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Full text of "Archiv für mikroskopische Anatomie"

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ARCHIV 


für 


Mikroskopische Anatomie 


I. Abteilung 
für vergleichende und experimentelle 
Histologie und Entwicklungsgeschichte 
II. Abteilung 
für Zeugungs- und Vererhungslehre 


herausgegeben 
von 


O0. Hertwig und W. Waldeyer 


in Berlin 


Vierundachtzigster Band 
II. Abteilung 


Mit 13 Tafeln und 12 Textfiguren 


BONN 
Verlag von Friedrich Cohen 


1914 


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Inhalt. 


Abteilung I. 
Erstes Heft. Ausgegeben am 10. Januar 1914. 

Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. Von Dr. Chas. 
H.O’Donoghue, aus London, Beit Memorial Fellow. (Aus dem 
Zoologischen Institut zu Freiburg i. B.) Hierzu Tafel I—IV 
und 1 Textfigur . 


Zweites Heft. Ausgegeben am 12. Februar 1914. 
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. Von Günther Hertwig 
und Paula Hertwig. (Aus der Zoologischen Station zu 
Neapel und dem Anatomisch - biologischen Institut zu Berlin.) 
Hierzu Tafel V N 
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei von Ascaris megalocephala. 
Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel VI und VII 


Drittes und viertes Heft. Ausgegeben am 30. März 1914. 


Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. II. Von Dr. Manfred 
Fraenkel‘, Charlottenburg. Hierzu Tafel VIII und 6 Textfiguren 
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen und der Säugetiere. 
Von Ludwig Pick. (Aus dem Laboratorium der L. und Th. 
Landauschen Frauenklinik, Berlin.) Hierzu Tafel IX—XIIl 


und 5 Textfiguren . 


49 


59 


111 


119 


Kr b 
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Aus dem Zoologischen Institut zu Freiburg i. B. 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 
Von 
Dr. Chas. H. O’Donoghue, aus London, Beit Memorial Fellow. 


Hierzu Tafel I—-IV und 1 Textfieur. 


Inhalt: Seite 
Einleitung ... EN ER LT. E | ne 1 
Material und re Ch unsstekhnil a A N En re 4 
Das Corpus luteum bei: 
Perameles obesula h) 
Beramelesmasuta >... ..... er EN ea 
Macropus ruficollis . SER A EA N u 
Petrogale penicillata . 21 
Phascolomys wombat.. ..... Be. AN ee el 
Zusammenfassung der Befunde . . . 2... ae Fr > 5 
Demlrspemmerder Iüteinzellen‘, . 2 2 2... 2. 2 2 sa nu 30 
Diesvermehrune. der Iuteinzellen . . . . . .. 22. 2. 20m 2236 
DEROraNluvea, yerarund spunlar ı 2.2... rent 
Das bindegewebige Netzwerk . . . SEHR 109 
Das Corpus luteum bei den eLehhieren Ma Monotreiake ee 
BERSLANTTEVETZEICHTUR N a ee ee A 
Erklärung der Tafeln. .... 93 RE RE 34,2 Eee BER EI 
Einleitung. 


Es sind hauptsächlich zwei widersprechende Theorien über 
den Ursprung des Corpus luteum der Säugerovarien vorhanden. 
Die erste von v. Baer (2) 1827 gibt an, dass das Corpus luteum 
aus den Zellen der Theca follieuli entsteht. hauptsächlich aus 
denen der Theca interna. Die zweite von Bischoff (5) 1842 
sagt, dass die Zellen des Corpus luteum sich durch eine Ver- 
änderung der Zellen der Membrana granulosa bilden. In den 
Arbeiten der neueren Autoren wird im ganzen die zweite dieser 
Hypothesen unterstützt, obgleich einige sich noch an die erste 
halten. Eine andere Theorie, welche gewissermassen ein Mittel- 
ding zwischen diesen beiden bildet, ist von Van der Stricht (37) 
aufgestellt, welcher behauptet, dass, obgleich fast alle Zellen von 


der Membrana granulosa herrühren, sie doch durch Zellen, welche 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.$4. Abt. II. 1 


2 Chas.’H. 02Denoechue: 


von der Theca interna abstammen, vermehrt werden können, und 
dass solche Zellen sogar in geringer Anzahl in Luteinzellen ver- 
wandelt werden können. 

Ausser diesen wesentlich verschiedenen Ansichten, den Ur- 
sprung des Corpus luteum betreffend, gibt es noch viele andere 
Fragen über die histologischen Einzelheiten des gelben Körpers. 
Einige von den Autoren, welche Bischoffs Hypothese für richtig 
halten, bestätigen, dass die Zellen der Membrana granulosa durch 
Hypertrophie in die charakteristischen Luteinzellen verwandelt 
werden, ohne Zellteilung: während andere das seltenere oder 
häufigere Vorkommen von mitotischen Figuren beschreiben. Und 
weiter wird behauptet, dass aus der Theca interna allein das 
bindegewebige Netzwerk entsteht, oder dass beide, die Theca 
interna und externa, an seiner Bildung beteiligt sind. 

Sobotta (31) war der erste, welcher diese Probleme in 
erschöpfender Weise bearbeitete, er untersuchte vollständige Serien 
von Entwicklungsstadien, dadurch erhalten, dass er Tiere zu be- 
stimmten Zeiten nach dem Coitus tötete: das Verhältnis der 
Ovulation zur Copulation war vorher festgestellt. In dieser und 
späteren Schriften verteidigt der Autor Bischoftfs Hypothese. 
Seit Sobottas erster Arbeit haben viele Forscher die Entstehung 
und die histologische Struktur des Corpus luteum in den Ovarien 
verschiedener zu den Eutheria gehörender Säugetiere untersucht 
und somit sind die Verhältnisse hier ziemlich gut bekannt. 

Bei den beiden niederen Klassen von Säugetieren, den 
Monotremata und den Marsupialia, ist Bau und Bildung des 
Corpus luteum verhältnismässig unbekannt und bis jetzt sind nur 
zwei Arbeiten über diesen Gegenstand erschienen. Es ist nicht 
nötig, eine Aufstellung der sehr ausgebreiteten Literatur über 
das Corpus luteum der Eutheria zu geben, da dieses schon aus- 
führlich durch Sobotta (31—35), Van der Stricht (39) und 
auch von Marshall (22) geschehen ist. Auf die Hauptschluss- 
folgerungen der beiden Arbeiten über das Corpus luteum der 
Beuteltiere wird im Verlauf meiner Darstellung häufig verwiesen, 
deshalb sei hier kurz nur folgendes angeführt: In der Arbeit 
von Sandes (30) über „the Corpus luteum of Dasyurus with 
observations on the Growth and Atrophy of the Graafian follicle“ 
ist die Bildung und Struktur des Corpus luteum bei schwangeren 
Weibchen eines gewöhnlichen australischen Beuteltieres, Dasyurus 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. d 


viverrinus, in allen Einzelheiten beschrieben. Die Luteinzellen 
entständen durch Hypertrophie der Zellen der Membrana granulosa 
und es finde weder direkte noch indirekte Teilung statt. Die 
Theca interna sei rudimentär und ihre Zellen seien ganz ver- 
schieden von den Zellen der Membrana granulosa, keine von ihnen 
werde zu Lutein enthaltenden Elementen verwandelt. Sie sei im 
reifen Follikel von der Theca externa nicht zu unterscheiden und 
bringe mit ihr zusammen das Bindegewebe des Corpus luteum 
hervor. Schliesslich ist darauf hingedeutet, dass das Corpus luteum 
eine Drüse mit innerer Sekretion sei, die für den Organismus 
von Nutzen ist. Die zweite Arbeit (25) betrifft die Struktur des 
Körpers bei nicht schwangeren Exemplaren von D. viverrinus 
und kommt zu dem Schluss, dass die Luteinzellen einfach die 
hypertrophischen und verwandelten Zellen der Membrana granulosa 
seien, und dass nur das Bindegewebe von der Theca follieuli ab- 
stamme. In keinem Stadium sei es möglich, das Corpus luteum 
eines schwangeren Weibchens von dem eines nichtschwangeren 
zu unterscheiden. 

Bei den D. viverrinus soll der gelbe Körper der schwangeren 
sowohl als auch der nichtschwangeren Weibchen im ganzen dem 
der typischen Eutheria sehr ähnlich sein, so dass sie nicht zu 
unterscheiden sind; sie bleiben mindestens S Wochen im Ovarium 
erhalten, ehe sie zerfallen. Im Gegensatz dazu besitzen nach 
Fränkel und Cohn (12) die Placentalia ein wohlausgebildetes 
Corpus luteum „.... . während die Aplacentalia (Monotremata, 
Marsupialia) und die übrigen Tiere, deren Eier ausserhalb des 
Uterus zur Entwicklung kommen, einen rudimentären oder gar 
keinen gelben Körper aufweisen“ (Anat. Anz., Bd. XX, 1902, S. 295). 
Diese Behauptung wird auch von Van der Stricht wiederholt 
(Arch. de Biol., t. XXVII, 1912, S. 586). 

’In Hinsicht auf diese Behauptung und auf die Tatsache, 
dass bei wenigstens einem Beuteltier das Corpus luteum als 
ähnlich dem eines typischen Eutherion und von langer Dauer 
beschrieben ist, scheint es daher angezeigt, das Entstehen und 
die Struktur des gelben Körpers bei anderen Beuteltieren zu unter- 
suchen. Ferner ist es schwer, Beuteltiermaterial zu bekommen, 
und bei manchen Arten wird es von Jahr zu Jahr schwieriger. 
Auch ist es vielleicht möglich, bei einer Untersuchung der niederen 
Säugetiere, wo jedenfalls einige der reproduktiven Prozesse ein- 

1* 


4 Chas. H. O0”Dionoghue: 


facher sind als bei denen der höheren Gruppen, eine Lösung 
mancher anderen Probleme zu finden. 

Das Material zu meiner Untersuchung wurde von Herrn 
Professor Hill, University College, London, gesammelt. und der 
Autor dankt ihm herzlich für dieses und für seine wertvollen 
Angaben. Ebenso danke ich Herrn Professor Doflein, in dessen 
Laboratorium die Arbeit ausgeführt wurde, und Herrn Professor 
Keibel für freundliche Hilfe und Rat. Endlich danke ich Herrn 
F. Pittock, University College, London, für seine Hilfe bei der 
Herstellung der Mikrophotographien. 


Material und Untersuchungstechnik. 


Protessor J. P. Hill legte während seines Aufenthalts in Australien 
eine grosse Sammlung von embryologischem Beuteltier-Material und von den 
Geschlechtsorganen der Muttertiere an. Die Ovarien dieser wertvollen 
Sammlung und die dazu gehörigen Angaben wurden mir zur Verfügung 
gestellt. 

Die meisten der Ovarien waren in Picro-Sublimat-Eisessigsäure-Alkohol 
fixiert und in 70—90proz. Alkohol aufgehoben. Dieses ergab eine sehr gute 
histologische Fixation. Ein oder zwei waren in Flemmingschem und Zenkerschem 
Gemisch fixiert. Das ganze Ovarium oder bei grösseren Tieren der mittlere 
Teil des Corpus luteum und das benachbarte, zum Ovarium gehörige Grewebe 
wurden entwässert und in Paraffin eingebettet, wobei Sorge getragen wurde. 
dass der Übergang vom Alkohol zum Xylol und von diesem zum Paraftın 
nicht zu plötzlich geschah. Dann wurden Serienschnitte, einige von 6,6 „ und 
einige von 10 „ gemacht und mit Ehrlichs Hämatoxylin und Eosin 
gefärbt. Diese Serien wurden beständig mit den Präparaten der Corpora 
lutea von schwangeren ') und nichtschwangeren Dasyurus viverrinus 
verglichen. 

Von einer grossen Anzahl Spezies wurden nur fünf ausgewählt: 
Perameles obesula, Perameles nasuta, Macropus ruficolis, 
Petrogale penicillata und Phascolomys wombat. Die beiden 
Arten von Perameles mögen als Vertreter der Abteilung der Peramilidae 
angesehen werden und mit Dasyurus.viverrinus zusammen ein Beispiel 
für zwei Gattungen der Unterklasse Polyprotodontia geben. Macropus 
ruficolis und Petrogale penicillata gehören der Abteilung der 
Macropodidae an und Phascolomys wombat derjenigen der Phasco- 
lomidae, so dass sie zusammen zwei Abteilungen der anderen Unterklasse 
der Marsupialia, der der Diprotodontia, vertreten. Von jeden wurden acht 
oder mehr verschiedene Stadien zur Prüfung ausgewählt. Die Ovarien wurden 
von Tieren genommen, die sich in verschiedenen Stadien der Uterus-Schwanger- 


') Die Originalschnitte von Sandes (30) sind jetzt im Besitz von 
Professor J. P. Hill, welcher sie mir freundlichst zur Verfügung stellte. 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. > 


schaft befanden und von solchen, bei denen das Junge in den Beutel über- 
tragen war, in manchen Fällen wurden auch Ovarien von nichtschwangeren 
Weibchen untersucht. Ausführliche Tabellen über die benutzten Ovarien 
siehe bei Besprechung der einzelnen Arten. Leider ist es weder möglich ge- 
wesen, das Alter der Corpora lutea genau anzugeben, noch das Verhältnis 
zwischen Kopulation, Ovulation und Befruchtung: auch die Zeit, welche der 
Embryo zu den verschiedenen Entwicklungsstadien braucht, ist noch nicht 
festgestellt. Einige Angaben über die Beschaffenheit der Embryonen sind 
jedoch gemacht worden. nach welchen die Oorpora lutea in mehr oder weniger 
aufeinander folgenden Reihen angeordnet werden können, und wenn die Ver- 
hältnisse der Fortpflanzung besser bekannt sind. werden sie auch eine an- 
nähernde Bestimmung ihres Alters zulassen (siehe die Tabellen). 

Die hier angenommenen Bezeichnungen und Namen sind die von 
Sandes benutzten und scheinen die befriedigensten der bis jetzt vor- 
seschlagenen zu sein. Unter Corpus luteum verum verstehe ich die 
Bildung, welche in einem geborstenen Follikel entsteht, dessen Ei aus- 
gestossen ist, und zwar bei einem Tier, das darauf schwanger wird. Corpus 
luteum spurium ist der Ausdruck für die Struktur, die in einem ge- 
platzten Follikel entsteht bei einem Weibchen, bei dem keine Schwanger- 
schaft der späteren Ausstossung der Eier folgt. Waldeyer (42) hat vor- 
geschlagen. diese Ausdrücke aufzugeben, und wenn sie irgend welchen 
Unterschied im inneren Aufbau der Drüsen dieser beiden Fälle in sich 
schliessen sollen. ist er wahrscheinlich im Recht. Andererseits ist es bequem, 
die beiden Ausdrücke zu gebrauchen, um anzugeben. ob das Corpus luteum 
in einem schwangeren oder nichtschwangeren Weibchen auftritt: ein Unter- 
schied in Struktur oder Dauer des gelben Körpers soll hiermit nicht an- 
gedeutet sein. Es wird nicht beabsichtigt, in irgend einer Weise die degene- 
rierten Follikel oder das Corpus luteum atreticum zu behandeln, bei welchen 
kein Ei ausgestossen wird, und dessen Struktur nichts gemein hat, mit der 
der anderen beiden Arten von Corpora lutea. Die folgende Abhandlung be- 
schäftigt sich hauptsächlich mit den Corpora lutea vera, obgleich in gewissen 
Fällen auch die Corpora lutea spuria herangezogen werden. 


Perameles obesula. 
Angewandtes Material. 


Vor der Geburt des Jungen. 


