur Zellteilung gibt und dass es zuerst die Teilung
vollendet, in dem grossen Spermiocyten von Paludina mit einem
etwas grösseren, im kleinen mit einem etwas geringeren Vor-
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 22
318 A. Perroneito:
sprung vor dem Kern und wahrscheinlich gleichzeitig mit diesem
bei den Säugetieren. Im Binnennetz geht eine Reihe von Ver-
änderungen vor sich, die lebhaft an die Chromatinfiguren in der
Prophase und im Anfang der Metaphase erinnern. Wenn man
will. kann man auch Ähnlichkeiten mit der Anaphase finden,
aber nur annähernde, weniger auffallende. Jedenfalls steht fest,
dass das Golginetz schon vor Beginn der anderen Teilungsvor-
gänge in lauter gleiche Stücke zerfällt, dass es sich unter Bildung
charakteristischer Figuren in zwei Hälften teilt, von denen jede
das Golginetz in einer der Tochterzellen bildet und dass, ebenso
wie jeder Kern vom Kern der Mutterzelle stammt, auch das
Binnennetz aus dem gleichen Bestandteil der Mutterzelle hervor-
geht. Welche biologischen Funktionen das Binnennetz ausser
diesen mit der Zellteilung zusammenhängenden noch erfüllt, kann
ich nicht sagen. Sicher ist, dass es sich vergrössern kann, wie
am Auxocyten von Paludina gut zu beobachten ist. Ausserdem
frappiert die Mannigfaltigkeit seiner Form in den Spermiocyten
der Säuger, woraus man auf ein leicht modifizierbares Organ und
auf ausgeprägte vitale Aktivität schliessen kann. Diese Ansicht
wird auch durch die experimentellen Befunde Marcovas an
Nervenzellen gestützt.
Ich habe gesagt, das Binnennetz in den Geschlechtszellen
der Säuger zeige ein proteusartiges Verhalten. Das scheint im
Widerspruch mit dem zu stehen, was wir über die anderen
Elemente wissen. Aber der Widerspruch ist nur scheinbar. Man
braucht sich nur an die Befunde von Verson und v. Bergen
an den Lymphzellen, an die von Maccabruni an den Mega-
karyocyten zu erinnern oder die Bilder von Knorpelzellen bei
Pensa und bei v. Bergen zu vergleichen. Die von diesen
Autoren beschriebenen Formationen entsprechen sich in der Struktur
vollkommen, aber in den Bildern von Pensa erstrecken sie sich
über den ganzen Zellkörper, bei v. Bergen beschränken sie
sich auf einen kleinen Teil desselben.
Nach unseren jetzigen Kenntnissen glaube ich sagen zu
können, dass das Golgische Binnennetz ein wesentlicher Bestand-
teil der Zelle mit eigenen, deutlichen, lebhaften, typischen
biologischen Funktionen ist und dass in ihm früher als im Kern
die Zellteilungsvorgänge beginnen. Es nimmt zweifellos in der
Physiologie der Zelle einen hervorragenden Platz ein.
Beiträge zur Biologie der Zelle. 319
Ausserdem sind in meiner Arbeit noch andere Dinge
beschrieben, die in diesem kurzen Resume nicht genügend Platz
finden können. Es sind dies: 1. Die Feststellung der Anwesenheit
und der Zahl färbbarer Körnchen innerhalb des Idiozoma und der
Nachweis, dass ihr Verhalten nicht mit dem eines echten Centro-
soma gleichzusetzen ist; ferner dass in einem anderen Punkt der
Spermiocyten ein Gebilde, das sich genau wie ein Centrosoma
verhält, deutlich nachzuweisen ist. 2. Die Existenz eines
gewundenen Bandes entlang dem Körper der oligo- und eupyrenen
Samenfäden von Paludina. 3. Die Existenz einer besonderen
Spiralfaser in Verbindung mit dem Kopf des eupyrenen Samen-
fadens einiger Säuger und der eupyrenen Samenfäden von Palu-
dina. 4. Der Nachweis eines Stoffaustausches zwischen dem
Protoplasma und dem Kern der grossen Spermiocyten von
Paludina vivipara. 5. Bei der Entwicklung der kleinen Spermi-
cyten von Paludina finden sich Übergangsformen, die nahezu
oder vollständig den fertigen Samenfäden anderer Tiere auch
völlig verschiedener Organisation entsprechen.
Hauptergebnisse:
1. Das Golgische Binnennetz und die Mitochondrien sind
verschiedenartige Gebilde und können gleichzeitig in einer
Zelle vorhanden sein.
[86]
. In den Samenzellen sind zweierlei Mitochondrien zu
unterscheiden, deren Entwicklung und Aufgabe verschieden
ist; ich nenne sie Chondriosomen (Meves) und Mito-
chondrien (Benda).
3. Das Golgische Binnennetz ist ein wesentlicher Bestand-
teil der Zelle und besitzt sehr lebhafte und charak-
teristische biologische Funktionen.
4. Das Binnennetz beteiligt sich in bestimmter Weise an
der Zellteilung; es durchläuft typische Stadien und zer-
fällt schliesslich in die beiden Binnennetze der Tochter-
zellen. Diesen verwickelten Vorgang nenne ich Dikto-
kinesis.
5. Das Binnennetz gibt zuerst von allen Zellbestandteilen
das Zeichen zur Teilung, die ersten Phasen der Dikto-
kinesis vollziehen sich, während der Kern noch ruht.
22*
320
Sr
-ı
[0 0)
A. Perroncito:
;. Alle bisherigen Hypothesen über die Bedeutung des
Binnennetzes sind nach meinen Untersuchungen als irrig
zu betrachten.
. Die Mitochondrien entsprechen nicht vollständig den
Altmannschen Bioblasten oder der Flemmingschen
Filarmasse. Die Vermutungen über ihre Funktion als
Träger der Vererbung sowie über ihre Bedeutung und
ihr endgültiges Schicksal sind bis jetzt wenig gestützt.
. Die Samenzellen haben bei Tieren der verschiedensten
Organisation (und auch im Pflanzenreich mindestens bei
den Fucaceen) einen einheitlichen Bau; dies zeigt sich
deutlich sowohl an den fertigen Zellen als an den
Entwicklungsformen der Spermien.
Erklärung der Abbildungen.
A — Kern, B = Nukleolus, C = Centrosoma (?), D = Golgisches
Binnennetz, E — Chondriosomen (Meves).
A = Kern, B = Nukleolus, © = Centrosoma (?), D — Diktiosomen,
E = Chondriosomen (Meves).
A = Kern, B = Nukleolus, C= van Benedens Polkörperchen (?),
D — Diktiosomen, im Begriff die Corona zu bilden, E = Chondrio-
somen (Meves).
A = Chromosomen, C — Polkörper, D — Diktiosomen, E = Chon-
driosomen (Meves).
A = Chromosomen, D = Diktiosomen, E — Chondriosomen (Meves).
A — Kern, D—Golgisches Netz, E = Chondriosomen (Meves),
F = Mitochondrien (Benda).
321
Beiträge zur Biologie der Zelle.
180)
(3%)
Aus dem Anatomischen Institut in Upsala.
Über das Vorkommen von Fett und fettähnlichen
Substanzen im Thymusparenchym.
Von
Ruben Holmström.
Hierzu Tafel XIII.
Literatur.
Bei dem Bericht über anderer und eigene Untersuchungen,
den ich im folgenden gebe, habe ich nur die innerhalb des
Thymusparenchyms im engeren Sinne hervortretenden Bilder im
Auge. Die in dem interstitiellen, interlobulären oder perivas-
kulären Bindegewebe vorkommende und besonders im Zusammen-
hang mit der Altersinvolution stehende Fettgewebsbildung ist ein
Prozess ganz anderen Charakters, und von diesem Prozess sehe
ich hier ab.
Von älteren Autoren ist im allgemeinen eine solche strenge
Unterscheidung zwischen intraparenchymatösem und interstitiellem
Fett nicht gemacht worden, sondern beide Arten sind ohne weiteres
unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt vereinigt worden. Diese
ältere Literatur findet sich bei Hammar (1910) zusammengestellt
und referiert. Selbst habe ich geglaubt, diese älteren Angaben
hier umgehen zu können und zwar um so mehr, als die Bestimmung
darüber, was Fett war und was nicht, zu jenem Zeitpunkt im
allgemeinen nach Prinzipien geschehen zu sein scheint, die nicht
mehr als befriedigend angesehen werden können.
Ich beschränke mich demnach darauf, hier die Arbeiten aus
späterer Zeit, die von modernen Gesichtspunkten aus und mit
den Hilfsmitteln der modernen Zeit ausgeführt sind, zu referieren.
In der sehr reichhaltigen Literatur, die das Ergebnis des in den letzten
Jahren betriebenen intensiven Studiums der Zelllipoide und ihrer morpho-
logischen Verhältnisse ist, finden sich auch einige zerstreute Angaben über
das Vorkommen von Fett oder fettähnlichen Stoffen in dem Thymusparenchym
verschiedener Spezies. Im allgemeinen sind jedoch, vielleicht mit Ausnahme
von Kaiserlings und Orglers sowie Herxheimers unten zu
erwähnenden Arbeiten, diese Untersuchungen nicht direkt auf dieses Organ
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 23
324 Ruben Holmström:
gerichtet gewesen, sondern die meisten hierher gehörigen Angaben liegen
eher als Nebenergebnisse von Untersuchungen vor, die von allgemeineren
Gesichtspunkten aus angestellt worden sind.
Diese neueren Untersuchungen wurden durch Kaiserling und
Orgler (1902) eingeleitet. Sie wiesen in den Thymuszellen des Menschen
das Vorkommen von Körnern nach, die zwar von Überosmiumsäure gefärbt
werden, nicht aber als Fett, sondern als aus dem, was sie Myelin nennen,
bestehend aufzufassen sind. Die fraglichen Körner sind in polarisiertem
Licht doppelbrechend, im Gegensatz zu dem, was beim Neutralfett der Fall
ist, das unter denselben Verhältnissen isotrop ist. Sie werden vom Osmium
nur leicht grau gefärbt, und diese Farbe löst sich im Gegensatz zu der des
Fettes in Xylol, Chloroform und Bergamottöl. Bei Neugeborenen fehlen
diese Körner, während sie bei älteren Kindern „mit zunehmender Rück-
bildung der Drüse“ immer zahlreicher werden. Eine quantitative Analyse
des Organs, die von Orgler (1902) ausgeführt worden ist, zeigt indessen.
dass die Menge Ätherextrakt dieselbe ist, ob nun die untersuchte Drüse
dieser Körner ermangelt oder sie in reicherer Menge enthält. Kaiserling
und Orgler ziehen hieraus den Schluss, dass es sich hier nicht um eine
Infiltration von aussen her handelt, sondern, dass die Körner innerhalb der
Drüse gebildet worden sind, und zwar, nach Orgler, nicht durch Um-
wandlung von Protoplasmaeiweiss, sondern durch „molekulare Umlagerungen
in der Zelle“.
Diese Forscher haben indessen keinen Unterschied zwischen akzi-
denteller und Altersinvolution gemacht und bezüglich der letzteren hegen sie die
zweifellos unrichtige Vorstellung, dass sie frühzeitig nach der Geburt beginne.
Dies gilt im übrigen für die meisten der hier in Frage kommenden Untersucher.
Von einer Fettinfiltration längs den Gefässen, und zwar einer physio-
logischen, vorzugsweise in der Rinde vorkommenden, von da aus sich aber
in das Mark hinein erstreckenden, spricht dagegen Herxheimer (1903).
Er unterscheidet nicht zwischen Fett und anderen Lipoiden, sondern scheint
unter der Bezeichnung Fett alles zusammenzufassen, was von Fettponceau-
lösung gefärbt wird. Auf diese Weise färbbare Körner findet er bei Embryonen
nicht konstant, wohl aber bei Kindern, besonders „vor der Rückbildung der
Drüse“, regelmässig in grösseren oder geringeren Mengen, sowohl in den
Lymphoeyten und zwischen diesen als auch in „den fixen Bindegewebszellen“,
unter welch letzterem Ausdruck wohl wahrscheinlich die Retikulumzellen zu
verstehen sind.
Hammar (1905), Rudberg (1907) und Jonson (1909) haben
bei der Involution das Vorkommen von degenerierenden Retikulumzellen
beobachtet, die eine Substanz enthalten, welche von Überosmiumsäure grau
gefärbt wird. Hammar (1910) bringt diese Zellen in Zusammenhang mit
den von Watney (1882) nachgewiesenen „granular cells“ und möglicherweise
mit den kornreichen Zellen, de Kaiserling und Orgler „Körnchen-
kugeln“ genannt haben.
Bell (1909) unterscheidet, wie Herxheimer, nicht zwischen Fett
und Lipoiden, ohne dass aus seinen Angaben klar hervorgeht, ob er die mit
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 325
Sudan III färbbaren Körnchen, die er in der Kalbsthymus gefunden hat.
für Neutralfett hält, oder ob er das Wort Fett als einen zusammenfassenden
Ausdruck für Fett und Lipoide anwendet. Er gibt an, dass solches sich oft
in den Hassallschen Körperchen beim Rindvieh findet. Bell betont,
dass er wohlgenährte wie auch absichtlich mit Hungerdiät behandelte Tiere
untersucht hat, scheint aber keinen bemerkenswerten Unterschied in ihrem
Verhalten gefunden zu haben.
Schaffer (1908) hat gleichfalls Fett in den Retikulumzellen (beim
Maulwurf) gefunden, und ebenso Aschoff (1909), welch letzterer aus-
drücklich angibt, dass es sich um Neutralfett und nicht um Lipoide handelt.
Ciaccio (1909) hat die Thymus unter anderem von Mensch, Hund
und Katze untersucht, wie es scheint, ohne auf das Alter oder den Ernährungs-
zustand der Tiere Rücksicht genommen zu haben. Nach diesem Autor sollen
die Hassallschen Körperchen normalerweise eine Lecithindegeneration
erfahren.
Nachdem mein Manuskript schon abgeschlossen war und sich in den
Händen des Übersetzers befand, erschien eine Arbeit von Kawamura (1911),
welche unter anderem auch die Thymuslipoide berücksichtigt. Auch hier
werden Verhältnisse der normalen und der accidentellen Involution nicht
auseinandergehalten, sondern das überwiegend menschlichen Krankenleichen
entstammende Material einheitlich abgehandelt. Bei Neugeborenen waren
nur wenige Fettkörner nachzuweisen. Bei Säuglingen und älteren Kindern
fanden sich Fettkörner in der Peripherie der Läppchen „sowohl in Parenchym-
zellen, wie vor allem in den Retikulumzellen und den gröberen Septen“. In
allen Fällen — auch bei Erwachsenen — fanden sie sich mit nadelförmigen
Kristallen untermischt in den Hassallschen Körpern. Frisch untersucht
zeigten sie sich zahlreich doppelbrechend und die Anzahl der doppelbrechenden
Körner nahm bei Wärmebehandlung bedeutend zu. Das doppelbrechende
Fett wird als Cholesterinester gedeutet; die Natur des übrigen Fettes blieb
teilweise unentschieden. In den Hassallschen Körpern handelt es sich
unzweifelhaft um auskristallisiertes Cholesterin. Das autochthone Entstehen
der Körner wird abgelehnt zugunsten der Annahme einer Zufuhr von aussen
her mit einer Aufspeicherung in der Thymus.
Eigene Untersuchungen.
Dass Fett oder fettähnliche Substanzen ziemlich regelmässig
in dem Thymusparenchym vorkommen, geht somit deutlich aus
den bereits vorliegenden Untersuchungen hervor. Was die Lage
dieser Einlagerungen im Verhältnis zu den Parenchymzellen, ihre
Mengenverhältnisse während verschiedener Stadien der normalen
Existenz des Organs sowie bei akzidenteller Involution betrifft,
so fehlt es dagegen an genauen Angaben; bezüglich ihrer Natur
und Bedeutung gehen die Ansichten der verschiedenen Beobachter
auseinander, und schliesslich ist das bisherige Material allzu
23*
326 Ruben Holmström:
ungenügend, um darauf eine Auffassung von dem Vorkommen
und Verhalten des intraparenchymatösen Fettes bei verschiedenen
Tierarten gründen zu können. Die Untersuchung, die ich im
Anatomischen Institut in Upsala ausgeführt habe, hat dieser Seite
der Frage gegolten.
I. Methode.
Von Methoden, mikroskopisch Fett und fettähnliche Sub-
stanzen nachzuweisen, sind eine grosse Menge vorgeschlagen
worden. Sie lassen sich jedoch alle unter eine der folgenden
vier Rubriken einreihen:
1. Behandlung mit Fixierungsflüssigkeiten, enthaltend Osmium-
tetroxyd, das gewisse Arten von Fett schwarz und unlöslich macht.
2. Färbung (in Gefrierschnitten von frischem oder formol-
fixiertem Material) mit einigen organischen Farbstoften, besonders
den sog. „spezifischen Fettfarben“ Sudan III und Scharlach R.
3. Behandlung des Materials mit Chromsalz (bezw. anderen
Metallsalzen), wodurch gewisse Lipoide in fettlösenden Reagentien
unlöslich werden, Einbettung in Paraffin und Färbung der Schnitte
in Sudan oder Scharlach. Ciaccio glaubt auf diese Weise
Lecithin nachweisen zu können. Ähnliche oder diesem vergleich-
bare Prozesse dürften auch gewissen Formen von Weigerts
Markscheidenfärbung zugrunde liegen.
4. Untersuchung von frischem Material in polarisiertem Licht,
in dem einige Lipoide sich anisotrop zeigen, Neutralfett isotrop.
Eine ganze Reihe Versuche sind auch gemacht worden, um
von diesen verschiedenen Verfahren ausgehend zuverlässige mikro-
chemische Analysenmethoden für alle die Substanzen auszuarbeiten,
die unter der Bezeichnung Fett oder Lipoide zusammengefasst
zu werden pflegen. So lange man mit Reaktionen im Probier-
röhrchen gearbeitet und relativ reine technische Präparate an-
gewandt hat, hat sich eine solche Analyse auch nicht als unmöglich
erwiesen. Die Anwendung der Methoden auf die in dem Gewebe
vorhandenen fettähnlichen Substanzen ist jedoch auf das bisher
wohl im grossen und ganzen nicht überwundene Hindernis
gestossen, dass man es in den Geweben nje mit reinen Sub-
stanzen, die mit den chemischen Präparaten vergleichbar wären,
zu tun haben dürfte, sondern wohl stets mit Mischungen von
zwei oder mehreren Substanzen oder vielleicht anders beschaffenen,
noch nicht bekannten Stoffen zu rechnen hat. Dazu kommt, dass
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 327.
man bei weitem noch nicht in allen Punkten zu endgültig zu-
verlässigen Resultaten bezüglich der rein chemischen Analyse
der Lipoide gelangt ist, ein Umstand, der vielleicht am deut-
lichsten in der Unbestimmtheit hervortritt, die noch immer die
Nomenklatur auf diesem Gebiete kennzeichnet. Es dürfte daher
hinreichender Grund vorhanden sein, bis auf weiteres mit grösster
Vorsicht die Versuche aufzunehmen, die gemacht werden, mittels
mikrochemischer Reaktionen die Einlagerungen fettartiger Natur,
die in unseren mikroskopischen Präparaten angetroffen werden,
zu identifizieren. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass
man nicht in einigen Löslichkeitsverhältnissen, verschiedener Licht-
brechung usw. Möglichkeiten besitzt. mit einem gewissen Grad
von Sicherheit verschiedene Arten fettähnlicher Einlagerungen
voneinander als chemisch verschieden zu unterscheiden, wenn
man sie auch, chemisch betrachtet, nicht mit Sicherheit iden-
tifizieren kann und nie vergessen darf, dass man es vorläufig
wahrscheinlich nur mit Gruppenreaktionen zu tun hat.
Die Methode, die sich am besten zur Anwendung eignet,
wenn man in einem Gewebe tinktoriell alle Bestandteile von
Fett oder fettähnlicher Natur nachweisen will, ist nach den
einstimmigen Angaben aller Autoren die Färbung von Gefrier-
schnitten (frisches oder formolfixiertes Material) mit Sudan oder
Scharlach, obwohl Angaben vorliegen, nach welchen nicht einmal
diese Methode alles Fett hervorhebt. Ich habe die beiden Färbe-
mittel wie auch Nilblausulfat geprüft, im allgemeinen aber Scharlach
in der von Herxheimer angegebenen Modifikation in alkalischer
Lösung angewandt, da die Färbungsresultate hiermit schärfer aus-
fielen als mit Sudan und Nilblau. Die Präparate wurden in vielen
Fällen mit Hämatoxylin nachgefärbt. Zu gewissen Zwecken wurde
Zerzupfung der gefärbten Schnitte mit Nadeln vorgenommen. Zum
Vergleich und zur Kontrolle habe ich neben der Scharlachmethode
auch Osmium und Osmiummischungen und in einigen Fällen sowohl
Ciaccios Chromsalzmethoden als auch Untersuchungen in pola-
risiertem Licht verwendet.
II. Vorkommen und Verhalten bei verschiedenen
Altern.
Als Untersuchungsmaterial habe ich in erster Linie das
Kaninchen gewählt. Abgesehen von der Leichtigkeit, von diesem
328 Ruben Holmström:
Tiere hinreichend grosses Material zu beschaffen, ist die Kaninchen-
thymus besonders durch Söderlund-Backmans (1909) und
Jonsons (1909) Untersuchungen sehr gut studiert, sowohl
normal in verschiedenen Stadien der Entwicklung und Involution
als auch unter dem Einfluss von Ernährungsstörungen, und ein
direkter Vergleich mit der Struktur des Organs im übrigen
dadurch erleichtert.
Es zeigt sich bald, dass Körnchen oder feine Tröpfchen,
mit Scharlach färbbar, regelmässig in der Kaninchenthymus vor-
kommen. Sie haben weder bei den Embryonen noch bei den etwa
45 Tieren im Alter von neugeboren bis ungefähr einem Jahre,
die ich untersucht habe, gefehlt (Fig. 1—6, Taf. XIII). Dagegen
ist die Menge keineswegs in allen Drüsen dieselbe, sondern sie
variiert in gesetzmässiger Weise mit dem Alter und dem
Ernährungszustand.
Der Platz dieser Körnchen und Tröpfchen ist bei dem
Kaninchen ausschliesslich oder fast ausschliesslich die Rinde.
Ihre genaue Lokalisation innerhalb dieser, ob sie inter- oder
intracellulär liegen, und in letzterem Falle innerhalb welcher
Zelle sie vorkommen, ist nicht immer so leicht zu bestimmen,
da ja das Schneiden mit dem Gefriermikrotom nicht die An-
fertigung so dünner Schnitte erlaubt, wie sie von eingebettetem
Material zu erhalten sind. Eine nähere Untersuchung zeigt
jedoch, dass sie mit Sicherheit in der überwiegenden Anzahl
von Fällen in dem Inneren der Retikulumzellen der Rinde liegen.
Die Grösse wechselt von äusserst feinen Körnchen bis zu Tröpfchen,
die die Grösse eines roten Blutkörperchens erreichen können.
Am frühesten zeigen sie sich in dem kompakten Teil des Zell-
leibes; sie liegen hier wie ein Kranz um den Kern herum
(Fig. 13, Taf. XIII). Je nachdem sie an Zahl und Grösse zu-
nehmen, füllen sie allmählich einen immer grösseren Teil der
Zelle aus, bis auch die Fortsätze von ilınen ausgefüllt sind. Ob
sie auch in den Lymphocyten vorkommen, ist weniger leicht zu
entscheiden. Man sieht sie bisweilen in einem Ring verdächtig
nahe einem Lymphocytenkern liegen, ein Bild aber, das Fett-
körnchen zeigt, die unzweideutig in dem Protoplasma eines
Lymphocyten liegen, habe ich nicht beobachtet, obgleich ich
auch Isolationspräparate von gefärbtem Material daraufhin unter-
sucht habe. Es steht dies auch in gutem Einklang mit Ciaccios
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 329
Behauptung (1910), dass die Lymphocyten des Blutes nicht mikro-
skopisch nachweisbare Fett- oder Lipoidkörnchen enthalten. Nicht
selten findet man dagegen Körnchen, die wenigstens scheinbar
in den Zelleninterstitien liegen. Vereinzelte Male habe ich auch
solche in den Gefässlumina, vorzugsweise in Kapillaren, gefunden.
Indessen schliesst die Technik in beiden Fällen nicht ganz die
Möglichkeit der Entstehung von Kunstprodukten aus. Bei seinem
Durchgang durch das Stück reisst nämlich das Messer recht
leicht Fettkörnchen mit sich und breitet sie über den Schnitt
aus, und in dem gefärbten Präparat mit Sicherheit zu unter-
scheiden, welche Körnchen auf diese Weise disloziert worden
sein können, ist nicht immer möglich. Besonders scheint die
Möglichkeit einer derartigen artefakten Entstehungsweise der
intercellulären Körnchen sehr gross zu sein, wenn man sieht,
dass sie nicht mit annähernd der Regelmässigkeit wie die intra-
cellulären Körnchen vorkommen. Was die Bilder von scharlach-
färbbaren Tröpfchen in Gefässlumina (Fig. 14, Taf. XIII) betrifft,
so ist natürlich auch hier nicht die Möglickkeit der Entstehung
von Kunstprodukten in den Fällen ausgeschlossen, wo das Gefäss
durch das Messer eröffnet worden ist; Bilder finden sich aber
auch, wenn sie auch nicht zahlreich sind, wo das Gefäss nicht
eröffnet worden und die intravaskuläre Lage des Fettes demnach
mit aller Sicherheit nicht artefakt ist.
Bei dem Embryo und dem Neugeborenen (vergl. Fig. 1,
Taf. XIII) liegen die fettführenden Retikulumzellen spärlich zer-
streut in der Rinde, so spärlich, dass es offenbar eine ver-
schwindend geringe Anzahl solcher Zellen ist, die Fettkörnchen
enthalten. Auch innerhalb der einzelnen Zellen kommen die
Körnchen verhältnismässig spärlich vor; gewöhnlich liegen sie
in einer einfachen Reihe rings um den Kern herum, indem sie
den grösseren Teil des Zelleibes mit seinen Fortsätzen frei lassen.
Der Kern zeigt gewöhnlich zu dieser Zeit nichts abweichendes von
den übrigen Kernen des Retikulums. In diesen Drüsen fohlen
scharlachfärbbare Körnchen vollständig innerhalb des Markes, und
die Hassallschen Körperchen gehen ihnen hier ab, wie dies
auch stets beim Kaninchen der Fall ist. Intercelluläre Körnchen
sieht man bei dem Neugeborenen in der Regel auch nicht.
Mit zunehmendem Alter ändern sich indessen die Verhält-
nisse (Fig. 2-6, Taf. XIII). Die fraglichen Zellen werden immer
350 Ruben Holmström:
zahlreicher, und gleichzeitig wird ihr Fettgehalt immer grösser.
Die kleinen, um den Kern herum gelegenen Körnchen nehmen an
Zahl zu, konfluieren zu grösseren Tropfen und nehmen allmählich
einen immer grösseren Teil von dem Volumen des Zelleibes ein,
bis derselbe von ihnen ganz erfüllt ist. Gleichzeitig damit, dass
die Menge des Fettes innerhalb der Retikulumzellen zunimmt,
zeigen die Kerne der fraglichen Zellen immer öfter Chromatolyse
und andere degenerative Veränderungen. Bei einem vier Monate
alten Tier ist die Vermehrung der Fettkörnchen so weit vor-
geschritten, dass man in einem hinreichend dicken Schnitt (25 «)
die fettgefüllten Fortsätze einer Zelle mit ähnlichen anderer
Zellen zusammenhängen sieht, wodurch im Bilde die ganze Rinde
von einem rotgefärbten Netzwerk derartiger fettführenden Zellen
durchzogen erscheint, und man erhält nun den Eindruck, dass
ein nicht unwesentlicher Teil der Retikulumzellen in der Rinde
fettführend ist. Das Mark einschliesslich der Hassallschen
Körperchen entbehrt andauernd im grossen und ganzen Fett-
körnchen. In späteren Altersstadien, also nach Beginn der Alters-
involution, ist das Mark jedoch nicht immer vollständig frei von
solchen; sie treten zwar auch nun keineswegs innerhalb des
Marks in einer Menge auf, die mit der in der Rinde vergleichbar
wäre, sondern nur in vereinzelt liegenden Retikulumzellen. Indem
die Menge im übrigen reichlicher wird, werden auch die Bilder
intercellulärer Körnchen gewöhnlicher. Der Verdacht, dass sie
nur Kunstprodukte sind, die auf die oben erwähnte Weise beim
Schneiden entstanden sind, erhält dadurch eine Stütze, dass sie
sich nicht in osmiertem und in Paraffin eingebettetem Material
finden.
Es geht aus dem Gesagten klar hervor, dass die Zellen
des Thymusretikulums innerhalb der Rinde fettartige Körnchen
schon während der frühen Periode enthalten, wo das Organ noch
im Wachstum begriffen und von einer Involution nicht die Rede
ist. Nachdem nach der Pubertätsperiode die Altersinvolution
eingetreten ist, scheint dieses Vorkommen zwar an Umfang zu
gewinnen, im übrigen aber im grossen und ganzen denselben
Charakter wie vorher beizubehalten. Dies ist mit Sicherheit der
Fall bis zu einem Alter von acht Monaten. In späteren Stadien
wird die Deutlichkeit der Bilder durch die grosse Menge inter-
lobulären Fettes getrübt. Wenn das Messer durch das Fett-
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. 331
gewebe gepresst wird, werden viele von den grossen Fettzellen
gesprengt, ihr Inhalt wird mitgerissen und kann sich als eine
Flut von Tropfen über den ganzen Schnitt hin verbreiten und
die Details desselben verdunkeln. Indessen scheint das Bild in
diesen letzteren Stadien durch die gleichzeitig stattfindende Ver-
minderung des Parenchyms in seiner Gesamtheit recht überein-
stimmend mit dem zu werden, das durch Inanition junger Tiere
erhalten, und das im folgenden beschrieben und abgebildet werden
wird. Das fettführende Gebiet wird schmäler und konzentriert
sich mehr nach der Peripherie der Läppchen hin. Doch bewirkt
gerade diese gleichzeitig geschehende Verminderung des Volumens
der Läppchen, dass die Zunahme des intraparenchymatösen Fettes
nach der Pubertät wohl zu einem Teil eine scheinbare ist.
Bezüglich der normalen, nicht altersinvolvierten Drüse liegt die
Sache bedeutend einfacher, hier tritt ja gleichzeitig mit der Fett-
zunahme eine Vermehrung des Volumens des Organs ein, und
die absolute Zunahme ist hier demnach sogar grösser als die,
welche direkt aus den Schnittbildern sich ergibt. In Anbetracht
des Umstandes, dass somit vor der Altersinvolution mit Sicherheit
eine progressive Zunahme der absoluten Menge des Fettes vor-
kommt, liegen wohl recht gute Gründe für den Verdacht vor,
dass die Zunahme auch nach der Pubertät reell und nicht nur
scheinbar ist.
Die eben gegebene Beschreibung gilt für völlig gesunde,
wohlernährte Tiere, von denen ausser älteren Tieren besonders
zwei parallele Serien von je zwölf Tieren, die sich auf die ersten
acht Lebensmonate verteilten, untersucht wurden.
III, Das Verhalten bei akzidenteller Involution durch
Hunger und bei nachfolgender Regeneration.
Die akzidentell involvierten Drüsen zeigen Bilder, die in
recht charakteristischer Weise von den hier geschilderten normalen
abweichen. Dies habe ich sowohl bezüglich der Thymusdrüsen
coceidienkranker Tiere als auch experimentell konstatieren können,
durch Inanition nach denselben Prinzipien, wie denen, die Jonsons
Versuchen zugrunde liegen.
In beiden Fällen nimmt die Menge des Fettes höchst
beträchtlich und auf eine nahezu übereinstimmende Weise zu.
Ich habe vier Inanitionsversuche angestellt mit insgesamt zwanzig
392 Ruben Holmström:
Tieren in einem Alter, das zwischen 1'/2 und 3 Monaten variiert,
wobei ich diese Zunahme der Anzahl der Fettkörnchen ganz
deutlich habe feststellen können. Schon zweitägiges vollständiges
Fasten übt einen merkbaren Einfluss in dieser Richtung aus.
Die fettführenden Zellen werden sowohl zahlreicher als auch
stärker fettgefüllt, und das Bild entspricht ungefähr dem normalen
bei einem Tiere, das 1—2 Monate älter ist als das Versuchstier.
Diese Zunahme wird dann immer ausgesprochener. Fig. 8 zeigt
die Thymus eines 2'/a Monate alten Tieres, das 7 Tage hindurch
vollständigem Fasten unterworfen war, wonach es getötet wurde.
Sein Zustand deutete da auf nahe bevorstehenden Tod. Das
Körpergewicht war von 840 auf 660 g herabgegangen, das
Thymusgewicht betrug 0,2 g gegen 1,2 g beim Kontrolltier.
Hier ist der Prozess weiter gegangen als bei irgend einem der
untersuchten normalen Tiere. (Fig. 7, Taf. XIII liefert zum
Vergleich ein Bild aus der Thymus des Kontrolltieres.) Durch
die Lymphocytenauswanderung und die damit stattfindende Volum-
verminderung des Organs haben die Retikulumzellen ihre Ver-
ästelung eingebüsst, und da ausserdem die Fettmenge beträchtlich
zugenommen hat, erhält man das Bild grosser, runder, ange-
schwellter Zellen, die mit grösseren und kleineren Körnchen
angefüllt sind. Diese Zellen liegen immer noch in der Rinde,
so lange man von einer solchen noch sprechen kann, und auch
nachdem in den extremen Stadien die Grenze zwischen Mark
und Rinde verschwunden ist, liegen sie andauernd in der Peri-
pberie der Läppchen, dadurch eine Art Rindenbild hervorrufend
(Fig. 10, Taf. XIII). In diesen Stadien treten, gleichwie in den
späteren Altersstadien, auch vereinzelte fettführende Zellen im
Marke auf. Gleichzeitig mit der Zunahme der Fettmenge werden
auch hier die Bilder degenerierender Kerne zahlreicher (Fig. 15).
Diese Hungerthymi sind es, wo ich die im folgenden geschilderten,
spärlichen, mittels Ciaccios Methode I darstellbaren Körnchen
gefunden habe. Eigentümlicherweise scheinen diese, wenn sie
auch nicht ausschliesslich im Mark liegen, doch sehr oft ihren
Platz dort zu haben.
Die Zunahme der Fettmenge ist natürlich hier, gleichwie
das bei der Altersinvolution der Fall ist, zu einem Teil scheinbar,
wo es sich um die akzidentell involvierte Drüse handelt. In
dieser nimmt ja mit der Involution der Umfang der Läppchen
os
©
©
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc.
höchst beträchtlich ab, und die schon vorher vorhandenen Fett-
körnchen sammeln sich demnach in einem kleineren Volumen.
Es liesse sich unter solchen Verhältnissen fragen, ob nicht die
ganze Zunahme auf diese Weise ausschliesslich relativ wäre,
beruhend auf Parenchymverminderung. Indessen zeigt ein Ver-
gleich zwischen den Bildern von Kontrolltieren und Versuchs-
tieren ziemlich deutlich, dass das nicht der Fall sein kann.
Schon die auffällige Zunahme der Grösse und Anzahl der Fett-
körnchen in der einzelnen Zelle weist bestimmt auf eine absolute
Fettvermehrung hin.
Eigentümlicherweise erwähnt Bell (1909), der sowohl gut
ernährte als auch mit Hunger behandelte Tiere untersucht hat,
nichts von einer solchen Zunahme der Fettmenge bei der akzi-
dentellen Involution, wie sie hier für das Kaninchen beschrieben
worden ist. Denkbar ist ja, dass die Verhältnisse bei der Tier-
art, die er untersucht hat, nämlich dem Rind, andere sein konnten,
und es läge solchenfalls ein bemerkenswerter Unterschied zwischen
den beiden Tierarten vor. Viel wahrscheinlicher ist indessen
meines Erachtens, dass die Sache infolge der Versuchsanordnung
(möglicherweise zu kurze Versuchszeit) dem Untersucher ent-
gangen ist. Bell führt nur den Umstand, dass die Fettmenge
bei Hunger nicht abnimmt und bei Mästen nicht zunimmt, als
einen Beweis dafür an, dass das Fett hier keine Reservenahrung
bildet und überhaupt keinen Zusammenhang mit dem Ernährungs-
zustande besitzt.
Dagegen ist es nicht unbekannt, dass Hunger in den Epithel-
zellen anderer Organe eine Fett- oder Lipoidanhäufung hervor-
rufen oder vermehren kann. So hat Gesa-Bianchi (1909)
bei fastenden weissen Mäusen in dem Epithel der Nierenkanäle
gefunden, was er Myelin nennt, doppelbrechende Körnchen, die
mit Neutralrot färbbar sind. Das Gleiche ist der Fall in der
Leber. Dieses Myelin tritt jedoch erst in einem so späten
Stadium der Inanition auf, dass die Tiere nicht mehr durch
Zuführung von Nahrung gerettet werden können. Dass das
Hervortreten der Lipoide in diesem Falle ein Zeichen von
Degeneration innerhalb des betreffenden Epithels ist, ist dem-
nach wohl ziemlich sicher. Inwiefern diese Bilder und diejenigen,
die man in der akzidentell ivolvierten Thymus beim Kaninchen
findet, identisch sind, lässt sich bei dem gegenwärtigen Stande
334 Ruben Holmström:
der Frage unmöglich beurteilen, eine gewisse Analogie scheint
indessen vorzuliegen.
Wie Jonson betreffs des Kaninchens gezeigt hat, ist die
Thymus, nachdem sie durch Inanition involviert worden, für eine
vermehrte Nahrungszufuhr sehr empfindlich, es ist mit anderen
Worten leicht, auf solche Weise eine Regeneration des hunger-
involvierten Organs herbeizuführen. Die Frage liegt daher nahe,
wie es sich mit dem Fettgehalt unter diesen Umständen verhält.
Ich habe mit Rücksicht hierauf einige meiner Hungerversuche mit
Regenerationsversuchen verbunden. Fig. 9—12, Taf. XIII zeigen
Thymusdrüsen aus einer solchen Serie. Von den Tieren, die zu
Beginn des Versuches ungefähr 5 Wochen alt waren, wurden die
drei in Fig. 10 —12 repräsentierten zuerst einer ziemlich starken
Einschränkung der Fütterung 16 Tage lang unterzogen. Nach
dieser Zeit wurde eines (Fig. 10) getötet und gleichzeitig auch
das Kontrolltier (Fig. 9), das die ganze Zeit über Nahrung in
reichlicher Menge erhalten hatte. Die beiden übrigen Tiere
bekamen danach eine reichliche Kost, das eine (Fig. 11) 21/2 Tage
lang, wonach es getötet wurde, das andere (Fig. 12) 3 Tage lang,
wonach es gleichfalls getötet wurde. Das erste Versuchstier hatte
während der Hungerperiode an Körpergewicht von 290 auf 255 g
abgenommen. Das Thymusgewicht betrug 0,05 g gegen 0,4 g
beim Kontrolltier. Wie aus dem Bilde (Fig. 10) hervorgeht,
zeigen die Drüsen das typische Aussehen der Thymus eines
Tieres, das langdauerndem Fasten unterworfen worden ist; die
peripherischen Partien der stark verkleinerten Läppchen sind
reichlich von fettführenden Zellen durchsetzt. Aber schon nach
2'/2 Tagen (Fig. 11), also nach.einer Zeit, wo nach Jonsons
Beschreibung die ersten augenfälligen Wirkungen der verbesserten
Ernährungsverhältnisse im übrigen sich geltend machen, zeigt
sich auch eine Veränderung bezüglich der Fettmenge. Das
Körpergewicht des Tieres, das zu Beginn des Versuches ?90 g
und zu Ende der Hungerperiode 260 g betrug, war bei der
Tötung auf 340 g gestiegen. Das Thymusgewicht betrug 0,08 g,
demnach eine ziemlich unbedeutende Zunahme gegenüber dem
vorhergehenden. Nichtsdestoweniger zeigt sich das mikroskopische
Bild beträchtlich verschieden von dem ersteren, indem die Fett-
menge höchst wesentlich abgenommen hat. In noch höherem
Grade ist dies der Fall nach achttägiger Ernährung, wie Fig. 12
ou
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. 3a
zeigt. Bei diesem Tier, bei dem das Körpergewicht 290 —
250 — 370 g und das Thymusgewicht 0,25 g betrug, hat offen-
bar der Fettgehalt so sehr abgenommen, dass der Unterschied
zwischen dem Kontroll- und dem Versuchstier gering oder gleich
Null ist. Ja, in Anbetracht dessen, dass die Thymus dieses
Versuchstieres nur etwas mehr als die Hälfte von der des
Kontrolltieres wiegt, scheint es, als wenn die Thymus auf die rasche
Vermehrung der Menge der Nahrung mit einer Verminderung
der absoluten Fettmenge antwortete, die diese unter das Normale
senkt. Jedenfalls geschieht die Regeneration in dieser Hinsicht
mindestens ebenso rasch wie die Wiederbildung der Lymphocyten.
Zum Vergleich mit den Bildern, die man in der Thymus
findet, habe ich auch in mehreren Fällen (normalen und Hunger-
stadien) die Lymphdrüsen geschnitten und gefärbt. Diese zeigen
nicht dasselbe Verhalten wie die Thymus. Zellen, die scharlach-
färbbare Körnchen und Tropfen enthalten, finden sich zwar,
obwohl spärlich; meistens gehören sie dem Sinusretikulum an.
Ihre Anzahl variiert nicht in ähnlicher Weise, wie es in der
Thymus der Fall ist. So zeigten beispielsweise die Lymphdrüsen
der Tiere in einer Hungerserie mit bezw. 0, 2, 5 und 8 Tagen
vollständigen Fastens nahezu identische Bilder in dieser Hinsicht.
IV. Zur Frage der Beschaffenheit der Körnchen.
In frischem und ungefärbtem Zustande haben die Körnchen
einen schwach gelblichen Ton, etwas erinnernd an die Farbe
der roten Blutkörperchen, was bewirkt, dass man schon ohne
jedes tinktorielle Verfahren in einem Gefrierschnitt des frischen
Organs sie beobachten kann. Diese Farbe geht bei Fixierung in
Formol verloren. Bei Untersuchung in polarisiertem Licht zeigen
sie sich isotrop.‘) Wird das Organ mit Os O4 oder Osmium-
mischungen behandelt (gewöhnlich ist Flemmings Flüssigkeit,
aber auch Altmanns Flüssigkeit angewandt worden), so zeigt es
sich, dass die Körnchen meistens nicht direkt Osmium reduzieren.
Erst bei Nachbehandlung mit Alkohol in steigender Konzentration
erhalten sie in gewöhnlichen Fällen eine stahlgraue Farbe; in
einzelnen Zellen können sie sich jedoch tiefschwarz zeigen; dieser
!) Herrn Laborator Dr. G. Göthlin, der mir bei diesem Teil der
Untersuchung wohlwollend seine Erfahrung zur Verfügung gestellt hat,
spreche ich in diesem Zusammenhange meinen wärmsten Dank aus.
336 Ruben Holmström:
Unterschied tritt auch betreffs benachbarter Zellen in einer Weise
hervor, der den Gedanken an einen nur auf topographischen
Verhältnissen innerhalb des Materials beruhenden Gradunterschied
der Einwirkung des Reagens ausschliesst. Einen Strukturunter-
schied im übrigen zwischen Zellen mit graugefärbten und Zellen
mit schwarzgefärbten Körnchen habe ich nicht konstatieren können.
Die Löslichkeit der mit Osmium behandelten Körnchen in Xylol
ist offenbar, ob sie nun graue oder schwarze Farbe angenommen
haben, gleich Null oder wenigstens sehr gering, auch bei ziemlich
gründlicher Xylolbehandlung. In Schnitten von Material, das in
Paraffin mit Xylol als Vorhartz eingebettet worden war, traten
sie unverändert hervor, trotz einer Behandlung zwecks der Ein-
bettung mit Alkohol-Xylol, Xylol und warmem Xylolparaffin
(37° C.) und dann der für die Paraffinauslösung erforderlichen
Xylolbehandlung der Schnitte. Im Gegensatz zu dem, was in
gewissem Grade bei Ciaccios Chromsalz-Sudanmethode der
Fall zu sein scheint, ergibt die Behandlung mit Überosmium-
säure dasselbe Resultat, sei es, dass man von frischem oder von
formolbehandeltem Material ausgeht.
Ciaccios Methode, zuerst zu chromieren, in Paraffın ein-
zubetten und danach mit Sudan oder Scharlach zu färben, ergibt
bei formolfixiertem Material, wenigstens wenn das Formol etwas
längere Zeit hat einwirken dürfen, negatives Resultat; man kann
mit anderen Worten mittels Chromsalz nicht die Fettkörnchen
unlöslich in Xylol unter Beibehaltung ihrer Färbbarkeit in Sudan
oder Scharlach machen. Bei der Anwendung der Methode direkt
an frischem Material sieht es aus, als wenn das Resultat in
gewissem Grade ein anderes wäre. Es zeigt sich nämlich dann
in gewissen Fällen, dass eine geringe Anzahl Zellen gefärbte
Körnchen enthalten. Indessen ist die Anordnung derselben eine
andere als die, die sich bei direkter Färbung mit Scharlach zu
erkennen gibt. Das Protoplasma der Zelle zeigt nämlich recht
grosse Vakuolen, die dem Umfang nach den grösseren der in
gewöhnlichen Fällen gefärbten Körnchen entsprechen, und zwischen
diesen Vakuolen liegen feinere rote Körnchen, die bisweilen zu
Schollen verklebt sind, welche halbmondförmig die Peripherie
der Vakuolen umschliessen. Man erhält aus dem Bilde zunächst
den Eindruck, dass die Zellen zwei verschiedene Arten von
Körnchen enthalten, die nach der Uhromierung eine verschiedene
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 8337
Löslichkeit in Xylol erhalten haben, so dass einige gelöst worden
sind, einige zurückbleiben und sich färben. Die Möglichkeit ist
indessen ja auch nicht ausgeschlossen, dass die Chromierung von
zu kurzer Dauer gewesen ist, so dass nur die kleinsten Körnchen
eine hinreichende Einwirkung haben erfahren können, und man
sollte in solchem Falle ein anderes Resultat von einer angemessenen
Änderung der von Ciaccio gegebenen Vorschriften, die ich
genau befolgt habe, zu erwarten haben. Leider haben äussere
Umstände mich gehindert, in diesem Punkte die Untersuchung
fortzusetzen. Die Versuche, die ich angestellt habe, haben jeden-
falls deutlich ergeben, dass mit dieser Methode I von Ciaccio
die überwiegende Mehrzahl der hier fraglichen Körnchen negativ
reagiert. Welche Bedeutung die wenigen Bilder entgegengesetzten
Charakters haben können, die soeben geschildert worden sind,
ist nicht leicht zu sagen, und eine bestimmte Auffassung auf
die verhältnismässig wenigen Versuche, die ich angestellt habe.
zu gründen, scheint mir nicht möglich. Dies gilt auch für einige
Versuche mit der zweiten von Ciaccio angegebenen Methode
(„Methode II“): Chromierung, Osmierung, Einbettung, Färbung
mit Sudan. Es hat sich dabei gezeigt, dass die überwiegende
Mehrzahl Körnchen von Osmium so wie bei Behandlung mit
Flemmings Lösung gefärbt werden, eine sehr geringe Anzahl
Körnchen aber, der Anzahl nach ungefähr den mit Ciaccio|
färbbaren entsprechend, werden sowohl von Osmium wie von
Scharlach gefärbt, so dass ein dunkelrotbrauner Ton entsteht.
Aus mikrochemischen Reaktionen auf die chemische Natur
dieser Bildungen einen Schluss zu ziehen, scheint aus oben
angeführten Gründen schwierig. Geht man von den Angaben
aus, die vorhanden sind, so liegt es jedoch am nächsten, an
Neutralfett zu denken, obwohl auch Zeichen sich finden, die in
eine andere Richtung weisen. Für die ersterwähnte Deutung
spricht das Verhalten der Körnchen in polarisiertem Licht. Dass
Neutralfett einfachbrechend ist, ist festgestellt worden, obgleich
dies jedoch keineswegs entscheidend ist, da es ebenso sicher
andere, fettähnliche Substanzen zu geben scheint, die gleichfalls
diese Eigenschaft besitzen. Nach Munk (1908) soll die Doppel-
brechung auf dem Vorkommen von Cholesterinester beruhen,
und die Isotropie würde, wenn dies der Fall wäre, nur auf eine
Abwesenheit von Cholesterin deuten.
338 Ruben Holmström:
CGiaccio betrachtet seine Methode I als eine zuverlässige
mikrochemische Reaktion. Nach diesem Autor bleiben nach der
Ohromierung Neutralfett und Cholesterin in Xylol und Schwefel-
kohlenstoff löslich und würden demnach nicht mittels seiner
Methode I gefärbt werden, während Leeithin und einige Lipoide
Farbe annähmen und demnach durch das Chromsalz unlöslich
gemacht worden wären. Nach Kaiserling (1910) reagieren
alle anisotropen Lipoide auch positiv mit Ciaccio]J. Inwieweit
diese Angaben allgemeingültig sind, dürfte sich wohl zurzeit noch
nicht entscheiden lassen, sofern dies aber der Fall ist, weist ja
der Ausgang der Versuche mit dieser Methode Ciaccios auch
darauf hin, dass die in der Kaninchenthymus beobachteten Körnchen
Fettcharakter besitzen. Eben daraufhin weist auch die Erfahrung
von der Osmiumwirkung her. Starke (1895) zeigte, dass im
Gegensatz zu der primären Osmiumreaktion des Oleins das, was
er sekundäre Osmiumschwärzung nannte (d. h. der Umstand, dass
die schwarze Farbe erst nach Alkoholbehandlung hervortritt),
für Stearin- und Palmitinsäurederivate charakteristisch ist, eine
Behauptung, die meines Wissens keinen Widerspruch erfahren
hat. In dieselbe Richtung weist auch die Resistenz der Osmium-
schwärzung gegen Xylol. Altmann (1890) gab an, dass diese
am grössten bei Neutralfett ist, eine Angabe, die auch später
Bestätigung gefunden zu haben scheint.
Schwer ist es indessen unter solchen Verhältnissen, den
hellen Ton zu erklären, den Osmium den meisten Körnchen in
der Thymus verleiht. Alle Autoren äussern sich nämlich ein-
stimmig in dem Sinne, dass gerade Neutralfett die tiefstschwarze
Färbung bei (primärer resp. sekundärer) Osmiumreduktion gibt.
Ein Versuch zu einer Erklärung scheint mir bezüglich dieser
Frage gegenwärtig nicht angezeigt, vielmehr begnüge ich mich
damit, auf die Tatsache hinzuweisen.
V. Die Bedeutung der Körnchen.
Dass die Körnchen, die hier Gegenstand der Untersuchung
und Beschreibung gewesen sind, nichts direkt mit der in dem
interstitiellen Gewebe vor sich gehenden Fettgewebsbildung zu
tun haben, darüber scheint mir kein Zweifel herrschen zu können.
Die Körnchen finden sich bereits beim Embryo und nehmen an
Häufigkeit bis zur Pubertät zu, ohne dass während dieser ganzen
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. 339
Periode interstitielle Fettgewebsbildung in der Thymus vorkommt.
Wenn eine solche in der Regel um das Alter von 8 Monaten
herum aufzutreten beginnt, hat das intraparenchymatöse Fett
bereits eine starke Entwicklung erreicht. Und auch zu und nach
diesem Zeitpunkt dürfte es schwer sein, einen Konnex zwischen
diesen beiden Prozessen nachzuweisen. Ich glaube daher im Gegen-
satz zu Herxheimer, dass es nicht möglich ist, das bei der
regressiven Metamorphose des Organs auftretende Fett aus dem
in demselben auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung befindlichen
herzuleiten. Es handelt sich hier in diesem Falle um Prozesse,
die zweifellos nicht nur von wesentlich verschiedener Lokali-
sation — der eine in Bindegewebs-, der andere in Epithelzellen —
sondern auch von wesentlich verschiedener Bedeutung sind.
Hierfür wie auch überhaupt dafür, dass es sich betreffs des
intraparenchymatösen Fettes nicht wie in den Fettzellen um eine
angehäufte Reservenahrung handelt, spricht stark der Umstand,
dass es bei Inanition, statt verbraucht zu werden, vielmehr in
auffälliger Weise an Menge zunimmt. Dies erinnert offenbar
stark an Cesa-Bianchis oben erwähnte Erfahrungen bezüglich
des Verhaltens des Fettes in der Niere bei Inanition. Die Analogie
mit diesen Erfahrungen legt nun die Annahme nahe, dass es sich
auch in der Thymus um degenerative Veränderungen handelt.
Herxheimer ist indessen zu einer anderen Auffassung
sekommen. Er behauptet, dass es sich um einen physiologischen
Infiltrationszustand in der Thymus handle, und stützt diese seine
Auffassung auf: 1. die grosse Regelmässigkeit des Vorkommens,
2. die charakteristische Anordnung, 3. das im übrigen normale
Verhalten der Thymus und ihrer Zellen.
Dass Fettkörnchen der fraglichen Art regelmässig in der
Thymus normaler Tiere vorkommen, und zwar schon lange vor
der Pubertät und der sich daran schliessenden Altersinvolution,
ist sicher. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet lässt es
sich nicht leugnen, dass es sich hier um eine physiologische,
schon in dem normalen Organ vorkommende Erscheinung handelt.
Dieser Umstand, dass das Organ sich in normalem Zustande
befindet, und dass es sich solchenfalls weder um eine pathologische
noch um eine physiologische Organ degeneration handelt, schliesst
allerdings nicht aus, dass die einzelnen fettführenden Retikulum-
zellen sich in Degeneration befinden können. Dass mit dem
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 24
u
340 Ruben Holmström:
Auftreten der Fettkörnchen wirklich degenerative Veränderungen
der fetthaltigen Zellen verknüpft sind, dafür spricht das bei fort-
schreitendem Alter immer zahlreichere Vorkommen degenerierender
Kerne innerhalb dieser Zellen. Dass ein funktioneller Verbrauch
von Zellen innerhalb eines Organs oder eines (ewebes stattfindet,
ist ja an und für sich nichts Ungewöhnliches, sondern bildet
vielmehr die Regel. Es verdient hier besonders hervorgehoben
zu werden, dass eine solche Degeneration einzelner Zellen keine
Degeneration des Organs nach sich zu ziehen oder zu bedeuten
braucht, da man gerade betreffs der Thymus nur allzuoft dies
vergessen hat.
Erst wenn die degenerativen Prozesse die Oberhand über
die regenerativen gewinnen, tritt eine Degeneration des Organs
ein. Dies scheint bis zu einem gewissen Grade bei der Thymus-
involution stattzufinden, sei es, dass diese den Charakter der
Altersinvolution oder akzidenteller Involution hat. Die Zunahme
der Anzahl fettführender Retikulumzellen, die dann eintritt,
spricht dafür, dass wir wahrscheinlich mit diesem Verhältnis als
einem wirksamen Faktor, obwohl freilich nicht dem hauptsäch-
lichen oder einzigen, bei der Verminderung zu rechnen haben,
die das Parenchym dann erfährt.
Dass es sich bei dem Auftreten des Fettes um eine Zufuhr
ausserhalb der Retikulumzellen gebildeten Fettes zu denselben
und somit um eine Fettinfiltration handeln sollte, scheint mir
nicht sehr plausibel. Wohl ist wahr, dass Fettkörnchen sowohl
intercellulär als auch innerhalb kleinerer Gefässe angetroffen
worden sind, sowie dass die Retikulumzellen, wie Rudberg
gezeigt hat, Phagozytose besitzen; die Bilder intercellulärer
Körnchen sind jedoch, wie oben näher ausgeführt worden, wahr-
scheinlich meistens Artefakte, und innerhalb der Gefässe werden
Körnchen so selten angetroffen, dass sich darauf eine Annahme
bezüglich ihrer Zufuhr von aussen her nicht gründen lässt. Eher
bin ich geneigt, in diesem Falle an einen Transport des Fettes
aus der Thymus heraus zu denken.
Aus dem hier Gesagten geht hervor, dass das Vorkommen
des intraparenchymatösen Fettes zunächst der Ausdruck einer
Fettdegeneration einiger Retikulumzellen zu sein scheint, wie
sie normal schon bei der Geburt vorkommt und danach einen
progressiven Charakter zeigt, der beim Eintritt der Altersinvolution
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen etc. 341
bei der Pubertät besonders augenfällig wird. Bei gewissen Formen
von akzidenteller Involution (nach Hunger und Coccidiose) nimmt
sie gleichfalls in hohem Grade an Umfang zu.
Einer solchen Auffassung widersprechen keineswegs die in
gewissen Hinsichten abweichenden Verhältnisse, die bei anderen
Tieren als dem Kaninchen angetroffen worden sind. Ja, das
Vorkommen eines gleichartigen Prozesses auch in dem Inneren
der Hassallschen Körperchen bei gewissen Spezies, wie der
Katze und dem Menschen, scheinen mir bis zu einem gewissen
Grade eine weitere Stütze für dieselbe abzugeben.
VI. Das Verhältnis bei einigen anderen Tierarten
als dem Kaninchen.
Bei den anderen Tierarten, die ich untersucht habe, habe
ich im allgemeinen die Verhältnisse vergleichbar mit denen beim
Kaninchen gefunden, wenn sie auch nicht immer mit ihnen identisch
sind. Fettkörnchenführende Zellen, oder vielleicht besser, da ich
bei den übrigen Tieren im allgemeinen nur Scharlachfärbung
angewandt habe, Zellen, die scharlachfärbbare Körnchen und
Tropfen enthalten, scheinen ziemlich konstant aufzutreten, obwohl
in wechselnder Menge und verschiedener Anordnung.
Bei einem jungen Exemplar von Chimaera monstrosa, das
ich untersucht habe, fehlten sie aber vollständig.
In der Froschthymus sind die Körnchen sehr selten; sie
liegen auch hier in den Retikulumzellen, aber sehr spärlich; in
gewissen Schnitten von 30 « Dicke, die den Durchschnitt des
ganzen Organs umfassen, sind überhaupt keine, und im allgemeinen
nur eins bis zwei Zellen in jedem solchen Schnitt zu sehen. Etwas
Entsprechendes zu der akzidentellen Involutionszunahme beim
Kaninchen scheint auch beim Frosch vorhanden zu sein. Bei Tieren,
die vor der Tötung in einem Bassin im Zimmer eine Woche lang
ohne Nahrung aufbewahrt worden waren, war die Fettmenge (aller-
dings nur wenig) vermehrt. Die myoiden Zellen sind stets fettfrei.
Beim Huhn dagegen finden sich die Körnchen konstant.
Hier sind sie auf die Epithelzellenhaufen im Mark konzentriert,
wo sie sich oft in der Umgebung degenerierender Kerne finden
(Bat. XITNBIESI6)»
Von Säugetieren sind ausser dem Kaninchen Mensch, Kalb,
Hund, Katze und Maus untersucht worden. Auch diese zeigen
24*
342 Ruben Holmström:
stets die scharlachfärbbaren Körnchen. In Übereinstimmung mit
dem, was beim Kaninchen der Fall ist, liegen sie bei der Maus
fast ausschliesslich in der Rinde. Bei diesem Tier liegen sie
jedoch bemerkenswert oft in den Gefässlumina dicht zwischen die
dieselben ausfüllenden roten Blutkörperchen gestreut. Doch
variiert auch dieses Bild, so dass man sie in gewissen Thymus-
drüsen gar nicht in den Gefässen, sondern nur in den Retikulum-
zellen findet.
bei Hund, Katze, Kalb sind die Körnchen vorzugsweise im
Mark lokalisiert, und bei allen diesen Tieren finden sie sich auch
in den Hassallschen Körperchen. Besonders bei der Katze
(Fig. 17) zeigt das Bild einen prägnanten Unterschied bei einem
Vergleich mit der Kaninchenthymus. Die Fettkörnchenzellen
gehören hier den äusseren Teilen des Markes an, wodurch man,
besonders in den Fällen, wo sie reichlich vorkommen, eine sehr
scharf markierte Grenze zwischen Mark und Rinde schon in
dem nicht kerngefärbten Schnitt erhält. Doch fehlen die Körnchen
auch hier nicht vollständig in der Rinde, sondern man sieht
auch in dieser feine Körnchen verstreut. Die Hassallschen
Körperchen sind der Regel nach reichlich von den roten Körnchen
durchsetzt, die hier oft zu grösseren Schollen zusammengebackt
sind. Ungefähr dasselbe Bild trifft man beim Hund und beim
Kalbe an, obwohl mit geringen Modifikationen. So ist z. B. die
Fettanhäufung in den Hassallschen Körperchen beim Kalbe
nicht so ausgeprägt wie bei der Katze.
Von Menschenthymi habe ich teils solche von Unfällen, teils
von akut verlaufenen Krankheiten her untersucht. Bezüglich des
Ortes des Fettes bildet die Menschenthymus eine Zwischenform
zwischen den Extremen, welche Katze und Kaninchen darstellen
(Fig. 18). Auch beim Menschen liegen sie zwar überwiegend in
der Rinde, in beträchtlicher Menge jedoch auch im Mark. Beim
Menschen finden sie sich nicht so konstant in den Hassallschen
Körperchen wie z. B. bei der Katze; ziemlich oft ist dies aber
doch der Fall, und diese Hassallschen Körperchen sind dann
sehr reichlich von grösseren und kleineren Körnchen durchsetzt.
Nicht selten sieht man das Fett auch hier in Gefässlumina liegen.
Das verschiedene Vorkommen von Fett im Inneren der
Hassallschen Körperchen bei verschiedenen Spezies — die
Extreme werden hierbei vom Kaninchen, wo es regelmässig fehlt,
Das Vorkommen von Fett und fettähnlichen Substanzen ete. >43
nnd von der Katze, wo es reichlich und regelmässig vorhanden
ist, repräsentiert — ermangelt nicht des Interesses. Es liefert
eine Bestätigung für die Bemerkung Hammars (1910, S. 97),
dass die hier vor sich gehenden Prozesse, obwohl stets degene-
rativer Natur, nicht bei allen Tieren denselben Charakter besitzen.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir, wie von gewissen Seiten
vermutet worden ist, in diesen Degenerationsprodukten das Wesent-
liche der Organfunktion zu sehen haben, wird dadurch wesentlich
vermindert.
1le
Zusammenfassung.
Mit Scharlach R färbbare feine Körnchen und Tröpfchen
kommen in der Kaninchenthymus normal und konstant
vor. Ihre Anzahl nimmt von der Geburt an mit steigendem
Alter zu. Die Körnchen gehören beim Kaninchen fast aus-
schliesslich der Rinde an, in vereinzelten Fällen und dann
in spärlicherMenge sind sie auch im Mark anzutreffen. Sie
liegen vorzugsweise im Inneren der Retikulumzellen, um
den Kern herum gruppiert, der nicht selten Degenerations-
zeichen aufweist: in den Lymphoeyten scheinen sie ganz
zu fehlen. Dann und wann findet man solche auch
intravaskulär. Ihr Vorkommen zwischen den Zellen des
Parenchyms dürfte meistens artefakter Natur sein. Die
Hassallschen Körperchen enthalten beim Kaninchen nie
solche Körnchen.
. Die Körnchen sind einfachbrechend und werden durch
fettlösendes Reagens herausgelöst; sie werden im all-
gemeinen von Os O4 mit nachfolgender Spiritusbehandlung
grau gefärbt. Die Mehrzahl ihrer Reaktionen im übrigen
stimmt mit denen des Fettes überein.
Bei akzidenteller Involution, hervorgerufen durch Hunger
oder Coccidiose, nimmt die Anzahl dieser Körnchen
rasch und in auffallendem Grade zu. Bei eingetretener
Regeneration nimmt ihre Menge ebenso rasch ab.
. Die Körnchen haben nichts mit der interstitiellen Fett-
gewebsbildung im Organ zu tun. Sie scheinen nur den
Ausdruck eines degenerativen Prozesses in gewissen
Retikulumzellen zu bilden, der normal vorkommt und bei
der Involution des Organs infolge Alters oder Ernährungs-
störung bedeutend an Umfang zunimmt.
344 Ruben Holmström:
5. Derartige Körnchen kommen innerhalb der Thymus bei
den meisten untersuchten Tieren vor. Die Lokalisation
im Verhältnis zu dem Parenchymgebiet wechselt bei
verschiedenen Spezies. Bei gewissen, wie der Katze,
finden sie sich vorzugsweise im Mark; bei Katze, Hund
und Mensch sind sie in beträchtlicher Menge auch im
Inneren der Hassallschen Körperchen angetroffen worden.
Uppsala, im Maıl1011:
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII.
Die Fig. 1—15 stammen sämtlich vom Kaninchen her.
Fig. 1—6. Thymi von normalen Tieren, im Alter von 1 Woche (1), 1 Monat
(2), 2 Monat (3), 3 Monat (4), 5 Monat (6). Formolgefrierschnitte,
30 u, Scharlach R. Vergr. 16:1.
Fig. 7—8. Inanitionsversuch. Fig. 7 Kontrolltier; Fig. 8 Versuchstier ;
Inanition 7 Tage. Formolgefrierschnitte, 30 , Scharlach R.
Vergr. 25:1.
Fig. 9—12. Regenerationsversuch: Formolgefrierschnitte, 30 ‚, Scharlach R.
Vergr. 25:1.
Fig. 9. Kontrolltier.
Fig. 10. Imanition, chronisch, 16 Tage dauernd.
Fig. 11. Inanition 16 Tage, Ernährung 2!/. Tage.
Fig. 12. Inanition 16 Tage, Ernährung 8 Tage.
Fig. 13. Retikulumzelle von der Markrindengrenze, enthaltend Fettkörnchen:
Scharlach, Hämatoxylin. Leitz, Obj. 7, Ok. 4.
Fig. 14. Kapillar, enthaltend Fettkörnchen und rote Blutkörperchen.
Isolationspräparat, Scharlach R. Leitz, Obj. 7, Ok.5.
Fig. 15. Retikulumzelle mit pyknotischem Kern und Fettröpfchen, Scharlach,
Hämatoxylin. Leitz, Obj. 7, Ok.5.
ig. 16. Huhn. Formolgefrierschnitt, Scharlach R, Hämatoxylin. Leitz
!iıe hom. Imm., Ok. 5.
br, 17. Katze. Formolgefrierschnitt, 30 «, Scharlach R. Vergy, 16 :1.
F. 18. Mädchen, 11 Jahre alt. Formolgefrierschnitt, 30 „, Scharlach R
Vergr. 16 :1.
Über feinere Strukturen und die Anordnung des
Glykogens im Magen und Darmkanai.
Von
Prof. Dr. Julius Arnold in Heidelberg.
Hierzu Tafel XIV.
Seit einer nach heutigen Begriffen langen Zeit bin ich
bestrebt, Beiträge zur Lehre von den Plasmosomen zu liefern
und den Nachweis zu führen, dass diese Gebilde als präformierte
und mit wichtigen Funktionen betraute Strukturbestandteile der
Zellen — als Organellen — anzusehen sind. — Schon bei den
ersten Gängen auf diesem Arbeitsgebiet war ich zu der Über-
zeugung gelangt, dass man sich bei der Erforschung eines so
bedeutungsvollen Problems nicht auf die Untersuchung fixierter
Präparate, so unerlässlich diese ist, beschränken darf. Es wurden
deshalb ausser dieser zahlreiche Beobachtungen am lebenden,
überlebenden und namentlich auch vital gefärbten Objekte, an
welchem sich unter gewissen Bedingungen die einzelnen Phasen
der Granulafärbung direkt unter dem Mikroskop verfolgen lassen,
ausgeführt. Ferner erwies es sich als erforderlich und die
morphologischen Anschauungen über den Aufbau der Zellen sehr
fördernd, die in diesen sich abspielenden Vorgänge der Assimilation
und Synthese, sowie diejenigen der äusseren und inneren Sekretion
einer eingehenden Beobachtung zu unterziehen. Diese Vereinigung
biologischer und morphologischer Forschungsmethoden hat sich
bewährt. Wir verdanken ihr die wichtigen Ergebnisse, dass die
Plasmosomen bei der Umsetzung von Farbstoffen, Fetten, Glykogen,
Eisen, Pigment usw. sich beteiligen. Es sind in dieser Hinsich
namentlich die Tatsachen zu berücksichtigen, dass solche Granu!
zu Fäden des Plasmas in Beziehung stehen und dass nach Er
fernung der Farbstoffe, der Fette und des Glykogens die Granw-
substanz zurückbleibt; es können somit dieselben nicht als Nied'-
schläge, emulsive Tropfen, beliebige intracelluläre Ausscheiduren
oder in die Zellen aufgenommene extracelluläre Gebilde angesten
werden. Die meisten neueren Beobachter stimmen darin übein,
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 347
dass viele bei der äusseren Sekretion auftretende Granula als
umgewandelte Strukturbestandteile aufgefasst werden müssen.
Durch die Mitochondrienforschung sind unsere diesen Gegenstand
betreffenden Kenntnisse sehr gefördert worden, indem schon früher
bekannte Tatsachen durch sie bestätigt und neue hinzugefügt
wurden. Dass bei der inneren Sekretion die Granula eine Rolle
spielen, dafür sprechen die Befunde an weissen Blutkörpern und
verschiedenen Drüsenformen.
In den nachfolgenden Zeilen soll über Plasmosomen und
Granula der Magen- und Darmepithelien, sowie über deren
Beziehung zu Plasmafäden und die Anordnung des Glykogens in
ihnen berichtet werden. Ich habe auch bei diesen Untersuchungen
Beobachtungen an lebenden, überlebenden und vital gefärbten
Objekten, sowie an nach verschiedenen Methoden fixierten Präpa-
raten angestellt. Über die Befunde an den ersteren wurde schon
an einer anderen Stelle (Nr. 9) berichtet; es seien deshalb hier
nur die wesentlichsten Ergebnisse mitgeteilt.
Bei der Verfütterung von Neutralrot wird im Magen und
Darm der Farbstoff, wie die Betrachtung des überlebenden und
fixierten Objekts lehrt, von den Granula aufgenommen; die Grenz-
säume bleiben ungefärbt: das übrige Plasma wird nicht oder
nur schwach gefärbt: ebenso erfolgt keine Kernfärbung. Die
Fäden, zu welchen die Granula in Beziehung stehen, nehmen nur
ausnahmsweise Farbe an. Die Verteilung der gefärbten Granula
innerhalb der Zelle ist je nach der Phase der Resorption eine
verschiedene. Am häufigsten liegen sie zwischen Grenzsaum und
Kern oder unterhalb dieses, seltener paranukleär; zuweilen er-
füllen sie die ganze Zelle mehr oder weniger gleichmässig. In
der Substanz der Schleimhaut finden sich rundliche, spindelförmige
und verästelte, Farbstoftkörnchen enthaltende Figuren; sie ent-
sprechen Leukocyten und Lymphocyten, sowie Bindegewebszellen.
Bei der Verfütterung von Methylenblau (Versuche wie sie
schon von R. Heidenhain, Höber und Schmidt vorgenommen
wurden), war die Anordnung der Granula im wesentlichen die
gleiche; doch erschien mir ihre Zahl spärlicher, auch traten sie
am lebenden Objekt später auf; ein Verhalten, das vermutlich mit
der geringeren Lipoidlöslichkeit des Methylenblaus zusammenhängt.
Erwähnen will ich noch das Vorkommen von netzförmigen
Zeichnungen, welche auf eine Füllung der interepithelialen Räume
348 Juliws Arnold:
mit Farbstoff bezogen werden müssen. Höber hat solche netz-
förmigen Figuren an vitalgefärbten Methylenblaupräparaten bei
Zusatz von molybdänsaurem Ammoniak, ebenso bei gleichzeitiger
Verfütterung von Methylenblau und Ammoniummolybdat beobachtet.
Er nimmt an, dass das Methylenblau aus den Granula aus-
geschwemmt und durch das Ammoniummolybdat interepithelial
gefällt wird. Da ich solche Bilder auch bei der Anwendung von
Konservierungsmitteln, durch welche das Methylenblau intracellulär
gefällt wird, erhielt, dünkt es mir wahrscheinlich, dass auch unter
anderen Bedingungen eine Füllung der interepithelialen Bahnen
mit Farbstoff erfolgen kann; es ist wohl in dieser Hinsicht die
Zufuhr grösserer Mengen und konzentrierter Lösungen des Farb-
stoffs und eine durch diese hervorgerufene Schädigung der Schluss-
leisten zu berücksichtigen. Vielleicht sind nur konzentrierte
Lösungen in den interepithelialen Räumen nachweisbar. Für die
Möglichkeit einer vitalen interepithelialen Resorption solcher
Farbstoffe spricht auch der Befund von gefärbten Netzen in der
Mukosa und Submukosa, welche den Saft- und Lymphbahnen
entsprechen. Die Resorption von Neutralrot und Methylenblau
scheint im Darm ausgiebiger zu erfolgen als im Magen.