Serien : I; | Stadium der embryo- 
Das Ovarium Die Corpora lutea j , 
nalen Entwicklung 


1 | Zwei Övarien: a) von 
unregelmässigem Quer- 
| schnitt 3x 4,5 mm; 
b) im Querschnitt drei- 
eckig, jede Seite 4 mm 


2 vorgewölbte 
| Corpora lutea Sehr junge sich 
teilende Eier 


2 Gorpora lutea 


6 Chas. H. O’Donoghue: 
erien j 3 r Stadium der embryo- 
n Das Ovarium Die Corpora lutea - a 
Nr. nalen Entwicklung 
2 Zwei Ovarien: a) von 
unregelmässigem Quer- | 2 Corpora lutea 
schnitt 4,5 x 3,25 mm; Sich teilende Eier 
b) von unregelmässigem | 2 Corpora lutea 
Querschnitt 4,25x 3,2 mm 
B) Ovarium klein von | 
unregelmässigem Quer- 2 Corpora lutea | Ovoide Keimbläschen 
schnitt 4x 3 mm | 
! 2 Corpora lutea, 
4 Ovarium gross von E £ 
Be . 1 vorgewölbt mit Junge Embryonen 
unregelmässigem Quer- ERALET. RN 
EN E Durchmesser (Keimbläschen ?) 
schnitt 5 x 4,25 mm = i 
2,75 mm 
x S £ 3 vorgewölbte 
B) ÖOvarium, gross im a loten 
Querschnitt, dreiblättrig, p x Keimbläschen 
E L i Durchmesser 
5x525 mm Er 
225 mm 
6 ıOvarium im Längsschnitt 
EEE 2 Corpora lutea | Junge Embryonen 
rechteckig 5,25x 4,25 mm > 
7 |Ovarium im Längsschnitt A Junge flach aus- 
2a = 1 Corpus luteum 3 
oval 5,5 X 2,5 mm gebreitete Embryonen 
Nach der Geburt der Jungen. 
Serien i IR: Stadium der embryo- 
& Das Ovarium Die Corpora lutea 3 3 
Nr. nalen Entwicklung 
S |Ovarium im Längsschnitt) 1 vorgewölbtes 
Er e Neugeborenes Junges 
länglich oval 7 x 3 mm| Corpus luteum 
9 \Ovarium im Längsschnitt x € 
NR 2 Corpora lutea Junges, 15 mm lang 
rechteckig 5 x 4 mm 
10 |Ovarium im Längsschnitt 
fast rund. Durchmesser! 1 Corpus luteum Junges, 19 mm lang 
4,25 mm 
11 ‚Ovarium im Längsschnitt 
fast rund. Durchmesser| 1 Corpus luteum | Junges, 20 mm lang 
3,75 mm 
12 Ovarium im Längsschnitt 
” 1 Corpus luteum | Junges, 22 mm lang 


oval 5,75 x 3,75 


_ 


‚Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 


Nichtschwangere Weibchen. 


Serien ‘ | a be 
N | Das Ovarium | Die Corpora lutea 
Nr. | | 
a ; RR 2 Corpora lutea zusammengesetzt 
13 ÖOvarium von unregelmässigem : . 2}. e 
FREE a ' und in einem frühen Bildunes- 
Querschnitt 5,25 X 3.25 mm | 2 
stadium 
j = : | 1 vorgewölbtes Corpus luteum 
14 Ovariam im Längsschnitt AN 3 
| ’ Eu Bu: ı 2,5 mm im Durchmesser und 
rundlich 4.25 x 3,75 ER F 
| völlig ausgebildet 


Die Ovarien sind klein, die grössten erreichen nur ein Maß von 
5,25 x 5 mm, ihre Oberfläche und ihr Umriss sind gewöhnlich unregelmässig 
und sie besitzen in der Regel zwei Corpora lutea. Hierin unterscheiden sie 
sich von den Ovarien des Dasyurus viverrinus, bei denen gewöhnlich 
zehn oder gar mehr Corpora lutea in jedem zu finden sind, in einem Ovarium 
von P. obesula (in Nr.5) sind drei vorhanden, die grösste Zahl, welche 
gefunden wurde. Die Ovarien wurden ungefähr 10 z, einige 8 „ dick ge- 
schnitten, um die histologischen Einzelheiten genauer zu studieren. Die 
Tiere lieferten eine sehr reichhaltige Serie von frühen Bildungsstadien des 
Corpus luteum und bei den zwei sehr frühen wurden beide Ovarien geschnitten, 
so dass es möglich war, den Bildungsprozess ausführlich zu untersuchen. Die 
Fixation war durchaus gut. Diese frühen Stadien sind die entscheidenden 
für die Bestimmung der Veränderungen, welche in den verschiedenen Teilen 
der Follikelwand während der Verwandlung in ein Corpus luteum vorsich gehen. 


Die Follikelwand 

Der Follikel von P. obesula ist im ganzen dem eines typischen Säuge- 
tieres sehr ähnlich, und daher ist es nicht nötig, ihn ausführlich zu be- 
schreiben. Seine Bildung und sein Wachstum sind ebenfalls dem von 
Sandes (30) bei D. viverrinus beschriebenen ähnlich. In einem mässig 
vorgeschrittenen Follikel, der eine gut abgegrenzte zentral gelegene Höhle 
enthält, in welcher das Ei in seinem Discus proligerus nicht symmetrisch 
liegt, ist die Wand wie folgt beschaffen. Angrenzend an die Zentralhöhle 
besteht das Follikelepithel aus einer Anzahl kleiner Zellen mit kleinen 
Nuclei und ist ungefähr acht oder neun Zellen hoch. Diese Zellen, in denen 
mitotische Figuren gelegentlich zu sehen sind, sind dicht zusammengehäuft; 
sie bilden die Membrana granulosa, in welcher kein Blutgefäss oder Binde- 
gewebe gefunden wird. Es folgt nach aussen eine homogene durchsichtige 
Membran, die Membrana propria, die scharf von dem benachbarten Gewebe 
abgrenzt. Es folgt die Theca folliculi, eine Struktur, die von dem Stroma 
des Ovariums abstammt, und in welcher zwei verschiedene Schichten unter- 
schieden werden können, obwohl sie nicht annähernd so scharf differenziert 
voneinander sind, wie das bei den höheren Säugetieren der Fall ist. Die 
innere dieser beiden Schichten, die Theca interna, besteht aus vielen dicht 


fe) Chas. H. O’Donoghue: 


gehäuften, kleinen Zellen mit ovalen Nuclei, und man findet in ihr zahlreiche 
kleine Kapillargefässe, durch welche die Ernährung des inneren Teiles des 
Follikels geschieht. Diese Zellen sind denen der Membrana granulosa nicht 
ähnlich, eine Tatsache. die es erleichtert, ihre späteren Veränderungen zu 
verfolgen. Die äussere Schicht, die Theca externa, besteht aus lang aus- 
gezogenen Zellen mit langen schmalen Nuclei und verschmilzt allmählich 
mit dem benachbarten Gewebe. 

Wenn der Follikel reifer wird. nimmt er sehr an Grösse zu, und die 
Stärke der Membrana granulosa wird entsprechend reduziert. Zur selben 
Zeit dehnt sich die Theca follieuli mehr und mehr aus und der Unterschied 
zwischen Theca interna und externa wird weniger bemerkbar. Während 
dieses Wachstums sieht man häufig Mitosen in der Membrana granulosa 
und auch in den zwei Schichten der Theca follieuli. 

Von den untersuchten Ovarien dieser Art enthält keines einen ganz 
reiten Follikel, aber in Nr. 8 findet sich ein mässig vorgeschrittener. Bei 
diesem Follikel bildet die Membrana granulosa ein Epithel von nur drei oder 
vier Zellen Tiefe. Die Zellen sind vieleckig. liegen dicht zusammen und 
haben runde Kerne mit einem deutlich sichtbaren Nukleolus, aber Anzeichen 
von Mitosen sind nirgends zu sehen. Das Ei, welches den ersten Richtungs- 
körper noch nicht gebildet hat, liegt an einem Ende der Zentralhöhle. Man 
sieht eine deutliche Membrana propria und weiter nach aussen die Theca 
follieuli. Die beiden Schichten der Theca unterscheiden sich voneinander 
und zeigen den vorhin geschilderten Bau. 


Der frisch gesprungene Follikel. 


Nach dem Bersten des Follikels und dem Austreten des Eies rücken 
die Ränder der geborstenen Stelle schnell zusammen und verschmelzen mit- 
einander. Eine Anhäufung von Epithelzellen, der sogenannte „Bouchon 
epithelial“, wie Sandes sie bei D. viverrinus beschrieben und abgebildet 
hat (Sandes’ Fig. 9), scheint nicht gebildet zu werden. Es ist jedoch 
dadurch möglich, die Durchbruchsstelle zu erkennen, dass hier das junge 
Corpus Iuteum häufig leicht ausgebuchtet ist und auch das Ovarial-(Keim- 
epithel)Epithel fehlt. In einer Serie (Nr. 13) sind die neu entstandenen 
Zellen wie durch Druck herausgetrieben, so dass sie eine etwas zugespitzte 
Verwölbung an der Oberfläche des Ovariums bilden. Weder in dieser noch 
in den folgenden Arten scheint der Follikel nach dem Platzen sehr zusammen- 
gefallen, wie Sobotta es bei der Maus usw. (31-35) beschrieben und ab- 
gebildet hat. Bei diesen Arten scheint das Platzen nicht so stark auf die 
Struktur des Follikels einzuwirken, dass ein frisch geplatzter Follikel ein 
wesentlich anderes Aussehen hätte. 

Das allgemeine Aussehen des Follikels hat sich gleich nach dem Aus- 
treten des Eies nicht verändert, ausgenommen, dass er etwas kleiner 
geworden ist, seine Epithel-Bekleidung etwas dichter und dass weniger 
Gerinnsel in ihm sind, und weiter fehlen für gewöhnlich Blutkörperchen in 
seiner Zentralhöhle oder, wenn überhaupt, sind sie nur in kleiner Anzahl 
vorhanden. Es sind keine Spuren eines Discus proligerus zu sehen, wenn 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. J 


auch einige frei gelegene Epithelzellen in der Zentralhöhle seine Überreste 
darstellen. 

Genauere Untersuchungen ergeben jedoch die Tatsache, dass Ver- 
änderungen von beträchtlicher Bedeutung stattgefunden haben. Die Membrana 
propria (in Nr. la z. B.), welche früher den inneren Teil des Follikels voll- 
kommen umschloss, ist an vielen Stellen durch Einwucherungen der Theca 
follieuli unterbrochen. Diese Einwucherungen sind fast alle von Blutgefässen 
begleitet, die zu den zahlreichen Kapillaren der Theca interna führen und an 
ihrer Basis haben sie häufig eine im Durchschnitt dreieckig erscheinende 
Bluthöhle dort, wo grössere Gefässe aus den Kapillaren entstehen. Hier ist 
also die erste auffallende Verschiedenheit zwischen dem reifen Follikel und 
dem jungen Corpus luteum dargelegt. Bei ersterem ist die Membrana 
granulosa scharf von der Theca folliculi durch die Membrana propria ab- 
gegrenzt, und enthält keine Blutgefässe; bei letzterem ist die Membrana 
propria unterbrochen und infolgedessen gibt es keine scharfe Trennungslinie 
zwischen der Theca folliculi und den Luteinzellen, wie sie jetzt genannt 
werden müssen. Ferner liegen zwischen den Luteinzellen viele kleine Blut- 
gefässe, welche (wie in Nr. 1) mehr oder weniger mit Blut gefüllt sein 
können. Die Sprossen des Thecagewebes stammen grösstenteils von der 
Theca interna ab, und diese Schicht wird bis zu einem gewissen Grade auf- 
gebraucht, aber nicht völlig. Die Theca externa scheint auch an den Ein- 
wucherungen teilzunehmen, aber nicht in so hohem Grade wie die Theca 
interna. Bei den Einwucherungen der Theca folliculi in den früheren Stadien 
sind die Luteinzellen noch nicht bis zur Zentralhöhle vorgedrungen. 

Ein gewisser Grad von Veränderung hat auch in den Zellen der 
Membrana granulosa stattgefunden. Sie haben sowohl an Grösse des Zell- 
körpers als auch der des Kernes zugenommen. aber sie zeigen noch nicht die 
charakteristische Granulation der Luteinzellen späterer Stadien. In Nr. 1a 
sind diese Zellen in einer die Zentralhöhle umgebenden Schicht von ungefähr 
vier oder fünf Zellen Tiefe angeordnet. 


Die Bildung des Corpus luteum verum. 


In Nr. 1b sind alle vorigen Prozesse etwas weiter fortgeschritten. 
Die Sprossen der Theca follieuli haben die Luteinzellen durchdrungen und 
breiten sich aus, wie um eine Schicht über ihrer inneren Oberfläche zu bilden. 
Die Luteinzellen selber und ihre Kerne sind wenig grösser und sind zu einer 
Schicht von sieben oder acht Zellen Tiefe angeordnet. 

Die nächsten zwei Ovarien (Nr. 2a und 2b) zeigen vorgeschrittene 
Stadien der Entwicklung des gelben Körpers. Das Bindegewebe, welches 
von den Thecaeinwucherungen abstammt, breitet sich über die innere Ober- 
fläche der Luteinzellen aus, um eine mehr oder weniger deutlich abgegrenzte 
Schicht zu bilden, so dass die Zentralhöhle eine Auskleidung von Bindegewebe 
hat. Wenn die Entwicklung fortschreitet, nimmt die Zentralhöhle an Grösse 
ab, aber einige Zeit ist sie von Bindegewebe ausgekleidet. Diese Auskleidung 
der Zentralhöhle mit Bindegewebe trifft man bei D. viverrinus nicht an. 
Dort geht das Bindegewebe, nachdem es die Zellen der Membrana granulosa 


10 Chas. H. 0’Donoghue: 


durchbrochen hat, geradeswegs in die Zentralhöhle und füllt sie schnell. 
indem sie einen Zentralpfropf bildet. Bei P.obesula verharrt die Zentral- 
höhle einige Zeit in dem oben beschriebenen Zustand und wird erst später 
vom Bindegewebe ausgefüllt. 

Bei alle den vorhergehenden frühen Stadien trifft man nicht selten 
Mitosen, und sie kommen in allen Teilen des Gewebes vor; so in den 
sprossenden Zellen der Bindegewebs-Einwucherungen oder in den Wänden 
der neuen Gefässe, welche sie begleiten. Andere kommen in der Nähe der 
Blutgefässe vor, und wenn die longitudinale Achse der Spindel mit der Wand 
des Gefässes parallel ist, gehören sie auch fast sicher dem Bindegewebe an. 
Wenn man eine gewisse Anzahl von Mitosen, welche nun in Bindegewebs- 
zellen liegen mögen oder nicht, ausser Betracht lässt, so bleiben doch noch 
einige, welche ohne Zweifel in den jungen Luteinzellen gelegen sind. Sie er- 
scheinen in der Mitte von Gruppen von Epithelzellen, zwischen die das 
Bindegewebe noch nicht eingedrungen ist. Ferner ist es möglich, unzweifel- 
hafte Luteinzellen zu finden, in denen die Kerne verschiedene Stadien der 
Prophase der mitotischen Teilung zeigen. Dieses ist auch abweichend von 
den Verhältnissen bei D. viverrinus, denn dort ist es festgestellt, dass 
bei den schwangeren (30) und nichtschwangeren (25) Weibchen Mitosen fehlen. 


Die folgenden Stadien zeigen eine Zunahme der Grösse der Lutein- 
zellen und ihrer Kerne und den Anfang ihrer charakteristischen Körnelung. 
Da das Corpus luteum nicht an Grösse zunimmt, wächst die Zahl der 
Schichten der Luteinzellen und die Zentralhöhle wird dementsprechend 
reduziert. Gleichzeitig wird die Bindegewebsauskleidung dichter, teilweise 
durch tatsächliches Wachsen, zum Teil aber auf mechanischem Wege durch 
die Grössenreduktion der Zentralhöhle. Das Bindegewebe und die neu ent- 
standenen Blutgefässe haben sich noch mehr verzweigt. so dass sie ein 
durch die Luteinzellen laufendes Netzwerk bilden. Einige Mitosen sind 
zu finden, aber sie beschränken sich auf die Bindegewebszellen. In den 
meisten Fällen laufen die Hauptäste des Bindegewebes von der Theca durch 
bis zum Zentralpfropf, so dass das Corpus luteum in eine Anzahl von Zell- 
reihen zerlegt ist. Dies ist nicht überall gut sichtbar und verschwindet im 
Laufe des ferneren Wachstums bis zu einem gewissen Grade, dagegen ist 
es in dem völlig ausgewachsenen Corpus luteum gut zu erkennen. 

Die oben angeführten Veränderungen sind vor sich gegangen, ehe der 
Embryo das Keimbläschenstadium seiner Entwicklung überschritten hat 
(Nr. 1-4). Später kommen keine auffallenden Veränderungen mehr vor. 
Die Zentralhöhle verschwindet ganz und der Pfropf von Bindegewebe wird 
durch das weitere Wachstum der Luteinzellen reduziert und dichter zusammen- 
geschichtet. Die Luteinzellen werden immer körniger, bis sie gewöhnlichen 
Drüsenzellen in lebhaftem Sekretionszustande gleichen, und das Bindegewebe 
verzweigt sich weiter zwischen ihnen. 


Das völlig ausgebildete Corpus luteum verum. 


Das völlig ausgebildete Corpus luteum von P. obesula ist ein gut 
erkennbares Gebilde, welches einen Durchmesser von 2,5 zu 2,75 mm erreicht. 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 11 


Von aussen ist es durch eine Bindegewebsscheide mit zahlreichen Kapillaren 
begrenzt, welche die gewöhnliche Schichtung in Theca interna und externa 
zeigt. Die äussere Schicht ist fibrös, und die innere Schicht, welche stark 
reduziert ist, besteht aus wenigen Zellen, welche beträchtlich kleiner als 
die Luteinzellen sind, aber nicht so in die Länge gezogen wie die Zellen 
der fibrösen Schicht (siehe das früher Gesagte). 

Das Zentrum besteht auch aus Bindegewebe und ist zu einer stern- 
förmigen Masse angeordnet. Zwischen diesen beiden Teilen liegt die Haupt- 
substanz des Corpus luteum, bestehend aus drüsigen Zellen, Bindegewebe 
und Blutgefässen. Die Luteinzellen sind grosse Zellen‘ mit grossen runden 
Kernen und haben viele Körnchen. Die Körnelung gibt dem ganzen Organ 
seine charakteristische, intensiv gelbe Farbe. Diese Körnchen verschwinden 
im Laufe der Präparation der Schnitte, ausser, wenn das (rewebe in einer 
Osmiumsäure enthaltenden Flüssigkeit fixiert wurde: eine Tatsache, welche 
darauf hindeutet, dass das Sekret eine fettähnliche Substanz ist (siehe 39). 
Die Luteinzellen scheinen die modifizierten Epithelzellen der Membrana 
granulosa zu sein, nach mitotischer Teilung an Umfang vergrössert; und 
nichts spricht dafür, dass die Zellen der Theca interna sich zu ähnlichen 
Elementen umformen. Das Bindegewebe bildet ein verwickeltes Netzwerk, 
welches sich durch das Ganze verzweigt. Es stammt von beiden Schichten 
der Theca fulliculi ab, infolge seiner Entstehung wird die Theca interna, 
welche den grössten Teil dazu beiträgt, in hohem Grade aufgebraucht. Die 
Blutgefässe entstehen als Auswüchse der Theca folliculi-Kapillaren und bilden 
ein Netzwerk. Ihre Wandungen bestehen aus einer einfachen Schicht äusserst 
platter Endothelzellen, so dass sie Gefässe bilden ähnlich denen, welche in 
der Leber und Niere der Amphibien gefunden wurden und den Namen 
„Sinusoide“ (24) bekommen haben. 

Das Corpus luteum ist dem von D. viverrinus sehr ähnlich, nur 
dass es kleiner ist, im Verhältnis wie das Tier selbst kleiner ist, und es 
zeigt verhältnismässig viel Luteingewebe im Vergleich mit dem Ovarium 
als ganzem. In seinem völlig entwickelten Stadium ist es auch dem eines 
typischen Eutherion ähnlich. 

Wenn seine Entwicklung vollendet ist, z. B. in B 5, werden seine 
Zellen äusserst körnig, und es bleibt auf den hier untersuchten Serien 
unverändert. Nr. 11 gibt ein interessantes Beispiel eines ausgewachsenen 
Corpus luteum, in welchem durch die Hauptbindegewebszüge und Blutgefässe 
die Luteinzellen in eine Anzahl strahlenförmiger Reihen angeordnet sind. 
Leider ist es unmöglich, eine genaue Angabe über die Dauer der Drüse zu 
geben, weil die untersuchten Serien die Degenerationsstadien nicht in sich 
schliessen. Sie ist jedoch vor der Geburt des Jungen ausgewachsen und bleibt 
bis zu der Zeit, wo das Junge im Beutel eine Grösse von 22 mm erreicht 
hat, ohne irgend ein Zeichen von Abnahme oder Degeneration. 


Das Corpus luteum spurium. 


Nr. 13 und 14 liefern zwei interessante Beispiele von der Entstehung 
von Corpora lutea spuria, denn beide wurden von nichtschwangeren Weibchen 


12 Chas. H.O’Donoshwe: 


gewonnen. Das erste von ihnen ist in einem frühen Entwicklungsstadium 
und die beiden Corpora lutea lagen ganz dicht zusammen. Die Lutein- 
zellen haben sich etwas vergrössert und sind zu einer Schicht von ungefähr 
zehn bis zwölf Zellen Tiefe angeordnet: die Membrana propria ist ver- 
schwunden. Die Sprossen der Theca folliculi haben schon die Luteinzellen 
durchbrochen und breiten sich über ihre innere Oberfläche aus, um eine 
Bindegewebsbekleidung für die Zentralhöhle, welche noch gross ist, zu bilden. 
Wie vorher beschrieben, sind bei einem dieser Corpora lutea die Luteinzellen 
an der Durchbruchsstelle des Follikels herausgetrieben, um eine zugespitzte 
Vorwölbung zu bilden, über welche das das Ovarium bedeckende Epithel 
und das Bindegewebe noch nicht hinüber gewachsen sind. Mitosen sind 
keineswegs häufig und scheinen besonders in den Luteinzellen sehr selten 
zu sein. Beide Corpora lutea sind in einem Mittelstadium zwischen Nr. 2b 
und 3 und sind durchaus nicht von Corpora lutea vera zu unterscheiden. 


Das zweite von den beiden Öorpora lutea ist im ausgewachsenen 
Zustande. Die Zentralhöhle ist ganz verschwunden und ihr Platz ist von 
einem Bindegewebspfropf eingenommen. Eine Anschwellung an der einen 
Seite zeigt die Durchbruchsstelle des Follikels an, aber das Övarialepithel 
und die Bindegewebsscheide sind vollständig darüber gewachsen. Sorgfältige 
Untersuchung deckt keinen Unterschied zwischen diesem und einem Corpus 
luteum verum auf. 


Es stehen keine Angaben zu Gebote, durch welche die Dauer dieses 
Körpers in dem nichtschwangeren Weibchen festgestellt werden kann. 


Es ist nicht möglich, weder während des Wachsens noch in dem 
völlig entwickelten Stadium, einen histologischen Unterschied zwischen Oorpus 
luteum spurium und Corpus luteum verum zu finden. 

Perameles nasuta. 


Angewandtes Material. 


Vorder Geburt der Jungen 


Sa m 
Serien 
| 

Nr. 


: BIGE ' Stadium der embryo- 
Das Ovarium Die Corpora lutea | b u 
‚ nalen Entwicklung 


1 Ovarium von unregel- 
mässigem Querschnitt | 1 Corpus luteum 
85x45 mm | 


1 Uuterus enthält ein Bi 
| s 
in Furchung 


2 Övarium von unregel- | 
mässigem Querschnitt 1 Corpus luteum | Frühe Keimbläschen 
3x5 mm 


Ovarium klein, von 
unregelmässigem Quer- | 1 Corpus luteum 
schnitt 4x3 mm 


Früher Schwanger- 
schafts-Stadium 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 


13 


Serien E I; Stadium der embryo- 
Das Ovarium | Die Corpora lutea e 3 
Nr. nalen Entwicklung 
1 Corpus luteum 
4 | Ovarium von unregel- |2,5 mm im Durch- | Flach ausgebreiteter 
mässigem Querschnitt |messer, einen grossen Embryo von 
3x4 mm Teil des Ovariums 10 Ursegmenten 
bildend 
| 
5 Zwei Övarien a) von | 
unregelmässigem Quer- | 1 Corpus luteum 
schnitt 42x 3,5 mm | Junger Embryo 
| b) von unregelmässigem 1 Corpus luteum 
| Querschnitt 4,5 x 3 mm 
Nearch derz@eburt der Jungen. 
Serien 5 up Stadium der embryo- 
Das Ovarium Die Corpora lutea i 3 
Nr. nalen Entwicklung 
| — I 
s B 5 , Br 
6 \Ovarium im Querschnitt Gr Li 1£ 
u: ; srösste Länge 1: 
unregelmässig oval 1 Corpus luteum =. 2 5 in mn 
| = | opflänge 7; 
| 4,75x 3,25 mm | a 
I 
Fr —. 
7 Övarium von unregel- | a 1 20 
er e : | Grösste Länge 2: 
mässigem Querschnitt 1 Corpus luteum Be 3 10 > um 
I ( ange [9] 
55xXx4 mm 'P = a 
- - | 
fo) Ovarium klein, von re EI 
3 e 4 rösste Länge 24,5 mm 
| unregelmässigem Quer- | 2 Corpora lutea e eh mE ä 
| SR ae opflänge 11,5 mm 
schnitt 3,5 x 2,5 mm p > 
9 Ovarium von unregel- | rn: Br 
IR ä r rösste Länge 35 mm 
mässigem Querschnitt 1 Corpus luteum || I A = 
2 optlänge mm 
6x 3,25 mm | ! = 
: E | 
10 Ovarium von unregel- | a ern 
ER: i Dre Grösste Länge 36 mm 
mässigem Querschnitt 2 Oorpora Intea Kopflä 8 
ZEE opflänge 15 mm 
5x 3,25 mm P iz 
11 | Ovarium im Querschnitt a 7 
BETEN; - z Grösste Länge 39 mm 
dreieckig, jede Seite 1 Corpus luteum | PER 
Er ı  Kopflänge 20 mm 
5,25 mm | 
12 Ovarium von unregel- 


mässigem Querschnitt 
5x45 mm 


1 Corpus luteum 


(rösste Länge 45 mm 
'  Kopflänge 22 mm 


14 Chas..H. O’Donoghue: 


Wie zu erwarten, besteht nur ein sehr kleiner Unterschied zwischen 
dieser und der vorgehenden ihr nahe verwandten Art. Die Ovarien sind 
im ganzen etwas kleiner, und das grösste vorstehende Corpus luteum hat 
einen Durchmesser von 2,5 mm. Die Ovarien haben auch eine unregel- 
mässigere Oberfläche als bei P.obesula, obgleich das Corpus luteum mit 
einer Ausnahme in Nr. 4 nicht in so auffallender Weise hervorsteht. Im 
der Regel enthalten die Ovarien auch nur ein Corpus luteum, wennschon 
in einigen Fällen zwei vorhanden sein können (Nr. 7 und 9). Die Serien 
wurden 5, 7,5 und 10 „ dick geschnitten. Diese Art liefert nicht genau solch 
vollständige Serie von frühen Entwicklungsstadien wie die vorhergehende. 
Bei Nr. 1, in welchem ein Uterus ein sich früh furchendes Ei enthält, wurde 
ein frühes Stadium erwartet, aber das Corpus luteum war völlig ausgewachsen 
und seine Gefässe voll von Blut. Alle Spuren der Zentralhöhle waren ver- 
schwunden, so dass es unverkennbar ein ziemlich vorgerücktes Stadium 
ist. Diese Tatsache deutet an, dass in diesem Fall eine beträchtliche Zeit 
zwischen Ovulation und Furchung liegt. Die Serie genügt, um zu zeigen, 
dass das Corpus luteum dem der vorhergehenden Art sehr ähnlich ist. 


Die Follikelwand. 


Die oben gegebene Beschreibung von P. obesula lässt sich gleich 
gut hier anwenden, denn die Follikel der beiden Arten sind fast identisch. 
Bei dem reifen Follikel ist die Membrana granulosa dünn, fast nur drei 
Zellen tief, und das Ei, von dem Discus proligerus umgeben, liegt an einer 
Seite des Follikels. Die Membrana propria ist gut sichtbar und trennt den 
inneren Teil des Follikels vollständig von seiner Theca. Zwei Schichten, 
eine dünne Theca interna und eine Theca externa, sind in der Bindegewebs- 
scheide zu erkennen. 


Corpus luteum verum. 


Hier finden wir wieder eine grosse Ähnlichkeit mit den entsprechenden 
Vorgängen bei P. obesula. Die Bindegewebssprossen, die hauptsächlich 
von der Theca interna, aber zum Teil auch von der Theca externa ausgehen, 
durchbreehen die Membrana propria und später die jungen Luteinzellen, an 
deren innerer Wand sie eine die Zentralhöhle begrenzende Schicht bilden. 
Einem interessanten Verhalten begegnen wir in Nr.2, wo die Umbildung 
des Follikels in ein Corpus luteum nicht in allen Teilen des Umkreises 
gleichmässig stattgefunden hat. An der Seite des Gebildes nahe der Aussen- 
wand des Ovariums sind die Vorgänge weiter fortgeschritten als an der 
anderen Seite und folglich liegt die Zentralhöhle exzentrisch. An der Innen- 
seite sind weder die Luteinzellen noch ihre Kerne sehr gross, und sind zu 
einer Schicht von ungefähr vier Zellen Tiefe angeordnet. Die 'I’heca- 
Einwucherungen sind nicht sehr zahlreich und haben die Luteinzellen nicht 
völlig durchbrochen, Spuren der Membrana propria sind noch vorhanden, so 
dass diese Seite des Corpus luteum genau Nr. 1a in P.obesula entspricht. 
Andererseits ist die Aussenseite bedeutend weiter vorgeschritten, so dass 
sie mehr Nr. 13 bei P.obesula gleicht. Beide, die Luteinzellen und ihre 
Kerne, sind sichtlich hypertrophiert. Die Bindegewebssprossen sind zahl- 


m 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 15 


reicher und haben sich ausgebreitet, um eine Schicht um die innere Wand 
der Zentralhöhle zu bilden. Die Membrana propria ist ganz verschwunden. 
Der Übergang von dem fortgeschritteneren Zustand zu dem jüngeren ist an 
einer Seite ganz plötzlich, an der anderen nur allmählich. In den ver- 
schiedenen Geweben sind Mitosen zu finden. Sie treten in den Luteinzellen 
der weniger vorgeschrittenen Seite nur selten auf und in der anderen Seite 
überhaupt nicht. 

Es ist kein Grund zu erkennen, weshalb die beiden Seiten des Follikels 
sich ungleich entwickelt haben, denn das benachbarte Gewebe scheint ganz 
normal zu sein. 

Nr. 3 ist ein Beispiel eines fast völlig entwickelten Corpus luteum, 
welches genau dem in Nr. 4 von P.obesula entspricht. Die Zentralhöhle 
ist so gut wie verschwunden, obgleich Spuren von ihr noch zu sehen sind. 
und der Bindegewebspfropf ist noch nicht in der charakteristischen Weise 
des älteren Corpus luteum fest zusammengeschichtet. Die Drüse hat auch 
ihre grösste Ausdehnung erreicht und hat ungefähr einen Durchmesser von 
2,5 mm. 

So stimmen die beiden Arten von Perameles und auch die der 
D. viverrinus miteinander überein, bei welchen das Corpus luteum völlig 
entwickelt ist, während der Embryo sich im Keimbläschenstadium befindet. 


Das völlig ausgebildete Corpus luteum. 


Es ist unnötig, das ausgewachsene Corpus luteum zu beschreiben, 
weil die schon für die P.obesula gegebene Beschreibung in allen Einzel- 
heiten auch hier zutrifft. Die Strukturen der Corpora lutea der beiden Arten 
sind so ähnlich, dass man sie auf keinerlei Weise unterscheiden kann. 