Ich darf nicht versäumen, auf den interessanten Befund von
Schmidt aufmerksam zu machen, der bei der gleichzeitigen
Verfütterung von Methylenblau und Sahne in dem gleichen Granulum
Farbstoff und Fett nachweisen konnte. Bezüglich der Über-
einstimmung der Bilder bei der Resorption von Farbstoffen und
Fetten verweise ich auf meine früheren Mitteilungen (Nr. 7 u. 9).
In beiden Fällen erweisen sich die Grenzsäume, auch wenn die
Zellen Farbstoff oder Fett in grosser Menge enthalten, frei von
solchen Substanzen; die reihenförmige Anordnung der Granula
und ihre Beziehung zu Fäden ist bei Fettgranula und Farbstoft-
granula die gleiche, ebenso die Bindung dieser Stoffe an die in
der Mukosa gelegenen zelligen Elemente.
Methoden und Material.
Die eben geschilderten Verhältnisse wurden teils an nicht
fixierten, teils an fixierten vital gefärbten Objekten festgestellt.
Wie bekannt, stösst die Konservierung namentlich von Neutralrot-
präparaten auf grosse Schwierigkeiten. Ich habe zahlreiche Ver-
suche, z.B. mit den von Golovine angegebenen Methoden,
Die Anordnung des Glykogens im Magen nnd Darmkanal. 349
angestellt; leider mit ungenügendem Erfolg. Befriedigende
Resultate erhielt ich mit der von Gross zur Darstellung vitaler
Granulabilder der Niere angewandten Fixierung. Die Methode
umgeht durch Härtung in Formoldämpfen die Veränderungen,
wie sie bei Anwendung flüssiger Fixierungsmittel infolge von
Diffusionsvorgängen hervorgerufen werden. Bezüglich der Einzel-
heiten verweise ich auf meine oben erwähnte Arbeit (Nr. 9), sowie
auf diejenige von Gross (Zieglers Beiträge 1911).
Von anderen Konservierungs- und Tinktionsmethoden kamen
folgende in Anwendung:
1. Das Bendasche Chromosmiumgemisch, in welchem kleine
Stücke mindestens acht Tage liegen blieben, Behandlung
mit Alkohol von steigender Konzentration, Cedernöl und
Einbettung in Paraffin; die entparaffinierten Präparate
wurden nach der Heidenhainschen Eisenhämatoxylin-
metbode gefärbt. Empfehlenswert ist die nachträgliche
Färbung mit Kristallviolett und die Differenzierung
mittels Nelkenöl-Aceton (9:1).
2. Die von OÖ. Schultze angegebene Osmiumhämatoxylin-
methode, die sich mir bei der Untersuchung feinerer
Strukturen als sehr leistungsfähig erwiesen hat. Genauere
Vorschriften war Herr Kollege Schultze so liebenswürdig
mir brieflich mitzuteilen.')
Die von Schridde modifizierte Altmannsche Granula-
methode.
4. Sublimatchlornatrium ohne Zusatz von Eisessig und
Färbung mit Hämatoxylin, Thionin, Mucikarmin, Kristall-
violett etc.
Behufs Darstellung des Glykogens brachte ich die Jod-
methoden, die von Meyer angegebene Tinte, namentlich
aber die Bestsche Karminmethode in Anwendung. Be-
züglich der Löslichkeit in Speichel verhielt sich das
Glykogen des Magens und Darms wie das an anderen
Orten verschieden. Manchmal erwies es sich als leicht-
löslich, oder es kam zu diffuser fleckweiser Färbung oder
aber es erfolgte selbst nach mehrtägiger Einwirkung des
os
[oil
') Unterdessen ist eine ausführliche Mitteilung: „Über die Anwendung
der Osmiumsäure und eine neue Osmiumhämatoxylinmethode“ in der Zeit-
schrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Bd. XXVII, 1910, erschienen.
350 Julius Arnold:
Speichels keine vollständige Lösung. Eine Gesetzmässig-
keit konnte ich in dieser Hinsicht nicht auffinden. Der
Darminhalt, namentlich auch Amylumkörper wurden durch
Bestsches Karmin sehr oft intensiv gefärbt (s. unten).
Untersucht wurden Magen und Darm vom Frosch (Rana
esculenta und fusca), Maus, Ratte, Katze und Hund. Es finden
sich in der Literatur vielfach Angaben über die grössere Ver-
wertbarkeit bald dieser bald jener Art zur Erforschung feinerer
Strukturen. Nach meiner Erfahrung spielen die Art und Weise
der Fixierung, die Menge der Konservierungsflüssigkeiten, die
Funktionszustände u. dgl. eine viel grössere Rolle. Ich darf auf
eine ausführliche Erörterung dieser Verhältnisse verzichten, weil
sie jedem Mikroskopiker von Beruf geläufig sind. Dass man sich
nicht auf die Anwendung einer Methode beschränken darf, dafür
finden sich in den folgenden Zeilen zahlreiche Belege.
Frosch.
Magen. An Benda-Heidenhainpräparaten erscheinen
die Oberflächenepithelien, deren Formen allgemein bekannt sind,
fein bestäubt, manchmal fein granuliert, mit reihenförmiger An-
ordnung der Granula; eine deutliche Längsstreifung konnte ich
nicht wahrnehmen. Andere Zellen zeigen namentlich am Ober-
ende eine netzförmige oder wabige Architektur. Die Abgrenzung
der Zellen gegen das Magenlumen ist bald eine geradlinige, bald
eine mehr gebogene; sehr häufig wird sie durch kürzere und
längere, schmale oder mehr kegelförmige Fortsätze unterbrochen,
oftenbar aus der Zelle austretende Sekretmassen. Die seitliche
Abgrenzung der Zellen wird durch dunkle Linien dargestellt, wie
dies namentlich an Flächenansichten sehr deutlich ist. Bei der
Nachfärbung mit Kristallviolett nimmt der supranukleäre Ab-
schnitt bald nur nächst dem Saum, bald in grösserer Ausdehnung
in der Richtung gegen den Kern eine dunklere Färbung an: es
kommen gefärbte Granula zum Vorschein, welche aber auch infra-
nukleäre Lage darbieten können.
Färbt man Sublimatpräparate mit Thionin, so nimmt das
Plasma einen hellblauen Ton an; die die Zellen überragenden
Fortsätze sind etwas intensiver blau gefärbt, zeigen aber keine
Metachromasie. Bei der Tinktion mit Mucikarmin wird das
Zellplasma nebst Fortsätzen und zwar ausschliesslich der supra-
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 351
nukleäre Abschnitt bald in grösserer, bald in geringerer Ausdehnung
rot gefärbt; das gefärbte Plasma erscheint fein bestäubt oder deutlich
granulär, manchmal netzförmig mit eingelagerten Granula (Fig. 4).
Das Bild erinnert dem Verhalten der Granula nach einerseits an
die Bilder bei vitaler Färbung, andererseits an diejenigen, welche
ich bei der Mucinausscheidung in der Froschhaut erhielt (Fig. 5).
An dem Ausgang der Drüsen ist die Anordnung der Zellen
im wesentlichen die gleiche. Am Übergang in den eigentlichen
Drüsenkörper liegen helle Zellen, welche wohl mit den sogenannten
Halszellen identisch sind. Sie besitzen einen schmalen Plasma-
saum; der Kern liegt, peripher; die Mitte wird durch eine helle
Substanz eingenommen, welche bald homogen, bald fädig oder
netzförmig beschaffen ist und an Sublimat-Mucikarminpräparaten
rötlich gefärbt erscheint.
Die Zellen des eigentlichen Drüsenkörpers sind bald heller,
bald dunkler, an Benda-Heidenhainpräparaten die ersteren
bestäubt, die letzteren granuliert. Auf Thionin und Mucikarmin
reagieren an Sublimatpräparaten weder die einen noch die anderen
deutlich; sie nehmen bei Anwendung des letzteren auch dann
höchstens einen schwach rötlichen Ton an, wenn die Zellen der
Oberfläche und des Ausgangs intensiv tingiert sind. Eine Gesetz-
mässigkeit in der Verteilung der Zellen innerhalb des Drüsen-
schlauches war nicht nachzuweisen.
Anordnung des Glykogens. Die Obertlächenepithelien
führen Glykogen in wechselnder Menge und Anordnung. Viele
Zellen enthalten Glykogengranula vorwiegend oder ausschliesslich
in dem supranukleären Abschnitt manchmal nur nächst dem Saum,
andere in der ganzen Ausdehnung bis zum Kern (Fig. 1 und 2).
Werden die Grenzsäume durch Fortsätze unterbrochen, dann können
auch diese Glykogengranula führen. In anderen Zellen werden die
Kerne, in welchen ich niemals Glykogen nachweisen konnte, von
Glykogengranula umgeben oder diese nehmen mehr die infra-
nukleären Abschnitte der Zellen ein, zuweilen sind die Glykogen-
granula mehr gleichmässig über die Zelle verteilt (Fig. 2). Von
der Fläche gesehen stellen sich die glykogenhaltigen Partien
als rote, von hellen Linien umsäumte Felder dar, ähnlich wie bei
der vitalen Färbung mit Neutralrot. Selten erscheinen die Felder
hell und durch rote Linien begrenzt, mit Knotenpunkten an den
Verbindungsstellen wie am Methylenblaupräparat.
>)
ou
DD
Julius Arezmioide:
Die Topographie der Glykogenverteilung wechselt. Manchmal
findet man glykogenhaltige Zellen nur stellenweise namentlich auf
der Höhe der Schleimhautkuppen oder aber auf eine grössere Fläche
gleichmässig verteilt. Die Glykogengranula sind gewöhnlich sehr
klein, manchmal nur mit den stärksten Vergrösserungen zu
erkennen, so dass die Zellen oft nur wie bestäubt erscheinen, zu-
weilen aber grösser. Erfüllen die Granula die Zellen, wie sehr oft,
mehr oder weniger vollständig, so ist ihre Beziehung zu anderen
Strukturbestandteilen nicht zu ermitteln; dagegen gelingt es an
Zellen, welche weniger Granula enthalten, eine reihenförmige
Aufstellung und ihre Beziehung zu teils ungefärbten, teils gefärbten
Fäden nachzuweisen, wie ich dies an mit Neutralrot vital gefärbten
Präparaten beschrieben habe. Eine Verlagerung des Glykogens,
wie sie an anderen Zellen so häufig vorkommt, scheint an Ober-
flächenepithelien vielleicht wegen des ausgiebigen Gehalts an
solchen Granula nicht, stärkere diffuse Färbungen nur nach der
Einwirkung von Speichel vorzukommen.
Die glykogenhaltigen Zellen erstrecken sich meistens nur
in den Anfangsteil des Drüsenausgangs, zuweilen aber auch tiefer
hinein, so namentlich im Pförtner; daselbst finden sich oft rote
Begrenzungen zwischen ungefärbten Zellen.
Die Halszellen enthalten Glykogen, auch wenn die ober-
flächlichen Epithelien und diejenigen des Drüsenausgangs kein
oder nur wenig Glykogen führen (Fig. 3). Manchmal fallen diese
Zellformen durch ihre Grösse und intensive Farbe auf oder aber
sie werden von dunkelrot gefärbten Fäden durchsetzt oder sie
sind mit einer gleichmässig gefärbten Substanz erfüllt.
In den Zellen des eigentlichen Drüsenkörpers findet sich
namentlich bei ausgiebigem Glykogengehalt der Epithelien der
Oberfläche und des Drüsenausgangs fast immer solches in bald
grösserer, bald geringerer Menge; es kann aber auch unter
solchen Verhältnissen vollständig fehlen. Auf ein Abhängigkeits-
verhältnis des Glykogengehalts an beiden Stellen darf nicht
geschlossen werden; die Drüsenzellen können Glykogen ent-
halten, wenn in den Öberflächenepithelien der gleichen Schleim-
hautstelle solches vermisst wird. Meistens ist der obere Abschnitt
des Drüsenkörpers reicher an Glykogen wie der untere; es kommt
aber auch Glykogen in Zellen des Drüsengrundes vor bei Mangel
in höheren Abschnitten. Die Verteilung des Glykogens in ein
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 393
und demselben Drüsenkörper wechselt. Es finden sich glykogen-
haltige Zellen neben glykogenfreien; die dunklen Zellen enthalten,
wie es scheint, häufiger Glykogen als die hellen. In der Mehr-
zahl der Zellen sind die Glykogengranula so fein, dass die ersteren
wie bestäubt sich darstellen; es kommen aber auch grössere
Granula in ihnen vor. Verlagerung des Glykogens tritt in den
Drüsenzellen sehr häufig ein.
Im Lumen des Magens findet man ausser gefärbtem Inhalt
namentlich nach Best sich mehr oder weniger stark färbende
Amylumarten, eosinophile Zellen und andere Leukocyten, welche
Glykogengranula enthalten; ebensolche trifft man neben glykogen-
führenden Bindegewebszellen in der Schleimhaut, ferner Glykogen-
granula in der Muskularis, welche wohl Sarkosomen entsprechen.
Bei Fütterungsversuchen mit Dextrose und Pepton erhielt
ich kein eindeutiges Ergebnis. Die Beurteilung des Glykogen-
gehalts des Magens unter solchen Bedingungen wird dadurch
sehr erschwert, dass Frösche, auch wenn sie nicht gefüttert
wurden, beträchtliche Mengen von Glykogen in der Schleimhaut
des Magens aufwiesen.
Darm. Die Epithelien zeigen sich mehr oder weniger
deutlich längs gestreift. Diese Zeichnung ist angedeutet schon
an Alkoholpräparaten, ausgesprochen an Sublimat-Heidenhain-
und Benda-Heidenhainpräparaten. Sehr oft wird sie durch
eine reihenförmige Anordnung feinster Granula ersetzt. Nächst
dem Grenzsaum ist das Plasma dichter, über und unter dem
Kern lockerer gefügt, so dass es mehr wabig erscheint; über-
haupt ist die Architektur der perinukleären Zonen offenbar je
nach Funktion sehr wechselnd. Färbt man solche Präparate mit
Kristallviolett nach, so werden die Granula und deren Beziehung
zu Fäden leichter wahrnehmbar.
Glykogen traf ich in den Darmepithelien niemals in so
ausgedehnter und ausgiebiger Weise, wie im Magen, auch dann
nicht, wenn dieser grosse Mengen desselben aufwies und die
Tiere mit Dextrose oder Pepton gefüttert worden waren. Dass
dieser Befund auf einen Zufall zurückzuführen ist, dünkt mir
mit Rücksicht auf das erwähnte Verhalten des Magens und die
grosse Zahl der untersuchten Tiere nicht wahrscheinlich. Dagegen
fanden sich vereinzelte, manchmal auch zahlreichere Granula
unterhalb des Grenzsaumes, sowie spärlichere in der supra- und
354 Julius Arnold:
infranukleären Zone, ebenso in den die Buchten auskleidenden
Zellen. Solche Bilder gleichen dann auffallend denjenigen in
Neutralrotpräparaten. Bei manchen Tieren konnte ich überhaupt
kein Glykogen im Darm nachweisen.
Der Inhalt der Becherzellen und die Granula der Mastzellen
nehmen bei der Bestschen Karminfärbung eine rote, zuweilen
mehr violette Farbe an. Ausserdem liegen im Epithel und in
der Schleimhaut eosinophile Zellen und andere Leukocyten, deren
Granula die Glykogenreaktion eingegangen haben.
Meerschweinchen.
Magen. Das Plasma der Öberflächenepithelien erscheint
an Benda-Heidenhainpräparaten fein bestäubt, zuweilen mehr
fein granuliert. Die Granulierung wird deutlicher bei Nach-
färbung mit Kristallviolett. In manchen Zellen zeigt die Sub-
stanz nächst dem Grenzsaum, der zuweilen durch Sekretmassen
unterbrochen wird, eine dichtere, die der supranukleären Ab-
schnitte eine mehr wabige Fügung; in anderen Zellen findet
sich das umgekehrte Bild. Nach den Seiten werden die Zellen
von dunklen Linien eingesäumt, so dass von der Fläche gesehen
eine zierliche Felderung entsteht. An Sublimat-Heidenhain-
präparaten ergibt sich im wesentlichen der gleiche Befund, doch
werden die Oberflächenepithelien häufig von hellen Blasen über-
lagert. Werden Sublimatpräparate mit Eisenalaun gebeizt, mit
Kristallviolett nachgefärbt und mit Nelkenöl- Aceton differen-
ziert, dann nimmt der unterhalb des Grenzsaumes gelegene Ab-
schnitt eine dunkelblaue Farbe an und zeigt sich mit feinsten
Granula dicht erfüllt. Bei der Flächenbetrachtung erhält man
das Bild einer blauen Felderung. Aus manchen Zellen ragen
blaue Zapfen hervor, welche nur als Sekretmassen gedeutet
werden können.
Die eigentlichen Drüsenkörper enthalten hellere und dunklere,
fein bestäubte und deutlich granulierte Zellen, welche häufig
vakuolisiert sind und dann mehr maschig oder wabig aussehen.
Die dunkleren Zellen nehmen namentlich den Grund der Drüsen-
körper ein, kommen aber auch in den oberen Abschnitten vor.
Anordnung des Glykogens. Die Granula liegen im
Oberflächenepithel und Anfangsteil der Drüsen vorwiegend supra-
nukleär, seltener peri- und infranukleär. Bei der Flächenansicht
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 359
erhält man eine sehr zierliche Zeichnung: rote Felder, eingesäumt
von hellen Linien. Die glykogenführenden Zellen erstrecken sich
bald nur durch den oberen Teil des Drüsenhalses, bald durch
diesen in seiner ganzen Ausdehnung; auch hier nehmen die
Glykogengranula häufiger den nächst dem Lumen gelegenen
Abschnitt der Zellen ein. Im Drüsenkörper werden die Glykogen-
granula seltener, doch finden sie sich auch noch in den am
Grund gelegenen Zellen. Wie es scheint, können sowohl die
hellen als auch die dunklen Zellen solche Granula führen; doch
ist manchmal die Unterscheidung beider Zellformen an Glykogen-
präparaten sehr unsicher.
Darm. Die Bilder am Oberflächenepithel wechseln ab:
feine Bestäubung, deutliche Längsstreifung und reihenförmige
Aufstellung durch Fäden verbundener Granula; grössere Granula
sind selten. Die einzelnen Zellen sind durch dunklere Linien
scharf abgegrenzt; dem entspricht eine deutliche Felderung auf
der Flächenansicht. — In den Lieberkühnschen Krypten ist
das Plasma der Zellen bald bestäubt, bald fein granuliert oder
mehr wabig und vakuolisiert.
Glykogen. In den Epithelien der Zotten und der Krypten
konnte ich kein Glykogen wahrnehmen, auch dann nicht, wenn
der Magen grosse Mengen desselben enthielt und der Darminhalt,
namentlich viele Amylumkörper, intensiv gefärbt waren. Ich muss
allerdings bemerken, dass die Zahl der untersuchten Tiere keine
sehr grosse war. Der Inhalt der Becherzellen zeigte sich teils
rot, teils violett gefärbt.
Katze.
Magen. Das Plasma der sehr hohen Oberflächenepithelien
erscheint bestäubt oder sehr fein granuliert, zuweilen ist eine
mehr netzförmige Architektur angedeutet. Nächst dem Grenz-
saum hat das Plasma eine dichtere Beschaffenheit und färbt sich
intensiver. Die meisten Zellen sind gegen das Magenlumen zu
scharf abgegrenzt, manche von heller Masse überlagert, seltener
durch solche Fortsätze unterbrochen. An Flachschnitten spannen
sich zwischen den zierlichen Feldern feine Fäden aus, welche
übrigens auch an Seitenansichten wahrzunehmen sind; der Ansatz
an der Zelle ist etwas verbreitert, manche enthalten feine Körner.
In den Drüsenkörpern wechseln helle und dunkle Zellen.
In den ersteren ist das Plasma bald feinkörnig, bald netzförmig
Archiy f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 95
356 Julius Arnold:
oder wabig, die letzteren enthalten grössere, intensiver sich
färbende Granula, welche übrigens auch in den hellen Zellen
vereinzeit vorkommen. Sie liegen dann mehr peripher und
werden möglicherweise infolge einer artefiziellen Verlagerung
durch einen hellen Hof vom Kern getrennt. Die beiden Formen
entsprechen offenbar den Haupt- und Belegzellen.
Anordnung des Glykogens. Die Oberflächenepithelien
zeigen den gleichen Wechsel in der Topographie der Glykogen-
granula wie bei anderen Tieren. Bald enthält nur der nächst
dem Grenzsaum gelegene oder der ganze supranukleäre Abschnitt
solche; seltener ist die ganze Zelle mit ihnen erfüllt oder sie
sind auf den infranukleären Teil beschränkt. Oft ist der ganze
Hals, manchmal nur ein Teil desselben mit glykogenführenden
Zellen besetzt (Fig. 5). Ebenso enthalten die eigentlichen Drüsen-
körper bald mehr, bald weniger in von oben nach unten ab-
nehmender Menge Glykogen; man trifft solches aber zuweilen im
Fundus der Drüsenkörper, wenn die höher gelegenen Abschnitte
glykogenfrei sind. Sowohl in den hellen als auch in den dunklen
Zellen trifft man Glykogen (Fig. 6). Die Verlagerung dieses
erschwert auch hier eine Entscheidung; im allgemeinen darf man
wohl annehmen, dass die grösseren Glykogengranula dunklen
Zellen angehören. Sehr viel Glykogen fand ich stellenweise in
den Sarkosomen der Muskelschichte.
Darm. Die hohen Zylinderzellen zeigen eine deutliche
Längsstreifung, welche sich an vielen Stellen in durch Fäden ver-
bundene Granulareihen auflösen lässt. Die nächst dem Grenzsaum
gelegenen Abschnitte sind meistens kompakter gefügt, können
aber auch ein netzförmiges oder wabiges Aussehen darbieten. —
Das Plasma der Kryptenzellen ist bestäubt oder fein granuliert,
sehr häufig netzförmig oder wabig.
Glykogen. Die Oberflächenepithelien der Zotten waren
frei von Glykogengranula, dagegen der Inhalt der Becherzellen
intensiv rot gefärbt, ebenso der Inhalt vieler Lieberkühnschen
Krypten. In einzelnen Zellen dieser fand ich gefärbte Granula;
es ist allerdings möglich, dass sie zu gewissen Phasen der Sekret-
bildung in Becherzellen in Beziehung stehen, da diese namentlich
in der ersten Zeit sehr oft rote Granula enthalten und erst später
ein mehr homogenes Aussehen annehmen.
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 357
Hund.
Magen. Die oberflächlichen Epithelien und diejenigen des
Ausführungsganges bieten die gleiche Struktur und den gleichen
Wechsel in dieser wie diejenigen der anderen Tiere. Zeichen
von Sekretion konnte ich nicht wahrnehmen, wenn nicht die
dunklere Färbung des unter dem Grenzsaum gelegenen Teils in
diesem Sinn gedeutet werden muss. Die Zellen erschienen gegen
das Magenlumen scharf abgegrenzt und wurden nicht von Fort-
sätzen oder blasigen Sekretmassen überlagert. Da ich solche
Objekte nur in beschränkter Zahl untersuchte, kann ich nicht
entscheiden, ob man berechtigt ist, aus diesem Befund auf einen
anderen Sekretionsvorgang zu schliessen, oder ob es sich, was mir
wahrscheinlicher dünkt, nur um einen anderen Funktionszustand
handelt. Im Pförtnerteil liegen zahlreiche dunkle Stöhrsche
Zellen zwischen den anderen.
Glykogen. Die Oberflächenepithelien sind dicht mit sehr
feinen Glykogengranula erfüllt, hauptsächlich die supranukleären,
zuweilen aber auch die infranukleären Abschnitte. Das gleiche
Verhalten bieten die Zellen des Ausführungsganges und des
Halses der Drüsen bald in kleinerer, bald in grösserer Ausdehnung
dar. Auch die Mehrzahl der Drüsenzellen enthält Glykogengranula
oft in so dichter Anordnung, dass einzelne Zellformen und ein-
zelne Granula nicht mehr zu unterscheiden sind.
Darm. Die Oberflächenepithelien sind fein gestreift ; stellen-
weise lassen sich die Streifen namentlich an Osmium-Hämatoxylin-
präparaten (0. Schultze) in durch Fäden verbundene Granula-
reihen auflösen.
Glykogen. In den Epithelien der Zotten konnte ich keine
Glykogengranula wahrnehmen. Der Inhalt der Becherzellen war
intensiv rot gefärbt. Der Inhalt der Lieberkühnschen Krypten
bot eine Färbung namentlich dann dar, wenn Becherzellen vor-
handen waren. Die Schleimhaut wurde von eosinophilen Zellen
und anderen Leukocyten, welche gefärbte Granula aufwiesen,
durchsetzt. Hervorheben muss ich noch, dass der Darminhalt
eine stark rote Färbung darbot.
Maus.
Magen und Darm der Maus untersuchte ich nur auf ihren
Gehalt an Glykogen und dessen Anordnung.
25*
355 Julius Arnold:
Magen. Der Glykogengehalt war bei den untersuchten
Tieren etwas wechselnd, im allgemeinen aber sehr ausgiebig.
Bei geringerem Glykogengehalt waren die Glykogengranula in
den Oberflächenepithelien auf die supranukleären Abschnitte be-
schränkt. Zellen, die sehr reich an Glykogengranula sich erwiesen,
zeigten solche auch im infranukleären Abschnitt; in den basalen
Partien wurden Glykogengranula meistens vermisst; zuweilen ent-
hielten sie aber Glykogen, während solches in den oberen Teilen
der Zelle fehlte. Die Anordnung des Glykogens im Drüsenhals
und im Drüsenkörper stimmte im wesentlichen mit derjenigen
bei anderen Tieren, auch bezüglich des Wechsels in der Ver-
teilung, überein.
Darm. An vielen Zellen der Zotten ist der zwischen
Kutikularsaum und Kern gelegene Abschnitt matt rot gefärbt
und sticht gegen das übrige nicht gefärbte Plasma der Zelle ab.
Eine deutliche Granulierung der Zelle ist an diesen Stellen nicht
wahrzunehmen, sie erscheint mehr fein bestäubt; solche Partien
der Zelle sehen aus, als ob sie mit Mucikarmin gefärbt worden
wären. Die Becherzellen zeigen eine dunkelrote Färbung Der
Inhalt der Lieberkühnschen Krypten ist gleichfalls vielfach
deutlich gefärbt, ebenso die das Lumen begrenzenden Abschnitte
der Zellen.
Mensch.
Wie bekannt, ist es schwierig, vom menschlichen Magen
und Darm gut konserviertes Material zu erhalten. Dem liebens-
würdigen Entgegenkommen des Herrn Kollegen Ernst verdanke
ich die Gelegenheit, solches zu untersuchen. Ich konnte an
demselben feststellen, dass die Anordnung des Glykogens im
menschlichen Magen die gleiche ist wie diejenige im Magen der
oben genannten Tiere.
Am Öberflächenepithel nehmen die Glykogengranula bald
die ganze Zelle ein, bald sind sie auf den infra- und supra-
nukleären Abschnitt oder auf die Partie unterhalb des Grenz-
saumes beschränkt. Ebenso verhalten sich die Epithelien des
Ausführungsganges. Auch die Topographie der glykogenhaltigen
Epithelien wechselt; manchmal finden sich solche mehr oder
weniger gleichmässig über grössere Flächen hin verteilt oder
aber sie sind auf einzelne Stellen beschränkt; das gleiche gilt
von den Epithelien der Ausführungsgänge. In den eigentlichen
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 359
Drüsen enthalten vorwiegend die Belegzellen Glykogen, solches
fehlt aber auch nicht in den Hauptzellen, in denen es häufig
nach der einen oder anderen Seite verlagert ist.!)
Zusammenfassung.
Wenn ich dazu übergehe, die geschilderten Befunde unter
Berücksichtigung der in der Literatur niedergelegten Mitteilungen
zu erörtern und zu verwerten, so will ich zunächst bemerken,
dass ich von einer ausführlichen historischen Darstellung an dieser
Stelie absehen muss. Es darf in dieser Hinsicht auf die Werke von
Gaupp, Oppel, Ebner-Kölliker, Metzner, Stöhr und
M. Heidenhain, sowie auf die Arbeiten von R. Heidenhain,
Ebstein, Rollett, Klein, Biedermann, Nussbaum,
Langley, Altmann, Bonnet, Galeotti, Zimmermann,
Deckhuyzen, Benda, M. Heidenhain, Kolster, Regaud,
Fröhlich, Di Cristina, Vermaat, O. Schulze u.a. hin-
gewiesen werden
Magen. Bei der Betrachtung des frischen Objekts erscheint
der gegen das Lumen des Magens gelegene Abschnitt der Zelle
(das Oberende nach Oppel) heller, das Unterende mehr körnig.
Wie ich in einer früheren Mitteilung (Nr. 4) ausgeführt habe,
lassen sich durch Zusatz von Jodkali oder Osmiumsäure an nicht
fixierten Zellen Körner und Fadenkörner darstellen. Da diese
Bilder mit denjenigen an vital gefärbten und nach verschiedenen
Methoden konservierten und tingierten Objekten übereinstimmen,
ist die von Flemming vertretene Deutung, dass es sich um
“uellungsprodukte handle, nicht sachentsprechend. — Das Ver-
halten der Zellen bei der vitalen Färbung wurde ausführlich
geschildert; es sei deshalb nur noch einmal betont, dass auch
bei Anwendung dieser Methode Körner und durch Fäden ver-
bundene Körnerreihen und zwar deutlicher an nicht fixierten
als an fixierten Zellen wahrzunehmen sind. — An fixierten
Objekten erscheint das obere Ende bald dunkler, bald‘ heller
und färbt sich in dem ersteren Fall mit Anilinfarben intensiver,
während die unmittelbar über dem Kern, sowie die neben und
unter ihm gelegenen Partien eine solche Reaktion nicht darbieten.
'!) Man vergleiche meine in Zieglers Beiträgen (1911) erscheinende
Arbeit „über die Anordnung des Glykogens im menschlichen Magen und
Darmkanal unter normalen und pathologischen Verhältnissen“,
360 Julius Arnold:
Waren die Präparate nach der Benda-Heidenhainschen oder
0. Schultzeschen Methode konserviert und tingiert, dann liessen
sich in den Zellen feinste Körner und Körnerreihen, aber keine deut-
lichen Fäden wahrnehmen. Es erfolgt eben auch bei der Anwendung
dieser für die Erforschung der feineren Strukturen leistungsfähigen
Methode eine beträchtliche Volumensabnahme. Die Kontrollunter-
suchung nicht fixierter Objekte ist deshalb nicht zu entbehren.
Ein Vergleich der Befunde an nach verschiedenen Methoden
behandelten Präparaten lehrt, dass an dem Aufbau der Öber-
flächenepithelien des Magens Körner und Fadenkörner beteiligt
sind. Selbstverständlich soll damit nicht gesagt sein, dass sie
die einzigen Faktoren des Strukturbildes seien; bei dem Wechsel
dieses, wie er je nach Tierart und Funktionszustand erfolgt, spielt
auch die Anordnung der Zwischensubstanz eine wichtige Rolle.
Ogneff, Ph. Cohn, Carlier u. a. haben Intercellular-
brücken zwischen den Zellen des Magenepithels beschrieben und
teils als protoplasmatische Fortsätze, teils als Durchschnitte von
Protoplasmalamellen gedeutet, während Ebner, Oppel u.a. sie
als durch Schrumpfung bedingte Kunstprodukte ansehen. Neuer-
dings hat Schäppi an durch Osmiumsäure isolierten Zellen
solche Verbindungsbrücken nachgewiesen. Er gibt zwar zu, dass
durch Schrumpfung ähnliche Bilder zustande kommen können,
hat sich aber doch von dem Vorkommen protoplasmatischer
Verbindungsbrücken zwischen den Zellen überzeugt. Bemerkens-
wert ist der Befund von solchen Fäden, welche einzelne Zellen
überqueren. Auch ich habe wiederholt namentlich an Flach-
schnitten die Intercellularräume durchsetzende Fäden beobachtet,
welche mit Rücksicht auf ihre regelmässige Anordnung und die
mangelnden Zeichen von Schrumpfung auf einen solchen Vorgang
kaum zurückgeführt werden konnten.
Das Verhalten der obersten Abschnitte der Obertlächen-
epithelien und derjenigen des Halses ist von jeher Gegenstand
eingehender Kontroversen gewesen. Von den einen wurden die
Zellen als offen, von den anderen als geschlossen angesehen. Der
Anlass zu diesen verschiedenen Auffassungen ist der Befund von
zapfenförmigen Fortsätzen, Pfröpfen (Biedermann) und blasigen
(rebilden am Oberende, welche namentlich, wenn auch nicht aus-
schliesslich, beim Frosch die Abgrenzung der Zellen gegen das
Lumen unterbrachen, gewesen. Für die anderen oben erwähnten
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 361
Tiere wird von der Mehrzahl der Beobachter hervorgehoben, dass
die Oberflächenepithelien mehr oder weniger scharf, sei es gerad-
linig, sei es in Form eines Bogens, sich abgrenzen. Es ist keinem
Zweifel unterworfen, dass die zapfenförmigen Fortsätze und die
blasigen Gebilde auf Sekretionsvorgänge bezogen werden müssen.
Andererseits fehlt es aber auch an den anderen Zellen nicht an
Zeichen, welche auf solche hinweisen; ich meine das Verhalten
des Oberendes der Zellen namentlich an Sublimatpräparaten den
Farbstoffen gegenüber, welche zum Nachweis mucinartiger Stoffe
dienen; es kann danach auf mucinöse Umwandlungen der Sub-
stanz des Oberendes geschlossen werden. Die Beobachtung von
Bonnet, dass die Farbenreaktion am Oberende der Magen-
epithelien eine andere ist, als diejenige des Inhalts der Becher-
zellen im Darm. steht mit dieser Vorstellung nicht im Widerspruch,
da die chemische Konstitution der Mucine und dementsprechend
ihre Farbenreaktion eine sehr verschiedene ist. Das gleiche gilt
von den verschiedenen Bildern, unter denen sich die mucine
Sekretion kundgibt, in den einen Zellen in der Form von Zapfen
oder Pfröpfen, in den anderen in der Art von Blasen, während
bei wiederum anderen Zeichen einer mucinösen Ausscheidung
überhaupt nicht aufzufinden sind. Wissen wir doch von anderen
Schleimdrüsen, dass das Sekret bald eine körnige, bald eine
fädige oder homogene Beschaffenheit hat und dass namentlich
bei oberflächlich gelegenen Schleimzellen, bei denen das Sekret
sofort abgeführt wird, andere Merkmale der Sekretion an den
Zellen als die durch die mucinöse Umwandlung des Zellinhalts
bedingte Farbenreaktion nicht nachgewiesen werden können. Die
Bedeutung der Stöhrschen Zellen, wie sie im Pylorusteil des
Hundemagens vorkommen, ist vorerst noch fraglich; vermutlich
stehen auch sie zur Mucinbereitung in Beziehung.
Auf eine Erörterung der an den Öberflächenepithelien und
den Zellen der eigentlichen Drüsenkörper je nach Funktions-
zustand (Hungern, Verdauung usw.) erfolgenden Veränderungen
kann ich nicht eingehen. Aus den Arbeiten von E. Müller,
Kolosow, Zimmermann, Pirone, Nollund Sokoloff darf
entnommen werden, dass wie in anderen Drüsen so auch in diesen
die Granula bedeutungsvolle Veränderungen darbieten.
Anordnung des Glykogens. Über diese finden sich
spärliche und vielfach widersprechende Angaben. Bei Wirbeltier-
362 Julius Arnold:
embryonen kommt den Mitteilungen von Claude Bernard,
Barfurth, Lubarsch u. a. zufolge namentlich in späteren
Stadien der Entwicklung Glykogen im Magen- und Darmepithel
vor. Dagegen soll bei erwachsenen Tieren in mit Zylinder-
epithel ausgestatteten Schleimhäuten Glykogen fehlen. (Schiele,
Gierke, Simon, Meillere und Löper.) Auch Barfurth
hebt hervor, dass er bei erwachsenen Wirbeltieren in keinem
Stadium der Verdauung Glykogen getroffen habe. Dagegen finde
ich bei Fichera eine kurze Notiz, derzufolge er bei normalen
Versuchshunden im Magen und Darm an der Basis der Cellulae
muciparae und zwar im Bereich des den Kern umlagernden
Protoplasmas Glykogen nachweisen konnte. Best und Schmorl
erwähnen, dass sich die Sekretionszellen des Magens nach Best
färben. Der letztere bezweifelt aber, ob es sich um Glykogen handelt.
(Man vergleiche meine Arbeit in Zieglers Beiträgen 1911.)
Bei den interessanten Versuchen, welche Barfurth an
Fröschen mit langdauernden und plötzlich verstärkten Fütterungen
anstellte, war viel Glykogen am Magenepithel und den Pepsin-
drüsen des Magens enthalten. Fichera erwähnt das Vorkommen
von Glykogen bei Hunden, die er mit Phlorizin vergiftet und
solchen, welchen er den Plexus coeliacus exstirpiert hatte.
Wie oben berichtet wurde, fand sich bei den von mir unter-
suchten Fröschen immer in dem Oberflächenepithel des Magens
reichlich Glykogen, in den Drüsen solches in wechselnder Menge;
allerdings waren es vorwiegend Winterfrösche (R. esculenta und
fusca), die wie bekannt in allen Organen mehr Glykogen ent-
halten. Es ist mir deshalb, wie oben bemerkt, auch nicht möglich,
zu entscheiden, ob bei den Versuchen mit Dextrose- und Pepton-
fütterung eine Glykogenzunahme erfolgte oder nicht. Dass eine
solche bei geeigneter Anordnung der Versuche zu erzielen ist,
beweisen die Versuche Barfurths. Was die positiven Glykogen-
befunde bei den anderen von mir untersuchten Tieren (Maus,
Meerschweinchen, Katze und Hund) anbelangt, so mag dabei, da
ihre Zahl nur eine beschränkte war, der Zufall eine Rolle spielen.
Weitere Untersuchungen müssen lehren, ob im Magen dieser
Glykogen häufiger oder nur ausnahmsweise und unter bestimmten
Bedingungen vorkommt. Möglicherweise ist der Glykogengehalt
des Magens ebenso grossen oder noch grösseren Schwankungen
unterworfen, wie derjenige anderer Organe.
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 363
Nach der Abbildung Barfurths und der kurzen Bemerkung
Ficheras zu schliessen, haben sie das Glykogen hauptsächlich
peri- und infranukleär angetroffen. Auch ich nahm bei manchen
Tieren eine solche Anordnung manchmal in grosser Ausdehnung
wahr (Fig. 2), während bei anderen und wie mir schien häufiger
das Oberende Glykogen enthielt (Fig. 1 und 5). Wenn das
Glykogen über die ganze Zelle verteilt ist, ergeben sich Bilder
ähnlich denjenigen an Altmann präparaten. Die Überein-
stimmung in der Anordnung der Granula an Glykogenpräparaten
mit derjenigen bei vital gefärbten Objekten wurde schon hervor-
gehoben: sie können sich, wenn die ersteren nach der Best schen
Methode, die letzteren mit Neutralrot tingiert wurden, abgesehen
von dem etwas verschiedenen Farbenton beider Stoffe, zum Ver-
wechseln gleichen. Es gilt dies namentlich bezüglich der Lage
der Granula im Ober- und Unterende der Zelle, sowie der reihen-
förmigen Aufstellung, während die Neutralrotgranula vielfach
grösser sind als die Glykogengranula; doch gibt es auch namentlich
an fixierten Neutralrotpräparaten Stellen, die mehr wie fein
bestäubt erscheinen. Da es bei der Einwirkung von Neutralrot
auf die lebende Zelle hie und da zur Quellung von, Granula
kommt, ist die eventuelle Grössenverschiedenheit beider Granula-
arten nicht auffallend.
Der Glykogengehalt der Drüsen scheint einem grösseren
Wechsel unterworfen zu sein, als derjenige der Oberflächen-
epithelien. Haupt- und Belegzellen können Glykogen, das bald
nächst dem Lumen, bald mehr perinukleär gelegen ist, führen.
Darm. Die Längsstreifung der Darmepithelien ist eine
vielgeprüfte Erscheinung (Altmann, Benda, van Beneden,
Bütschli, Friedrich, Klein, M. Heidenhain, R. Heiden-
hain, Paneth, Regaud u.v.a.). Besonders eingehend hat
sich neuerdings M. Heidenhain in der zweiten Lieferung seines
Werkes „Plasma und Zelle“ mit der Deutung dieses Struktur-
bildes beschäftigt. Er betrachtet die Längsstreifung als den
Ausdruck von Fibrillen und bemerkt rücksichtlich ihrer inneren
Struktur, dass sie undeutlich körnig seien. Er fährt wörtlich
fort: „Beim Salamander habe ich jedoch früher eine regel-
mässige Quergliederung dieser Fädchen aufgefunden, der-
art, dass dunkelfärbbare Glieder mit schwach gefärbten in regel-
mässiger Folge abwechseln. Der Kenner weiss, dass es sich hier
564 InslonssAsnmtonkde
um eine Erscheinung von allgemeiner Verbreitung, um die
fibrilles monoliniformes von E. van Beneden (1883) oder um
den mikrosomatischen Auıbau der Fäden des Flemmingschen
Cytomitoms (M. Heidenhain von 1892 an) handelt. Altmann
hat bekanntlich seinerzeit die stärker färbbaren, in die Plasma-
fibrillen eingeschalteten Körnchen vermittels seiner Säurefuchsin-
methode in schöner Weise zur Anschauung gebracht (S. 477,
Fig. 236) und unter seine Bioblasten eingereiht. Später hat dann
Benda genau die nämlichen Granula (der Darmepithelzelle) als
Mitochondrien beschrieben. Ich selbst habe sie vielfach als Cyto-
mikrosomen oder genuine Plasmamikrosomen bezeichnet.‘
Bei der Behandlung der frischen, d. h. nicht fixierten Darm-
epithelien mit Jodkalilösungen oder verdünnten Osmiumgemischen
kommen, wie ich früher nachgewiesen habe, an der Stelle der
Streifen Körner ‘und Fadenkörner zum Vorschein (Nr.4). Die
gleichen Gebilde erhält man bei der vitalen Färbung namentlich
mit Neutralrot. Die Lagerung der Neutralrot-Granula in der Zelle,
ihre reihenförmige Aufstellung und ihre Beziehung zu Fäden,
welch letztere namentlich an isolierten Zellen zur Wahrnehmung
gelangt, ist in den früheren Mitteilungen ausführlich beschrieben
und die Ähnlichkeit der Bilder mit denjenigen an Altmann-
präparaten hervorgehoben worden (Nr.5, 6 u. 9). An nach ver-
schiedenen Methoden konservierten und tingierten Objekten finden
sich gleichfalls Körner und Fadenkörner, deren Anordnung mit der-
jenigen bei vital gefärbten Objekten übereinstimmt. Allerdings sind
die Körner und Fadenkörner infolge der eingetretenen Volumens-
abnahme kleiner und dünner. Selbstverständlich ist nach Tier-
art und Funktionszustand ein Wechsel in der Erscheinung dieser
Gebilde vorhanden; die Körner sind bald kleiner bald grösser,
spärlicher oder zahlreicher und die Fäden feiner oder dicker;
die Grundformen bleiben immer die gleichen. Auch die Architektur
wechselt ; sie ist bald eine streifige, bald netzförmige oder wabige.
Anordnung des Glykogens. Im Darm habe ich
Glykogen nur ausnahmsweise und in sehr geringen Mengen auch
dann getroffen, wenn der Magen dieser Tiere sehr grosse Mengen
desselben enthielt. An nach Best gefärbten Präparaten waren
namentlich der Inhalt der Krypten uud die Substanz der das
Lumen begrenzenden Zellen, beim Frosch auch einzelne Ober-
flächenepithelien tingiert.
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 365
Der Inhalt der Becherzellen färbt sich mit Bestschem
Karmin rot, wenn gleichzeitig eine Hämatoxylintinktion vorge-
nommen wurde, mehr violett. Wie soll man diesen Befund
deuten? Mein nächster Gedanke war der, dass Mucin durch
Bestsches Karmin gefärbt wird; es lag dieses um so näher, als
bekanntlich die Granula der Mastzellen sich gleichfalls nach dieser
Methode tingieren. Eine andere Möglichkeit wäre die, dass
manche Mucine mit Glykogen vermischt sind. Ich habe deshalb
die verschiedensten schleimigen Sekrete, sowie aus schleimiger
Metamorphose pathologischer Objekte hervorgegangene Mucine
untersucht. Das Ergebnis war, dass sie sich sehr verschieden
verhielten, die einen reagierten, die anderen nicht, was mich ja
in Anbetracht des bekannten Wechsels in der chemischen Kon-
stitution dieser Stoffe (A. Kossel) nicht überraschte. Berück-
sichtigt man ferner, dass, wie aus den obigen Mitteilungen hervor-
geht, im Oberflächenepithel des Magens die Zellen, welche
Glykogen führen, auch auf Mucin reagieren, so kommt man zu
dem Schluss, dass möglicherweise die gleichen Zellen Mucin
und Glykogen führen. Es wird dann begreiflich, dass auch beide
Substanzen in deren Sekret enthalten sein können. Diese Vor-
stellung hat vermutlich auch für die Granula der Mastzellen
Geltung.')
Resorption und Sekretion.
Magen. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, dass die
Oberflächenepithelien des Magens ihren Gehalt an Glykogen
Resorptionsvorgängen verdanken. Die Übereinstimmung der
Bilder bei der Glykogenablagerung und der Fütterung mit vitalen
Farbstoffen legt dafür Zeugnis ab. Die Leistungen des Magens
als resorbierendes Organ werden zwar nieder eingeschätzt.
Das in diesen eingeführte Wasser soll zum grössten Teil in den
Darm entleert werden, ebenso sei die Resorption in Wasser
lösslicher Substanzen, wenn sie den Magen rasch passieren, eine
geringe (Cohnheim). Kölliker und Ogneff beobachteten
Fett in den Magenepithelien, Volhard und Zinsen wiesen
nach, dass Fett im Magen gespalten wird; ob eine Bildung von
Fett spaltendem Ferment im Magen stattfindet, ist noch nicht
mit Sicherheit entschieden. Bezüglich der Stärke berichten
ı) Diese Verhältnisse werden eingehend erörtert in der oben erwähnten
Arbeit (Zieglers Beiträge 1911).
&
66 Inu mulswArEIHN ode
Ellenberger und Hofmeister, Müller, Friedenthal
u. a., dass eine Verdauung derselben im Magen stattfindet. Der
(Glykogengehalt ausschliesslich des Magens wurde bis jetzt, soweit
ich ermitteln konnte, analytisch nicht festgestellt ; die vorliegenden
Analysen beziehen sich auf diejenigen des ganzen Tractus
intestinalis (Tangel, Oppenheimers Handbuch der Biochemie).
Über die mikrochemischen Befunde wurde oben berichtet. Eine
Umwandlung von Stärke scheint schon im Magenlumen erfolgen
zu können: wiederholt habe ich beobachtet; dass die Stärke-
körner teilweise oder ganz, schwächer oder stärker bei der
Anwendung der Bestschen Karminmethode sich färbten, ebenso
die Zwischensubstanz.
Inwieweit die Granula der Öberflächenepithelien an den
einzelnen Phasen der Resorption von Traubenzucker und der
Umwandlung in Glykogen beteiligt sind, lässt sich nicht fest-
stellen; jedenfalls dienen sie aber wie in anderen Organen so
auch hier der Aufspeicherung desselben
Es wurde oben darauf aufmerksam gemacht, dass die Ober-
flächenepithelien Mucin bereiten und bei niederen Tieren, sehr
wahrscheinlich auch bei höheren, ausscheiden. Da es der ganzen
Anordnung nach die gleichen Zellformen sind, welche auch das
Glykogen führen, hätten wir es in ihnen mit einem interessanten
Beispiel für den Ablauf der Resorption und Aufspeicherung einer-
seits, denjenigen der Sekretion andererseits in ein und derselben
Zelle zu tun. Die Deutung der Fortsätze als Resorptions-
erscheinungen (Dekhuyzen) scheint mir nicht sachentsprechend.
Ob diese Vorgänge nur nebeneinander hergehen oder eine innigere
Beziehung zwischen ihnen besteht, wie der Glykogengehalt mancher
Mucine vermuten lässt, müssen weitere Untersuchungen lehren.
Das gleiche gilt bezüglich der glykogenführenden Zellen
des eigentlichen Drüsenkörpers, da man aus der Lage der
Glykogengranula nächst dem Lumen nicht berechtigt ist zu
folgern, ob sie im Zustand der Resorption oder Sekretion sich
befinden. Dass Glykogen sezerniert werden kann, beweist das
Vorkommen glykogenhaltiger Zylinder in den Nieren.
Darm. Auffallend ist der Unterschied im Glykogengehalt
dieses, verglichen mit demjenigen des Magens; allerdings muss
in Rechnung gebracht werden, dass aus der Menge des mikro-
chemisch nachweisbaren Glykogens nicht auf den. wirklichen
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 367
Gehalt an solchem geschlossen werden darf (Bleibtreu, Kan,
Kato). Soweit Glykogen bei der mikroskopischen Untersuchung
aufgefunden werden konnte, darf dies wohl auf Resorptions-
und Assimilationsvorgänge zurückgeführt werden Sind amylum-
artige Substanzen im Darmlumen enthalten, so zeigen auch sie
bei Anwendung der Bestschen Reaktion eine mehr oder weniger
intensive Färbung. Ähnliches habe ich an Stärkemehlkörnern
beobachtet, welche in den Lymphsack von Fröschen eingeführt
worden waren (Zentralblatt für allgemeine Pathologie. Nr. 1, 1910).
Fadenkörner, Mitochondrien, Organellen.
Zum Schluss noch einige Bemerkungen über Struktur und
Funktion der Fadenkörner. Nach meinen auf die verschiedensten
normalen und pathologischen Gewebe ausgedehnten Untersuchungen
halte ich mich zu dem Ausspruch berechtigt, dass die Fadenkörner
einen wesentlichen Strukturbestandteil der meisten Zellen abgeben.
Es ist selbstverständlich, dass ihre Erscheinung je nach Struktur
und Architektur, sowie namentlich nach Funktionszustand wechselt.
Diese von mir seit langer Zeit vertretene Anschauung über Aufbau
der Fadenkörner stimmt mit derjenigen van Benedens, Altmanns,
Bendas, M. Heidenhains u.a. im wesentlichen überein. Ob sie
sich als feine Fäden (Plasmomiten), Fibrillen (Plasmofibrillen) oder
Stäbchen (Plasmokonten) darstellen, hängt von der Anordnung
der die Plasmosomen umgebenden — parasomatischen — Substanz
ab, mag diese ein Ausscheidungsprodukt der Plasmosomen oder
ein Difterenzierungserzeugnis der Zwischensubstanz sein. Ebenso
muss ich unentschieden lassen, ob meine Vorstellung, dass die
Plasmosomen der Morphogenese nach das Primäre sind, richtig
ist. Die physiologischen Eigenschaften dieser parasomatischen
Substanz werden wohl als sehr wechselnde anzusehen sein; bald
sind die Plasmosomen sehr innig an die Fäden gebunden, bald
vermögen sie aus dem Verband dieser sich zu befreien. Die
Lageveränderungen, welche die Plasmosomen innerhalb der lebenden
Zellen ausführen, sowie diejenigen, welche sie bei der Einwirkung
von Reagentien erfahren, weisen auf solche Verhältnisse hin.
Fadenkörner können an manchen Zellen im lebenden oder
überlebenden Zustande ohne Zusatz von Reagentien, an vielen
Zellen aber bei der Einwirkung von Osmiumsäure oder Jodkali-
lösungen, mittels der vitalen Färbung, ausserdem bei der
368 Juliüs Arnold:
Anwendung der verschiedensten Konservierungs- und Tinktions-
methoden wahrgenommen werden. Aus der Übereinstimmung der
Befunde an solchen mittels der verschiedensten Methoden her-
gestellten Objekte geht hervor, dass es sich bei diesen Gebilden
weder um Quellungs- noch um Fällungsprodukte handelt.
Durch den von Benda geführten Nachweis, dass durch ein
von ihm erfundenes Verfahren gewisse, von ihm als Mitochondrien
bezeichnete, Fadenkörner tinktoriell dargestellt werden können
und dass solche namentlich in den Geschlechtszeilen vorkommen,
haben die Anschauungen über das morphologische Wesen der
Fadenkörner eine andere Richtung bekommen. Benda und die
Mehrzahl seiner Nachfolger gelangten zu der Überzeugung, dass
die Mitochondrien als spezifische Gebilde angesehen werden müssen,
und dass die Vererbung bei ihrer Entstehung eine Rolle spiele.
Die Frage, ob zwischen den Mitochondrien und den anderen
Fadenkörnern eine Beziehung besteht, ist zwar von Benda
wiederholt berührt, von der Mehrzahl der Mitochondrienforscher
aber nicht einmal aufgeworfen worden. Dagegen hat neuerdings
Meves den Nachweis versucht, dass manche Gebilde, welche
mittels der Mitochondrienmethode nachweisbar sind, vonFlemming
schon gesehen wurden. Ich will darauf verzichten, zu erörtern, inwie-
fern ein solcher Versuch bei der bekannten Stellung Flemmings
der Plasmosomen-Granulalehre gegenüber berechtigt ist. Jeden-
falls legt er davon Zeugnis ab, dass die Mitomlehre in ihrer
ursprünglich von Flemming vertretenen Fassung heute nicht
mehr haltbar ist.
Über die berührten Fragen der Spezifität und Vererbung der
Mitochondrien äussert sich M. Heidenhain (Plasma und Zelle,
2. Lieferung) dahin, dass er die Mitochondrienfärbung als eine
spezifische nicht anerkennen könne. Auch bezüglich der An-
schauung über Vererbung ist er anderer Ansicht als Benda und
Meves.
Bei der Beurteilung des tinktoriellen Verhaltens der Faden-
körner, der Mitochondrien insbesondere, wäre noch die Möglichkeit
zu berücksichtigen, dass dieses nur eine von funktionellem
Strukturwechsel abhängige Veränderung in der chemischen Zu-
sammensetzung, nicht die Anwesenheit eines spezifischen Gewebs-
elementes anzeigt. Wir wissen, dass in der gleichen Art von
Zellen gewisse mikrochemische Reaktionen bald positiv, bald
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. 369
negativ ausfallen, während andererseits in den gleichen Granula
je nach ihrem Gehalt an Substanzen und den in ihnen sich
abspielenden Stoffwechselvorgängen verschiedene Reaktionen ein-
treten können. Die grosse Verbreitung der Mitochondrien in
embryonalen Zellen ist vielleicht so zu deuten, dass in ihnen
infolge gewisser Stoffwechselvorgänge auftretende und nach der
Bendaschen Methode sich färbende Substanzen häufiger vor-
kommen, als unter anderen Bedingungen.
Jedenfalls spielen sich in den Mitochondrien wie in anderen
Fadenkörnern wichtige Stoffwechselvorgänge ab. Über die Be-
deutung der Fadenkörner in den Darmepithelien äussert sich
M. Heidenhain mit folgenden Worten: „die Natur dieser
Körnchen scheint mir nicht aufgeklärt zu sein, van Beneden
hielt alle Plasmafibrillen dieser Art für kontraktil und glaubte,
dass die stärker färbbaren Glieder den Streifen Q der quer-
gestreiften Muskulatur entsprechen. Eine Anschauung, welche
ich selber eine Zeitlang vertreten habe. Später jedoch kam ich
davon zurück und glaubte eher annehmen zu müssen, dass die
fraglichen Körnchen der knötchenartigen Verdickung auf dem
Niveau des Streifens Z entsprechen, da nämlich hier wie dort auf
eben diesem Niveau die Querverbindungen der parallel gestellten
Fibrillen sichtbar werden.“ Er rechnet die Plasmafibrillen der
Darmepitbelien zu den Tonofibrillen, gibt aber die Möglichkeit
zu, dass sie auch bei der Resorption in Frage kommen und zwar
speziell bei dem Transport des Wassers durch die Zelle hindurch.
Berücksichtigt man die Beteiligung dieser Fadenkörner bei
der Assimilation von Glykogen einerseits, der Synthese von Fett
andererseits, so wird man über ihre Bedeutung für die Stoff-
wechselvorgänge nicht im Zweifel bleiben können. Sehr bemerkens-
wert sind in dieser Hinsicht die Beobachtungen von Ascher und
seinen Schülern, welche nachwiesen, dass die Zahl der Granula
bei der Verdauung abnimmt.
Diese Summe bedeutungsvoller Tatsachen berechtigt meines
Erachtens zu dem Ausspruch, dass die funktionelle Be-
teiligung der Fadenkörner und der in ihnen ent-
haltenen Plasmosomen und Granula an den Stoff-
wechselvorgängen erwiesen ist.
Manche Fadenkörner verrichten mechanische Leistungen,
ob dies auch für die Fibrillen der Darmepithelien Geltung hat,
370 Julıus Arnold:
muss noch festgestellt werden. Aus der Gliederung, welche die
Fadenkörner zuweilen erkennen lassen, darf auf solche Eigen-
schaften noch nicht geschlossen werden, weil diese durch die
Anordnung von Plasmosomen, welche Stoffwechselvorgängen, der
äusseren und inneren Sekretion etc. dienen, bedingt sein können.
Diese Gebilde entstehen nicht erst infolge solcher Funktionen,
sondern sie sind präformiert, entziehen sich aber sehr häufig in-
folge der Beschaffenheit der die Fibrillen und Stäbchen zusammen-
setzenden Substanz der Wahrnehmung. Wenn im Verlauf der
genannten Funktionen die Plasmosomen ihre Grössenverhältnisse,
ihre physikalischen Eigenschaften un! chemische Zusammensetzung
ändern oder ein Wechsel in der Beschaffenheit der parasomatischen
Substanz erfolgt, werden sie nachweisbar.
Vom morphologischen Standpunkt aus sind diese Stoffwechsel-
vorgänge und die von ihnen abhängigen Veränderungen der
Struktur von Belang, weil sie den Beweis ermöglichen, dass die
Fadenkörner nicht Artefakte, sondern Strukturbestandteile sind.
Ich beschränke mich darauf, an dieser Stelle nur die Nieren-
stäbchen als Beispiel anzuführen, die ja vielfach für Artefakte
ausgegeben werden. Meines Erachtens ist eine solche Vorstellung
mit Rücksicht auf die gesetzmässige Lagerung des Glykogens im
Stäbchen und deren Bindung an die Granula nicht sachentsprechend.
Für den Biologen eröffnet sich, wie oben angedeutet wurde,
ein Einblick in die durch die Strukturbestandteile der Zellen
vermittelten Stoffwechselvorgänge, der dazu berechtigt, diese
(Gebilde als kleinste Organe aufzufassen und als Organellen zu
bezeichnen. Vielleicht gelingt es mit Hilfe dieser morphologischen
und biologischen Untersuchungsmethoden das Gebiet der meta-
mikroskopischen Auffassung der Teile immer mehr einzuschränken.
Leitsätze.
Wie die Untersuchung überlebender, vitalgefärbter und nach
verschiedenen Methoden konservierter und tingierter Objekte lehrt,
sind an dem Aufbau der Epithelien des Magens und Darmes
Körner und Fadenkörner beteiligt.
Die Fadenkörner stellen sich je nach Anordnung der para-
somatischen Substanz als Plasmomiten oder Plasmofibrillen, seltener
als Plasmokonten dar. Ihre Erscheinung wechselt bei ver-
schiedenen Tierarten und Funktionszuständen.
Die Anordnung des Glykogens im Magen und Darmkanal. !
Die Granulabilder, welche man bei der vitalen Färbung, bei
der Anwendung der Altmannschen Methode und der Bestschen
Glykogenreaktion erhält, zeigen weitgehende Übereinstimmung.
Die von Altmann, van Beneden, M. Heidenhain, mir
u. a. in verschiedenen Zellen gefundenen Fadenkörner sind
wenigstens zum Teil mit den Mitochondrien Bendas, Meves,
Regauds u. a. homolog. Es geht dies nicht nur aus ihrem Ver-
halten der Altmannschen Methode, sondern auch den Stoft-
wechselvorgängen gegenüber hervor. Die Bendasche Reaktion
zeigt möglicherweise nicht eine Spezifizität der Form, sondern
einen Funktionszustand an.
An manchen Fadenkörnern ist eine der Anordnung der
Granula entsprechende Gliederung, welche mit Stoffwechselvor-
gängen zusammenhängt, zu erkennen. Die Granula entstehen
nicht erst im Verlauf des Sekretionsvorganges, sondern sie sind
präformiert.
Die Fadenkörner dienen der Resorption, Assimilation, Syn-
these und Aufspeicherung; sie erfahren aber auch bei den mit
der Verdauung verbundenen Sekretionsvorgängen Veränderungen.
In den gleichen Zellen können mucinöse Bestandteile und
Glykogen enthalten sein, so in den Oberflächenepithelien des
Magens und in den Becherzellen des Darms. Es ist möglich, dass
zwischen diesen Vorgängen eine innigere Wechselbeziehung besteht.
Nachtrag bei der Korrektur. Nach Einsendung des
Manuskripts erhielt ich Kenntnis von der Abhandlung Heiderichs
„zur Histologie des Magens“ (Anatom. Hefte 129, 1911). Da
leider eine eingehende Verwertung nicht mehr möglich ist, muss
ich mich auf einige Bemerkungen beschränken. — Bezüglich der
Sekretionsvorgänge von Schleim an den Oberflächenepithelien des
Magens stimmen unsere Beobachtungen und Anschauungen überein.
Die eigentümlichen Fortsätze an der Kuppe der Zellen werden
von Heiderich gleichfalls als Sekretions-, nicht als Resorptions-
erscheinungen (Dekhuyzen) gedeutet. — Dass die resorbierende
Tätigkeit der Oberflächenepithelien des Magens nicht unterschätzt
werden darf, beweisen die Ergebnisse bei der Verfütterung von
vitalen Farbstoffen und die geschilderte Anordnung des Glykogens.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 26
m
ot
Julius Arnold:
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. Sechmorl: Untersuchungsmethoden, 4. Aufl., 1907.
Simon: Über das mikroskopische Verhalten des Glykogens in normalen
menschlichen Schleimhäuten. Diss., Königsberg 1901.
2. Stöhr: Lehrbuch der Histologie; das Verzeichnis der anderen Arbeiten
bei Oppel.
. Schütz: Beitrag zur Histologie des menschlichen Magens. Arch. f.
Verdauungskrankheiten, Bd. 14, 1908.
Schultze, ©.: Über die Genese der Granula in den Drüsenzellen.
Ana AnzeuBdr38sl3llE
. Derselbe: Neue Methoden der histologischen Aufhellung und korro-
dierenden Technik usw. Verh. d. physikal.-med. Gesellsch. in Würzburg,
N. F., Bd. 6, 1910. und Zeitschr. f. mikr. Technik, 1910.
. Vermaat: Untersuchungen über das Oberflächenepithel des Magens.
Bern, Diss. 1904/5.
. Zillenberg: Fortgesetzte Untersuchungen über die Verhältnisse
des Darmepithels usw. Zeitschr. f. Biol., 52, 1909.
. Zimmermann: Beitrag zur Kenntnis einiger Drüsen. Arch. f. mikr.
Anat., Bd. 52, 1898.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV.
Fig. 1. Magen vom Frosch; Konservierung in Alkohol absolutus; Häma-
toxylin (Delafield) und Bestsches Karmin. — Die Öberflächen-
epithelien enthalten in den Oberenden Glykogengranula.
Fig. 2. Magen vom Frosch; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1.
Die Glykogengranula nehmen die über und unter den Kernen
gelegenen Abschnitte der Zellen ein, während die Oberenden frei
von solchen Granula sind.
a
>16
Fig. :
Julius Arnold: Die Anordnung des Glykogens etc.
Magen vom Frosch; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1.
Die an der Übergangsstelle vom Ausführungsgang zum Drüsenkörper
gelegenen Zellen — die sogenannten Halszellen — enthalten grössere
intensiv gefärbte Granula, während die Zellen des Ausführungsgangs
solche nicht aufweisen. Dagegen enthalten die Drüsenzellen im
Anfangsteil der eigentlichen Drüse feine Glykogengranula.
Magen des Frosches; Konservierung in Sublimat; Tinktion mit
Hämatoxylin und Mucikarmin, die Oberenden der Zellen enthalten
feine Mucingranula.
Magen der Katze; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1; die
Oberenden der Epithelien der Oberfläche und des Ausführungsganges
mit Glykogengranula erfüllt. Dieselben lagen so dicht, dass sie nur
mit stärkeren Vergrösserungen zu erkennen waren.
Magen der Katze; Konservierung und Tinktion wie bei Fig. 1;
Durchschnitt durch einen Drüsenschlauch der Magenschleimhaut;
Glygogengranula führende Belegzellen.
Aus dem Zoologischen Institut der Universität zu Berlin.
Über Genesis und Morphologie der roten Blut-
körperchen der Vögel.
Von
Dr. Wilhelm Venzlaff.
Hierzu Tafel XV und 3 Textfiguren.
Frei!
Über die Genesis der roten Blutkörperchen der Vögel.
Einleitung.
Das Knochenmark der Vögel ist schon häufiger Gegenstand
der Untersuchung gewesen, wohl aus dem Grunde, weil sein
Aufbau eine grosse Stütze der Auffassung von der heterogenen
Entstehung der weissen und roten Blutkörperchen war. Es waren
alle Forscher, welche dieses Organ in den Jahren 1570 bis 1892
untersuchten, Bizzozzero, Torre, Denys und van der
Stricht, übereinstimmend zu dem Resultat gekommen, dass
eine scharfe örtliche Trennung zwischen den Entstehungszentren
der Leukozyten und denen der Erythrozyten bestände; die roten
Blutkörper entständen in den kapillaren Venen, die weissen ausser-
halb der Gefässe im Markparenchym. Die Gefässe seien durch
eine ununterbrochene Wand vom Zwischengewebe getrennt. Nur
insofern differieren die genannten Autoren untereinander, als sie
die Erythrozyten von verschiedenen Zellen ableiten. Bizzozzero
und Torre lassen die roten Blutkörperchen aus einer kugeligen
Zelle mit grossem Kern, schmalem, homogenem, mit Hämoglobin
beladenem Plasmasaum hervorgehen; durch mitotische Teilung
und Reifung entwickelt sich aus ihnen das fertige Element.
Denys dagegen bezeichnet hämoglobinlose, von den weissen
Blutkörpern jedoch deutlich unterschiedene Zellen, die in konti-
nuierlicher Schicht die Wände der Venenkapillaren bedecken, als
Erythroblasten. Bizzozzero und Torre hatten diese Zellen
als weisse Blutkörperchen angesprochen. Van der Stricht stellt
378 Wilhelm Venzlaff:
sich nun unter anderem in seinen Blutuntersuchungen die Auf-
gabe, diese Streitfrage zu entscheiden. Er spricht sich für die
Auffassung Denys aus, da zwischen dessen Erythroblast und
den roten Blutkörpern alle Übergänge aufzufinden seien. An
der Auffassung, dass die Erythrozyten und Leukozyten artver-
schiedene Zellen sind, hält er jedoch fest, da in der Tat zwischen
dem Markparenchym und den Gefässen keinerlei Verbindung
bestände, diese beiden Entwicklungsreihen sich also schon durch
die verschiedene örtliche Entstehung als durchaus heterogen doku-
mentierten. Diese im wesentlichen übereinstimmenden Resultate
der genannten Autoren sind wohl der Grund, dass auf längere
Zeit das Interesse an der Untersuchung des Knochenmarkes der
Vögel erlischt. Erst als man auf Grund ausgedelhnter Forschungen
an anderen blutbildenden Organen zu Ergebnissen über die Ver-
wandtschaft der roten und weissen Blutkörperchen kam, die mit
den oben ausgeführten in Widerspruch standen, wendete man
sich auch wieder der Untersuchung jenes Organs zu. Bei Milz-
untersuchungen der niederen Wirbeltiere hatten viele Forscher
für rote und weisse Blutkörper eine gemeinsame Mutterzelle
gefunden. Giglio Tos (1897) gibt bei Petromyzonten an, dass
sich in der Spiralklappe stets Zellen mit grossem Kern, homo-
genem Plasma, ohne Membran vorfänden, die sowohl Erythrozyten
wie Leukozyten liefern. Das gleiche sagt Laguesse (1390)
über eine Zelle von ähnlicher Beschaffenheit in der embryonalen
Milz der Fische aus. Auch H. F. Müller (1889) und Phisalix
(1902), die die Milz von Fröschen und Tritonen untersuchten,
bezeichnen eine Zelle als Ausgangspunkt für alle Blutzellen.
Nicht so einheitlich sind die Resultate, die beim Studium der
embryonalen Leber gewonnen worden sind. Dieses Organ Ist
sehr früh der Sitz von Blutbildung. Van der Stricht gibt
über ihren Aufbau folgende Schilderung: Nach einem primitiven
Stadium, in welchem sich die Leber nur in geringem Maße an
der Blutbildung beteiligt, wird die Möglichkeit, Blutzellen zu
bilden, dadurch sehr erhöht, dass im Innern der Leberzellen-
stränge ein sekundäres Venenkapillarnetz auftritt, in dem sich
eingeschwemmte Jugendformen schnell vermehren. Sie bilden
Inseln, deren Randzellen sich zu einem Grenzhäutchen umwandeln.
In diesen Blutnestern entstehen rote und weisse Blutkörper
nebeneinander, doch lassen sich beide Entwicklungsreihen auf
Die roten Blutkörperchen der Vögel. Il4
Grund der Plasmabeschaftenheit deutlich unterscheiden. Diese
letzte Behauptung bestreitet Kostanecki: nach ihm gibt es
zwischen Leukoblasten und Erythroblasten alle Übergänge. Saxer
(1896), der die allerersten Stadien der Leber studiert hat, leitet
die Blutzellen von farblosen „Wanderzellen“ ab, die überall im
Bindegewebe vorkommen und von dort in die Leberanlage ein-
dringen. Howell lässt ebenfalls aus den Zellsträngen der
embryonalen Leber weisse und rote Blutkörper hervorgehen und
analogisiert diese Stränge mit denen des Knochenmarks. Was das
Knochenmark der Säuger anbetrifft, so erscheinen hier vor allem die
Mitteilungen wichtig, welche F. Weidenreich in seinem Referate
über die roten Blutkörper gibt. Nach ihm sind die Zellnester
des Knochenmarks die eigentlichen Herde der Blutbildung:; sie
stellen solide Anhängsel der Venenkapillaren dar, die dort keine
endotheliale Abgrenzung erkennen lassen. Hier werden weisse
und rote Blutkörper nebeneinander produziert, jedoch lassen sich
beide Entwicklungsreihen von der Stammzelle ab gut verfolgen.
Dies Ergebnis verwendet Weidenreich zur Deutung der Ver-
hältnisse im Knochenmark der Vögel. Es scheint, als ob die
Leukoblastenhaufen den Zellnestern der Säuger entsprächen. Die
Venen besässen auch hier keine scharfe Abgrenzung gegen das
Parenchym und die bisher nur als Leukoblasten bezeichneten
Zellen schöben auch die Erythroblasten in die Gefässe ab. Nach
dieser Literaturübersicht scheint es nicht mehr zweifelhaft, dass
die Verhältnisse im Vogelmark verkannt worden sind und dass
sich auch hier für die Erythrozyten und Leukozyten eine gemein-
same Stammzelle nachweisen lassen dürfte. Diese Aufgabe zu
lösen hat kürzlich Wera Dantschakoff unternommen. Die
Autorin kommt jedoch zu einem ganz anderen Resultat, als
es Weidenreich skizziert hat. Nach ihr ist nicht die die
Leukoblastenhaufen zusammensetzende Zelle, sondern der grosse
Lymphozyt die gemeinsame Stammzelle der Erythrozyten und
Leukozyten. Er entsteht in der embryonalen Periode aus dem
kleinen Lymphozyten und bleibt von da ab als selbständiges
Element erhalten; ist er einmal vorhanden, so braucht er im
erwachsenen Mark nicht mehr aus dem kleinen Lymphozyten
heranzuwachsen, sondern erhält sich fortgesetzt durch Teilungen.
In den Venen und im Parenchym liegt er regellos verteilt. Die Zellen
der Leukoblastenhaufen spielen keine Rolle bei der Blutbildung.
380 Wilhelm Venzlaff:
Ich habe mir im ersten Teil meiner Arbeit die Aufgabe
gestellt. zu prüfen, welche der beiden hier kurz angegebenen
Ansichten die richtige ist. Ich muss mich durchaus für die
Weidenreichs entscheiden und werde nach meinen Darstellungen
meine Gregengründe gegen die Auffassungen Dantschakoffs
geltend machen.
Beschreibung der Technik.
Ich untersuchte das Knochenmark des Femurs und der
Tibia von ausgewachsenen Tauben. Die Knochen wurden durch
kurze, nicht zu kräftige Schläge eingespalten und dann mittels
einer spitzen Präpariernadel die abgespaltenen Stücke vorsichtig
entfernt. Es gelang mir auf diese Weise in den meisten Fällen,
das ganze Mark mit Ausnahme der in den Epiphysen steckenden
Teile unbeschädigt aus der Knochenhöhle herauszunehmen. Man
muss jedoch darauf achten, dass man nicht zu seinen Unter-
suchungen das Knochenmark von Tauben verwendet, die längere
Zeit in engen Räumen gefangen gehalten worden sind. Bei diesen
füllt sich nämlich von den Wandungen her die Knochenhöhle
allmählich mit spongiösem Knochen aus, denn es sinkt natürlich
in der Gefangenschaft der Bedarf an roten Blutkörperchen, so
dass das Knochenmark zum Teil seiner Funktion überhoben wird
und die Knochenhöhle teilweise mit anderem Material ausgefüllt
wird. Bei solchen Tauben ist es ausgeschlossen, das Mark un-
beschädigt aus der Höhlung zu entfernen. Vor der Entnahme
wurde bei einigen Stücken von der Aorta descendens eine
Injektion mit chinesischer Tusche vorgenommen. Es wurde unter
möglichst geringem Druck solange injiziert, bis in der Vena iliaca
externa Tusche auftauchte; dies dauerte etwa 5—7 Minuten.
Es empfiehlt sich nicht, eine Veneninjektion ins Knochenmark
vorzunehmen, etwa von der Vena ijliaca externa aus. Diese
Injektionsrichtung hat den Nachteil, dass die Tusche von den
weiten, zartwandigen Venenkapillaren in die engen Arterien-
kapillaren übergehen muss, so dass leicht eine Stauung der Tusche
und Zerreissung der dünnen Venenwände eintreten kann. Bei
der umgekehrten Injektionsrichtung wird der Zufluss in die
venösen Kapillaren durch die sehr engen, dickwandigen, arteriellen
reguliert, so dass Extravasate ausgeschlossen sind. Ich nahm
Fixierungen mit Herrmannscher, Flemmingscher und
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 381
Zenkerscher Lösung vor. Die beiden ersten versagten voll-
ständig, wohl aus dem Grunde, weil sie sich wegen ihres Gehalts
an Osmiumsäure nicht zur Fixierung stark fetthaltiger Gewebe
eignen. Die Zenkersche Lösung lieferte dagegen sehr gute
Resultate. Ich fixierte mindestens 6 Stunden, wusch 24 Stunden
in Wasser aus und brachte die Objekte durch die Alkoholstufen
und Cedernholzöl in Paraffın. Zum Schneiden bettete ich sie
in 62° Paraffin ein und konnte so Serien von 2—5 u Stärke
schneiden. Als Kernfarbe verwandte ich mit einer Ausnahme das
Hansensche Hämatoxylın (Z. f. wiss. Mikr., 1905. Bd. 22). Ver-
folgt man nicht den Zweck, spezielle Teile der Zelle, etwa Zentren,
zu färben, so hat das Hansensche Hämatoxylin bei gleichen
Eigenschaften, tiefschwarze Farbe und sehr distinkte Färbung,
wie das Heidenhainsche, doch vor diesem sehr angenehme
Vorteile. Es färbt schon ausreichend bei minutenlanger (etwa 5)
Einwirkung und überfärbt selbst noch nicht bei 1—2 Stunden
langer Behandlung der Schnitte. Das Difterenzieren fällt also
fast fort. Ich färbte stets etwa 1 Stunde lang, wusch mit
fliessendem Wasser aus und tat dann die Schnitte noch 1 bis
2 Minuten in 1°/o Eisenoxydammoniakalaun. ‚Jenach den Zwecken,
die ich verfolgte, kombinierte ich diese Kernfärbung mit anderen
Färbungen. Um den Verlauf der Gefässe zu studieren, behandelte
ich die bis zum abs. Alk. gebrachten Schnitte 2 Minuten mit
einer konzentrierten Lösung von Rubin S in abs. Alk. und über-
führte direkt in Xylol. Man erreicht so eine scharfe Färbung
der Gefässe. Zur Untersuchung des Gefässaufbaues verwandte
ich die van Giesonsche Lösung und eine Resorein-Fuchsinlösung
nach Weigert ohne Kernfarbe. Zum Studium der Erythrozyten-
und Leukozytenentwicklung färbte ich nach dem Hansenschen
Hämatoxylin längere Zeit in schwacher wässriger Eosinlösung.
Eine einwandsfreie Verfolgung der Nukleolen in den Kernen der
Erythro- und Leukoblasten konnte ich dadurch ermöglichen, dass
ich in Ehrlichschem Hämatoxylin gefärbte Schnitte in Pikrin-
säure differenzierte. Das Ehrlichsche Hämatoxylin ist eine sehr
durchsichtige Kernfarbe, und nach der Differenzierung in Pikrin-
säure färbt sich der Nukleolus viel heller als die Chromatin-
teilchen, so dass auf Grund dieser beiden Eigenschaften des
Ehrlichschen Hämatoxylins das Erkennen selbst in sehr stark
chromatinhaltigen Kernen möglich ist.
382 Wilhelm Venzlaff:
Das Gefäßsystem des Knochenmarks.
Über den Verlauf der Gefässe des Knochenmarks der Vögel
liegen bisher nur die Beobachtungen von Denys vor. Die Autoren,
die nach ihm dieses Organ untersucht haben, nahmen wenig
Interesse an dieser Frage, da ihnen die Entstehung der Blut-
körperchen das Wichtigste bei ihren Arbeiten war. Sie begnügten
sich damit, die augenscheinlich strenge Scheidung des Parenchyms
von dem Lumen der Kapillarvenen zu konstatieren, obgleich
damit die Möglichkeit der offenen Verbindung des Gefäßsystems
mit dem Zwischengewebe nicht erschöpft war und eine genaue
Durchforschung in dieser Hinsicht gewiss andere Resultate zu-
tage gefördert hätte. Ehe ich nun dazu übergehe, meine eigenen
Befunde wiederzugeben, möchte ich erst die Resultate Denys
mitteilen, um mich auf Bekanntes stützen zu können.
Nach Denys geschieht die Versorgung des Knochenmarks
mit Gefässen durch die Arteria nutritia. Nachdem sie durch das
Foramen nutritium ins Mark eingetreten ist, teilt sie sich in
zwei Arme, die nach den Enden des Knochens zu verlaufen. Sie
nehmen die Mitte der Höhlung ein und liefern auf ihrem Wege
kleinere Zweige; an diese schliesst sich das arterielle Kapillar-
netz. Die Kapillaren haben eine doppelt konturierte Membran
mit langgestreckten Kernen. Sie sind sehr lang, geradlinig, teilen
sich wenig und haben ein so enges Lumen, dass die roten Blut-
körperchen gezwungen sind, eines nach dem anderen zu passieren.
Sie sind selten und verlaufen immer im Parenchym. Den Venen-
kapillaren nähern sie sich stets unter rechtem Winkel. Diese
sind vom Parenchym durch ein dünnes Häutchen getrennt, das
aus einer Lage dünner Zellen besteht. Die Venenkapillaren
werden weiter und ergiessen sich in die Zentralvene, welche die
Arterie begleitet. Die Zentralvene hat den gleichen Aufbau wie
die Venenkapillaren ; sie übertrifft die Arterie an Lumen bedeutend
und durchkreuzt die ganze Knochenhöhle. Die Arterie hat dicke,
muskulöse und elastische Wände.
Wenn nun auch die Art, wie Denys den Verlauf der Arteria
nutritia schildert, im wesentlichen das Prinzip der Verteilung
trifft, nämlich dass die Arterie sich gleich nach ihrem Eintritt
in Äste gabelt, die nach den Enden des Knochens zu verlaufen
und auf ihrem Wege durch Abgabe von Ästen das Parenchym
mit Gefässen versorgt, so habe ich die Einzelheiten der Ein-
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 3833
mündung und den weiteren Verlauf doch wesentlich anders,
komplizierter als Denys gefunden. Auch in bezug auf den
Aufbau der Gefässe, der Lage der Hauptvene und weitere
Gefässeinmündungen habe ich andere Befunde mitzuteilen als
Denys.
Die Hauptversorgung des Markes mit arteriellen Gefässen
geschieht durch die Arteria nutritia, welche am Foramen nutritium
in die Knochenhöhle eintritt. Dieses liegt bei der Taube am
Femur an der Hinterseite des Knochens in der Mitte zwischen
beiden Epiphysen, an der Tibia ebenfalls in der Mitte der Diaphyse,
jedoch an der Aussenseite unter dem Fibularest. Am Femur
stellt es einen die Knochenwand entweder senkrecht oder etwas
schräg aufwärts durchschneidenden Kanal vor, an der Tibia ist
dieser von oben nach unten gerichtet. Durch ihn mündet bei
beiden sowohl die Arteria ein als auch die Vena nutritia aus.
Die Arterie tritt unterhalb der Venenausmündung ein. Die nun
einsetzende Verteilung der Arterie geht in den verschiedenen
Fällen recht verschieden vor sich. Dies richtet sich anscheinend
nach der Lage der Hauptvene und ihrer Ausmündung in bezug
zu der Eintrittsstelle der Arterie. Liegen sich beide sehr nahe,
so setzt sofort eine starke Verästelung der Arterie ein, hat sie
dagegen eine Strecke lang zu laufen, ehe sie an die Hauptvene
herantritt, so geht die Verzweigung erst später vor sich.
Ich untersuchte zwei Einmündungen in die Femurhöhle
genau. Ich fertigte 5 « dicke Schnitte an, zeichnete die mit dem
Zeichenapparat aufgenommenen Schnitte, in denen wichtige Ver-
zweigungen vor sich gingen, in den natürlichen Abständen nach
einer gewählten Einheit perspektivisch übereinander und erhielt
durch Verbindung der Schnitte die plastisch gezeichneten Figuren 1
und 2, die den Verlauf der Arterien und der Hauptvene in der
Nähe des Foramen nutritium zeigen. Bei Fig. 2 zeichnete ich
in grösseren Abständen einen Schnitt ein, um die Veränderung
der Lage der Gefässe im Knochenmark zu demonstrieren. Trotz
der verschiedenen Bilder, die ich so erhalten habe, lassen sich
jedoch beide auf das gleiche Prinzip zurückführen. Die Haupt-
gefässversorgung der oberen Hälfte des Markes geschieht durch
zwei Arterienzweige, die der unteren durch einen Zweig. Die
anderen von der eintretenden Arterie abgehenden Äste sind ent-
weder von vornherein klein und lösen sich bald in die Kapillaren
354 Wilhelm Venzlaff:
auf, oder sie verlieren sich trotz beträchtlicher Grösse sehr bald
im Parenchym. Die drei Hauptäste der Arterie begleiten die
grosse Vene eine Zeitlang, die oberen etwa ein Viertel des
Weges bis zu dem Ende der Markhöhle, der untere noch länger
als die oberen. Sie geben auf diesem Wege Zweige der ver-
schiedensten Stärke ab, biegen dann von der Vene ab und ver-
ästeln sich mehr und mehr im Parenchym. Man kann auf Grund
dieses Verlaufes der Arterien bei einem
Schnitt durchs Mark recht gut an der Stärke
der Arterien und ihrer Lage zur Haupt-
vene abschätzen, in welcher Entfernung
von der Einmündung der Schnitt getroffen
hat. Die Verästelung setzt von vornherein
stark ein. Merkwürdig erscheint dabei, dass
in der Nähe des Foramen nutritium grössere
Arterienzweige vereinzelt quer durch die
grosse Vene schneiden, um sich auf der
anderen Seite sofort stark zu verästeln.
Die grösseren Arterien des Markes machen
häufig den Eindruck, als ob sie nicht aus
der Verzweigung der einmündenden Arterie
hervorgegangen sind, sondern selbständige
Gefässe sind, die auf eine beliebige Art
mit der Hauptarterie in Verbindung treten.
In Fig. 1, wo die Einmündung der
Fig. 1. Arterie direkt unter der Ausmündung der
Hauptvene liegt, teilt sich die Arterie gleich
in zwei, die Vene von entgegengesetzten Seiten umfassende Äste
a und b. Es sind die Zweige, die die obere Partie des Markes
mit Gefässen versorgen, deren weiterer Verlauf durchaus dem
oben angegebenen Prinzip entspricht. Vom Zweig b geht horizontal
ein Ast ab, der die Vene mit einem dicken Halbring umfasst,
aus dem nach oben zwei rasch an Stärke abnehmende und bald
verschwindende Äste d und e entspringen. Von dem in der Figur
nach vorn gelegenen Ast geht ein Zweig ab, der in die Arterie c
einmündet, welche die Gefässe für den unteren Teil des Markes
liefert. Die sonst in die Figur eingezeichneten kleinen Arterien
sind nur für die unmittelbare Umgebung der Einmündung der
Gefässe von Belang, sie lösen sich schnell in das Kapillarnetz auf.
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 355
Fig. 2 zeigt klarer das oben angeführte Prinzip der Gefäss-
versorgung. Hier mündet die Arterie eine Strecke weit von der
Hauptvene entfernt in das Mark ein. Eine Zeitlang läuft sie am
Rande des Markes entlang und erreicht die Vene erst oberhalb
ihrer Ausmündung. Sie teilt sich dann in zwei Äste, von denen
der eine sich mit dem vom unteren Teil des Markes kommenden
(Grefäss c vereinigt. Die beiden so entstandenen Zweige, die
Hauptgefässe a und b des oberen Teils, entfernen sich allmählich
voneinander und laufen an entgegengesetzten Seiten der Vene
entlang; ihre weitere Verzweigung geht wie bei den in Fig. 1
beschriebenen Gefässen vor sich. Auch in Fig. 2 ist wieder das
Auftreten umfangreicher Gefässe d und e zu bemerken, die
schnell an Grösse abnehmen und sich im Parenchym auflösen
386 Wilhelm Venzlaff:
und auch nur durch enge Äste mit der zuführenden Arterie in
Verbindung stehen. Das Verhalten der grossen Vene ist hier
in Fig. 2 auch ein anderes als in Fig. 1. Dort bleibt sie während
ihrer Ausmündung in demselben Quadranten der Serienschnitte
liegen, hier geht sie von einem von der Einmündung der Arterie
entfernt liegenden Quadranten in den dieser Einmündung zunächst
liegenden über.
Aus dem geschilderten Verlauf der Arterien erhellt, dass
bis in die Epiphysen nur kleine Zweige der Arteria nutritia
gelangen. In ihnen, besonders den oberen, ist jedoch das Blut-
körperchen bildende Gewebe besonders stark entwickelt, und dem
Gefässmangel, welcher durch die geringe Versorgung jener Teile
der Markhöhle durch Zweige der Arteria nutritia entsteht, wird
dadurch begegnet. dass stärkere Arterien an den Epiphysen
durch Löcher der Knochenwand ins Mark einmünden. An der
Diaphyse beschränkte sich das Eintreten von Arterien auf kleine
bis 10 u grosse Äste, welche in den Haverschen und Volk-
mannschen Kanälen verlaufen; die Arterien an den Epiphysen
stehen der Arteria nutritia nicht viel an Stärke nach. Ihre Zahl
sowohl wie auch der Ort ihrer Einmündung ist variabel, konstant
ist nur eine Gefässöffnung in der Incisura intercondyloidea femoris.
Hier mag auch im Gegensatz zu anderen Öffnungen der Austritt
einer Vene aus dem Mark stattfinden: bei allen anderen Öffnungen
(natürlich mit Ausnahme des For. nut.) handelt es sich nur um
Austritt von Venenkapillaren, wie eine Untersuchung ihrer Wand
an den Austrittsstellen zeigt.
Der Aufbau der Arterie gleicht durchaus dem von andern
Objekten her als typisch bekannten Bau. Arterien bis zu etwa
20 u herab haben eine aus längsverlaufenden Zellen zusammen-
gesetzte, bindegewebige Adventitia. die stark mit elastischen
Fasern durchsetzt ist, eine aus quergelagerten, glatten Muskel-
zellen aufgebaute Media und eine Intima, die aus längsverlaufenden,
kammartig in das Lumen hineinragenden, spindelförmigen Zellen
besteht. Media und Intima sind durch ein feines Häutchen getrennt.
Unter diesem liegt bei grösseren Arterien eine dünne Schicht,
welche sich aus elastischen Fasern zusammensetzt. Vereinzelt
tauchen auch zwischen den Muskelzellen diese Elemente auf.
Bei Arterien, die keine Adventitia haben, fehlt jede Spur elastischer
Fasern. Die Arteria nutritia hat bei ihrem Eintritt ins Mark
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 337
etwa die Stärke von 80—90 u und besitzt eine 11 « starke
Adventitia und eine ebenso dicke, 4 Zellen breite Media. Bei
Gefässen von 20 u ist die Adventitia verschwunden, die Media
nur noch 4—5 u dick und 2 Zellen breit. Sind die Gefässe bis
zu einer Stärke von 8—10 u herabgesunken, so verliert sich
auch die Media und bei 7 « haben wir es nur noch mit echten
Kapillaren zu tun. Ihr Durchmesser sinkt bis auf 3 « herab,
mit einem Lumen von 1 «. An den Kapillaren ist nur noch
die Intima erhalten, deren Kerne in unregelmässigen Abständen
im Lumen auftauchen. Nach aussen umgibt die Intima stets
ein feines, deutlich färbbares Häutchen: Von Zeit zu Zeit tauchen
nach aussen vom Häutchen den Kapillaren eng anliegende Binde-
gewebszellen auf, die das Gefäss umspinnen. Die Kapillaren
sind sehr lang, im Durchschnitt 5—600 u, im Parenchym sehr
häufig, ziemlich stark verzweigt und anastomosieren untereinander.
Andere als Kapillaranastomosen konnte ich nicht auffinden. Die
Verfolgung der Kapillaren, die natürlich nur mit Ölimmersion
geschehen kann, bereitet auf Grund dieser Eigenschaften grosse
Schwierigkeiten. Dazu kommt, dass eine Ortsfixierung im aktiven
Mark ausserordentlich schwierig ist, denn das Parenchym sieht
überall gleichmässig aus und die Umrisse der einzelnen Stellen
wechseln von Schnitt zu Schnitt. Man erleichtert sich die Ver-
folgung der Kapillaren wesentlich, wenn man sie an gehungertem
Mark vornimmt. Hier verschwindet ein grosser Teil der Leuko-
zyten, so dass die Kapillaren sehr gut sichtbar werden, und man
unter Zuhilfenahme des durch ein Mikrometer-Okular gemessenen
Abstandes von grösseren Gefässen eine einwandfreie Verfolgung
ermöglichen kann. Jedoch ist ein Minimum von 5 « Schnitt-
dicke erforderlich. Ich nahm die Gefässverfolgung an gehungertem
Mark nicht vor, ohne mich durch einen Vergleich der grösseren
Gefässe mit solchen des normalen Markes zu überzeugen, dass
eine Hungerfrist von fünf Tagen keinerlei Veränderung an den
Gefässen hervorruft. Die Arterienkapillaren gehen restlos in die
Venenkapillaren über. Es findet keine Auflösung der Kapillaren
im Parenchym statt, wie man es bei anderen Blutzellen liefernden
Organen nachweisen konnte. Der Übergang ist kein allmählicher,
unmerklicher, sondern ein scharf abgesetzter, und zwar geht das
die Arterienkapillaren umspannende Häutchen in die Venenkapillar-
wand über.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 27
398 Wilhelm Venzlaft:
Bevor ich nun zu der Beschreibung der letzteren übergehe,
möchte ich noch einige Bemerkungen über Teilungen von Arterien
machen und zwar aus dem Grunde, weil ich in allen Handbüchern
der Gewebelehre keinerlei Notizen über diesen Punkt finden
konnte. Bei Teilungen der Arterien, die noch Media und Intima
besitzen, ist es stets die Media, welche die Teilung aktiv durch-
führt; alle anderen Schichten machen nur die sich abspielenden
Veränderungen mit. Es treten in der Media, die sonst nur aus
quergelagerten, glatten Muskelzellen besteht, schräg längsver-
laufende Zellen auf, so dass in das Gefässlumen von sich gegen-
überliegenden Stellen kleine Vorsprünge hineinragen. Die schräg
gelagerten Elemente mehren sich und gehen allmählich in längs-
verlaufende über. Die Vorsprünge werden grösser und grösser
und verschmelzen schliesslich. In dem Maße, wie die so ent-
standene Brücke breiter wird, machen wieder die längsverlaufenden
Zellen allmählich queren Elementen Platz, und die Adventitia
dringt von aussen her allmählich in die Brücke ein. Sie spaltet
sie in zwei Hälften und die Teilung ist vollzogen. Bei den
Kapillaren, die keine Media mehr besitzen, wird die Teilung
durch eine unvermittelt quer durchs Lumen schneidende Zelle
veranlasst. Da sofort zu beiden Seiten dieser Zelle Intimazellen
auftreten, kann sie kaum zu jener Schicht gehören, sondern ist
wohl eine jener den Kapillaren von aussen anliegenden Binde-
gewebszellen. Eine solche Kapillarenteilung spielt sich innerhalb
einer Strecke von 10—15 u ab; die Teilung grösserer Arterien
richtet sich nach ihrer Grösse; ich verfolgte Teilungen von 80 u.
Wie schon erwähnt, gehen alle Arterienkapillaren in die
Venenkapillaren über; das die ersteren umgebende Häutchen
wird zur Venenkapillarwand. Die Venenkapillaren unterscheiden
sich wesentlich von arteriellen Kapillaren. Sie sind im Gegen-
satz zu diesen sehr weit, im Mark ausserordentlich stark ent-
wickelt, wo sie sehr reich verzweigte miteinander anastomosierende
Hohlräume bilden. Ihre Wand besteht aus einem zarten Häutchen,
im Gefässlumen tauchen vereinzelt die es bildenden Zellen auf.
Auch an die Venenkapillaren legen sich von aussen Bindegewebs-
zellen, so dass der Unterschied im Aufbau gegen die arteriellen
Kapillaren in der Hauptsache in der schwach entwickelten Innen-
schicht der Vene besteht. Bis zur Einmündung in die Hauptvene
behalten die Kapillaren den beschriebenen Wandaufbau. Die
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 389
Hauptvene, die fast die ganze Knochenhöhle durchläuft, ist von
den früheren Autoren Zentralvene genannt worden. Der Name
ist nicht recht zutreffend, denn auf einem Drittel ihres Weges,
am Foramen nutritium, liegt sie nichts weniger als zentral:
diese Lage nimmt sie erst in dem obersten und untersten Teil
der Knochenhöhle ein. Denys schreibt ihr den gleichen Wand-
aufbau wie den Kapillaren zu. Das ist jedoch nicht der Fall.
Noch in den obersten Teilen des Markes, wo sie an Grösse be-
trächtlich im Vergleich zu den mittleren Teilen abgenommen
hat, zeigt sie deutlich jene drei, allen Venen zukommenden
Schichten, Intima, Media, Adventitia. Die Intima ist sehr zart
und geht in die Venenkapillarwand über. Auch Media und
Adventitia sind schwach entwickelt: die Wandstärke erreicht nur
eine obere Grenze von 9 «. Hier im Knochenmark liegt also
der. seltene Fall vor, dass sich bei den Venen nicht während der
Abstufung bis zu den Kapillaren die Schichten der Wandungen
allmählich verlieren, sondern Kapillaren direkt in eine vollständig
entwickelte Vene einmünden. Selbst bei sehr grossen Lumen
kapillarer Venen wie sie zuweilen nahe an der Hauptvene vor-
kommen, ist nie Muskulatur oder adventitiaartig entwickeltes
Bindegewebe vorhanden. Diese Eigentümlichkeit findet ihre Er-
klärung leicht in der Funktion des Knochenmarks. Die Venen-
kapillaren sind die Stätten der Bildung roter Blutkörperchen,
und da das Knochenmark fast ausschliesslich die Blutbildung
besorgt, ist eine reiche Entwicklung des Venenkapillarnetzes in
ihm erforderlich. Für Übergänge im Verlauf der Venen ist daher
kein Raum gelassen.
Das Lumen der Venenkapillaren ist im allgemeinen lückenlos
gegen das Parenchym abgeschlossen. Offene, präformierte Ver-
bindungen zwischen beiden bestehen nur an den Stellen des
Parenchyms, die durch ihren Aufbau und ihre Form eine Aus-
nahmestellung gegenüber den anderen Teilen einnehmen, das sind
die von früheren Autoren als Leukoblastenhaufen oder Herde
Iymphadenoiden Gewebes bezeichneten Partien des Markes. Diesen,
bei jedem Schnitt durch aktives Mark in die Augen fallenden
Stellen hat man bis vor kurzem recht wenig Aufmerksamkeit
geschenkt, obwohl sie es verdienten, weil ihre Gestalt und ihr
Aufbau sich wesentlich von dem übrigen Parenchym unterscheidet.
Während dieses, ohne je regelmässige Form anzunehmen, die
27*
390 Wilhelm Venzlaff:
xäume zwischen den Venenkapillaren ausfüllt, zeigen die Leuko-
blastenhaufen stets annähernd kugelige Gestalt. Bindegewebige
Elemente sind in ihnen sehr selten, erst am Rande tauchen Zellen
auf, die die kugelige Oberfläche umfassen. Ebenso selten ver-
laufen in ihnen Gefässe, seien es Arterien oder Venenkapillaren:
die ersteren verlaufen meist nur am Rande, die letzteren biegen
um sie herum. Ich verfolgte nun durch Serienschnitte das Ver-
halten der Venenkapillaren am Rande jener Leukoblastenhaufen
und konnte konstatieren, dass an jedem die Venenwand an einer
Stelle eine Auflösung erleidet. Fig. 1, Taf. VX zeigt, wie an das
in der Zeichnung rechts gelegene Lymphknötchen (so will ich aus
später anzuführenden Gründen von jetzt ab die Leukoblastenhaufen
nennen), das seiner Grösse wegen nicht im entferntesten in die
Zeichnung hineinging, eine Venenkapillare herantritt und wie
hier eine Auflösung der Venenwand vor sich geht, so dass die
Zellen des Lymphknotens ungehindert ins Venenlumen eindringen
können. Die Venenwand ist bis zu der mit einem Kreuz be-
zeichneten Stelle fest und würde nur einen gewaltsamen Durch-
tritt gestatten. Von jener Stelle ab biegt sie jedoch ins Lymph-
knötchen hinein und löst sich dort auf. Es fehlt weiter abwärts
jegliche das Venenlumen abschliessende Wand, so dass die Zellen
hier eindringen können, und dass sie es tun, beweisen die leeren
Maschen der Retikulumzellen und die den Elementen des Lymph-
knötchens durchaus gleichenden Zellen des unteren Teiles der
Vene. In der Zeichnung oben links besteht noch eine kleinere
gleichartige Öffnung am Lymphknoten, der sich nach links an
die Zeichnung anschliesst. Ein weiterer Beweis dafür, dass es
sich hier wirklich um eine offene Stelle in der Venenwand handelt,
ist das Verhalten der chinesischen Tusche an solchen Stellen.
Verhältnismässig weit von der Öffnung entfernt kann man noch
Tuschepartikelchen wahrnehmen, die nach der Öffnung zu stärker
und stärker auftreten. Um Extravasate kann es sich hier nicht
handeln, da an keinen anderen Stellen Tuscheteilchen im Paren-
chym wahrgenommen werden können.
Die Entwicklung der Erythrozyten.
Wenn ich in diesem Abschnitt eine ausführliche Darstellung
der Entwicklung der roten Blutkörperchen gebe, die schon von
mehreren Autoren eingehend behandelt worden ist, so geschieht
Die roten Blutkörperchen der Vögel. Saal
es, um den Nachweis zu führen, dass eine einwandfreie Ableitung
der Erythrozyten von der Zelle möglich ist, die ich als Stamm-
zelle ansprechen möchte, und um die schon meist bekannten
Entwicklungsvorgänge in eine zeitlich geordnete Reihe zu bringen.
Das in letzter Linie die Blutzellen liefernde Gewebe des
Knochenmarkes sind die so reichlich (in einem Schnitt bis zu
acht an der Zahl) im aktiven Mark vorhandenen Lymphknötchen,
deren eigenartige Stellung ich schon auf S. 389 charakterisiert
habe. Die überwiegende Zahl der die Lymphknötchen zusammen-
setzenden Zellen sind kleine, etwa 5—6 u grosse Zellen mit
relativ grossen Kernen, die bald chromatinarm, bald reichlicher
mit Chromatin versehen sind und abgesehen von den unten
angeführten Ausnahmen mindestens einen Nukleolus aufweisen,
der Zelleib ist feingekörnelt, von feinen Fäden durchzogen und
basophil. Die Zellen gleichen also vollkommen jenen Elementen
des Blutes und der Lymphe, die als kleine Lymphozyten bezeichnet
worden sind. Auf Grund dieser Identifizierung gebrauche ich
die Bezeichnung Lymphknötchen. Doch noch andere Merkmale
berechtigen dazu, diese Lymphknötchen des Knochenmarkes voll-
kommen jenen schon seit langem so bezeichneten Teilen der
Milz gleichzustellen. Zwischen den Lymphozyten zerstreut liegen
grössere, mit Hämatoxylin sich pyknotisch färbende Körper, die
von degenerierten Lymphozyten herrühren. Die Degenerations-
symptome zeigen sich schon bei etwa 3 « grossen Zellen, ihr
Kern ist stark chromatinhaltig und besitzt keinen Nukleolus
mehr, wie denn überhaupt nur die Zellen im Lymphknötchen
keinen Nukleolus aufweisen, die schon Degenerationserscheinungen
zeigen. Im weiteren Verlauf wird das Chromatin im Kern
immer dichter, bis er sich schliesslich pyknotisch färbt. Zuweilen
findet dann eine Aufteilung in Schollen statt, ohne dass jedoch
die Kernmembran aufgelöst wird. Die Zelle schrumpft bei dem
ganzen Vorgang erheblich, so dass schliesslich nur noch ein
kleiner schwarzer Fleck übrig bleibt. In grösserer Anzahl wie
die tingiblen Körper sind bis 14 « grosse Zellen vorhanden, die
ebenfalls mit dem kleinen Lymphozyten durch alle Übergänge
verbunden sind. Ihr Kern ist gross, chromatinarm, mit einem
grossen Nukleolus, ihr Plasma ‘bei einzelnen fast hyalin, bei
anderen undurchsichtig und stark basophil. Es sind die von
anderen Autoren als Lymphoblasten bezeichneten Zellen. Es ist
392 Wilhelm Venzlaff:
nun natürlich nicht durch den blossen Anblick eines Lymph-
knötchens zu entscheiden, ob diese grossen Zellen, in denen sich
vorzugsweise die häufig wahrnehmbaren Mitosen dieses Teils des
Parenchyms abspielen. die kleinen Lymphozyten liefern, oder ob
die grossen aus den kleinen Lymphozyten heranwachsen und
dann eine grössere Teilungsfähigkeit entwickeln. Hier muss
man seine Zuflucht zu der embryonalen Entwicklung nehmen.
Entstehen dort zuerst grosse Lymphozyten und dann die kleinen,
dann könnte man die erwähnten grossen Zellen als Lympho-
blasten bezeichnen. Nun ist jedoch nach den Untersuchungen
von Dantschakoff im embryonalen Mark das Gegenteil der
Fall, die grossen Lymphozyten entstehen aus den kleinen, und
man ist daher eher berechtigt, die grossen Zellen als heran-
gewachsene kleine Lymphozyten mit vermehrtem Teilungsver-
mögen zu betrachten, als umgekehrt die kleinen von den grossen
Lymphozyten abzuleiten. Ich kann daher nicht recht verstehen.
wie Dantschakoff jene Zellen als Lymphoblasten anspricht,
obwohl sie für das embryonale Mark ihre Entstehung aus den
kleinen Lymphozyten nachweist und auch zwischen ihnen und
den im Parenchym liegenden grossen Lymphozyten keinerlei
Unterschiede auffinden kann, ja beide an einer Stelle direkt
identifiziert.
Durelh Wachsen der Lymphknötchen werden Lymphozyten
in allen Grössen durch die S. 390 beschriebenen Öffnungen in die
Venenkapillaren geschoben und beginnen hier, sich zu roten
Blutkörpern umzubilden. Diese Entwicklung fängt bei vielen
Lymphozyten damit an, dass sie zu grossen Lymphozyten heran-
wachsen, was leicht an dem häufigen Vorkommen dieser Zellart
in den Venen im Vergleich zum Lymphknötchen erkannt werden
kann. Doch ist dieser Schritt für die Entwicklungsreihe nicht
durchaus nötig. alle jetzt anzuführenden Prozesse spielen sich
an allen Lymphozyten der verschiedensten Grösse ab. Bis zur
Entwicklung zum reifen Erythrozyten gehen nun an der Stamm-
zelle folgende wichtige Veränderungen vor sich: Das Zellplasma
wird hyaliner, der Kern häuft mehr Chromatin in sich an und
streckt sich in einer Richtung, der Nukleolus verschwindet. die
Rindenschicht der Zelle wird deutlich färbbar, in der Zelle
entsteht Hämoglobin und schliesslich bildet sich die typische
Gestalt des reifen Blutkörperchens aus.
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 3953
Die zuerst genannten Veränderungen, bis zum Verschwinden
des Nukleolus, halten keine bestimmte Reihenfolge in ihrem
Auftreten ein; sie setzen unabhängig voneinander ein, bald diese,
bald jene Veränderung zuerst, jedoch ist eine gewisse Abhängigkit
voneinander unverkennbar, so dass z. B. eine Zelle, deren Kern
schon eine starke Chromatinhäufung aufweist, nicht mehr undurch-
sichtiges Plasma besitzt. (Gewöhnlich setzt die Hyalinisierung
des Plasma zuerst ein, dem dann die Chromatinanhäufung im
Kern folgt. Diese geht in der Art vor sich, dass das Chromatin
zunächst an den Knotenpunkten des Kernnetzes auftritt und dort
allmählich mehr und mehr zunimmt. Hierdurch erhält der Kern
jene für die jungen Erythrozyten so typische Netzstruktur. Das
Verhalten des Nukleolus ist bei den einzelnen Zellen sehr ver-
schieden. Beschreitet ein grosser Lymphozyt mit seinem chromatin-
armen Kern mit sehr grossem Nukleolus den Entwicklungsgang,
so verschwindet allerdings der Nukleolus. Dagegen ist er bei
den Zellen des Lymphknötchens, die nicht erst zum grossen
Lymphozyten herangewachsen sind und ihre Entwicklung beginnen,
noch sicher zu erkennen, wenn der Kern schon seine typische
Netzstruktur aufweist. Es scheint mir daher, als ob das Ver-
schwinden des Nukleolus mehr mit dem absoluten Alter der
Zelle in den Venen als mit deren Entwicklungseang zum Erythro-
zyten zu tun hat. Ich bin in dieser Annahme durch das Ver-
halten des Nukleolus in der Leukozytenreihe bestärkt worden.
Ich möchte nur noch einmal hervorheben, dass mir meine bei der
beschreibung der Technik angeführte Färbemethode bei der Ver-
folgung des Nukleolus die besten Dienste geleistet hat; bei anderen
Hämatoxylinen und anderer Behandlung des Ehrlichschen ist
ein einwandfreies Erkennen des Nukleolus ausgeschlossen. Ganz
regellos setzt die Streckung der Zelle ein, zuweilen schon ehe
die Uhromatinanhäufung beginnt, zum Teil erst, wenn die Zelle
schon Hämoglobin enthält. Je hyaliner das Plasma wird, desto
deutlicher färbbar wird die Zellrindenschicht, so dass man
also bei diesen beiden Prozessen von einer unmittelbaren Ab-
hängigkeit sprechen kann. Während dieser angeführten Um-
wandlungen wird sowohl die Zelle als auch der Kern im Ver-
hältnis zur Zelle kleiner. Noch immer dokumentiert sich die
verschiedene Grösse der Stammzelle aufs deutlichste, und sie ist
es auch in letzter Linie, die die nicht unerheblichen Grössen-
394 Wilhelm Venzlaff:
schwankungen unter den reifen Erythrozyten veranlasst. Die
Zellen, welche die bisher beschriebenen Umwandlungen aufweisen,
sind in den Venenkapillaren häufig und zeigen eine beträchtliche
Vermehrungsfähigkeit. Dass die Teilungsfiguren der hämoglobin-
losen Zellen diesem Stadium und nicht etwa dem grossen
Lymphozyten zukommen, beweist die stets deutlich färbbare
Rindenschicht der sich teilenden Zelle; das Plasma des grossen
Lymphozyten könnte bei Teilungen vollkommen hyalin werden,
jedoch nicht bei diesem Vorgang eine deutlich färbbare Rinden-
schicht erwerben. Eine Teilung der grossen und kleinen
Lymphozyten in den Venen konnte ich nicht auffinden.
Haben sich die beschriebenen Umwandlungen vollzogen, so
beginnt im Plasma das Hämoglobin aufzutauchen. Weder ungefärbt,
noch durch Färbung, etwa mit Eosin, lässt es sich früher nach-
weisen. Jedoch ist damit nicht entschieden, dass von jetzt ab
erst die Hämoglobinausbildung stattfindet, oder ob nicht schon
vorher dieser Farbstoff ausgebildet worden ist und nur wegen
seiner geringen Färbkraft und wenigen Menge nicht erkannt
werden konnte. Allerdings ist das letztere recht unwahrscheinlich,
denn man trifft auf dieser Entwicklungsstufe viele Zellen, deren
Plasma genau so weiss ist, wie das der Stammzelle. Das Hämo-
globin ist von seinem ersten Auftreten an homogen im Plasma
verteilt. weder nach dem Kern noch nach dem Rande zu, noch
etwa an gewissen Stellen des Plasmas lässt sich eine stärkere
Anhäufung des Farbstoftes erkennen. Man wird ihn daher als
ein Elaborat des Plasmas selbst ansehen müssen. Die Chromatin-
anhäufung im Kern schreitet während der Hämoglobinausbildung
weiter fort, geht jedoch nie bis zur Verklumpung: immer ist,
wenn auch nur schwer. eine Struktur zu erkennen. Die Zellen
dieses Stadiums zeigen eine starke Vermehrungsfähigkeit; die
erösste Anzahl der in den Venen aufzufindenden Mitosen kommen
ihnen zu. Für das Knochenmark der erwachsenen Vögel gilt
also, dass die Vermehrungsfähigkeit der Erythroblasten wächst,
je mehr sie sich in ihrer Entwicklung dem reifen Erythrozyten
nähern. Sie erlischt meiner Meinung nach erst, wenn der Ery-
throblast ins Blut eingeschwemmt wird und hier die letzten Schritte
zur Reifung ausführt, d. h. seine Rindenschicht stark verdickt und
im Kern Verklumpung des Gerüstes einsetzt. Für den Verlust
jener Fähigkeit durch die Aufhebung des halb sesshaften Zustandes
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 395
in den Venen spricht die Tatsache, dass im:.Gegensatz zum Mark,
wo Teilung stark hämoglobinhaltiger Zellen so häufig stattfindet,
im Blut erwachsener, normaler Vögel Mitosen von Ervthrozyten
so gut wie nie vorkommen. Bei meinen Zählungen, bei denen
ich etwa 250000 rote Blutkörper Stück für Stück durchsehen
musste, bin ich ein einziges Mal auf einen sich teilenden Erythro-
blasten gestossen. Was das Absterben der Erythrozyten anbetriftt,
so kann ich hier die Befunde Pfitzners. so weit sie in dieser Frage
reichen, durchaus bestätigen. Das Chromatingerüst verklumpt,
der Kernumriss wird zackig und zeigt häufig an seinen Polen
kleine stiftförmige Fortsätze; der Kern wird sodann pyknotisch,
büsst dabei seine ellipsoide Gestalt ein und wird zur Kugel oder
Scheibe. Meinen Untersuchungen nach setzt sodann Schrumpfung
des Kernes ein, die man soweit verfolgen kann, bis im Blut-
körperchen nur noch ein winziger Fleck vorhanden ist. Ich halte
es hiernach nicht für ausgeschlossen, dass ein vollständiger
Schwund des Kernes eintritt. Kernlosen Fragmenten roter Blut-
körper begegnet man häufig; man kann diesen jedoch leider nicht
ansehen, ob sie durch Kernschwund oder durch Abschnürung von
anderen Blutkörperchen entstanden sind. Die andere Art des
Absterbens, die Pfitzner angibt, nämlich ein vollständiges Ein-
büssen der Färbbarkeit des Kernes, konnte ich bei der Anwendung
des Hansenschen Hämotoxylins nicht konstatieren. Über eine
andere Art regelmässigen Erythrozytenunterganges, eine gewalt-
same Beseitigung reifer Formen, möchte ich im nächsten Abschnitt
im Zusammenhang berichten.
Die Leukozytenentwicklung.
Wie die Erythrozyten, so muss ich auch die Leukozyten
von den Zellen der Lymphknötchen im Knochenmark ableiten.
Und zwar stösst die Ableitung auf weit weniger Schwierigkeiten
wie für die roten Blutkörperchen, denn die Lymphknötchen liegen
im Parenchym, und den Zellen steht also nichts im Wege, passiv
oder aktiv in dieses einzuwandern, und ferner sind die Ver-
änderungen, die sich in der Leukozytenreihe abspielen, nicht so
komplizierter Art, wie bei den Erythrozyten, so dass die Ent-
wicklung auch leichter zu verfolgen ist. Wieder werden durch
Wachstum des Lymphknötchens Lymphozyten jeder Grösse ins
Parenchym abgeschoben, wo für sie auf Grund ihrer amöboiden
396 Wilhelm Venzlaff:
Beweglichkeit die Möglichkeit einer Ortsveränderung geschaffen
ist. Man kann eine derartige Abwanderung vom Lymphknötchen
an einigen Stellen sehr gut beobachten; die sonst diesen an der
Peripherie umhüllenden Bindegewebszellen sind dann auseinander
gedrängt und ein mehr oder minder breiter Strang von Lympho-
zyten setzt sich ins Parenchym hinein fort. Die sich bei der
Entwicklung zum Leukozyten vollziehenden Veränderungen gehen
am Kern und am Plasma vor sich. Die ganze Entwicklungsreihe
ist durch einen chromatinarmen Kern ausgezeichnet, der Zelleib
ist im Verhältnis zum Kern gross, durchsichtig und neutrophil.
Wegen der Chromatinarmut des Kernes ist leicht zu erkennen,
dass jeder Zelle ein Nukleolus zukommt, mit Ausnahme sehr
chromatinarmer oder schon degenerierender Kerne. Beim Kern
erstrecken sich die Entwicklungsveränderungen im Gegensatz zu
den Erythrozyten hauptsächlich auf die Gestalt. Es treten hier,
manchmal schon ehe sich Granula im Plasma gebildet haben.
kleinere Einbuchtungen auf, meist nach dem Zentrum der Zelle
zu gelegen. Allmählich schneiden die Einbuchtungen tiefer ein,
dabei streckt sich der Kern, nimmt eine exzentrische Lage in
der Zelle ein und bekommt so Wurst- oder Hufeisenform. Zu-
weilen tritt Streckung des Kernes auf, ehe die Einbuchtungen
weit vorgeschritten sind, und es entsteht ein quer durch die Zelle
verlaufender stäbehenförmiger Kern. Die meisten im Parenchym
des Knochenmarkes vorhandenen Leukozyten zeigen die bisher
beschriebenen Entwicklungsphasen des Kernes. Seltener kommt
es, und zwar vorwiegend bei kleinen Leukozyten, durch die Ein-
schnürungen zur Aufteilung des Kernes in zwei oder höchstens
drei durch feine Fäden verbundene Lappen. Ich suchte mich
mit Hilfe der von Weidenreich angegebenen Agarmethode
davon zu überzeugen, ob die Zerschnürungen des Kernes in
strömendem Blut noch weiter fortschritten. Leider ist diese
Methode, die bei Säugetieren, wie ich mich überzeugen konnte,
sehr gute Resultate liefert, für Vogelblut nicht brauchbar. Das
Blut wird nämlich sofort nach der Entnahme dickflüssig, so dass
die am Rande des Deckglases zugesetzte Osmiumsäure nur ein
geringes Stückchen eindringen kann. Ein nach den Gesetzen des
osmotischen Druckes ausgerechneter Zusatz von zitronensaurem
Natron. der zwar die Gerinnung aufhielt, verhinderte jedoch auch
das Anhaften der Blutkörperchen am Deckglas. Ein weiterer
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 397
Übelstand für das Vogelblut liegt darin, dass die mit Kernen
versehenen roten Blutkörperchen in den meisten Fällen die
weissen Blutkörperchen vollkommen verdecken. Nach den Befunden,
die ich durch Ausstrichpräparate an den Leukozyten im Blut
gewonnen habe, kann ich sagen, dass auch bei ihnen die Zer-
schnürung des Kernes nie weiter als bis zur Dreilappigkeit geht.
Das Studium an gehungertem Mark, wo eine künstliche Ver-
mehrung der alternden Formen geschaffen ist, lehrte durchaus
das gleiche. Vergleicht man die Entwicklung des Kernes der
Säugetierleukozyten mit der der Vögel, so tritt uns hier das
gleiche Prinzip entgegen, nur geht die Zerklüftung des Kernes
bei weitem nicht so weit. Solange der Kern noch rund ist und
nur wenige kleine Einbuchtungen aufweist, ist die Zelle, gleich-
gültig ob schon Granula oder nicht vorhanden sind, noch teilungs-
fähig, wie man an den nicht seltenen Teilungsfiguren in diesen
Zellen sehen kann: hat der Kern erst Wurstform angenommen,
so ist seine Vermehrungsfähigkeit erloschen. Die Granula treten
in verschiedenen Stadien der Entwicklung auf, manchmal in
Zellen, die noch durchaus die Kennzeichen der grossen oder kleinen
Lymphozyten aufweisen, manchmal in solchen. deren Kern schon
Einbuchtungen hat und deren Plasma bereits neutrophil geworden
ist. Dieses Auftreten der Granula zu so verschiedenen Zeiten
findet leichter seine Erklärung, wenn man sie nicht als von der
Zelle ausgearbeitete Produkte einer bestimmten Entwicklungs-
stufe ansieht, sondern ihre Herkunft nach aussen verlegt und,
wie Weidenreich, sie für von den Lymphozyten verschlungene
Trümmer der roten Blutkörperchen anspricht. Eine solche Deutung
der azidophilen Körnelung würde das verschiedene Auftreten aus
örtlichen Verhältnissen erklären (es sind keine zu verdauenden
Erythrozytenreste vorhanden) und dem reich entwickelten Paren-
chym des Knochenmarkes eine wichtige Aufgabe, die Vernichtung
der Erythrozyten, anweisen. Das Knochenmark hat dann nicht
nur die Aufgabe, Blutkörperchen zu bilden, sondern solche aus
dem Blut zu entfernen, um für Neubildung Platz zu schaften.
Um zu beweisen, dass das Parenchym diese letzte Funktion auch
wirklich ausübt, bedürfte es für das Knochenmark nur des
Nachweises, dass rote Blutkörperchen im Parenchym vorkommen,
denn die phagozytären Figenschaften der Lymphzellen stehen ausser
Zweifel. Nun hat es in einem Präparat, wo Erythrozyten so leicht
398 Wilhelm Venzlaff:
aus dem Gefässliumen herausfallen können, Schwierigkeiten, ein
einwandfreies Vorkommen roter Blutkörperchen im Parenchym
zu erkennen. Jedoch muss ich es auf Grund meiner Befunde
behaupten: vor allem in der Nähe des Randes ist es mir öfter
gelungen, Erythrozyten im Parenchym aufzufinden; in einem Fall
sah ich sogar im gehungerten Mark einen Durchtritt eines
Erythrozyten durch die Venenwand.. Kommen nun die vom
Lymphknötchen abgewanderten Lymphozyten im Parenchym durch
Aufzehrung von Erythrozyten dazu, ihre ihnen zukommende
Funktion auszuüben, so geht die oben beschriebene Entwicklung
vor sich. Können sie diese Funktion wegen Erythrozytenmangels
nicht ausüben, so degenerieren sie. Es sind dies die von anderen
Autoren, besonders eingehend von W. Dantschakoff, be-
schriebenen Plasmazellen. Der Degenerationsvorgang gleicht
durchaus dem der Lymphozyten in den Lymphknötchen, den ich
schon oben beschrieben habe. Die Form der Granula ist vor-
wiegend rund. Sie sind sehr verschieden gross, doch kommt
ihnen stets eine solche Grösse zu, dass sie gut zu erkennen sind.
Ein Heranwachsen aus nicht sichtbaren Anfängen muss ich daher
in Abrede stellen. Häufig sind die Körner rund und an einem
Ende spitz ausgezogen; in solchen Fällen sind die Spitzen meist
nach einem Zentrum in der Zelle orientiert. Diese Granulation
kommt nur kleinen Zellen zu, deren Kern schon stark zerklüftet
ist, jedoch wird man ihretwegen nicht berechtigt sein, diesen
Zellen eine besondere Stellung anzuweisen, nur sie etwa als
Leukozyten bezeichnen und die anderen granulierten Zellen als
Myelozyten, wie Dantschakoff. Soweit ich aus ihrer Arbeit
ersehen konnte, sieht die Autorin in dieser Granulation ein
Kriterium der Vogelleukozyten. Dem muss ich entgegenhalten, dass
die meisten Leukozyten des Vogelblutes diese Granulation nicht
aufweisen. Das weitere Schicksal der Leukozyten verfolgt eich im
gehungerten Mark. Hier stösst man auf viele Zellen, die alle oben
beschriebenen Änderungen aufweisen und sich von den Leukozyten
des normalen Marks nur durch die Verklumpung des Chromatin-
gerüstes unterscheiden. Diese schreitet allmählich immer weiter
fort, der Kernumriss wird zackig, die Fäden, welche die Kernlappen
verbinden, zerreissen, die Zelle schrumpft erheblich. Genau wie bei
der Degeneration der Lymphzellen und Plasmazellen nimmt die
Zelle mehr und mehr an Grösse ab und verschwindet vollständig.
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 399
Literaturvergleichung.
In diesem Abschnitt soll untersucht werden, wie sich die
von mir gegebene Deutung der Verhältnisse im Knochenmark
mit der bisher geltenden Darstellung anderer Autoren vereinbart
und des weiteren, ob sich die von mir gewonnenen Resultate mit
der durch das Studium anderer blutbildenden Organe erhaltenen
Ansicht in Einklang bringen lassen.
Nach den ausführlichen Untersuchungen von W. Dantscha-
koff am embryonalen Mark halte ich es für bewiesen, dass eine
Deutung der Blutbildung im Knochenmark der Vögel im Sinne
heterogener Abstammung nicht angängig ist. Es ist nunmehr
die Frage, ob die Aufstellung des grossen Lymphozyten als
Mutterzelle aller Blutzellen den wahren Verhältnissen im Mark
gerecht wird, oder ob man nicht gezwungen ist, noch weiter in
der Reihe der weissen Blutkörperchen zurückzugehen und dem
kleinen Lymphozyten diese Stellung zuweisen muss, wie ich es in
meinen Darlegungen getan habe.
Nach W. Dantschakoff ist der grosse Lymphozyt die
gemeinsame Stammzelle der Leukozyten, Erythrozyten und
Thrombozyten. Er entsteht in der embryonalen Periode aus
dem kleinen Lymphozyten und bleibt später als selbständiges
Element erhalten; ist er einmal vorhanden, so erhält er sich
fortgesetzt durch Teilung und braucht nicht mehr aus dem
kleinen Lymphozyten heranzuwachsen. Es ist eigentlich nicht
konsequent, bei dieser Entstehung den grossen Lymphozyten als
Mutterzelle zu bezeichnen, da er doch erst aus dem kleinen
Lymphozyten hervorgehen muss; in letzter Linie wäre dieser
die Stammzelle. Dann erscheint es merkwürdig, dass der kleine
Lymphozyt nur im embryonalen Mark die Fähigkeit haben soll,
sich in den grossen zu verwandeln; er bleibt erhalten und es
steht ihm zum mindesten im Parenchym, wo er in so grosser
Anzahl vorkommt, nichts im Wege, auch im erwachsenen Mark
diese Funktion auszuüben. Zu dem Schritt, nichtsdestoweniger
den grossen Lymphozyten als Stammzelle der Blutkörperchen zu
bezeichnen, sieht sich W. Dantschakoff dadurch gezwungen,
dass sie an der Geschlossenheit des Gefässnetzes gegen das
Parenchym festhält. Die Zelle, die durch das Studium embryo-
nalen Markes als fast letzter Ausgangspunkt erkannt wurde und
deren Vorkommen sowohl im Parenchym wie auch in den Venen
400 Wilhelm Venzlaff:
ohne Schwierigkeit festgestellt werden kann, ist tatsächlich der
grosse Lymphozyt. Den Bedenken, welche man aus seinem
geringen Vorkommen namentlich im Parenchym gegen diese ihm
zugewiesene Rolle erheben kann, begegnet die Autorin mit der
Behauptung vorwiegend homöoplastischer Regeneration der Blut-
körperchen im erwachsenen Mark. Trotzdem müssen dann aber
alle in den Venen befindlichen Zellen von dem grossen Lympho-
zyten ableitbar sein. Schon bei den weissen Blutkörperchen, die
noch nicht den Entwicklungsweg beschritten haben, dürfte dies
nicht möglich sein. Sie zeigen nämlich in der Grösse, im Kern
und in der Plasmabeschaffenheit so grosse Unterschiede, dass sie
nicht ohne vorherige Teilung aus dem grossen Lymphozyt hervor-
gegangen sein können. Dantschakoff stellt nun aber fest,
dass dieser sich so gut wie gar nicht teilt, was ich vollauf
bestätigen kann. Sollten jedoch die erwähnten weissen Blut-
körperchen, deren Vorhandensein in den Venen Dantschakoff
allerdings nicht notiert, auch ohne Teilung aus dem grossen
Lymphozyten hervorgehen, so müsste dieser in den Venen zwei
Entwicklungsmöglichkeiten haben: Erstens, sich in rote Blut-
körperchen zu verwandeln, eine Reihe, die in der Grösse der
Zellen, Kern- und Plasmaveränderungen lückenlos zu verfolgen
ist, zweitens ohne Teilung kleine Lymphozyten zu liefern, deren
Plasma hyaliner oder undurchsichtiger, deren weit kleinerer Kern
ebenso chromatinarm oder viel reicher an Chromatin sein kann.
Ich glaube, dass bei der ersten Entwicklungsrichtung, die wirklich
stattfindet, die zweite recht unwahrscheinlich ist. Für noch unwahr-
scheinlicher halte ich es, dass der grosse Lymphozyt so zahlreiche,
sehr verschieden grosse, noch sehr junge Erythroblasten liefern
soll, an denen sich erst die ersten Umwandlungsprozesse zeigen,
die noch kein Hämoglobin enthalten. Es kommen nämlich Unter-
schiede von 12 u bis 4 « vor. Alle angeführten Bedenken werden
leicht beseitigt, wenn man die angegebenen Unterschiede als in
der Stammzelle selbst begründet sieht. Die Unterschiede der
Lymphozyten in den Lymphknötchen sind ein getreues Abbild
aller Unterschiede, die man an den weissen Blutkörpern in den
Venen auffinden kann und erklären auch einfach die grossen
Verschiedenheiten, die unter den Erythroblasten herrschen. Um
sie freilich als Stammzelle zu erkennen, bedurfte es des Nachweises
einer offenen Verbindung der Lymphknötchen mit den Venen.
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 401
Weit weniger als für die Erythrozyten lässt sich der grosse
Lymphozyt im Parenchym für die Leukozyten als Stammzelle
aufrecht erhalten. Hier ist seine Zahl sehr gering und die Tat-
sache der Umwandlung der Lymphozyten der Lymphknötchen in
Leukozyten so deutlich, dass sie auch von Dantschakoff
berichtet werden muss. Diese Fähigkeit zeige sich besonders
stark bei Hungerzuständen: bei solchen erwürbe der kleine
Lymphozyt die embryonale Eigenschaft wieder, sich direkt in
Leukozyten zu verwandeln. So erkläre sich auch die starke
Verminderung der Herde Iymphadenoiden Gewebes bei Hunger-
zuständen. Für dieselbe Erscheinung bei Schröpfungen weiss
die Autorin keine Erklärung. Meiner Meinung nach beweist
gerade das Verhalten der Lymphknötchen bei anormalen Zuständen,
eine wie grosse Rolle sie bei der Blutregeneration spielen. Bei
Schröpfungen werden hohe Anforderungen an die blutbildenden
Organe gestellt, denen mit allen möglichen Mitteln Genüge
geleistet wird; die Erythroblasten und die weissen Blutkörperchen
in den Venen treten in lebhafte Wucherungen ein, der Vorrat
an Stammzellen, die Lymphknötchen, werden stark angegriffen
und bei zu grossen Blutverlusten aufgebraucht. Bei Hunger-
zuständen wird durch die geringe Nahrungszufuhr der Stamm-
zelle die Möglichkeit genommen, sich zu vermehren, so dass
jetzt auf diese Weise bei der Blutregeneration der Vorrat der
Stammzellen aufgebraucht wird.
Die Stellung, welche Dantschakoff den kleinen Lympho-
zyten im normalen, erwachsenen Mark anweist, kann schwerlich
das Richtige treffen. Die kleinen Lymphozyten, die in so enormer
Zahl im Mark vorkommen, sollen weiter keine Aufgabe haben,
als die an Zahl so geringen Plasmazellen zu bilden, Zellen, die
nichts zu tun haben, als zu degenerieren? Ich muss noch einmal
betonen, wer, wie die Autorin erkannt hat, dass im embryonalen
Mark aus den kleinen Lymphozyten alle Zellen des Markes ent-
stehen, wäre eigentlich gezwungen, ihm zum mindesten im
Parenchym die Aufgabe der Leukozytenbildung zuzuweisen, denn
seine Umwandlung in diese ist zu deutlich, als dass sie über-
sehen werden könnte und topographische Hindernisse irgend
welcher Art bestehen nicht.
Wenn ich kurz resümiere, was ich zur Verteidigung meines
Standpunktes gegen die Dantschakoffsche Auffassung zu
402 Wilhelm Venzlaff:
bemerken habe, so muss ich zunächst als Hauptirrtum der
Arbeit bezeichnen, dass die Autorin an der Geschlossenheit der
Gefässbahnen gegen das Parenchym festhält, was alle anderen
von mir bestrittenen Behauptungen nach sich zieht. Sie erkennt
in dem grossen Lymphozyten das Endglied der Erythrozytenreihe
und überträgt dieses Resultat als Vertreterin des unitaristischen
Standpunktes auf das Parenchym. Dadurch wird sie den Stellungen
der Lymphknötchen nicht gerecht und bringt Trennungen in die
vorhandenen Zellarten, denen man nicht zustimmen kann.
Vergleiche ich meine Schlüsse mit denen anderer Autoren,
so bin ich um so mehr berechtigt, meinen Standpunkt Dantscha-
koff gegenüber aufrecht zu erhalten. Die vor kurzem erschienene
Arbeit von A. Maximow über das Säugetierknochenmark bringt
über dieses Organ Deutungen, die auf das Genaueste mit meinen
Resultaten übereinstimmen. Auch bei den Säugern sind die aus
kleinen Lymphozyten zusammengesetzten Markstränge die Keim-
zentren für Erythrozyten und Leukozyten. Durch Auflockerung
der Venenwände gelangen die kleinen Lymphozyten in die Venen
und liefern die Erythrozyten, im Parenchym dagegen die Leuko-
zyten. Nur sind im Säugetiermark die Trennungen von Paren-
chym und Gefässen nicht so scharf durchgeführt wie bei den
Vögeln.
Im übrigen möchte ich mich zur Bestätigung meiner Be-
hauptungen auf die von Weidenreich 1905 veröffentlichte Zu-
sammenstellung der gesamten Literatur über die roten Blut-
körperchen berufen, aus der ich die für meine Zwecke verwendbaren
Abschnitte kurz wiedergegeben habe, aus denen erhellt, dass ich
mich im Einklang mit den meisten Autoren der unitaristischen
Anschauung befinde.
Als Resultate der Arbeit hätte ich zusammenzustellen:
1. Gefässe: Die Arteria nutritia versieht nur das Mark
der Diaphysen mit ateriellen Gefässen. Nach ihrer Ein-
mündung durch das Foramen nutritium gibt sie im
Femur zwei Äste nach oben und einen nach unten ab.
Viele umfangreiche Zweige, die sich am Foramen nutri-
tium vorfinden, sind nur für die unmittelbare Umgebung
dieser Partie von Belang. Es ist bei der grossen Ver-
schiedenheit der Verzweigung der Arteria nutritia am
Foramen nutritium, die in den beiden genau unter-
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 403
suchten Fällen aufgefunden wurde, nicht ausgeschlossen,
dass in anderen Fällen ein anderer Modus der Abzweigung
der Hauptäste von der Arteria nutritia angetroffen wird.
Die Einmündung von Arterien durch die Haverschen
und Volkmannschen Kanäle beschränkt sich an der
Diaphyse auf Gefässe von etwa 10 «. An den Epiphysen
münden grössere Gefässe ein, die der Arteria nutritia
an Umfang fast gleich kommen; ihre Zahl und Ort der
Einmündung variiert, nur die Arteria der Incisura inter-
condyloidea femoris wurde konstant angetroffen.
Der Aufbau der Arterien ist der von anderen
Objekten her bekannte. Elastische Fasern finden sich
bei grösseren Gefässen in der Adventitia, in geringerem
Maße zwischen den Muskelzellen und zu einer dünnen
Schicht unter dem Intimahäutchen vereinigt.
An den Arterienkapillaren ist die Intima und das
diese von der Media trennende Häutchen erhalten. Von
aussen umfassen Bindegewebszellen die Kapillaren. Diese
sind sehr lang, reich verzweigt, anastomosieren unter-
einander und gehen restlos in die Venenkapillaren über.
Das Häutchen wird zur Venenwand. Die Innenzellen
der Venenkapillaren bilden keine kontinuierliche Schicht,
sondern liegen weit voneinander entfernt. Auch an die
Venen legen sich von aussen Bindegewebszellen. Die
Venenkapillaren münden als Kapillaren in die Hauptvene
ein, die die üblichen drei Schichten der Wand zeigt.
Sie ist die einzige wirkliche Vene des Markes, alle
anderen venösen Blutbahnen sind Kapillaren. Die Haupt-
vene mündet am Foramen nutritium aus. Bei den anderen
Ausmündungen der venösen Bahnen handelt es sich um
Venenkapillaren.
Die Venenkapillaren sind im allgemeinen lückenlos
gegen das Parenchym abgeschlossen. Öffnungen bestehen
nur an den Lymphknötchen des Knochenmarkes.
2. Erythrozyten: Die vom Lymphknötchen in die Venen
geschobenen Lymphzellen der verschiedenen Grösse ent-
wickeln sich hier zu den Erythrozyten. Die Umwandlung
wird durch eine Gesamtheit von Prozessen gekennzeichnet,
die jedoch in ihrem Auftreten keine bestimmte Folge
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 28
404 Wilhelm Venzlaff:
erkennen lassen. Die Prozesse sind: Hyalinisierung des
Plasmas, Ausbildung einer färbbaren Rindenschicht, An-
häufung des Chromatins im Kern zu einer Netzstruktur,
Verschwinden des Nukleolus, Ausbildung des Hämoglobins.
In bezug auf das Verhältnis der vier ersten Prozesse
muss ich auf das Kapitel: „Entwicklung der Erythrozyten“
verweisen. Die Ausbildung des Hämoglobins erfordert
das Vorausgehen der anderen Prozesse.
Beim Zugrundegehen der Erythrozyten ım Blut
tritt Kernschwund mit typischen vorhergehenden Kern-
veränderungen ein.
Eine andere regelmässig stattfindende Vernichtung
von Erythrozyten geschieht durch ihren Übertritt ins
Parenchym, wo sie von den Leukozyten aufgezehrt werden.
Die azidophilen Körnelungen sind von den Leukozyten
verschlungene Erythrozytenreste.
Die Leukozytenentwicklung gleicht der von den
gleichen Elementen des Säugetierblutes her bekannten
durchaus, jedoch geht die Zerklüftung des Kernes nur
bis zur Dreilappigkeit.
IIeTeil:
Über dieMorphologie derroten Blutkörperchen der Vögel.
Es sollen im zweiten Teil dieser Arbeit Untersuchungen
mitgeteilt werden, die ich über Form. Grösse und Anzahl der
roten Blutkörperchen bei Vögeln machte. Ich nahm meine Unter-
suchungen in der reichhaltigen Vogelsammlung des hiesigen
Zoologischen Gartens vor und möchte die Gelegenheit benutzen, der
Verwaltung des Gartens für ihr äusserst liebenswürdiges Entgegen-
kommen meinen besten Dank auszusprechen. Vor allem schulde ich
Dank dem praktisch-wissenschaftlichen Leiter, Herrn Dr. Heinroth,
der mich durch Materialhinweise und Überlassung von Durch-
schnittsgewichten in meinen Arbeiten wesentlich gefördert hat.
Die Form der Vogelerythrozyten.
Zur Formbeobachtung verdünnte ich einen Tropfen Blut,
den ich aus einer durch Einstich mit einer scharfgeschliffenen
Lanzettnadel erzeugten Wunde nahm, mit 0,66 °/o Kochsalzlösung
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 405
in einer Blutzählpipette, von der der grösste Teil des geaichten
Endes abgebrochen war. Eine solche Mischpipette mit kurzem
Ansatz bietet die Möglichkeit eines schnellen Arbeitens, denn
das Aufsaugen, Mischen und Entnehmen geht rasch von statten;
ferner kann man die Blutverdünnung beliebig wählen, so dass
es sich auf Grund dieser beiden Eigenschaften vielleicht empfiehlt,
zu Blutbeobachtungen in Kochsalzlösungen solche Mischpipetten
zu benutzen. Ich beobachtete mit !/ı» Leitz Ölimmersion und
Mikrometerokular 1 Leitz (Vergrösserung 600) in der Zähl-
kammer eines Thoma-Zeissschen Zählapparates, da es mir
dadurch möglich war, eine dünne Schicht des Blutes zu erhalten,
in welcher die Blutkörperchen nicht gepresst werden und leicht
zu Boden sinken können. In der Regel vergingen vom Einstich
bis zur ersten Beobachtung in der Zählkammer 15—20 Sekunden.
Auf Grund meiner Beobachtungen an etwa 50 verschiedenen
Arten muss ich die bisher gültige Vorstellung bestreiten, dass
die roten Blutkörperchen der Vögel bikonvexe Linsen von ellip-
soidem Umriss sind. Sie sind vielmehr flachbikonvexe
Scheiben, die sich nach den Enden der Hauptachse
allmählich zuspitzen.
Nicht bei allen Arten ist dies gleich leicht zu erkennen.
Bei den meisten runden sich die Spitzen der Blutkörper schnell
ab. wenn auch die Blutentnahme rasch genug von statten ging.
Das gilt unter anderen auch von den Arten, die bisher haupt-
sächlich zur Formuntersuchung herangezogen worden sind, z. B.
von den Tauben, Hühnern und Enten. Schon etwa 20 Sekunden
nach der ersten Beobachtung haben die Blutkörper bei diesen
Arten ihre spitze Gestalt verloren. Bei anderen dagegen kann
die spitze Form ziemlich leicht gesehen werden. Gute Objekte
sind Limosa lapponica, Tringa canutus, Haemotopus leucopus,
Vanellus cayennensis, Buteo vulgaris, Corvus corax (etwa 75°/o
am besten von allen von mir untersuchten Arten). Noch nach
etwa 1!/s Minuten sind viele Blutkörper scharf spitz und man
kann gut den Vorgang beobachten, wie sie sich allmählich ab-
runden. Hat man diesen Vorgang einmal genauer verfolgt, so
erkennt man, dass man bei anderen Arten meistens nur noch
die Übergangsstadien zu sehen bekommt, und durch schnelleres
Arbeiten kann man es erreichen, dass man noch einige spitze
Formen zu sehen bekommt.
28*
406 Wilhelm Venzlaff:
Ich versuchte bei solchen Arten, bei denen die spitze Form
der roten Blutkörperchen längere Zeit sichtbar bleibt, dadurch
das Phänomen noch länger zu erhalten, dass ich die Kochsalz-
lösung und alle benutzten Apparate auf die Bluttemperatur
erwärmte. Jedoch das Gegenteil trat ein, die Blutkörper rundeten
sich viel schneller ab. Kühlte ich jedoch die Lösung und die
Apparate ab, so erreichte ich das Gewünschte. Als ich z. B. bei
Corvus corax eisgekühlte Lösung benutzte, konnte ich die spitze
Form eine halbe Stunde lang erhalten, und so war es mir möglich,
photographische Aufnahmen der spitzen Blutkörperchen zu machen.
Fig. 2 ist eine Aufnahme zwei Minuten nach der Blutentnahme.
Augenscheinlich besteht die Wirkung kalter Lösungen darin,
dass durch die Temperaturerniedrigung eine Erhärtung der zäh-
flüssigen Aussenschicht der Blutkörperchen herbeigeführt wird,
und dieser härteren Kruste gegenüber kann die Kochsalzlösung
ihre deformierende Wirkung nicht so schnell geltend machen,
als der warmen, weichen gegenüber. Die Aussenschicht der Blut-
körperchen besteht nämlich zum grossen Teil aus Cholesterin
und Leeithin. Das Lecithin ist eine wachsähnliche, knetbare
Masse, die sich beim Erhitzen verflüssigt und beim Abkühlen
erhärtet. Es empfiehlt sich aus diesen Gründen sowohl zur Form-
beobachtung als auch für Messungen der roten Blutkörperchen
kalte Lösungen zu benutzen, da hierdurch die Erythrozyten in
ihrer ursprünglichen Gestalt erhärtet werden, so dass sich die
Abrundungen nur sehr langsam vollziehen.
Da nun kalte Lösungen eine wesentliche Bedingung sind,
um die spitze Form gut zu erhalten, so ist der Einwand berechtigt,
dass es sich in ihnen um ein durch die starke Abkühlung hervor-
gerufenes Kunstprodukt handle. Um mich zu überzeugen, ob
die spitzen Formen durch die Kälte erzeugt wurden, verfuhr ich
folgendermassen: Ich verdünnte Vogelblut in der Mischpipette
mit 0,66°/o Kochsalzlösung von Stubentemperatur, salı nach, dass
alle Blutkörperchen nach kurzer Zeit einen ellipsoiden Umriss
hatten und legte dann den Objektträger fünf Minuten lang auf
eine Kältemischung von Eis und Kochsalz. Darauf betrachtete
ich das Präparat wieder, es war kein einziges Blutkörperchen
spitz. Sollte die plötzliche, starke Abkühlung die spitze Form
verursachen, so hätte das Präparat nach der Abkühlung zum
mindesten einige spitze Blutkörperchen aufweisen müssen. Ich
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 407
überzeugte mich ferner, dass beim Frosch, der sicher vital ellip-
soidische Blutkörperchen besitzt, eiskalte Lösung keine spitzen
Formen hervorrief; die Gestalt ist die gleiche wie in wärmeren
Lösungen.
Auch ein anderer Einwand, der nicht von vornherein von
der Hand zu weisen ist, muss widerlegt werden, nämlich, dass
es sich bei den spitzen Formen um eine optische Täuschung
handle, die durch schräg gestellte Blutkörperchen herbeigeführt
werde. Hierbei erscheint es unerklärlich, warum die Blutkörper
der verschiedenen Arten in einer Kochsalzlösung von gleicher
Konzentration so verschieden schnell sich vollständig zu Boden
legen sollten und ferner, dass in sehr kalten Lösungen dieses
Flachlegen so viel länger dauert, da doch die Dichte der Flüssig-
keit durch die Abkühlung nur um ein Geringes erhöht wird.
Ein schräg gestelltes Blutkörperchen. müsste vor allem schmäler
erscheinen als andere flachliegende, und das sind die spitzen
Formen nicht, wie man sich durch Messung an der beigegebenen
Photographie überzeugen kann. Man kann ferner durch Beob-
achtung des Schattens eines Körpers von ellipsoidem Umriss
erkennen, dass eine Ellipse von der Seite gesehen nie nach den
Enden der grossen Achse zugespitzt erscheint. Der Einwand,
dass dies aber im Mikroskop möglich ist, da durch die Kantelung
Teile ausserhalb der Brennweite gerückt worden sind, ist insofern
nicht stichhaltig, da man sich durch Heben und Senken der
Mikrometerschraube überzeugen kann, ob die letztere Annalıme
zutrifft. Also auch um eine optische Täuschung kann es sich
nicht handeln.
Ich habe mich bemüht, die neue Form der roten Blut-
körperchen im Dauerpräparat darzustellen, und habe mich dazu
der Osmiumsäure und des Ausstrichpräparates bedient. Die
ÖOsmiumsäure, die sonst als formerhaltendes Reagens mit gutem
Erfolge angewendet wird, hat mir keine guten Dienste geleistet.