Es stehen keine Angaben zu Gebote, um die Dauer der Gebilde fest- 
zustellen, aber sie bleiben den Rest der Serien hindurch in einem unver- 
änderten Zustand, und in Nr. 12 sind keine der degenerativen Veränderungen, 
welche für die-abnehmende Drüse charakteristisch sind, zu bemerken. Bei 
diesen Arten ist die Drüse noch völlig auf der Höhe ihrer Entwicklung, wenn 
die Jungen eine Länge von 45 mm erreicht haben, d. h. wenigstens dreimal 
so lang sind wie Neugeborene. 


Macropus ruficollis. 
Angewandtes Material. 


Vor der Geburt der Jungen. 


Serien 7 Bas, ...; Stadium der embryo- 
21 ie Corpora lutea : 
Nr. run u arpora. in nalen Entwicklung 
1 Zwei Ovarien: a) im 
Querschnitt oval 1 Corpus luteum 
IFIEE ST aEmmS Junges Ei, 15 x 19 mm 


b) im Querschnitt 
rundlich 9 x 10 mm 


1 Corpus luteum 


16 Chas. H. O’Donoghue: 


Serie e : | Stadium der embhryo- 
Den Das Ovarium Die Corpora lutea > 3 
Nr. ' nalen Entwicklung 
2 Zwei Ovarien: a) im 
Längsschnitt rundlich | 1 Corpus luteum 
| 7,15 x 6,75 mm; Junges Ei, 23x 21 mm 
b) im Längsschnitt oval | 
) on 5 1 Corpus luteum 
8,5 x 5,75 mm 
3 ium ım Längsschnitt ; 2 
en en en 1 Corpus luteum Ei, 26 x 25 mm 
ovalall7aPXascmm 
4 Zwei Ovarien: a) im | 
‚schnitt unregel- 1 Corpus luteum R : 
3 s 3 nn Frühes Keimbläschen 
mässig 6 X 9.75; ® 
SER & i S mm Durchmesser 
b) im Längsschnitt satten 
rundlich Sx 9 mm u) 
5 |Ovarium im Durchschnitt :: | Frühes Keimbläschen 
: 5 3 1 Corpus luteum = 
rechteckig 11,5 x 8.5 ı 1,27 mm Durchmesser 
6 |Ovarium im Längsschnitt 1 Corpus luteum | Frühes Keimbläschen 
oval 9,75 x 7 mm Durchmesser 7,5 mm| 1,5 mm Durchmesser 
| h N } 1 Corpus luteum | „ Be r 
7 \Ovarium im Durchschnitt I f Spätes Keimbläschen 
| “2. Durchmesser \ 
etwa oval 14 x 7,5 mm NER 2.6 mm Durchmesser 
(‚5 mm | 
| | 
1 4 1 Corpus luteum | 
S Ovarium im Durchschnitt ES Früher Embryo 
rechteckig 10 x S mm ner 5.2 mm 
len schneiden sichtbar Ir 
$ Zwei Ovarien: a) im 
Durchschnitt oval 1 Corpus luteum 
92952. 62mmE Embryo, 7 mm lang 
b) im Durchschnitt oval E 
Bo = 1 Corpus luteum 
(25 x 4,5 mm 
10 Zwei ÖOvarien: a) im 
Durchschnitt oval 1 Corpus luteum 
102%6°9.mmE Später Embryo, 15 mm 
b) im Durchschnitt oval, ar } 
Kan En : 1 fast reifer Follikel 
13’x 75 nm 
Nichtschwangere Weibchen. 
Ovarium, klein 


E [7] 
IX X mm 


sichtbar 


| 1 Corpus luteum nur beim Zerschneiden 


I 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 1 


Diese Art lässt uns hinsichtlich der Corpora lutea im Stich. Sie ist 
besonders reich an frühen Stadien der embryonalen Entwicklung, aber in 
fast allen von ihnen ist das Corpus luteum völlig ausgebildet. Sogar bei 
den drei Tieren, bei welchen die Uteri Eier im Furchungsstadium enthielten, 
und welche nach der Untersuchung der vorhergehenden Serien ganz junge 
Entwicklungsstadien erwarten liessen, waren die Corpora lutea schon voll- 
kommen ausgebildet. In einem Fall jedoch, d.h. in Nr. 5, in welchem der 
Uterus ein frühes Keimbläschen von 1,27 mm Durchmesser enthielt, ist das 
Corpus luteum auf einem frühen Stadium einige Zeit vor dem Verschwinden der 
Zentralhöhle. Noch in einem anderen Fall, nämlich in Nr. 7, ist das Corpus 
luteum gerade fast völlig ausgewachsen und Reste von der Zentralhöhle sind 
noch zu sehen. Dieses Fehlen von frühen Stadien deutet an, dass gewöhnlich 
eine beträchtliche Zeit zwischen Ovulation und Furchung vergeht. Es mag 
sein, dass im allgemeinen die Kopulation einige Zeit nach der Ovulation 
stattfindet oder, wenn diese dicht zusammenliegen, vielleicht einige Zeit 
zwischen Ovulation und Befruchtung vergeht. Das erstere ist nicht unwahr- 
scheinlich, wie bei D. viverrinus gezeigt wurde, wo die Ovulation gänzlich 
unabhängig von der Copulation ist (15). 

Ein anderer in die Augen fallender Unterschied ist zwischen den 
Övarien der vorliegenden Art und denen von D. viverrinus und Perameles 
gefunden worden. Bei der genauen Untersuchung aller ÖOvarien von 
M. ruficollis sind Reste von alten Corpora lutea in mehr oder weniger 
degenerativem Zustand zu finden. Hinsichtlich des Oestrus von D. viverrinus 
(15) hat es sich gezeigt, dass dieses Tier eine einmalige Brunstzeit im Jahr 
erlebt und weiter, dass während dieser Brunstzeit nur ein Oestrus und eine 
Ovulation stattfmden. So liegt ein Jahr zwischen einer Ovulation und der 
nächsten, und das Ovarium enthält so stets nur eine Art von Corpora lutea, 
alle in demselben Alter. Bei M.ruficollis zeigt das Vorhandensein von 
Corpora lutea von zwei verschiedenen Stadien in demselben Ovarium an, dass 
zwei Ovulationsperioden in verhältnismässig kurzer Zeit nacheinander vor- 
kommen müssen. Dieses deutet an, dass entweder zwei Oestri mit ihren sie 
begleitenden Ovulationen in der einen Zeugungsperiode stattfinden, oder dass 
zwei Zeugungsperioden, jede mit einer einzigen Ovulation, ziemlich schnell 
aufeinander folgen. 

Noch ein weiterer Unterschied ist zwischen M. ruficollis und beiden 
D.viverrinus und Perameles vorhanden, insofern als auch ein anderes 
Gewebe mehr oder weniger ausgedehnt in dem Stroma aller Ovarien dieser 
Serien als Zuwachs der tätigen Corpora lutea und der älteren, der Corpora 
fibrosa, zu finden ist. Es nimmt die Gestalt von mehr oder weniger grossen 
gut umgrenzten Zellgruppen an, welche dicht zusammengefügt sein können 
und daher ziemlich grosse Gewebemassen bilden oder durch Bindegewebe oder 
ein anderes Gewebe voneinander getrennt sein können und so eine Anzahl 
von Inseln bilden, die über das Ovarialstroma verstreut sind. Diese Zell- 
gruppen sind kleinen Stückchen des Corpus luteum sehr ähnlich. Sie besitzen 
eine gewisse Menge von Bindegewebe, aber dieses bildet nicht ein deutlich 
sichtbares durch sie hindurch laufendes Netzwerk, und die charakteristischen 


Gefässe scheinen fast ganz zu fehlen, obgleich schmale Kapillaren zu finden 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. 1. 2 


15 Chas. H. O’Donoghue: 


sind. Die Zellen selbst sind den Luteinzellen nicht unähnlich, können aber 
leicht von diesen in ihrem tätigen Zustande unterschieden werden, weil sie 
und ebenso ihre Kerne bedeutend kleiner sind. An Gestalt sind sie den 
Luteinzellen in den Corpora lutea während des degenerativen Stadiums 
nicht unähnlich, aber abweichend von diesen weisen sie keine Auflösungs- 
anzeichen weder im Zytoplasma noch im Kern auf und scheinen in einem 
durchaus normalen Zustand zu sein. Das ganze Aussehen dieses Gewebes 
ist sicher dem Luteingewebe etwas ähnlich und deutet darauf hin, dass es 
ein Corpus Juteum im untätigen Zustand, durch das Ovarialstroma in Frag- 
mente zerrissen, sein kann. Andererseits sind in denselben Ovarien tätige 
Corpora lutea und Corpora fibrosa einer früheren Ovulation vorhanden. Diese 
letzteren liegen in einem Stück zusammen, und die Bindegewebsscheide, 
welche sie umgibt, wird in der Tat dichter und fibröser und in ihren Zellen 
sind degenerative Erscheinungen ganz deutlich sichtbar. Bei diesem Gewebe 
ist keine Spur einer Bindegewebsscheide, weder um die ganze Masse noch 
um die einzelnen Inseln herum. zu sehen, und es zeigt eine bedeutende 
Ähnlichkeit mit der interstitiellen Drüse, welche bei den Ovarien einiger 
höherer Säugetiere. z. B. dem Kaninchen, beschrieben ist. 

Es ist nach dem vorhandenen Material unmöglich zu sagen, ob dieses 
Gewebe von einem Corpus luteum abstammt, oder ein Gewebe sui 
generisist. Es wäre zu wünschen, diesen Punkt durch die Unter- 
suchung einer weiteren Auswahl von Ovarien hauptsächlich von jüngeren 
Tieren festzustellen. 

In der Regel ist das Ovarium oval mit dem Corpus luteum, welches 
mindestens die Hälfte des ganzen Ovariums einnimmt an einem Ende. In 
völlig ausgewachsenem Zustande, wie in Nr. 6, erreicht das Corpus luteum 
von aussen gemessen einen Durchmesser von ungefähr 7,5 mm. Jedes 
Ovarium enthält ein tätiges Corpus luteum, obgleich fast immer nur ein 
Uterus schwanger ist. Die Ovarien wurden in ungefähr 10 = dicke 
Schnitte zerlegt. 

Die Follikelwand. 

Die Struktur der Follikelwand kann in dem fast reifen Follikel eines 
der Ovarien von Nr. 10 gut untersucht werden. Aus dem oder jenem Grunde 
hat sich die Ovulation in diesem Ovarium verzögert, obgleich das andere 
ein ausgewachsenes Corpus luteum besitzt und das Ei, welches es vorher 
enthielt, schon ein ziemlich vorgerücktes Stadium von embryonaler Ent- 
wicklung erreicht hat. Der Follikel zeigt kein Zeichen von Degeneration 
oder Umbildung in einen atretischen Follikel. 

Die Zentralhöhle des Follikels, welche etwas oval ist, erreicht einen 
Durchmesser von ungefähr 45 mm. Die Membrana granulosa ist drei bis 
vier Zellen dick und ist rundum ziemlich gleichmässig, ausgenommen dort, 
wo der Discus proligerus liegt. Ihre Zellen sind klein und liegen dicht- 
gedrängt, sie haben runde Kerne, welche nirgends mitotische Figuren zeigen. 
Nach aussen ist die Membrana granulosa durch eine deutliche Membrana 
propria begrenzt. Wieder weiter nach aussen liegt die Theca follieuli, in 
welcher die beiden wesentlichen Schichten leicht zu unterscheiden sind, in 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 19 


der Tat noch leichter als bei den beiden Arten von Perameles. Die Kapillaren, 
mit denen die Theca interna reichlich versorgt ist, sind ganz mit Blut gefüllt. 


Die Bildung des Corpus luteum verum. 

Es wurde gezeigt, dass nur ein Stadium des frühen Entwicklungs- 
prozesses gefunden wurde, dieses ist jedoch ein ziemlich frühes, einige Zeit 
vor dem Verschwinden der Zentralhöhle. Das Öorpus luteum ist schon gross, 
hat, von aussen gemessen, einen Durchmesser von ungefähr 7 mm, und 
nimmt viel mehr als die Hälfte des ganzen Ovariums ein. Seine Luteinzellen 
und ihre Kerne sind stark hypertrophiert, und das Zytoplasma der Zellen 
selbst ist stark gekörnt. Diese Zellen bilden eine Schicht von dreissig oder 
mehr Zellen Tiefe. Sie sind vieleckig von Gestalt und liegen nach aussen 
hin noch einigermassen dicht zusammen, während sie nach dem Innern zu 
lockerer liegen. Die innersten Zellen haben Züge von Bindegewebe zwischen 
sich und sind mit ihren längeren Achsen strahlenförmig zur Zentralhöhle 
angeordnet. 

Nur an wenigen Stellen sind noch einige Anzeichen der Membrana 
propria zu sehen, zum grössten Teil ist sie gänzlich verschwunden. Die 
Theca-Einwucherungen sind zahlreich und viele von ihnen sind an ihrem 
äusseren Ende ziemlich breit. Die Theca interna ist fast ganz bei ihrer 
Bildung aufgebraucht, obgleich einige ihrer Zellen noch in ihrer ursprüng- 
lichen Lage bleiben. Die Theca interna hat auch einen grossen Anteil an 
der Bildung der Bindegewebs-Einwucherungen. Wie in den vorhergehenden 
Fällen begleiten Blutgefässe diese Sprossen und bilden ein Netzwerk durch 
das ganze Gebilde. An der inneren Seite der Luteinzellen hat das Binde- 
gewebe sich ausgebreitete und eine Schicht von gewisser Tiefe gebildet. 
Dann folgt die Zentralhöhle, welche einen Durchmesser von ungefähr 1,5 mm 
hat, die geronnene Masse des Liquor follieuli ist noch in ihr vorhanden. In 
keinem Teil des Gewebes des Öorpus luteum wurden Mitosen gefunden, aber 
da in einem gleichen Stadium bei beiden Arten von Perameles mitotische 
Figuren in den Luteinzellen gänzlich fehlen und in den bindegewebigen 
Elementen, wenn überhaupt vorhanden, äusserst selten sind, beweist das 
Fehlen solcher Figuren in dem vorliegenden Falle noch nicht, dass sie nicht 
in früheren Stadien vorkommen können. Das andere Stadium, d. h. Nr. 7, 
zeigt tatsächlich die Vollendung des Bildungsprozesses. Die oben be- 
schriebenen Umbildungsvorgänge sind auf ganz normale Weise vonstatten 
gegangen. Die Luteinzellen haben sich etwas vergrössert und breiten sich 
aus, so dass sie zusammen mit dem Bindegewebe die Zentralhöhle bis auf 
Spuren zum Verschwinden gebracht haben. 

Diese Stadien genügen, um zu zeigen, dass die Bildung des Corpus 
luteum bei dieser Art derjenigen der vorhergehenden ähnlich ist. 


Das völlig ausgebildete Corpus lJuteum verum. 


In völlig ausgewachsenem Zustande ist das Corpus luteum ein grosses 
Gebilde, welches einen Durchmesser von 7,5 mm oder sogar mehr erreicht. 


Die Zentralhöhle ist durch einen etwa sternförmigen Bindegewebspfropf 
2% 


20 Chas-Hr 0, Donogchue: 


ganz erfüllt. Die Spitzen des Sternes laufen in das Bindegewebe aus. 
welches mit seinen begleitenden Blutgefässen ein verworrenes Netzwerk, 
das durch das ganze Corpus luteum läuft, bildet. Die Luteinzellen sind, 
obgleich mehr gekörnt, sehr wenig grösser als in dem letzten Stadium. 
Ausserhalb dieser Zellen ist die Bindegewebsscheide deutlich sichtbar. Zum 
grössten Teil ist sie aus Zellen, welche von der Theca externa abstammen, 
zusammengesetzt, doch sind an einigen Stellen auch einzelne Zellen der 
Theca interna zu unterscheiden. Daraus geht hervor, dass die Struktur, 
die Gestalt ausgenommen, in ihren Hauptpunkten mit der der Corpus lutea 
bei den beiden Arten von Perameles und auch bei D. viverrinus identisch 
ist. Das allgemeine Aussehen ist jedoch aus zwei Gründen bei emigen 
Exemplaren dieser Art etwas abweichend. Erstens ist der bindegewebige 
Zentralpfropf nicht ganz so dicht wie bei Perameles, zweitens ist mehr 
Bindegewebe mit den inneren Luteinzellen vermischt, und häufig sind kleine 
Gruppen von drei bis zehn dieser Zellen von dem übrigen durch ziemlich breite 
Bindegewebszüge getrennt. Die Folge davon ist, dass das Innere des Corpus 
luteum etwas lockerer erscheint, aber dieser Unterschied ist nicht von 
wesentlicher Bedeutung. Diese Lockerheit gegen die Mitte hin macht die 
Gefässe sehr deutlich und ihr dünnes einschichtiges Endothel ist infolge- 
dessen sehr gut zu sehen. 