Ich verwandte sie in der Art, dass ich Blut direkt in einen auf
die gut gereinigte Haut des Tieres gebrachten Tropfen fliessen
liess und esim Mischröhrchen mit Osmiumsäure mischte. Besonders
bei der ersten Methode war die Konservierung nicht gut; abge-
sehen davon, dass stets eine grosse Anzahl von Blutkörperchen
sehr stark verzerrt waren, wiesen auch die in regelmässiger
Gestalt konservierten eine selbst von der ellipsoidischen Form
408 Wilhelm Venzlaff:
stark abweichende Gestalt auf; sie waren zu kreisrunden Scheiben
abgerundet, nur wenige hatten sich gut spitz erhalten. Das
Mischen des Blutes mit Osmiumsäure im Mischröhrchen gab
bessere Resultate; es gelang mir leicht, besonders wenn ich
gekühlte Osmiumsäure verwandte, eine grössere Anzahl spitzer
Formen zu erhalten. Zum Dauerpräparat eignen sich die so
konservierten Blutkörperchen nicht, denn das Blutserum, welches
sich in Gestalt von Flocken an die Erythrozyten ansetzt, ist die
Veranlassung, dass die Blutkörper zu Haufen zusammentreten,
so dass ein Erkennen der Einzelformen sehr erschwert wird.
Die besten Resultate erzielte ich mit Ausstrichpräparaten. Auf
einen mit Alkohol und Äther gereinigten und durch die Bunsen-
flamme gezogenen Objektträger brachte ich einen Tropfen Blut,
den ich schnell mit einem ebenso gereinigten Deckglas ausstrich
und dabei die ausgestrichene: Schicht durch die Bunsenflamme
zog. Meine Absicht war, die Eintrocknung so schnell herbei-
zuführen, dass es den Blutkörperchen nicht möglich war, sich
abzurunden. Aus diesem Prinzip ergibt sich auch, an welchen
Stellen des Präparates man spitze Formen finden wird, in sehr
dünn ausgestrichenen Schichten und am Rande dichterer, weil
hier die Eintrocknung am schnellsten vor sich gegangen ist.
Ferner darf man nicht erwarten, dass die spitzen Formen in
grosser Anzahl auftreten werden, denn Ausstrichpräparate in der
oben beschriebenen Weise sind schon häufig angefertigt worden,
und wenn die Erscheinung leicht zu erhalten wäre, würden schon
andere Autoren darauf aufmerksam geworden sein. In der Tat
trifft man an den oben genannten Stellen nicht selten spitze
Formen, zuweilen eine grössere Anzahl auf einer Stelle. Ihre
absolute Zahl ist gross, relativ sind natürlich nur wenige vor-
handen, da ja die meisten Stellen des Präparates gar nicht
schnell genug zur Eintrocknung gekommen sind. In der neben-
stehenden Textfig. 3 sind eine grössere Anzahl mittels Zeichen-
apparates zusammengestellte spitze Formen wiedergegeben. Die
Form ist durchaus die gleiche, wie sie sich in der Fig. 2 darstellt.
Soweit also eine Beobachtung an 50 verschiedenen Arten
eine Verallgemeinerung zulässt, muss ich mich in bezug auf die
Form der roten Blutkörperchen der Vögel dahin aussprechen:
Sie sind schwach bikonvexe, nach den Enden der Hauptachse
sich allmählich zuspitzende Scheiben mit ellipsoidem, in der Regel
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 409
nicht nach den Seiten vorgewölbtem Kern, um den am Blut-
körperchen an beiden Seiten eine Vertiefung (Delle) herumläuft
(Fig. 3).
Bei dieser Grundform ist die Möglichkeit von Formvariationen
bei den verschiedenen Arten auf ein Minimum beschränkt. Variieren
kann nur die Dicke des Kerns im Verhältnis zu der des Blut-
körperchens, die Tiefe und Breite der Delle, und das Verhältnis
der grossen und kleinen Achse, und diese Teile variieren auch,
was den Kern und das Verhältnis der Achse anbetrifft, selbst
bei demselben Individuum, allerdings nur in geringem Maße.
Durch eine sehr seichte Delle sind die Blutkörper der Chara-
driidae und Scolopacidae ausgezeichnet (Fig. 3). Der Kern ist
nicht dicker als die Mitte der Scheibe. Stärker entwickelt ist
die Delle bei den Phasianidae, Uolumbidae, Anseriformes, Falio-
nidae und Striges und sehr gut ausgeprägt bei den Rallidae,
Laridae und Struthiomorphae. Die Ardeidae sind durch eine
flache, aber breite Delle ausgezeichnet.
Besonders auffallend sind einige Blutkörperchen, die ich
in wenigen Exemplaren bei Üoturnix cot., Rhynchotus rufescens
(Fig. 3c) und Rhea americana fand. Bei diesen übertrifft der
Kern die Mitte des Blutkörperchens an Breite um das Doppelte,
so dass er knopfartig nach beiden Seiten vorgewölbt ist. Eine
Vorwölbung des Kerns kommt nicht selten bei allen anderen
Arten, jedoch lange nicht in dem Maße, vor.
410 Wilhelm Venzlaff:
Eine ähnliche Form der roten Blutkörperchen, wie ich sie
bei den Vögeln beschrieben habe, hat schon G. Gulliver, 1845,
Proc. of the zool. Soc. London, bei Esox Lucius entdeckt. Aller-
dings weichen die Abbildungen, die 1375 1. c. bringt, von den
meinigen ab. Danach sind die Blutkörperchen des Hechtes
zitronenförmig mit schwach abgesetzten Spitzen, während sich
die Blutkörperchen der Vögel allmählich nach den Enden der
grossen Achse zuspitzen. Die Abbildungen entsprechen jedoch,
wie ich mich durch eine Nachuntersuchung überzeugen konnte,
nicht den Tatsachen; vielmehr ist die Form diejenige, wie sie
in den Welkerschen Blutkörperchen-Modellen, die neuerdings
von Du Bois-Reymond herausgegeben worden sind, dargestellt
ist. Welker selbst macht in seinen Beschreibungen der roten
Blutkörperchen, 1872, Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch.,
Bd. 36, keine Angaben über die Blutkörperchen des Hechtes.
Es ist mir jedoch nicht geglückt, ausfindig zu machen, nach
wessen Angaben das Modell angefertigt ist. Dieses stimmt genau
mit der Form überein, wie ich sie oben für die Vögel beschrieben
habe. Es liegt nun nahe, zu vermuten, dass bei den Fischen
die Verhältnisse wie bei den Vögeln liegen, dass auch bei ihnen
alle Blutkörperchen sich nach den Enden der grossen Achse
zuspitzen und diese Form bei den verschiedenen Arten ver-
schieden gut sichtbar ist. In der Tat gelang es mir schon bei
den ersten Untersuchungen, auch die spitzen Formen bei Lota
vulgaris und Leueiscus rutilus zu erhalten. Bei Lota waren
etwa 90°/o aller Blutkörperchen ausgeprägt spitz. Bei Leuciscus
etwa 50°/o. Beim Hecht sieht man etwa 75°/o spitz. Wie bei
den Vögeln tritt eine allmähliche Abrundung der spitzen Enden
ein, die sich jedoch hier langsamer vollzieht. Dagegen gelang
es mir nicht, bei Tinca vulgaris auch nur ein einziges spitzes
Blutkörperchen zu sehen. Ich möchte aus diesem Grunde
und auch darum, weil ich von den Fischen zu wenig Arten
untersucht habe, nicht behaupten, dass alle Fische spitze Blut-
körperchen haben. Bei den Fischen entnahm ich das Blut stets
dem Herzen.
Die Grösse der Erythrozyten.
Unmittelbar an die Formbeobachtung schloss ich die Messung
an. Ich mass mit dem Mikrometerokular I Leitz und Y/ıa Olim-
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 411
mersion Leitz bei einer Tubuslänge von 167 mm. Hierbei hatte
ein Teilstrich des Okulars die Länge von !/soo mm, was ich durch
Messen der Seite eines Quadrates des Thoma-Zeissschen Zähl-
apparates feststellte; 40 Teilstriche des Okulars waren gleich
‘/so mm, der Seite eines solchen Quadrates.
Die Grösse der Blutkörperchen schwankt selbst bei demselben
Individuum beträchtlich. Die grössten Differenzen fand ich beim
Helmkasuar; das Maximum betrug 22,5: 10 «, das Minimum 14 :7,5 u.
Bei Rhea americana waren die Grenzwerte 20:8 « und 11:7 u.
Wenn man also die Grössen der Blutkörperchen der verschiedenen
Vögel untereinander vergleichen will, ist man gezwungen, für
jeden Vogel einen mittleren Wert aufzusuchen. Ich verfuhr dazu
folgendermassen: In einem Gesichtsfelde verglich ich durch
Messung die Grössen der Blutkörperchen untereinander und
notierte die Maße derjenigen Grösse, welche die häufigste und
kleiner als das grösste Blutkörperchen war. Dies wiederholte ich
für mehrere Gesichtsfelder und zog aus den erhaltenen Werten
das Mittel. Der so erhaltene Wert ist nie etwa das arithmetische
Mittel zwischen dem Maximum und dem Minimum. Die kleinsten
Grössen kommen nur in sehr geringer Anzahl vor. Ferner muss
man bedenken, dass ein grosses vielleicht mehrere kleine Blut-
körperchen aufwiegt. Die beschriebene Methode hat leider den
Nachteil, dass die Bestimmung des Mittelwertes zu sehr dem
subjektiven Ermessen anheim gestellt ist, immerhin gibt sie
meiner Meinung nach richtigere Resultate, als wenn man aus
möglichst vielen beliebig vorgenommenen Messungen von Blut-
körperchen im Gesichtsfeld das Mittel zieht. Vor allem fällt die
Feststellung des Mittelwertes bei solchen Vögeln schwer, bei
denen beträchtliche Grössenschwankungen in den Blutkörperchen
vorkommen, wie bei den bereits genannten. Sind die Blut-
körperchen in ihrer Grösse nicht so sehr verschieden, was bei
den meisten Vögeln der Fall ist, dann ist die Mittelwertbestimmung
bis auf 0,5 « exakt möglich. Freilich wäre es häufig erwünscht,
dass man noch eine genauere Bestimmung vornehmen könnte,
denn nicht selten handelt es sich bei den verschiedenen Vögeln
nur um Unterschiede, die kleiner sind als 0,5 «.
Ich lasse nun zunächst die Tabelle (Seite 412 und 413) der
ermittelten Grössen folgen, um daran meine Auseinandersetzungen
anzuknüpfen.
412
Tabelle zu dem Kapitel:
Wilhelm Venzlaff:
Die Grösse der Blutkörperchen.
————
Mittelwert |Maximum | Minimum | Körper- | Messungen
e . > E anderer
in u in u in u gewicht | Autoren
Struthiomorphae.
Casuarius galeatus Bonn |20:10—18:9| 22,5:10 14:7,5 | 36 kg 17:95G
Rhea americana L | 175:9 r! 20:9 |125:7 |11%« kg |13,5:8,3
Struthio camelus L 182.90 De 9 15:8 = In -
14,3:9,2 H
Tinamiformes.
Rhynchotus vrufescens |
Temm 16,25 :6,25 sp| 18:7 9:62] 90 g |14.5:5,5G
Galliformes. | |
Öorturnix corturnix L 111,25: 6,25 r|12,5:7 7,5.:5,25 9»%
Zwerghahn 14:7 El m 400 g
Negerhahn | 14:7 r| 15:65 11,5:5,5 | 1550 & ae
Langshanhahn 14:7 r\15,5:6,5 |11,5:5,5 || 4500 g
Numida meleagris L yet ee lee 10:5 1500 g 112,3:7,85G
Pavo cristatus L 16=:77,38 0141.92, 14:5,5 | 4000 g | 14:7 G
Weibchen |
Meleagris gallopavo L 15 Dear 167 11:6,25/ 4500 g |12,5:7 G
Weibchen |
Meleagris gallopavo L 155:7,5 r| 16:8 9:7 ‚12500 g
Männchen |
Columbiformes. |
Peristera afra L 12 Da 2149270210, 57 08
Turtur douraca Hodgs| 13:7 r| 15:7 :5,D 150 g 12,6:7,5G
Columba livia L | 14:7 r)| 15:75 11,25:65 | 400 g j14,7:6,5W
Römertaube Tarzaer), 1527000 27 s10 &
Lariformes. | | |
Larus ridibundus L 15:75 2117,5:75 112,5:6,5 280 g 112,2:6,4G
Larus fuscus L 1lays 7.5 I | — | 14:9 AND E
Larus marinus L |) 115225 17,5: 7,550 1127,51 0150088
Gralliformes. |
a) Rallidae. | |
Ortygometra porzana L 14-270 er: | 15:7. 7 5358
Gallinula chloropus L 19.:7,0. | 16e7.5. | 275 £ 1123:66G
Porphyrio poliocephalus 16: 7,500105207:8 1 er Lu au une
Lath I N
b) Scolopacidae. I
Tringa canutus L 15:6,25r| 17:6,25|14,5:5 115 g
Limosa lapponica L 15:7 sp|| 16:7 || 11:625| 230 g
Die roten Blutkörperchen der Vögel.
415
Tabelle zu dem Kapitel: Die Grösse der Blutkörperchen.
Minimum | Körper- | Messungen
- 2 anderer
in u gewicht | Autoren
c) Charadriidae. |
Uharadrius dubius ‚Scop — 5585|.
Vanellus cayennensis @m 12,5:6,25| 295 g mn
Haematopus leucopus 13:6,25| - 665 g ee
Garn |
Anseriformes. |
Nettion crecca L 5 11,5:5,25| 2308 |
Anas superciliosa Gm E 11216 1150 & | Ente
Fuligula marila L Y 102.52 1,.1450. 0, |. 32958 W
Choristopus melanoleucus r 14:5,5 || 2625 g ||
Less |
Cygnus olor Gm 9 14:5,5 | 8500 g ||
Weibchen |
Ardeidae. |
Ardetta minuta L 20 11°5,5 145 & 12,8:6,6 G
Ardettaerythromelas Vzeöll :8 14:8 500 8 |
Ardea cocoi F. Heron U 12,5:7,5 | 2000 g | eineria L
133:74G
13,6:8,7 H
Falconiformes. |
Cerchneis sparverioides Vig 11933 135 g |
Tinnuneulus tin. L 10:6,25)1 280 & |13,6:7,1G
Buteo vulgaris Beht 10:7,5 | 1500 g 113,7:6,8G
Aquila chrysaetus L 11,5: 6,25 4600 g |14,1:6,9G
Strigiformes.
Asio scops L 1a) 153 8 |
Syrnium aluco L 10:6,251 475 g |13,2:6,6 G
Bubo bubo L 12,5:7,5 | 2800 g
Psittaciformes. |
Melopsittacus undulatus 9:95,23 30.8 |
Shaw
Passeriformes. |
Habropyga subflava Vieill 1.94 mr |
Passer montanus L 10:5 30 8 111,.9:6,8W
Merula merula L 14:4 138 112,1:6 G
Corvus corax L 11:6,25| 1500 & || 12:6,4G
Ein r beim Mittelwert bedeutet, die Blutkörperchen wurden abgerundet
gemessen ; ein sp, sie wurden noch im spitzen Zustand gemessen. G — Messung
von Gulliver G; H — Messung nach Hayem; W —= Messung nach Welcker.
414 Wilhelm Venzlaff:
Tabelle.
Wie aus der Tabelle hervorgeht, wurde von jedem Vogel
auf die obenbeschriebene Weise der Mittelwert bestimmt, das
Maximum und Minimum gemessen und jeder Vogel zur Bestimmung
seiner Körpergrösse gewogen.
Mit dem Maximum und Minimum als rein objektiven
Messungen, bei denen jeder subjektive Faktor ausgeschaltet ist,
ist nicht nur der Spielraum festgestellt, innerhalb dessen die
(Grössen der Blutkörperchen variieren, vor allem ist damit auch
eine Kontrolle des Mittelwertes gegeben. Ferner zeigen beide.
dass das Verhältnis der grossen und kleinen Achse bei den ver-
schiedenen Blutkörperchen eines Vogels nicht konstant ist. Be-
sonders grosse Schwankungen zeigen in dieser Beziehung solche
Vögel, bei denen sich die Blutkörperchen schnell und stark
abrunden, wo also nicht die richtigen Verhältnisse zutage treten.
So fand ich z. B. bei Bubo bubo die Werte 9 «u kreisrund,
12.327.534: 216: 1.5. 15:8 wr271,928.0;,%1,9:90u.,, Berevoeein
deren Blutkörper noch beim Messen spitz bleiben, kann man
jedoch erkennen, dass das Verhältnis bei grösseren Blutkörperchen
zugunsten der grossen Achse verschoben wird. Ein gutes
Beispiel ist Corvus corax; die Werte waren 11:6 u: 12,5:6 u;
14:6,5 u; 15:6 a: 16:6 u. Die kleine Achse ändert sich wenig,
während die grosse stets zunimmt. Der Grund für diese geringe
Änderung der kleinen Achse mag folgender sein: Die Blutkörper
passieren die Arterienkapillaren stets so, dass die grosse Achse
longitudinal gestellt ist und füllen dabei das Lumen ganz aus.
Wenn für sie also die Möglichkeit eines Passierens der Arterien-
kapillaren erhalten bleiben soll, so darf sich die Änderung der
kleinen Achse nur in engen Grenzen vollziehen.
Ist schon das Verhältnis der grossen und kleinen Achse bei
einem Vogel nicht konstant, so kann es nicht wundernehmen,
dass es bei den verschiedenen Vögeln ein äusserst schwankendes
ist, selbst wenn man sich nur auf diejenigen bezieht, deren Blut-
körper noch während der Messung spitz bleiben, wo es also noch
nicht durch die Reagentien verändert ist. Merula merula
14:5,5 = 2,54 u; Corvus corax 15:6,25 — 2,4; Haematopus ostra-
legus: 15,9:..7. — 2,22, u; Jamosazlapponica 15.77 2.14 27 Fbei
Blutkörperchen, die schon abgerundet gemessen sind, nimmt das
Verhältnis zugunsten der kleinen Achse zu.
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 415
Die verschiedene Messung im spitzen oder runden Zustande
bereitet auch bei der Grössenvergleichung der einzelnen Mittel-
werte Schwierigkeiten. Es ist ausgeschlossen, dass beispielsweise
ein Mittelwert von 15:7 u spitz gemessen etwa einem solchen
von 15:7 u rund gemessen gleich ist, aber es ist auch nicht
entscheidbar, welchen Zuwachs die kleine Achse bei einer
bestimmten Verkürzung der grossen Achse erfährt. Ich ver-
suchte, um eine exakte Grössenvergleichung vornehmen zu können,
die Grössenbestimmung der Blutkörper nur von einer messbaren
Ausdehnung abhängig zu machen. Ich liess Blutkörperchen in
0,2°/o NaCl-Lösung zu Kugeln aufschwellen, um nach Messung
des Durchmessers und nach Abzug des nach den osmotischen
Gesetzen in die Zelle eingedrungenen Wassers eine Volumen-
berechnung vorzunehmen. Aber abgesehen davon, dass der
weitaus grösste Teil der Blutkörperchen zerplatzte, ich also zur
Mittelwertbestimmung nicht die genügende Anzahl von Grössen
zur Verfügung hatte, sah ich vor allen Dingen keine Möglichkeit,
zu entscheiden, wann die Blutkörper voll zur Kugel aufgeschwollen
waren; sowohl in 0,25°/o NaCl-Lösung, wie in 0,2°/o und 0,15°/o
erschienen die Blutkörperchen nach 15—20 Minuten im Mikroskop
als Kugeln, was den Gesetzen des osmotischen Druckes wider-
spricht.
Auch eine andere Eigenschaft der roten Blutkörperchen,
sich bei längerem Stehen in isotonen Kochsalzlösungen zu kreis-
runden Scheiben abzurunden, versuchte ich mir in dieser Beziehung
zunutze zu machen. Wenn es auch gelingt. namentlich bei sich
schnell abrundenden Formen, das Phänomen zu erhalten, so
musste ich jedoch auch hier verzichten, eine exakte Vergleichung
zu ermöglichen, da alle spitzen Formen und viele runde nach
einiger Zeit so stark lädiert erscheinen, dass eine richtige Messung
nicht mehr möglich ist.
Ich kann daher nur eine angenäherte Grössenvergleichung
in meinen Betrachtungen vornehmen.
Es tritt jedoch auch bei einer solchen eine Regel deutlich
hervor:
In allen systematisch einheitlichen Familien
hat der grössere Vogeldie grösseren Blutkörperchen.
Diese Regel zeigen deutlich die Columbidae, Rallidae,
Scolopacidae, Charadriidae, Anatidae, Ardeidae, Falconidae, Striges,
416 Wilhelm Venzlaff:
Passeriformes. Freilich sind in den verschiedenen Familien die
Körpergrössenunterschiede, die auch einen messbaren Unterschied
im Mittelwert hervorrufen, recht verschieden. Bei den Rallen
ruft schon ein Unterschied von etwa 200 g ein erhebliches
Wachsen des Mittelwertes hervor, während bei den Enten Cygnus
olor, der über dreimal so schwer ist, wie Choristopus melano-
leucus, den gleichen Mittelwert wie dieser hat. Es braucht also
ein grösserer (rewichtsunterschied noch keine Differenz im Mittel-
wert hervorzurufen, jedoch hat nie der grössere Vogel einer
Familie kleinere Blutkörperchen als ein kleinerer der gleichen
Familie.
Von dieser wichtigen Regel findet, wie die Tabelle zeigt,
eine Ausnahme bei den Ratitae und Phasianidae statt. Obwohl
Casuarius erheblich kleiner ist als Struthio, hat er doch einen
grösseren Mittelwert (19:9,5 und 18:9 «). Man hat jedoch
schon seit längerer Zeit als feststehend angenommen, dass wir
in den drei untersuchten Formen nicht nahverwandte Vertreter
einer grossen Gruppe vor uns haben, sondern dass es sich bei
ihnen nur um Konvergenzerscheinungen handelt. Ich möchte
daher die Tatsache, dass in dieser Gruppe das Wachsen des
Mittelwertes gegen die abgeleitete Regel stattfindet, eher als
Beweis jener Meinung gelten, als sie gegen die Regel sprechen
lassen. Einer merkwürdigen Tatsache begegnen wir bei den
Phasianidae. Die drei untersuchten Hühner haben trotz grosser
Körperunterschiede (400 g: 1550 g:; 4500 g) gleichgrossen
Mittelwert; Putermännchen und -weibchen haben kleinere Blut-
körperchen als die Pfauhenne, obgleich die Gewichte nach der
abgeleiteten Regel ganz andere Ergebnisse forderten. Ich glaube
nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Abweichungen, mindestens
bei echten Hühnern als ein Ergebnis der Rassenzucht betrachte.
Die schnelle Heranzüchtung grosser Formen aus kleinen hat noch
kein Wachsen der Blutkörperchen hervorrufen können. Bei dieser
Erklärung müsste die Stammform des Puters nur etwa ebenso
gross sein wie Pavo, und bei der Aufstellung der Stammform
der Hühner kämen nur solche Spezies in Betracht, die mit nah-
verwandten wildlebenden Formen der Grössenregel gehorchten.
Eine vergleichende Untersuchung, die ich nach diesem Urteil
über die Rassenzucht an Tauben vorgenommen habe, hat mich
in meiner Meinung bestärkt. Wieder hat hier eine durch die
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 417
Zucht schnell an Körpergewicht vergrösserte Form, die Römer-
taube, den gleichen Mittelwert wie Columba livia, obgleich sie
über doppelt so gross ist, und diese Differenz bei solchen (rewichten
liegt, wo in allen anderen Familien sicher ein messbarer Unter-
schied aufgetreten wäre. Freilich zeigen auch die Möven die
Eigentümlichkeit, dass bei grösseren Gewichtsunterschieden keine
Änderung des Mittelwertes eintritt. Es ist mir jedoch nicht
möglich gewesen, hierfür einen Grund aufzufinden.
Ein Vergleich der Durchschnittsgrössen der Blutkörperchen
der einzelnen Familien oder exakter, Vergleichungen der Mittel-
werte gleichgrosser Vögel aus verschiedenen Familien, zeigt, dass
diese recht verschieden sind. Jedoch lässt sich wohl kaum ein
Prinzip aufstellen, das allgemein diese Verschiedenheiten in sich
begreift. Bei einer Vergleichung der Rallidae, Striges, Ardeidae
einerseits und der Columbidae, Falconidae, Passeres andererseits
scheint ein Einfluss der Lebensweise unverkennbar. Die erste
(‚aruppe weist bei einer wenig körperliche Arbeit erfordernden
Lebensweise verhältnismässig grosse Mittelwerte auf, während die
zweite als gute Flieger, die durch ihre Bewegungsart hohe Arbeit
zu leisten gezwungen sind, weit kleinere Blutkörper hat. So hat
ÖOrtygometra porzana (15:6,25 u) grössere Blutkörperchen als
die etwa gleichgrosse Peristera afra (12.5:7 ı) und Merula merula
(14:5,5 «) und auch noch grössere als der um 50 g schwerere
Cerchneis sparverioides (12,5:7 u); das Gleiche gilt von Ardetta
minuta (14,5:7 «) und Asio scops (14,5:7 «.) einerseits und Turtur
douraca (12,5:7 «) andererseits. Nicht minder auffällig sind die
Unterschiede zwischen den etwa gleichgrossen Gallinula chloropus
(15:7,5 «) und Tinnunculus tin. (13:7,5 u), zwischen Syrnium
aluco (15:7.,5 u) und Columba livia (14:7 «) und endlich zwischen
Ardea cocoi (16:7,5 «) und Bubo bubo (16:7,5 «) einerseits und
dem bedeutend schwereren Aquila chrysaetus (15,5:7,5 «) anderer-
seits. Alle Vergleichungen zeigen deutlich, dass die wenig
fliegenden Formen weit grössere Blutkörper haben als die guten
Flieger. Man könnte diese Tatsache durch das Zusammenwirken
zweier Faktoren erklären. Die guten Flieger erreichen durch
die kleineren Blutkörper einen lebhafteren Gasaustausch: ferner
wird durch den schnelleren Blutkörperchenverbrauch bei der viel
Arbeit erfordernden Lebensweise den Erythrozyten die Möglichkeit
genommen, zu grossen Formen heranzuwachsen.
418 Wilhelm Venzlaft:
Diesem durch die Vergleichung obiger Gruppen gewonnenen
Resultat widersprechen vor allem die Befunde bei den Hühnern.
Diese haben trotz ihrer bodenständigen Lebensweise auffallend
kleine Blutkörperchen. Die etwa 9mal so schwere Wachtel hat
den gleichen Mittelwert (11,25:6,25 u) wie Habropyga subtlava
(11:6,25 «) und mit Ausnahme von Pavo cristatus weisen alle
untersuchten Vertreter dieser Familie, z. B. den Falken gegen-
über, kleinere Blutkörper auf als sie nach ihrer Körpergrösse
und der oben abgeleiteten Regel haben dürften. Wenn auch
diese Befunde durch die Deutung, die ich über Einwirkung der
Zucht gegeben habe, geändert werden, so kommen doch noch
den Hühnern verhältnismässig kleine Blutkörper zu.
Eine eigentümliche Stellung zu der gefolgerten Einwirkung
der Lebensweise nehmen die Laridae auf Grund ihrer gleichen
Mittelwerte ein. Während sich Larus marinus dem Prinzip noch
recht gut fügt, passt Larus fucus wenig-und Larus ridibundus
gar nicht hinein.
Die Charadriidae und Anatidae, die mit ihrer Lebensweise
zwischen den beiden oben aufgestellten Gruppen in der Mitte
stehen, fügen sich dem abgeleiteten Prinzip sehr gut.
3evor ich in meinen Darstellungen fortfahre, möchte ich
nicht versäumen, meine Messungen mit denen anderer Autoren
zu vergleichen. Sehr umfangreiche Messungen sind von Gulliver
(1845) angestellt worden. Seine Zahlen, die ich in der Tabelle
angeführt habe, sind durchweg bedeutend kleiner als die meinigen.
Da Gulliver nicht die Art und Weise angibt, wie er einen
Mittelwert zwischen den verschieden grossen Blutkörperchen des
Vogels zieht, bin ich ausserstande, über die vorliegenden Differenzen
eine Erklärung zu geben. Auch die beiden nach Hayem an-
gegebenen Werte sind kleiner als meine. Anders steht es mit
denen Welckers. Mit Ausnahme des für Gallus dom., den er
wohl von Gulliver übernommen hat, was durch die zu genaue
Übereinstimmung der Zahl möglich erscheint, lassen sich seine
Messungen sehr gut mit meinen in Einklang bringen. Die Blut-
körperchen der Taube hat Welcker in einem weniger ab-
gerundeten Stadium wie ich gemessen, die grosse Achse ist etwas
grösser, die kleine um entsprechendes kleiner. Passer montanus
und die Ente, nach meiner Schätzung von der Grösse von Anas
superciliosa, habe ich in weniger abgerundetem Zustand gemessen.
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 419
Die Anzahl der roten Blutkörperchen.
Die Anzahl der roten Blutkörperchen, welche die verschiedenen
Vögel in einem cmm Blut besitzen, ist ausserordentlich ver-
schieden. Ich konnte bei meinen Zählungen ein Minimum von
1 715 000 und ein Maximum von 5400 000 feststellen. Soviel
ich weiss, sind bisher keine Untersuchungen vorgenommen worden,
um diese Differenzen in der Zahl, die ihre Gründe haben müssen,
aufzuklären. Ich möchte nun im folgenden Abschnitt den Ver-
such unternehmen, die Faktoren zu skizzieren, die in der Haupt-
sache diese Unterschiede bedingen.
Man wird nun gerade in Hinsicht solcher Untersuchungen
gegen das von mir verwandte Material Bedenken erheben können.
Die Gefangenschaft schadet den Tieren, vor allem Vögeln; es
werden bei den Untersuchungen nicht die natürlichen Verhältnisse
zutage treten. Allein ich konnte mich im Laufe der Unter-
suchungen, namentlich auch durch Vergleiche mit freilebenden
Formen, was ich an geeigneten Stellen ausführen werde, davon
überzeugen, dass sich das Vogelmaterial eines zoologischen Gartens
weit besser als frisch aus der Natur genommenes eignet, wenn
man nur vorsichtig genug bei seiner Auswahl verfährt, d.h.
zunächst sich an solche Familien hält, die die Gefangenschaft
gut vertragen, und dann stets nur solche Exemplare nimmt, die
sicher durchaus gesund sind. Die Nachteile einer Gefangenschaft
werden auch dadurch verringert, dass man sich bemüht, die
Vögel möglichst ihrer Lebensweise entsprechend gefangen zu
halten, und gerade in dieser Hinsicht ist das Material des Berliner
Zoologischen Gartens ein sehr günstiges, da bei den reichen
Mitteln, die zur Verfügung stehen, und der grossen Sorgfalt, die
darauf verwandt wird, zum Teil Bedingungen geschaffen werden,
die einem Naturleben sehr nahe kommen. Den durch die Ge-
fangenschaft hervorgerufenen Nachteilen stehen unleugbar grosse
Vorteile gegenüber. Es werden viele Faktoren ausgeschaltet,
die in der Natur auf die Zahl einwirken und die Grundregeln
verschleiern würden. Die Tiere halten sich alle am selben Ort
auf, die Temperatur, die Luftdichte sind dieselben, kurz Klima-
und Ortsunterschiede scheiden als zu beachtende Faktoren aus.
Ferner haben alle Vögel eine gleich gute und reichliche Fr-
nährung ; da ich mich durch Experimente von dem grossen Einfluss
dieses Faktors überzeugen konnte (ich werde es an den geeigneten
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 29
420 Wilhelm Venzlaff:
Stellen näher ausführen) muss ich gerade dies als den grössten
Vorteil der Gefangenhaltung dem Freileben gegenüber bezeichnen.
In diesen bisherigen Überlegungen werde ich durch Unter-
suchungen von Fatham an Haselhühnern bestärkt. Er hat
Zählungen an 50 Individuen dieser Art vorgenommen und ein
Minimum von 3 600 000 und ein Maximum von 5 800 000 fest-
gestellt, ein Unterschied, wie ich ihn nie bei meinen ganzen
Untersuchungen vorfand, und der es von vornherein als unmöglich
erscheinen lässt, Regeln, welche die Zahl der Blutkörperchen
beherrschen, aufzufinden. Freilich scheint mir hier eine andere
Erklärung als die Einwirkung nicht kontrollierbarer Faktoren in
der Natur möglich. Fatham gibt an, dass er Untersuchungen
nur an zwölf lebenden Tieren vorgenommen habe, die übrigen
waren frisch getötet: die Todesart gibt er nicht an. Nun ist
man, wie ich glaube, nur dann gezwungen, Untersuchungen an
getötetem Material vorzunehmen, wenn man sich an geschossene
Tiere hält. Sollte dies der Fall gewesen sein, so dürften die
an frisch getöteten Tieren vorgenommenen Resultate keine Gültig-
keit haben. Es wird nämlich bei Blutverlusten nach kurzer Zeit
dem Blut aus allen Organen Flüssigkeit zugeführt, so dass das
Blutbild wesentlich geändert wird. Ich hatte selbst Gelegenheit,
mich hiervon an einer flügellahm geschossenen Columba palumbusL.
zu überzeugen, die ich erst eine Stunde nach dem Schuss unter-
suchen konnte. Die Zahl der roten Blutkörper in 1 cmm betrug
ungefähr nur die Hälfte der Zahl, die ich als Durchschnitt bei
der Haustaube festgestellt hatte. Ich möchte mich also zunächst
dahin aussprechen, dass die grosse von Fatham festgestellte
Differenz mehr ihre Erklärung durch die Todesart als durch
Eigentümlichkeit der Individuen findet.
Für meine Zählungen stand mir ein Thoma-Zeissscher
Zählapparat zur Verfügung. Als Verdünnungsflüssigkeit benutzte
ich anfangs 0,65°/o Na Cl-Lösung. Ich setzte jedoch später zu
je 200 cem dieser Lösung 100 ccm konzentrierten Glyzerins
hinzu, um so fast das spezifische Gewicht des Blutes zu erreichen.
Ich hatte nämlich bei meinen ersten Zählungen bemerkt, dass
die Verteilung auf dem Zählnetz zu wünschen übrig liess. Die
Zählungen an demselben Tier unterschieden sich nicht selten um
3—400 000. Ich musste dies dem Umstande zuschreiben, dass
die Blutkörper in dem in die Zählkammer gebrachten Tropfen
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 421
schnell zu Boden sanken, so dass beim Auflegen des Deckglases
die Verteilung im Tropfen schon nicht mehr gleichmässig war.
Ich musste also der Zählflüssigkeit eine chemisch indifferente
Flüssigkeit zusetzen, welche ein höheres spezifisches Gewicht als
Wasser hatte und keine osmotischen Wirkungen ausübte. Glyzerin
hat die geforderten Eigenschaften in vollstem Umfange. Erst
später fand ich, dass wahrscheinlich aus dem gleichen Grunde
in der Hayemschen Zähltlüssigkeit 30 ccm Glyzerin in 100 ccm
Flüssigkeit enthalten sind. Ich erreichte durch den Zusatz von
Glyzerin auch das Gewünschte. Erst nach fünf Minuten waren
die Blutkörper in der Zählkammer zu Boden gesunken und die
Verteilung auf dem Zählnetz war meistens gut. Die grossen
Differenzen bei Zählungen desselben Individuums blieben aus,
manche unterschieden sich bei etwa 1500 gezählten Blutkörpern
nur um zwei im Endresultat. Kamen aber grössere Differenzen
vor, welche ich jedoch mehr auf in der Eile der Blutentnahme
nicht bemerkte Fehler als auf technische Mängel zurückführen
möchte, so wurden die Zählungen solange wiederholt, bis ich
über die richtige Zahl nicht mehr im Zweifel sein konnte.
Gewöhnlich wurden von jedem Vogel zwei Zählungen gemacht.
Die Verdünnung wurde meist 100 fach genommen, die geringste
Verdünnung, die mit Blutpipetten zu erzielen ist, um hierdurch
die Zahl, mit der die gezählten Blutkörperchen zu multiplizieren
sind, möglichst klein zu bekommen. Nur bei Vögeln, die 4 000 000
und mehr Blutkörper in 1 cmm hatten, wurde die Verdünnung
150 fach genommen. Das Blut zu Zählungen entnahm ich stets
einer Armvene. Im übrigen hielt ich mich an die für die Zähl-
technik allgemein gültigen Vorschriften.
: Tabelle. (Seite 422 und 423.)
Die Tabelle unterscheidet sich von der früher aufgestellten
dadurch, dass noch die Zahl der Blutkörper in 1 cemm und die
Durchschnittsgewichte, die Dr. Heinroth durch lange Jahre
gesammelt hat, hinzugefügt sind, letzteres um den Ernährungs-
und Gesundheitszustand der untersuchten Individuen zu beurteilen.
Mittelwert und Gewicht sind beibehalten, da sie für die Zahl von
grosser Wichtigkeit sind.
Bei der Auswahl der Familien wurde vor allem darauf
geachtet, dass sie verschiedene, in der Familie aber möglichst
29*
422
Wilhelm Venzlaff:
Tabelle zu dem Kapitel: Die Anzahl der roten Blutkörperchen.
| | en
” r H t
Mittelw a Anzahl | Gewicht | Gulacht unBz
In u die festgestell-
n | ten Gewichte
Struthiomorphea. | |
Casuarius galeatus Bonn |20 : 10—18 : 9) 2 560 000 | 36 kg
Rhea americana L 17,5:9 12010000 | 113/ı kg
Struthio camelus L 18:8 2 560 000
Tinamiformes. |
Rhynchotus rufescens 16,25: 6,25 12290000 | 910 g gut
Temm | | |
|
Galliformes. | |
Coturnix coturnix LU 11,25: 6,25 | 4 030 000 | 9% | gut
Zwerghahn 14:7 3316 000 400 & |
Negerhahn a | 3322000) 1550 g |
Langshanhahn | abe 13376000 | 4500 g |
Numida meleagris L | tt 2 700 000 | 1500 & |
Pavo cristatus L | 16:75 12094000| 4000 & | fett 6500 g
Weibehen | | Männchen
Meleagris gallopavo L | 155:7 |2370000| 4500 g
Weibchen |
Meleagris gallopavo L 15,5:7,5 ||2 240 000 || 12500 g
Männchen |
Columbiformes.
Peristera afra L 125237 3 282 000 1078, leidlich
Turtur douraca Hodgs 13:7 14200000 150 g
Columba livia L 14:7 3600000) 400 g | Durchschnitt
I
Lariformes. | |
Larus ridibundus L 15:7,5 3285000 280 g gut
Larus marinus L 15:75 3360000 | 1500 & 1500-1800 g
Gralliformes.
a) Rallidae.
ÖOrtygometra porzana L 14:7 2 565 000 38 gut
Gallinula chloropus L 15:75 || 2 270 000 275 g | 164-300 &
Porphyrio poliocephalus 16:7,5 |1715000| 465 g
Lath |
b) Scolopacidae. |
Tringa canutus L 15:6,25 |3210000| 115 8 |
Limosa lapponica L DEE 3390 000| 230 & \ gut
Die roten Blutkörperchen der Vögel.
425
Tabelle zu dem Kapitel: Die Anzahl der roten Blutkörperchen.
| I ‚Heinrothsche
| itte » ewichte un
lern yes Anzahl | Gewicht | @ufacht. über
| N u | die festgestell-
| | ten Gewichte
ı
c) Charadriidae. |
Charadrius dubius Scop| 15:6,25 |3500 000 | 55 8 ||38 g; also fett
Vanellus cayennensis Gm| 15,5:7 29200001 299 8
Haematopusleucopus Garn| 15,5:7 ,2870000| 665 g er
| t |
Anseriformes. | |
Nettion ereeca L 11,5 26,25 18 120/000) 250727 | here
Anas superciliosa Gm|\ 14,5:7 2800000) 1150 & |
(Schwimmente) | | | INRENPF RS
Fuligula marila L 14,5:7 2 675000)| 1450 g | 17° Mazeen
(Tauchente) | |
Choristopus melanoleucus 16:75 12200000 | 2625 8
Less | | ü
Oygnus oler Lu, | 16:75 12165 na Es, nuhen,:
1 | |
Ardeidae. | |
Ardetta minuta L | 14,5:7 3 450 000 | 145 g | frei 250 g
Ardetta erythromelas VöezlZ | 15:8 3140000| 500 g | 500-575 g
Ardea cocoi F. Heron 16:75 12 700 000 | 2000 & || 1930 g fett
Falconiformes. |
Gerchneis sparverioides Vig | 12,5:7 !3360000| 135 g
Tinnunenlus tin L 13:75 3.030 000 | 280 g A Durch,
Buteo vulgaris Bcht 15,5:7,5 12700000 1500 g | 500-1840 g
Aquila chrysastus L | 1585:7,5 |2350000| 4600 g | Weihchen fett
|
Strigiformes. |
Asio scops L 147 35500001 155 g
Syrnium aluco L 15:75 123200001 475 g
Bubo bubo L | 16:75 12100000) 2800 &
|
Psittaciformes. | | |
Melopsittacus undulatus 12,5:5,5 ||4 300 000 | 30 g | Durchschnitt
Shaw |
Passeriformes. |
Habropyga subflava Vieoll 11:6,25 | 5 400 000 10 &
Passer montanus L 12,5: 6,25 5 200 000 308 | Y
Merula merula L 14'5,5:°)1'3:026 000 base | Darchsern ll
Corvus corax L 15:6,25 113925000 || 1500 & gut
Die vierte Spalte enthält Gewichte, die mir Dr. Heinroth, praktisch
wissenschaftlicher Leiter des Berliner Zool. Gartens, überliess, und die er
durch Jahre gesammelt hat.
424 Wilhelm Venzlaff:
gleichartige Lebensweise hatten, dass sie systematisch einheitlich
waren und ihre Gefangenhaltung im hiesigen Zoologischen Garten
möglichst ihrer Lebensweise gleichkam. Aus jeder Ordnung wurde
die charakteristischste Familie ausgewählt und mehr als eine
Familie, wenn die obengenannten Gesichtspunkte es erforderlich
machten. Von den vorhandenen Ordnungen sind nicht untersucht
worden: Die Apterygiformes, Procellariformes, Pygodes und Pices,
weil keine Vertreter hiervon vorhanden waren. Ferner nicht die
Cypselimorphae: es ist mir trotz meiner Bemühungen nicht
gelungen, eines Seglers habhaft zu werden, und die anderen
Familien waren nur in so wertvollen Exemplaren vertreten, dass
ich von einer Untersuchung absah. Von den Sphenisciformes und
Steganopodes waren für meine Zwecke nicht genügend in der
Grösse ausreichend verschiedene Exemplare vorhanden. Von den
Tinamiformes konnte ich nur Rhynchotus rufescens untersuchen:
Crypturus starb mir bei der Blutentnahme an Herzkrämpfen, und
ich wollte mich nicht der Gefahr aussetzen, noch andere so teure
Exemplare dieser Ordnung durch meine Untersuchungen zu töten,
da auch sie schon infolge längerer Gefangenschaft an Herz-
schwäche litten. Von den gewählten Familien wurden drei Exem-
plare untersucht, eine kleine, eine mittlere und eine grössere
Form. Nur in solchen Familien wurden mehr als drei Arten
untersucht, wo eine Spezies durch eine abweichende Lebensweise
etwas Neues zu zeigen versprach, oder zur Bestätigung eines bei
der Familie aufgetauchten Gesichtspunktes die Untersuchung einer
grösseren Anzahl nötig war.
Vergleicht man die in den einzelnen Familien erhaltenen
Zahlen, so ergibt sich folgende, einfache Grundregel:
In jeder Familie, deren Arten eine Lebensweise
haben, die annähernd die gleiche körperliche Arbeit
erfordert, hat der Vogel, welcher die kleineren Blut-
körperchen hat, die grössere Zahl.
Diese Regel zeigt sich deutlich bei den Phasianidae, Rallidae,
Charadriidae, Anatidae, Ardeidae und Striges; von 45 unter-
suchten Vögeln verschaffen also 29 dieser Regel Geltung. So
einfach und selbstverständlich sie ist, so gut ist sie geeignet, in
die verworrenen Zahlen der roten Blutkörperchen bei den einzelnen
Vögeln Licht zu bringen. Diese Regel muss zunächst feststehen,
wenn man über andere Faktoren, die noch die Zahl beeinflussen,
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 425
ein richtiges Urteil gewinnen will. Kommen diese nicht in
Betracht, so kann man auf Grund der Regel in folgender Art
vorherbestimmen, wieviel Blutkörper der Vogel im cmm hat.
Kennt man von zwei Arten einer Familie den Mittelwert und die
Zahl, so kann man von einem dritten Vogel derselben Familie,
von dem man den Mittelwert der Blutkörper kennt, die Zahl
angenähert angeben, da diese zwischen den beiden obengenannten
liegen muss, — näher der einen oder der anderen Zahl, je nach-
dem der Mittelwert sich mehr dem einen oder anderen nähert.
Diese Vorherbestimmung nahm ich, nachdem ich die Regel
erkannt hatte, bei meinen Untersuchungen stets vor, und es
gelang mir in den meisten Fällen, die Zahlen bis auf die Hundert-
tausende genau zu bestimmen. Freilich muss stets untersucht
werden, ob nicht andere Faktoren, deren Einwirkung ich später
diskutieren will, Abweichung von der Regel erfordern. Aus der
Regel ist auch ersichtlich, wie wichtig es ist, den wahren Mittel-
wert der Blutkörper eines Vogels zu kennen, denn schon ganz
geringe Differenzen rufen eine beträchtlicke Änderung in der
Zahl hervor. So hat Columba livia bei einer um 1 u grösseren
Hauptsache des Mittelwertes 700 000 Blutkörper in 1 cmm weniger
als Turtur douraca: zwischen Gallinula chloropus und Porphyrio
poliocephalus ruft der gleiche Unterschied im Mittelwert eine
Differenz von 550 000 in der Zahl hervor. Man kann umgekehrt
nach der festgestellten Regel die Zahlen als objektixe Daten dazu
benutzen, die Mittelwerte auf ihre Genauigkeit zu prüfen. So
zeigt 2. B. der grosse Unterschied der Zahlen von Buteo vulgaris
und Aquila chrysaätus, dass der spitzgemessene Mittelwert
(15,5:7,5 u) von Buteo vulgaris kleiner als der rund gemessene
(15,5:7,5 a) von Aquila chrysaötus ist; die Differenz zwischen
den Zahlen von Meleagris gallopavo Männchen und Weibchen
bestätigt, dass auch ein Unterschied im Mittelwert vorliegen
muss, an dem man nach der Messung allein hätte zweifeln können;
bei Ardetta erythromelas und Ardea cocoi zeigt die Zahlendifferenz,
dass ein Mittelwert von 15:8 u kleiner als ein solcher von
167,52 sk:
Ein Ergebnis der Regel wäre, dass Vögel mit gleichgrossem
Mittelwert gleich viel Blutkörper im cmm haben müssen, wenn
ihre Lebensweise nicht wesentlich voneinander verschieden ist.
In der Tat ist dies der Fall. und das Stattfinden dieser Folgerung
426 Wilhelm Venzlaff:
ist ein guter Beweis, dass die Regel zu Recht besteht. Pavo
eristatus, Uhoristopus melanoleucus, Oygnus olor, Bubo bubo haben
den gleichen Mittelwert 16:7,5 « und die gleiche Zahl 2094 000;
2200000; 2165000; 2100000. Die geringen Differenzen zeigen
auch gleichzeitig, auf welchen Unterschieden man Schlüsse auf-
bauen kann. Ferner haben Vanellus cayennensis und Haematopus
leucopus gleichgrosse Blutkörper, ihre Zahlen unterscheiden sich
nur um 50000. Dasselbe gilt von Larus ridibundus und Larus
marinus, der Unterschied beträgt nur 75000. Die Zählungen
von Ardea cocoi nahm ich an zwei verschiedenen Individuen vor
und fand nur eine Differenz von 40000. Die drei verschieden
grossen Hühner haben bei gleichem Mittelwert von 14:7 u fast
genau gleiche Zahlen, — der grösste Unterschied beträgt nur 60000.
Wie der Regel über die Grösse der Blutkörper, so wider-
sprechen auch hier die Strausse der abgeleiteten Regel. Freilich
kann ich bei ihnen für die Richtigkeit der Zahlen nicht bürgen.
Ich konnte nämlich nur von Casuarius geleatus 2 Zählungen
machen, da es 3 mal gelang ihn genügend festzuhalten. Bei den
anderen ausserordentlich scheuen Tieren war dies nur 2 mal
möglich, so dass ich für die angegebenen Zahlen keine Kontroll-
zählung anstellen konnte. Es ist sehr leicht möglich, dass ich
bei der sehr schwierigen Blutentnahme nicht beachtete Fehler
begangen habe.
Ein zweiter Faktor, der auf die Zahl der roten Blutkörper
allgemein bestimmend einwirkt, ist die ständige körperliche Arbeit,
die ein Vogel bei seiner Lebensweise zu leisten hat. Da die
roten Blutkörper die Funktionen haben, den Sauerstoff aus der
Luft zu entnehmen und den einzelnen Teilen des Körpers zwecks
Verbrennung energiehaltiger Stoffe zuzuführen, wird man ver-
muten können, dass z. B. eine Lebensweise, die hohe energetische
Leistungen fordert, eine Erhöhung der Zahl der roten Blutkörper-
chen im ecmm zur Folge hat. Dem ist in der Tat so, wie ich
durch meine Untersuchungen zeigen kann. Bei der Verfolgung
dieses Gesichtspunktes in den Untersuchungen machen sich die
Nachteile geltend, die einem Material von gefangenen Vögeln
anhaften. Wie ich schon früher erwähnte, ist es ausgeschlossen,
den Tieren in der Gefangenschaft die Lebensumstände zu ver-
schaffen, die denen der Natur gleichkommen. Die Zahl der
Familien an denen man die Einwirkung der Lebensweise auf die
rm
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 427
Zahl der roten Blutkörper zeigen kann, wird beschränkt; auch
darf ich mich bei den Ausführungen über diesen Gesichtspunkt
nicht auf die Lebensweise der Tiere in der Natur stützen, sondern
muss die Gefangenhaltung im Zoologischen Garten zugrunde
legen, denn die Einwirkung der Faktoren auf die Zahl macht
sich schon in kurzer Zeit, einigen Wochen, geltend, wie aus
Beispielen der Literatur hinlänglich bekannt ist. Ein sehr gutes
Beispiel ist das von Viault berichtete; schon nach 14 Tagen
Aufenthalt auf dem Chimborazzo konnte er bei sich und seinen
Begleitern eine starke Vermehrung der roten Blutkörper von 5
auf 7 Millionen feststellen.
Von den durch mich untersuchten Familien stehen als gute
Flieger den mehr am Boden lebenden oder weniger fliegenden
Formen folgende fünf Familien gegenüber: Columbidae, Laridae,
Falconidae, Scolopacidae und Passeres. Von diesen wurden Columba
livia und Turtur douraca freifliegend gehalten, Peristera afra,
Cerchneis spaverioides und Habropyga subflava in engen Käfigen,
die Falken, mit Ausnahme von Aquila chrysaätus, die Schnepfen
und Corvus corax in grösseren Käfigen, die ihnen ein ausgiebiges
'Fliegen jedoch nicht gestatten, die Möven in einer grossen Voliere,
Merula merula und Passer montanus wurden im Freien gefangen.
Schon an diesen verschieden gefangen gehaltenen Tieren lässt
sich ein Einfluss der Lebensweise gut zeigen. Die Arten, denen
durch die Gefangenschaft in engeren Käfigen die Möglichkeit einer
ausgiebigen Bewegung genommen ist, zeigen durchweg geringere
Zahlen. Peristera afra müsste eine grössere Zahl von Erythrozyten
in cmm als Turtur douraca nnd Columba livia haben, da sie einen
kleineren Mittelwert von 12,5:7 u gegen 15:7 « und 14:7 u
hat, nichtsdestoweniger übertrifft sie Turtur douraca um etwa
900000 und Columba livia um 300 000 ; mit Cerchneis sparverioides,
der den gleichen Mittelwert (12,5:7 «) hat und genau so gefangen
gehalten war, wie sie, hat sie annähernd die gleiche Zahl (3252000
und 3360000). Die Möven zeigen bei einer fast dem Naturleben
gleichen Gefangenhaltung weit höhere Zahlen als Peristera afra,
Uerchneis sparverioides und Tinnunculus tinnuneulus, obgleich sie
noch grössere Mittelwerte haben; mit den Schnepfen, die nur wenig
kleinere Mittelwerte haben, haben sie gleiche Zahlen, so dass auch
ihnen gegenüber sich noch gut der Einfluss der natürlichen
(refangenhaltung zeigt. Schliesslich hat der freilebende Passer
4238 Wilhelm Venzlaff:
montanus bei grösserem Mittelwert (12,5: 6.25 u gegen 11:6.25 u)
eine nur wenig kleinere Zahl als Habropyga subflava (5 200 000
und 5 400000).
Weit besser als bei der Vergleichung der guten Flieger
untereinander zeigt sich die Einwirkung des Faktors bei einer
Gegenüberstellung der einzelnen Familien mit ihrer Lebensweise,
also Columbidae, Laridae, Falconidae, Passeres einerseits und der
Phasianidae, Rallidae, Anatidae, Striges andererseits. Die erste
Gruppe zeigt im allgemeinen weit höhere Zahlen als die zweite.
Freilich muss man sich hier mehr als vorhin gegenwärtig halten,
dass die zweite Gruppe grössere Mittelwerte, darum also auch
schon kleinere Zahlen hat. Jedoch auch dann weisen die zuerst
genannten Familien höhere Zahlen auf. Sehr auffällig ist der
Unterschied zwischen den beiden Extremen der aufgestellten
(Gruppen, den Columbidae und Laridae gegen die Rallidae. Columba
livia hat bei gleichem Mittelwert (14:7 u) wie Ortygometra
porzana etwa 1000000 mehr; desgleichen Larus ridibundus und
Larus marinus (15:7,5 «) im Vergleich zu Gallinula chloropus,
die mit ihnen gleiche Norm hat. Auch die Vergleiche zwischen
Columba livia (14:7 a und 3600000) einerseits und Zwerghahn,
Negerhahn, Langshan (14:7 «u und im Durchschnitt 3 350 000),
Anas supereiliosa (14,5:7 « und 2500000) und Fuligula marila
(14,5:7 u und 2675000) andererseits, zwischen Ooturnix coturnix
(11,25:6,25 «a und 4030000) und Habropyga subflava (11:6,25 u
und 5400000), den Möven und Asio scops, Limosa lapponica und
Numida geben ein gleiches Resultat. Die Charadriidae halten
sowohl in der Lebensweise als auch in der Zahl zwischen den
beiden Gruppen die Mitte. Wenn ich also auch die Ein-
wirkung der Lebensweise nicht in so ausgiebiger Weise dar-
legen kann, wie ich dies bei der zuerst entwickelten Regel
getan habe, weil ich für meine Untersuchungen nur gefangen-
gehaltenes Material verwenden konnte, so dürfte es wohl nach
den angeführten Beispielen keinem Zweifel unterliegen, dass
die Lebensweise einen grossen Einfluss auf die Zahl der roten
Blutkörper hat, den man kurz dahin angeben kann, dass eine
Lebensweise, welche stets hohe Arbeitsleistungen erfordert, die
Zahl im Vergleich zu anderen Lebensweisen erhöht. Freilich darf
der (regensatz in der Lebensweise nicht so gering sein, wenn
eine Einwirkung auf die Zahl stattfinden soll. An die Atmungs-
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 429
tätigkeit von Fuligula marila, einer guten Tauchente, werden
sicher höhere Anforderungen gestellt, als an die von Anas super-
ciliosa; es zeigt sich in den Zahlen jedoch kein Unterschied.
Fuligula marila hat bei einem wenig grösseren Mittelwert (jene
Unterschiede, die, wie ich schon ausgeführt, mit Sicherheit nicht
feststellbar sind), etwas weniger an Zahl.
Zum Schluss dieses Abschnittes möchte ich noch einige
Ausführungen über den Einfluss von Ernährungszuständen auf
die Zahl machen. Durch einige Beispiele bei meinen Unter-
suchungen wurde ich auf diesen Faktor aufmerksam und stellte
dann, um darüber Sicherheit zu gewinnen, einige Experimente an.
Die aus der Natur im Winter eingefangene Merula merula, welche
erheblich weniger als das Durchschnittsgewicht einer Amsel wog,
hatte trotz kleineren Mittelwerts weniger Blutkörper als Corvus
corax. Die nur 145 g wiegende Ardetta minuta hatte bei gleichem
Mittelwert weniger Blutkörper als Asio scops, obwohl die Reiher
im Durchschnitt weit mehr Erythrozyten haben. Nettion crecca
hat bei kleinerem Mittelwert (14,5:6,25 « und 15:6,25 u) eine
kleinere Zahl (3140000 und 3 210 000) als die sicher auch schlecht
ernährte Tringa canutus, und beide weniger Blutkörper als
Charadrius dubius (3500 000) im guten Ernährungszustand. Diese
Beispiele legen nahe, hier den Einfluss der Ernährung zu ver-
muten. Um mir Sicherheit hierüber zu verschaffen, hielt ich
eine Taube, welche die Zahl 3608000 hatte, 2 Wochen bei
schmaler Kost und konnte sodann eine Abnahme auf 3210000
feststellen. Der Einfluss der Ernährung ist also sicher und ein
ziemlich beträchtlicher. Die hohen Zahlen, welche die beiden
Reiher, Ardetta erythromelas und Ardea cocoi zeigen, liessen sich
gut durch die Einwirkung der guten Ernährung erklären, denn
die Reiher vertragen die Gefangenschaft vorzüglich, und die von
mir untersuchten Exemplare waren ausnehmend gesund.
Hauptsächlich wohl auf Grund der verschieden guten oder
schlechten Ernährung würde sich ein aus der Natur genommenes
Material schlecht für die ausgeführten Untersuchungen eignen,
denn durch diesen Faktor würde die Grundregel verdeckt worden
sein, welche für die Beurteilung aller anderen Faktoren wichtig
ist. Mit Hilfe der beschriebenen Faktoren lassen sich alle die in
den Zahlen der Liste auftretenden Unterschiede erklären, so dass
hiermit für die von mir untersuchten Vögel eine Heranziehung
Wilhelm Venzlaff:
anderer Deutungen nicht mehr nötig ist. Freilich wird sich wohl
bei Untersuchungen von freilebenden Formen die Zahl jener
Faktoren noch vergrössern.
Wenn ich die Resultate des II. Teiles zusammenstelle, so
ergibt sich folgendes:
1.
Die Grösse der roten Blutkörperchen schwankt selbst bei
einem Individuum. Bei Blutkörperchen, die während der
Messung spitz bleiben, kann man erkennen, dass bei
grösseren Blutkörperchen hauptsächlich die grosse Achse
wächst: die kleine verändert sich wenig.
Die Durchschnittsgrösse richtet sich in den systematisch
einheitlichen Familien nach der Körpergrösse: Der grössere
Vogel hat die grösseren Blutkörperchen.
Die verschiedenen Familien haben verschieden grosse
Blutkörperchen. Bei der Mehrzahl von ihnen lässt sich
dieser Unterschied aus der Lebensweise erklären. Schnelle
Heranzüchtung von Körpergrösse übt keinen Einfluss auf
die (srösse der Blutkörperchen aus.
. Für die Anzahl der roten Blutkörperchen gilt die Grund-
regel:
In jeder Familie, deren Arten eine Lebensweise haben,
die annähernd die gleiche körperliche Arbeit erfordert,
hat der Vogel, welcher kleinere Blutkörperchen hat, die
grössere Anzahl.
Hieraus folgt: Vögel, welche gleichgrosse Blutkörper-
chen haben und annähernd die gleiche Lebensweise, haben
gleiche Anzahl.
Der Eintluss der Lebensweise ist dahin zu skizzieren,
dass eine Lebensweise, welche ständig hohe Arbeits-
leistungen bedingt, die Zahl der Blutkörperchen erhöht.
Als dritter Faktor, der die Zahl beeinflusst, ist die
Ernährung zu nennen. Eine gute Ernährung erhöht die
Anzahl, eine schlechte vermindert sie. Der Einfluss dieses
Faktors ist beträchtlich.
6.
SQ
15.
Die roten Blutkörperchen der Vögel. 451
Literaturverzeichnis.
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den Vögeln. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 74, 1909.
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Derselbe: Die Entstehung der weissen Blutkörperchen im postfetalen
Leben. Verh. d. anat. Ges., 18. Vers., Genf 1905.
Derselbe: Beiträge zur Kenntnis der granulierten Leukozyten. Arch.
f. mikr. Anat., Bd. 72, 1908.
Weitere den Gegenstand der Arbeit betreffende Literatur siehe
Weidenreich, F. und 1. Dantschakoff, W.
432 Wilhelm Venzlaff: Die roten Blutkörperchen der Vögel.
Erklärung der Textfiguren.
Fig. 1. Arterien und Venen des Knochenmarks am Foramen nutritium.
Breite 50 fach vergrössert; Länge 200 fach vergrössert. a und b
sind die Arterien, welche die obere Hälfte des Markes mit Gefässen
versorgen. c hat die gleiche Aufgabe für den unteren Teil. d und e
und die sonst eingezeichneten Arterien haben nur für die unmittel-
bare Umgebung des For. nutr. Bedeutung und lösen sich schnell
in die Kapillaren auf.
Fig. 2. Arterien und Venen des Knochenmarks am Foramen nutritium.
Breite 50 fach vergrössert; Länge 100 fach vergrössert. Die Be-
zeichnung und Erklärung ist die gleiche wie in Fig. 1.
Fig. 3. Spitze Blutkörperchen aus dem Ausstrichpräparat des Blutes vom
Huhn. Die in Klammern eingeschlossenen stammen aus einem (Ge-
sichtsfelde. Mit dem Zeichenapparat, !/ı» Ölimmersion, Okular 3
bei 130 mm Tubuslänge gezeichnet. Zur Reproduktion auf die
Hälfte verkleinert.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV.
Erorela Öffnung in der Wand einer Kapillarvene am Lymphknötchen. Ge-
zeichnet mit dem Zeichenapparat bei !/ı» Ölimmersion Leitz und
Okular 3, Tubuslänge 160 mm. Vergr. etwa 1400. E = Erythro-
zyten; Ebl — Erythroblasten ; Gr. L = Grosser Lymphozyt. Weitere
Erklärung siehe S. 390.
Fig. 2. Photographische Aufnahme der spitzen roten Blutkörperchen von
Corvus corax in eisgekühlter, 0,66 Kochsalzlösung zwei Minuten
nach der Blutentnahme. Vergr. 500 fach.
Fig. 3. Spitze Blutkörperchen von Vögeln.
a) Vanellus cayennensis;
b) Porphyrio poliocephalus ;
c) Rhynchotus rufescens.
Vergr. 2000 fach. Handzeichnung.
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen und
Nervenfasern im Rückenmark höherer Wirbeltiere.
Von
Anton Nemiloff,
Assistenten am anat.-histol. Institut der Universität St. Petersburg.
Hierzu Tafel XVI und XVII und 3 Textfiguren.
I. Literarhistorische Übersicht.
Bekanntlich ist die Anwesenheit von Nervenzellen in
der weissen Substanz des Rückenmarks schon von Benedikt
Stilling in seinem Werke über die Medulla oblongata, Erlangen
1843, festgestellt worden, siehe das betreffende Zitat in der
Abhandlung Waldeyers „Das Gorilla-Rückenmark“, Abhand-
lungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften
vom Jahre 1888. Seit dieser Zeit sind derartige Befunde noch
von verschiedenen Autoren mitgeteilt worden, so von Beisso
1873, Schiefferdecker u. a. Um diese in der weissen Substanz
zerstreuten, mehr in der Tiefe derselben liegenden Nervenzellen
handelt es sich jedoch in der nachstehenden Arbeit nicht, sondern
um eine eigentümliche, bisher weniger genau bekanntgegebene
Schicht des Rückenmarks, die dasselbe an seiner Peripherie
umgibt und mehr oder minder zahlreiche Nervenzellen neben
einem eigentümlichen Netz von Nervenfasern, markhaltigen und
marklosen, aufweist. Diese peripheren Gruppen von Nervenzellen
in den oberflächlichen Schichten der weissen Substanz hat wohl
Gaskell im Jahre 1885 zuerst beschrieben, und zwar bei
Reptilien. Dieselben Zellen wies dann Gadow 1857 am Rücken-
mark von Vögeln nach. Beide Arbeiten sind aber kaum bekannt
geworden. In einer weiteren Arbeit vom Jahre 1888 nennt
(raskell diese Zellengruppen „Groups of motor ganglia* und
bestimmt genau ihre Lage auf der Oberfläche der lateralen
Partien des Rückenmarks von einigen Sauropsiden. Über den
feineren Bau der Zellen und über die Ausbreitung ihrer Fortsätze
wird jedoch nichts näheres erwähnt. Es folgen dann die Arbeiten
von Conti 1888 über das Rückenmark des Menschen, bei dem
er als erster am Ende der Lendenanschwellung eine oberflächliche
Gruppe von Zellen gefunden hat. Contis Beobachtungen
434 Anton Nemiloff:
bestätigten teilweise Sherrington, Hoche und Kölliker.
Besonders gefördert wurde die Kenntnis dieser oberflächlichen
Zellen im Jahre 1889 von Lachi beim Rückenmark der Vögel.
Er bezeichnete hier die hauptsächlich an der Lendenanschwellung
bei der Taube und beim Huhn gefundenen oberflächlichen lateralen
Zellengruppen als „Lobi accessorii“. Die Zellen werden von ihm
weit genauer als von seinen Vorgängern beschrieben. Er unter-
scheidet an ihnen die Dendriten und den Achsenzylinderfortsatz
und verfolgt diese Fortsätze weiter, als es bisher geschehen war.
Im selben Jahre hat auch v. Lenhossek bei verschiedenen
Säugetieren die Nervenzellen der weissen Substanz besprochen.
Sherrington beschrieb 1890 bei Säugetieren Nervenzellen-
gruppen in der subpialen Schicht, die möglicherweise den lateralen
Nervenkernen bei Reptilien und Vögeln entsprachen. Sherring-
tons Beschreibung ist schon sehr ausführlich und durch zahlreiche
gut ausgeführte Zeichnungen belegt. Ramön y Cajal und
Brandis folgen dann mit weiteren genaueren Beschreibungen
über die betreffenden Nervenzellen bei den Vögeln, sowie 1594
abermals v. Lenhossek. Letzterem gelang es festzustellen,
dass bei Hühnerembryonen die Nervenfortsätze dieser oberfläch-
lichen Zellen durch die vordere Kommissur ziehen, welcher Befund
den Schluss gestattete, dass diese Zellen dem Typus der Kom-
missurenzellen angehörten. Da v. Lenhossek die Zellen nur
bei Embryonen hatte nachweisen können. so spricht er sich zunächst
nicht ganz bestimmt darüber aus, ob es sich um konstante (rebilde
handele, was er jedoch später in der zweiten Auflage seiner Arbeit
„Der feinere Bau des Nervensystems“ bejaht.
In der Monographie von Sterzi über die Hirnhäute werden
gleichfalls die oberflächlichen Zellengruppen im Lendenteil des
Rückenmarks der Vögel erwähnt und als „Lobo accessorio“
bezeichnet.
Es folgt dann im Jahre 1901 die Mitteilung von Kölliker
über diese Zellen bei den Vögeln, die er bekanntlich als die
„Hofmannschen Kerne“ nach seinem Präparator Hofmann,
der ihn zuerst auf dieselben aufmerksam gemacht hatte, benannte.
Kölliker waren derzeit die vorhin erwähnten Arbeiten von
Lachi, Lenhossek, Sterzi und Gadow nicht bekannt
sewesen. Alsbald jedoch, im folgenden Jahre, berichtigt er die
Sache in einer ausführlichen Monographie, der ein genaues
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 435
Literaturverzeichnis beigegeben ist und gibt nun auch die bisher
eingehendste Beschreibung dieser oberflächlichen Zellengruppen
bei Vögeln und Reptilien und geht auch auf die Verhältnisse
beim Menschen ein. Ich will hier nur wegen des besonderen
Interesses für die folgende Arbeit den Abschnitt der Monographie
Köllikers genauer besprechen, der von diesen oberflächlichen
Zellen des Rückenmarks beim Menschen handelt.
Schnittserien durch den Lumbosacralteil des Rückenmarks von einem
Hingerichteten gaben Kölliker die Möglichkeit, festzustellen, dass in der
weissen Substanz tatsächlich Nervenzellen, wie sie von Uonti (6) und
Hoche (14-16) beschrieben wurden, vorhanden sind. Diese Nervenzellen
liegen in den oberflächlichen Abschnitten der weissen Substanz und sind
entweder von Nervenfaserbündeln oder von einer Gliaschicht umgeben. Auf
der Fig. 21 der Monographie bildet Kölliker einen Teil des linken ventralen
Stranges des Rückenmarks vom Menschen ab; zwischen den Fasern dieses
Stranges sind deutlich sechs Nervenzellen zu erkennen. Sie liegen ober-
flächlich, dennoch in einigem Abstande von der Pia. Kölliker nahm wahr,
dass sie hauptsächlich in der Nähe der Austrittsstellen der motorischen
Wurzeln liegen. Ihrem Aussehen nach gleichen sie durchaus nicht den
multipolaren Zellen der Vorderhörner, sind rund oder birnförmig mit ein
oder zwei Fortsätzen: multipolare Zellen hat Kölliker niemals gesehen,
ebenso keine scharf ausgeprägte Kapsel um die Zellen. Den Verlauf der
Fortsätze hat Kölliker nicht feststellen können, er konnte nur wahr-
nehmen, dass dieselben tangential zur Rückenmarksoberfläche sich erstrecken.
Kölliker war durchaus nicht geneigt, diese Zellen für einen typischen
Bestandteil des Rückenmarks zu halten, hauptsächlich, weil sie zu unregel-
mässig angeordnet sind. Nach ihm werden sie nur in bestimmten Rücken-
marksgebieten angetroffen, sind jedoch auch hier regellos und in spärlichen
Mengen angeordnet. Sie ähneln am meisten den Spinalganglienzellen und
haben offenbar keinerlei Funktion. Kölliker ist der Ansicht, dass hier
aller Wahrscheinlichkeit nach abgerückte Spinalganglienzellen vorliegen,
welche atypisch gelegen sind und ihre Funktionsfähigkeit eingebüsst haben.
Kurze Zeit vor dem Erscheinen der Monographie Köllikers kam die
unter Schapers Leitung entstandene Arbeit Berliners. Bereits bei
zwölftägigen Hühnerembryonen treten nach ihm die grossen Kerne vollkommen
deutlich hervor, ihre Zellen sollen vollkommen an die motorischen Zellen der
Vorderhörner erinnern, ihnen jedoch an Grösse nachstehen. Sie sind in
segmentaler Anordnung längs dem ganzen Rückenmark gelegen, oberflächlich
dorsal vom Ligamentum denticulatum.
Es folgte dann im Jahre 1902 eine interessante Arbeit von G. Retzius
(29) über das Rückenmark von Vögeln (Hühnerembryonen, junge Hühner
und junge Tauben). Angeregt durch die Monographie von Kölliker beschloss
Retzius vorwiegend nicht die Hofmannschen Kerne, sondern die ober-
lächlichen Zellen der weissen Substanz, auf die Kölliker aufmerksam
gemacht hat, zu untersuchen. Retzius fertigte für seine Untersuchungen
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1. 30
4536 Anton Nemiloff:
tangentiale Oberflächenschnitte durch Rückenmarksstücke an und färbte sie
mit Erythrosin-Toluidin; zum Studium der Fortsätze dieser Zellen behandelte
er Rückenmarksstücke nach Golgi oder färbte sie mit Methylenblau.
Retzius gebührt das Verdienst, für das Studium der betreffenden Zellen als
erster die neueren Forschungsmethoden angewandt, und als erster genaue
Angaben über den Charakter der Zellen und das Schicksal ihrer Fortsätze
gemacht zu haben. Nach den Beobachtungen von G. Retzius (1902) ist
in dem Lendenteil des Rückenmarks der Vögel ausser den Hofmannschen
Kernen noch ein ganzes System von multipolaren Nervenzellen vorhanden,
welche mit den Verzweigungen ihrer Dendriten die Oberfläche des Rücken-
marks umspinnen, und zwar nicht nur in der lateralen Zone, sondern auch
auf der ganzen ventralen Oberfläche. Retzius hielt es für höchst wahr-
scheinlich, dass diese Nervenelemente demselben System von Zellen angehören,
wie die Hofmannschen Kerne. Golgipräparate lehrten, dass die Axone
sowohl dieser ventralen Zellen als auch der Zellen der Hofmannschen
Kerne durch die vordere Kommissur hindurchziehen.
Im Jahre 1903 untersuchte Streeter (35) das Rückenmark von
Struthio camelus. Er bezeichnet die bereits makroskopisch wahrnehm-
baren oberflächlichen Zellenlager als Nuclei marginales majores et minores.
A. Banchi (1903) wies in demselben Jahre bei Emys europaea nach, dass
die Vorderhirnwurzelzellen sich mit ihren Dendriten an der Bildung des
oberflächlichen Plexus perimedullaris beteiligen.