Es stehen keine Angaben zu Gebote, durch welche die Dauer des 
Corpus luteum festgestellt werden könnte, aber es weist in allen Serien 
keinerlei Zeichen von Degeneration auf, obgleich es schon von Anfang an 
völlig ausgebildet war. Das Vorhandensein von degenerativen Corpora lutea 
aus einer früheren Ovulationsperiode in denselben Ovarien, oder aus einer 
vorherigen Schwangerschaft, oder von einer Ovulation, welcher keine Be- 
truchtung folgte, scheint anzudeuten, dass das Organ eine beträchtliche 
Zeit besteht. 


Das Corpus luteum spurium. 


In Nr. 11 haben wir ein Beispiel eines Corpus luteum spurium. Es 
ist völlig ansgebildet und hat von aussen gemessen einen Durchmesser von 
ungefähr 6 mm, obgleich es in einem kleinen Ovarium liegt. Die Struktur 
ist mit der des Corpus luteum verum identisch, und es ist unmöglich, die 
beiden voneinander zu unterscheiden. Das zentrale Bindegewebe und die 
inneren Luteinzellen sind etwas dichter zusammengedrängt als bei einigen 
der schon beschriebenen wahren gelben Körper, aber der Unterschied ist 
gering und in der Tat kommen ähnliche Verhältnisse auch bei Üorpora 
lutea von schwangeren Weibchen vor. 


Das degenerierende Corpus luteum. 


Es wurde vorher bemerkt, dass fast alle diese Övarien Corpora 
lutea, welche von einer früheren Ovulation übrig geblieben sind, enthalten, 
diese degenerativen Corpora lutea sind sehr leicht von denen im tätigen 
Zustand zu unterscheiden und haben ein ganz anderes Aussehen. Die 
Luteinzellen erfahren zuerst eine fettige Degeneration, infolgedessen ent- 
stehen zahlreiche Alveolen. Später verlieren sie dieses alveolare Aussehen, 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 21 


schrumpfen zusammen und die Grenzen zwischen ihnen verschwinden. Ihr 
Zytoplasma scheint mehr und mehr zu zerfallen. In den Kernen dieser 
Zellen ist die Degeneration früh zu sehen. Ihre Oberfläche schrumpft mehr 
und mehr ein und wird unregelmässig, ihr Chromatin verliert seine charak- 
teristische Verteilung und zeigt die Veränderungen, welche gewöhnlich von 
autolytischer Auflösung begleitet sind. Die Blutgefüsse nehmen sehr an 
Zahl ab, so dass der Körper ein festeres Aussehen bekommt. Während 
dieser Periode wandern viele Leukozyten in das ganze Gebilde ein, welche 
eine bedeutende Rolle bei dem Auflösen der jetzt nutzlosen Zellen zu spielen 
scheinen. Das Bindegewebe durchzieht das Organ in breiten Streifen und 
in einigen Fällen scheint es das Corpus luteum vollkommen in verschiedene 
Teile zu zerlegen, aber es ist noch von einer gut sichtbaren Bindegewebs- 
scheide umgeben. ‘Das ganze Gebilde wird zunehmend fibrös, von jetzt an 
wird es von einigen Autoren „Corpus fibrosum“ genannt. Das ovariale Binde- 
gewebe, welches diese degenerativen Corpora lutea umgibt, bleibt noch deutlich 
sichtbar, seine Zellen werden zahlreicher und drängen sich dicht zusammen. 

Diese Veränderungen sind bei ein oder zwei Exemplaren stark fort- 
geschritten und die Corpora lutea sind so an Grösse reduziert, dass sie 
nicht mehr als ein Achtel ihres früheren Umfanges haben. In solchen 
Fällen sind die Kerne der Luteinzellen in einem sehr vorgerückten Degene- 
rationsstadium. Wie die Corpora fibrosa schliesslich zugrunde gehen, wird 
nicht durch diese Präparate aufgeklärt, aber es scheint wahrscheinlich, dass 
es zum grossen Teil durch die Tätigkeit der Leukozyten geschieht. 


Petrogale penicillata. 
Angewandtes Material. 
Vor der Geburt der Jungen. 


— 
'ien | e Stadium der embryo- 

en Das Ovarium Die Corpora lutea | Ä Er 
Nr. ' nalen Entwicklung 


il 


F 1 Corpus luteum 
1 |Ovarium im Längsschnitt PER 


a Durchmesser Frühe Keimbläschen 
oval 8,5 x 5,75 mm an 
5.25 mm 
2 ium im Längsschnitt! 1 Corpus luteum 2 { 
Ovazi “Be 5 5 np ; Keimbläschen 
oval 7,5x 5, mm Durchmesser 5 mm | 
3 Ovarium im Längsschnitt 1 Corpus Juteume res 2 
\ 3 Späte Schwangerschaft 
oval 10 x 5,25 mm Durchmesser 5 mm 
Nach der Geburt der Jungen. 
erien 3 2 Stadium der embryo- 
- Das Ovarium | Die Corpora lutea | 3 > 
Nr. | nalen Entwicklung 


4 Ovarium im Längsschnitt) 1 Corpus luteum 


| Währ » + 
\dreieckig 8x 8x 10 mm| Durchmesser 5 mm Während der Gebur 


22 Chas..H0Denochue: 


tee ee ee —— 


Serien R 2 | Stadium der embryo- 
ı s Ov Die C 'a Jutea | i 
N Das Ovarıum ie Corpora lutea nalen 


| | Kurz nach der Geburt 


5 Ovarium im Längsschnitt! 1 Corpus luteum 5 % 
| B % Grösste Länge 20 mm 
' oval 11,25x 7,0 mm || Durchmesser 5 mm an 
| Kopflänge S mm 
6 Ovarium im Querschnitt | 


unregelmässig { ee = a 

er 5 £ = 1 kleines Corpus | Grösste Länge 26 mm 
| 20 luteum | Kopflänge 12 m 
Irre E | ) ge 12 mm 
bei Follikel Durchmesser | p = 


3,6 mm 


7 \ Ovarium im Querschnitt | 1 kleines Uorpus 
unregelmässig luteum, Durchmesser 
Seo mm 3.75 mm 


Grösste Länge 45 mm 
Kopflänge 15 mm 


S | Ovarium im Querschnitt 
unregelmässig 
929% 7.5 nm: 

Mit ziemlich grossem 

Follikel | 


In betreff der Bildungsstadien des Corpus luteum enttäuscht diese 
Serie auch wieder, aber sie besitzt nicht viele frühe embryonale Entwicklungs- 
stadien. In allen Fällen sind die Corpora lutea ganz ausgewachsen. so war 
es nicht möglich, den Einzelheiten des Bildungsvorganges zu folgen. In 
den beiden Fällen, wo in den Uteri Bläschen vorhanden waren, sind die 
Corpora lutea völlig ausgewachsen, und wie bei den vorhergehenden Arten 
enthielten fast alle untersuchten Ovarien Reste von (orpora lutea einer 
früheren Ovulation. Dieses lässt dieselbe Erklärung zu, welche bei dem 
Fall der M. ruficollis gegeben wurde, nämlich, dass zwei Ovulationsperioden 
innerhalb kurzer Zeit vorkommen, und dass entweder die beiden Ovulationen 
in einer Zeugungsperiode auftreten, oder zwei Zeugungsperioden schnell 
aufeinander folgen. 

Das andere schon bei den M. ruficollis beschriebene Gewebe ist 
bei dieser Art in bedeutend grösserer Menge vorhanden und ist bei allen 
untersuchten Ovarien zu finden. Oft tritt es in solcher Menge auf, dass es 
wenigstens das halbe Ovarium einnimmt, wenn nicht mehr, wie in Nr. 8. 
In einigen Fällen bildet es tatsächlich einen grossen Klumpen, z. B. in Nr. 2 


1 kleines Corpus | Grösste Länge 53 mm 
luteum Kopflänge 32 mm 


obgleich es von keiner Kapsel eingeschlossen ist, während es bei anderen, 
z B. Nr. 6. in eine grosse Anzahl von Stücken zerlegt ist, welche durch das 
gewöhnliche ovariale Stroma verstreut sind. Wenn ein Streifen dieses 
Gewebes in die Nähe eines tätigen Corpus luteum zu liegen kommt, nur 
durch die Bindegewebsscheide des letzteren von ihm getrennt, zeigt sich 
der Unterschied zwischen seinen Zellen und den Luteinzellen sehr deutlich. 
In ähnlicher Weise ist der Unterschied zwischen ihm und einem degenerativen 
Corpus luteum leicht zu sehen, wenn die beiden dicht zusammen liegen. 


NS 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 


Das Aussehen des Ovariums ist dem der M. ruficolis ähnlich, es ist 
oval und besitzt ein Corpus luteum, das gewöhnlich an einem Ende liegt. 
Das Corpus luteum ist in die Augen fallend und erreicht in den meisten 
Fällen einen Durchmesser von ungefähr 5 mm, aber in späteren Stadien 
hat es schon angefangen abzunehmen und die Oberfläche des Ovariums ist 
unregelmässiger. 


Die Follikelwand. 


In Nr. 6 ist ein fast reifer Follikel vorhanden, bei dem die Struktur 
seiner Wand untersucht werden kann. Die Zentralhöhle erreicht einen 
Durchmesser von ungefähr 3 mm und ist mit dem Liquor folliculi angefüllt, 
und das Ei mit seinem es umgebenden Discus proligerus liegt unsymmetrisch 
in ihr. Die Membrana granulosa ist zwei bis vier Zellen diek und nach 
aussen von der Membrana propria begrenzt. Ihre Zellen liegen dicht zu- 
sammen und zeigen in ihren Kernen keine mitotischen Figuren. Die zwei 
Schichten der Theca follieuli können ziemlich leicht unterschieden werden, 
da die Theca interna deutlicher ist als bei Perameles, aber nicht so hervor- 
tritt wie bei den Eutheria-Säugetieren. Sie ist derjenigen der vorhergehenden 
Arten sehr ähnlich. . 


Das völlig ausgebildete Corpus luteum verum. 


Das ausgewachsene Corpus luteum ist ein grosses Gebilde und kann 
einen Durchmesser, von 5,25 mm erreichen, die Zentralhöhle ist ganz ver- 
schwunden, aber der Bindegewebsptropf ist nicht ganz so gross wie bei den 
vorhergehenden Arten. Das Bindegewebe und die Blutgefässe bilden in ganz 
typischer Weise ein enges Netzwerk durch das Corpus luteum. Die Lutein- 
zellen sind hypertrophiert, ihr Zytoplasma ist sehr körnig und ihre Kerne 
sind mehr oder weniger rund. Diese Zellen liegen in allen Teilen des Ge- 
bildes fest zusammen und sind im Innern nicht lockerer angeordnet, wie sie 
es bei den M. ruficollis waren. Allerdings haben sie sich nach innen so 
weit ausgebreitet, dass der Zentralpfropf des Bindegewebes sehr stark 
reduziert ist. Das allgemeine Aussehen des Organs ist dem bei Perameles 
nicht unähnlich. Die Bindegewebsscheide ist in der gewöhnlichen Weise 
angeordnet. Zum grösseren Teil besteht sie aus Zellen, die denen in der 
Theca externa des Follikels ähnlich sind, und welche auch in den Körper 
des Corpus luteum eindringen. Einige Zellen der Theca interna bleiben 
jedoch noch übrig und sind zwischen den früher erwähnten Zellen und den 
Luteinzellen zu sehen. Von der Membrana propria ist keine Spur zu finden. 


Die Dauer des gelben Körpers kann nicht genau festgestellt werden, 
aber er scheint nicht so lange wie bei den vorhergehenden Arten in einem 
tätigen Zustande zu bleiben, denn in den letzten drei untersuchten Fällen 
erscheint er reduziert und die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass die 
Luteinzellen in diesen Fällen schon Zeichen von Degeneration aufweisen. 
Andererseits sind jedoch Reste von Corpora lutea einer früheren Ovulations- 
periode in fast allen Fällen zu finden, so dass die Corpora lutea nicht schnell 
verschwinden. 


24 Chas. H. O’Donoghue: 


Degenerierende Corpora lutea. 


Wie oben bemerkt, sind in den Corpora lutea der letzten drei Fälle 
dieser Art. welche von aussen gemessen nur einen Durchmesser von 
3,75 mm oder weniger erreichen, schon Degenerationserscheinungen sichtbar. 
Die Zellen sind kleiner geworden und weisen einige Zeichen von Auflösung 
auf. Ihr Zytoplasma ist sehr lückenhaft und ihre Kerne sind auch etwas 
geschrumpft. Diese Ovarien besitzen auch ältere Corpora lutea, welche in 
einem vorgeschritteneren Stadium von Degeneration sind. Hier sind die Zellen 
beträchtlich reduziert und ihr Zytoplasma entartet, die Kerne sind auch 
geschrumpft und unregelmässig und ihr Chromatin ist zu ungleichen Massen, 
wie es für die Auflösung typisch ist. angeordnet. Das innere Netzwerk von 
Gefässen und Bindegewebe ist mehr oder weniger reduziert. Die Binde- 
gewebsscheide ist etwas deutlicher zu sehen. 

Die verschiedenen Stadien sind denen bei M. ruficollis gefundenen 
ähnlich und wieder scheinen Leukozyten eine grosse Rolle bei der Auflösung 
des Gebildes zu spielen. 


Phascolomys Wombat. 
Angewandtes Material. 


Vor der Geburt der Jungen. 


Serien H 5 Stadium der embryo- 
Das Ovarium Die Corpora lutea 2 y 
Nr. nalen Entwicklung 
1 | Ovarium im Querschnitt | 1 grosses Corpus 
ziemlich regelmässig |Durchmesser 14 mm) Grösste Länge 8 mm 
34 x 20 mm luteum 
—— | — 
N . - - | 
2 | Ovarium im Querschnitt | 1 grosses Corpus 
ziemlich regelmässig luteum Grösste Länge 9 mm 
31x 19,6 mm Durchmesser 17 mm 
3 | Ovarium im Querschnitt | 1 grosses Corpus 
weniger regelmässig luteum Junger Embryo 
325x195 mm Durchmesser 15 mm 
| 1 Corpus luteum | - 
N b x (Grösste Länge 15,5 mm 
4 Ovarium klein 24x 15mm Durchmesser = a = R 
E <Sopflänge S mm 
11,75 mm ! Sn 
4 — 
A N j 1 grosses Corpus |_ 
5 | Ovarium im Querschnitt |Grösste Länge 17,5 mm 
ieinkich wu luteum, Durch- | Konfl : 
ziemlich regelmässig Ir <optlänge 8,2 mm 
= = messer 14,25 mm DEABSTE 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 25 


Nach der Geburt der Jungen. 


Serien 


Das Ovarium | Die Corpora lutea | Seaniumz der br 
Nr. | nalen Entwicklung 
6 Ovarium klein 1 Corpus luteum | Grösste Länge 29 mm 
24x15 mm Durchmesser 10 mm) Kopflänge 12 mm 
7 | Ovarium im Querschnitt 
unregelmässig aus 1 Corpus luteum sur: 4 
2 Teilen bestehend Durchmesser N a 
= 5 una s 
das eine 24x 9,5 mm 10,5 mm re an 


das andere 14,5 x 10 mm 


8 ı Ovarium im Querschnitt 
unregelmässig 
28x21 mm 


1 Corpus luteum | Grösste Länge 69 mm 
Durchmesser 10 mm| Kopflänge 27 mm 


9 | Ovarium gross im Quer- | 1 Corpus luteum 
schnitt unregelmässig Durchmesser 
34,5x18S mm 13,25 mm 


Grösste Länge 73 mm 
Kopflänge 285 mm 


Nichtschwangere Weibchen. 