Bei Säugetieren gelang es Dröseke (1903, 7) nur bei Chiropteren
den Hofmannschen Kernen ähnliche Gebilde zu finden. Dröseke bemerkte,
dass bei diesen das Seitenhorn die Neigung offenbart, in dorsolateraler
Richtung Auswüchse durch den Seitenstrang zu bilden. Bei Pteropus
erreichen diese Auswüchse, welche nicht selten Nervenzellen enthalten, fast
die Peripherie des Rückenmarks: bei Vesperugo hebt sich, angefangen vom
unteren Halsteil, ein Gebiet heraus, welches arm an markhaltigen Fasern
ist, jedoch recht grosse Nervenzellen enthält. Diese eigenartigen peripheren
Kerne ist Dröseke geneigt den „oberflächlichen Nervenkernen“ der Vögel
homolog zu setzen und ihnen motorische Funktion zuzusprechen.
Eine gleiche Ansicht über die Bedeutung „der oberflächlichen Nerven-
zellen“ sprach auch Sterzi (1904, 34) aus, wobei er sich hauptsächlich auf
die Befunde bei Reptilien (Schildkröten, Eidechsen und Schlangen) stützt.
Van Gehuchten und L. Boule (1908, 12) sprechen andererseits die
Zellen der „oberflächlichen Nervenkerne“ im Rückenmark der Vögel den
Kommissurenzellen zu. Es gelang ihnen, festzustellen, dass die peripheren
Zellgruppen einer ununterbrochenen Zellsäule angehören, welche sich im
Zwischenraum zwischen zwei Wurzeln segmental verdickt. Die zugehörigen
Neuriten verlaufen durch die vordere Kommissur in den entsprechenden
Vorderseitenstrang und biegen in diesem in der Richtung nach oben ab. Die
Axone aller extra- und perimedullären Zellen begeben sich auf die entgegen-
gesetzte Seite. Sie sollen im ventralen Teil des Seitenstrangs im Gebiet
der Zona marginalis cerebralwärts verlaufen und teilweise bereits im Rücken-
mark endigen, teilweise sogar ins Kleinhirn eindringen.
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 457
Aus der angeführten historischen Übersicht ist es ersichtlich,
wie wenig bekannt noch die histologische Struktur der weissen
Substanz des Rückenmarks der höheren Wirbeltiere ist. Bei Vögeln
ist freilich die Anwesenheit von oberflächlichen Nervenkernen
erwiesen und allgemein anerkannt, ihre Lage und ihr segmentaler
Charakter ist bestimmt; jedoch sehr wenig bekannt ist der
Charakter ihrer Zellen und das Schicksal der Zellenfortsätze.
Noch weniger aufgeklärt ist in dieser Hinsicht das Rückenmark der
Säugetiere. Die Arbeiten von Conti, Lenhossck, Sherrington,
Hoche, Kölliker, Dröseke u. a. haben eigentlich nur die
Tatsache des Vorhandenseins von oberflächlich gelegenen Zellen
in der weissen Substanz festgestellt. Unaufgeklärt ist die Frage
geblieben. ob diese Nervenzellen konstante Elemente sind oder
ob sie nur ausnahmsweise, gleichsam als zufällige Elemente, an-
getroffen werden. Noch im Jahre 1906 schreibt Van Gehuchten
in seinem vortrefflichen Buche: „Anatomie du syst&me nerveux de
l’homme“, dass Nervenzellen überhaupt sich nicht an der Bildung
der weissen Substanz beteiligen. Sie können hier bisweilen an-
getroffen werden, jedoch nur in seltenen Fällen, und stellen hier
eine zufällige Erscheinung dar (S. 335).
Fast sämtliche Forscher, welche sich mit dieser Frage
beschäftigt haben, halten die betreffenden Nervenzellen bei
Säugetieren für inkonstante und zufällige Elemente der weissen
Substanz. Hinsichtlich des Charakters dieser Zellen, des Schicksals
ihrer Fortsätze, ihrer gegenseitigen Beziehungen und Anordnung,
sowie über die Beziehungen dieser Zellen zu den „oberflächlichen
Nervenkernen“ des Rückenmarks von Vögeln ist so gut wie nichts
bekannt.
II. Untersuchungsobjekte und Untersuchungs-
verfahren.
Zum Studium bediente ich mich des Rückenmarks verschiedener Ver-
treter der höheren Wirbeltiere, und zwar von Affen, Pferden, Katzen, Hunden,
Kaninchen, Igel. Von Vögeln untersuchte ich vorwiegend das Rückenmark
vom Kormoran (Phalaerocorax carbo), welche ich durch die Vermittlung der
Zoologischen Station in Sebastopol erhielt. Ausser dem Kormoran standen
mir noch einige andere Vögel, wie Enten, Mäusefalken und Tauben, zur Ver-
fügung. Vorwiegend verwendete ich die Methylenblaufärbung in derselben
Weise, wie ich sie für Nervenzellen und Nervenfasern früher gebraucht
hatte. Nach Durchschneiden der Dura mater färbte ich entweder, ohne die
Arachnoidea und die Pia mater zu entfernen, das Rückenmark in toto, oder
30*
438 Anton Nemiloff:
zerschnitt dasselbe entsprechend der Fissura mediana anterior in zwei Hälften,
brachte jede derselben in eine Petrischale, feuchtete sie mit einer !/s°/o
Methylenblaulösung an, liess sie einige Minuten stehen. feuchtete sie nochmals
mit derselben Lösung an und stellte sie erst darauf im Thermostaten bei
einer Temperatur von 36°—37° auf. Das Färben bedurfte verschieden langer
Zeit, je nachdem, ob das oberflächliche Nervengeflecht oder die Nervenzellen
gefärbt werden sollten. Das Geflecht war gewöhnlich bereits nach 1—1!/s
Stunden distinkt gefärbt, während die Zellen in der Färbung stark nach-
blieben oder noch ungefärbt geblieben waren. Zur intensiven Färbung der
Fortsätze der Nervenzellen bedurfte es längerer Zeit, zwei und sogar drei
Stunden. Nach Beendigung der Färbung wurde das Rückenmark in der
gewöhnlichen Weise mit 10°/o molybdänsaurem Ammonium fixiert und darauf
zwei Stunden in destilliertem Wasser ausgewaschen. Alsdann präparierte ich
sorgfältig die Pia mater externa mit der Arachnoidea ab, entfernte mit einer
Schere die graue Substanz und schnitt von Innen, von der grauen Substanz
aus, die weisse Substanz vorsichtig ab, so dass ich schliesslich nur ein
dünnes, durchscheinendes, breites Band erhielt, welches nur die weisse Substanz
enthielt. Diese Operation muss sehr vorsichtig ausgeführt werden, um nicht
die äussere Schicht der weissen Substanz, welche die mich interessierenden
Zellen enthält, zu beschädigen oder zu durchschneiden. Ist andererseits das
Stück nicht genügend von der Innenseite beschnitten und beträchtlich dick,
so ist es schwer, dasselbe zu entwässern und aufzuhellen, in welchem Falle
die betreffenden Elemente nicht deutlich sichtbar sind. Die Pia mater intima
liess ich in der Mehrzahl der Fälle auf dem Rückenmarke, da bei ihrer Ent-
fernung stets die Gefahr vorliegt die unter ihr gelegenen Nervenelemente
zu verletzen. Die Anwesenheit dieser Hülle hindert freilich die Untersuchung
der oberflächlichen Schicht des Rückenmarks, jedoch nicht in hohem Grade.
Sie ist sehr dünn (dicker ist sie nur beim Pferde) und ist gewöhnlich gar
nicht gefärbt oder aber es sind in ihr nur die Zellelemente tingiert. Die so
erhaltenen Bänder der weissen Substanz wurden darauf in absolutem Alkohol
entwässert und in Xylol aufgehellt. Mir ist es gelungen, Bänder von 8—10 cm
Länge zu erhalten und dieselben in toto in Xylol bei schwachen Ver-
grösserungen zu untersuchen. Endgültig in Damarlack schloss ich nur die am
meisten gelungenen Stellen ein, welche ich aus dem Bande herausschnitt.
Die Durchsicht des ganzen Bandes ist für die Untersuchung der Nerven-
elemente unumgänglich notwendig, da nur hiermit die Möglichkeit gegeben
wird, eine Nervenfaser oder einen Nervenfortsatz auf weite Strecken zu
verfolgen.
Bei der Färbung des Rückenmarks der Vögel bestand die Haupt-
schwierigkeit darin. dass die Gefässe desselben stets von Blut erfüllt sind,
welches recht rasch 'gerinnt. Diese gefüllten Gefässe haben einen sehr
ungünstigen Einfluss auf die Färbung. Um diesen zu vermeiden, entblutete
ich zunächst die Vögel, indem ich ihnen den Kopf abschnitt und durch
Massieren so viel als möglich Blut auszupressen suchte. Darauf schnitt ich
das Rückenmark aus und färbte es wie dasjenige der Säugetiere, jedoch bei
einer etwas höheren Temperatur (bei 38°—39°). In molybdänsaurem Am-
monium wird das Rückenmark von Vögeln gewöhnlich stark maceriert, was
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 439
wiederum das Beschneiden desselben erschwert. Es gelang mir, diese
macerierende Wirkung einigermassen durch Zufügung einiger Tropfen (nicht
mehr, da sonst ein Niederschlag entsteht) Formalin oder Osmiumsäure zu
vermeiden. Für eine allgemeine topographische Untersuchung der Anordnung
der Nervenzellen in der weissen Substanz fixierte ich Rückenmarksstücke in
Formalin, bettete sie in Celloidin ein, fertigte feine Schnitte und färbte diese
in Toluidinblau oder in Thionin. Die Schnitte wurden für einige Minuten
in eine Y/—!/s°/o Farbstofflösung eingelegt, darauf in Wasser abgespült,
alsdann für 10—15 Minuten in eine 10°/o Lösung von molybdänsaurem Am-
monium gebracht, abermals in Wasser abgespült, entwässert, in Carbol-Xylol
aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen.
III. Eigene Untersuchungen.
1. Das oberflächliche (subpiale) Nervengeflecht im
Rückenmark von Säugetieren.
Die Färbung des Rückenmarks der Säugetiere mit Methylen-
blau und die Anfertigung von Flächenpräparaten gewährt den
Vorteil, die oberflächlichsten Schichten genauer untersuchen zu
können. Auf Präparaten, die nach dem Verfahren von Golgi
oder Ramon y Cajal behandelt worden sind, ist gerade diese
Schicht in der Mehrzahl der Fälle durch Silberniederschläge ver-
deckt. Bei der Fixierung der Präparate mit den gewöhnlichen
Verfahren, z. B. mit Müllerscher Flüssigkeit, oder dem Gremisch
von Flemming oder Zenker usw., wird die Struktur nicht
genügend erhalten, als dass man die feineren morphologischen
Verhältnisse verfolgen könnte.
Auf günstig mit Methylenblau gefärbten Flächenpräparaten
der weissen Substanz des Rückenmarks tritt durch die schwach
oder gar nicht gefärbte Intima pia äusserst deutlich eine besondere
Schicht von Nervenfasern und Nervenzellen unmittelbar auf der
Oberfläche des Rückenmarks hervor. Gewöhnlich ist nicht allein
diese Schicht gefärbt, sondern auch noch tiefer gelegene Fasern,
sowie ın einigen Fällen auch die Bindegewebselemente der Intima pia,
welche bei einigen untersuchten Tieren, z. B. beim Pferde, sich
durch eine beträchtliche Dicke auszeichnet. An derartigen Präpa-
raten gelingt eine Orientierung über die Lage der Schichten leicht
durch vorsichtige Drehung der Mikrometerschraube. Noch besser
wird die Lage der oberflächlichen Schicht auf Längsschnitten durch
die weisse Substanz, die in Methylenblau gefärbt war, erkannt. An
solchen Präparaten kann man sich, falls die Färbung gelungen ist,
440 Anton Nemiloff:
davon überzeugen, dass die Fibrillen dieses Geflechtes sowie die
in ihm enthaltenen Nervenzellen, von denen weiter unten die Rede
sein wird, auf der Oberfläche des Rückenmarks, unmittelbar unter-
halb der Intima pia gelegen sind (vgl. Textfig. 1, S. 447). In An-
betracht der Lage dieser Schicht werde ich sie als subpiale Schicht
(stratum subpiale) bezeichnen.')
Wie auf den Fig. 1 und 2, Taf. XVI sichtbar ist, sind in der
subpialen Schicht des Rückenmarks zahlreiche marklose, teilweise
stark variköse Fasern verschiedener Dicke vorhanden; zwischen
ihnen werden auch Fasern mit deutlicher Markscheide
angetroffen, jedoch in verhältnismässig geringer Zahl.
Durch die Mikrometerschraube lässt es sich leicht feststellen,
dass das Geflecht eine gewisse, wenn auch unbedeutende Dicke
aufweist, so dass die dasselbe zusammensetzenden Fasern nicht
in einem Niveau liegen.
Im Unterschiede von den Fasern der weissen Substanz,
welche grösstenteils das Rückenmark der Länge nach durchziehen,
verlaufen die Fasern des subpialen Lagers in verschiedenen
Richtungen, wobei sie sich durchflechten und nach verschiedenen
Seiten verzweigen. Da die miteinander verflochtenen Fasern an
einigen Stellen dichter, an anderen lockerer angeordnet sind,
wird der Eindruck eines Netzes oder Geflechtes mit verschieden
grossen und bisweilen unregelmässigen Maschen erhalten (Fig. 1,
Taf. XVD). Dem Aussehen nach erinnert dasselbe an den Plexus
myentericus niederer Wirbeltiere. wie z. B. vom Frosch, ist jedoch
enger und faserreicher. Die beste Vorstellung von dem Charakter
des subepithelialen Geflechtes geben die beigefügten Zeichnungen
(Fig. 1 und 2, Taf. XVI). Bei einer vollständigen und intensiven
Färbung des Präparates erscheint das subpiale Geflecht dermassen
dicht, dass unter der grossen Zahl von Fasern eine derselben zu
verfolgen bisweilen äusserst schwierig ist. Der grösste Teil der
Fasern ist marklos und stark varıkös. Die Dicke der Fasern
'!) Einen Hinweis auf derartige subpiale Abschnitte grauer Substanz
im Rückenmark von Säugetieren findet man bereits in sehr alten Arbeiten,
z.B. bei Monro in dessen Abhandlung: „Observations on the Structure and
Functions of the Nervensystem“ (1783) und bei Burdach in seiner Arbeit:
„Vom Bau und Leben des Gehirns“ (1819). Interessant ist die Angabe von
Burdach, dass diese grauen Abschnitte nur im oberen Teil des Rücken-
marks angetroffen werden und dass infolgedessen das Rückenmark in diesem
Gebiet allmählich Ähnlichkeit mit dem Gehirn erhält.
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 441
ist sehr verschieden, da neben sehr dicken Fasern auch dünne
und ferner sehr feine Fäserchen, wie sie in der grauen Substanz
dem sogenannten „nervösen Grau“ oder „Füllgewebe“ das charak-
teristische Aussehen verleihen, angetroffen werden. Diese feinsten
Fäserchen, die möglicherweise nur aus einigen Neurofibrillen
bestehen, winden sich überall zwischen den stärkeren marklosen
Fasern. Ihren Nervencharakter beweisen sie durch ihren Zu-
sammenhang mit dickeren marklosen Fasern, von denen sie sich
als Seiten- oder Endäste abzweigen.
Ihrem Charakter nach erinnern die Fasern des Plexus sub-
pialis an das Fasergeflecht der grauen Substanz zwischen den
Nervenzellen. Die Ähnlichkeit mit der grauen Substanz wird
noch dadurch erhöht, dass die Grundlage dieses (Geflechtes die
Glia darstellt, welche, wie bekannt, unterhalb der Pia mater eine
dichtere Schicht, die sogenannte „subpiale Glia“, bildet.
Bei der Ungewissheit, ob sämtliche Nervenelemente gefärbt
sind, ist es schwer, genau die Herkunft aller marklosen Fasern
des subpialen Geflechtes festzustellen. Ich habe indessen unzweifel-
haft feststellen können, dass ein grosser Teil derselben von den
Dendriten der im Geflecht eingeschlossenen Zellen, von denen
weiter unten die Rede sein wird, abstammt. Besonders leicht
ist dies bei jungen Tieren zu erkennen, wie es Fig. 3 der Taf. XV]
zeigt. Es gelingt dies jedoch auch bei erwachsenen Tieren.
Auf einigen Präparaten habe ich Andeutungen dafür gefunden,
dass sich diesem Geflechte auch feine, von den hinteren Wurzeln
abgehende Fasern hinzugesellen. Diese Beobachtung bedarf jedoch
noch einer Bestätigung und da mir die genügende Anzahl von
Präparaten, auf welchen dieses Verhalten zweifellos festgestellt
werden könnte, fehlt, so will ich diese Behauptung nicht als
absolut sicher hinstellen, obgleich ich sie für höchst wahrschein-
lich halte.
Es lässt sich ferner feststellen, dass einige Fasern sich vom
Geflechte absondern und in die weisse Substanz bald in Gestalt
von marklosen Ästchen, bald in Gestalt von Fasern, die sich
mit einer Markscheide bekleidet haben, verlaufen. Eine derartige
Faser zieht gewöhnlich entweder direkt in die tieferen Abschnitte
der weissen Substanz ein oder zunächst eine Strecke längs eines
Bündels und biegt erst dann fast rechtwinklig in die weisse
Substanz um, wo sie sich der weiteren Beobachtung entzieht.
442 Anton Nemiloff:
Durch diese Fasern erfolgt somit ein inniger Zusammenhang
zwischen der weissen Substanz und dem subpialen Geflecht. Diese
in die tieferen Schichten der weissen Substanz ziehenden Fasern
sind, wie ich es habe feststellen können, grösstenteils Neuriten
der in dem subpialen Geflechte eingelagerten Nervenzellen.
Mir ist es nicht gelungen, festzustellen, ob ein Zusammen-
hang des subpialen (Geflechtes mit der Intima pia vorhanden
ist, d.h. ob aus ıhm Fasern in diese Hülle eindringen, da bei
der Methylenblaufärbung negative Resultate nicht berücksichtigt
werden können. Augenscheinlich ist jedoch ein derartiger Zu-
sammenhang nicht vorhanden. Bei einer vorsichtigen Ablösung
der Intima pia bleibt wenigstens das subpiale Geflecht unverletzt;
ausserdem ist es mir, ungeachtet dessen, dass ich das Rückenmark
verschiedener Tiere in bedeutender Anzahl untersucht habe und
häufig eine sehr intensive Färbung des subpialen Geflechtes erhielt,
keinmal gelungen, Nervenstämmchen oder einzelne Fasern zu sehen,
welche in die Intima pia eindrangen.
Das subpiale Geflecht ist auf der Oberfläche des Rücken-
marks über dem lateralen und dem ventralen Strange gelegen.
Es fehlt augenscheinlich im Gebiet der Fissura mediana anterior;
desgleichen habe ich dasselbe nicht auf dem dorsalen Bündel
gesehen. Es ist jedoch, wie bemerkt, im Auge zu behalten, dass
negative Resultate bei Untersuchung des Nervensystems mit Hilfe
der Methylenblaufärbung wenig Bedeutung haben. Am dichtesten
und am besten ausgebildet ist das subpiale Geflecht über dem
lateralen Strange, wobei es sich fast längs des ganzen Rücken-
marks erstreckt.
Es ist nicht leicht, die obere und die untere Grenze des
Plexus subpialis festzusetzen. Abwärts schwindet er augenschein-
lich allmählich zum Filum terminale hin, wenigstens habe ich ihn
weder im unteren Teil der Lumbalanschwellung, noch auf dem
Filum terminale vermittels der Methylenblaufärbung nachweisen
können; doch gerade diese Rückenmarksabschnitte färben sich bei
Anwendung des Methylenblaues am schlechtesten und erscheinen
gewöhnlich diffus blau.
Nicht minder schwierig ist die Bestimmung der oberen
(Grenze des Plexus subpialis, weil die Behandlung mit molybdän-
saurem Ammoniak die oberen Teile des Rückenmarks und das
anstossende Gebiet der Medulla oblongata zu sehr lockert. Auf
Über die peripherische Schieht von Nervenzellen ete. 4453
frisch gefärbten, jedoch unfixierten Präparaten, sowie auf solchen,
an denen das Wegschneiden eines Teils der Hirnsubstanz gelungen
war, habe ich mich jedoch überzeugen können, dass wenigstens
an der Übergangsstelle des Rückenmarks in das verlängerte Mark
der Plexus subpialis vorhanden ist. Ob derselbe auch auf das
verlängerte Mark sich weiter fortsetzt, habe ich noch nicht
bestimmen können, bin jedoch zurzeit damit beschäftigt, diese
Frage zu lösen.
Das Bild des Plexus subpialis wechselt mit dem Alter des
Tieres. Bei sehr jungen Tieren, z. B. bei einer neugeborenen
oder 1—2 Tage alten Katze, sind die Maschen des Plexus sub-
pialis (Fig. 3, Taf. XVI) enger, die Bündel sehr dünn, während die
Anzahl der Zellen im Vergleich zur Gresamtzahl der Fasern eine
beträchtlichere ist. Mit dem Alter nimmt die Oberfläche des
Rückenmarks beträchtlich zu, die Zahl der Zellen nimmt jedoch
augenscheinlich nicht zu, infolgedessen sie in weiteren Abständen
voneinander zu liegen kommen. Entsprechend der Grössenzunahme
der Rückenmarksoberfläche bei erwachsenen Tieren wächst der
Plexus aus, die Nervenfaserbündel nehmen an Mächtigkeit zu,
die Maschen werden weiter und die Zahl der Nervenfasern ist
beträchtlich grösser als bei jungen Tieren. Infolge der Anordnung
der Zellen in weiterer Entfernung voneinander, infolge einer
beträchtlicheren Ausbildung der Fasern. treten dann diese bei
erwachsenen Tieren mehr hervor als die Nervenzellen. Der Plexus
eines jungen Tieres kann somit ohne besondere Schwierigkeit von
dem Plexus des erwachsenen unterschieden werden.
Bei jedem Tiere weist der Plexus besondere charakteristische
Eigentümlichkeiten auf. Nach dem Studium einer grossen Anzahl
von Präparaten lernt man fehlerlos unter dem Mikroskop Stücke
der weissen Substanz vom Rückenmark des Pferdes von solchen
der Katze, des Hundes, des Affen, Kaninchens usw. unterscheiden.
Kurz, auch hier, wie ja in jedem Organ und (Gewebe offenbart
jedes Genus und jede Art gewisse mikroskopische strukturelle
Eigenheiten, welche sich jedoch schwer in Worte fassen lassen.
Das Auge erfasst auch derartige kaum merkbare Kennzeichen,
wie unbedeutende Grössenschwankungen oder in dem wechsel-
seitigen Verhältnis einzelner Teile oder im Entwicklungsgrade
eines Strukturdetails, welche einer Beschreibung vollkommen
unzugänglich sind. Im allgemeinen kann jedoch angegeben werden,
444 Anton Nemiloff:
dass beim Pferd, Hund und bei der Katze das Geflecht schärfer
ausgebildet ist, als bei Kaninchen und Igeln. Im Rückenmark
des Pferdes ist es dichter als bei der Katze und beim Hunde;
die Bündel des Geflechtes selber sind dicker. Der Plexus subpialis
des Hundes ist, soweit ich sehe, zarter als derjenige der Katze;
bei der letzteren sind die marklosen Fasern dicker und gröber.
Bei Affen ist der Plexus lockerer als bei der Katze, wobei die
Maschen grösser, die Stämmchen feiner sind.
Meine Bemühungen, den Plexus subpialis mit Hilfe anderer
Verfahren zu erhalten, waren grösstenteils erfolglos. Auf Rücken-
markspräparaten, die in gewöhnlicher Weise in Müllerscher
Flüssigkeit, in Zenkerschem oder Flemmings Gemisch, in
Sublimat. Formalin u. a. fixiert, in Hämatoxylin und Eosin, oder
mit Toluidinblau, oder Thionin, oder nach Unna oder nach
Mallory gefärbt worden waren, sind keine Spuren dieses
Geflechtes zu erkennen; im besten Falle sind nur einzelne vom
Schnitt getroffene Zellen sichtbar. Ebenso misslangen meine
Versuche einer Imprägnation des Plexus nach volgi. An der
Stelle desselben erhält man nur einen reichlichen Silbernieder-
schlag. Etwas bessere Resultate erhielt ich mit dem Verfahren
von Ramon y Cajal. Auf dünnen tangentialen Oberflächen-
schnitten durch die weisse Substanz des Rückenmarks vom Pferde
habe ich gut imprägnierte Nervenzellen des subpialen Geflechtes
und in ihrer Nähe eine verhältnismässig geringe Zahl feiner,
augenscheinlich markloser Fasern, welche ihrer Lage nach dem
oben beschriebenen Geflecht entsprachen, gesehen. Derartige
Präparate können jedoch unmöglich eine richtige Vorstellung
von dem Charakter des Plexus subpialis geben, ein deutliches
Bild lässt sich nur durch die Methylenblaufärbung erhalten.
Bei niederen Tieren sind bei Amphibien von Lawdowsky
(1891, 22), Cl. Sala (1892, 32), Van Gehuchten (1898, 11),
bei Reptilien von Ramon y Cajal (1891, 27) und Banchi
(1903, 1), bei Ammocoetes von D. Tretjakoff (1910, 36)
im Rückenmark besondere perimedulläre (oberflächliche) Geflechte
beschrieben worden, welche von Dendriten der Zellen der grauen
Substanz gebildet werden. Dieses perimedulläie Geflecht hat
nichts gemein mit den oben beschriebenen Fasern der subpialen
Schicht. Van Gehuchten (11) fand, dass das perimedulläre
Geflecht des Rückenmarks von Amphibien von den Verzweigungen
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 445
der Dendriten und Nervenfortsätze der Zellen der grauen Sub-
stanz gebildet wird, wobei sich zu diesen noch ein Teil der
äusseren Kollateralen der Fasern der weissen Substanz zugesellt.
Nach der Beschreibung von Banchi wird das perimedulläre
Geflecht von den Dendriten der Vorderhirnwurzelzellen und der
Kommissurenzellen, welche die weisse Substanz durchziehen und
auf der Oberfläche zu einer dichten Fasermasse sich verflechten,
gebildet. Tretjakoff lässt es von Dendriten der Zellen der
grauen Substanz gebildet sein, doch sollen in seinen Bestand
auch Fasern der dorsalen Wurzeln eingehen, welche in diesem
oberflächlichen Geflechte sonach mit den Verzweigungen der
motorischen und Schaltzellen in Verbindung treten könnten.
An der Bildung des subpialen Geflechtes nehmen meinen
Erfahrungen nach die Dendriten der Zellen der grauen Substanz
keinen Teil. Im Rückenmark junger Katzen war es mir gelungen,
eine recht distinkte Färbung der Verzweigungen derjenigen
Dendriten zu erhalten, welche radiär durch die weisse Substanz
ziehen und fast die Oberfläche erreichen. Diese Dendriten-
verzweigungen bilden jedoch im Rückenmark von Säugetieren
nie ein derartiges dichtes Geflecht wie bei niederen Wirbeltieren
und endigen stets, soviel ich habe wahrnehmen können, unter-
halb des subpialen Geflechtes. Bei jungen Katzen tritt es evident
hervor, dass das subpiale Geflecht hauptsächlich vollkommen
unabhängig ist von Dendriten, die aus der weissen Substanz
hervortreten. Es ist mir nicht gelungen, mit Sicherheit fest-
zustellen, ob sich zu diesem Geflecht auch äussere Kollateralen
der Fasern der weissen Substanz (Athias, Sala) zugesellen und
ob ein Kontakt der Fasern und Zellen des subpialen Geflechtes mit
den die weisse Substanz durchziehenden Dendritenverzweigungen
der Zellen der grauen Substanz erfolgt.
Aus Mangel an Zeit habe ich bisher das subpiale Geflecht
bei anderen Säugetieren noch nicht untersuchen können. Bei
Vögeln ist unbedingt ein gleiches Geflecht derselben Herkunft
wie bei Säugetieren vorhanden. Reptilien und Amphibien habe
ich bisher nicht untersucht. Bei Selachiern jedoch und zwar an
Rochen gelang es mir auf der Oberfläche des Rückenmarks Fasern
zu färben, die mit oberflächlich in demselben verstreuten Nerven-
zellen in Verbindung standen. Ihrem Charakter und ihrer Lage
nach erinnerten sie an das subpiale Geflecht der Säugetiere.
446 Anton Nemiloff:
Mangel an Material und Mangel an Zeit gestatteten es mir leider
nicht, das Rückenmark der Selachier näher zu untersuchen und
die sich hier aufdrängende Homologie schärfer zu präzisieren.
Ich habe die Absicht, in nächster Zeit eine Untersuchung des
Rückenmarks von Selachiern und Knochenfischen vorzunehmen.
Sollte es sich bei diesen Untersuchungen herausstellen, dass tat-
sächlich ein Plexus subpialis vorhanden ist, wie bei den höheren
Wirbeltieren, so könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass
derselbe eine spätere Bildung ist als der Plexus perimedullaris,
welcher bereits bei Ammocoetes vorhanden ist und dass die
Erwerbung des Stratum subpiale vielleicht mit der Extremitäten-
bildung zusammenhängt und mit den dadurch veränderten Be-
dingungen der allgemeinen Koordination der Körperbewegungen.
Äusserst wichtig wäre es auch, vermittels der Methylenblau-
methode das Rückenmark von Amphibien und Reptilien auf
Totalpräparaten zu untersuchen; es ist leicht möglich, dass auch
hier über dem von den Autoren beschriebenen Plexus perime-
dullaris ein anderes Geflecht wird gefunden werden, welches dem
Plexus subpialis der höheren Wirbeltiere entspricht und haupt-
sächlich von Dendriten oberflächlicher Zellen gebildet wird. Wie
sich auch die vergleichend-anatomischen Beziehungen des Plexus
subpialis nach sorgfältigeren Untersuchungen erweisen mögen,
der scharfe Unterschied desselben von den in der Literatur
beschriebenen Plexus perimedullaris unterliegt meiner Meinung
nach keinem Zweifel.
9. Diein dem Stratum subpiale eingelagerten
Nervenzellen.
Gewöhnlich gelingt es nicht, die Nervenzellen des Plexus
subpiale ohne Anwendung spezifischer Färbungsmethoden dar-
zustellen. Auf Schnitten durchs Rückenmark, welche in Müller-
scher Flüssigkeit oder in Formalin fixiert und in Hämatoxylin,
Eosin oder anderen nicht spezifischen Farbstoffen gefärbt worden
sind, können diese Zellen kaum ausfindig gemacht werden, der-
massen sind sie zwischen der Intima pia und den oberflächlichen
Fasern der weissen Substanz zusammengedrängt. Auf derartigen
Schnitten fallen nur die tiefer in der weissen Substanz gelegenen
Nervenzellen auf, welche bei Säugetieren bereits früher beschrieben
worden sind und keine direkte Beziehung zu den uns hier inter-
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 447
essierenden Zellen haben. Auf Golgi-Präparaten werden in einigen
Fällen nur die tiefer gelegenen Zellen imprägniert, während die
subpialen Zellen gewöhnlich von Silberniederschlägen verdeckt
sind. An Präparaten nach Ramön y Cajal werden diese Zellen
bisweilen recht gut imprägniert, dieselben geben jedoch keine
genügende Vorstellung von dem Charakter dieser Nervenzellen.
Gut wahrnehmbar sind sie nur nach einer Färbung mit Methylen-
blau auf Flächenpräparaten. welche nach der oben angeführten
u’
N
psb a 4
EM
\
Wi
5
f s
ff /
Fig. 1.
Lage einer subpialen Zelle. spn — Nervenzelle des subpialen Geflechtes;
ip — Intima pia; psb — Fasern des Plexus subpialis; fs — Fasern der weissen
Substanz. Vertikaler Längsschnitt (Paraffin) durch die weisse Substanz des
Rückenmarks vom Pferde. Metbylenblau. Zeiss’ Obj. 4.0 mm, Ok. 2.
Weise hergestellt sind. Relativ selten gelingt es gleichzeitig die
Nervenzellen und das Fasergeflecht gut gefärbt zu erhalten. In
der Mehrzahl der Fälle sind bei einer distinkten Färbung des
448 Anton Nemiloft:
subpialen Geflechtes die Zellen kaum gut wahrnehmbar, indem
die Zellfortsätze ungefärbt bleiben. Sind dagegen die Zellfortsätze
tingiert, so ist das subpiale Geflecht gewöhnlich nicht genügend
gefärbt, welcher Umstand jedoch in gewissem Sinne für eine
Untersuchung günstig ist, da er es ermöglicht, die Fortsätze der
Zellen genauer zu verfolgen.
Die subpialen Zellen sind in das oben beschriebene Geflecht
eingelagert, d. h. sie liegen auf der äussersten Oberfläche der
weissen Substanz des Rückenmarks unmittelbar unterhalb der
Intima pia, wie es deutlich Schnitte dartun. Im Gegensatz zu
den von Conti (6), Lenhossek (23—25), Sherrington (31),
Hoche (14—16) u. a. beschriebenen Zellen liegen die Zellen des
subpialen Getlechtes nicht in verschiedenen Tiefen des Rücken-
marks, sondern stets an der Grenze der Intima pia und der
weissen Substanz. Besonders leicht können die Nervenzellen bei
jungen Tieren kenntlich gemacht werden. Fig. 3, Taf. XVI, stellt
das Flächenpräparat eines Rückenmarkstückes eines jungen Kätz-
chens dar. Hier ist deutlich zu erkennen, dass oberhalb der
Fasern der weissen Substanz, die blasser gezeichnet sind, um
ihre tiefere Lage anzudeuten, eine Schicht von Nervenzellen liegt,
die mit ihren Fortsätzen das oben beschriebene subpiale (seflecht
bilden. Die Zellen sind nahe beieinander gelagert, was, wie oben
berichtet wurde, für junge Tiere charakteristisch ist. Der Zell-
körper weist eine mannigfaltige Form auf, ist bald mehr rundlich,
bald mehr oval, bald vieleckig. Von der Zelle entspringen stets
mehrere (3—7 und mehr) Fortsätze, von denen einer den Nerven-
fortsatz darstellt, die anderen den Charakter von Dendriten auf-
weisen. Das Protoplasma ist meistens leicht granuliert, enthält
weder Nisslsche Körperchen noch Lipochromeinschlüsse. Die
Nervennatur der Zellen wird hauptsächlich durch das Schicksal
ihrer Fortsätze offenkundig. In der Gesamtausdehnung des
Rückenmarks junger Tiere sind diese Zellen recht gleichmässig
angeordnet; mir ist es nicht gelungen, festzustellen, dass irgend
ein Abschnitt des Rückenmarks sich durch besonderen Reichtum
dieser Zellen auszeichnet. Ich habe den dorsalen, lateralen und
ventralen Strang isoliert untersucht und habe wahrnehmen können,
dass die Zellen besonders dicht über dem Seitenstrange angeordnet
sind; in geringerer Zahl werden sie über dem ventralen Strang,
besonders neben der Fissura mediana anterior, angetroffen. An
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 449
den Wänden dieser letzteren habe ich überhaupt keine Zellen
färben können: ebenso fand ich keine über dem Dorsalstrange.
Meine besondere Aufmerksamkeit hatte ich auf den Nachweis
einer Metamerie in der Anordnung dieser Zellen gerichtet, nirgends
habe ich jedoch eine Spur irgendwelcher segmentalen Anordnung
derselben wahrgenommen. Sowohl im Bereich der Abgangsstelle
der Wurzeln als auch in den Zwischenräumen zwischen denselben
war die Menge und die Anordnungsdichte dieser Zellen stets
ungefähr die gleiche.
Bei erwachsenen Tieren (Fig. 4, Taf. XVII) werden die Nerven-
zellen viel schlechter gefärbt. Gewöhnlich ist nur der Zellkörper
gefärbt, während die Fortsätze vollkommen ungefärbt bleiben
oder nur auf kurze Strecken wahrnehmbar sind. Indessen können
unter einer beträchtlichen Zahl von Präparaten in der grossen
Menge von Zellen auch solche gefunden werden, deren Fortsätze
sich in befriedigendem Maße gefärbt haben und auf weite Strecken
von der Zelle verfolgt werden können. Es lässt sich dann erkennen,
dass bei erwachsenen Tieren die Nervenzellen nicht so gleich-
mässig angeordnet sind wie bei jungen. Stellenweise liegen die
Zellen recht nahe beieinander, wobei sie Anhäufungen von läng-
licher Form bilden, in Gestalt von Zellsäulen; an anderen Stellen,
besonders zwischen derartigen Längssäulen, sind sie lockerer
angeordnet. Bei der Methylenblaufärbung kann jedoch niemals
mit Sicherheit behauptet werden, dass sämtliche Zellen tingiert sind.
Auf einem Stücke, welches dem (makroskopischen) Aussehen
nach überall mehr oder weniger gleichmässig gefärbt ist, wurden
bei schwachen Vergrösserungen (Obj. Zeiss’ Apochr. 16,0 mm,
Ok. 2) an den einen Stellen 15—20 und mehr, an den anderen
nur einzelne Zellen gezählt. Diese Zusammenhäufung der Zell-
elemente an einigen Stellen, diese Neigung zu einer Gruppierung
in Längsstränge oder Bänder, zeigt jedoch keine Gesetzmässigkeit.
Auch im Rückenmark erwachsener Tiere ist keine Spur einer
metameren Anordnung der subpialen Zellen zu erkennen.
Wie bei jungen Tieren so ist auch bei erwachsenen die
subpiale Zellschicht insbesondere über dem lateralen und dem
ventralen Strange der weissen Substanz gelegen, wobei, so viel
ich habe wahrnehmen können, die subpiale Schicht über dem
lateralen Strange reicher an Nervenzellen ist als über dem ven-
tralen.
450 Amitom Niemmlorbt:
Ihrer Grösse nach entsprechen die subpialen Zellen erwach-
sener Tiere in einigen Fällen den Vorderhirnzellen, in anderen
Fällen sind sie kleiner und kommen an Grösse den Strangzellen
gleich. Niemals habe ich in der subpialen Schicht uni- oder
bipolare Zellen gesehen. Sämtliche Zellen, die ich gesehen habe,
waren multipolar. Der Form nach variiert der Zellkörper wie
bei jungen Tieren. Im Protoplasma der Zellen erwachsener Tiere
färben sich bisweilen deutlich NissIsche Körperchen; auch habe
ich braune Lipochromeinschlüsse walırnehmen können. Das Ver-
halten der Fortsätze dieser Zellen (siehe unten) weist desgleichen
deutlich auf eine Nervennatur derselben hin.
Wie aus der oben angeführten Literatur ersichtlich ist, so hält
die Mehrzahl der Forscher, welche Nervenzellen der weissen Substanz
beschrieben hat, dieselben für inkonstante Gebilde, und nimmt ihre
Anwesenheit in der weissen Substanz für eine zufällige an. Kölliker
(19)nahm sogar an, dass diese Zellen ihıre Funktion eingebüsst hätten.
Soweit ich habe wahrnehmen können, muss ein scharfer Unter-
schied gemacht werden zwischen den Zellen der subpialen Schicht und
den Zellen, welche in den tieferen Schichten der weissen Substanz
angetroffen werden. Letztere sind sowohl auf Flächenpräparaten
als auch besonders auf Schnitten durch fixierte Rückenmarksstücke,
die in Toluidinblau oder Thionin gefärbt sind, gut sichtbar.
Sie sind in verschiedenen Tiefen der weissen Substanz ver-
streut, bald näher bald weiter von der grauen Substanz gelegen,
weisen mehrere Fortsätze auf und erinnern ihrem allgemeinen
Aussehen nach besonders an Kommissurenzellen. Die Zahl dieser
Zellen ist jedoch im Verhältnis zur Zahl der subpialen Zellen
gering und ausserdem sind sie, soweit ich habe feststellen können,
tatsächlich inkonstante Gebilde. In einigen Fällen sind sie zahl-
reicher, in anderen in geringer Anzahl vorhanden; auf Schnitten
durch ganze Rückenmarksstücke wird zuweilen keine einzige Zelle
gefunden, während in anderen Stücken fast in jedem Schnitt
mehrere Zellen sichtbar sind. Diese Tatsachen, sowie ihre un-
bestimmte Lage in der weissen Substanz erwecken den Gedanken,
dass es sich in diesen Fällen um eine atypische Dislozierung
von Nervenzellen handelt, deren Entstehung nur ein detailliertes
Studium der Histogenese des Rückenmarks und besonders der
Bildung der weissen Substanz klarstellen kann. Bei den grossen
Anforderungen, welche nach der Geburt an die Leitungsbahnen
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 451
gestellt werden. spielen sich wahrscheinlich in den Nervenfaser-
bündeln recht lebhafte Wachstumsprozesse ab, wobei möglicher-
weise einzelne Zellen der grauen Substanz den Zusammenhang
mit letzterer verlieren und sich in gleichsam „verirrte Zellen“
verwandeln. Hier liegen ungefähr ähnliche Verhältnisse vor, wie
bisweilen in den Spinalganglien. Die Zellen der Spinalganglien
treten gleichsam aus dem Bestand der Ganglien aus und werden
in verschiedener, bisweilen in beträchtlicher, Entfernung von den-
selben in Gestalt von einzelnen Elementen oder zu einzelnen
(Gruppen angeordnet zwischen den Nervenfaserbündeln eingeschlossen
gefunden. Sie werden desgleichen bald in grösserer, bald in ge-
ringerer Zahl angetroffen und stellen keine konstante Erscheinung
dar, auch können sie bisweilen vollkommen fehlen. Ich sehe nur
keinen Grund, diesen Zellen, wie Kölliker es tut, eine Funktion
abzusprechen. Morphologisch unterscheiden sie sich durchaus nicht
von den Zellen der grauen Substanz; irgendwelche morphologische
Kennzeichen eines Niederganges ihrer funktionellen Tätigkeit sind
nicht zu erkennen.
Im Unterschiede von den Zellen der weissen Substanz weisen
die Zellen der subpialen Schicht stets eine bestimmte Lagerung
auf und stellen vollkommen konstante morphologische Gebilde dar.
Ich habe das Rückenmark verschiedener Tiere an vielen
Präparaten untersucht (siehe das Kapitel „Untersuchungsobjekt“)
und habe stets, sobald nur die Färbung einigermassen gelungen
war, diese Zellen in der subpialen Schicht gefunden. Ausser den
Präparaten, welche ich für eine detaillierte Untersuchung anfertigte,
habe ich noch eine grosse Anzahl von Rückenmarksstücken, welche
mit Methylenblau speziell zu dem Zweck gefärbt waren, um mich
von dem Vorhandensein dieser Zellen zu überzeugen, durchgesehen.
Ich fand dieselben stets mit einer auffälligen Beständigkeit. Bei
Berücksichtigung ausserdem der durchaus bestimmten Beziehungen
der Fortsätze dieser Zellen halte ich es für vollkommen zulässig,
diese subpiale Zellschicht für einen konstanten Bestandteil des
kückenmarks der Säugetiere anzuerkennen.
3. Das Verhalten der Nervenzellen zum subpialen
Geflecht.
Auf gut gefärbten Methylenblaupräparaten vom Rückenmark
junger Tiere (Fig. 3, Taf. XV]J) ist es leicht zu erkennen, dass die
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt I. 31
452 Anton Nemiloff:
von der Zelle in der Zahl von 5—7 abgehenden Dendriten nach
verschiedenen Richtungen verlaufen, wobei sie eine gewisse Strecke
unverzweigt durchziehen. In einiger, bisweilen beträchtlicher
Entfernung von der Zelle werden die Dendriten variıkös und
beginnen sich zu verzweigen. Die Äste der Dendriten erstrecken
sich zum nächsten Stämmchen des subpialen (Geflechtes, treten
in dasselbe ein und verlaufen in demselben weiter, wobei sie
fortfahren sich in gewissen Abständen gabelförmig zu teilen. Da
die Stämmchen des subpialen Geflechtes bei jungen Tieren sehr
dünn sind, so gelingt es bisweilen die Dendriten auf beträchtliche
Strecken zu verfolgen. In dem Stämmchen verläuft der Dendrit
gewöhnlich nicht in Gestalt einer geraden Faser, sondern windet
sich stark, indem er bald mehr oberflächlich, bald mehr in der
Tiefe gelagert ist. Schliesslich reisst er entweder plötzlich ab
(walırscheinlich infolge einer Durchreissung der Faser bei der
Präparation) oder verflicht sich dermassen mit anderen Dendriten,
dass er als selbständige Faser nicht weiter verfolgt werden kann.
Auch auf einigen Präparaten von erwachsenen Tieren habe
ich dasselbe Verhalten wahrnehmen können. Jedoch gelingt es
nur auf unvollkommen gefärbten Präparaten bisweilen einen
Dendriten recht weit zu verfolgen, wobei man ihn sich mannig-
fach winden und dabei verzweigen sieht unter mehrfacher Änderung
seiner Verlaufsrichtung. Das ganze System der Dendriten und
der Verzweigungen einer Zelle stellt somit eine beträchtlich
grosse Einheit dar, welche jedoch nicht auffällt, da sämtliche
Verzweigungen innerhalb der Bündel des Geflechtes verlaufen.
Infolge dieser grossen Ausdehnung erlangt jede Zelle die Mög-
lichkeit, selbst mit weit von ihr entfernten Nervenelementen der
subpialen Schicht in Connex zu treten.
Von jeder subpialen Zelle entspringt ein Nervenfortsatz
(siehe Textfig. 2), der sich in seinem Verhalten scharf von den
Dendriten unterscheidet. Er entspringt von der Zelle als nakter
Achsenzylinder, gibt keine Kollateralen ab und erhält früher oder
später eine Markscheide. Gewöhnlich verläuft er von der Zelle
auer zur Verlaufsrichtung der Stränge der weissen Substanz,
seltener denselben parallel. Bisweilen verläuft er nicht gerade,
sondern windet sich bogenförmig. Nachdem er eine Markscheide
erhalten, biegt er entweder sofort gerade in die weisse Substanz
um, und zieht in radiärer Richtung in die Tiefe derselben, oder
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 453
Fig. 2.
Nervenfortsatz einer subpialen Nervenzelle aus dem Rückenmark der Katze.
spn. — subpiale Nervenzelle; pz — unvollkommen gefärbtes pericelluläres
Netz; fs — tiefer gelegene Fasern der weissen Substanz; ax — Ursprung
des Nervenfortsatzes; zee — Rißstelle des Fortsatzes (der Riss erfolgte
während des Abzeichnens des Präparates infolge eines zufälligen Druckes
mit dem Objektiv); axı — die Stelle, auf welcher der Nervenfortsatz sich
unter die subpiale Schicht herabsenkt; axg — Stelle, an welcher der Nerven-
fortsatz bereits von einer Markscheide umgeben mit den Fasern der weissen
Substanz verläuft; psb — Fasern des Plexus subpialis. Flächenpräparat.
Methylenblau, Zeiss’ Obj. 4,0 mm; Ok. 2.
ale
454 Anton Nemiloff:
aber er senkt sich zunächst unter die subpiale Schicht hinab,
tritt in den Bestand des entsprechenden Stranges der weissen
Substanz ein, verläuft hier eine (gewöhnlich) sehr kurze Strecke
kaudal- oder cerebralwärts und biegt alsdann gerade, fast unter
rechtem Winkel in die weisse Substanz und entzieht sich in der
Tiefe derselben der Beobachtung. Verhältnismässig seltener ver-
läuft der Achsenzylinder, nachdem er eine Markscheide erhalten,
in dem entsprechenden Strang caudal- oder cranialwärts, ohne
Tendenz, sich tiefer in die weisse Substanz zu erstrecken. Der-
artige Nervenfortsätze können gewöhnlich leicht daran erkannt
werden, dass ihre Markscheide dünner und sozusagen inkonstant
ist, da sie die Neigung aufweist, zu schwinden. Stellenweise fehlt
sie nämlich vollkommen, stellenweise zerfällt sie in einzelne
gestreckte, ovale oder birnförmige Tropfen, welche den Achsen-
zylinder umgeben. Als eine derartige, bald markhaltige, bald
marklose Faser kann der Nervenfortsatz häufig auf sehr weite
Entfernung innerhalb des Stranges der weissen Substanz verfolgt
werden. Schliesslich verfeinert sich der Nervenfortsatz beträchtlich
und verschwindet.
Die Hauptmasse der Fasern des subpialen Greflechtes besteht
somit aus Fortsätzen der in ihm eingelagerten Zellen.
Der Zusammenhang der subpialen Zellen mit den Fasern
des Getlechtes ist jedoch nicht allein auf das mitgeteilte Ver-
halten beschränkt. Jede Zelle sowie ihre Dendriten sind auf
einer mehr oder weniger beträchtlichen Entfernung von einem
äusserst dichten Netze variköser Nervenfasern umgeben, welche
ihren Ursprung aus den Fasern des subpialen Geflechtes nehmen.
Dieses pericelluläre Geflecht entspricht augenscheinlich dem „ner-
vösen Terminalnetz“* der Autoren.
Auf Präparaten, in welchen die subpiale Schicht scharf
tingiert ist, ist dieses pericelluläre Geflecht dermassen dicht und
dermassen eng mit den Fasern des (reflechtes verbunden, dass
es schwer fällt, das mikroskopische Bild zu entwirren.
Neben jeder Nervenzelle verdichtet sich gleichsam das sub-
piale Geflecht und bildet eine derselben dicht anliegende Schicht
sich windender und untereinander verflochtener variköser Fibrillen.
Günstiger für die Beobachtung sind Präparate, in denen das all-
gemeine subpiale Geflecht unvollkommen gefärbt ist, während die
auf der Oberfläche der Zelle endigenden und sich an der Bildung
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen ete. 455
des pericellulären Geflechtes beteiligenden Fibrillen zufällig sehr
distinkt sich tingiert haben (Fig. 5, Taf. XVII. In solchen Fällen
ist deutlich sichtbar, dass an die Zelle mehrere Nervenästchen
herantreten, welche sich mehrfach teilen und um die Zellen und
die grösseren Verzweigungen der Dendriten ein recht dichtes Ge-
flecht aus feinen varikösen Fibrillen bilden. Stellenweise sondern
sich von diesem Geflechte feine Ästchen ab, welche auf der Ober-
tläche der Zellen in kleinen Knöpfehen oder ovalen, runden oder
birnförmigen Anschwellungen endigen. Da dieses Geflecht auch
die Dendriten umgibt und gleichsam die Konturen der Zelle und
deren Fortsätze wiedergibt, so kann selbst auf denjenigen Präpa-
raten, in denen die Zelle vollkommen ungefärbt geblieben ist
oder nur der Kern tingiert erscheint, nach ‘dem pericellulären
Geflecht eine Vorstellung gewonnen werden von der Form und
dem Charakter der Fortsätze der ungefärbten Zelle.
Dieses Geflecht kann leicht bei oberflächlicher Betrachtung
des Präparates mit einem anderen Netze, welches sich desgleichen
auf der Oberfläche der Zelle befindet und dennoch eine andere
Herkunft hat, verwechselt werden.
Auf Präparaten, die in Methylenblau stark gefärbt, sozusagen
überfärbt sind, sind die Nervenelemente der subpialen Schicht
sehr schlecht sichtbar. Die Fasern sind grösstenteils vollkommen
unsichtbar, von den Zellen sind nur die Körper gefärbt; doch
auch diese treten nicht deutlich hervor, da auch die Grundlage
des Präparates vollkommen blau tingiert erscheint. Auf derartigen
Präparaten können bisweilen kleine Elemente um die Nervenzellen
und ihre Dendriten ein dichtes Netz feinster Fädchen (sie sind
viel feiner als die pericellulären Nervenfasern), welche desgleichen
mit knotenförmigen Verdickungen versehen sind, wahrgenommen
werden (Fig. 6, Taf. XVII). Dem ersten Eindrucke nach erinnert
das Bild in hohem Grade an das „granuläre Differenzierungsbild
des nervösen pericellulären Terminalnetzes“. wie es Held (1902, 13)
in seiner Arbeit zeichnet. Eine sorgfältigere Untersuchung zumal
mit Immersionssystemen ergibt jedoch, dass es sich in diesen
Fällen nicht um ein Nervennetz, sondern um ein Glianetz handelt.
Wie bekannt, so sind auch Held (1902, 13) und Bielschowsky
(1904, 4) der Meinung, dass um jede Zelle der grauen Substanz
zwei (seflechte vorhanden sind: ein Nerven- und ein dem Golgi-
netze entsprechendes Gliageflechtt. Dem Golginetze schreibt
456 Anton N emiloft:
Held unbedingt eine Neuroglianatur zu und nimmt an, dass es
nur zur Isolierung und Stütze für die Nervenzelle dient. Biel-
schowsky spricht in dieser Frage keine bestimmte Meinung aus.
Dasselbe Netz hat wahrscheinlich auch Nageotte (1909, 26) gesehen
und auf Grund dieser Beobachtung irrtümlich das Vorhandensein
eines pericellulären Nervennetzes überhaupt in Abrede gestellt.
Auf Präparaten mit gefärbter Gliagrundsubstanz ist das
meiner Meinung nach den erwähnten Glianetzen entsprechende
Geflecht sehr deutlich sichtbar. Es wird von zahlreichen feinen
Gliafasern gebildet, welche von der allgemeinen Gliamasse zu
den Nervenzellen und deren Dendriten verlaufen. Die Fasern
dieses Geflechtes winden sich jedoch niemals derartig und ver-
zweigen sich nicht, wie die Nervenfasern, von denen sie sich
ausserdem durch ihre Feinheit unterscheiden. Die Anschwellungen
und Verdickungen im Verlauf der Gliafasern unterscheiden sich
von den varikösen Verdickungen der Nervenfasern durch ihre
relativ beträchtlichere Grösse und durch das Missverhältnis ihrer
Grösse zu den feinen, sie verbindenden Fasern. Derartige runde
Körper werden bisweilen nicht im Verlaufe der Fasern, sondern
zwischen ihnen angetroffen. Auf einigen Präparaten kann man
wahrnehmen, dass die Zwischenräume zwischen den Gliafasern
von einer zarten mit Methylenblau gefärbten membranähnlichen
Masse ausgefüllt sind. In solchen Fällen erscheint die Zelle wie
von einer zarten, dünnen Membran oder Hülle umgeben, in der
stellenweise feine Fäden und kleine runde Gebilde, die an die
varikösen Verdickungen der Nervenfasern erinnern, wahrnehmbar
sind. Nirgends habe ich jedoch irgendwelchen Zusammenhang
dieses Netzes und dieser Fasern mit Nervenfasern sehen können.
Dieses Netz war im Gegenteil stets nur auf solchen Präparaten
gut zu erkennen, auf denen die Nervenelemente überhaupt fast
ungefärbt geblieben waren.
4. Beziehungen der subpialen Zell- und Faserschicht
der Säugetiere zu den oberflächlichen Nervenkernen
der Vögel.
Zum Vergleich der bei Säugetieren erhaltenen Resultate
mit etwa entsprechenden morphologischen Bildungen bei Vögeln
untersuchte ich das Rückenmark erwachsener Vögel, wobei ich
sowohl die oberflächlichen Nervenkerne als auch die zwischen
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc, 457
ihnen gelegenen Abschnitte des Rückenmarks in Betracht zog.
Ich wandte hier dasselbe Verfahren wie bei der Untersuchung
des Rückenmarks der Säugetiere an.
Auf Präparaten von Teilen des Rückenmarks, die zwischen
den in der Literaturübersicht besprochenen oberflächlichen Nerven-
kernen gelegen sind, erhielt ich Bilder, die im allgemeinen an
die bei Säugetieren erhaltenen Befunde erinnern. Auch bei Vögeln
ist auf der Rückenmarksoberfläche unmittelbar unterhalb der Pia
ein Geflecht vorhanden, welches seinem Charakter nach vollkommen
an das subpiale Geflecht der Säuger erinnert. Es besteht, wie
dort, aus mannigfach verflochtenen, verzweigten marklosen und
markhaltigen Fasern. In diesem Geflecht, welches auch hier als
subpiales Geflecht bezeichnet werden kann, sind ungefähr in der-
selben Menge wie bei Säugetieren Nervenzellen eingelagert, deren
Fortsätze teilweise an der Bildung jenes Geflechtes teilnehmen,
ebenso wie bei den Säugern. Im Unterschiede von diesen sind
jedoch bei Vögeln zweierlei Arten von Nervenzellen vorhanden,
welche sich voneinander durch ihre Grösse und den Charakter
ihrer Dendriten scharf unterscheiden.
Das Endschicksal des Nervenfortsatzes dieser Zellen habe
ich leider, teilweise aus Mangel an Material, teilweise weil mich
andere Fragen mehr interessierten, nicht verfolgt. Die Zellen
der ersten Art (Fig. 7, Tat. XVII) entsprechen ungefähr der Grösse
nach den motorischen Zellen der grauen Substanz und haben
verhältnismässig dicke Dendriten, die relativ schwach verzweigt
sind, und sich nur in einer mehr oder weniger beträchtlichen
Entfernung von der Zelle Y-förmig teilen. Der Nervenfortsatz
dieser Zellen biegt bereits in einer geringen Entfernung von der
Zelle in die weisse Substanz um und entzieht sich der Beobachtung.
Die Zellen der zweiten Art sind um das zwei- bis dreifache kleiner
als die Zellen der ersten Art; sie kommen ihrer Grösse nach
ungefähr den kleinen Kommissurenzellen der grauen Substanz
gleich. Die Dendriten dieser Zellen sind relativ dünn und ver-
zweigen sich bereits nahe bei der Zelle. So viel ich habe wahr-
nehmen können, bilden die Zellen der zweiten Art die Haupt-
zellmasse der subpialen Schicht bei Vögeln, während die Zellen
der ersten Art nur einen geringen Prozentsatz der allgemeinen
Zahl der Zellelemente bilden und selbst bei schwachen Ver-
grösserungen zwischen diesen durch ihre Grösse auffallen.
458 Anton Nemiloff:
Von grossem Interesse ist das Verhalten des subpialen
(Geflechtes der Vögel zu deren „oberflächlichen Nervenkernen“.
Auf Flachschnitten sind letzere in toto sichtbar. Sie erscheinen
als recht grosse Anhäufungen von Nervenzellen, haben gewöhnlich
Fig. 3.
Teil eines oberflächlichen Nervenkernes aus dem Rückenmark
von Phalaerocorax carbo. nz — Nervenzellen des oberflächlichen
Nervenkernes; bg — Blutgefäss: fs = Fasern der weissen Substanz;
rf — Anfangsteile der unvollkommen gefärbten Nervenstämmchen,
welche vom Kern allseitig strahlenförmig verlaufen und denselben
mit der übrigen subpialen Schicht verbinden. Flächenpräparat.
Methylenblau. Zeiss Obj. 16,0 mm, Ok. 2.
Über die peripherische Schieht von Nervenzellen ete. 459
eine gestreckte (ovale oder spindelförmige) Form und sind mit
der Längsachse in der Längsachse des Rückenmarks angeordnet.
Auf Präparaten, die nach speziellen neurologischen Methoden
angefertigt sind, ist zwischen den Zellen nur ein feines Glianetz
sichtbar, während Nervenzellenfortsätze vollkommen unsichtbar
sind. Bei einer Färbung mit Methylenblau ist jedoch deutlich zu
erkennen, dass von den Zellen zahlreiche Dendriten abgehen
(Fig. 8, Taf. XVII) und dass diese Zellen ihrem Charakter nach voll-
kommen den kleineren Zellen der zweiten Art gleichkommen,
welche in der subpialen Schicht in den Zwischenräumen zwischen
den oberflächlichen Nervenkernen liegen. Nervenzellen erster
Art habe ich niemals in den oberflächlichen Nervenkernen auf-
gefunden, sie werden stets nur in den Zwischenräumen zwischen
diesen angetroffen. In dem Nervenkern ist zwischen den Nerven-
zellen ein äusserst dichtes Geflecht von marklosen und teilweise
markhaltigen Zellen vorhanden, an dessen Bildung die Fortsätze
der Nervenzellen sich in beträchtlichem Maße beteiligen. Seinem
Charakter nach ist dieses in den Nervenkernen angeordnete
Geflecht dem subpialen Geflechte vollkommen gleich, welches die
Oberfläche der übrigen Abschnitte der weissen Substanz bedeckt
(siehe Textfig. 1), ist jedoch dichter.
An den Rändern der oberflächlichen Nervenkerne gehen die
Fasern des innerhalb des Kernes gelegenen (Greflechtes direkt in
die zwischen den Kernen verlaufenden Faserbündel über. Bei
schwacher Vergrösserung kann die Beobachtung gemacht werden,
dass von jedem Nervenkerne strahlenförmig Nervenfaserbündel
abgehen, welche weiterhin in das subpiale Geflecht eintreten, so
dass jeder Kern gleichsam von einem Kranz von Strahlen umgeben
ist, welche ihn mit der übrigen gesamten Schicht der ober-
tlächlichen, subpialen Nervenelemente verbinden. Bei starker Ver-
grösserung kann man sich leicht davon überzeugen, dass die
Strahlen Bündel feiner markhaltiger und markloser Fasern
darstellen.
Bisweilen gelingt es auch, einzelne Fasern auf ihrem Verlauf
von dem Greflecht des oberflächlichen Kernes bis zu einem Bündel
oder Stämmchen des allgemeinen subpialen Geflechtes zu verfolgen.
Durch die Vermittlung der radiären Bündel können somit einerseits
Fortsätze der Zellen der oberflächlichen Kerne in das allgemeine
subpiale Geflecht ziehen, andererseits Fortsätze von Zellen aus
460 Anton Nemiloff:
letzterem mit den Nervenzellen des oberflächlichen Kernes in
Verbindung treten.
Auf Flächenpräparaten vom Rückenmark der Vögel kann
somit das wahrgenommen werden, was niemals auf einer noch so
regelmäßigen Schnittserie möglich ist zu sehen, nämlich der
unmittelbare Zusammenhang der oberflächlichen Nervenkerne mit
der zwischen ihnen gelegenen subpialen Schicht. Die ober-
tlächlichen Kerne stellen somit nur eine metamer angeordnete
Verdickung des allgemeinen subpialen Geflechtes dar, nur Stellen,
an denen die mikroskopische Schicht subpialer Nervenelemente
anwächst und Vorwölbungen bildet. die bereits makroskopisch als
Höcker unter der Pia mater sichtbar sind.
Die angeführten histologischen Befunde werfen auch einiges
Lieht auf die vergleichend-anatomischen Beziehungen der subpialen
Schicht des Rückenmarks von Säugetieren. Letztere kann nicht
als ein phylogenetischer Rest der oberflächlichen Nervenkerne des
Rückenmarks der Vögel angesehen werden. Das Homologon dieser
fehlt den Säugetieren vollkommen, da im Rückenmarke dieser
nirgends irgendwelche Spuren einer metameren Verdickung der
subpialen Zellen wahrnehmbar sind. Die subpiale Schicht des
Rückenmarks der Säuger kann nur der ganzen subpialen Schicht
des Rückenmarks der Vögel mit Einschluss der oberflächlichen
Nervenkerne, als örtlicher metamerer Anschwellungen derselben,
homolog gesetzt werden.
Die oberflächlichen Nervenkerne sind aller Wahrscheinlichkeit
nach sekundäre Elemente, die nur den Sauropsiden zukommen,
bei Säugetieren sind sie nur schwach ausgebildet, allenfalls noch
bei Chiropteren (nach Dröseke), wahrscheinlich als Konvergenz-
erscheinungen, vorhanden.
Schlussbetrachtungen.
Die oben mitgeteilten Befunde sind infolge bedeutender
technischer Schwierigkeiten weitaus nicht vollständig. Gegen-
wärtig bin ich dabei, einige Details des mikroskopischen Baues
der subpialen Schicht und die gegenseitigen Beziehungen der
Nervenelemente festzustellen. Es scheint mir, dass die subpiale
Schicht einen Teil des Zentralnervensystems darstellt, welcher
nach demselben Prinzip wie die zentrale graue Nervensubstanz
aufgebaut ist, in welcher jedoch infolge ihres geringen Durch-
Über die peripherische Schicht von Nervenzellen etc. 461
messers, und infolgedessen, dass die Elemente nicht so dicht
angeordnet sind, wie in der grauen Substanz, die Wechsel-
beziehungen der Nervenzellen und ihrer Fortsätze sowie viele
Fragen, die mit der Neuronentheorie zusammenhängen, bei
gleichen vielleicht sogar geringeren technischen Widerständen,
evidenter und demonstrativer klargestellt werden können. Ausser
diesen Fragen, welche bei jeder neurologischen Arbeit in Betracht
kommen, suche ich ausserdem noch zu bestimmen, welcher Schicht
der Gehirnrinde die subpiale Schicht des Rückenmarks entspricht
und ob hier überhaupt entsprechende Verhältnisse vorliegen, als-
dann suche ich festzustellen, wie weit verbreitet diese subpiale
Schicht in der Reihe der Wirbeltiere ist. Einige meiner Präparate
des Rückenmarks von Rochen sprechen, wie ich bereits oben
erwähnt habe, zugunsten dessen, dass die subpiale Schicht augen-
scheinlich, wenn auch keine primäre, so doch eine alte Bildung
ist, und ihr Auftreten mit der Erlangung der Extremitäten
zusammenfällt.
Bei einer derartigen detaillierten Untersuchung der subpialen
Schicht in histologischer und vergleichend-anatomischer Beziehung
wird es vielleicht gelingen, auch auf die physiologische Bedeutung
derselben ein Streiflicht zu werfen, hinsichtlich welcher vorläufig
nichts Bestimmtes ausgesagt werden kann.
Herrn Prof. Dr. A. Dogiel spreche ich für gütigst gewährten
Rat bei dieser Arbeit und der Phys.-math. Fakultät und der
Naturforschergesellschaft in St. Petersburg für ihre
materielle Unterstützung bei meiner Fahrt ans Schwarze Meer
(1909) zum Studium des Rückenmarks der Vögel verbindlichsten
Dank aus!
O1
6.
—]
10.
I,
16.
17.
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464 Anton Nemiloff: Über die peripherische Schicht ete.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI und XVII.
Sämtliche Figuren sind mit dem Zeichenapparat von Zeiss von Flächen-
präparaten der weissen Substanz des in Methylenblau gefärbten Rücken-
markes ausgeführt worden.
Tafel XV1.
Fig. 1. Subpiales Geflecht des Rückenmarks vom Pferde. nz —= Nerven-
zellen der subpialen Schicht; sbf — Faserbündel des subpialen
Geflechtes; fs — durch die subpiale Schicht durchscheinende Fasern
der weissen Substanz. Zeiss’ Obj. 16,0 mm, Ok. 2.
Fig. 2. Teil des subpialen Geflechtes aus dem Rückenmark einer Katze.
sbf = Faserbündel des subpialen Geflechtes; fs — Fasern der
weissen Substanz, welche durch die subpiale Schicht hindurch sicht-
bar sind. Zeiss’ Obj. E, Ok. 4.
Fig. 3. Teil der subpialen Schicht aus dem Rückenmark eines Kätzchens.
nz — subpiale Nervenzellen; d — deren Dendriten, die sich an der
Bildung des subpialen Geflechtes beteiligen; sbf — Faserbündel des
subpialen Geflechtes ; fs — durch die subpiale Schicht durchschimmernde
Fasern der weissen Substanz. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 4.
Tafel XVII.
Fig. 4. Nervenzellen aus der subpialen Schicht des Rückenmarks eines Affen.
nz — subpiale Nervenzellen; pr = Ranvierscher Schnürring;
prt — Protoplasma der subpialen Zellen; nuc —= ihr Kern; d = ihre
unvollkommen gefärbten Dendriten; ax — Nervenfortsatz; fs — unter-
liegende Fasern der weissen Substanz. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 3.
Pericelluläres Geflecht um eine subpiale Nervenzelle aus dem
Rückenmark eines Hundes. fa —= Fasern der subpialen Schicht,
die zwecks Bildung eines pericellulären Geflechtes an die Zelle
herantreten. pz — pericelluläres Geflecht (die Zelle selber ist un-
gefärbt geblieben); pr = Ranvierscher Schnürring; sbf — Fasern
der subpialen Schicht; fs = unterliegende Fasern der weissen
Substanz. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 4.
Fig. 6. Gliahülle um eine Nervenzelle aus der subpialen Schicht des Rücken-
markes eines Hundes. Die Zelle selber ist ungefärbt geblieben.
gn — Gliahülle; g — Gliafasern. Zeiss’ Hom. Imm. !/ır, Ok. 2.
Fig. 7. Nervenzelle erster Art aus der subpialen Schicht des Rückenmarks
von Phalaerocorax carbo. prt —= Protoplasma; nuc = Kern;
d — Dendriten; ax — Nervenfortsatz, der sich in die Tiefe der
weissen Substanz versenkt; fs —= weisse Substanz. Zeiss’
ÖObj. 4,0 mm, Ok. 2.
Fig. 8. Teil eines oberflächlichen Kernes aus dem Rückenmark von Phalae-
rocorax carbo. nz — Nervenzellen; d — Dendriten; pl —= Geflecht
innerhalb des oberflächlichen Kernes. Zeiss’ Obj. 4,0 mm, Ok. 4.
fo)
Fig.
Gesammelte Studien an den roten Blutkörperchen
der Amphibien.
Von
Friedrich Meves in Kiel.
Hierzu Tafel XVIII--XX und 52 Textfiguren.
Inhalt: Seite
Einleitung . . . Eh N 0 22": RS Re Eee 60
T. Der Bandreiten. alte N 1016
1. Darstellung des Hanirertens duzch Tsoherune RE 467
2. Darstellung des Randreifens durch Färbung. label.
seiner Mbrillarendsteuktunnt1!2'%.. Vo Au LEN aA
34 DersKörnerbelae des; Randreifens ) 31.0 90 ins as er.) AR
4. Die Quermembranen des Randreifens . . . . 2 2 .2.2.2.2....480
5».Die Bedeutumerdes-Rändreitens 2 sei in 484
I ZuzaMembranfraues wer ea rc N ee nn dah
TR%Binnenstrukturen Mel, Ba, EAU N ARE ER a RE AN. BA90)
E: Haden uner. RATE N RE 290
. Granuläre Einschlüsse, ag N NO BEA SE MORE SNTERTOL N D)
3, Besitzen die roten Eintkörnerehon Kae Amphibien einen
Zonenbau?. .. . 503
IV. Über Formänderungen den roten " Blutkörperchnlh im eisch ent-
nommenen Blut 22n! 3 Mall AIR E06
V. Über Formänderungen der roten Blutkörperchen infolge von
Reagentienwirkung. . . . 512
1. Über die plötzliche terug de roten EElnfKörbörchen
des Frosches nach allen Richtungen bei Zusatz von Essigsäure 512
2. Über Formänderungen infolge der Wirkung von Ammoniak-
dämpfen... . . ER a an Se ER a NA
. Über nderneen, welche durch Quellung des Kerns
hervorgerufen werden: sog. Hünefeld-Hensensche Bilder 527
[SE]
Einleitung.
In den Jahren 1903 bis 1906 habe ich im Anatomischen
Anzeiger über die roten Blutkörperchen der Amphibien, haupt-
sächlich des Feuersalamanders, eine Anzahl von Studien publiziert,
welche in erster Linie auf den Randreifen gerichtet waren,
ausserdem die Membranfrage und die Frage nach Binnen-
466 Friedrich Meves:
strukturen betrafen und schliesslich von den Formänderungen
handelten, welche die roten Blutkörperchen teils im frischen Zu-
stand, teils unter der Wirkung verschiedener Reagentien erleiden.
Die damals erhaltenen Resultate habe ich nunmehr zusammen-
fassend bearbeitet, um sie — mit gütiger Erlaubnis von
Redaktion und Verlag des Anatomischen Anzeigers — unter
Beigabe von drei Tafeln und emer Anzahl von Textfiguren,
welche grösstenteils gleichfalls neu sind, an dieser Stelle er-
scheinen zu lassen.
I. Der Randreifen.
Der Randreifen ist ein Strukturbestandteil der kernhaltigen
elliptischen Blutkörperchen, welcher für ihre Kenntnis von grösster
Bedeutung ist. Er ist zweifellos schon früher von Ranvier
(1870), H. D. Schmidt (1878) u.a. gesehen, ist aber für den
Ausdruck einer dicken, das ganze Blutkörperchen umgebenden
Membran gehalten worden (vergl. unten S. 486). Als Reifen hat
ihn zuerst Dehler (1895) an roten Blutkörperchen des Hühner-
embryos beschrieben, hat ihn aber noch (l.c. S. 423) als „dichteren
Teil einer Grenzschicht des Protoplasmas“ aufgefasst. Das gleiche
Gebilde ist dann von M. Heidenhain!) bei Proteus?) und
ebenfalls (1896) bei Hühnerembryonen, von Nicolas (1596) bei
Salamandra, Triton und bei einer Viper aufgefunden worden.
In den Präparaten von Nicolas war der Randreifen bei
Salamandra und Triton im allgemeinen nicht an der Zellober-
fläche gelegen, sondern von dieser durch eine dünne Lage von
Zellsubstanz getrennt; bei der Viper fand er sich sogar in zahl-
reichen Fällen ganz im Innern des Zellkörpers. Dadurch war
bewiesen, dass es sich nicht bloss um eine verstärkte Ektoplasma-
schicht handeln kann.
Ich selbst habe das Studium des Randreifens im Jahre 1903
aufgenommen und bis zum Jahre 1906 fortgesetzt. Dehler,
M. Heidenhain und Nicolas hatten den Randreiten aus-
schliesslich an Schnitten von Material, welches mit Sublimat
!) Neuerdings teilt M. Heidenhain (1911, S. 1058) mit, dass nicht
Dehler, sondern er selbst den Randreifen im Jahre 1894 an roten Blut-
körperchen des Entenembryos entdeckt und dass er die erste Beschreibung
seinem Schüler und Freunde Dehler übertragen habe, welcher eine Serie
neuer Präparate vom Hühnerembryo herstellte.
2) Siehe Dehler, 1895, S. 423 unten.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 467
fixiert war, durch Färbung mit Eisenhämatoxylin dargestellt.
Auch ich habe ihn zuerst an Schnitten wahrgenommen, und
zwar an solchen durch die Niere von Salamanderlarven, welche
mit Flemmingschem oder Hermannschem Gemisch fixiert
und mittels der Flemmingschen Dreifachbehandlung gefärbt
waren. In der Folge habe ich aber mein Bestreben in erster
Linie darauf gerichtet, den Randreifen an den frischen Blut-
körperchen direkt sichtbar zu machen. Ich entdeckte alsbald,
dass es für diesen Zweck genügt, das Blut mit verdünnter Säure,
2. B. Essigsäure, zu versetzen. Ferner fand ich, dass man den
Randreifen durch Zusatz bestimmter Farbstofflösungen zum
frischen Blut darstellen kann. Eine dritte Methode, mit welcher
ich mich im folgenden zunächst ausführlicher befassen will, be-
steht in der Isolierung desselben von der übrigen Substanz des
Blutkörperchens mit Hilfe einer 3proz. Lösung von Küchen-
kochsalz.
1. Darstellung des Randreifens durch Isolierung.
Die Methode, durch welche ich eine partielle, zuweilen
sogar vollständige Isolierung des Randreifens von der übrigen
Substanz des Blutkörperchens erzielt habe, ist folgende: Ich
lasse einige Tropfen Blut des Salamanders (welche ich neuerdings
gewöhnlich durch Abschneiden der Schwanzspitze gewinne) in ein
ca. 15 ccm grosses Gläschen hineinfallen, welches bis zum Rande
mit einer 3proz. Lösung von Küchenkochsalz angefüllt ist. Dann
schüttle ich und warte, bis sich ein Bodensatz gebildet hat. Von
diesem bringe ich etwas mit Hilfe einer Pipette auf einen Objekt-
träger und decke mit einem grossen Deckglas!) ein, welches ich
mit einem Rahmen von geschmolzenem Paraffın umziehe.
Bringe ich nun das Präparat unter das Mikroskop, so finde
ich. dass die Oberfläche der Blutscheiben sich zunächst mit
zahlreichen Runzeln bedeckt. Nach einiger Zeit wird sie wieder
glatt. Weiter kann es sich ereignen, dass die eine oder andere
der Blutscheiben, welche im Gesichtsfeld gelegen sind, plötzlich
ein durchgehendes Loch bekommt.
Die Entstehung dieses Loches stelle ich mir folgender-
massen vor: Ich nehme an, dass entweder infolge der Wasser-
entziehung durch die hypertonische Salzlösung oder auch infolge
!) Ich gebrauche solche von 22:40 mm Seite.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. 1.
8%
DD
468 Friedrich Meves:
Änderung der Oberflächenspannung (durch lokale Niederschlags-
bildung?) Bewegungen der Zellsubstanz auftreten. Dabei kann es
vorkommen, dass die Zellsubstanzlamelle, welche das Lumen des
Randreifens ausfüllt, an einer Stelle zunächst stark verdünnt
und schliesslich durchbrochen wird.
Eine Seifen- oder Öllamelle, welche über einen Ring aus-
gespannt ist, fällt fast momentan zusammen, sobald die beiden
Oberflächenschichten an irgend einer Stelle infolge Durchbrechung
der Lamelle ineinander greifen. Bei der Blutscheibe braucht der
gleiche Vorgang längere Zeit, wahrscheinlich deshalb, weil die
Zellsubstanz von sehr zäher Beschaffenheit ist und die Oberflächen-
spannung bei der von Flüssigkeit umgebenen Blutscheibe erheb-
lich geringer ist als bei der Seifen- oder Öllamelle, die sich in
Luft befindet. Das anfangs nur kleine Loch nimmt unter den
Augen des Beobachters langsam an Durchmesser zu. Bald erreicht
es an einer Stelle den Randreifen. Es vergrössert sich weiter so,
dass ein immer grösseres Stück des Randreifens zu seiner
Begrenzung hinzugezogen wird. Allmählich hat sich die Zell-
substanzlamelle unter der Wirkung der Öberflächenspannung und
des osmotischen Druckes so stark verkleinert, dass sie weniger
als die Hälfte des Ringlumens ausfüllt. Schliesslich rundet sie sich
zu einer Kugel ab, welche an einer Stelle den Kern einschliesst.
Ein Teil der Zellsubstanz bleibt anfangs noch in Gestalt
eines schmalen, auf der Innenseite dickeren Mantels um den
Randreifen erhalten. Dieser Mantel zeigt alsbald Einschnürungen
und dazwischen Ausbuchtungen: weiter zerfällt er, den Ein-
schnürungen entsprechend, in kleine Tröpfchen, welche zunächst
gewöhnlich nicht ganz kugelig sind, sondern auf der Innenseite
eine stärker konvexe, auf der Aussenseite eine flachere Begrenzung
zeigen. Zwischen den verschiedenen Zellsubstanztröpfehen wird
der Randreifen völlig nackt sichtbar.
Eine Auflösung eines schmalen Flüssigkeitszylinders in
Tröpfehen beobachtet man z. B. gleichfalls, wenn man einen
Seidenfaden in Öl taucht und wieder heraushebt.
Fig. 1—8 zeigen die aufeinander folgenden Veränderungen,
welche eine und dieselbe Blutzelle im Anschluss an die Durch-
lochung erfährt. Der hier dargestellte Fall weist allerdings eine
Besonderheit auf insofern, als einige Zeit nach dem Auftreten
des ersten Loches noch ein zweites hinzukam.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 469
Als ich die in Fig. 1 gezeichnete besonders grosse Blut-
scheibe zuerst auffand (an einem Nachmittag um 5 Uhr 25 Minuten),
war das rundliche Loch unten rechts offenbar erst vor wenigen
Augenblicken entstanden. Es vergrösserte sich alsdann unter
meinen Augen (Fig. 2 und 3), wobei es etwas wechselnde Formen
annahm. Auf dem Stadium der Fig.3 (um 5 Uhr 30 Minuten)
wurde das erwähnte zweite Loch sichtbar, welches anfangs klein
und rund war. Vier Minuten später (um 5 Uhr 34 Minuten)
zeigte es noch ungefähr die gleichen Dimensionen, hatte sich
aber etwas in die Länge gezogen (Fig. 4). Nach weiteren drei
(Fig.5) und sieben (Fig. 6) Minuten (um 5 Uhr 37 Minuten und
um 5 Uhr 41 Minuten) waren beide Löcher, das kleine und
das grosse, stark gewachsen. An dem Zellsubstanzzylinder, welcher
in Begrenzung des grösseren Loches dem Randreifen ansass,
markierten sich in Fig. 5 zwei spindelförmige Anschwellungen,
welche sich in Fig. 6 stärker zusammengezogen hatten. 25 Minuten
nach Beginn der Beobachtung (um 5 Uhr 50 Minuten) hatte das
grosse Loch sich besonders in der Richtung nach links oben aus-
gedehnt (Fig. 7): das kleine Loch hatte sich stärker in die Länge
gezogen, aber nicht wesentlich vergrössert. Zu den beiden
kleineren Zellsubstanzportionen, welche in Fig. 6 dem Randreifen
in Begrenzung des grösseren Loches ansitzen, war eine neue von
länglicher Form {links unten) hinzugetreten; die beiden anderen
hatten sich stärker abgerundet; diejenige am unteren Pol war
völlig kugelig geworden. Um 6 Uhr 25 Minuten, also eine
Stunde nach Beginn der Beobachtung, war das Bild (Fig. 5) wenig
gegenüber demjenigen der Fig. 7 verändert. So blieb es bis um
S Uhr 45 Minuten, wo die Beobachtung abgebrochen werden musste.
In den übrigen Figuren derselben Tafel habe ich eine
Anzahl Blutzellen gezeichnet, bei welchen die Formänderungen,
welche im Gefolge der Durchlochung auftreten, bereits zu einem
mehr oder weniger vollständigen Abschluss gekommen waren.
Bei dem an der Hand von Fig. 1—S geschilderten Verlauf war
die Hauptmasse der Zellsubstanz bei Beendigung der Beobachtung
(Fig. 8) wohl infolge des Vorhandenseins zweier Löcher in Form
einer allerdings stark verdickten Lamelle zwischen entgegen-
gesetzten Seiten des Reifens ausgespannt geblieben. Bei dem
Auftreten eines einzigen Loches (oder wenn zwei Löcher zu
einem einzigen zusammenfliessen) bildet sich in der Regel, wie
32*
470 Friedrich Meves:
ich es vorher beschrieben habe, neben mehreren kleineren ein
grösserer Protoplasmatropfen, welcher den Kern einschliesst :
Fig. 9, 10, 20; in letzterem Fall (Fig. 20) sind kleinere Tropfen
in grosser Zahl vorhanden.
Zuweilen findet man die Zellsubstanz in mehrere annähernd
gleichgrosse Kugeln zersprengt: Fig. 21 (ähnlich auch in Fig. 22).
Die Tropfen bleiben zunächst am Randreifen sitzen. Später
können sie sich, die kleineren gewöhnlich zuerst, von ihm ablösen.
Auf diese Weise kann der Randreifen schliesslich völlig isoliert
werden.
Bei den Fig. 11—14 ist auch die grosse Protoplasmakugel
abgelöst. In Fig. 11 berührt sie an gegenüberliegenden Seiten
den Innenkontur des Randreifens; in Fig. 13 überdeckt sie ihn;
in Fig. 12 liegt sie frei in seinem Lumen. In letzterer Figur
sieht man neben der grossen Kugel noch eine Anzahl kleinerer
Tröpfchen, welche teils frei schwimmen, teils am Randreifen an-
sitzen. Bei Fig. 13 erscheint es ausgeschlossen, dass die einzige
vorhandene Protoplasmakugel die Gesamtmasse der Zellsubstanz
repräsentiert; hier müssen bereits Zellsubstanztröpfehen vom
vandreifen frei geworden und weggetrieben sein. Das gleiche ist
mit der Hauptmasse der Zellsubstanz bei Fig. 14 geschehen, bei
welcher nur noch an zwei Stellen dem Randreifen kleinere,
spindelförmige Protoplasmamassen ansitzen, welche keine Neigung
zeigten sich abzukugeln.
Bei Fig. 15 und 16 beobachtet man an dem isolierten Teil
des Randreifens Schleifenbildungen, welche wohl auf eine Drillung
desselben (siehe unten S. 520) zurückzuführen sind.
Fig. 17—19 stellen Blutscheiben dar, bei denen unter der
Wirkung der 3proz. Kochsalzlösung Löcher in der Mehrzahl
entstanden sind. In Fig. 17 sind zwei (ebenso wie bei Fig. 8),
in Fig. 18 drei Löcher aufgetreten. In Fig. 19 hat sich die Zell-
substanz durch Lochbildung an nicht weniger als sieben Stellen
von dem Randreifen getrennt.
Fig. 23 und 24 zeigen zwei nahezu isolierte Randreifen,
welche zerbrochen sind. In Fig. 23 sind die durchbrochenen
Enden zwar etwas auseinander gewichen, im übrigen aber hat
der Reifen die ovale Form bewahrt. In Fig. 24 dagegen hat eine
Streckung desselben, möglicherweise rein passiv (infolge von
Strömungen im Präparat), stattgefunden.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 471
Die lochförmige Durchbrechung der Blutscheiben habe ich,
wie gesagt, durch eine 3 proz. Lösung von Küchenkochsalz hervor-
rufen können. Das von mir benutzte Salz stammt aus den Kali-
werken Benthe, Aktiengesellschaft, Hannover, und hat nach
einer mir zugestellten Analyse folgende Zusammensetzung:
NVasser urn.) ol 28 URDIERETOZ.
Calemmsulfat.! 2). 2 WS ERER.0S
Maenesiumsulfat! 2m. oe
Natriumsulfatt. sFr 0 200
Natrmumehloridi=* . +77 9E09782
Ünlöslichese. 2. N NEED
Wenn ich dagegen eine 3proz. Lösung von reinem Chlor-
natrium anwandte, kamen Bilder wie die beschriebenen nur
ausserordentlich spärlich oder überhaupt nicht zustande; an
vielen Blutkörperchen trat Entfärbung ein. Mit Lösungen anderer
Salze, welche mit einer 3 proz. Lösung von Kochsalz isotonisch
sind, z. B. von Kaliumnitrat, Magnesiumsulfat u. a., habe ich
überhaupt keine Erfolge erzielt; vereinzelte durch hypertonische
(26 proz.) Rohrzuckerlösung; Fig. 15 und 20 sind mit Hilfe der
letzteren gewonnen.
Bei den Blutkörperchen des Frosches gelang es mir auch
nicht durch Küchenkochsalz, Lochbildung zu bewirken; es ist
möglich, dass sie hier durch die Anwesenheit des unten zu
beschreibenden Fadenwerks in der Zellsubstanz verhindert wird.
Die eben beschriebenen Beobachtungen hat Weidenreich
(1905, 1 S. 289 ff.) im III. Teil seiner „Studien über das Blut“,
in welchem er sich mit dem Bau der Amphibienerythrocyten
beschäftigt, einer gänzlich verfehlten Kritik unterworfen. Ich
würde es bei der kurzen Antwort, die ich darauf bereits 1906, 1
S. 444, gegeben habe, bewenden lassen, wenn ich nicht fände, dass
M. Heidenhain (1911, S. 1060). schreibt, ich sei. „der
Meinung“, dass es mir gelungen sei, durch Einwirkung einer
3proz. Kochsalzlösung den Reifen von der übrigen Substanz des
Körperchens zu isolieren, und auf Weidenreich verweist. Ich
entnehme aus dieser Äusserung, dass die Richtigkeit meiner
früheren Angaben auf Grund des Weidenreichschen Angrifts
A Friedrich Meves:
auch von anderer Seite in Zweifel gezogen werden konnte, und
möchte daher auf die Weidenreichsche Darstellung zurück-
kommen.
In dem Referat, welches Weidenreich von meiner
Schilderung gibt, lässt er mich behaupten, dass am Schluss des
Vorgangs „die Zellsubstanz mit dem Kern zur Kugel aufgequollen
an einer Stelle dem Randreifen ansitzt“. Weidenreich zeigt
dadurch, dass er den physikalischen Kräften, welche nach meiner
Auffassung die Abkugelung der Zellsubstanz nach dem Eintritt
der Durchlochung bewirken, kein Verständnis entgegenbringt.
Weidenreich fand nun bei Anwendung der von mir
angegebenen Methode neben eigentümlichen Formänderungen, die
an die von Preyer beobachteten erinnern, bald häufiger, bald
seltener solche Bilder, wie ich sie geschildert habe. Während
aber nach meiner Ansicht die farblosen Stellen Löcher seien, das
Blutkörperchen also richtig durchbohrt wäre, handelt es sich
nach Weidenreich „keineswegs um Löcher, sondern nur um
hämoglobinfreie Stellen, die dadurch zustande kommen, dass
infolge der wasserentziehenden Wirkung der 3 proz. Kochsalz-
lösung der Inhalt eingedickt und geringer wird; die Membran
nähert sich infolgedessen und kommt an einzelnen Stellen in
erösserer oder geringerer Ansdehnung zur Berührung und Ver-
klebung, während der Inhalt nach den übrigen Partien der
Scheibe sich zusammendrängt ; offenbar übt dabei die Membran
noch einen Druck auf den Inhalt aus, da der Kern häufig
exzentrisch liegt. Die „Löcher“ sind demnach nichts anderes als
hämoglobinfreie Stellen, wo die farblose durchsichtige Membran
in doppelter Lage fest aufeinander ruht“.
„Der Beweis für diese meine Behauptung‘, sagt Weidenreich,
lässt sich auf mehrfache Weise erbringen. Zunächst versuchte ich, ob es
nicht gelingt, die Membranblätter wieder zum Abheben zu veranlassen; der
Versuch gelang in der Tat. Setzt man nämlich eine sehr dünne Kochsalz-
lösung (0,6°/0) zu, so beobachtet man, wie die Blutscheibe wieder Wasser
einsaugt, sie strebt der Kugelform zu und in dem Maße dringt von der
Stelle, an der sich hauptsächlich der gefärbte Inhalt angesammelt hatte,
das Hämoglobin vor und füllt den leeren Raum wieder aus. Es resultiert
eine Kugel, die rasch sich entfärbt und dann dasselbe Bild darbietet, wie
es auch sonst die Schatten der Salamanderblutkörperchen geben. Wäre
die Blutscheibe wirklich durchlöchert, so wäre dieser Vorgang undenkbar.
Aber ich bin in der Lage, noch einen zweiten Beweis gegen die Lochnatur
dieser hämoglobinfreien Stellen zu bringen. Ich sagte mir, handelt es sich
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 473
wirklich um aufeinanderliegende Membranpartien, dann muss es vielleicht
gelingen, Einschlüsse oder Auflagerungen in und auf diesen Stellen zu
finden. Auch das ist mir nach einigem Suchen geglückt, ich habe mehrfach
Scheiben gesehen, wie ich sie in Fig. 23 wiedergebe, wo also in der Mitte
des „Loches“ ein nicht näher zu bestimmendes Gebilde lag; nun muss man
sich selbstverständlich darüber vergewissern, dass derartige Flecken nicht
etwa auf oder über der Scheibe liegen und die Lage in dem „Loche“ nur
eine scheinbare ist. Um auch da sicher zu gehen, genügt es, die Scheibe
zu bewegen und sie zum Überschlagen zu bringen, was durch Klopfen auf
das Deckglas bei nicht zu wenig Flüssigkeit leicht gelingt. Es muss also
an der scheinbar leeren Stelle etwas ausgespannt sein, wo diese Körper oder
Flecken sitzen, und das ist eben die Membran. Einen dritten Beweis lieferte
mir mein Versuch, derartige Scheiben zu färben; zwar gelang es mir nicht,
wie ich wollte, die ‚Löcher‘ zu tingieren, und zwar deswegen, weil geringer
Farbzusatz überhaupt die Körperchen ungefärbt liess, reichlicher dagegen
die Scheiben zum Quellen brachte und in Kugelform überführte, genau wie
es bei Wasserzusatz der Fall ist. Aber es gelang dafür auf andere Weise
die Lochnatur auszuschliessen, ich erhielt nämlich einen körnigen Farbstoff-
niederschlag bei geringem Farbzusatz und versuchte nun eine Strömung in
dem Präparate auszulösen. Sind die Blutscheiben wirklich durchlocht, so
müssen, wenn die Scheibe auf der Kante steht und mit ihrer Fläche der
Strömung entgegengerichtet ist, die Farbstoffpartikelchen natürlich dieses
Loch passieren; ist dagegen eine Membran vorhanden, so müssen sie an der
fraglichen Stelle abgleiten und nach dem Rande der Scheibe fliessen. Ich
habe nun mehrfach feststellen können, dass die letztere Annahme die zu-
treffende ist; niemals gingen die Farbstoffpartikelehen durch die Scheibe
hindurch *
Weidenreich glaubt „somit dargetan zu haben, dass die
von Meves beschriebenen Bilder in ganz anderem Sinne zu
deuten sind“.
Man könnte nun vermuten, dass Weidenreich entgegen
seiner eigenen Annahme die von mir beschriebenen Bilder tat-
tächlich überhaupt nicht zu Gesicht bekommen hat. Einzelne
seiner Figuren (z. B. das Blutkörperchen in der Textfigur 2 oben
links auf S. 291) lassen jedoch keinen Zweifel, dass dies der
Fall ist. :
Es bleibt mir demnach nichts anderes übrig, als zu kon-
statieren, dass Weidenreich etwas sieht, wo nichts existiert.
Die angeblichen Beweise Weidenreichs, welche das Vorhanden-
sein einer Membran im Bereich der „farblosen Stellen“
(Weidenreich) dartun sollen, beruhen ebenso auf Täuschung
wie zahlreiche andere Behauptungen dieses Autors, die in der-
selben Abhandlung zu lesen sind. Es ist nicht richtig, dass es
474 Friedrich Meves:
gelingt, an den „farblosen Stellen“ Membranblätter zum Abheben
zu bringen. Es ist ferner nicht richtig, dass man Einschlüsse
oder Auflagerungen in und auf diesen Stellen finden kann. Da-
gegen kann man unter Umständen wahrnehmen, dass Zellsubstanz-
kügelchen, welche sich abgelöst haben, durch ein Loch oder
durch das Lumen des Randreifens hindurchtreiben (Fig. 12). Es
ist nicht der leiseste Zweifel möglich, dass es sich bei den in
Rede stehenden „farblosen Stellen“ um wirkliche Löcher handelt.
Auch ist der ganze weitere Verlauf der Erscheinungen derart,
dass die Anwesenheit einer Membran an diesen Stellen völlig
ausgeschlossen ist.
2. Darstellung des Randreifens durch Färbung.
Sichtbarmachung seiner fibrillären Struktur.
Eine zweite von mir angegebene Methode, um den Rand-
reifen an den frischen Blutkörperchen darzustellen, besteht in
dem Zusatz einer /s—!/s proz. wässerigen Lösung von Gentiana-
violett. An Stelle von Gentianaviolett kann man auch Methyl-
violett, Kristallviolett oder Dahlia verwenden. Mit Hilfe dieser
Methode lässt sich auch ein erstes von mir entdecktes Struktur-
verhältnis des Randreifens, sein fibrillärer Bau, mit Leichtigkeit
demonstrieren.
Ich verfahre in der Weise, dass ich ein Tröpfchen Salamander-
blut und in einiger Entfernung davon ein Tröpfchen Gentiana-
violettlösung auf einen Objektträger setze und beide Tröpfchen
zusammen mit einem grossen Deckglas eindecke, welches ich mit
geschmolzenem Paraffın umziehe.
An der Berührungsgrenze beider Flüssigkeiten entsteht ein
Farbstoffniederschlag; es bleibt jedoch genügend Farbe in Lösung,
um die Reaktion zu bewirken. Den Verlauf der Reaktion kann man
am besten in einiger Entfernung von der Berührungsgrenze verfolgen.
Man sieht zuerst, dass im Zelleib neben dem Kern ein
Kügelchen oder eine Gruppe von solchen hervortritt, welche sich
intensiv rot färben („chromatoide Kügelchen“ nach meinem
Vorschlag, 1905, S. 540; vgl. unten S. 501).
Sodann (Fig. 25) nehmen die Chromatinmassen des Kerns
eine bläuliche, der Kernsaft eine rötliche Färbung an; im Kern-
saft treten kleine, stark rote Körnchen hervor, welche immer
zahlreicher werden. Von dem Randreifen ist zunächst noch
Die roten Blutkörperchen der Amphibien 475
nichts wahrzunehmen. Er wird erst auf einem folgenden Stadium
(Fig. 26) als ein leicht rotviolett tingierter Saum kenntlich. Die
rote Färbung des bezw. der chromatoiden Kügelchen ist nunmehr
in eine rotviolette übergegangen. Das Uhromatin des Kerns
zeigt Blauviolettfärbung; es scheint gequollen zu sein und den
Kernsaft bis auf die rot gefärbten Körnchen aufgesogen zu haben,
welche untereinander zu einer einheitlichen, nunmehr rotvioletten
Masse verschmolzen sind.
Auf einem folgenden Stadium (Fig. 27) ist auch die Färbung
des Randreifens eine intensivere geworden; man erkennt an ihm
eine parallele Streifung, welche noch deutlicher wird, nachdem
der Zelleib sein Hämoglobin verloren hat (Fig. 28). Der Rand-
reifen zeigt sich jetzt als aus einer grossen Anzahl parallel ver-
laufender feinster Fäden oder, was ebensowohl möglich ist, aus
einem einzigen ununterbrochenen Faden zusammengesetzt, welcher
im Rande der Blutscheibe zu einer Docke aufgewickelt ist. In
den Polgegenden halten die Fäden häufig einen etwas grösseren
Abstand ein: die Docke, wenn es sich um eine solche handelt,
ist hier aufgelockert. Vielfach sieht man Einzelfäden, welche
abgesprengt und ins Innere der Blutzellen verlagert sind.
Statt ganz frisch abgelassenen Blutes habe ich für die
Färbung mit Gentianaviolett mitunter auch solches benutzt,
welches ich vorher zu Isolationsversuchen des Randreifens mit
3proz. Köchsalzlösung gemischt hatte. Bezüglich des Rand-
reifens ist das Resultat dasselbe: Fig. 29 und 30.
Nicht selten beobachtet man bei den mit Gentianaviolett-
lösung behandelten Blutzellen an einem oder auch (Fig. 31) an
beiden Polen des Randreifens Schleifenbildungen, welche wahr-
scheinlich durch eine Torsion desselben (siehe unten S. 520)
bedingt sind.
Fig. 32 zeigt eine zuerst in 3proz. Kochsalzlösung suspendiert
gewesene Blutzelle, welche infolge Zusatzes der wässerigen Farb-
lösung zur Kugel aufgequollen ist; dabei musste der Randreifen,
wie geschehen, deformiert werden, weil der Durchmesser der
entstehenden Kugel kleiner ist als der Längsdurchmesser der
Blutscheibe.
Schon vordem ich die Wirkung des Gentianavioletts auf
die frischen Blutkörperchen kennen gelernt hatte, war es mir
gelungen, wie ich oben bereits mitgeteilt habe, den Randreifen
476 Friedrich Meves:
am fixierten Objekt darzustellen; und zwar hatte ich ihn an
Schnitten durch die Niere von Salamanderlarven, welche mit
Flemmingschem oder Hermannschem Gemisch fixiert waren,
mittels der Flemmingschen Dreifachbehandlung (Safranin-
(sentiana-Orange) gefärbt erhalten. In diesen Schnitten fanden
sich die Blutzellen der Fig. 33 und 34, während die in Fig. 35
gezeichnete Zelle aus einem in gleicher Weise behandelten Flächen-
präparat von Lungenwand, ebenfalls von der Salamanderlarve,
stammt. In Fig. 33 erscheint der Randreifen kompakt, in Fig. 34
und 35 dagegen ist seine fibrilläre Zusammensetzung deutlich
erkennbar. In Fig. 35 hat sich die Zelloberfläche vom Rand-
reifen abgehoben; dieser ist dadurch ins Innere des Zellkörpers
verlagert.
Schliesslich habe ich in Fig. 36 und 37 noch zwei Blut-
zellen von Rana esculenta abgebildet, in welchen der Randreifen
durch Gentianaviolett zur Darstellung gebracht ist. Fig. 36 ist
eine rote Blutzelle. welche vor der Behandlung mit Gentiana-
violett eine Zeitlang in 3 proz. Kochsalzlösung suspendiert gehalten
wurde. Die Zelle der Fig. 37, auf welche die wässerige (Grentiana-
violettlösung direkt eingewirkt hat, ist zunächst aufgequollen,
was eine Deformierung des Randreifens zur Folge hatte, und
hinterher geplatzt, wobei der Kern mit etwas Zellsubstanz aus-
gestossen wurde.
Weidenreich hat die Fıbrillen des Randreifens anfänglich
(1904 und 1905, 1) für Falten einer Oberflächenmembran erklärt, die
durch einen Schrumpfungsvorgang entstanden sein sollten, welcher
durch den Zusatz der wässerigen Gentianalösung verursacht würde.
Dabei konstatiert Weidenreich selbst (1905, 1, S. 275), dass „der
Randreifen“ nicht bloss an den zunächst vom Reagens betroffenen
Zellen, sondern auch „an der Grenze des vordringenden Reagens“
„am anscheinend intakten Blutkörperchen auftritt“. welches sein
Hämoglobin noch nicht abgegeben hat. An diesem kann aber doch
ganz gewiss von „Schrumpfung“ keine Rede sein. Es bleibt ferner
völlig unverständlich, warum die Falten ausschliesslich am Rande
«der Scheiben entstehen sollten. Von diesem allen abgesehen kann
auf Grund des mikroskopischen Bildes — selbst wenn man sich
auf Gentianaviolettpräparate von frischem Blut beschränkt — an
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 477
der Fibrillennatur der „Linienzeichnung“ nicht der geringste
Zweifel obwalten. Es ist völlig ausgeschlossen, dass Membran-
falten sich in Form so feiner und scharf gefärbter Linien wie
z. B. in Fig. 23 präsentieren könnten. Mit Hilfe einer guten
Immersion kann man sich ferner (nicht bloss in Kanten-, sondern
auch in Flächenansichten der Blutkörperchen) mit Leichtigkeit
davon überzeugen, dass der Reifen nicht „nur eine Öberflächen-
bildung“ ist, sondern dass ein Teil der Fibrillen deutlich im Innern
des Blutscheibenrandes gelegen ist. Schliesslich sind Bilder von
deformierten Randreifen, wie ich sie in den Gentianaviolett-
präparaten häufig finde (Fig. 31 und 32), mit der Weiden-
reichschen Annahme absolut unvereinbar.
Weidenreich hatsich denn auch veranlasst gesehen, seine
Auffassung später (1905, 3 und 4) selbst zu berichtigen,') nachdem
ihm auf der Genfer Anatomenversammlung (August 1905) Präparate
von drei Seiten zugleich, ausser von mir auch von Bryce und
Joseph, vorgelegt waren.
Die beiden letzteren Autoren haben meine Darstellung völlig
bestätigt. Bryce (1904) findet an Schnitten durch Lepidosiren-
larven, dass das Aussehen des Randreifens in Flächenansichten
der roten Blutkörperchen „distinetly fibrillar“ ist und dass die
Fibrillen an Querschnitten ?) als feine gefärbte Punkte erscheinen.
Joseph (1905) teilt mit, dass die faserige Natur des Randreifens
an Schnitten durch die roten Blutkörperchen von Proteus „in
ausgezeichneter Weise ersichtlich“ ist. „Gleichzeitig sind auf der
Fläche der Erythrocyten keinerlei Linien zu sehen, welche etwa
mit den Membranfalten Weidenreichs identisch sein könnten.“
83. Der/Körnerbelag des Randreifens.
Eine weitere Struktureigentümlichkeit des Randreifens lässt
sich auf folgende Weise sichtbar machen. Man setzt auf einen
Objektträger nebeneinander einen Tropfen Blut des Salamanders
und einen Tropfen einer 0,9proz. Chlornatriumlösung, welche
auf 100 ccm 3—4 Tropfen Salpetersäure von 1,4 spezifischem
) Weidenreich (1905, 4 S. 401) leitet diese Berichtigung mit den
Worten ein, er habe seine Auffassung „in etwas zu modifizieren“ (!).
?) Solche Querschnitte lagen mir an meinen Schnitten durch die Niere
der Salamanderlarve, aus denen die Blutkörperchen der Fig. 35 und 34 stammen,
gleichfalls vor.
478 Friedrich Meves:
Gewicht enthält, deckt beide Tropfen zusammen ein und umzieht
das Deckglas mit einem Rand von geschmolzenem Paraffın.
Die Blutkörperchen, welche am Berührungsrand von Blut
und Reagens liegen, quellen alsdann auf und verlieren ihr Hämo-
globin. Der Randreifen tritt deutlich hervor. In Kantenansichten
nimmt man wahr, dass die beiden Oberflächen der Blutzelle sich
beiderseits stark vorgebuchtet haben. Der Randreifen erscheint
wie ein Schnürring, welcher um die Blutzelle herumgelegt ist;
man hat den Eindruck (Weidenreich, 1905, 1,8. 276), als ob
das Blutkörperchen „aus zwei Hälften zusammengefügt wäre, die
an den Vereinigungsstellen verdickt vorspringen, wie etwa die
Schalen einer Nuss“ (Walnuss).
Diese Bilder kommen offenbar dadurch zustande, dass die
Niederschlagsmembran, welche sich bei der Berührung mit der
Säure bildet, am Rande der Blutkörperchen mit der nach aussen
gekehrten Oberfläche des Reifens verklebt und hier auch dann
noch fixiert bleibt, wenn die Blutzelle aufquillt.
Untersucht man nun den Randreifen mit Hilfe einer Immersion,
so lässt er von der oben beschriebenen Zusammensetzung aus
Fibrillen nichts wahrnehmen, sondern zeigt, besonders in Kanten-
ansichten (Fig. 38), ein körniges Aussehen. Welches Struktur-
verhältnis diesem körnigen Aussehen zugrunde liegt, habe ich
1904, 2 nicht sofort erkannt, sondern erst später (1905, 2), als
ich die roten Blutkörperchen von Amphibien nach dem Vorgang
von Lavdowsky mit gefärbter Jodsäure behandelte.
Lavdowsky hatte 1893 mitgeteilt, dass Jodsäure in Ver-
bindung mit einigen Farbstoften, besonders Neuviktoriagrün oder
Methylviolett 6 B, in eigenartiger Weise auf die roten Blut-
körperchen einwirkt. Seine Behandlungsmethode bestand in
folgendem. Er setzte auf den Objektträger einen grossen Tropfen
einer 2--4proz. ‚Jodsäure, vermischte ihn: mit einem kleinen
Tropfen von Neuviktoriagrün oder Methylviolett 6 B, brachte in
die Mischung einen Blutstropfen, verrührte ihn damit und deckte
ein. Wendet man diese Methode auf das Blut des Frosches
(Rana temporaria) an, so beobachtet man nach Lavdowsky im
ersten Augenblicke ein starkes und rapides Aufquellen der roten
Blutkörperchen, und zwar quellen sie so regelmässig auf, dass
die relativen Verhältnisse der verschiedenen Durchmesser ganz
unverändert bleiben. Sie sind zunächst in ihrer Totalität grün
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 479
bezw. lila gefärbt. Sehr bald, namentlich im Verlaufe der ersten
Minute, entfärben sie sich, „mit Ausnahme der Kerne und der
sogenannten Membran, wo sich die Farbe vornehmlich lokalisiert“.
„Die Membranschicht erscheint gleich Ringen und Reifen
um die einzelnen Körperchen; sie ist anfänglich unversehrt, ganz
kompakt. Aber schon nach der ersten Minute der Jodsäure-
wirkung bemerkt man unter Aufquellen der Körperchen folgende
interessante Erscheinung. ...“ Die Membranschicht wird durch
auftretende Lücken in „stäbchenförmige Stückchen“ geteilt. Die
Lücken dehnen sich um so mehr aus, je mehr die Blutkörperchen
selbst aufschwellen. Endlich platzen sämtliche Blutkörperchen.
Die Stäbchen zeigen jedoch keine Neigung abzufallen oder sich
abzutrennen, sie verbleiben vielmehr an ihrer Stelle.
Bei einer Nachprüfung mit der von Lavdowsky angegebenen
Methode an den roten Blutkörperchen des Frosches überzeugte
ich mich nun leicht, dass es sich bei der Membran, welche
Lavdowsky hier gesehen haben will, nicht um eine solche handelt,
sondern um ein Band, welches um den Rand der Blutkörperchen
herumgelegt ist. Der erste Gedanke, der sich mir aufdrängte, war
der, dass dieses Band mit dem Randreifen der roten Blutkörperchen
identisch sei. Ich erkannte aber sehr bald, besonders als ich die Blut-
körperchen des Salamanders zur Untersuchung heranzog, dass der
eigentliche Randreifen noch innen von diesem Bande gelegen ist,
bezw. dass das Band die äussere konvexe Seite des Randreifens
bedeckt. Das Band stellt einen platten, ca. 11/.—2 u breiten Streifen
dar. Man sieht es von der Fläche, wenn die Blutscheibe auf der Kante
steht, und konstatiert dann, dass es sich aus zahlreichen, sehr
kleinen Körnchen zusammensetzt (Fig. 45); die Körnchen sind es,
welche sich intensiv grün oder violett färben. In Flächenansichten
der Blutkörperchen erscheint das Band als Linie oder (Fig. 44)
als Körnerreihe. Wenn infolge der Jodsäurewirkung eine starke
Erweiterung der Blutscheibe eintritt, wird es durch quere Lücken,
welche in kurzen Abständen voneinander auftreten, in zahlreiche
Stückchen zerlegt. Bei den Blutkörperchen, welche in Fig. 44, 45
wiedergegeben sind, hatte ich eine stärkere Erweiterung dadurch
verhindert, dass ich zu der Jodsäure Chlornatrium zugesetzt hatte.
Das gleiche Körnerband kann man durch die gleiche Methode
an den roten Blutkörperchen des Salamanders dargestellt erhalten
(Fig. 46, 47).
430 Friedrich Meves:
Auf sein Vorhandensein ist auch das körnige Aussehen des
Randreitens bei der Behandlung mit verdünnter Salpetersäure
(siehe oben) zurückzuführen. Der Körnerbelag findet sich nämlich
auf der ganzen nach aussen gekehrten Oberfläche des Randreifens,
welcher ausserdem nur noch von einer Zellsubstanzschicht von
minimaler Dicke überzogen ist. Unter der Einwirkung der Jod-
säure quillt der Randreifen auf; dadurch wird der scharfe Rand
der Blutscheibe abgeplattet und der Körnerbelag in Form eines
Bandes in einer Ebene ausgebreitet.
4. Die Quermembranen des Randreifens.
Deckt man einen Tropfen Salamanderblut zusammen mit
einem Tropfen einer 0,9—1»roz. Kochsalzlösung ein, welcher
man auf 100 cem 30 Tropfen Salpetersäure von 1,4 spez. Gewicht
zugefügt hat, so erscheint nach einiger Zeit der Randreifen in
denjenigen Zellen, welche am Berührungsrand zwischen Blut und
Reagens liegen. durch Quellung'!) auf das 2—3—4fache seines
Dickendurchmessers verbreitert (Fig. 39—43). Die starken Grade
der Quellung (Fig. 41—43) gehen mit einer nicht unerheblichen
Verkürzung des Randreifens einher. Die zweilappige Form des
Blutkörperchens, welche schon bei Einwirkung schwächerer
Salpetersäure hervortrat (siehe oben), wird dadurch noch viel
ausgesprochener; sie macht sich auch in Flächenansichten (vgl.
besonders Fig. 42?)) deutlich bemerkbar. Der Randreifen weist
nunmehr eine etwas verwaschene Längsstreifung und ausserdem
ca. 30—40 sehr deutliche Querlinien auf, welche sich
mit dem Blutfarbstoff ziemlich intensiv tingiert haben. Der Ab-
stand der @Querlinien voneinander ist etwas verschieden, ihre
Richtung häufig unregelmässig. Vielfach sieht man die Querlinien
in nebeneinander liegende Körnchen aufgelöst. Am deutlichsten
ist dies, wenn der Randreifen stark gequollen ist; die Körnchen
erscheinen alsdann als Verdickungen der Fibrillen, welche den
Randreifen bilden.
Durch Heben und Senken der Schraube kann man fest-
stellen, dass die Querlinien der Ausdruck von Membranen sind,
3) Es kann sich entweder um eine Quellung der Fibrillen oder einer
sie verbindenden Kittsubstanz oder um beides handeln.
?) Die in Fig. 42 den Randreifen umgebende Zone entspricht der
unteren Hälfte des durch den Randreifen eingeschnürten Blutkörperchens,
welche beim Senken des Tubus den Randreifen überragt.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 481
welche den Randreifen durchsetzen; unvollständig ausgebildete
Quermembranen sind häufig.
Die Darstellung der Quermembranen durch Salpetersäure-
Kochsalz scheint übrigens noch leichter bei Anwesenheit von
etwas Sublimat zu gelingen. Ich habe später mit besonders
gutem Erfolg eine Flüssigkeit von folgender Zusammensetzung
angewendet: Salpetersäure von 1,4 spez. Gewicht 24—30 Tropfen,
Chlornatrium 1,5—2proz. 50 cem. Sublimat 1proz. 50 cem.
In ähnlicher Weise wie Salpetersäure von der angegebenen
Konzentration wirkt eine 2—3proz. Jodsäure, zu welcher man
gleichfalls, um eine stärkere Erweiterung der Blutscheiben zu
verhindern, 1 Proz. Chlornatrium hinzufügen kann. Mischt man
die Jodsäure-Kochsalzlösung mit etwas Neuviktoriagrün oder
Methylviolett, so kann man die Quermembranen gefärbt
erhalten (Fig. 46, 49).')
Gelegentlich habe ich noch eine dritte Methode aufgefunden,
welche zur Darstellung der Quermembranen geeignet ist und
welche vor den beiden ersten den Vorzug hat, dass sie Dauer-
präparate liefert.
Um die Vorgänge zu studieren, welche bei der Gerinnung
des Salamanderblutes auftreten, hatte ich (1906, 2) Blut in
dünner Schicht auf dem Öbjektträger ausgebreitet, in einer
feuchten Kammer verschieden lange Zeit (einige Minuten bis zu
einer halben Stunde) sich selbst überlassen und dann mit
schwachem Flemmingschen Gemisch,?) dem ich 1 Proz. Kochsalz
zugesetzt hatte, fixiert. Nach Auswaschen der Präparate in
tliessendem Wasser hatte ich sie teils einer Doppelfärbung mit
Safranin und Delafieldschem Hämatoxylin. teils der Flem-
mingschen Dreifachbehandlung (Safranin-Gentiana-OÖrange) unter-
worfen. Bei der ersteren Färbung verfuhr ich in der Weise, dass
!) Bei den Präparaten, nach welchen Fig. 46 und 47 gezeichnet
sind, hatte ich den Kochsalzzusatz zur Jodsäure weggelassen und infolge-
dessen eine starke Erweiterung der Blutscheiben im Längs- nnd Breiten-
durchmesser erhalten. Statt Neuviktoriagrün oder Methylviolett kann man
auch Dahlia anwenden, wie es bei derjenigen Blutzelle geschehen war, nach
welcher die Fig. 3 auf S. 102 vom Band 26 des Anatomischen Anzeigers
gezeichnet ist. Bei Benutzung von Dahlia darf der Jodsäure kein Kochsalz
zugesetzt werden, weil dieses mit Dahlia einen Niederschlag gibt.
?) 1proz. Chromsäure 25 cem, 1 proz. Osmiumsäure 10 ccm, 1 proz.
Essigsäure 10 ccm, dest. Wasser 55 ccm.
482 Friedrich Meves:
ich zunächst eine I proz. wässerige Safraninlösung ca. 24 Stunden
einwirken liess, dann mit neutralem Alkohol extrahierte und
schliesslich ca. 6—12 Stunden mit stark verdünntem Dela-
fieldschen Hämatoxylin nachfärbte.e Die Flemmingsche
Dreifachbehandlung habe ich im wesentlichen nach der von
Flemming gegebenen Vorschrift ') ausgeführt; jedoch habe ich
vor dem Einschluss in Kanadabalsam stets noch erst ca. eine
halbe Stunde mit Nelkenöl „differenziert“.
Wenn man nun Präparate, welche in der beschriebenen
Weise hergerichtet sind, unter das Mikroskop bringt, konstatiert
man. dass nur ein Teil der roten Blutkörperchen ihre Gestalt
unverändert bewahrt haben. Andere sind in verschiedenen Zu-
ständen der Deformation (siehe unten S. 506) fixiert; noch andere,
die (bei längerem Aufenthalt des Blutes in der feuchten Kammer)
wieder zur elliptischen Form zurückgekehrt sind, zeigen am
Rande hell aussehende verdünnte Stellen, besonders in der Nähe
des einen Poles.
Der Randreifen ist ausser an diesen Stellen in den ellip-
tischen Blutkörperchen nirgends wahrnehmbar; er wird offenbar
durch das gefärbte Hämoglobin verdeckt. Dagegen treten die
(Juermembranen nach beiden Färbungen am ganzen Rand der
sämtlichen Blutscheiben deutlich hervor. Nach der Doppelfärbung
mit Safranin und Delafieldschem Hämatoxylin zeigen sie ein
dunkles Aussehen (Textfig. I). Bei Anwendung der Dreifach-
behandlung dagegen mit nachheriger Differenzierung in Nelkenöl
sieht man sie gleichsam im Negativbild; sie haben sämtlichen
Farbstoff abgegeben und erscheinen nunmehr hell auf stark blau-
rotem Grunde; die Fibrillen des Randreifens sind an Stelle der
(Juermembranen ebenfalls entfärbt und nicht sichtbar (Textfig. I ?)).
3eim ersten Anblick der hellen Querlinien in Fig. II könnte
man glauben, dass es sich um radiale Sprünge (Risse) der Blut-
scheibe handelt. Dass davon nicht die Rede sein kann, erkennt
man bei etwas genauerer Betrachtung schon daran, dass ein
Teil der Querlinien (in Fig. II besonders oben) kurz vor dem Rand
aufhören.
!) Vgl. Enceyklopädie der mikroskopischen Technik, Berlin 1910.
?), Bei den roten Blutkörperchen, welche ich 1906, 2 auf Taf. 24
und 25 abgebildet habe, waren die Quermembranen des Randreifens ebenfalls
sichtbar, sind aber nicht mitgezeichnet.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 485
Was die Natur der Quermembranen anlangt, so habe ich
schon früher die Vermutung ausgesprochen, dass sie sich aus
„Plastochondrien“ („Mitochondrien“) zusammensetzen. Sie scheinen
nämlich aus derselben Substanz zu bestehen wie die unten zu
besprechenden, im Innern der Zellsubstanz gelegenen Fäden,
welehe ich mit Bestimmtheit als „Plastokonten“ in Anspruch
nehmen möchte (siehe unten S. 494).
Die Bedeutung der Quermembranen sehe ich darin, dass
sie dazu dienen, nach Art von @Queranastomosen die Fibrillen
des Randreifens zu vereinigen und zusammenzuhalten. Ihre Auf-
gabe ist demnach dieselbe, wie sie den Krauseschen Membranen
der quergestreiften ° Muskelfaser nach Ranvıer (1375),
M. Heidenhain (1899) u. a. mit Rücksicht auf die Muskel-
firillen zukommt. Nach M. Heidenhain (l. e., S. 49) scheint
ein allgemeines Strukturprinzip darin gegeben zu sein, dass, wo
immer parallel gerichtete Faserzüge vorkommen, diese von
ähnlichen Systemen senkrecht überkreuzt werden.
Weidenreich ist es nicht gelungen, die Quermembranen
des Randreifens durch Zusatz von Salpetersäure darzustellen.
Er sagt 1905, 1, S.276: „Trotzdem ich die Mevessche Angabe
hinsichtlich der Untersuchungsmethode genau befolgt habe, ist
es mir nicht geglückt, Bilder zu erhalten, die auf diese Schilde-
rung irgendwie gepasst hätten, und ich sehe mich ausserstande,
meine Befunde mit der Beschreibung, wie Meves sie gibt, in
Einklang zu bringen.“
Archiv f.mikr Anat. Bd.77. Abt.l. 33
484 Friedrich Meves:
Meinerseits Kann. ich nicht zugeben, dass dieses erste von
mir angegebene Verfahren zur Darstellung der Quermembranen
eine besondere Kunstfertigkeit erfordert. Aus der Beschreibung
und den Figuren Weidenreichs scheint mir hervorzugehen,
dass er ausschliesslich diejenigen Bilder zu Gesicht bekommen
hat, welche ich selbst durch Einwirkung der schwächeren Salpeter-
säure erhalten habe. Ich möchte daher annehmen, dass die von
ihm angewandte Lösung nicht stark genug war; vielleicht hat
er sie auch nicht lange genug wirken lassen.
Eine Bestätigung meiner Beobachtung gibt M. Heiden-
hain (1911, 5.1062). Er hat „die radialen Querdurchzüge des
Randreifens“, wie er sagt, „gelegentlich bei den Blutkörperchen
des erwachsenen Salamanders (Sublimat-Osmiumsäure, Eisen-
hämatoxylin) sehr schön vor Augen bekommen; sie treten in
etwas wechselnder Anordnung auf und färben sich tintenschwarz“.
-
5. Die Bedeutung des Randreifens.
Ein genaueres Studium der Amphibienblutkörperchen erhebt
es über jeden Zweifel, dass wir. in dem Randreifen ein festes
und elastisches Gebilde vor uns haben, und dass der Rand-
reifen es ist, welcher die Form der roten Blutkörperchen bedingt.
Als Beweis dafür können diejenigen Bilder dienen, welche
bei Läsionen des Randreifens auftreten.
Läsionen des Randreifens beobachtet man gar nicht selten in Präparaten
von frischem Blut, häufiger nach Reagentienwirkung, z. B. wenn man die
roten Blutkörperchen mit einer 3proz. Lösung von Küchenkochsalz be-
handelt hat.
Sehr gewöhnlich sind vollständige Zerreissungen des Randreifens.
Meistens entfernen sich beide Enden voneinander; der Randreifen nimmt die
Form eines spitzen oder stumpfen Winkels an, dessen Schenkel in Gestalt
zweier Fortsätze aus der sich kugelig abrundenden Zellsubstanz heraus-
ragen. Eine hierher gehörige Abbildung hat Preyer 1864 in seiner Fig. 13
gegeben. Zuweilen streckt sich der zerrissene Randreifen ganz gerade, die
rote Blutzelle erhält dann die Gestalt einer Spindel, deren Enden in einen
Faden ausgehen.
Bei einer Kontinuitätstrennung des Randreifens an zwei Stellen
entsteht ein Bild, wie Preyer es in seiner Fig. 29b abbildet.
Sodann finden sich Blutkörperchen, deren einer Pol in einen ver-
schieden langen Fortsatz ausläuft. Dieser gehört dem Randreifen an und
ist wahrscheinlich durch Knickung und Verklebung der der Knickungsstelle
zunächst liegenden Teile des Randreifens entstanden. Der Fortsatz endet
meist zugespitzt, manchmal auch kolbig, zuweilen zeigt er an seinem Ende
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 485
cine dendritische Verzweigung, wie Knoll (1896) es in der Fig. 22 seiner
Taf. I wiedergegeben hat. Das Auftreten derartiger Verzweigungen, die
mehr oder minder reichlich sein können, hängt wahrscheinlich mit der
fibrillären Struktur des Randreifens zusammen.
Man trifft weiter Blutscheiben, welche an dem einen Pol zwei feine,
in tangentialer Richtung abgehende Spitzchen zeigen, die sich nach den
gegenüberliegenden Seiten erstrecken und sich in der verlängerten Längs-
achse der Scheibe kreuzen. Die Spitzchen stellen anscheinend die Enden
von Fibrillenbündeln dar, welche an zwei Stellen aus dem Randreifen aus-
gebrochen sind.
Würde der Randreifen fehlen, so würde die Zelle wie eine
in Alkohol-Wasser schwebende Ölmasse der Wirkung der Ober-
flächenspannung folgen und sich zu einer Kugel abrunden.
Es ist das Verdienst von Koltzoff (1903, 1906), gezeigt
zu haben, dass in vielen Fällen, wo die Gestalt einer Zelle oder
irgend eines Zellorgans von der kugeligen abweicht, feste Gebilde,
in erster Linie elastische Fasern, eine wichtige Rolle spielen.
Koltzoff demonstriert dieses eingehend an den komplizierten
Formen der Krebsspermien und tut dann auch des Randreifens
der roten Blutkörperchen Erwähnung, von dem er sagt, dass sein
Vorhandensein genügt, um die Form der Blutzelle zu erklären.
Es ist bekannt, dass die roten Blutkörperchen infolge
mechanischer Einwirkung, sei es innerhalb des Körpers, sei es
ausserhalb desselben, ihre Form passiv ändern können, dass sie
aber, sobald der Zwang aufhört, ihre ursprüngliche Gestalt sofort
wieder annehmen. Die Möglichkeit dazu ist in erster Linie
durch die dem Randreifen innewohnende Elastizität gegeben,
vermöge deren er in seinen natürlichen Zustand zurückkehrt;
zweitens ist die Oberflächenspannung wirksam, um die gesetz-
mässige Verteilung der Zellsubstanz wieder herbeizuführen,
eventuell auch, um den Kern in seine frühere Lage zurück-
zubringen.
Die durch den Randreifen verursachte Scheibenform der
roten Blutzelle muss nämlich auch auf die Lage des Kerns
bestimmend einwirken.
Ein Blutkörperchen von Salamandra maculosa oder Rana escu-
lenta ist auf einem durch die längste Achse gehenden optischen Durch-
schnitt spindelförmig (Textfig. VIla und VIlla); die Mitte der Spindel
wird durch den Kern eingenommen, welcher die Oberfläche beider-
seits berührt, zuweilen sogar etwas vorbuchtet; bei Rana tempo-
raria werden beide Flächen durch den Kern deutlich vorgewölbt.
33*
486 Friedrich Meyes:
Der Kern könnte nun in seine zentrale Lage ausschliesslich
durch die Oberflächenspannung hineingebracht sein und in ihr
erhalten werden. Die Öberflächenspannung wirkt, als wenn an
der Oberfläche der Zellsubstanz eine elastische Schicht vorhanden
wäre, welche dahin strebt, so klein wie möglich zu werden. Ein
Minimum der Oberfläche ist aber, wie mir von kompetenter Seite
mitgeteilt wird, nach mathematischen Gesetzen dann vorhanden,
wenn die Oberfläche möglichst symmetrisch ist; letzteres ist unter
den gegebenen Umständen bei zentraler Lage des Kerns der Fall.
II. Zur Membranfrage.
Was die Frage nach dem Vorhandensein einer Membran
anlangt, so vertrete ich mit Entschiedenheit den Standpunkt,
dass den roten Blutkörperchen der Amphibien eine solche nicht
zukommt.')
Verschiedene Autoren, die hier eine Membran beschrieben
haben, sind offenbar durch den Randreifen irregeführt worden;
so z.B. Ranvier (1875, S. 7), wenn er sagt, dass die Blut-
körperchen der Amphibien nach dem Zusatz verschiedener
Reagentien einen doppelten peripheren Kontur erkennen lassen,
welcher so deutlich ist, dass man berechtigt ist, ihnen eine
(Grenzschicht von beträchtlicher Dicke zuzuschreiben: H.D. Schmidt
(1578, S. 64), nach welchem das Protoplasma der roten Blut-
körperchen von Amphiuma sich in beschränkter Ausdehnung
durch spontane Kontraktion oder unter dem Einfluss bestimmter
Rheagentien von der umhüllenden Membran trennen kann;
!) Von den Säugetierblutkörperchen dagegen nehme ich an, dass sie
eine membranartige Wandschicht besitzen. Diese lässt sich durch Gentiana-
violett am Trockenpräparat (Deetjen, 1901) und am frischen Blut (Meves,
1903) färben. Ich finde, wie ich 1903, S. 213 mitgeteilt habe, dass sie von
einer grossen Anzahl von Löchern oder Poren durchsetzt wird. Von dieser
Membran ist mir wahrscheinlich, dass sie eine festere Beschaffenheit hat
und die bikonkave Form der Säugetiererythrocyten bedingt. Dass die
Säugetiererythrocyten entsprechend einer Behauptung von Weidenreich
„glockenförmig“ seien, hat zwar nicht nur bei vielen Hämatologen, sondern
auch sogar in histologische Lehrbücher Eingang gefunden, ist aber nichts-
destoweniger, wie ich mich durch Beobachtung des in den Kapillaren
kreisenden Blutes überzeugt habe, vollständig irrtümlich (vgl. auch
J. Jolly, Sur quelques points de la morphologie du sang etudies par
l’observation de la circulation dans l’aile de la Chauve-souris, Archives
d’anatomie microsc., t. XI, 1909).
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 487
Auerbach (1890, S. 573), welcher die Blutkörperchen der
Batrachier als ein „‚sprechendes Beispiel“ dafür bezeichnet, dass
eine Zellmembran auch einzelnen Arten tierischer Zellen zu-
kommen kann.
Lavdowsky (1593) dagegen, welcher Froschblutkörperchen
mit gefärbter Jodsäure behandelte, hat nicht den Randreifen
selbst, sondern, wie ich oben gezeigt habe, ein Körnerband,
welches die konvexe Seite des Randreifens bedeckt, als Membran
beschrieben.
Neuerdings tritt Weidenreich (1903, S. 488 u. a. a. 0.)
für das Vorhandensein einer Membran bei den Amphibienblut-
körperchen ein, und zwar findet er diese Annahme durch ein
paar nicht gerade neue Versuche (Zusatz von Wasser und von
Tanninlösung) „so klar bewiesen“, dass er seine „Verwunderung
darüber aussprechen muss, wie man nur einen Augenblick sich
darüber täuschen konnte“.
Gegen die Präexistenz der auf diese Weise nachweisbaren
Membranen ist nun aber bekanntlich schon häufig eingewandt
worden, was auch von den Membrananhängern meistens bereit-
willig zugegeben wird, dass sie Niederschlagsmembranen sein
könnten.
Weidenreich glaubt allerdings jeden Widerspruch gegen
die Anwesenheit einer Membran zum Schweigen bringen zu
können, indem er darauf hinweist, er habe sich mit seiner An-
sicht, dass die roten Blutkörperchen eine Membran besitzen,
„ganz auf den Boden der modernen Physiologie gestellt“, die „zur
Erklärung der osmotischen Druckphänomene“ diese Annahme
mache (1904, S. 21 und an anderen Stellen) }).
Es lässt sich nun aber leicht zeigen, dass hier ein Miss-
verständnis zugrunde liegt. Weidenreich verwechselt histo-
logische Membran und „Plasmamembran“.
') Ich zitiere aus Abhandlungen Weidenreichs noch folgende Sätze:
1904. S. 34. „Die modernen Lehren der physikalischen Chemie, der
Nachweis, dass der osmotische Druck eine so wichtige Rolle in der Physiologie
der Blutzelle spielt, zwingen mit absoluter Notwendigkeit dazu, eine dichtere
Oberflächenschicht als äussere Begrenzung anzunehmen.“
1904, S. 39. „Die Lehre vom osmotischen Druck macht die Annahme
einer äusseren Begrenzung notwendig.“
1904, 5.54. „Ich kann es mir nicht versagen, nochmals auf die
grosse Inkonsequenz hinzuweisen, die darin besteht, dass man gezwungen
488 Friedrich Meves:
Pfeffer (1577) nimmt bekanntlich an, dass das Protoplasma
an seiner Oberfläche von einer „Plasmahaut“ oder „Plasmamembran“
bekleidet ist, welche über Aufnahme oder Nichtaufnahme einer
gelösten Substanz entscheidet. Eine solche Plasmahaut würde
sich nach Pfeffer an allen pflanzlichen Protoplasmakörpern
finden, mögen sie ausserdem noch von einer Cellulosemembran
bekleidet sein oder nicht; ebenso aber auch an Amöben, Rhizopoden
und an den Leukocyten des Blutes, also an Zelleibern, welche
die Tierhistologie als nackt oder membranlos bezeichnet. — Die
Plasmahaut besitzt im allgemeinen nur „minimale und unmessbare
Dicke“ : „zur Erreichung der diosmotischen Erfolge reicht theoretisch
eine einfache oder doppelte Molekularschicht aus“ (Pfeffer, 1597,
S. 95). — Bei Durchschneidung eines Myxomyceten wird die
Plasmahaut an der Schnittfläche aus dem Cytoplasma heraus neu-
gebildet (Pfeffer, 1891, S. 193).
Es ist demnach klar, dass diese Plasmahaut oder Plasma-
membran etwas ganz anderes ist als die viel umstrittene histo-
logische Membran oder auch nur erusta der roten Blutkörperchen.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien haben selbstverständlich,
wenn wir die Pfeffersche Hypothese akzeptieren, ebenfalls eine
Plasmahaut; sie könnten aber darum nichtsdestoweniger im histo-
logischen Sinne ebenso nackt oder membranlos sein wie z.B.
die Leukoeyten.
Von der Plasmahaut pflanzlicher Zellen hat Overton (1900)
die weitere Hypothese begründet, dass sie mit fettartigen Stoffen
imprägniert sei. Albrecht (1905) hat diese Vorstellung auf
(Grund mikroskopischer Beobachtungen, Koeppe (1904) gestützt
auf physiologische Experimente, auf die Plasmahaut der roten
Blutkörperchen zu übertragen gesucht.
Mit Bezug auf dievon Albrecht beobachteten Erscheinungen
(bei Erwärmung, Zusatz von Kalilauge etc.) möchte ich bemerken,
durch die modernen Lehren der Osmose, eine Oberflächenschicht, eine crusta
annimmt, im gleichen Atemzug aber behauptet, dass die Abschnürungsvor-
gänge und die Verschmelzung von Blutkörperchen gegen eine Membran
sprechen.“
1905, 2, S. 95: „Die Membran, die die moderne Physiologie als not-
wendiges Postulat zur Erklärung der osmotischen Druckphänomene der
roten Blutkörperchen fordert, lässt sich mit histologischen Hilfsmitteln mit
Sicherheit nachweisen.“
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 489
dass sie mir die von ihm gezogenen Schlüsse durchaus nicht zu
fordern scheinen.
Für meine Ansicht, dass an den lebenden roten Blut-
körperchen der Amphibien eine histologische Membran nicht vor-
handen ist, berufe ich mich vor allem auf die unter dem Einfluss
einer 3 proz. Lösung von Küchenkochsalz auftretende Durch-
lochung der Blutscheiben und auf die weiteren Veränderungen,
welche sich im Anschluss an die Durchlochung abspielen. Diese
Erscheinungen sind mit der Annahme einer Membran völlig
unvereinbar.
Dagegen bin ich bereit, die Existenz einer dichteren Grenz-
schicht (erusta) zuzugeben. Die Konsistenz derselben ist aber
jedenfalls nicht so gross, dass sie den mechanischen Bestrebungen
der Oberflächenspannung zu widerstehen vermag.
Auch das von mir 1905, 2 dargestellte Oberflächennetz, welches
übrigens nicht ganz von dem Verdacht frei ist, ein Fällungs-
produkt zu sein, muss wohl einen halbflüssigen Agregatzustand
besitzen.
Man kann es bei den roten Blutkörperchen des Salamanders,
nicht bei denen des Frosches, auf folgende Weise sichtbar machen.
Zu 20 cem einer 4 proz. Jodsäurelösung, welche 1'!/2°/o Chlor-
natrium enthält, werden 5 cem 2 proz. Osmiumsäure hinzugefügt.
Ein Tropfen dieses Gemisches wird auf dem Objektträger mit
einem etwas kleineren Tropfen einer '/2 proz. Lösung von Malachit-
grün!) vermengt und ein kleiner Tropfen Salamanderblut hinein-
gerührt. Das Präparat wird eingedeckt und mit einem Paraffın-
rahmen umzogen.
Man sieht dann meistens nach einigen Augenblicken an fast
sämtlichen Blutkörperchen ein scharf gefärbtes Fadennetz hervor-
treten, welches unmittelbar an der Oberfläche gelegen ist (Fig. 48,
49). In Flächenansichten der Blutkörperchen erkennt man deutlich,
dass es über und unter dem Kern wegzieht. Die Maschen des
Netzes sind unregelmässig, über der Mitte der Blutscheibe enger
als in der Nähe des Randes. Die Fäden selbst sind fein, überall gleich
dick, sehen in der Regel homogen, zuweilen aber auch körnig aus
und zeigen meistens an verschiedenen Stellen Unterbrechungen.
') Malachitgrün ist der chemischen Formel nach identisch mit Neu-
viktoriagrün. Der Farbstoff, welchen ich an dieser Stelle verwandt habe,
war als Malachitgrün von Grübler bezogen.
490 Friedrich Meves:
Nicht selten, besonders auch bei abweichender Zusammen-
setzung des Jodsäuregemisches, sieht es so aus, als wenn das
Netz zerrissen und von der Oberfläche ins Zellinnere verlagert wäre.
Ausser dem Oberflächennetz erhält man durch die angegebene
Methode in vielen Zellen auch noch das Körnerband, die Quer-
membranen des Randreifens und die intrazellulären Fäden gefärbt
(Fig. 49).
III. Binnenstrukturen.
1. Essen.
Über Fadenstrukturen in den roten Blutkörperchen von
Amphibien habe ich (1905, 3) folgende Angaben aus der Literatur
zusammenstellen können.
Der erste, welcher dahin gehende Beobachtungen gemacht hat, ist
Hensen (1862, S. 260); er konnte an frischen Froschblutkörperchen, besonders
nach Quetschung derselben, eine den Kern umlagernde „körnige Materie“
erkennen, von der feinkörnige Fäden nach allen Richtungen ausstrahlen, bis
sie die Aussenwand erreichen.
Diese Angabe findet Kneuttinger (1865, S. 20) durch eine Beobachtung
von Rindfleisch (1863) bestätigt, welcher nach Zusatz von Anilin das
Austreten eines „Protoplasmaklümpchens“ deutlich gesehen habe; er selbst
will ähnliche Bilder durch Harnstoff erzielt haben.
Böttcher (1866, S. 367 ff.) beschreibt Fadenstrukturen an roten
Blutkörperchen von Triton. Nach Behandlung mit einer !/» proz. Tannin-
lösung werden die Blutkörperchen kugelig und zeigen einen grossen, unregel-
mässig konturierten Kern, der mit zahlreichen starren Fortsätzen rundum
besetzt ist. Die Zahl und Länge der Fortsätze variiert. In einem Teil der
Blutkörperchen reichen sie bis an die äussere Hülle, die doppelt konturiert
erscheint, und stellen eine vollständige Verbindung zwischen Kern und Hülle
her. In anderen Blutkörperchen, in denen sie kürzer sind, liegt der stach-
lichte Kern allem Anschein nach in einem freien Raume, der von der doppelt
konturierten Hülle umgrenzt wird. Die einzelnen Fortsätze sind bald in
ihrer ganzen Länge vom Kern bis zur Hülle von gleicher Dicke, bald innen
dicker und nach aussen sich zuspitzend; mitunter sind sie auch gegen die
Peripherie gabelig geteilt.
Bei der Besprechung der eben geschilderten Bilder weist Böttcher
auf die Beobachtungen Hensens hin; auf Grund derselben lasse sich der
Einwand zurückweisen, dass der Stachelbesatz des Kernes, der durch eine
Tanninlösung sichtbar wird, nicht ursprünglich vorhanden, sondern das
Produkt einer Gerinnung sei. Im frischen Zustand, sagt Böttcher, haben
allerdings ohne Zweifel die vom Kern zur Oberfläche verlaufenden Fäden
nicht die starre Beschaffenheit und grosse Widerstandsfähigkeit wie nach
Behandlung mit Tannin, sind vielmehr leicht zerstörbar, fliessen zusammen
und verkürzen sich, so dass man rasch beobachten muss; sie sind aber darum
nichtsdestoweniger präexistierend. In der Gerbsäure von der angegebenen
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 491
Konzentration meint Böttcher ein Mittel gefunden zu haben, welches diese
leicht zerstörbaren Gebilde in den Tritonblutkörperchen derart erstarren
mache, dass sie aufs deutlichste sichtbar werden.
Auf Froschblutkörperchen wirkt die Tanninlösung nach Böttcher
„nicht ganz in derselben Weise“. Zwar hat Böttcher auch an diesen
einen dicht mit Stacheln besetzten Kern, wie bei den Tritonblutkörperchen,
gesehen; „allein es waren immer nur einzelne vorhanden, welche sich in der
beschriebenen Weise verändert zeigten“.
Nach Kollmann (18753) enthalten die roten Blutkörperchen des
Frosches „ein dichtes Gefüge von feinen, nur leicht granulierten Eiweiss-
fäden“, welche zwischen Membran und Kern ausgespannt sind; er beruft
sich dafür auf die Bilder, welche Kneuttinger durch Harnstoff, Böttcher
durch Tannin erhalten hat.
W. Krause (1876, S. 327) hat durch Behandlung eines Blutstropfens
vom Frosch (noch besser vom Proteus) mit 33 proz. kohlensauren Kali ein
„radiärfaseriges Stroma“ in den roten Blutkörperchen dargestellt.
Fuchs (1877, S. 94) hat von dem Gerüstbau der Froschblutkörperchen
eine ähnliche Vorstellung wie Kollmann, für welche er sich gleichfalls
auf Böttcher beruft.
Nach Pfitzner (1883, S. 658 und 681—682) sind die roten Blut-
zellen der Amphibien ein Objekt, welches das Flemmingsche Mitom der
Zellsubstanz „in wunderbarer Deutlichkeit“ veranschaulicht. Der ganze
Zelleib derselben „ist erfüllt von einem Fadenwerk von gleichmässiger Dicke,
das sich nach aussen an der Zellmembran befestigt“.
Wenn man das Blut verschiedener Tierspezies, namentlich das der
Vögel, im Magensaft digeriert, erkennt man nach Mosso (1887, S. 206),
dass die Blutkörperchen aus einer äusseren Hülle, einer fibrillären, körnigen
Gerüstsubstanz und einem Kern bestehen.
Cianci und Angiolella (1887, S. 71) haben ein Netzwerk in den
Blutkörperchen des Frosches durch Pikrinsäure, Hämatoxylin-Eosin (allein
oder mit Pikrinsäure kombiniert), durch Fuchsin und durch Anilingrün sichtbar
machen können.
H. F. Müller (1889, S. 6) beobachtete an Schnitten von in Chrom-
säure gehärteter Tritonmilz in den roten Blutzellen ein unregelmässiges
System feiner Fasern, welche mitunter ein deutliches Netzwerk bildeten.
Lavdowsky (1893) sah in den Blutkörperchen des Frosches nach
Behandlung derselben mit 4 proz. Jodsäure und Neuviktoriagrün bezw. Methyl-
violett 6 B zuerst einige glänzend grüne oder violette Fäden sich entwickeln,
welche in der Nähe des Kernumfanges ihren Ursprung nahmen, strahlen-
artig in der Zellsubstanz auseinanderwichen, sich teilten und dann, indem
sie stellenweise zusammenhingen, ein Netz bildeten. Lavdowsky bezeichnet
dieses Netz als „zooides“, offenbar, weil er meint, dass es mit dem Brückeschen
Zooid verglichen werden könne (vgl. 1. c. S.13). Während einiger Zeit fort-
gesetzte Beobachtung des Netzes ergibt nun nach Lavdowsky, dass es
seine Gestalt mit jeder Minute verändert. „Namentlich verdicken sich die
Fäden des Netzes und bilden in den Knotenpunkten unregelmässige, sich
verästelnde Anhäufungen ihrer Masse. Mit der Zeit werden diese Knoten-
492 Friedrich Meves:
punkte noch dicker, die Fäden verdünnen sich aber wieder, verringern sich
der Zahl nach, indem sie sich, wie es scheint, teils in die Knotenpunkte
hineinziehen, teils sich loslösen ... .“ Schliesslich ist von dem Netze fast
gar nichts oder nur ein Rest in Form einer körnigen oder körnig-fädigen
Masse übrig geblieben.
Druebin (1893) hat zirkumnukleäre Strahlungen, wie sie Böttcher
durch Tanninzusatz besonders in den Blutkörperchen von Triton dargestellt
hat, bei Anwendung von oxalsaurem Ammoniak und Methylenblau auch in
Froschblutkörperchen durchweg erhalten.
Hamburger (1898, S. 323 und 1902) kommt durch physikalisch-
chemische Betrachtungen zu der Vorstellung, dass die roten Blutkörperchen
ein „protoplasmatisches Netz“ enthalten, in dessen Maschen sich ein ge-
färbter, mehr oder weniger flüssiger Inhalt befindet.
Negri (1902) und Rüzi@ka (1903 und 1904) haben Netzstrukturen
in roten Blutkörperchen von Amphibien nach vitaler Färbung mit Neutral-
rot bezw. Methylenblau auftreten sehen.
Negri (1902) hat, nachdem schon vorher von verschiedenen Autoren
hauptsächlich in Säugetierblutkörperchen eine „chromatophile“ Substanz auf
dem Wege der supravitalen Färbung mit Methylenblau und Neutralrot dar-
gestellt worden war, mit Hilfe dieser Methode das Blut von Repräsentanten
sämtlicher Wirbeltierklassen vergleichend untersucht. Bei Frosch und Triton
findet er in einem Teil der Blutkörperchen färbbare Körnchen, die entweder
einzeln im Protoplasma liegen oder zu kleinen Haufen oder kurzen Fäden
angeordnet sind, in anderen Blutkörperchen dagegen netzförmig miteinander
anastomosierende Fäden, welche meistens regellos im Zellinnern verteilt sind.
Rüziäka beschreibt in seiner ersten Mitteilung (1903), bei welcher
er von der Arbeit Negris noch keine Kenntnis hat, in Froschblutkörperchen
nach Methylenblaufärbung regelmässige, mit dem Kern in Verbindung
stehende Netzwerke, welche von glatten und geraden Balken gebildet werden,
Von diesen Netzwerken sagt er in einer weiteren Publikation (1904), dass
sie einen „anderen Charakter“ trügen als die von Negri abgebildeten;
letztere entsprächen einem mehr oder minder veränderten Zustand; solche
Netze, wie er selbst sie beschrieben habe, seien „nur bald nach Anfertigung
des Präparates zu sehen“.