—— 
Serie | Ovarium im Querschnitt ziemlich | ı Corpus luteum oval, grosser 


Nr. 10 regelmässig 24,25 x 15,5 mm Durchmesser 17,25 mm 


Diese Serie ist nicht reich an frühen Entwicklungsstadien. Der jüngste 
Embryo hat 8 mm Länge, das ist also etwas später als das Keimbläschen- 
stadium, so dass erste Bildungsstadien des Corpus luteum nicht zu erwarten 
waren. In Hinsicht auf die Seltenheit dieses Tieres und die aussergewöhnlichen 
Dimensionen der Corpora lutea, die in einem Fall einen Durchmesser von 
17 mm erreichen, fand ich es der Mühe wert, ihre Struktur genau zu unter- 
suchen. P.wombat ist ein ziemlich grosses Tier, ungefähr so schwer wie 
ein Schaf, und das Ovarium ist entsprechend gross, aber die Corpora lutea 
scheinen eine unverhältnismässige Grösse zu erreichen. Die Fixierung gelang 
nicht ganz so gut wie bei den vorhergehenden Arten; dies erklärt sich durch 
die Grösse des Ovariums, durch die feste Umhüllung des Eierstocks, durch 
das gefranste Tubenende, und durch den Umstand, dass die meisten auf dem 
Jagdgebiet in toto fixiert werden mussten. Für die histologische Unter- 
suchung war indessen die Fixierung völlig gut genug. 

Jedes Ovarium besitzt nur ein grosses tätiges Corpus luteum an einem 
Ende, welches wie eine grosse runde Geschwulst erscheint, so dass das Tier 
zwei Corpora lutea hat, obgleich in der Regel nur ein Uterus schwanger 
wird. Vor der Geburt der Jungen ist die Oberfläche des Ovariums einiger- 
massen glatt und das Corpus luteum nimmt in den meisten Fällen bedeutend 
mehr als die Hälfte des ganzen Ovariums ein. Nach der Geburt der Jungen 
ist das Corpus luteum etwas kleiner als vorher, obgleich es in Nr. 9 noch 


26 Chas. H. O’Donoghue: 


einen Durchmesser von 13,25 mm hatte, und die Oberfläche des Ovariums 
ist in eine Anzahl runder Erhöhungen aufgeworfen. Diese Vorwölbungen 
sind zum grössten Teil Follikel, und in diesem Zustande ist die äussere 
Erscheinung des Ovariums derjenigen des Ovariums von Platypus sehr 
ähnlich. 

In einer Anzahl von Fällen sind auch Corpora lutea von einer früheren 
Ovulation vorhanden, so dass bei dieser Art wieder zwei Ovulationen in ver- 
hältnismässig kurzer Zeit nacheinander vorkommen müssen, wie bei den 
M.ruficollis und P. penicillata. Das interstitielle Gewebe des Ovariums 
scheint bei P.wombat ganz zu fehlen. 


4 


0.8. 
(ih 
Fig. 1. 
Schematischer Entwurf eines Längsschnittes des Ovariums Nr. 1 von 
P. wombat, ungefähr zweimal vergrössert. c.p. — Zentralpfropf; f. = 
Follikel; c.l. — Corpus luteum: c.f. — Corpus fibrosum: 1.g. = Lutein- 
gewebe; e.o. — Ovarialepithel (Keimepithel); 0.5. = Ovarialstroma; s. — 


Scheide des Corpus luteum. 


Man sieht mit freiem Auge in der Mitte des Corpus luteum ein un- 
regelmässig sternförmiges Gebilde von hellerer Farbe, den Zentralpfropt. 
Von ihm gehen breite Streifen zu einer ihn nach aussen umgebenden gleich- 
falls hellen bindegewebigen Hülle, die sich nicht scharf von dem allgemeinen 
Ovarialstroma abhebt. Zwischen ihnen sieht man das dunklere Luteingewebe. 
welches somit in eine Anzahl von Läppchen zerlegt ist. 

Ein dem Ovarium entnommener zentraler Streifen wurde in Serien 
von ungefähr 10 „ Dicke geschnitten und wie gewöhnlich gefärbt. 


Die Follikelwand. 


Die Follikelwand besteht aus denselben Teilen wie die bei den vor- 
hergehenden Arten, sie hat aber eine grössere Ähnlichkeit mit der Follikel- 
wand eines Eutherion. Bei Nr. 8 ist ein ziemlich weit entwickelter Follikel 
von 4,5 mm vorhanden, bei dem die Struktur seiner Wand zu erkennen ist 
und bei welchem das Ei in seinem Discus proligerus unsymmetrisch liegt. 
Die Membrana granulosa ist zu einer sehr dünnen Schicht von ungefähr drei 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 27 


Zellen Tiefe reduziert, welche die Zentralhöhle, die mit dem seronnenen 
Liquor follieuli gefüllt ist, umgibt. Durch die Membrana propria hebt 'sie 
sich gut von dem Övarialgewebe ab. Die Theca follieuli ist sehr gut ent- 
wickelt, und der Unterschied zwischen ihrer inneren und äusseren Schicht 
tritt viel stärker als bei irgend einem der bis jetzt untersuchten Beuteltiere 
hervor. Die Theca interna ist besser ausgebildet als bei den beiden Arten 
von Macropoden oder bei Perameles und D. viverrinus: sie ist fast 
ebenso hoch entwickelt wie bei den Eutheria, wie z.B. Sobotta es beim 
Kaninchen (32), Meerschweinchen (35) ete. beschrieben und abgebildet hat. 
Die Theca interna bildet eine Schicht von drei oder vier Zellen Tiefe. welche 
dichter als das Follikelepithel liegen und von zahlreichen kleinen Blutgefässen 
durchzogen sind. Die Zellen sind vieleckig, mit runden Kernen, welche 
jedoch anders aussehen als die Kerne der Zellen der Membrana sranulosa. 
Da frühe Stadien fehlen, war leider nicht festzustellen, welche Rolle diese 
Zellen bei der Bildung des Corpus luteum spielen 


Das völlig ausgebildete Corpus luteum. 


Das allgemeine Aussehen des ausgewachsenen Corpus luteum wurde 
schon oben beschrieben. Die Bindegewebsscheide ist äusserst gut zu er- 
kennen und besteht wie gewöhnlich aus zwei Teilen, einem äusseren und 
einem inneren. Die äussere Schicht ist bei weitem dicker und besteht aus 
schmalen, langausgezogenen Zellen, welche denen der Theca externa, von 
welcher sie abstammen, ähnlich sind. An ihrer Innenseite finden sich 
einzelne kürzere rundere Zellen, welche von der Theca interna herrühren. 
Diese Theca ist beim Follikel sehr deutlich; es bleiben aber nur wenige ihrer 
Zellen in dem Corpus luteum erhalten, so dass diese Schicht bei der Bildung 
des gelben Körpers fast ganz aufgebraucht erscheint. Der sternförmige binde- 
gewebige Zentralpfropf gleicht, M. ruficolis ausgenommen, mehr derselben 
Bildung bei den anderen hier beschriebenen Arten. 

Die Luteinzellen sind denen der vorhergehenden Art sehr ähnlich. 
Es sind grosse Zellen mit stark gekörntem Zytoplasma und einem grossen 
bläschenartigen Stern. Bei dem zu Gebote stehenden Material ist es un- 
möglich zu sagen, ob die Zahl der Luteinzellen seit den frühen Stadien zu- 
genommen hat oder nicht; bei den untersuchten Exemplaren waren keine 
mitotischen Figuren zu sehen. 

Um die Lebensdauer des Corpus luteum zu berechnen, führe ich an, 
dass es bei dem jüngsten Stadium dieser Art schon in völlig ausgewachsenem 
Zustande vorhanden ist, und dass es ohne Anzeichen von Degeneration bei 
einem Tier, dessen Junges schon eine Länge von 73 mm erreicht hatte, ge- 
funden wurde. In den meisten Ovarien sind auch noch Oorpora fibrosa einer 
früheren Ovulation vorhanden. 


Degenerierende Uorpora lutea. 


Eine genauere Untersuchung der Corpora fibrosa zeigt, dass der 
drüsige Charakter des Corpus luteum verschwunden ist, denn die Luteinzellen 
sind nicht mehr gekörnt und ihr Zytoplasma sowohl ais auch ihr Kernplasma 


28 Chas. H.O’Donoghue: 


zeigen Degenerationserscheinungen. Die Kerne sind besonders stark ein- 
geschrumpft und lösen sich leicht auf. Das bindegewebige Netzwerk ist 
vorhanden, die es begleitenden Blutgefässe sind aber fast ganz verschwunden. 
Bei einigen dieser Corpora fibrosa findet sich eine grosse Anzahl Leukozyten, 
und es ist anzunehmen, dass die Corpora lutea durch die Tätigkeit dieser 
Leukozyten zugrunde gehen. 


Resultate. 
Das Ovarium. 

Die Ovarien aller hier soeben beschriebenen Arten enthalten 
bedeutend weniger Corpora lutea als das Ovarium von D. viver- 
rinus. 

Das Ovarium von P.obesula enthält in der Regel zwei 
tätige CGorpora lutea, aber zuweilen können auch nur eins, in 
anderen Fällen dagegen sogar drei vorhanden sein. 

Das Ovarium von P. nasuta enthält gewöhnlich ein tätiges 
Corpus luteum, es können aber auch zwei vorhanden sein. 

Die Ovarien von M. ruficollis, P. penicillata und 
P. wombat enthalten alle nur ein tätiges Corpus luteum. 

Die Ovarien von M. ruficollis und P. penicillata ent- 
halten in ihrem Stroma eine mässig grosse oder auch grosse Menge 
eines Gewebes, welches dem (Grewebe der interstitiellen Drüse bei 
den Ovarien einiger höherer Säugetiere gleicht. Hierin zeigen sie 
einen auffallenden Unterschied gegenüber den Ovarien der übrigen 
Arten, welche, wie D. viverrinus,. nichts von diesem Gewebe 
in ihrem Stroma enthalten. 

Das Vorhandensein von Corpora lutea aus einer vorher- 
gehenden Ovulation in den Ovarien von M. ruficollis, P. peni- 
cillata und P. wombat deutet sehr wahrscheinlich an, dass 
zwei Oestri und Ovulationen in derselben Zeugungsperiode vor- 
kommen, so dass diese Tiere polyoestrisch sind. 


Die Follikelwand. 

Bei allen Arten besteht die Wand des reifen Follikels aus 
denselben Teilen wie bei D. viverrinus oder den höheren 
Säugetieren. 

Die Membrana granulosa setzt sich aus kleinen, vieleckigen 
Zellen mit runden Kernen, welche zu einer Schicht von drei bis 
fünf Zellen Tiefe angeordnet sind, zusammen. 

Nach aussen wird die Membrana granulosa von der Membrana 
propria, einer deutlichen, homogenen Membran, begrenzt. 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 29 


An deren Aussenseite liegt die Theca follieuli, welche aus 

zwei Teilen besteht: 

a) Die Theca interna bleibt sich bei den verschiedenen 
Arten nicht gleich. Bei P.obesula und P. nasuta ist 
sie, obgleich besser zu sehen als bei den D. viverrinus, 
nicht so gut entwickelt wie bei den übrigen Arten. Bei 
P. wombat ist sie am deutlichsten, aber selbst hier nicht 
so hoch entwickelt wie bei den höheren Säugetieren. Bei 
M. ruficollis und P. penicillata zeigt sie eine 
mittlere Ausbildung. 

b) Die Theca externa ist bei den verschiedenen bis jetzt 
untersuchten Arten von Beuteltieren gleich und besteht 
aus einer sehr deutlichen Schicht langgestreckter Zellen 
mit schmalen Kernen, welche an der Aussenseite allmählich 
in das Ovarialstroma übergehen. 


Das Corpus luteum verum. 

Die Bildung des Corpus luteum verum ist bei P.obesula, 
P.nasuta und M.ruficollis untersucht worden und ist der 
bei D. viverrinus ähnlich. 

Die charakteristischen Zellen des Corpus luteum sind durch 
Wachstum und Umbildung der Zellen der Membrana granulosa ent- 
standen. In den frühen Stadien ist diese Veränderung der Zellen 
von einer gewissen Menge mitotischer Kernteilungen begleitet. 

Der Zentralpfropf und das bindegewebige Netzwerk stammen 
von den Einwucherungen der T'heca folliculi ab. Beide Schichten 
der Theca haben an der Bildung dieser Sprossen teil; die Theca 
interna wird in hohem Grade, aber nicht ganz, aufgebraucht, 
doch verwandelt sich keine ihrer Zellen in Luteinelemente. Die 
Blutgefässe, welche sich in dem Corpus luteum verzweigen, ent- 
stehen als Auswüchse der Kapillaren der Theca interna, und ihre 
Wand besteht aus einem einschichtigen Endothel. 

Der Bau des völlig ausgewachsenen Corpus luteum ist bei 
P. penieillata und P. wombat dem der anderen untersuchten 
Arten ähnlich. 

Das Corpus luteum spurium. 

Die Bildung des Corpus luteum spurium bei P.obesula 
ist der bei D. viverrinus ähnlich und mit der des Corpus 
luteum verum identisch. 


30 Chas. H.O'’Donoehue: 


Der Bau des Corpus luteum spurium bei P. obesula, 
M. ruficollis und P. wombat ist von dem des Corpus luteum 
verum bei derselben Art nicht zu unterscheiden. 

Die Corpora fibrosa. 

In den Ovarien von M. ruficollis, P.penicillata und 
P.wombat sind degenerierende Uorpora lutea oder ('orpora fibrosa 
vorhanden. aber nicht in den Ovarien von P. obesula und 
P. nasuta. 

Die Corpora fibrosa sind durch ihr äusseres Aussehen leicht 
zu erkennen und gehen wahrscheinlich durch die Tätigkeit von 
Leukozyten zugrunde. 


Der Ursprung der Luteinzellen. 