Einige Autoren, welche Fadenstrukturen in Amphibienblutkörperchen
beobachtet haben, wollen nicht entscheiden, inwieweit es sich dabei um
Gerinnungserscheinungen oder präformierte Gebilde handelt; so Arnold
(1897, 8. 476), welcher nach Behandlung mit Jodjodkalilösung neben gekörnten
Blutkörperchen solche mit mehr fädigem Inhalt beobachtet hat; ferner
v. Ebner (1902, S. 740), welcher nach Fixierung mit Sublimat, Ohromsalzen
oder Salpetersäure einen „netzig-wabigen“ Bau erkennen konnte
Noch andere Autoren haben die von ihnen durch Reagentienzusatz
sichtbar gemachten Fadenstrukturen direkt für Kunstprodukte erklärt.
So beobachtete Bergonzini (1890) retikuläre Strukturen in den
roten Blutkörperchen der Amphibien nach Einwirkung von Anilinfarbstoffen
(Gentiana- und Methylviolett, Ehrlichscher Triazidlösung), ferner von
Pikrin-, Chrom- und Salpetersäure, erklärt sie aber für nicht präexistierend.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 493
Macallum (1892, S. 229) findet, dass das Protoplasma der Blut”
scheiben von Necturus- und Amblystomalarven bei Anwendung bestimmter
Fixierungsmethoden retikuliert erscheint; aber die Feinheit und die Anordnung
der Netzbalken sind je nach der Methode verschieden; was beweist, dass
das Retikulum ein Artefakt ist.
Bloch (1901, S. 423) fand beim Frosch, dessen Blut er auf dem
Deckglas an der Luft trocknen liess und dann mit einer konzentrierten
wässerigen oder glycerinigen Lösung von Methylenblau tingierte, bei einer
Anzahl von Blutscheiben um den tiefblau gefärbten Kern herum ein äusserst
zartes, manchmal ziemlich regulär angeordnetes Netz zierlichster Fäden,
hält es aber nicht für präformiert. Jedoch schliesst er sich Flemming
(1894, S. 44) an, insofern er zugibt, dass der Zelleib der roten Blut-
körperchen, trotzdem er lebend optisch homogen aussieht, eine typische und
komplizierte Differenzierung haben könnte.
Schliesslich gibt es Autoren, welche der Meinung sind, dass der Zell-
leib der lebenden Blutkörperchen im morphologischen Sinne völlig homogen sei.
Cu¬ (1889, S. 26—28) z. B. hält die Blutkörperchen der Batrachier
für Bläschen mit flüssigem Inhalt, deren Wand von einer feinen Membran
gebildet wird. Die Vorstellungen von einem protoplasmatischen Stroma oder
von radiären Fäden sind nach ihm entweder hypothetisch oder beruhen auf
irrtümlicher Deutung.
Nach Griesbach (1892, S. 224) ist der Leib der roten Blutkörperchen
der Amphibien ein „strukturloses Plasmagebilde, welches durch Hämoglobin
gleichmässig gefärbt wird“.
Zuletzt (1903 und 04) ist Weidenreich, welcher die Blutkörperchen
ebenso wie Cu&enot aus Membran und Inhalt bestehen lässt, für eine struktur-
lose Beschaffenheit dieses Inhalts (abgesehen vom Kern) eingetreten. Alle
Fäden oder Granula, die mit Reagentien in den Blutkörperchen nachgewiesen
werden, sind nach ihm „keine Strukturbesonderheiten, sondern Gerinnungs-
formen des Hämoglobins“.
Gegenüber denjenigen Autoren, welche das Vorhandensein
jeder Fadenstruktur in der lebenden Blutzelle in Abrede stellen,
kann zunächst auf den Randreifen mit seinem exquisit fibrillären
bau verwiesen werden. Es fragt sich nun, ob abgesehen vom
Randreifen noch fädige Strukturen in den Blutkörperchen der
Amphibien existieren.
Durch die Behandlung mit Gentianaviolett sind solche in
den Blutkörperchen von Salamandra nicht nachzuweisen. In
Froschblutkörperchen, die in 3proz. Kochsalzlösung suspendiert
gewesen waren, gelang es mir dagegen (Fig. 36) auf diese Weise
neben dem Randreifen ein Fadenwerk darzustellen, welches um
den Kern herum dichter angesammelt ist. Ich will aber nach
wie vor gern als möglich zugeben, dass es sich bei diesem Faden-
werk um ein Fällungsprodukt handelt.
494 Friedrich Meves:
An den mit Salpetersäure-Kochsalz behandelten roten Blut-
körperchen des Salamanders habe ich ferner in dem hellen oder auch
von einem körnigen Niederschlag erfüllten Zelleib, rund um den
Kern herum oder auch an einer Seite desselben angehäuft, lange,
unregelmässig gewundene oder geknickte Fäden wahrgenommen,
welche dieselbe Dicke, dasselbe Lichtbrechungsvermögen und die-
selbe Tingierbarkeit im Blutfarbstoff wie die oben beschriebenen
Querscheiben des Randreifens besitzen (siehe besonders Fig. 39).
Die gleichen Fäden habe ich später durch 2—4proz. Jod-
säure, welche ich teils ungefärbt, teils mit Neuviktoriagrün oder
Methylviolett vermischt anwandte, sichtbar gemacht (Fig. 44, 46, 49).
Bei Anwendung der Jodsäure erscheinen sie vielfach in kleinere
Fragmente und Körner zerfallen. Sie entsprechen wahrscheinlich
den sog. zooiden Netzen, welche Lavdowsky (1593) in den roten
Blutkörperchen des Frosches beschrieben hat.
Von diesen Fadenbildungen habe ich früher ebenfalls zu-
gegeben, dass sie möglicherweise gegenüber der Artefaktfrage nicht
einwurfsfrei seien, habe aber andererseits schon damals vermutet,
dass es sich um Chondriokonten oder Plastokonten handeln könnte.
Für diese letztere Vermutung habe ich seitdem neue An-
haltspunkte gewonnen, so dass ich die in Rede stehenden Fäden
nunmehr mit Bestimmtheit als vitale Bildungen in Anspruch
nehmen möchte. Es ist mir nämlich 1907, 1 gelungen, Plasto-
konten in Blutzellen von Vogel- und Säugetierembryonen mit
Hilfe der spezifischen Methoden nachzuweisen.
In Textfigur III habe ich aus
einer 1908 erschienenen Arbeit
A zwei rote Blutzellen des Hühner-
embryos, eine Flächen- und eine
N Kantenansicht, reproduziert, welche
7 auffallend lange, gewundene Chon-
\% driokonten zeigen, die unregel-
mässig im Protoplasma verteilt sind.
a. b. In den Blutkörperchen des
Meerschweinchenembryos sind die
Fäden kürzer und feiner (zum Teil anscheinend ringförmig);
hier umfassen sie entweder den Kern in Form eines Halbmondes
oder sind in der Nachbarschaft desselben zu einer rundlichen
Masse zusammengruppiert (vgl. Meves, 1907, 1, 5. 402).
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 495
Später habe ich (nach einem bisher noch nicht veröftent-
lichten Befund, von dem ich an dieser Stelle an der Hand
einiger schon vor längerer Zeit angefertigter Zeichnungen Mit-
teilung machen möchte) die gleichen Gebilde auch in Erythro-
blasten und jungen Erythrocyten des Knochenmarks beim
erwachsenen Meerschweinchen nachgewiesen. Fig. IV a—f
stellen Erythroblasten dar; in den Fig. d—f hat der’Kern sich be-
reits verkleinert und ein homogenes Aussehen angenommen. Diese
Erythroblasten schliessen ausser dem Kern eine kleine Gruppe
IN ER
a b @ d e
Fe 7 N ;
iE, 8. h. il K.
Bis Ly.
von Fädchen und Körnchen, Plastokonten und Plastochondrien
(Plastosomen) ein, welche durch die angewandte Methode
(Fixierung mit modifiziertem Flemmingschen Gemisch und
Färbung mit Eisenhämatoxylin) intensiv geschwärzt sind. Fig. g&—k
sind junge Erythrocyten, in denen vom Kern nichts mehr zu
sehen ist. Die Plastosomen haben den Untergang des Kerns
überdauert. In Fig. g liegen sie noch an einer Stelle zusammen-
gehäuft; in den übrigen Fig. h—k dagegen sind sie unregel-
mässig durch den Zelleib verteilt. In Erythrocyten, welche in
die Zirkulation eingetreten sind, ist auch von den Plastosomen
nichts mehr wahrzunehmen.!)
!, Helene Freifeld (Inaug.-Diss., Zürich, 1909) fand unter Leitung
von Naegeli mit Hilfe einer modifizierten Schridde-Altmannschen
Färbung im Biut von Embryonen des Menschen und verschiedener Säugetiere
sowie in einem Fall von perniciöser Anämie Erythroblasten und Erythrocyten,
in deren Protoplasma. zerstreut rote Flecke, Körnchen und Stäbchen zu
sehen waren. Sie schlägt vor, derartige Zellen als gefleckte zu bezeichnen
„damit Verwechselungen mit der bekannten (basophilen) Tüpfelung oder
Granulation vermieden werden“. — Es ist mir nicht im geringsten zweifelhaft,
496 Friedrich Meves:
Die Blutkörperchen der Amphibien sind also gegenüber den
reifen Säugetiererythrocyten nicht nur durch den Besitz eines
Kerns, sondern auch durch denjenigen von Plastosomen (Plasto-
konten) ausgezeichnet.
Die Plastokonten sind, wie ich in neueren Arbeiten
(1907, 2, 1910) gezeigt habe, mit den Fila Flemmings von
1582 identisch. In früheren Mitteilungen (1903, 1905, 3) hatte
ich die Fibrillen des Randreifens bei den roten Blutkörperchen
der Amphibien als Filarmasse im Sinne Flemmings angesprochen
Heute möchte ich, nachdem sich meine Anschauung über Proto-
plasmastruktur inzwischen geändert hat, diese Auffassung nicht
mehr aufrecht erhalten, sondern den Randreifen vielmehr als
„paraplastische* Bildung (vergl. Meves, 1910, S. 654) bezeichnen.
Sehe ich von den Plastokonten ab, so kann es für mich
keinem Zweifel unterliegen, dass die früher in den roten Blut-
körperchen der Amphibien beschriebenen Fadenwerke, welche
durch Reagentien sichtbar gemacht worden sind, grösstenteils
als Fällungsartefakte gedeutet werden müssen. Bei einem Studium
der auf diese Weise entstehenden Strukturen wird man auf
Alfr. Fischer zurückzugehen haben, welcher in seinem Buche
„Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas“ (Jena, 1899)
gezeigt hat, dass der Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen,
das Hämoglobin, aus neutraler Lösung durch die verschiedenen
Fixierungsmittel bald in gröberen (Salpetersäure, Salpetersäure-
Alkohol), bald in feinpunktierten Gerinnselchen (Osmiumsäure,
Altmannsche Mischung, Pikrinsäure, Chromsäure, Sublimat,
Platinchlorid, Formol, Osmiumessigsäure, Flemmings und
Hermanns Mischung, Müllersche Lösung) von plasmatischem
Aussehen unlöslich gefällt wird.
Zu den artefiziellen Fadenstrukturen gehören meines Er-
achtens auch die von Negri und Rüzicka beschriebenen. Bei
einer Nachuntersuchung der von Rüzi@ka gemachten Angaben
bin ich genau nach seinen Vorschriften verfahren, habe aber
dass Hel. Freifeld hier die gleichen Gebilde vorgelegen haben, welche
ich 1907 in embryonalen Blutzellen als Mitochondrien und Chondriokonten
beschrieben habe; die von Hel. Freifeld gewählte Bezeichnung „Fleckung“
erscheint mir dafür wenig passend.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 497
bisher immer nur solche Bilder erhalten, wie sie Negri beschreibt:
Körnchen und kurze körnige Fädchen, die sich, wenn sie massen-
hafter werden, zu unregelmässigen gerüstähnlichen Bildungen
zusammenlagern können. Von diesen aber möchte ich auf Grund
ihres Aussehens, ebenso wie Bloch (1901, S.430) von den auf
gleiche Weise erhaltenen Strukturen der Säugetierblutkörperchen,
annehmen, dass sie Ausscheidungen darstellen, welche Methylenblau
bezw. Neutralrot mit Stoffen des Protoplasmas erzeugen.')
Schliesslich sind zweifellos als Kunstprodukte die zirkum-
nukleären Strahlungen aufzufassen, wie sie von Böttcher und
Druebin beschrieben worden sind. Dass diese Strahlungen
präformiert seien, findet heute wohl nur noch wenig Glauben.
Jedoch fehlte es bisher an einer Erklärung, wie sie entstanden
sein könnten. Diese Erklärung lässt sich nun auf Grund von
Versuchen geben, die A. Fischer 1899 in seinem oben erwähnten
Buch beschrieben hat.
Fischer hat auf künstlichkem Wege Strahlungen in
Hollundermark erzeugt.
Das Hollundermark ist bekanntlich ein totes Gewebe, dessen
Zellen keine Protoplasmakörper mehr einschliessen ; sie sind aber
doch nicht vollständig leer, sondern enthalten einen blassen,
schattenhaften Ballen, welcher nach Fischer den Kernrest
darstellt.
Fischer injizierte nun Stücke von Hollundermark in einer
hier nicht wiederzugebenden Weise mit Lösungen von Albumosen
und anderen Eiweisskörpern und fertigte dünne Schnitte mit
dem Rasiermesser an. Diese Schnitte brachte er auf den Objekt-
träger in einen Tropfen eines der üblichen Fixierungsmittel,
bedeckte mit einem Deckglas und stellte unter dem Mikroskop
eine intakte Markzelle ein. Er beobachtete dann, dass der Kernrest
der Markzelle zum Ausgangspunkt einer Strahlenbildung wurde.
Wenn er z. B. eine 3proz. schwach saure Lösung von
Deuteroalbumose in das Mark injiziert hatte und als Fixierungs-
mittel 1proz. Osmiumsäure verwandte, so gewahrte er schon
nach zwei bis drei Minuten, wie die ersten Strahlen als äusserst
1) Vgl. hierzu die Arbeit von W. Pfeffer, auf welche auch
Bloch hinweist: Über Aufnahme von Anilinfarben in lebende Zellen. Unter-
suchungen aus dem botanischen Institut zu Tübingen, Bd. 2, Leipzig
1386— 1888.
495 Friedrich Meves:
zarte homogene oder feingekörnte Fäden an der Oberfläche des
Kernrestes anschossen; sie wuchsen dann rasch, in radialer
Richtung sich verlängernd, bis zur Zellwand heran.
Über das Zustandekommen der Strahlung sagt Fischer,
dass die Bedingungen dafür teils durch die Beschaffenheit des
Markes gegeben sind, teils durch geeignete Auswahl der Eiweiss-
lösung und des Fixierungsmittels geschaffen werden müssen. Das
Mark trägt dadurch zum Experiment bei, dass es mikroskopisch
kleine, allseitig umgrenzte Räumchen darbietet, welche. was sehr
wesentlich ist, den Kernrest einschliessen. Das Fixierungsmittel
diffundiert in die mit Eiweisslösung erfüllten Markräume hinein.
Zunächst tritt eine Übersättigung der Eiweisslösung, dann erst
Fällung ein. Sobald die Fällungskonzentration am Kernrest
erreicht ist, wirkt dieser, als ein heterogener Körper, in derselben
Weise wie ein Fremdkörper, der eine übersättigte Salzlösung
zur Kristallisation treibt. Daher kommt es, dass die Ausfällung
am Kernrest beginnt und von dort gegen die Peripherie fort-
schreitet.!)
Auf Grund der geschilderten Versuche mahnt nun Fischer
gegenüber den.fixierten Strahlungen, welche man im Innern von
Zellen findet, zur Vorsicht. Manche derselben könnten weiter
nichts sein als künstliche Fällungsstrahlungen, da alle Bedingungen
für die Entstehung derselben während der Fixierung gegeben
seien. Die Böttcherschen Bilder der Tritonblutkörperchen hat
Fischer nicht gekannt; sonst würde er sie sicher als solche
Fällungsstrahlungen, die sie auch meiner Meinung nach zweifellos
sind, in Anspruch genommen haben; dazu wäre er um so mehr
berechtigt gewesen, als er selbst bereits gefunden hat, dass Hämo-
globinlösungen, in Hollundermark injiziert, mit einer grossen
Zahl von Fixierungsmitteln Strahlungen geben.?)
In den Amphibienblutkörperchen erzeugen die üblichen
Fixierungsmittel bekanntlich keine Strahlung. Die Blutkörperchen
quellen darin im allgemeinen nicht auf, so dass sie kugelig
') Es ist wichtig, zu bemerken, dass eine Übersättigung statt durch
stark wirkende Fixierungsmittel auch schon durch sanfte Umschläge in der
chemischen Reaktion der Eiweisslösung herbeigeführt werden kann.
*) Vgl. Fischer, 1.c., S. 215. Nach S. 280 erhält man von Hämo-
globin in 2proz. Lösung Strahlungen, die hinterher durch gerüstige Ab-
scheidungen mehr oder weniger verdeckt werden.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 499
werden, sondern behalten ihre Scheibenform. Schon dieser Um-
stand muss eine Strahlenbildung in ihnen erschweren bezw. un-
möglich machen. Ferner aber wird die Strahlung dadurch ver-
hindert, dass die Fixierungsmittel, in der gebräuchlichen
Konzentration angewandt, sobald sie in die Blutzelle eintreten,
eine allgemeine Fällung hervorrufen
Wenn Fischer bei seinen Hollundermarkversuchen_ teil-
weise, wie es scheint, mit den gebräuchlichen Konzentrationen
der Fixierungsmittel Hämoglobinstrahlungen erhalten hat, so ist
zu bedenken, dass er mit einer nur 1—2proz. Hämoglobinlösung
gearbeitet hat. Infolgedessen nimmt hier die Fällungsreaktion
einen viel weniger stürmischen Verlauf als in den roten Blut-
körperchen, deren Gehalt an Hämoglobin ein sehr viel höherer ist.
Bei gleicher Stärke der Eiweisslösung gelingt es, wie
Fischer gezeigt hat, auch mit einem stark fällenden Mittel
Strahlungen zu erzeugen, wenn man mit der Konzentration des
Mittels herabgeht. Dementsprechend habe ich in den Blut-
körperchen von Salamandra Strahlungen durch die üblichen
Fixierungsmittel hervorrufen können, indem ich diese möglichst
verdünnt anwandte ('/aproz. Kaliumbichromat, '/s proz. Sublimat,')
!/sproz. Chromsäure, '/ı proz. Osmiumsäure ete.). Die Blutkörper-
chen nehmen dann, indem sie quellen, Kugelform an. Ein Nieder-
schlag tritt nicht sofort in ihnen auf, sondern die Fällungs-
konzentration kann vorher den Kern erreichen. Damit ist die
Möglichkeit für das Zustandekommen einer Strahlung gegeben.
Nach dem Gesagten könnte man glauben, dass die zirkum-
nukleären Strahlungen als Fixierungsartefakte für die Kenntnis
der roten Blutzellen ziemlich belanglos seien. Das ist nun aber
insofern nicht der Fall, als sie beweisen, dass die Blutkörperchen
von Triton und Salamander keine oder doch nur wenige fädige
oder gerüstige Strukturen einschliessen.?) In den Blutkörperchen
des Frosches treten derartige Strahlungen nach Böttchers
Angabe, die ich durchaus bestätigen kann, viel seltener auf. Der
') Ich merke beiläufig an, dass bei Zusatz von !/s proz. Sublimat zum
frischen Blut die Kerne in einem Teil der Blutkörperchen eine eigentümliche
Fragmentierung erleiden; die gleiche Erscheinung habe ich gelegentlich auch
bei Zusatz von Gentiana- und Methylviolett beobachtet.
°) Vgl. hierzu Fischer, 1.c, S. 260-261, 268, 292 und andere
Stellen
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.1. 34
500 Friedrich Meves:
Grund dafür könnte sein, dass beim Frosch, wie es auch meiner
oben vorgetragenen Meinung entsprechen würde, anders als bei
Triton und Salamander !) in der Zellsubstanz ein Fadenwerk vor-
handen ist, welches die Entwicklung von Fällungsstrahlungen
nicht oder nur ausnahmsweise gestattet.
Nun hat allerdings Druebin, wie ich oben berichtet habe,
Strahlungsbilder an roten Blutkörperchen des Frosches bei dem
von ihm angewandten Verfahren durchweg erhalten. Dieses an-
scheinend widersprechende Resultat wird aber, wie ich glaube,
begreiflich, wenn man erfährt, auf welche Weise es erzielt
worden ist. Druebin fügt zu frischem Froschblut so viel oxal-
saures Ammoniak zu, dass der Gehalt an diesem Salz 0,2 bis
0.5 Proz. beträgt, zentrifugiert das Gemisch eine halbe Stunde
oder lässt es auch ruhig stehen, hellt den blutkörperchenhaltigen
Teil durch Ätherwasser bis zur vollen Durchsichtigkeit auf und
färbt darauf ein Tröpfchen der lackfarbenen Flüssigkeit mit
Methylviolett.
Bei einem derartigen Verfahren erscheint es möglich. dass
das Fadenwerk der Zellsubstanz zunächst in Lösung geht, wodurch
das Hindernis für die Entstehung der Strahlung beseitigt wird,
und dass hinterher gelöste Eiweisskörper, die in der Blutzelle
vorhanden sind, in Form von Strahlen ausgefällt werden.
3. Granuläre Einschlüsse.
Wenn man die roten Blutkörperchen des Feuersalamanders
frisch untersucht, findet man im Zelleib derselben an irgend
einer Stelle, meistens an einem der beiden Kernpole, ein gelb-
liches, leicht glänzendes Kügelchen von ca. 2 « Durchmesser;
statt eines einzigen beobachtet man häufig auch zwei oder drei,
häufig sogar eine grössere Anzahl entsprechend kleinerer Kügel-
chen, welche auf einem Haufen zusammenliegen. Die Kügelchen
färben sich intensiv mit wässerigen Lösungen verschiedener Anilin-
farben, welche man dem frischen Blut zusetzt. Durch Methylenblau
und Neutralrot?) werden sie intravital tingiert (bevor noch der
Kern der Blutzelle eine Spur von Färbung angenommen hat).
!) Die Blutkörperchen von Triton und Salamandra verhalten sich in
dieser Beziehung übereinstimmend.
?) Bei längerer Einwirkung von Neutralrot treten in der Blutzelle
eine Menge roter Kügelchen auf, die aber zweifellos Kunstprodukte darstellen.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 501
Mit einer Anzahl von Farbstoffen geben sie metachromatische
Färbungen ; mit Gentiana- und Methylviolett färben sie sich rot
(Fig. 25), mit Thionin und Toluidinblau rotviolett (bei Anwendung
der beiden letztgenannten Farbstoffe erscheinen die Kerne,
wenigstens im Beginn der Färbung, hellblau). In der Umgebung
der gefärbten Kügelchen tritt häufig nach einiger Zeit ein heller
Hof auf; man kann dann vielfach molekulare Bewegung an ihnen
wahrnehmen.
Die hier beschriebenen „chromatoiden“ Kügelchen, wie ich
sie zu bezeichnen vorschlage, sind meines Wissens zuerst von
O0. Schultze (1837, S. 656) gesehen worden. O. Schultze
beobachtete bei Tritonlarven, welche er längere Zeit in einer
sehr verdünnten, wässerigen Lösung von Methylenblau (1:100000
bis 1000000) verweilen liess, „das Auftreten einzelner blauer
Körner in den farbigen Blutzellen, die bei denselben Larven auch
in ungefärbtem Zustande in den Blutzellen wahrnehmbar sind
und für Reste von Dotterkugeln gehalten werden könnten, wenn
nicht die gleiche Erscheinung auch bei den erwachsenen Tieren
vorhanden wäre“.
Die gleichen Körnchen hat Fischel (1901, S. 451 und
Fig. 33) bei seinen Untersuchungen über vitale Färbung in den
roten Blutkörperchen von Siredon durch Bismarckbraun dargestellt.
Es ist ferner möglich, dass die chromatoiden Kügelchen
der Triton- und Salamanderblutzellen den „Paranuklearkörperchen“
entsprechen, welche Bremer (1595, 1) in den Blutscheiben von
Schildkröten beschrieben hat. Immerhin sind eine Reihe von
Unterschieden zu verzeichnen. Die roten Blutkörperchen von
Testudo carolina und Chelydra serpentina zeigen nach Bremer,
im frischen Zustand untersucht, kleine kugelförmige Gebilde, die
in der Substanz des Zelleibes, gewöhnlich in der Nähe eines der
beiden Pole, meistens etwas seitwärts von ihnen, manchmal auch
neben dem Kerne, d. h. in oder nahe dem verlängerten kurzen
Durchmesser desselben liegen. „Unmittelbar nach der Entnahme
des Blutes, vorzugsweise wenn man schnell manipuliert, nimmt
man nur ein einziges derartiges Körperchen für je einen Erythro-
cyten wahr. Nach einigen Minuten jedoch, und noch mehr nach
einigen Stunden, sieht man Erythrocyten, welche mehrere Kügel-
chen von anscheinend derselben Art und Grösse enthalten.“
Diese neuentstandenen Gebilde sind nach Bremer Kunstprodukte.
34*
502 Friedrich Meves:
„Sie sind entweder zertrümmerte Fragmente des Paranuklear-
körperchens, welches sich beim Absterben des Erythroeyten in
zwei, drei und mehr Kügelchen teilt, oder es sind Vakuolen, in
dem Sinne, den man gewöhnlich mit diesem Worte verknüpft“;
drittens sollen es nach Bremer „auf- oder eingelagerte Fibrin-
kugeln“ sein können.
Im Zentrum des noch ungeteilten Paranuklearkörperchens
ist schon im frischen Zustand ein winziges, punktförmiges Gebilde
sichtbar. Dieses letztere nimmt, wenn man ein in der gewöhn-
lichen Weise ausgestrichenes und erhitztes (125°) Präparat in
einer im Original nachzusehenden Weise mit Eosin-Methylenblau
oder Fuchsin-Methylgrün färbt, einen spezifischen, obschon
schwachen Farbenton an, während die es umgebende, kugelförmige
Substanz völlig farblos erscheint. „Ist, wie dies manchmal ge-
schieht, die letztere in eine Anzahl kleiner Kugeln, sage drei
oder vier, zerfallen, so zeigt sich das färbbare Körperchen nicht.
Es ist in diesem Falle entweder aufgequollen und unfärbbar
geworden, oder es ist aus der es umgebenden Masse ausgetreten.“
Was die Natur des Paranuklearkörperchens anlangt, so hat
Bremer in seiner ersten Arbeit die Meinung geäussert, dass
das Zentralkügelchen desselben ein aus dem Kern in das „Disko-
plasma“ ausgewanderter Nukleolus oder ein Nukleolusfragment
sei; die einhüllende Substanz sei dem Kern entnommen. In einer
weiteren Mitteilung (1895, 2) spricht er auf Grund der Unter-
suchungen von Dehler, durch welche „Zentralkörperchen“ mit
„Sphären“ in roten Blutkörperchen des Hühnerembryo nach-
gewiesen wurden, die Überzeugung aus, dass das Paranuklear-
körperchen als „Zentrosom“ aufzufassen sei. Er zieht daher den
Ausdruck „Paranuklearkörperchen“ zurück und substituiert für
denselben „Zentrosom der gekernten roten Blutzelle“.
Hierzu ist weiter anzuführen, dass Apathy 1897, im An-
schluss an einen Vortrag über die Bedeutung der Zentrosomen,
rote Blutzellen des erwachsenen Salamanders demonstriert hat, in
welchen er „Zentrosomen“ bereits im Jahre 1895 entdeckt und
im histologischen Praktikum seinen Schülern gezeigt habe. Es
wurden Präparate vorgelegt: a) nach Fixierung des Blutes mit
Hermannscher Flüssigkeit und Tinktion mit Safranin, b) nach
Fixierung des auf den Objektträger aufgestrichenen Blutes durch
Trocknen an der Luft ohne Erwärmen und Tinktion nach der
Die roten Blutkörperchen der Amphibien 503
Dreifachfärbungsmethode des Vortragenden (Hämateinlösung IA
+ Rubin + Ammoniumpikrat).
Ich zweifle nicht im geringsten, dass diejenigen Gebilde, welche
Apäthy hier demonstriert hat, mit den von OÖ. Schultze, Fischel
und mir beschriebenen „chromatoiden“ Kügelchen identisch sind.
Von diesen aber glaube ich ebensowenig wie von den Bremer-
schen Paranuklearkörperchen, dass sie „Zentrosomen“ vorstellen;
ich möchte vielmehr annehmen, dass sie aus Nukleolensubstanz
bestehen, wie Bremer anfangs mit Bezug auf das Zentral-
kügelchen seines Paranuklearkörperchens vermutet hat.
In den letzten Jahren ist in nunmehr schon zahlreichen
Fällen beobachtet worden, dass Nukleolen im Beginn der Teilung
aus dem Kern ins Cytoplasma übertreten können; hier können
sie liegen bleiben und der allmählichen Auflösung anheimfallen.')
Solche ausgestossenen und „verrottenden“ Nukleolen könnten auch
die chromatoiden Kügelchen der Triton- und Salamanderblut-
körperchen sein. Jedenfalls kann schon aus der starken intra-
vitalen Färbbarkeit derselben geschlossen werden, dass es sich
um abgestorbene Elemente handelt.
Schliesslich ist noch zu bemerken, dass auch Weiden-
reich (1904, S. 66) die chromatoiden Kügelchen der Salamander-
blutkörperchen nach Zusatz von Gentianaviolett zu Gesicht be-
kommen, aber irrtümlicherweise als Kunstprodukte (tröpfchen-
förmige Ausfällungen aus dem „Inhalt“ des Blutkörperchens,
welche infolge des Farbstoftzusatzes entstehen) gedeutet hat.
3. Besitzen die roten Blutkörperchen der Amphibien
einen Zonenbau?
Ein Zonenbau ist an den roten Blutkörperchen der Amphibien
von Auerbach (1590) und Giglio-Tos (1897) beschrieben
worden.
Nach Auerbach (1890, S. 573) ist der Raum zwischen der
Zellmembran ?) und dem Kern ausgefüllt von zwei gesonderten,
!, Die Literatur bis 1898 inkl. findet sich in meinen Berichten über
Zellteilung zitiert: Ergebnisse d. Anatomie u. Entwicklungsgesch., Bd. 6,
1896, S. 297 u. 312, und Bd. 8, 1898, S. 460 u. 479. Vgl. ausserdem:
A. Fischer, Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas, Jena, 1899,
S. 241—247.
”) Die roten Blutkörperchen der Batrachier sind nach Auerbach mit
einer Zellmembran „im vollen und scharfen Sinne des Wortes“ ausgestattet.
504 Friedrich Meves:
d.h. im morphologischen Sinne auseinanderzuhaltenden Substanzen.
„In Sublimatpräparaten, besonders schön in solchen, die mit einer
lproz. wässrigen Lösung behandelt wurden, aber auch in Pikrin-
säurepräparaten zeigen sich jene beiden Bestandteile der Zell-
substanz als zwei konzentrische, scharf gegeneinander abgegrenzte
Schichten. ... Es sind also nächst der Zellmembran eine Cortical-
schicht und eine Marksubstanz als Bestandteile des Zelleibes
zu unterscheiden. Die Corticalschicht besteht an nicht tingierten
Sublimatpräparaten aus einer strukturlosen, glänzenden, durch
das Hämoglobin rotgelb gefärbten Substanz. Sie enthält alles
Hämoglobin des Blutkörperchens. ... .“
„Die Marksubstanz andererseits... ist farblos. In Sublimat-
präparaten erscheint sie von zerstreuten dunklen Körnchen durch-
setzt, in Pikrinpräparaten hingegen ganz klar, so dass sie wie
eine grosse Höhle aussieht.“
Nach Auerbach ist sie offenbar der Rest des „Bildungs-
protoplasmas“ der Zelle, „von dem sich ein anderer Teil zu
der spezifisch funktionierenden, hämoglobinösen Corticalsubstanz
differenziert hat“.
Die Frage, ob die konzentrische Anordnung der beiden
Substanzen ganz dem natürlichen Zustande entspricht, will Auer-
bach offen lassen. „Jedenfalls aber bringt uns die beschriebene
Erscheinung die beiden Substanzen, aus welchen der Zelleib
der Blutscheiben zusammengesetzt ist, in einer sehr schönen und
klaren Weise zur Anschauung.“
Giglio-Tos (1896, S. 51) gibt von dem Bau der kern-
haltigen elliptischen Blutkörperchen folgende Darstellung.
Der Kern ist auf allen Seiten von einer fast farblosen
„hämoglobinogenen“ Substanz umgeben, welche eine Dicke von
1—2 u hat. Um Kern und hämoglobinogene Substanz zieht sich
ein das Hämoglobin enthaltender elastischer Ring, der die zentralen
Partien der Scheibe frei lässt. Das Ganze umgibt eine sehr
feine Membran.
Die „hämoglobinogene“ Substanz kann man nach Giglio-
Tos schon am frischen Präparat wahrnehmen. Die lebende
Blutzelle erscheint nicht gleichmässig hämoglobinfarben, sondern
zeigt eine zentrale farblose Partie, welche den nicht sichtbaren
Kern enthält; letzterer ist deshalb nicht zu erkennen, weil die
„hämoglobinogene“ Substanz, in welcher er liegt, dasselbe Licht-
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 505
brechungsvermögen hat wie er selbst. Die Grenzen zwischen
dieser und dem hämoglobinfarbenen Ring sind wegen des an-
nähernd gleichen Lichtbrechungsvermögens beider nicht deutlich,
werden es aber, infolge Änderung der Lichtbrechung, bei An-
wendung bestimmter Reagentien, welche die Blutkörperchen koa-
gulieren. Von solchen nennt Giglio-Tos in erster Linie Sublimat,
ferner 2 proz. Osmiumsäure, gesättigte Lösung von Pyrogallussäure,
2 proz. Borsäure und Lugolsche Lösung.
Den überzeugendsten Beweis für die Existenz der von ihm
sogenannten hämoglobinogenen Substanz fand Giglio-Tos in
einem Präparat, welches er nicht zu konservieren vermochte; auch
glückte es ihm nicht, es ein zweites Mal zu erhalten. Er hatte
auf einen Objektträger einen Tropfen Altmannscher Flüssigkeit
gesetzt, einen kleinen Tropfen Blut von Triton punctatus hinein-
gebracht und dann mit grösster Schnelligkeit eingedeckt, wobei
er einen geringen Druck ausübte. Bei der mikroskopischen Unter-
suchung konstatierte er dann, dass einige der Blutkörperchen,
die geborsten waren, infolge des Druckes die „hämoglobinogene“
Substanz hatten austreten lassen, bevor sie koaguliert war. Sie
hatte sich in feinste Fäden verlängert, von denen einige sich
miteinander verbunden hatten.')
Zu der eben referierten Darstellung von Giglio-Tos habe
ich zunächst zu bemerken, dass ich mich von der Existenz einer den
Kern umgebenden ungefärbten“Zone am lebenden Blutkörperchen
nicht habe überzeugen können.
Wenn man einen Tropfen Salamanderblut und einen Tropfen
einer 1 proz. Sublimatlösung zusammen eindeckt, findet man an
der Berührungsstelle beider Flüssigkeiten im Innern der meisten
Blutkörperchen eine helle, körnig aussehende Substanz, welche
jedoch gewöhnlich den Kern nicht gleichmässig umgibt, sondern
mehr auf einer Seite desselben angehäuft ist. In Kantenansichten
konstatiert man, dass diese Substanz eine Verdickung bezw. Auf-
treibung der Blutscheibe bedingt. Die umgebende hämoglobin-
gefärbte Substanz ist in der Regel über ihr geborsten oder
deckelförmig abgehoben.
In Ausstrichpräparaten von Salamanderblut, die mit 1 proz.
Sublimatlösung behandelt sind, kann man nach dem Auswaschen
!) Man vergleiche Giglio-Tos, l. c., Taf. I, Fig. 5.
506 Friedrich Meves:
des Reagens die beiden Substanzen durch Färbung verdeutlichen.
Bei Anwendung von Eisenhämatoxylin ist es mir zuweilen ge-
lungen, die Corticalschicht bei der Differenzierung fast völlig
zu entfärben, während die Markschicht einen blaugrauen Ton
behielt. In solchen Ausstrichpräparaten ist die Anordnung der
beiden Zonen um den Kern meistens eine mehr konzentrische,
entspricht also mehr der von Auerbach und Giglio-Tos ge-
gebenen Darstellung. Hier kann man ferner häufig, besonders,
wenn man eine geeignete Färbung hat folgen lassen, ähnliche
Bilder beobachten, wie sie Giglio-Tos einmal und nicht wieder
erhalten hat; man sieht, wie die Marksubstanz durch die Cortical-
schicht einen oder mehrere Fortsätze nach aussen sendet, welche
mit denjenigen benachbarter Zellen in Verbindung treten.
Auf Grund der mitgeteilten Beobachtungen möchte ich den
durch Sublimat erhaltenen Bildern folgende Deutung geben. Ich
stelle nicht nur die vitale Existenz zweier konzentrischer Zonen
in Abrede, sondern bezweifle auch, dass die beiden Substanzen,
welche nach Sublimatbehandlung sichtbar werden, in der Blut-
zelle vorher morphologisch gesondert vorhanden sind. Was als
„Corticalschicht“ erscheint, ist das momentan koagulierte Eiweiss,
in erster Linie das Hämoglobin, der Blutzelle; das Auftreten der
„Marksubstanz“ wird meines Erachtens lediglich durch „Quellung“
bedingt (hat seine Ursache in der „wasseranziehenden Kraft“ des
Blutkörperchens, welche durch die Koagulation der Eiweißstofte
nur wenig geändert wird). Die osmotisch wirksamen Stoffe,
welche das erstarrte Protoplasma durchtränken, bewirken, dass
Flüssigkeit ins Zellinnere aufgenommen wird. Diese Flüssigkeit
kann sich innerhalb des koagulierten Protoplasmas nicht verteilen
weil dieses eine kohärente Masse bildet; sie sammelt sich daher,
meistens, indem sie die erstarrte Zellsubstanz sprengt, zwischen
dieser und dem Kern an; eventuell (im Ausstrichpräparat) kann sie
sogar durch Risse der „Corticalschicht“ nach aussen durchtreten.
IV. Über Formänderungen der roten Blutkörperchen
im frisch entnommenen Blut.
Brücke (1867, S. 85) sah, als er frisches und unverdünntes
Tritonenblut unter das Mikroskop brachte, einen grossen Teil
der Blutkörperchen eine sehr unregelmässige (Grestalt annehmen
und an der Oberfläche maulbeerartig höckerig werden. Dabei
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 507
war meistens der „kleine Durchmesser“ (Dickendurchmesser) ver-
grössert, während die beiden anderen, und zwar der grösste am
meisten, abgenommen hatten.
Brücke, welcher bekanntlich zwei Substanzen, ein hämo-
globinhaltiges Zooid und ein farbloses Oikoid in den Blut-
körperchen annimmt (siehe unten S. 528), meint, man müsse die
Gestaltsveränderung „von teilweiser Retraktion der Fortsätze des
Zooids“ ableiten, „während welcher die Verbindung zwischen Zooid
und Oikoid noch so fest ist, dass das letztere den Traktionen folgt
und dadurch an seiner Oberfläche höckerig wird“. Jedenfalls könne
es sich nicht um einen Verschrumpfungsprozess, bewirkt durch
Konzentration des Serums infolge der Verdunstung, handeln.
Knoll (1896) beobachtete Gestaltsänderungen roter Blut-
körperchen besonders bei Proteus und Amphibienlarven; er fand,
dass sie mit einer Rückkehr zur elliptischen Form
endigen.
Wenn man frisch entnommenes Blut von Proteus „an dem
über einer feuchten Delle hängenden Tropfen“ untersucht, sind
an einzelnen Erythrocyten sofort Veränderungen am Zelleib
kenntlich, die binnen kurzem an allen oder nahezu allen auf-
treten. „Zunächst häuft sich das Hämoglobin an einzelnen Stellen
des Zelleibes, und zwar gewöhnlich an den Polen desselben, an
und retrahiert sich dann, während die Zelle grössere Längsfalten
zeigt, langsam gegen den ovalen, mehr oder weniger deutlich
hervortretenden Kern zu, während die ganze Zelle der Kugelform
zustrebt und zuletzt als höckerige, intensiv gelbrot gefärbte
Kugel erscheint, an welcher sich oft noch eine durch den unge-
färbten Teil des Zelleibes gebildete, mannigfach gefältelte und
verbuckelte Hülle erkennen lässt. Diese Kugeln strecken sich
aber später wieder, werden eiförmig und .... . nehmen im
Laufe kürzerer oder längerer Zeit, zuweilen erst im Laufe von
Stunden, annähernd wieder die ursprüngliche Gestalt an“.
Ein sehr bemerkenswerter Formenwechsel lässt sich nach
Knoll ferner an den roten Blutkörperchen der Amphibienlarven,
besonders derjenigen von Salamandra maculosa, wahrnehmen.
„Schon bei Beginn der Beobachtung zeigten einzelne Erythrocyten
eine der kugeligen sich nähernde Form und allerlei Höcker an
der Oberfläche. Binnen wenigen (drei oder mehr) Minuten hatten
auch die meisten übrigen... . unter dem Auftreten von denen
508 Friedrich Meves:
beim Proteus ganz analogen Bewegungserscheinungen im hämoglobin-
haltigen Teile der Zelle und der Bildung mannigfaltiger Höcker
mit fortwährendem Wechsel von Zahl und Form derselben die
Gestalt maulbeerartig verbuckelter Kugeln angenommen. Die
Oberfläche dieser Kugeln glättete sich dann wieder etwas, aber
nur unvollständig und nachdem die Erythrocyten durch eine
wechselnde Zahl von Minuten in diesem Zustand verharrt waren,
streckten sie sich wieder in einem Durchmesser und näherten
sich allmählich wieder mehr der elliptischen Form, wobei aber
wieder allerlei Unebenheiten, Höcker, Zacken und Leisten an der
Oberfläche auftauchten, die jedoch in dem Maß geringer wurden,
als die Erythrocyten zur Urform zurückkehrten, was in der
Regel vor Ablauf einer Stunde der Fall war, manchmal aber auch
noch länger währte.“
Analoge Gestaltsänderungen beobachtete Knoll bei Frühjahrs-
fröschen an einzelnen, bei trächtigen Salamanderweibchen im
Herbst an einer erheblicheren Zahl und bei im Juni frisch ein-
gebracht untersuchten Exemplaren von Triton taeniatus an den
meisten Blutkörperchen ;; ferner sah er sie bei Selachiern, vermisste
sie dagegen bei Forellenembrvonen.
Auch Knoll ist der Ansicht, dass bei dem geschilderten
Phänomen eine Sonderung eines hämoglobinlosen Teiles der Zell-
substanz von einem hämoglobinhaltigen zustande kommt, welcher
letztere sich um den Kern konzentriert. Er hält daher die
Brückesche Einteilung in ein Zooid und Oikoid für gerecht-
fertigt. Von Fortsätzen des Zooids hat er allerdings nichts
bemerkt. Er meint: „Die Bildung von Falten und Buckeln an
dem Oikoid und sein Zusammenschnurren zu einer gekräuselten
Umhüllung der aus Kern und Hämoglobin bestehenden Kugel
dürfte wohl auch aus dem Schlaffwerden desselben infolge der
Konzentration des Hämoglobins um den Kern erklärt werden
können“.
In der Konzentration des hämoglobinhaltigen Teiles aber
haben wir nach Knoll den Ausdruck einer vitalen Kontraktilität
desselben zu sehen. Dafür spricht nach ihm, dass der Zusammen-
ziehung des Blutkörperchens eine Rückkehr zur elliptischen
Gestalt folgt, und dass die Kontraktionserscheinungen ausbleiben,
wenn man das Blut Tieren entnimmt, die schon vor längerer
Zeit abgestorben waren.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 509
Weidenreich (1904, S. 31) lässt den Beobachtungen
Knolls folgende abfällige Kritik zu Teil werden. Er führt die
von Knoll konstatierten Formänderungen auf „Schrumpfung
infolge der eingetretenen Hyperisotonie des Plasmas“ zurück;
wir wissen, sagt er, „dass elliptische Blutkörperchen, wenn sie
stark geschrumpft sind und kugelig werden, nach Abgabe des
Hb wieder ihre normale Form annehmen können, wahrscheinlich
dürfte also auch die Beobachtung Knolls durch einen Austritt
des Hb bedingt sein“ (!).
Ich selbst habe die in Rede stehende Erscheinung an
den roten Blutkörperchen des erwachsenen Feuersalamanders
untersucht. Ich bin dabei so verfahren, dass ich einen Tropfen
Blut auf einen Objektträger brachte, eindeckte und mit einem
Paraffinrahmen umzog.!) Fin paar Minuten nach Anfertigung
des Präparates treten meist an mehr als der Hälfte aller Blut-
körperchen Formänderungen auf, in deren Verlauf man den Rand-
reifen deutlich werden und eine Reihe von Deformationszuständen
durchmachen sieht.
Mit Brücke und Knoll stimme ich darin überein, dass
diese Formänderungen auf einer Kontraktion?) beruhen. Ich
muss aber in Abrede stellen, dass es dabei zu einer Sonderung
des Zelleibes in zwei Substanzen kommt in der Weise, wie die
genannten Autoren annehmen.
Die Zusammenziehung der Zellsubstanz um den Kern hat
zunächst zur Folge, dass die mittlere Partie der Blutscheibe sich
verdickt. Sie erscheint stärker gefärbt als vorher, während die
Randpartien umgekehrt ganz dünn und, nur aus diesem Grunde,
blass werden. An der Grenze beider Zonen, der stärker gefärbten
gegen die helle Zone, treten Faltungen der Zelloberfläche auf.
Die starke Dickenabnahme der Randpartien bewirkt, dass der
Reifen an der äussersten Peripherie wulstförmig hervortritt.
!) Die von Knoll empfohlene Art der Untersuchung „an dem über
einer feuchten Delle hängenden Tropfen“ habe ich deshalb nicht in An-
wendung gezogen, weil dadurch leicht eine Quellung an den roten Blut-
körperchen hervorgerufen wird.
2) Die Ursache der Kontraktion könnte sein, dass die Intensität der
Oberflächenspannung, vielleicht durch chemische Vorgänge im Zellinnern,
eine (vorübergehende) Steigerung erfährt.
510 Friedrich Meves:
An dem Randreifen kann die beginnende Kontraktion
der Zellsubstanz vorübergehende Gestaltsänderungen hervorrufen,
welche in der Ebene desselben vor sich gehen. Die Blutscheibe
gibt häufig für einen Augenblick ihre rein elliptische Form auf,
indem die Konvexität ihres Konturs an der einen Stelle einsinkt,
um sich an einer anderen stärker vorzubuchten.
Mit dem Fortgang der Kontraktion fängt die Blutscheibe
an, sich im Längen- und Breitendurchmesser erheblich zu ver-
kleinern, wobei sich der gewulstete Rand, d. i. der Randreifen,
zuerst an einer, dann an weiteren Stellen ein- und aus der
Ebene herausbiegt; ebenso wie der Randreifen würde sich ein
elastischer Ring verhalten, auf dessen Peripherie ein zentripetaler
Zug ausgeübt wird.
Schliesslich hat sich die Zellsubstanz zu einem rundlichen
Körper kontrahiert, um welchen eine mehr oder weniger vor-
springende, stark gefaltete, helle Leiste
herumläuft (Fig. V). Diese Leiste ist
identisch mit der „mannigfach gefältelten
und verbuckelten Hülle“ des Blutkörper-
chens, die sich nach Knoll auf dem
Stadium der kugeligen Zusammenziehung
oft erkennen lässt und die nach ihm
aus dem Oikoid von Brücke besteht.
Ä ww | In Wirklichkeit ist sie nichts anderes als
\ a der hochgradig deformierte Randreifen.
\ Ä Auf dem zuletzt beschriebenen
Stadium tritt nun keineswegs ein Still-
Fig v. stand in den Bewegungserscheinungen
Rotes Blutkörperchen vom ein, sondern die kontrahierte Zellsubstanz
Salamander, in kontra- und besonders der Randreifen fahren un-
hiertem Zustand. Nach unterbrochen fort, ihre Form zu ändern,
unter der Wechsel-
-.
einigen Stunden war es zur
elliptischen Form zurück-
gekehrt; der Kontur der
letzteren wird durch die ge-
strichelte Linie angegeben.
augenscheinlich
wirkung der beiden Kräfte, welche be-
strebt sind, einander das Gleichgewicht
zu halten, derjenigen Kraft, mit welcher
sich die Zellsubstanz zusammenzieht und der im Randreifen durch
die Deformation wachgerufenen Kraft.
Nachdem dieser Zustand verschieden lange Zeit angedauert
hat, fängt das rote Blutkörperchen an, mehr und mehr zur
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. Sul
elliptischen Gestalt zurückzukehren. Offenbar lässt die Kontraktion
der Zellsubstanz nach; die Folge ist, dass der Zwangszustand
des Randreifens nicht länger aufrecht erhalten werden kann.
Die mannigfachen Biegungen des Randreifens gleichen sich eine
nach der anderen aus; neue entstehen, um nach einiger Zeit
ebenfalls wieder zu verschwinden; schliesslich liegt der ganze
Randreifen wieder entfaltet in einer Ebene.
Unvollständig bleibt die Entfaltung
in den zahlreichen Fällen, in denen es &
bei der Deformation des Randreifens ww
zur Bildung einer Schleife gekommen ist. Ge
Eine solche Schleife wird auch nach y.
völligem Ablauf der Kontraktion in der £
Regel nicht wieder rückgängig (Fig.V\D); #
sie könnte dadurch in Ruhe erhalten
werden, dass ihre beiden Schenkel an
der Kreuzungsstelle miteinander ver- \
kleben !); wahrscheinlicher ist mir, dass
das stabile Beharren des Randreifens
in Schleifenform auf eine schwache
Torsion desselben zurückzuführen ist.
Abgesehen von diesen Schleifen- ee nach Ablauf
bildungen behalten die roten Blutkörper- der Kontraktion, mit nicht
chen auch sonst vielfach mehr oder rückgängig gewordener
weniger starke Abweichungen von der Schleife des Randreifens.
elliptischen Form ; diese können dadurch
bedingt sein, dass die Elastizität des Randreifens unter den voraus-
gehenden Zwangszuständen durch Überschreitung der Rlastizitäts-
grenze gelitten hat; das bedeutet also, dass sie keine vollkommene ist.
Ebensowenig wird immer die regelmässige Verteilung der
Zellsubstanz mit dem Ablauf der Bewegungserscheinungen wieder
hergestellt; man beobachtet vielmehr häufig hell aussehende,
verdünnte Stellen, besonders in der Nähe des einen Pols, und
Faltenbildungen an der Oberfläche.
Pr”
5 >
Kie.VI
Rotes Blutkörperchen des
') Man beobachtet sehr häufig, dass die Zusammenziehung der Zell-
substanz keine allseitige ist. In den gar nicht seltenen Fällen, in denen
sie sich auf eine Querhälfte beschränkt, besteht die eintretende Deformation
des Randreifens von vornherein ausschliesslich in einer Schleifenbildung wie
in Fig. VI. Es ist die auf diese Weise entstehende Zellform, welche Knoll
als „tabaksbeutelähnlich“ bezeichnet.
512 Friedrich Meves:
or!
V. Über Formänderungen der roten Blutkörperchen
infolge von Reagentienwirkung.
1. Über die plötzliche Erweiterung der roten Blut-
körperchen des Frosches nach allen Richtungen bei
Zusatz von Essigsäure.
Kneuttinger hat im Jahre 1865 beschrieben, dass die
roten Blutkörperchen des Frosches bei der Einwirkung von Säure
sich unter Erhaltung der elliptischen Scheibenform plötzlich wie
mit einem Ruck nach allen Richtungen erweitern.
„Setzt man 7,2proz. Essigsäure zu einem Präparate, so
bekommen die Blutkörperchen kleine Einbiegungen, Einkerbungen,
und es erscheint, als ob sich bei manchen der Inhalt von der
Membran zurückzieht. Denn die Kontur des gelben Inhalts ist
durch einen hellen Raum von der zarten Hülle des Blutkörper-
chens getrennt. Nach diesem Stadium ...... kommt das einer
plötzlichen Erweiterung. Beträgt der Durchmesser des Blut-
körperchens beim Frosch nach Welcker:
Länge Breite Dicke
0,0223 0,0157 0,0036
so besitzen sie nach Behandlung sowohl der Essigsäure, als der
beiden anderen noch geprüften Säuren im Mittel:
Länge Breite Dicke
0,0309 0,0219 0,0045.“
Gleichzeitig mit dieser Vergrösserung oder nur wenige
Sekunden später bemerkt man nach Kneuttinger einen fein-
körnigen Niederschlag, welcher sich dann zu „grösseren Molekülen“
vereinigt, um bei weiterer Einwirkung der Essigsäure gelöst
zu werden.
Die plötzliche Erweiterung der Blutzellen wurde von
Kneuttinger auch bei Anwendung stark verdünnter
Essigsäure wiedergefunden; ebenso bei Zusatz von Salz- und
Schwefelsäure, welche ausser der Essigsäure noch geprüft wurden.
In der Folge ist die Erscheinung, welcher allgemein das
Prädikat „sonderbar“ oder „merkwürdig“ beigelegt wird, wieder-
holt beobachtet worden.
Kollmann (1873) ist meines Wissens der erste, welcher
versucht hat, sie zu erklären. Er betrachtet sie als einen Beweis
für die Existenz von „Stromafasern“, welche mit der Oberfläche
w
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. alle
des Kernes und mit der „begrenzenden Membran“ zusammen-
hängen. Diese Stromafasern sollen nach ihm einen gewissen
Spannungszustand besitzen, der „dem Tonus der Muskeln analog“
ist. Durch Säureüberschuss wird das Stroma teilweise gelöst;
„wenn dies in allen Durchmessern gleichmässig geschehen ist,
lässt die Spannung desselben nach und es erfolgt die Erweite-
rung, bis die Ausdehnung des Inhaltes und die Elastizität der
Membran einander das Gleichgewicht halten“.
Neuerdings hat v. Ebner (1902, S.743) die Vermutung
ausgesprochen, dass die Anwesenheit des im Rande des Amphibien-
blutkörperchens gelegenen Reifens die in Rede stehende Er-
scheinung „einigermassen erklären“ könnte.
Diese letztere Vermutung sowie eine direkt an mich ge-
richtete Anfrage!) v. Ebners veranlassten mich, die Einwirkung
von Säure (ich wählte eine 7—10 proz. Essigsäure) auf die roten
Blutkörperchen der Amphibien nachzuuntersuchen. Nachdem ich
zunächst die Blutkörperchen des Frosches mit Bezug auf diesen
Punkt studiert hatte, zog ich diejenigen des Feuersalamanders
heran. Zu meiner Überraschung fand ich, dass die Erscheinung
hier einen wesentlich abweichenden Verlauf zeigt, insofern als
eine Erweiterung der Blutscheibe im Längen- und Breiten-
durchmesser vollständig ausbleibt; hier ist im Moment des Er-
blassens ausschliesslich eine plötzliche Zunahme des Dicken-
durchmessers zu konstatieren. | |
Im einzelnen verläuft die Einwirkung einer 7—10proz. Essig-
säure bei den Blutkörperchen des Salamanders folgender-
massen.?)
') Diskussion zu meinem in Jena gehaltenen Vortrag: Weitere Be-
obachtungen über den feineren Bau des Randreifens in den roten Blut-
körperchen des Salamanders. Verh. d. Anat. Ges., Jena, 1904.
?) Bei der Untersuchung verfahre ich in der Weise, dass ich einen
Tropfen frischen Blutes und einen Tropfen einer ”—10proz. Essigsäure in
einiger Entfernung voneinander auf den Objektträger setze und beide
Tropfen mit einem grossen Deckglas zusammen eindecke, so dass sie sich
erst jetzt vereinigen. Bringt man das Präparat unter das Mikroskop, so ist
an der Berührungsstelle selbst die Säurewirkung in der Regel schon ab-
gelaufen. Man muss in einiger Entfernung davon beobachten, um noch die
ersten Veränderungen wahrzunehmen.
514 Friedrich Meves:
Die ersten Veränderungen bestehen darin, dass der Kern
schärfer hervortritt. Ferner verlieren die Randpartien der Blut-
scheibe die Hämoglobinfarbe. Die Grenze zwischen der farblos
gewordenen Zone und der hämoglobinhaltigen Substanz wird
durch eine unregelmässige Zickzacklinie gebildet, deren Spitzen
gegen den Rand gerichtet sind, wo der Randreifen, wenn auch
nur undeutlich, sichtbar wird. Die Oberfläche der Blutscheibe zeigt
Falten. In der Kantenansicht sind die Seitenkonturen dem-
entsprechend unregelmässig aus- und eingebogen; die farblos
gewordenen Enden zeigen eine schärfere Zuspitzung.
Weiter sieht man in Flächenansichten die Falten der Ober-
fläche verschwinden, die hämoglobinhaltige Zellsubstanz wieder
peripheriewärts bis an den Randreifen vorrücken und gleichzeitig
ihre Färbung an Intensität abnehmen. Bei Betrachtung der
Kantenansicht bemerkt man, dass die Dickendurchmesser sich
vergrössern. Die Blutscheibe, welche im unveränderten Zustand
auf einem durch die längste Achse gehenden Durchschnitt schlank-
v w w
C. d.
Fig. VII.
Fig. VIIla. Rotes Blutkörperchen von Salamandra in Kantenansicht. b—d drei
aufeinanderfolgende Stadien der Essigsäurewirkung, an einem und demselben
Blutkörperchen beobachtet, ebenfalls in Kantenansicht.
spindelförmig ist (Fig. VIla), bläht sich immer mehr auf, wobei ihre
Wände sich von der Kernoberfläche entfernen (Fig. VIIb und e).
Einen Augenblick später tritt das Erblassen der Blutscheibe
ein (Fig. VIId), ohne dass, wie gesagt, eine Zunahme ihres Längen-
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. >15
und Breitendurchmessers zur Beobachtung käme. Der Dicken-
durchmesser dagegen vergrössert sich so stark, dass seine Länge
in der Mitte der Blutscheibe häufig mehr als die Hälfte des
Längendurchmessers beträgt. Der Kern kann sich nunmehr frei
im Innern der Blutzelle verschieben.
Strukturen sind in dem erblassten Blutkörperchen nicht zu
sehen.!) Das Auftreten eines körnigen Niederschlages im Innern
konnte ich nur ausnahmsweise beobachten.
Verwendet man eine Essigsäure, der man '/s—1 Proz. Methyl-
grün zugesetzt hat, so konstatiert man, dass der Kern erst im
Moment des EFrblassens beginnt sich mit dem Farbstoff zu
imbibieren.
Unmittelbar nach der plötzlichen Erweiterung sieht man
das Blutkörperchen vielfach ebenso plötzlich kollabieren, wobei
seine Membran sich faltig einknickt.
Bei den roten Blutkörperchen des Frosches (Rana
eseulenta) verläuft die Wirkung der Essigsäure in Flächen-
ansichten ähnlich wie bei denen des Salamanders, bis zum
Moment des Erblassens, in welchem die plötzliche Erweiterung
auch im Längen- und Breitendurchmesser eintritt.
Im Innern des erblassten und erweiterten Blutkörperchens
wird ein Fadengerüst sichtbar, welches um den Kern herum
dichter angesammelt ist;?) jedoch wird es häufig durch einen
körnigen Niederschlag mehr oder weniger vollständig verdeckt.
Der Reifen liegt nach wie vor am Rand der Scheibe.
Bei Betrachtung der Kantenansichten (Fig. VIII) konstatiert
man, dass im Beginn der Säurewirkung ebenso wie beim Salamander
eine Volumenszunahme stattfindet. Dabei kommt es aber niemals zu
einer erheblichen Entfernung der Zellmembran von der Kernober-
fläche. Beide sind vielmehr miteinander verklebt. Die Blutscheibe
behält daher auf einem durch die längste Achse gehenden Durch-
!) Abgesehen von einigen in Auflösung begriffenen Fadenstücken,
offenbar Resten von Plastokonten (siehe oben S. 494), welche in Fig. Vlld
nicht mitgezeichnet sind.
?) Dieses Fadenwerk ist möglicherweise mit demjenigen identisch,
welches ich an roten Blutkörperchen des Frosches, die vorher in 3proz.
Kochsalzlösung suspendiert gewesen waren, durch Gentianaviolett gefärbt
erhalten habe (vgl. oben S. 493).
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt.I. 35
516 Friedrich Meves:
schnitt nicht die Form einer Spindel, sondern nimmt diejenige eines
Stäbchens mit abgerundeten Enden an (Fig. VIIIb, c). Im Moment
des Erblassens (Fig. VIlld) erfahren dann die in der Längsachse
zu beiden Seiten.des Kernes liegenden Partien eine plötzliche Ver-
; &&
’ ı 2
\ i \ r
| 8
w ww:
= \
! \
ex
Er b. d.
©.
Fig. VII.
Fig. VIlla. Rotes Blutkörperchen von Rana esculenta in Kantenansicht; b—d
drei aufeinanderfolgende Stadien der Essigsäurewirkung, an einem und dem-
selben Blutkörperchen beobachtet, ebenfalls in Kantenansicht.
grösserung sowohl des Längs- wie des Querdurchmessers, wobei
das relative Verhältnis beider dasselbe bleibt.
Man erkennt in der Kantenansicht, dass die Balken des
Fadengerüstes, welches im Moment des Erblassens sichtbar wird.
(in Fig. VIII d nicht mitgezeichnet) vorwiegend der Quere nach
zwischen den einander gegenüberliegenden Zellwänden ausge-
spannt sind.
Die Erklärung für die beschriebenen Vorgänge dürfte
folgendermassen zu geben sein.
Kommt das Blutkörperchen mit der Säure in Berührung,
so bildet sich an der Oberfläche eine Niederschlagsmembran.
Weiter dringt Säure ins Innere ein. Infolgedessen muss die
Blutzelle, unter gleichzeitigem Wachstum der Niederschlags-
membran, an Volumen zunehmen. Die Fixierung (Koagulation)
durch die Säure verhindert, dass sie dabei Kugelform annimmt.
Das Farbloswerden des Randes, welches im Beginn der Säure-
wirkung beobachtet wird, scheint der Ausdruck davon zu sein.
dass die gefärbte Zellsubstanz sich innerhalb der Niederschlags-
membran aus den Randpartien der Blutscheibe zurückzieht.') Für
') Vgl. den im Anfang zitierten Satz von Kneuttinger.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 517
den weiteren Verlauf ist diese Zurückziehung bedeutungslos;
denn sie wird sogleich wieder rückgängig gemacht, indem die
Zellsubstanz durch die fortschreitende Wasseraufnahme immer
stärker ausgedehnt wird, so dass sie wieder bis an den Rand der
Blutscheibe vorrückt.
Die mit einem Ruck erfolgende starke Volumensvergrösse-
rung, welche von dem Erblassen der Blutscheibe begleitet ist,
hat ihren Grund offenbar darin, dass die Permeabilität des Blut-
körperchens für die umgebende Lösung plötzlich stark zunimmt.')
Die Wirkung des sich dabei entwickelnden Binnendruckes
auf die äussere Form der Blutzelle ist beim Salamander und
Frosch verschieden.
Bei den Blutkörperchen des Salamanders bauchen sich die
Zellwände beiderseits stark vor. Bei denen des Frosches können
sie es jedenfalls nicht in ganzer Ausdehnung, da sie in der
Mitte mit der Kernoberfläche verklebt sind. Die Volumens-
vergrösserung kann nur an dem ringförmigen Gürtel von Zell-
substanz zum Ausdruck kommen, welcher den Kern umgibt. Hier
könnte sie ausschliesslich eine Zunahme des Quer- bezw. Dicken-
durchmessers bewirken, was eine starke Aufwulstung der Blut-
scheibe rings um den Kern zur Folge haben würde.
Die zahlreichen der @Quere nach ausgespannten Fäden,
welche die gegenüberliegenden Zellwände miteinander verbinden,
verhindern aber, dass diese sich soweit voneinander entfernen, wie
es dem erhöhten Turgor entspricht. Es wird: daher ein stärkerer
Druck in der Richtung gegen den Rand ausgeübt. Dieser Druck
verursacht es, dass die Blutscheibe sich im Längen- und Breiten-
durchmesser erweitert, wobei der Randreifen, welcher mit der Nieder-
schlagsmembran verklebt ist, eine passive Dehnung erleiden muss.
Nach dem Eintritt der Erweiterung haben Wachstum und
Dehnbarkeit der Niederschlagsmembran ihr Ende erreicht. Eine
eventuelle weitere Steigerung des Binnendruckes muss daher ein
Platzen der Membran zur Folge haben.
2. Über Formänderungen infolge der Wirkung von
Ammoniakdämpfen.
Die Wirkung von Ammoniakdämpfen auf die roten Blut-
körperchen von Amphibien ist meines Wissens mikroskopisch bis-
2) Gleichzeitig tritt auch Exosmose des Blutfarbstoffes ein.
35*
518 Friedrich Meves:
her erst ein einziges Mal, von Lankester (1871, S. 376), studiert
worden. Lankester bediente sich zu seinen Versuchen, welche
er am Froschblut anstellte, einer von ihm modifizierten Schweigger-
Seidelschen Gaskammer, durch welche Ammoniakdämpfe hindurch-
geleitet wurden.
Seine ersten Beobachtungen, die er im Sommer 1870 machte,
ergaben, dass die Blutkörperchen des Frosches bei Anwendung
von starkem Ammoniakdampf sofort kugelig wurden und sich
alsbald gänzlich auflösten. Wurde Ammoniakdampt durchgeleitet,
welcher gerade noch durch den Geruch wahrnehmbar war, traten
merkwürdige, in die Länge gezogene, zugespitzte und dreieckige
Formen auf. Wenn das Gas langsam verstärkt wurde, nahmen
die Blutkörperchen allmählich eine kugelige Form an. Dann
wurde die Kugel immer kleiner und gab plötzlich die Farbe ab.
Es blieb ein blasses, unregelmässiges „Stroma“ zurück mit einem
grossen hellen Kern, der über seine normale Grösse angeschwollen
war; dieses wurde bei weiterer Verstärkung des Ammoniakdampfes
vollständig aufgelöst.
Als nun Lankester die Versuche mit schwachem
Ammoniakdampf im ersten Frühjahr des folgenden Jahres wieder-
holte, vermochte er zu seiner Überraschung die früher beobachteten
Veränderungen in der Gestalt der roten Blutkörperchen nicht
wieder zu erhalten; im Sommer jedoch gelang es ihm. Im Früh-
jahr dagegen und in einigen Fällen auch im Sommer ergab die
Einwirkung von sehr schwachem Ammoniakdampf auf Froschblut
drei verschiedene Wirkungstypen, welche in Bezug auf ihr Auf-
treten von sehr geringen Unterschieden in der Menge und Stärke
des zugeleiteten Dampfes und dem Zustand der Blutkörperchen
selbst abhängig zu sein schienen.
Die erste Veränderung, welche am häufigsten erhalten wurde,
bestand darin, dass die Blutkörperchen lappige Formen annahmen.
Die Lappen zeigten die Tendenz, sich in mannigfacher Weise zu-
sammenzuziehen und sandten lange, unregelmässige Fortsätze aus.
Die zweite Wirkung gleicht nach Lankester derjenigen
der Borsäure, wie sie von Brücke beschrieben wurde. Der
gefärbte Inhalt der Blutkörperchen (das Zooid von Brücke)
zieht sich kräftig zusammen und trennt sich von der dichten
Oberflächenschicht (dem Oikoid); jedoch wird er in keiner Weise
granuliert, sondern bleibt vollständig klar und homogen.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. >19
Der dritte Typus der Ammoniakwirkung kam an einigen
Körperchen zur Beobachtung, welche zuerst Neigung bekundeten,
sich in der Richtung des zweiten Typus zu entwickeln. indem
ihr Zooid sich teilweise zusammenzog; anstatt jedoch dabei zu
beharren, begannen von den Rändern der Körperchen und ihrer
zusammengezogenen Zooide Partikelchen sich abzulösen, welche
Molekularbewegung zeigten und fortschwammen.
Aus den mitgeteilten Beobachtungen möchte Lankester
entnehmen, dass die Wand der Froschblutkörperchen in Ammoniak
leicht löslich ist, und zwar unter bestimmten physiologischen
Bedingungen leichter als unter anderen. — Er erklärt schliesslich,
dass die Wirkung des Ammoniaks es verdiene, in einer mehr
methodischen Weise untersucht zu werden.
Um über den Konzentrationsgrad des angewendeten
Ammoniaks exaktere Angaben machen zu können, bin ich selbst
bei einer Nachprüfung in der Weise verfahren, dass ich die
käufliche konzentrierte Ammoniaklösung (mit ca. 25 Proz. Am-
moniak) in bestimmtem Verhältnis mit Wasser verdünnte und
den Dampf, der aus einer abgemessenen Menge der Mischung
aufstieg, auf die Blutkörperchen wirken liess. Und zwar gab ich
jedesmal ca. 6 Tropfen der Mischung in eine Böttchersche
feuchte Kammer, welche aus einem
5 mm hohen, diekwandigen Glas-
ring bestand (innerer Durchmesser
185 mm), der auf einem Objekt-
träger aufgekittet war und oben
mit Hilfe von Vaselin durch ein
Deckglas geschlossen wurde, an |
dessen Unterseite das Blut ge- |
bracht war.
Meine Untersuchung wurde an
dem Blut von Frosch (Rana escu-
lenta) und Feuersalamander aus- Fig. IXa. Fig. IXb.
geführt. Es ergab sich dabei, dass
Ammoniakdampf eine höchst eigentümliche Wirkung
auf den Randreifen der roten Blutkörperchen besonders des
Salamanders ausübt.
520 Friedrich Meves:
Salamander. Wenn man rote Blutkörperchen des Sala-
manders den Dämpfen aussetzt, welche von einigen Tropfen einer
Mischung von 1 Teil Ammoniak und 20 bis 40 Teilen Wasser
aufsteigen, so beobachtet man, dass die beiden Längshälften des
Randreifens sich spiralig umeinander herumwickeln. Der Rand-
reifen geht aus einem Zustand wie in Fig. IXa in einen solchen
wie in Fig. IXb oder in einen noch stärker gedrehten über.
Es fragt sich, auf welche Weise diese eigenartige Um-
formung bewirkt werden kann.
Wenn man einem Kautschukband eine Biegung erteilt
(Fig. Xa) und nun eine Torsion hinzufügt, so erhält man, gleich
nach dem in Fig. Xb gezeichneten Zwischenstadium, eine Schleife
(Fig. Xe). Ein geschlossener Kautschukreifen nimmt bei Torsion
(um 2.360°) S-Form an; wenn man mit der Torsion fortfährt,
dreht er sich strickförmig zusammen (Fig. IX b).
\ AN AS
Fig. Xa. Fig. Xb. Fig. Xe.
Auch die Zusammendrehung des Randreifens kann kaum
auf eine andere Weise zustande kommen als dadurch, dass er
sich unter dem Einfluss der Ammoniakdämpfe tordiert. Die
Möglichkeit für das Auftreten einer solchen Torsion muss durch
bestimmte, noch zu eruierende Strukturverhältnisse des Rand-
reifens gegeben sein.
Mit dieser Umformung des Randreifens geht eine Zerfällung
der Zellsubstanz in zwei oder drei Portionen einher, in eine
grosse, welche den Kern einschliesst und eine oder zwei kleinere
Portionen.
Im einzelnen verläuft die Erscheinung, innerhalb weniger
Minuten, etwa folgendermassen.
Man hat zunächst in Flächenansichten der Blutzellen den
Eindruck, als wenn an dem einen Pol eine Zuspitzung auftritt
(Fig. XIa). Die diesem Pol benachbarten Teile des Randreifens
biegen sich, offenbar unter dem Einfluss einer Torsion, nach
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 521
-.
entgegengesetzten Seiten aus ihrer Ebene heraus und in eine
Lage wie in Fig. Xb hinein. Gleich darauf tritt eine Schleife
hervor (Fig. XIb).
Die Umformung des Randreifens macht Umlagerungen des
Protoplasmas erforderlich. Diese gehen aber, augenscheinlich
Fig. XIb.
L R \ D
Re \
| |
\ | y
x v
N ar Be er u
Fig. XTd. Fig. XIe. Fig. XIf.
Fig. Xla—f. Rote Blutkörperchen vom Salamander unter der Einwirkung
des Dampfes einer schwachen Ammoniaklösung (1 Teil Ammoniak auf 25 Teile
Wasser). Sechs aufeinanderfolgende Stadien (von sechs verschiedenen Zellen.)
522 Friedrich Meves:
infolge der zähflüssigen Beschaffenheit des Protoplasmas, nur
langsam und unter Faltenbildung vonstatten.
Von dem Augenblick an, wo die Schenkel der Randreifen-
schleife sich aneinander gelegt haben, beginnt das Protoplasma
sich an der Oberfläche zu glätten. Wahrscheinlich hat es unter
der fortdauernden Einwirkung des Ammoniakdampfes eine
flüssigere Konsistenz angenommen. Der Randreifen, der bisher
nur an der von ihm verursachten Wulstung erkennbar war, wird
nunmehr im Innern des Protoplasmas, soweit er nicht im Rande
desselben liegt, direkt sichtbar (Fig. XIe). Gleichzeitig treten im
Protoplasma kleine, stark glänzende Körner oder Vakuolen auf,
welche vielfach an den sichtbaren Teilen des Randreifens entlang
oder parallel zu ihnen angeordnet sind (in der Figur nicht
mitgezeichnet).
In der Folge geht die Drillung des Randreifens ununter-
brochen weiter. Auf die erste Kreuzung folgt alsbald eine zweite
(Fig. XId) und weiterhin noch mehrere, welche sich gegen die Mitte
zu anschliessen. Dabei wickeln die beiden Randreifenhälften sich
fester umeinander herum, so dass sie schliesslich einen soliden
Strang bilden (Fig. XlIe).
Es ist klar, dass diese Zusammendrehung des Randreifens
die Form des Protoplasmas weiter beeinflussen muss. Diejenige
Menge Zellsubstanz, welche in der zuerst entstandenen kleinen
Schleife ausgespannt ist, trennt sich von der Hauptmasse ab.
Letztere unterliegt in Bezug auf ihre Gestalt nicht mehr der
Einwirkung des Randreifens, sondern allein derjenigen der Ober-
flächenspannung. Sie zieht sich daher, um die von ihr ein-
geschlossene Öse des Randreifens herum, zusammen, wobei der
Abstand zwischen ihr und der kleinen Zellsubstanzportion immer
grösser wird; es entsteht das Bild, welches ich in Fig. XIe wieder-
gegeben habe.
Häufig sieht man, wie in letzterer Figur, dass von dem
aufgedrehten Teil des Randreifens zwischen den beiden Zell-
substanzportionen eine Menge winziger Tröpfchen von hämoglobin-
haltiger Zellsubstanz sich abtrennen, welche Molekularbewegung
zeigen und fortschwimmen. Diese Erscheinung kommt wahr-
scheinlich folgendermassen zustande. Zwischen den beiden Hälften
des Randreifens, welche anfangs nur locker umeinander herum-
gewunden sind, bleibt zunächst noch eine geringe Menge Zell-
U
NG
©
Die roten Blutkörperchen der Amphibien.
substanz ausgespannt zurück. Diese wird später mit dem Enger-
werden der Wickelung hervorgepresst und kann dann in Form
der beschriebenen Tröpfchen frei werden.
Nach dem in Fig. Xle gezeichneten Stadium vergrössern die
beiden Zellsubstanzportionen an den Enden des zusammengedrehten
Randreifens ihr Volumen durch Quellung und nehmen Kugelform
an. Dabei wird der Strang, welcher sie verbindet, immer kürzer,
sei es, indem er sich stärker dreht oder indem er zusammen-
schrumpft. Auf diese Weise werden die Zellsubstanzkugeln
einander immer mehr genähert (Fig. XIf). Schliesslich berühren
sie sich und fliessen zu einer einzigen zusammen. Diese gibt
einige Augenblicke später ihr Hämoglobin ab; gleichzeitig erfährt
der Kern eine starke Aufquellung, wobei er häufig aus der sich
entfärbenden Zellsubstanz austritt.
Neben der im vorstehenden geschilderten Verlaufsart
beobachtet man in häufig sogar zahlreicheren Fällen eine andere,
bei welcher anfangs an beiden Polen der Blutscheibe eine
anscheinende Zuspitzung und weiter eine
Schleifenbildung eintritt. Die beiden
Querhälften des Randreifens machen
jede den in Fig. X dargestellten Formen-
wandel durch, wobei sich die benachbarten
Quadranten nach entgegengesetzten
Seiten aus ihrer Ebene herausbiegen.
Der Randreifen dreht sich sehr schnell
zu einem Strang zusammen. Die Zell-
substanz wird in drei Portionen zerfällt
(Fig. XII), welche schliesslich wieder mit-
einander zusammenfliessen.
Im einzelnen braucht diese Ver- \
laufsart nicht geschildert zu werden.
Bringt man in die feuchte Kammer Fig. XII.
eine stärkere Ammoniakmischung, welche
1 Teil 25proz. Ammoniaklösung auf 6 bis 10 Teile Wasser
enthält, so bleibt die Zusammendrehung des Randreifens zu einem
Strang aus. Man sieht, dass die Blutscheibe sich in der Flächen-
ansicht ebenso wie bei Anwendung schwacher Ammoniaklösung an
dem einen Pol zuspitzt (Fig. XllIa). Eine Wulstung der Oberfläche
524 Friedrich Meves:
wie in Fig. XIIa tritt aber meistens nicht hervor; das Protoplasma
scheint den Bewegungen des Randreifens rascher zu folgen, was
darauf hinweist, dass es sehr schnell eine mehr flüssige Konsistenz
angenommen hat. Die Zuspitzung ist mit einer Längsstreckung
der Blutzelle, unter gleichzeitiger Verkürzung ihres Querdurch-
messers, verbunden.
Unmittelbar darauf rundet sich der zugespitzte Pol wieder
ab. Im selben Augenblick werden im Innern der Blutzelle der
Randreifen (Fig. XIIIb) und daneben eine Anzahl glänzender Körner
oder Vakuolen sichtbar. Letztere sind in Fig. XIIIb nicht mit-
gezeichnet. Der Randreifen besitzt die Form einer 8, deren beide
Schleifen ungefähr gleichgross sind. Die sich überkreuzenden
Schenkel berühren sich jedoch nicht, sondern sind durch den
Kern, welcher zwischen
ihnen eingeklemmt
: liegt, voneinander ge-
f \ trennt. Die Gestalt der
| Zelle ist die durch den
=. /| Randreifen bedingte.
| N NZ Wenn man sich nicht
| | | sehr beeilt, trifft man
PEA \
= }
h | : |
1, |
PAR
el |
RER |
|
H 4 BT LE g
Fig. XIlla. Fig. XIIIb. Fig. XIII c.
Fig. XIIa—c. Rote Blutkörperchen vom Salamander unter der Einwirkung
des Dampfes einer Ammoniakmischung, welche 1 Teil konzentrierte Ammoniak-
lösung auf 10 Teile Wasser enthält. Drei aufeinanderfolgende Stadien
(von drei verschiedenen Zellen).
bei der Einstellung des Präparates alle Blutzellen bereits auf dem
zuletzt beschriebenen Stadium (Fig. XIIIb) an.')
') In einer Anzahl von Zellen tritt anfangs eine Zuspitzung der
Blutscheibe an beiden Polen und Hand in Hand damit eine stärkere
Längsstreckung ein. Auf dem-der Fig. XIIIb entsprechenden Stadium über-
kreuzen sich die beiden Längshälften des Randreifens an zwei Stellen.
Der weitere Verlauf ist wie oben beschrieben.
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 529
Auch dieses Stadium bleibt nur kurze Zeit bestehen; dann
nimmt die Blutzelle Kugelform an. Dabei wird der Randreifen
wieder unsichtbar (Fig. XIIlce).
Die entstehenden Kugeln haben einen erheblich kleineren
Durchmesser als diejenigen, welche bei Wasserzusatz auftreten.
Nichtsdestoweniger mag es sein, dass das Kugeligwerden der
Blutkörperchen bei der Einwirkung stärkerer Ammoniaklösung
mit einer Quellung einhergeht. Dass diese aber die Ursache für
die Entstehung der Kugeln abgibt, ist mir unwahrscheinlich.
Ich möchte vielmehr glauben, dass die Zelle gezwungen wird,
Kugelform anzunehmen, weil der Randreifen auf dem Stadium
der Fig. XIIIb seine Festigkeit einbüsst und daher nicht mehr
imstande ist, der Oberflächenspannung Widerstand zu leisten.
Bald nachdem die Blutzelle kugelig geworden ist, erblasst
sie; gleichzeitig quillt der Kern so stark auf, dass seine Durch-
messer sich ungefähr auf das Doppelte verlängern.
Die Dämpfe von einigen Tropfen konzentrierter Ammoniak-
lösung oder solcher, die nur mit 1—3 Teilen Wasser verdünnt
ist, bewirken, dass die roten Blutkörperchen sofort kugelig
werden. Im Zelleib tritt ein reichlicher körniger Niederschlag auf.
Der Kern bläht sich auf, noch bevor der Zelleib sein
Hämoglobin abgegeben hat.
Frosch. Verwendet man Froschblut zur Untersuchung, so
findet man, dass auch der Dampf schwacher Ammoniaklösung
(1 Teil 25proz. Ammoniaklösung auf 20—40 Teile Wasser) hier
keine so ausgesprochenen Erscheinungen am Randreifen wie beim
Salamanderblut hervorruft.
In Flächenansichten hat man zunächst wieder den Ein-
druck, als wenn der eine Pol sich zuspitzt. Die Zuspitzung kommt
in derselben Weise wie bei den Blutkörperchen des Salamanders
durch Torsion des Randreifens zustande. Die Torsion geht aber
in den meisten Fällen nicht über das Stadium der Fig. XIV hinaus,
auf welchem die ganze Blutscheibe eine windschiefe Form an-
genommen hat.
In der Folge fällt zunächst auf, dass an der Peripherie des
Kernes glänzende Körner oder Vakuolen auftreten. Gleichzeitig
526 Friedrich Meves:
nehmen Längen- und Breitendurchmesser der Blutscheibe ab.
Der den Kern umgebende Zellsubstanzring wulstet sich auf, so
dass der Kern, welcher vorher eine zentrale Erhöhung der Blut-
scheibe bildete, vertieft zu liegen kommt. All-
mählich schliesst sich das Protoplasma von allen
Seiten her über den Kern zusammen; das Blut-
körperchen nimmt Kugelgestalt an.
A, Es ist möglich, dass das Kugeligwerden der
| A | Blutkörperchen auch in diesem Falle auf eine ein-
\ / tretende Erschlaffung des Randreifens zurückzu-
wa ww führen ist.
Fie. XIV. Schliesslich erblasst die gefärbte Kugel unter
8. : 3 a:
gleichzeitiger Aufquellung des Kernes.
In einem Teil der Fälle spitzen sich beide Pole zugleich
oder nacheinander zu, wobei sich die benachbarten Quadranten
des Randreifens nach entgegengesetzten Seiten
aus der Ebene herausbiegen. Dadurch entsteht
das Bild der Fig. XV; die Blutscheibe besitzt in
der Flächenansicht eine rhombische Form. Weiter
verläuft der Prozess wie oben geschildert.
Die Vorgänge, welche man bei höheren
Konzentrationen des Ammoniakdampfes beob-
achtet, stimmen mit den bei den Blutkörperchen
des Salamanders beschriebenen überein; jedoch
wird der Randreifen auf demjenigen Stadium, welches der Fig. XIIIb
entspricht, nicht erkennbar.
Fig. XV.
Die an den Froschblutkörperchen auftretenden Verände-
rungen, welche ich im vorstehenden beschrieben habe, sind
offenbar dieselben, welche Lankester im Sommer 1870 vor
sich gehabt hat. Seine „in die Länge gezogenen, dreieckigen
oder zugespitzten Formen“ entsprechen augenscheinlich meiner
Fig. XIV. Dass die kugelig gewordenen Blutkörperchen, bevor sie
ihr Hämoglobin verlieren, kleiner werden, wie Lankester
angibt, kann ich allerdings nicht bestätigen.
Die weiteren Beobachtungen, welche Lankester haupt-
sächlich im Frühjahr 1871 gemacht hat, weichen von seinen
eigenen früheren erheblich ab. Lankester möchte dies darauf
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 527
zurückführen, dass der Zustand der Blutkörperchon in den ver-
schiedenen Jahreszeiten ein verschiedener sei. Ich habe aber
gefunden, dass wenigstens ein Teil der weiteren von Lankester
beobachteten Erscheinungen regelmässig dann auftritt, wenn der
Blutstropfen in zu dünner Schicht ausgestrichen wird. Alle Blut-
körperchen nämlich, welche irgendwie am Deckglas anhaften
(dazu gehören auch diejenigen, welche bei grösserer Schichtdicke
an den Rändern liegen), lassen die typische Ammoniakwirkung
nicht zustande kommen, nehmen vielmehr lappige Formen an
oder besetzen sich mit Kügelchen, welche sich abschnüren. Solche
Bilder dagegen, wie man sie durch Borsäure erhält (welche mit
den Hünefeld-Hensenschen Bildern übereinstimmen), habe
ich bei Einwirkung von Ammoniak niemals auftreten sehen.
Schliesslich sei bemerkt, dass man dieselben Wirkungen,
welche man durch Ammoniakdampf erhält, auch dadurch erzielen
kann, dass man Blut und Ammoniaklösung zusammen eindeckt.
Zusatz von Kalilauge dagegen ruft solche Erscheinungen nicht
hervor.
Fast immer finde ich einzelne Formen von Blutkörperchen,
wie Fig. XIV und XV, wenn ich von Amphibienblut, welches in
hypertonischer Zuckerlösung suspendiert ist, ein mikroskopisches
Präparat herstelle und nach einer Anzahl von Stunden untersuche.
3. Über Formänderungen, welche durch Quellung
des Kerns hervorgerufen werden: sogenannte Hüne-
feld-Hensensche Bilder.
Von Hensen ist 1862 beschrieben worden, dass nach Be-
handlung mit Zuckerlösung der Inhalt der roten Blutkörperchen
des Frosches sich von einer Wandschicht zurückzieht:; er erscheint
entweder in Form eines rundlichen Klumpens oder zu einer stern-
artıgen Figur zusammengeballt, deren Zacken bis an den Rand
des Körperchens reichen.
Ähnliche Bilder hatte schon vorher (1840) Hünefeld durch
behandlung mit kohlensaurem Ammoniak und Salmiak erhalten.
Man bezeichnet sie daher gewöhnlich als Hünefeld-Hensensche
Bilder. Sie machen den Eindruck, als wenn eine Plasmolyse
vorliegt. Mit diesem Namen hat man folgende Erscheinung
.
528 Friedrich Meves:
belegt. Wenn man lebende pflanzliche Zellen in Zucker- oder
Salzlösungen bringt, welche eine gewisse Konzentration über-
schreiten, so zieht sich das Protoplasma von der Cellulosemembran
zurück und auf ein kleineres Volumen zusammen, indem es Wasser
an die umgebende Lösung abgibt. Mit solchen plasmolysierten
Pflanzenzellen sind die Hünefeld-Hensenschen Bilder der
roten Blutkörperchen besonders von Hamburger (1557 und
1902) in Parallele gestellt worden; von ihm, wie schon von
Hensen, werden sie als Beweis für das Vorhandensein einer
Membran an der Oberfläche der Blutkörperchen angeführt.
Bringt man pflanzliche Gewebe in Wasser, so dehnt
sich das Protoplasma aus; dadurch kann die Cellulosemembran
unter Umständen zum Platzen gebracht werden. In Analogie
mit diesem Verhalten der Pflanzenzellen sollte man erwarten,
dass auch der Inhalt der Blutkörperchen nach Wasserzusatz
immer gequollen wäre. Es hat jedoch schon Kneuttinger
(1565) gefunden, dass die Hünefeld-Hensenschen Bilder auch
bei beschränktem Wasserzusatz auftreten. Diese Tatsache ist
vielfach bestätigt worden. Kollmann (1373) und neuerdings
Hamburger (l. c.) haben versucht, sie zu erklären. Nach
Kollmann soll ein Fadengerüst des Blutkörperchens, nach
Hamburger der ganze Inhalt desselben bei beschränkter
Wasseraufnahme gerinnen und infolge davon zusammenschrumpfen.
Dass die angeführten Erklärungen für die Entstehung der
Hünefeld-Hensenschen Bilder richtig seien, ist verschiedent-
lich bezweifelt worden, ohne dass man jedoch eine bessere dafür
an die Stelle gesetzt hätte. Denn auch ein anderer Erklärungs-
versuch, welcher von Brücke herrührt und von Rollet in
wenig veränderter Form übernommen worden ist, lässt sich
unschwer als verfehlt erweisen.
Brücke (1867) hat die Hünefeld-Hensenschen Bilder
durch Einwirkung von 2proz. Borsäure erhalten. Er stellt sich
vor, dass das Blutkörperchen aus zwei Teilen besteht: 1. aus
einer porösen, farblosen Masse, welche nach aussen von glatter
Oberfläche begrenzt ist, und 2. aus einer Substanz, welche in
den Zwischenräumen der porösen Masse liegt, das Hämoglobin
enthält und mit dem Kern zusammen ein Ganzes bildet. Die
farblose, poröse Masse nennt Brücke Oikoid, das übrige zusammen
Zooid. Die Hünefeld-Hensenschen Bilder kommen nach ihm
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 529
dadurch zustande, dass das Zooid sich vollständig oder teilweise
vom Oikoid zurückzieht. Die Ursache dieser Zurückziehung, sagt
Brücke, werde vielleicht noch lange dunkel bleiben.
Rollet (1900) unterscheidet ebenfalls zwei geformte Sub-
stanzen, ein hyalines, schwammartiges Stroma und ein durch
Hämoglobin gefärbtes, in den Räumen des Stroma verteiltes
Endosoma. Er lässt die Hünefeld-Hensenschen Bilder dadurch
entstehen, dass das Endosoma ganz oder teilweise aus den Räumen
des Stroma verdrängt wird; bei Wasserzusatz soll dies dadurch
geschehen, dass das Stroma quillt.
Der Wahrheit am nächsten ist v. Ebner (1902, S. 742)
gekommen, nach welchem eine „eigenartige Formänderung“ vor-
liegt, „die wesentlich eine @Quellung des mittleren Teiles des
Blutkörperchens unter Heranziehung der peripheren Teile des
Hämoglobins ist, während der äussere Teil der Scheibe der
(uellung relativ Widerstand leistet“.
Ich selbst habe die Entstehung der Hünefeld-Hensen-
schen Bilder an den roten Blutkörperchen des Salamanders
genauer studiert.
Ich verfahre dabei in der Weise, dass ich einige Tropfen
Salamanderblut in ca. 15 ccm einer ca. 12proz. Rohrzuckerlösung
hineinlaufen lasse. Dann schüttele ich und warte, bis die roten
Blutkörperchen sich am Boden abgesetzt haben. Von dem
Bodensatz bringe ich etwas (mit Hilfe einer Pipette) unter das
Mikroskop.
Ich sehe dann nach einigem Warten, wie die Oberfläche
der roten Blutzellen sich mit zahlreichen kleinen Fältchen bedeckt.
Der Kern ist anfangs noch ziemlich unverändert. Später beginnt
er mehr und mehr anzuschwellen. Von einem bestimmten Augen-
blick an erscheint er nicht mehr weisslich, sondern in der Farbe
des Hämoglobins. Gleichzeitig beginnt die Blutscheibe, deren
runzlig gewordene Oberfläche sich inzwischen wieder geglättet
hat, blasser zu werden. Die Volumzunahme des Kernes geht,
häufig rapide, weiter. Die Blutscheibe erblasst vollständig; nur
rund um den Kern erhält sich vielfach noch eine Zeitlang eine
ganz schmale Zone hämoglobinhaltiger Substanz, von welcher
zuweilen radiär verlaufende Strahlen peripheriewärts abgehen. An
SO
os
(e>)
Friedrich Meves:
der Peripherie der Blutscheibe tritt der Randreifen deutlich
hervor; zwischen ihm und der gefärbten Inhaltskugel (d. i. dem
hämoglobingefärbten Kern, welcher noch von einer schmalen Zone
hämoglobinhaltiger Zellsubstanz umgeben ist) wird eine zarte,
glashelle Membran sichtbar. Der Randreifen liegt im Umschlags-
rand der Membran von der einen auf die andere Seite. In
Kantenansichten sieht- man, dass die beiden Membranblätter
zwischen dem Randreifen und der Inhaltskugel fast unmittelbar autf-
einander liegen. In dem Fall, dass von der den Kern um-
gebenden Zone hämoglobinhaltiger Substanz radiär verlaufende
Strahlen abgehen, sind diese in nach aussen geschlagenen Falten
der Membran gelegen.
Nach meiner Meinung ist hierbei folgendes vor sich gegangen.
Die 12proz. Zuckerlösung übt eine schädliche Wirkung aus. An
der Oberfläche des Blutkörperchens entsteht dann eine Nieder-
schlagsmembran, welche die übrige Zellsubstanz vor dem direkten
Einfluss der Zuckerlösung zu schützen sucht, welche aber nicht
zu verhindern vermag, dass das Blutkörperchen abstirbt.
Mit dem eintretenden Tod der Zelle gehen nun im Kern
chemische Metamorphosen vor sich, welche bewirken, dass er
stark quellbar wird; die Folge davon ist, dass er fast die
gesamten Substanzen des Zelleibs aufsaugt. In der gefärbten
InhaltskugelderHünefeld-HensenschenBilder haben
wir der Hauptsache nach den gequollenen, mit der
gefärbten Zellsubstanz imbibierten Kern des Blut-
körperchens vor uns.
Die Niederschlagsmembran an der Zelloberfläche würde der
Zellsubstanz, wie sie vom Kern aufgesogen wird, folgen und
über dem aufquellenden Kern zusammenfallen, wenn sie nicht
durch den Randreifen gespannt gehalten würde; das Vorhanden-
sein des Randreifens ist also für das Zustandekommen der
Hünefeld-Hensenschen Bilder sehr wesentlich.
Nachdem der Zustand der Hünefeld-Hensenschen Bilder
erreicht ist, kommt der (@Quellungsprozess durchaus nicht immer
zum Stillstand. In vielen Fällen vergrössert der Kern sich immer
weiter, hebt die beiden Membranblätter voneinander ab und
kommt schliesslich mit dem Randreifen in Berührung. Es ist
klar, dass dieser Teil des Quellungsprozesses auf Kosten der
umgebenden Zuckerlösung vor sich gehen muss.
(rt
(SE)
ii
Die roten Blutkörperchen der Amphibien.
Auf die gleiche Ursache, auf die Saugwirkung des quellenden
Kerns, ist die Entstehung der Hünefeld-Hensenschen Bilder
bei Wasserzusatz zurückzuführen: hier aber geht ihr in der
Regel ein merkwürdiger Wandel in der äusseren Form des Blut-
körperchens voraus.
Die Erscheinungen, welche man bei vorsichtigem Wasser-
zusatz beobachten kann, sind folgende:
Das rote Blutkörperchen schwillt auf: es wird zuerst
ellipsoidisch, sodann kugelig. Bei sehr langsamer Wasserwirkung
treten eckige Zwischenformen auf (Fig. XV b). Auch der
ellipsoidische Kern im Innern quillt und nimmt Kugelgestalt an.
Während die Plasmakugel sich fernerhin wenig vergrössert, nimmt
der Durchmesser der Kernkugel rapide zu (Fig. XVe). Dabei
beobachtet man, wie der Kern von einem bestimmten Augenblick
an plötzlich die Farbe des Hämoglobins annimmt. Da die Zell-
substanz ebenso gefärbt bleibt, ist der Kern von nun an nicht
mehr oder nur noch eben zu erkennen (Fig. XV d).
Nach einigen Augenblicken ereignet sich dann das sonderbare,
dass das kugelig gewordene Blutkörperchen sich plötzlich, mit
einem Ruck, wieder zu einer elliptischen Scheibe umgestaltet: diese
ist aber in der Mitte durch den aufgequollenen Kern sehr erheblich
und in grosser Ausdehnung verdickt (Fig. XVe). Darauf sieht
man, wie sich die gefärbte Zellsubstanz zuerst an den kurzen,
später auch an den langen Seiten der Scheibe aus den Rand-
partien auf die Mitte, wo der gequollene Kern liegt, zurückzieht.
In den Randpartien wird in immer breiterer Ausdehnung eine zarte,
glashelle Membran sichtbar, an deren Peripherie der Randreifen
gelegen ist (Fig. XV f—ı). In Seitenansichten erkennt man, dass
die beiden Blätter der Membran in demselben Maß, wie der Inhalt
zwischen ihnen herausweicht, einander immer näher und schliesslich
aufeinander zu liegen kommen (Fig. XV k). Die Zellsubstanz zieht
sich allerdings aus dem Rande der Scheibe nicht sofort von allen
Stellen gleichmässig zurück, sondern so, dass anfangs radiär
gerichtete Einschnitte auftreten. Zwischen diesen liegen hämoglobin-
gefärbte Streifen, welche dadurch bedingt werden, dass an diesen
Stellen die Membranblätter in Falten nach aussen geschlagen
sind, in denen die gefärbte Zellsubstanz sich zunächst noch
hält. Die Streifen formen sich weiter in ebensolche Zacken um,
deren Spitzen an der Peripherie am Randreifen liegen (Fig. XV f—i).
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. I. 35
Friedrich Meves:
Die roten Blutkörperchen der Amphibien. 398
: \
ee o
Fig. XV ii. Fig. XVk. Fig. XV.
Fig. XV a. Rotes Blutkörperchen von Salamandra in Flächenansicht; Fig. XV b
Konturen von 4 „eckigen Zwischenformen‘“, wie sie im Beginn einer sehr
langsamen Wasserwirkung auftreten; Fig. XV c—i verschiedene aufeinander-
folgende Stadien der Wasserwirkung, an einem und demselben Blutkörperchen
beobachtet; Fig. XVk Kantenansicht eines Blutkörperchens wie in Fig. XVi;
Fig. XV dasselbe Blutkörperchen wie in Fig. XV ii nach weiteren 20 Minuten.
Schliesslich aber wird die gefärbte Substanz auch aus den Membran-
falten herausgezogen; die Zacken verschwinden, die Membran-
falten sinken zusammen (Fig. XV ]).
Es erhebt sich nun die Frage, wie die beschriebenen Er-
scheinungen zu erklären sind.
Die Blutkörperchen nehmen, wenn das Plasma, in welchem
sie schwimmen, mit Wasser verdünnt wird, Wasser auf, und zwar
so lange, bis der anfangs höhere osmotische Druck in ihrem
Innern dem osmotischen Druck der umgebenden Flüssigkeit
gleich geworden ist. Dabei werden sie kugelförmig, weil die
Kugel derjenige Körper ist, welchem bei grösstem Volumen die
kleinste Oberfläche zukommt. Da der Durchmesser der Kugel
kleiner ist als der Längsdurchmesser der Scheibe, muss der
Randreifen beim Übergang der Zelle in die Kugelform deformiert
werden. Seine Elastizität widerstrebt aber dieser Deformation.
Er würde daher an den Polgegenden der Scheibe aus dem Proto-
plasma austreten, wenn er nicht durch die Oberflächenspannung
zurückgehalten würde, welche wirkt, als wenn sich an der Ober-
fläche eine Art elastischer Haut befände.
39*
534 Friedrich Meves:
Nachdem nun die Blutzelle kugelig geworden ist, beginnt,
wie ich annehme, an ihrer Oberfläche eine histologisch trennbare
Membran, eine Niederschlagsmembran sich auszubilden. Es ist
dieselbe Membran, welche auf einem folgenden Stadium in die
Erscheinung tritt. Die Annahme, dass sie schon jetzt (auf dem
Stadium der kugeligen Zelle) sich zu bilden beginnt, ist not-
wendig, um erklären zu können, warum die Zelle aus I, kugeligen
zur Scheibenform zurückkehrt.
Mit dem Auftreten dieser Membran ändert sich nämlich
die Oberflächenspannung.
Zum Beweis dafür kann ich mich auf die folgende Beobachtung
von Van der Mensbrugghe beziehen. Es ist bekannt, dass
eine Ölmasse, in ein Wasser-Alkoholgemisch von gleichem spezifischen
(rewicht hineingebracht, sich infolge der Oberflächenspannung zu
einer Kugel gestaltet. Van der Mensbruggshe (1887) be-
obachtete nun, wie eine solche Ölkugel, welche seit längerer
Zeit in dem Wasser-Alkoholgemisch schwebte, allmählich eine
unregelmässige Form annahm. Gleichzeitig bildete sich, wahr-
scheinlich infolge einer chemischen Einwirkung. an der Trennungs-
fläche beider Flüssigkeiten eine immer deutlicher werdende Haut
aus. Beide Erscheinungen gehören eng zusammen. Das Öl kann
die Kugelgestalt verlieren, weil die Oberflächenspannung infolge
der Bildung einer festen Haut gleich Null geworden ist.
Auch in unserem Fall muss das Auftreten einer Niederschlags-
membran an der Oberfläche der kugelig gewordenen Blutzelle
eine Erniedrigung bezw. Annullierung der OÖberflächenspannung
zur Folge haben. Die Oberflächenspannung ist es ja aber, welche
den Randreifen zusammengedrückt hält. Lässt sie nach, so kann
er die elliptische Gestalt, welche ihm in der Ruhelage zukommt,
wieder annehmen.
3ei dieser Rückkehr in die Ruhelage nimmt der Randreifen
die Niederschlagsmembran an der Zelloberfläche mit sich und
stülpt sie vor. Die Zellsubstanz, welche den gequollenen Kern
umgibt, wird durch den seitlichen Druck der Membran zwischen
die beiden Blätter derselben hineingetrieben
Die gleich darauf einsetzende zentripetale Bewegung der
Zellsubstanz ist, wie bei der Einwirkung der Zuckerlösung, auf
eine von dem quellenden Kern ausgeübte Saugung zurück-
zuführen; diese hat schon auf dem Stadium der kugeligen Zelle
ou
o
[db
Die roten Blutkörperchen der Amphibien.
eine starke Vergrösserung des Kerns zur Folge gehabt; sie geht
auch später noch weiter, wenn die Zelle aus der kugeligen zur
Scheibenform zurückgekehrt ist, und verursacht dann die Ent-
stehung eines Hünefeld-Hensenschen Bildes.
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIII-XX.
Die Abbildungen der Tafeln XVIII—XX sind mit Zeiss’ Apochromat 2 mm
(Apert. 1,30) und Comp. Oc. 8 bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet
worden. Sie betreffen rote Blutkörperchen von Salamandra maculosa, mit
Ausnahme von Fig. 36, 37, 44 und 45, welche rote Blutkörperchen von Rana
esculenta darstellen.
Tafel XVII.
Fig. 1—14, 16-19, 21—24 Rote Blutkörperchen des Salamanders nach Be-
handlung mit 3 proz. Lösung von Küchenkochsalz, Fig. 15 und 20
nach Behandlung mit 26 proz. Rohrzuckerlösung.
Fig. 1-8. Veränderungen, welche im Anschluss an die Durchlochung der
Blutscheibe (Fig. 1) auftraten. Auf dem Stadium der Fig. 3 kam noch
ein zweites Loch (oben rechts) zu dem ersten hinzu. Text S. 468469.
Fig. 9—24. Verschiedene Bilder mehr oder weniger vollständiger Isolationen
des Randreifens. Text S. 469—470. Fig. 23 und 24. Zerbrochene
Randreifen. Text S. 470.
Tafel XIX.
Fig. 25—28. Vier aufeinanderfolgende Stadien der Gentianaviolettwirkung
(an vier verschiedenen Blutkörperchen). Text S. 474—475. Fig. 27
und 28 fibrilläre Struktur des Randreifens,
Fig. 29 und 50 Blutkörperchen, die vorher in 3 proz. Kochsalzlösung suspen-
diert waren, nach Behandlung mit Gentianaviolett. Fibrilläre
Struktur des Randreifens.
Fig. 31. Blutkörperchen mit Schleifenbildung des Randreifens am oberen
und unteren Pol. Gentianaviolett. Text S. 475.
Fig. 32. Blutkörperchen, das vorher in 3 proz. Kochsalzlösung suspendiert
gewesen war, nach Behandlung mit Gentianavivlett zur Kugel
aufgequollen. Randreifen deformiert.
Fig. 33 und 34. Blutkörperchen aus Schnitten durch die Niere der Salamander-
larve. Flemmingsches oder Hermannsches Gemisch. Safranin-
Gentiana-Örange nach Flemming.
Fig. 35. Blutkörperchen aus der Lungenwand der Salamanderlarve Her-
mannsches Gemisch. Safranin-Gentiana-Orange nach Flemming.
Fig. 36 und 37. Rote Blutkörperchen von Rana esculenta, nach Behandlung
mit Gentianaviolett. Randreifen Text S. 476. In der Zelle der
Fig. 36, welche vorher in 3proz. Kochsalzlösung suspendiert ge-
wesen war, ist neben dem Randreifen ein Fadenwerk in der Zell-
substanz (Text S. 493) sichtbar.
540 Friedrich Meves: Die roten Blutkörperchen etc.
Tafel XX.
Fig. 38. Kantenansicht eines roten Blutkörperchens nach Behandlung mit
der schwächeren Salpetersäure - Kochsalzlösung (3—4 Tropfen
Salpetersäure von 1,4 spezifischem Gewicht auf 100 cem 0,9 proz.
Kochsalzlösung). Körniges Aussehen des Randreifens.
Fig. 39-43. Rote Blutkörperchen nach Behandlung mit der stärkeren
Salpetersäure-Kochsalzlösung (30 Tropfen Salpetersäure von 1.4
spezifischem Gewicht auf 100 ccm 0,9proz. Kochsalzlösung).
Fibrilläre Struktur und Quermembranen des Randreifens. Der
Randreifen erscheint in Fig. 41—43 verkürzt. In allen Figuren
ausser in Fig. 42 sind im Innern des Zelleibs Fäden (Plastoconten)
wahrzunehmen. Mit Bezug auf die den Randreifen in Fig. 42 um-
gebende Zone siehe Text und Anm. S. 480. In Fig. 43 ist der
Randreifen an den beiden Längsseiten der Blutscheibe durch
Quellung sehr stark, an den Polen dagegen nur wenig verbreitert.
Fig. 44—47. Nach Behandlung mit einem Gemenge von 4 proz. Jodsäure
und Neuviktoriagrün. Fig. 44 und 45 Blutkörperchen von Rana
esculenta, Fig. 46 und 47 von Salamandra. Fig. 44 und 46 Flächen-,
Fig. 45 und 47 Kantenansichten. In sämtlichen Figuren ist das
Körnerband des Randreifens sichtbar, in Fig. 44 und 46 sind
ausserdem die Fäden im Innern, in Fig. 46 die Quermembranen
dargestellt. Bei Fig. 46 ist noch zu beachten, dass im „Kernsaft“
die gleichen intensiv gefärbten Körnchen wie jn Fig. 25 vor-
handen sind.
ige. 48 und 49. Blutkörperchen des Salamanders. Behandlung siehe Text
S. 489. Oberflächennetz. In Fig. 49 sind ausserdem noch die Quer-
membranen des Randreifens und Fäden im Innern zu erkennen.
=
Aus dem Institut für vergleichende Anatomie der K. Universität Jurjew, Dorpat,
(Direktor Prof. Dr. P.A. Poljakoff.)
Über die Entstehung der Panethschen Zellen.
Von
Harry Kull,
Hierzu Tafel XXI und 5 Textfiguren.
Nur wenige Arbeiten über die Panethschen Zellen
beschäftigen sich mit den verwandtschaftlichen Beziehungen der-
selben zu den übrigen Zellen der Darmschleimhaut. Nachdem
Bizzozeros Theorie über die Entstehung der Becherzellen aus
den Panethschen Zellen von den späteren Forschern widerlegt
war, kam man allgemein zur Ansicht, dass die Panethschen
Zellen eine Zellenart sui generis seien, welche in keiner Beziehung
zu den Becherzellen stehe. Eine kurze Literaturübersicht mag,
bevor ich zur Darstellung der Ergebnisse meiner eigenen Unter-
suchungen schreite, gestattet sein:
G. Bizzozero (1) kam im Jahre 1892 nach Untersuchungen an
Mäusen zu der Ansicht, dass die Panethschen Zellen nur die jugendliche
Form der 'Becherzellen seien, da er Übergangsformen zwischen den
Panethschen Zellen und den Becherzellen gefunden zu haben meinte.
Bizzozero hält seine Ergebnisse für eine wesentliche Stütze seiner
Theorie, nach welcher die Lieberkühnschen Drüsen keine eigentlichen
Drüsen waren, sondern nur Regenerationsherde für das Oberflächenepithel
darstellten.
Diese Theorie stiess jedoch auf den energischen Widerspruch Oppels (5),
welcher die körnchenhaltigen Zellen im Grunde der Lieberkühnschen
Drüsen zum grossen Teil nicht für Jugendformen der höher oben in den Drüsen
gelegenen Zellformen, sondern für eigenartige Drüsenzellen ansieht, deren
Aufgabe es sei, den Darmsaft zu bilden.
Ebenso sprach sich Möller (3) gegen Bizzozero aus. Er meint,
„dass die Lieberkühnschen Krypten des Dünndarms Drüsen mit einer
doppelten Funktion seien, indem sie teils Schleim, teils und hauptsächlich
ein spezifisches Sekret produzieren“.
Gegen Bizzozero spricht ferner der Umstand. dass im Dickdarm
und in anderen Organen, wo ja auch sehr viele Schleimzellen vorkommen
und verbraucht werden, die für den Ersatz der letzteren bestimmt sein
sollenden Panethschen Zellen vollständig fehlen.
542 Harry Kal:
Endgültig wurde Bizzozeros Lehre von Schmidt (7) widerlegt,
welcher darauf h'nweist, dass bei jungen menschlichen Föten zwar voll-
kommen ausgebildete Becherzellen, aber keine Körnerzellen vorkommen.
Auch hat er, wie die anderen Beobachter, nie Übergänge von Panethschen
Zellen zu Becherzellen gesehen.
Ebenso betont endlich Trautmann (10) in einer vor kurzem er-
schienenen Arbeit, dass Übergangsformen zwischen den Schleimzellen und
den Körnchenzellen nirgends nachweisbar sind.
Eigene Untersuchungen.
Zur Fixierung der Panethschen Körnerzellen bediente ich
mich der von Kopsch angegebenen Flüssigkeit (Kal. bichromic.
3,5°/o-—100 ccm + 20 ccm Formol 40°/o), welche zu diesem
Zweck schon von Möller (3), Stöhr (8) und Schmidt (7)
angewandt worden ist. Flemmingsche und Hermann sche
Lösung, welche von Bizzozero (1) und Nicolas (4) empfohlen
werden, gaben mir schlechte Resultate, wie dieses auch schon
Paneth (6) und Möller (3) angegeben haben. Dieses führe
ich auf den Gehalt an Essigsäure zurück, welche ja die Körnchen
der Panethschen Zellen auflöst.
Beim Färben der dünnen Paraffinschnitte (2—3 u) verfolgte
ich zwei Ziele: erstens muss sich die Färbung der Körnchenzellen
möglichst scharf von den übrigen Teilen des Präparates abheben
und zweitens muss der Schleim mit einer Kontrastfarbe tingiert sein.
Beides erreichte ich durch Färbung der Schnitte mit
Hämatoxylin, Viktoriablau und Eosin. Die mit Alaunhämatoxylın
gefärbten Schnitte kommen auf einige (20—30) Sekunden in
Jodtinktur, werden in 70° Alkohol abgespült und einige Minuten
in einer schwach alkoholischen Viktoriablaulösung gefärbt. Darauf
wird mit Brunnenwasser ausgewaschen, mit Eosin nachgefärbt,
in Alkohol differenziert und in Xylol aufgehellt. Der Zweck
dieser Färbung beruht auf der eigentümlichan Eigenschaft des
Eosins, nach Viktoriablau besonders intensiv die Körnchen der
Panethschen Zellen und auch der .eosinophilen Leucocyten zu
tingieren, während die übrigen Teile des Präparates und auch
die roten Blutkörperchen ganz blass gefärbt werden. Ausserdem
färbt das Viktoriablau die Becherzellen so, dass sich der himmel-
blaue Schleim scharf von den tief rot gefärbten Körnchen der
Panethschen Zellen abhebt. Das Resultat dieser Methode sieht
man in der Abbildung B und in den Mikrophotographien 2, 3, 4 und 5.
Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 543
Da diese Methode bei der Maus bisweilen mangelhafte Resultate
gibt, gebrauchte ich noch eine Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und
Aurantia. Hier werden die Kerne mit Alaunhämatoxylin gefärbt und erst
dann wird der Schleim mit Delafieldschem Hämatoxylin tingiert. Darauf
kommen die Schnitte in eine Kristallviolettlösung, welche als Beize fürs
folgende Crocein dient und im Präparat später nicht sichtbar ist. Das
Kristallviolett wird mit Brunnenwasser abgewaschen, und erst dann kommen
die Schnitte in eine gesättigte wässerige Croceinlösung. Zum Schluss werden
die Präparate in Alkohol differenziert und mit Aurantia nachgefärbt, welche
dem ganzen Präparat einen blassgelben Ton gibt und das letzte überflüssige
Urocein verdrängt, so dass nur die Körnchen der Panethschen Zellen eine
tief himbeerrote Farbe behalten. während die Kerne und der Schleim blau
sind. Die Wirkung dieser Färbung sieht man in den Abbildungen A, © und D
und in der Mikrophotographie 1.
Mit Hilfe dieser Methoden gelang es mir, die von Bizzozero
entdeckten und beschriebenen, aber von keinem
Forscher mehr gesehenen Übergangsformen zwischen
Panethschen Zellen und Becherzellen wiederzufinden.
Anfangs konnte ich diese
Übergangsformen auch nicht
finden, da ich den Ver-
dauungszustand des Darmes a EL pe sen €
der untersuchten Mäuse nicht % Pr
berücksichtigte. Kein For- % u
scher beschreibt den Ver- EEE un,
dauungszustand:; alle sagen kw ni ben
nur, dass sie keine Übergangs- 2° De
formen gesehen haben; selbst ‘
Bizzozero spricht darüber i
kein Wort. E
Als ich aber den Darm
von Mäusen, welche 24 bis
48 Stunden gehungert hatten,
untersuchte, fand ich in
grösserer Zahl Übergangs-
zellen (Abb. A, 3—9, Mikro- Fig 1.
phot. 1), während solche Zellen
im Darm von Mäusen, die nur 4—10 Stunden gehungert hatten,
so spärlich vorkommen, dass man sie geradezu übersehen muss.
Darin ist, meiner Meinung nach, die Ursache zu suchen, warum
kein Forscher nach Bizzozero diese Zellen gesehen hat.
° BZ Ze RE
544 Harry Kalle
Solche Übergangszellen fand ich nicht nur bei der Maus,
sondern auch bei einem sieben Monate alten menschlichen Fötus
(Abb. B, 4—9, Mikrophot. 2). Hier kommen sie im lleum in
verhältnismässig grosser Zahl vor und unterscheiden sich kaum
von den Zellen der Maus.
Die Übergangszellen, welche ich gefunden habe, passen
genau zur Beschreibung, welche Bizzozero von ihnen gegeben
hat. Auch stimmen seine Abbildungen vollkommen mit meinen
Präparaten überein. Der Umstand, dass ich mich bei der Her-
stellung meiner Präparate anderer Fixierungs- und Färbungs-
methoden bediente, kann nicht ins Gewicht fallen, da bei mir
nicht die Farbenreaktionen, sondern lediglich die morphologischen
Besonderheiten der Zellen massgebend sind. Deshalb besteht
kein Zweifel, dass die Übergangszellen, welche ich gefunden
habe. vollkommen identisch mit denen sind, die Bizzozero
beschrieben hat. Sie kommen bei hungernden Tieren so häufig
vor, dass man leicht die verschiedensten Übergangsstadien
zwischen Panethschen Zellen und gewöhnlichen Becherzellen
findet (Abb. A und B).
Zunächst sieht man in Schnitten, die mit Hämatoxylin,
Crocein und Aurantia gefärbt sind, in den Seitenteilen der
Lieberkühnschen Drüsen Zellen, welche sich kaum von den
Panethschen Zellen unterscheiden. Nur mit Hilfe starker
Vergrösserungen sieht man stellenweise zwischen den rot gefärbten
Körnchen eine blasse Masse, welche genau so gefärbt ist, wie der
Schleim der Becherzellen (Abb. A, 3 und Mikrophot. 4 beim
Menschen). Weiter sieht man Zellen, bei welchen diese blaue
Masse schon reichlicher vorhanden ist und gut sichtbar wird,
weil die roten Körnchen etwas spärlicher und kleiner sind
(Abb. A, 4, 5, Mikrophot. 3 beim Menschen). Gleichzeitig nimmt
die ganz Zellee die äussere Form einer Becherzelle an. Bei den
folgenden Stadien ist die Ähnlichkeit mit den Becherzellen noch
grösser, da die roten Körnchen schon recht klein geworden sind
und die blaue schleimähnliche Masse die ganze Zelle ausfüllt.
Man bekommt daher den Eindruck, als ob im Schleim einiger
Becherzellen kleine, intensiv rote Körnchen in recht grosser
Zahl zerstreut sind (Abb. A, 6 und 7, Mikrophot. 1), Schliesslich
findet man Zellen, die sich von den gewöhnlichen Becherzellen
nur dadurch unterscheiden, dass sie in ihrem Schleim einige
Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 945
ganz kleine rote Körnchen enthalten; diese Körnchen sind so
klein, dass sie nur mit den stärksten Vergrösserungen gesehen
werden können (Abb. A, S, 9, Mikrophot. 2 beim Menschen).
Wir haben hier also eine ganze Reihe von Zellen, welche
einerseits mit Panethschen und andererseits mit Becherzellen
viel Ähnlichkeit haben. Diese Ähnlichkeit beruht auf der gleich-
zeitigen Anwesenheit zweier
charakteristischer Merkmale
in diesen Zellen, welche ge-
trennt sonst nur diesen oder
jenen Zellen eigen sind. In
einigen Zellen dominieren die
Körnchen als das charakte-
ristische Merkmalder Paneth
schen Zellen, in anderen Zellen
aber der Schleim als Merkmal
der Becherzellen. Schliesslich
gibt es Zellen, welche man
weder zu den Panethschen,
noch zu den Becherzellen
zählen kann, da sie dieMerk-
male beider Zellen in nahezu
gleicher Weise vereinigen.
Dem Einwand, dass die
Übergangszellen möglicher-
weise nur ein Funktionsstadium der gewöhnlichen Becherzellen
seien, widerspricht am besten die Tatsache, dass die Zahl der
Übergangszellen im Darm von Mäusen, welche vor 4—-6 Stunden
gefüttert waren, am geringsten ist, während gerade zu dieser
Zeit die meisten und verschiedensten Funktionsstadien der Becher-
zellen zu finden sind. Ausserdem finden sich in der ganzen
Becherzellenliteratur keine Angaben über das gleichzeitige Vor-
kommen verschiedenartiger Granulationen in den Becherzellen.
Hier gibt es ohne jeden Zweifel eine kontinuierliche Reihe
von Übergangsformen zwischen beiden Zellarten. Alle Einwände
gegen die Verwandtschaft der Zwischenformen mit den End-
formen werden durch die grosse Ähnlichkeit der benachbarten
Übergangsformen beseitigt. Vergleicht man ein Endglied der
teihe (Abb. A und B) mit der nächsten Übergangsform, so werden
Fig. 2.
546 FEar. rev une
infolge der grossen Ähnlichkeit beider Zellen überhaupt keine
/weifel hinsichtlich ihrer gemeinsamen Abstammung entstehen.
Ebenso kann man die erste Übergangsform mit der zweiten ver-
gleichen und wieder nur eine grosse Ähnlichkeit sehen. Wenn
man nun so die einzelnen nebeneinanderstehenden Glieder der
teihe miteinander vergleicht, gelangt man ganz allmählich zum
anderen Endglied der Reihe, welches mit dem ersten Endglied
überhaupt keine Ähnlichkeit hat.
Diese kontinuierliche Reihe von Übergangsformen zwischen
Panethschen Zellen und Becherzellen beweist uns ihre innige
Verwandtschaft und nötigt uns zur Annahme, dass die einen
Zellen aus den anderen Zellen entstanden sind. Es bleibt nur
noch die Frage, welche von den beiden Zellarten die primäre
sei und durch ihre allmähliche Verwandlung die Zellen der
anderen Art bilde?
Auf Grund seiner Regenerationstheorie schloss Bizzozero
a priori, dass die im Fundus der Lieberkühnschen Drüsen
liegendenPanethschen Zellen
sich in ihrer weiteren Ent-
wicklung allmählich ver-
ändern, auf die Zotten hinauf-
rücken und schliesslich zu
gewöhnlichen DBecherzellen
werden.
Diese Theorie wurde, wie ge-
sagt, endgültig von Schmidt
(7) widerlegt, welcher darauf
hinwies, dass die Becherzellen
bei menschlichen Föten sich
vor den Panethschen Zellen
bilden.
Um dieser Frage näher-
zutreten, verfolgte ich die
embryologische Entwicklung
der Panethschen Zellen bei
weissen Mäusen. Dabei ging
ich von dem Standpunkt aus, dass die Zellart, welche durch die
Verwandlung einiger ihrer Zellen die Zellen der anderen Art
bildet, embryologisch früher entstehen müsse, darauf Übergangs-
.)
Hua:
Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 547
formen bilde und erst zum Schluss der Verwandlung Zellen der
anderen Art gäbe.
Untersucht man nun die Darmschleimhaut neugeborener
weisser Mäuse, so findet man zwischen den Epithelzellen nur
gewöhnliche, vollkommen entwickelte Becherzellen,
während PanethscheZellen ganz fehlen. So haben wir bei
der Maus dieselbe Erscheinung, auf welche Schmidt beim Menschen
hingewiesen hat: auch hier entstehen zuerst die Becherzellen.
Untersucht man aber den Darm einer 6 Tage alten Maus,
so findet man zwischen den gewöhnlichen Becherzellen schon
einige Becherzellen mit äusserst kleinen, rot ge-
färbten Körnchen inihrem Schleim, während Paneth-
sche Zellen noch ganz fehlen. Wir haben also hier solche
Übergangszellen, welche nach ihren morphologischen Besonder-
heiten den gewöhnlichen Becherzellen am nächsten stehen.
Während die Zahl der Übergangszellen im Darm einer
6 Tage alten Maus noch recht spärlich ist, findet man sie bedeutend
häufiger im Darm einer 7 Tage alten Maus. Hier gibt es Stadien
mit zahlreichen grossen Körnchen und auch schon
vereinzelte Panethsche Zellen.
Diese Daten weisen unzweifelhaft darauf hin, dass die Becher-
zellen das Anfangsglied der Übergangsreihe bilden. Zuerst gibt
es ausser gewöhnlichen Epithelzellen nur Becherzellen; darauf
bilden sich im Schleim einiger Becherzellen einige winzig kleine
Körnchen, die sich lebhaft mit Crocein oder Eosin färben: dieses
sind die jüngsten Übergangsstadien. Allmählich werden diese
Körnchen zahlreicher und grösser, so dass der Schleim nur noch
stellenweise zwischen ihnen sichtbar ist. Schliesslich bleibt vom
Schleim keine Spur mehr, so dass wir es nun mit fertigen
Panethschen Zellen zu tun haben. Daraus folgt, dass die
Panethschen Zellen nicht direkt entstehen, sondern
dass sie durch die allmähliche Umwandlung von
Becherzellen gebildet werden.
Da die Zahl der Panethschen Zellen bedeutend kleiner
ist als die Zahl der Becherzellen, so ist es augenscheinlich, dass
durchaus nicht alle Becherzellen zu Panethschen Zellen werden
müssen. Es ist jedoch nicht möglich, festzustellen, welche Becher-
zellen hierzu disponiert sind, ebenso wie es noch nicht bewiesen
ist, aus welchen Epithelzellen sich die Becherzellen bilden.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.77. Abt. I. 37
548 EBarrsy. Kun
Weil nun die meisten Übergangszellen an den Seitenwänden
der Lieberkühnschen Drüsen liegen, während die Panethschen
Zellen den Fundus der Drüsen einnehmen, so entsteht die Frage,
auf welche Weise die Panethschen Zellen sich im Fundus der
Drüsen ansammeln.
Nach der Theorie Bizzozeros vollzieht sich die Neubildung
der Zellen der Darmschleimhaut hauptsächlich im unteren Teil der
Lieberkühnschen Drüsen, weil hier die Mitosen am häufigsten
sind: „selten findet man sie in der oberflächlichen Hälfte, und
noch seltener in der Nähe der Mündung (1, S. 357)“. Von hier
aus rücken die jungen Zellen an die Oberfläche zum Ersatz der
hier verbrauchten Zellen.
Doch stimmt diese Theorie nicht ganz mit den Angaben
der übrigen Forscher. Schon Paneth (6, S. 175) findet, dass
die Mitosen nur ausnahmsweise im Fundus selbst liegen, sondern
meist an der seitlichen Wand
“ 2, ; derDrüsen, nahe dem Fundus.
Bedeutend genauer behandelt
or .; diese Frage Oppel (5,8.213),
: 3 en indem er findet, dass „durch-
eh aus nicht alle Beobachtungen
über die Verbreitung der
Mitosen für Bizzozeros
; Theorie in ihrer extremsten
Is * Fassung sprechen. Wären die
% Lieberkühnschen Drüsen nur
& Regenerationsherde des Ober-
tlächenepithels, so müssten
wir die grösste Anhäufung
* der Mitosen vor allem im
N Grunde der Lieberkühn-
s Eu schen Drüsen finden. „Nach
dem, was mich (Oppel) die
Beobachtungen anderer (z.B.
Paneth, Schaffer) lehrten und was ich selbst sehen konnte, ist
dies im allgemeinen durchaus nicht der Fall. Gerade der Grund der
Lieberkühnschen Drüsen ermangelt häufig der Mitosen ganz.“
Auf Grund dieser und auch anderer Erwägungen hält Oppel
es für richtiger, die Theorie Bizzozeros folgendermassen ein-
ir
E
Fig. 4.
Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 549
zuschränken (5, S. 213): „Im Bereich des Darmepithels kann unter
Umständen von Stellen regerer Mitose aus Zellmaterial für andere
Stellen, an denen Mitosen seltener sind, geliefert werden.“
Auch nach meinen Beobachtungen geht die Neubildung
junger Zellen in den mittleren Teilen der Lieberkühnschen
Drüsen vor sich. Von hier aus könnten die jungen Zellen im
Sinne der Einschränkung Oppels allmählich in die Teile der
Schleimhaut rücken, wo Zellen verbraucht und am Orte selbst
nicht ersetzt werden. Solche Stellen sind im Darm nicht nur
die Oberfläche der Zotten, sondern auch der Fundus der Lieber-
kühnschen Drüsen, weil auch hier beständig Zellen verbraucht
werden, während Mitosen hier höchst selten sind. Deshalb
halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die jungen
Zellen, welche in den mittleren Teilen der Lieber-
kühnschen Drüsen gebildet werden, auf beide Seiten,
nach oben und auch nach unten rücken, um hier und
dort die verbrauchten Zellen zu ersetzen.
Diese Hypothese erklärt uns die Tatsache, dass die Über-
gangszellen hauptsächlich in den mittleren Teilen der Lieber-
kühnschen Drüsen liegen. Ausserdem kommen die Übergangs-
zellen auch in den tieferen Teilen der Drüsen und auch sogar
auf den Zotten vor.
Die Körnchen der Übergangszellen, welche in den mittleren
Teilen der Lieberkühnschen Drüsen liegen, sind fast immer
sehr klein, da wir es hier mit den jüngsten Stadien zu tun haben.
Tiefer in der Drüse gibt es schon Übergangszellen mit grösseren
Körnchen und im Fundus liegen die Panethschen Zellen. So
rückt die junge Übergangszelle allmählich tiefer, durchläuft die
verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung und wird schliesslich zu
einer Panethschen Zelle.
Solch eine Entwicklung der Panethschen Zellen vermutete
schon Paneth selbst (6, S. 153), indem er sagt: „Die Lage der
karyokinetischen Figuren in der Krypte würde hierzu stimmen.
Wir finden, schematisch gesprochen: an der tiefsten Stelle des
Fundus Körnchenzellen, ganz erfüllt mit grossen Körnchen, den
Höhepunkt des Prozesses darstellend. Dann Zellen mit wenigen
kleineren Körnchen, die jüngeren Stadien. Dann die mitotischen
Kerne. Das stimmt zu der Vorstellung, dass die Zellen im Fundus
zugrunde gehen, und von dem Ort aus, wo die Mitosen liegen,
37*
50 Haxıy'Kull:
üb; |
der Ersatz stattfindet, jüngere Zellen gebildet werden, die sich
allmählich mit den Tröpfehen füllen.“
Diese Ansicht stellt Paneth jedoch nur als eine der
weiteren Prüfung bedürftige Hypothese auf und führt gleich einige
Einwände gegen ihre Richtigkeit an.
Die Einwände Paneths basieren auf seiner Meinung, dass
die Becherzellen bei der Sekretion nicht zugrunde gehen, und
daher nie ersetzt zu werden brauchen. Wenn man jedoch bedenkt,
dass jede Becherzelle und auch jede Panethsche Zelle nach
einigen sekretorischen Kreisläufen abstirbt und durch eine junge
Zelle ersetzt wird, so verlieren Paneths Einwände ihre
Bedeutung.
Wenn wir ausserdem annehmen, dass die neugebildeten
Zellen von den mittleren Teilen der Lieberkühnschen Drüsen
nach oben und nach unten zum Ersatz der dort verbrauchten
Zellen rücken, so wird Paneths Hypothese sehr wahrscheinlich,
um so mehr, da eine ganze Reihe von Übergangszellen zwischen
den höher liegenden Becherzellen zu den tiefliegenden Paneth-
schen Zellen gefunden ist.
Ausser Paneth beschreibt auch Nicolas (4) Panethsche
Zellen mit kleinen Körnchen, welche seitwärts in den Lieber-
kühnschen Drüsen vorkommen. Nicolas hält diese Zellen für
junge Körnchenzellen. Dieser Meinung schliesst sich Struiken
an (9).
In neuerer Zeit spricht Schmidt (7, S. 17) die Meinung
aus, dass der Ersatz von Zellen wie nach oben, so auch nach
unten eintreten kann, wenn er überhaupt nötig ist. Diese
Meinung stützt sich auf die Tatsache, dass die Kernteilungsfiguren
regelmässig über der Zone, welche die Panethschen Zellen
enthält, liegen.
So ist denn meine Hypothese, dass die neugebildeten Zellen
von den mittleren Teilen der Lieberkühnschen Drüsen nach
oben und auch nach unten rücken, weder neu noch unerwartet.
Bekräftigt wird diese Behauptung durchs Verhalten der Über-
gangszellen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Jüngeren
Übergangsformen gewöhnlich in den mittleren Teilen der Drüsen
liegen. Tiefer liegen die älteren Stadien und ganz im Fundus
befinden sich die Panethschen Zellen. Nun liegen aber zwischen
den Panethschen Zellen und den nächstliegenden Übergangs-
Über die Entstehung der Panethschen Zellen. DL
zellen gewöhnlich einige Epithel- oder Schleimzellen. Deshalb
entsteht die Frage nach dem Schicksal dieser Zellen, denn im
Fundus selbst liegen nur Panethsche Zellen. Was wird nun
aus diesen Zellen, wenn einige absterbende Panethsche Zellen
durch die höher liegenden Übergangszellen ersetzt werden sollen?
Fine Antwort auf diese Frage gibt die sorgfältige Unter-
suchung dieser tiefliegenden Zellen. In den tiefsten Stellen der
Drüsen sieht man recht häufig Epithelzellen, welche an ihrem
freien Ende ein kleines Schleimtröpfehen haben (Abb. C, 1).
Augenscheinlich beginnt hier die Bildung einer Becherzelle aus
einer Zylinderzelle. Weiter sieht man aber in solchen Zellen im
Schleimtröpfehen kleine Körnchen, welche genau so sich färben,
wie die Körnchen der Panethschen Zellen (Abb. C, 2, 3). Schliesslich
sieht man noch Zellen mit grösseren Körnchen an ihrem Ende,
während vom Schleim keine Spur mehr zu finden ist (Abb. C, 4).
Diese Zellen sind augenscheinlich eine besondere Art von
Übergangszellen, welche sich von den gewöhnlichen Übergangs-
zellen dadurch unterscheiden, als hätten sie Eile, sich schneller
zu Panethschen Zellen zu verwandeln. So ist die Schleimbildung
in der Zylinderzelle noch nicht beendet, als sich schon im Schleim
die Körnchen der Panethschen Zellen zu bilden anfangen. Der
Einwand, dass es sich hier um Randschnitte von gewöhnlichen
Übergangszellen handeln möge, ist hinfällig, da ich stets Schnitt-
serien anfertigte und in solchen Fällen besonders aufmerksam
die Nachbarschnitte untersuchte. Solche Übergangszellen kommen
nur in den tiefen Teilen der Drüsen vor und deshalb halte ich
es für wahrscheinlich, dass die Zellen, welche als gewöhnliche
Epithelzellen bis zu den tiefen Teilen der Drüse gelangt sind,
sich dieser beschleunigten Umwandlung unterwerfen müssen.
Zugunsten meiner Hypothese über die Wanderung der in
den Seitenteilen der Lieberkühnschen Drüsen neugebildeten
Zellen nach oben auf die Zotten und auch nach unten zum Fundus
der Drüse spricht noch die Tatsache, dass einige Übergangszellen
auch auf die Zotten gelangen.
Es wären dies jene Übergangszellen, welche in den höheren
Teilen der Drüsen gebildet werden und daher nicht mehr in die
Tiefe der Drüse rücken können.
Im Darme der Maus befindet sich die grösste Zahl dieser
Zellen an der Basis der Zotten; seltener kommen sie in den
552 Hearey'Kull:
mittleren Teilen vor, während sie an der Spitze der Zotten
überhaupt nicht zu finden sind. Dieses kommt aller Wahr-
scheinlichkeit nach daher, dass die Übergangszellen auf den Zotten
nicht die geeigneten Lebensbedingungen vorfinden und deshalb
- bald absterben. Aus demselben Grunde stockt die Entwicklung
dieser Zellen stets in den ersten Anfangsstadien, welche sich
durch die Anwesenheit einer grossen Zahl winzig kleiner, intensiv
rot gefärbter Körnchen in ihrem Schleim kennzeichnen (Abb. D).
Bedeutend zahlreicher kamen die Übergangszellen auf den
Zotten des Dünndarmes einer 7 Monate alten menschlichen
Frühgeburt vor. Hier fanden sich nicht nur die verschiedensten
jungen und alten Übergangsstadien (Abb. B, 4—9, Mikrophot. 2,
3, 4). sondern auch ganz typische Panethsche Zellen (Abb. B, 5,
Mikrophot. 5), welche an allen Teilen der Zotten vorkommen.
Diese Zellen unterscheiden sich überhaupt nicht von den homologen
Zellen in den Lieberkühnschen Drüsen. Natürlich haben die
Panethschen Zellen auf den Zotten nicht die pyramidenähnliche
Form der Zellen, welche im Fundus der Drüsen liegen, sondern
Über die Entstehung der Panethschen Zellen. 394
die mehr becherzellenähnliche Form der Panethschen Zellen,
welche an den Seitenteilen der Lieberkühnschen Drüsen vor-
kommen (Abb. B, 2).
Das Vorkommen der Panethschen Zellen auf den Zotten
des Darmes dieses menschlichen Fötus ist nicht einzig dastehend,
da Klein (2) schon Panethsche Zellen auf den Darmzotten
beim Opossum beschrieben hat. Bei diesem Tiere kommen die
Panethschen Zellen auch in den Lieberkühnschen Drüsen
vor. „Wenn man jedoch (nach dem Referat Oppels) die Kleinheit
der Zellen in den Drüsen, ihre Grösse auf den Zotten und den
allgemein rudimentären Charakter der Drüsen bei diesem Tier
in Betracht zieht, so scheint es wahrscheinlich, dass die Zellen in
den Drüsen gebildet werden, aber ihre physiologische Reife erst
erreichen, nachdem sie im Sinne Bizzozeros zur Oberfläche
gewandert sind. Bei den Placentaliern scheinen die Panethschen
Zellen auf den Grund der Lieberkühnschen Drüsen beschränkt
zu sein... Ob das Verhalten der Panethschen Zellen beim
Opossum das ursprüngliche Verhalten für die Säugetiere darstellt,
lässt sich nicht sagen, wiewohl Klein manches dafür zu sprechen
scheint.“
Diese Ergebnisse Kleins bekräftigen meine Hypothese über
die Wanderung der neugebildeten Zellen nach beiden Seiten, da
ich nach der Analogie mit meinen Präparaten annehmen kann,
dass die Panethschen Zellen beim Opossum in den Seitenteilen
der Lieberkühnschen Drüsen ihre Entwicklung beginnen und
von hier aus in die Tiefe der Drüsen und auch auf die Zotten
rücken.
Andererseits ergänzen meine Beobachtungen die Arbeiten
Kleins, da sie zeigen, dass die Panethschen Zellen nicht nur
auf den Zotten des Opossum, sondern auch auf denen des Menschen
vorkommen können.
Zusammenfassung.
1. In den Lieberkühnschen Drüsen hungernder Mäuse
finden sich beständig Übergangsformen zwischen Becher-
zellen und Panethschen Zellen.
9. Ebensolche Übergangsformen fanden sich bei einem sieben
Monate alten Fötus.
OU
ou
Ha
Hrarıy Ku
3. Bei der embryologischen Entwicklung des Dünndarmes
der Maus entstehen zwischen gewöhnlichen Zylinderzellen
zuerst die Becherzellen, darauf die Übergangszellen und
zuletzt die Panethschen Zellen.
4. Die Panethschen Zellen entstehen durch die
allmähliche Umbildung von Becherzellen; ob
es sich dabei um besonders hierzu bestimmte Becherzellen
handelt, ist fraglich.
5. Die Übergangszellen kommen bei der Maus und beim
Menschen nicht nur in den Lieberkühnschen Drüsen,
sondern auch auf den Zotten vor.
6. Aufden Zotten einessieben Monate alten menschlichen Fötus
fanden sich auch vollkommen entwickelte Panethsche
Zellen.
7. Aller Wahrscheinlichkeit nach rücken diein
den Seitenteilen der Lieberkühnschen Drüsen
neugebildeten Zellen nach oben — auf die
Zotten.und auch nach unten — zum Fundas
der Drüsen.
Herrn Professor P. Poljakoff, meinem hochverehrten Chef
und Lehrer, spreche ich meinen herzlichsten Dank für die
beständige warme Unterstützung meiner Untersuchungen aus.
SI
Über die Entstehung der Panethschen Zellen.
Literaturverzeichnis.
Bizzozero, @.: Über die schlauchförmigen Drüsen des Magendarm-
kanals und die Beziehungen ihres Epithels zu dem Oberflächenepithel
der Schleimhaut. 2. Mitteilung. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 40, 1892.
Klein, S.: On the Nature of the granule cells of Paneth in the
intestinal glands of Mammals. American Journ. of Anat., Vol.5, Nr. 5,
1906. Zitiert nach A. Oppel. Verdauungesapparat. Ergebn. d. Anat.
u. Entwicklungsgesch., Bd. XVI.
Möller, W.: Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und
Resorption in der Darmschleimhaut. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 66, 1899.
Nicolas, A.: Recherches sur l’epithelium de l’intestin grele. Internat.
Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. VIII, 1891.
Oppel. A.: Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie
der Wirbeltiere, Bd. II, 1897.
Paneth.J.: Über die secernierenden Zellen des Dünndarmepithels.
Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXXI, 1888. N
Schmidt, J. E.: Beiträge zur normalen und pathologischen Histologie
einiger Zellarten der Schleimhaut des menschlichen Darmkanals. Arch.
f. mikr. Anat., Bd. 66, 1905.
Stöhr, Ph.: Lehrbuch der Histologie. XII. Auflage, 1906.
Struiken, N.: Beiträge zur Histologie und Histochemie des Rektum-
epithels und der Schleimzellen. Inaug.-Dissert., Freiburg 1893.
Trautmann, A.: Zur Kenntnis der Panethschen Körnchenzellen
bei den Säugetieren. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LXVII, 1910—11.
Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXI
und der 5 Mikrophotographien.
Die Abbildungen A, © und D sind bei 1500facher und Abbildung B
bei 2000 facher Vergrösserung gezeichnet.
Die Mikrophotographien sind vom Verfasser hergestellt worden.
Mikrophotographie 1 und 5 sind mit Zeiss’ Apochromat 4 mm,
Apert. 0,95, Projektions-Okular 4 und Cameralänge SO cm aufgenommen.
Vergrösserung 800.
Mikrophotographie 2, 3 und 4 sind mit Zeiss’ homog. Immers. 3 mm,
Apert. 1,30, Projektions-Okular 4 und Cameralänge 75 cm aufgenommen.
Vergrösserung 1000.
Abb. A. Eine Reihe von Übergangszellen von einer Becherzelle zur Paneth-
schen Zelle. (Die Reihenfolge der Zellen entspricht ungefähr ihrer
Anordnung in den Lieberkühnschen Drüsen.) Hungernde Maus.
Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und Aurantia.
-
556 Harry Kull: Über die Entstehung der Panethschen Zellen.
Abb. 1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse.
PU 02: n „ an den Seitenwänden der Drüse.
„83-9. Übergangsstadien.
„....10. Becherzelle.
Abb. B. Eine Reihe von Übergangszellen von einer Becherzelle zur Paneth-
schen Zelle beim menschlichen Fötus. Färbung mit Hämatoxylin,
Viktoriablau und Eosin.
1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse.
2. . „ an den Seitenwänden der Drüse.
3. 3 „ auf der Zotte.
„ 4-9. Übergangsstadien.
„ 10. Becherzelle.
Abb. ©. Eine Reihe von Übergangszellen in den tiefsten Teilen der Lieber-
kühnschen Drüsen einer hungernden Maus. Färbung wie A.
Abb. D. Übergangszelle an der Basis der Zotte. Hungernde Maus. Färbung
wie A.
Mikrophotographie 1 ist von einem Präparate des Darmes einer
hungernden Maus aufgenommen. Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und
Aurantia.
Mikr. 1. Lieberkühn sche Drüse mit junger Übergangszelle, welche kleine
Körnchen enthält.
Mikrophotographie 2—5 sind von Präparaten des Darmes eines 7 Monate
alten menschlichen Fötus aufgenommen. Färbung der Präparate mit Hämato-
xylin, Viktoriablau und Eosin.
Mikr. 2. Junge Übergangszelle mit kleinen Körnchen im Schleim.
Mikr. 3. Mittelalte Übergangszelle, welche ungefähr gleich viel Körnchen
und Schleim enthält.
Mikr. 4. Alte Übergangszelle. Zwischen den Körnchen und namentlich im
oberen Teil der Zelle sieht man den blass gefärbten Schleim.
Mikr. 5. Panethsche Zelle auf einer Zotte. Daneben oberes Ende einer
Lieberkühnschen Drüse.
5 h
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2E
556 Harry Kull: Über die Entstehung der Panethschen Zellen.
Abb. 1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse.
2: 2 „ an den Seitenwänden der Drüse.
„ 3-9. Übergangsstadien.
„. 10. Becherzelle.
Abb. B. Eine Reihe von Übergangszellen von einer Becherzelle zur Paneth-
schen Zelle beim menschlichen Fötus. Färbung mit Hämatoxylin,
Viktoriablau und Eosin.
1. Panethsche Zelle im Fundus der Drüse.
2. R „ an den Seitenwänden der Drüse.
N n „ auf der Zotte.
„ 4-9. Übergangsstadien.
„ . 10. Becherzelle.
Abb. ©. Eine Reihe von Übergangszellen in den tiefsten Teilen der Lieber-
kühnschen Drüsen einer hungernden Maus. Färbung wie A.
Abb. D. Übergangszelle an der Basis der Zotte. Hungernde Maus. Färbung
wie A.
Mikrophotographie 1 ist von einem Präparate des Darmes einer
hungernden Maus aufgenommen. Färbung mit Hämatoxylin, Crocein und
Aurantia.
Mikr. 1. Lieberkühn sche Drüse mit junger Übergangszelle, welche kleine
Körnchen enthält.
Mikrophotographie 2—5 sind von Präparaten des Darmes eines 7 Monate
alten menschlichen Fötus aufgenommen. Färbung der Präparate mit Hämato-
xylin, Viktoriablau und Eosin.
Mikr. 2. Junge Übergangszelle mit kleinen Körnchen im Schleim.
Mikr. 3. Mittelalte Übergangszelle, welche ungefähr gleich viel Körnchen
und Schleim enthält.
Mikr. 4. Alte Übergangszelle. Zwischen den Körnchen und namentlich im
oberen Teil der Zelle sieht man den blass gefärbten Schleim.
Mikr. 5. Panethsche Zelle auf einer Zotte. Daneben oberes Ende einer
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‚Archiv £ mikroskon. Anatomie. Ba.LXXVI, AbEI.
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er u. Winter. Franifunt YA,
Taf. X.
Abbildung A
LAXVT, Abt.
‚Archiv- £mikroskop. Anatomie Bd.
Werner u. Winter, Frankfurt M.
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