Trotz der grossen Zahl von Autoren, welche die Bildung 
und Struktur des Corpus Inuteum untersucht haben. ist man bis 
heute noch nicht zu einer allgemeinen Übereinstimmung über den 
Ursprung der Luteinzellen gekommen. Unter Hinweis auf das 
in der Einleitung (Gresagte, bespreche ich hier noch die Ansichten 
derjenigen Autoren, welche, wie Jankowski, Williams und 
später Delestre. Pottet und vielleicht Hegar noch an der 
Theorie von v. Baer festhalten. nach der die Luteinzellen aus- 
schliesslich von den Bindegewebszellen der Theca follieuli ab- 
stammen sollen. ’ 

Jankowski (17) stützt seine Behauptungen auf eine reich- 
liche Untersuchung der Övarien von Meerschweinchen und Schweinen, 
welche ohne irgend welche Rücksicht auf Brunst, Kopulation oder 
Schwangerschaft gewonnen wurden. Er kommt hauptsächlich durch 
die Ähnlichkeiten einiger Zellen der Theca interna mit den Lutein- 
zellen zu der Schlussfolgerung, dass „das Corpus luteum kein 
epitheliales, sondern ein bindegewebiges (Gebilde, ein Produkt der 
Theca follieuli, sei“. Die Beweise, welche zur Bekräftigung dieser 
Theorie vorgebracht worden sind, sind unzulänglich und nieht 
entscheidend; sie wurden schon von Sobotta (35) und 
Marshall (23) hinreichend kritisiert. Williams (43) vertritt 
dieselbe Theorie für den Menschen, in Anbetracht der Ähnlich- 
keiten gewisser Zellen der Theca interna vor der Ovulation mit 
denen des Corpus luteum und der Tatsache, dass, wie er meint, 
die Membrana granulosa stark degeneriere und beim Platzen des 
Follikels ausgestossen würde. 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 31 


Delestre (11) nahm sein Material von der Kuh; die 
frühesten Stadien, welche er erhielt, waren jedoch von schwangeren 
Tieren, deren Feten ungefähr 2'/» Monat alt waren. Um diese 
Lücke auszufüllen. wurde eine Anzahl Ovarien von Tieren in 
der Brunstzeit, aber ohne Hinweis auf den speziellen Tag der 
Brunstperiode, genommen und frühe Stadien ausgewählt. Bei dem 
reifen Follikel wird die Theca interna als aus zwei Schichten 
bestehend beschrieben, einer inneren fibrösen Schicht, nahe der 
Membrana propria,. und einer äusseren Schicht grösserer Zellen, 
und es wird behauptet, dass die Luteinzellen von der äusseren 
dieser beiden Schichten abstammten. Die Verwandlung der Zellen 
dieser Schicht zu Luteinzellen ist nicht untersucht, freilich sagt 
der Verfasser selbst (S. 291): „A quel moment s’accomplit cette 
transformation?” Probablement aussitöt apres la dehiscence, car 
nous n’avons jamais trouv&e dans les follieules, memes les plus 
avances dans leur d&veloppement, de la cellule a luteine“. Aber 
um zu behaupten, dass die eine Zellart in die andere übergehe, 
muss gerade diese Veränderung untersucht werden. Allem An- 
schein nach ist kein Stadium zwischen dem reifen Follikel und 
der Zeit, wo das bindegewebige Netzwerk sich völlig zwischen 
den Luteinzellen ausgebreitet hat, untersucht worden. Dieser 
Zustand ist auf Taf. VII, Fig. 9 abgebildet und ist demjenigen 
bei P.obesula und P.nasula abgebildeten etwas ähnlich, und 
da Zwischenstadien fehlen, lässt er wahrscheinlich dieselbe Aus- 
legung zu. Der Verfasser behauptet ferner, dass der grösste Teil 
der Membrana granulosa mit dem Ei ausgestossen wird. Er weist 
auf die Möglichkeit hin, dass der Vorgang der Corpus luteum- 
Bildung bei den verschiedenen Tieren verschieden ist, und 
schliesst (S. 307): „Les cellules ä luteine chez la vache tirent 
done exclusivement leur origine de la theque interne“. 

Pottet (28) untersuchte die Struktur des Corpus luteum 
an menschlichem Material, und schliesst: „Personnellement, nous 
crovons que chez la femme la cellule a luteine provient de la 
theque interne“. Dieser Theorie scheint hauptsächlich Delestres 
Arbeit über die Kuh zugrunde zu liegen; die frühsten Stadien, 
welche untersucht wurden, stammten aus der sechsten Schwanger- 
schaftswoche. 

Hegar (14) beschäftigt sich auch mit dem Corpus luteum 
beim Menschen, und sein Material ist einwandfreier als das 


32 Ch as: H 0&Do0mo ehe: 


einiger vorhergehender Arbeiten. Es wurde durch Operation ge- 
wonnen, und jeder Fall nimmt auf das Vorkommen der Menstruation 
Bezug, aber selbst hier wurden, wie der Verfasser angibt. keine 
Zwischenstadien untersucht. Seine Beschreibung und Abbildung 
(Taf. XX, Fig. 1) zeigt ganz deutlich, dass die Membrana granulosa 
bei dem Platzen des Follikels nicht ausgestossen wird und „zeigt 
keine Spuren von Degeneration.“ Er schliesst (Seite 546): „Alle 
Corpora lutea nehmen ihren Ursprung aus der Theca interna, 
gleichgültig, ob es sich um die Produkte geplatzter oder atre- 
sierender Follikel handelt, alle Corpora fibrosa entstammen der 
Theca externa, und die so häufigen Mischformen entstehen aus 
der wechselnden Beteiligung beider Elemente. Eine Beteiligung 
des Epithels an der Bildung der Corpora lutea ist bis jetzt für 
den Menschen nicht einwandfrei bewiesen. Ob dieselbe vorkommt. 
müssen noch weitere Untersuchungen an frühesten Stadien der 
Corpus luteum-Bildung zeigen.“ Sobotta gibt an, dass Hegar den 
ausschliesslich thecalen Ursprung des Corpus luteum verteidige, in 
Wirklichkeit sagt er aber, „wir müssen die Frage noch offen lassen“. 

(rewisse allgemeine Kritiken wenden sich gegen alle diese 
Autoren, welche daran festhalten, dass das Luteingewebe aus- 
schliesslich der Theca follieuli entstammt. Erstens muss erwähnt 
werden, dass alle diese Autoren Material benutzten. welches vom 
Menschen, oder von so grossen Tieren, wie Schwein und Kuh, 
genommen wurde. Es ist bereitwillig anerkannt worden, dass es 
in diesen Fällen ausserordentlich schwierig ist, beim Menschen 
fast unmöglich, vollständige Reihen zu erhalten, wie sie bei ge- 
wissen anderen kleineren Tieren untersucht wurden, z. B. von 
Sobotta, Honore, Van der Stricht. Loeb ete., oder wie 
sie bei D. viverrinus und P.obesula zur Verfügung standen. 
Ferner ist es viel schwieriger, das erhaltene Material genügend 
zu fixieren, wie es oben bei P. Wombat angegeben ist. so dass 
die Autoren von Anfang an unter ungünstigen Verhältnissen 
arbeiteten. Bühler (9) geht so weit, zu sagen, dass dieser Wider- 
spruch in der Beschreibung der kleineren und grösseren Tiere 
durchaus nicht unwesentlich ist, und Delestre (11) deutet eben- 
falls darauf hin, dass der Prozess der Corpus luteum-Bildung bei 
den verschiedenen Tieren verschieden sein könne. Man kann sich 
aber sehr schwer vorstellen, dass Strukturen. welche tatsächlich 
nach der Zeit ihres Auftretens, nach ihrem Ursprungsort und 


Über die Corpora lutea bei einigen Benteltieren. 33 


nach ihrer endgültigen histologischen Struktur identisch sind, auf 
zwei ganz verschiedene Weisen in derselben Unterklasse, den 
Eutheria, entstehen können. Die Einzelheiten der Bildung mögen 
bei den verschiedenen Gattungen wechseln. z. B. darin, bis zu 
welchem Grade sich die Zellen der Membrana granulosa in Lutein- 
zellen verwandeln, es ist aber wahrscheinlicher, dass die Haupt- 
veränderungen bei allen Säugetieren dieselben sind. 

Es wurde schon weiter oben bemerkt. muss aber hier noch 
einmal betont werden, . dass die Reihe der untersuchten jungen 
Bildungsstadien bei allen früher untersuchten Fällen sehr unvoll- 
ständig ist, und dass in einigen Fällen keine frühen Stadien unter- 
sucht wurden, gerade diese frühen Stadien sind indessen äusserst 
wichtig, wenn man die einzelnen Vorgänge der Veränderung fest- 
stellen will. In einem Fall (Jankowski) wurden die Ovarien 
ganz ohne Auswahl gesammelt. Andererseits stimmen alle die- 
jenigen Autoren, welche vollständige Serien von Ovarien mit dem 
nötigen Hinweis auf Schwangerschaft, Kopulation oder Ovulation 
untersucht haben, unter anderen z.B. Sobotta, Van der Stricht, 
Honore&, Straty, Sandes, darin überein, dass die Luteinzellen 
auf jeden Fall in der Hauptsache von den Zellen der Membrana 
granulosa abstammen. Diese Beziehung der Ovulation zur Corpus 
luteum-Bildung und die Vollständigkeit der untersuchten Serien 
machen das Beweismaterial wertvoller. als bei den Fällen, wo das 
Material nicht so sorgfältig gesammelt wurde, oder die Reihe 
nicht so vollständig war. 

Die beiden Hauptgründe, welche zugunsten der Ansicht, 
dass die Luteinzellen von Zellen der 'Theca tolliculi abstammen, 
vorgebracht wurden, sind erstens, dass die Membrana granulosa 
entweder bei der Ovulation ausgestossen wird, oder gleich nach- 
her degeneriert, und zweitens, die Ähnlichkeit gewisser Zellen 
der Theca interna mit denen des Corpus luteum. 

In bezug auf die erste Begründung sollte man erwähnen, 
dass die Membrana granulosa bei einer grossen Anzahl von Tieren 
weder degeneriert, noch bei der Ovulation ausgestossen wird, und 
wie Hegar gezeigt hat, ist dieses auch beim Menschen der Fall. 
In der Tat sprechen die allgemein vorkommenden Tatsachen 
dafür, dass die Zellen der Membrana granulosa in allen Fällen 
zu der Bildung der Luteinzellen beitragen, wenn diese ihnen 


nicht ihren Ursprung sogar ganz verdanken. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 3 


34 Chas: H202Donochue: 


In bezug auf den zweiten Punkt zeigt sich die Ähnlichkeit 
gewisser Zellen der Theca interna des reifen Follikels mit denen 
des Corpus luteum durch eine allgemeine Gleichartigkeit in Form 
und Aussehen der Zellen und Kerne und auch durch die Tatsache, 
dass diese Zellen in der Theca interna auch Luteinkörnchen ent- 
halten. Diese Ähnlichkeit kann dadurch erklärt werden, dass 
eine Anzahl interstitieller Zellen, welche nach Lane-Claypon (18) 
in gleicher Weise wie die Zellen der Membrana granulosa von 
dem Keimepithel abstammen und eine ähnliche Reihe von Ver- 
änderungen durchmachen, in die Theca interna eingeschlossen 
sind. In seiner letzten Arbeit erklärt Van der Stricht (39), 
dass die Luteinbestandteile auch durch diese interstitiellen Zellen 
der Theca interna, welche mit den Bindegewebs-Einwucherungen 
in das junge Corpus luteum eindringen, vermehrt werden können. 
Die Bedeutung dieser Elemente der Theca interna ist bei der 
Fledermaus gering, in dem Luteingewebe der Frau wird sie 
jedoch wichtiger. Er sagt ferner, dass diese interstitiellen Zellen 
den Epithelzellen der atretischen Follikel entstammen und aus 
der Theca interna auswandern. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass, in Hinsicht auf den von 
Van der Stricht und anderen gelieferten Beweis, diese Zellen 
der Theca interna bei vielen Eutheria bei der Bildung des Lutein- 
gewebes eine Rolle spielen. Bei allen Eutheria scheint dieses 
jedoch nicht der Fall zu sein, denn Völker (40) gibt in seiner 
Arbeit über die Histogenese des gelben Körpers beim Ziesel das 
Urteil ab: „Die Zellen der Theca interna kann ich als solche bis 
in das vollkommen ausgebildete Corpus luteum verfolgen“ und 
sagt, dass sie nicht in Luteinzellen verwandelt werden. 

Bei den beiden Arten von Perameles kommt solche Ähnlich- 
keit zwischen den beiden Zellarten nicht vor, und die Zellen der 
Theca interna unterscheiden sich immer von denen der Membrana 
granulosa oder des Corpus luteum, in dem reifen Follikel sind 
sie in der Tat den Zellen der Theca externa etwas ähnlich. Dieses 
ist auch bei den anderen untersuchten Arten der Beuteltiere der 
Fall, und obgleich die Beschaffenheit der Theca interna bei 
P. Wombat sich mehr der der Eutheria nähert, sind ihre Zellen 
doch niemals denen des Corpus luteum ähnlich. Nach Sandes 
ist die Theca interna bei den D. viverrinus als eine undeutliche 
Schicht platter, kernhaltiger Zellen nahe der Membrana propria 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 35 


und der Theca externa sehr ähnlich, beschrieben, und erreicht 
niemals den bei den höheren Säugetieren beschriebenen Zustand. 
Derselbe Autor zeigt auch, dass es bei den D. viverrinus 
möglich ist, Follikel zu finden, in welchen die Hypertrophie der 
Zellen der Membrana granulosa schon vor dem Einbruch der 
Theca folliculi begonnen hat, und in diesen Fällen tritt der 
Unterschied zwischen den Zellen der Theca interna und denen 
des Corpus luteum sehr stark hervor. 

Die Bildung der Theca interna kann bei den verschiedenen 
hier untersuchten Beuteltieren und D. viverrinus in Follikeln 
verschiedenen Alters genau betrachtet werden, und es zeigt sich, 
dass keine Einwanderung oder Einschliessung von interstitiellen 
Zellen vorkommt und dass es eine Struktur ist, welche unmittelbar 
von der Theca des Primärfollikels abstammt. Durch diese Tat- 
sachen sind die späteren Veränderungen der Zellen der Theca 
interna einigermassen zur Gewissheit geworden und man kann 
sehen, wie diese Zellen in die jungen Theca-Einwucherungen ein- 
dringen und an der Bildung des bindegewebigen Netzwerkes teil- 
nehmen. Nach Luteinkörnchen suchte man in diesen Zellen ver- 
gebens und selbst in mit Osmiumsäure fixierten Ovarien waren 
keine dunkelgefärbten Körnchen wie bei den Luteinzellen zu 
sehen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass ırgend eine von ihnen 
sich verändert, um sich in eine Luteinzelle umzubilden, andererseits 
sind sie leicht zu erkennen und von Luteinelementen aller Stadien 
zu unterscheiden und machen tatsächlich keine Veränderung 
ausser der Zunahme an Zahl während der Bildung des gelben 
Körpers durch. 

Hier ist also ein bemerkenswerter Unterschied zwischen 
Eutheria und Beuteltieren. Bei den Beuteltieren sind keine inter- 
stitiellen Zellen in die Theca interna eingeschlossen und die 
Zellen der Theca interna nehmen nur an der Bildung des binde- 
gewebigen Netzwerkes teil, verwandeln sich aber nicht in Lutein- 
zellen. Von den bis jetzt untersuchten Beuteltieren kann man 
sagen, dass die Membrana granulosa bei der Övulation 
nicht ausgestossen wird und nicht gleich nachher 
degeneriert. Ferner zeigen die Serien ganz deutlich, dass 
Bischoffs Hypothese für diese Tiere die richtige ist, und die 
Luteinzellen ausschliesslich von den Zellen der 


Membrana granulosa abstammen, während die Ein- 
ar 


36 Chas. H. O’Donoghue: 


wucherungen der Theca follieuli nur das Binde- 
sewebe des Corpus luteum entstehen lassen. 


Die Vermehrung der Luteinzellen. 


Die Frage, ob in den Zellen der Membrana granulosa 
während ihrer Umwandlung in Luteinzellen Mitosen vorkommen, 
ist auch oft erörtert worden. Sobotta erklärt in seinen früheren 
Arbeiten über die Corpora lutea der Maus (31) und des Kanin- 
chens (32), dass in den Epithelialzellen des Follikels keine Mitosen 
vorkommen, bei seiner Untersuchung des Meerschweinchens be- 
schreibt er sie aber und bildet sie ab. Viele andere Autoren 
haben das Vorkommen mitotischer Figuren in den Zellen der 
Membrana granulosa während des ersten Bildungsstadiums des 
gelben Körpers wahrgenommen, z. B. Belloy (4) und auch 
Bouin (8) bei der Ratte und dem Meerschweinchen, Löb (19 
und 20) bei dem Meerschweinchen, Marshall (2) beim Schaf, 
Regaud et Dubreuil (29) beim Kaninchen, Stratz (36) bei 
Tupaja, Sorex und Tarsius und Van der Stricht (37) bei ver- 
schiedenen Arten von Fledermäusen. 

Andererseits geben Honor& (16) beim Kaninchen und 
Heape (13) bei Macacus rhesus an, dass keine Teilung vorkommt. 
Sandes hat bei trächtigen D. viverrinus festgestellt: „No multi- 
plication of the cell nuclei by direct or indireet division can be 
made out, though carefully and often searched for in sections 
treated with different stains“. Bei meiner Untersuchung der ähn- 
lichen Vorgänge bei nicht trächtigen D. viverrinus kam ich 
auch zu dem Schlusse, dass das Wachsen der Zellen der Membrana 
granulosa weder von direkter noch indirekter Teilung begleitet war. 

Wie vorher gesagt, durfte ich die Originalschnitte, welche 
von Sandes gemacht wurden, durchsehen: bei der Nachunter- 
suchung dieser Schnitte und der Präparate von nichtschwangeren 
Weibchen fand ich ebenfalls keine Mitosen. Bei einer solchen 
Sache ist jedoch ein positiver Befund mehr wert, als eine Anzahl 
von Beobachtungen mit negativem Ergebnis, denn aus dem letzten 
kann man nur schliessen. dass das oder die speziellen Stadien, 
in denen Mitosen vorkommen, nicht untersucht wurden. Im all- 
gemeinen scheint es der Fall zu sein, dass sich die jungen Lutein- 
zellen während der ersten Entwicklungsstadien des gelben Körpers 
durch Teilung vermehren und wenn auch die Häufigkeit solcher 


en I 


= 
—] 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 


Mitosen sich bei den verschiedenen Tieren nicht gleich bleibt, 
so kamen doch in allen bis jetzt beschriebenen Arten nur selten 
Mitosen vor.') Bei beiden, P. obesula und P.nasuta, sind 
Mitosen in den Luteinzellen, wenn auch nicht in grosser Anzahl, 
vorhanden, bei den drei anderen hier beschriebenen Arten wurden 
keine Mitosen gefunden, es handelte sich in diesen Fällen aber 
auch um keine sehr frühen Stadien. 

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich bei P. obesula 
und P. nasuta die Luteinzellen auf jeden Fall auch 
bis zu einem gewissen Grade durch mitotische Tei- 
lung vermehren, obgleich sie in der Hauptsache von den 
vergrösserten Zellen der Membrana granulosa abstammen. 


Corpora lutea vera und spuria. 

Dem Graafschen Follikel können drei verschiedene Schick- 
sale widerfahren; er kann entweder platzen, sein Ei ausstossen 
und wenn das Ei darauf befruchtet wird, ein Corpus luteum verum 
bilden; oder er kann sein Ei ausstossen, welches aber nicht 
befruchtet wird, und so ein Corpus luteum spurium entstehen 
lassen; oder er kann sich ohne zu platzen oder sein Ei auszu- 
stossen, verändern und dann ein Corpus luteum atreticum oder 
einen der Atrophie verfallenen Follikel bilden. Die letzte von 
diesen drei Möglichkeiten wird hier ausser acht gelassen. 

’aladino (26 und 27) erklärt alle diejenigen Gebilde, 
welche in einem geplatzten Follikel entstehen, als wahre gelbe 
Körper, während er solche, die in einem nicht geplatzten Follikel, 
das heisst einem 'atrophischen Follikel, gebildet werden, falsche 
gelbe Körper nennt. Hierin folgt ihm nur Beigel (3), aber keiner 
der anderen Autoren. Aus Paladinos Bezeichnung geht jedoch 
nicht hervor, ob das Corpus luteum von einem trächtigen oder 
nicht trächtigen Tiere erhalten wurde, und da sie ausserdem 
ohne triftigen Grund zu Missverständnissen in der Nomenklatur 
führen würden, scheinen die oben angegebenen allgemein gebräuch- 
lichen Ausdrücke die besten zu sein. Ancel und Bouin er- 
wähnen, dass in Aufbau und Dauer dieser beiden Körper ein 
Unterschied ist, und sagen weiter, dass bei Tieren mit spontaner 
Ovulation zwei verschiedene Formen von Corpora lutea zu finden 


') Vielleicht sind sie bei den Meerschweinchen häufiger und deutlicher, 
weil alle Forscher, welche dieses Tier bearbeiteten, sie beschreiben. 


38 Chas. H. O’Donoghue: 


sind. Die erste dieser Formen entsteht, wenn das Tier später 
trächtig wird, in dem oben festgelegten Sinne als ein „Corpus 
luteum verum“ und sie schlagen vor, dieses ein Schwangerschafts- 
Corpus luteum zu nennen (corps jaune gestatir). Die zweite Form 
wird gebildet, wenn das Tier später nicht trächtig wird, das heisst 
in dem oben festgelegten Sinne als Corpus luteum spurium, und da 
dieses bei polyoestrischen Tieren in regelmässig wiederkehrenden 
Perioden entsteht, haben die Autoren vorgeschlagen, sie periodische 
gelben Körper zu nennen (corps jaune periodique). Sie behaupten, dass 
dieser nicht so stark entwickelt ist und nicht so lange besteht wie 
ein „corps jaune gestative“. Diese vorgeschlagenen Bezeichnungen 
haben vor den schon allgemein gebräuchlichen keinen Vorteil und 
umfassen Unterschiede, welche nicht bei allen Tieren vorhanden sind. 

Wie schon in der Einleitung angedeutet, dringt Wal- 
deyer (42) darauf, die Unterscheidung des Corpus luteum verum 
von einem Üorpus luteum spurium fallen zu lassen, da der Bau 
der Körper in beiden Fällen der gleiche sei. Es ist unverkennbar 
unmöglich, der weiteren Entwicklung eines einzelnen Eies aus 
einem besonderen Follikel zu folgen; oft ist es der Fall, dass 
man mehr Corpora lutea in den Ovarien als sich furchende Eier 
oder Embryonen in den Uteri findet, z. B. Bischoff beim Kanin- 
chen (5), Meerschweinchen (7) und Hunde (6) und Sobotta 
bei der Maus (31). Das Gegenteil könnte begreiflicherweise ın 
den Ausnahmefällen, wo ein Follikel mehr als ein Ei enthält, 
z. B. bei D. viverrinus (25). vorkommen. Man kann sich nicht 
denken, dass das weitere Schicksal eines Eies nur den besonderen 
Follikel, aus dem es kommt und keinen anderen beeinflusst, 
obgleich es begreiflich ist, dass das Eintreten oder Nichteintreten 
von Schwangerschaft Einfluss auf die gelben Körper in den Ovarien 
haben könnte, wie es in der Tat von einigen Autoren angegeben 
wird. Daher ist es wünschenswert, Bezeichnungen zu haben. welche 
angeben, ob der gelbe Körper einem schwangeren oder nicht- 
schwangeren Weibchen angehört. Wie in der Einleitung bemerkt, 
ist in dieser Arbeit die Bezeichnung ÜUorpus luteum verum für 
eine Struktur angewandt, welche in den geplatzten Follikeln 
eines Tieres, bei dem Befruchtung der ausgestossenen Eier folgt, 
entsteht, und Corpus luteum spurium für eine Struktur, welche 
sich in einem geplatzten Follikel bildet, wenn der Ovulation 
keine Befruchtung mit späterer Schwangerschaft folgt. 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 39 


Was die Corpora lutea vera und spuria anbetrifft, so wurden 
einander widersprechende Ansichten von verschiedenen Autoren 
vorgebracht, welche einerseits daran festhalten, dass zwischen den 
beiden Strukturen ein Unterschied besteht. und andererseits, dass 
es keinen Unterschied gibt. Um ein einfaches Beispiel zu bringen: 
die meisten anatomischen Lehrbücher sagen, dass die beiden gelben 
Körper beim Menschen auf jeden Fall voneinander verschieden 
seien, während Pottet (S. 15) angibt: „Le corps jaune gestatif 
est identique au corps jaune periodique, il ne s’en differencie que 
par sa duree qui est celle de la grossesse“. 

Wachstum und Bau des Corpus luteum spurium bei 
D. viverrinus wurde von mir (25) untersucht, und ich kam 
zu dem Schlusse, dass es in keinem Stadium möglich ist, das 
Corpus luteum eines nicht trächtigen Weibchens von dem eines 
trächtigen zu unterscheiden. Die Dauer der falschen gelben Körper 
konnte nicht genau festgestellt werden: jedenfalls zeigte es sich 
aber, dass diese gelben Körper nicht nur vorübergehend bestehen. 

Ein frühes Bildungsstadium des Corpus luteum spurium bei 
P.obesula wurde oben beschrieben, und man sieht daraus, dass 
es in jeder Hinsicht einem gleichen Stadium eines wahren gelben 
Körpers gleich ist. Die völlig ausgebildeten Corpora lutea spurla 
von P.obesul, P.penicillata und P. wombat wurden eben- 
falls sorgfältig untersucht, und es erwies sich als unmöglich, 
zwischen ihnen und den Üorpora lutea vera der gleichen Art 
irgend einen Unterschied im Aufbau zu entdecken. Leider war 
in keinem dieser Fälle irgend ein Nachweis für die Dauer des 
falschen gelben Körpers beizubringen. In Hinsicht auf die beiden 
Arten von Beuteltieren kann man behaupten, dass die Bildung 
der beiden verschiedenen Corpora lutea die gleiche 
ist, und weiter bei den vier Arten, bei denen völlig ausgebildete 
Körper der beiden Sorten untersucht wurden, dass das Vorpus 
luteum verum und das Corpus luteum spurium in 
ihrem Bau identisch sind. 


Das bindegewebige Netzwerk. 


Abgesehen von den Autoren, welche sagen, dass die Membrana 
granulosa bei dem Platzen des Follikels zugrunde geht, oder 
sofort nachher degeneriert, und dass das ganze Uorpus luteum 
von der Theca interna abstammt, beschreiben die übrigen Forscher 


40 Chas. H. O’Donoghue: 


die Vorgänge in diesen beiden Schichten der Theca folliculi ver- 
schieden. 

Einerseits erklärt eine Anzahl von ihnen, z. B. Sobotta bei 
der Maus (31) und beim Meerschweinchen (35), Stratz bei Tupaja, 
Sorex und Tarsius (36) und Van der Stricht (37) bei ver- 
schiedenen Arten von Fledermäusen, dass das bindegewebige Netz- 
werk des gelben Körpers allein von der Theca interna abstammt 
und alle, Van der Stricht ausgenommen, behaupten, dass die 
Theca interna bei diesem Prozess ganz aufgebraucht werde. 
Andererseits lassen einige Forscher, z. B. Marshall, beim Schaf 
(21) und Völker beim Ziesel (40) das Bindegewebe von beiden, 
der Theca interna und externa, abstammen. Marshall sagt, dass 
die Theca interna ganz aufgebraucht werde. Über das Kaninchen 
herrschen sich widersprechende Meinungen, Sobotta gibt an (32). 
dass das Netzwerk von der T'heca interna, welche bei diesem 
Prozess aufgebraucht wird, abstammt; nach Honor& (16) nehmen 
beide Schichten der Theca folliculi daran teil. und Honor& be- 
hauptet ferner, dass alle Zellen der inneren Schicht aufgebraucht 
werden. Cohn (10), welcher auch über das Kaninchen berichtet, 
sagt gleichfalls, dass die hineinwuchernden Bindegewebssprossen 
aus der Theca follieuli entstehen, er macht aber keinen Unter- 
schied zwischen den beiden Schichten. 

Die Tatsache, dass die beiden Schichten der Theca follieuli 
in dem reifen Follikel von D. viverrinus nicht zu unterscheiden 
sind, hat schon früher die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, und nach 
Sandes ist es unmöglich, die Theca externa von der rudimentären 
Theca interna zu unterscheiden, diese Behauptung konnte ich später 
bestätigen (25). Weitere Untersuchungen meiner Serien mit be- 
sonderer Beachtung dieses Punktes zeigten, dass nach aussen von den 
Luteinzellen eine aus ein oder zwei kleinen Zellen bestehende Schicht 
liegt, deren Elemente sich sowohl von den Zellen des Luteingewebes 
als auch von denen der äusseren Bindegewebslage unterscheiden. 
Wahrscheinlich stellen sie die Reste der rudimentären Theca 
interna vor, obgleich die Schicht selbst in dem reifen Follikel nicht 
zu erkennen ist. Dieses ist begreiflich, wenn man bedenkt. dass 
ein einziges Ovarıum von Diaverrinus fünfzehn oder mehr 
reife Follikel zur selben Zeit haben kann, und dass die Follikel 
infolgedessen sehr dicht zusammengepresst werden, wodurch der 
Unterschied zwischen der Theca interna und externa verwischt wird. 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 41 


Bei den beiden Arten von Perameles kann man verhältnis- 
mässig leicht den Veränderungen der beiden Schichten folgen, 
denn die Theca interna ist, obgleich nicht so deutlich abgegrenzt 
oder so gut entwickelt, wie bei den höheren Säugetieren, doch 
klarer, als bei D. viverrinus. Die einwuchernden Sprossen 
stammen von beiden Schichten, der Theca folliculi ab, und die 
Theca interna wird im Laufe der Umbildung fast ganz auf- 
gebraucht, wenn auch einige ihrer Zellen noch in dem völlig 
ausgewachsenen gelben Körper vorhanden sind. Nach aussen von 
den Luteinzellen sind hier und da noch einige ihrer Zellen zu 
sehen, aber sie bilden keine besondere Schicht mehr. P.peniecillata 
und M. ruficollis zeigen etwas weiter entwickelte Thecae internae: 
bei P. wombat ist diese Schicht noch deutlicher abgegrenzt, aber 
sie ist selbst bei diesen Tieren nicht so gut ausgebildet wie bei 
den höheren Säugetieren und enthält keine interstitiellen Zellen. 
Bei all diesen Arten sehen wir wieder, dass das Bindegewebe 
beiden Schichten der Theca folliculi seinen Ursprung verdankt, 
und wenn die Theca interna auch in sehr hohem Maße auf- 
gebraucht wird, so sind doch immer einige ihrer Zellen in dem 
äusseren Teil des Corpus luteum zwischen seinen Lutein-Bestand- 
teilen und der fibrösen Scheide, welche von der Theca externa 
abstammt, zu finden. Die Theca externa ist zweifellos, vielleicht 
beträchtlich, an der Bildung des Netzwerks des völlig ausgebildeten 
gelben Körpers beteiligt. 

Bei den untersuchten Beuteltieren verdankt also das 
Bindegewebe des völlig entwickelten Corpusluteum 
den Einwucherungen der Theca follieuli seinen Ur- 
sprung. Beide, sowohl die Thecainterna alsauch die 
Theca externa, sindan dieser Bildung beteiligt, und 
die Theca interna wird bei diesem Vorgange nahezu 
aufgebraucht. 


Das Corpus luteum bei den Beuteltieren und 
Monotremata. 

In der Einleitung wurde auf Fraenkels und Cohns 
Behauptung, dass die Monotremata und Beuteltiere einen rudi- 
mentären oder gar keinen gelben Körper aufweisen, hingewiesen, 
es ist jedoch kein Beweis erbracht, der diese Behauptung unter- 
stützt. 


42 Chas. H. O’Donoghue: 


Was die Monotremata anbetrifft, so kann ich sagen, dass 
eines von ihnen, Platypus, auf jeden Fall ein Corpus luteum 
besitzt; die Frage aber, ob es rudimentär oder nicht rudimentär 
ist, kann man nur durch eine genaue Untersuchung seiner Struktur 
beantworten. Für die vorliegende Untersuchung wurde eine grosse 
Anzahl von Beuteltier-Ovarien der verschiedensten Arten unter- 
sucht und in allen den Fällen, wo das Ovarium einem schwangeren 
Weibchen angehörte, waren Corpora lutea vorhanden. Die Beweise 
in den Abhandlungen von Sandes (30) und mir (25) und die 
Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung genügen, um zu zeigen, 
dass bei allen bis jetzt untersuchten Beuteltieren ganz deutlich 
als solche erkennbare, hochentwickelte Corpora lutea vorhanden 
sind. In gewissen Fällen, z. B. bei Perameles, ist das Corpus 
luteum kein grosses Gebilde, aber bei den betreftenden Arten ist 
auch das Ovarium selbst klein. Bei den Macropoden ist der gelbe 
Körper sehr gross, bei M. ruficollis erreicht er einen Durch- 
messer von 7,75 mm und bei P. penicillata einen von 5,25 mm. 
Beim Ovarium von D. viverrinus reduziert die grosse Anzahl 
der Corpora lutea das Ovarialstroma bis zu einem Minimum, 
und liefert so eine verhältnismässig grosse Menge von Lutein- 
gewebe. Bei P. wombat erreicht das Corpus luteum sehr be- 
deutende Dimensionen, und das Luteingewebe bildet mehr als 
die Hälfte des ganzen Ovariums, doch ist es richtig, dass bei 
diesen Tieren die Theca interna des reifen Follikels nicht ganz 
so gut entwickelt ist und keine interstitiellen Zellen, wie bei 
den Ovarien einiger Eutheria, enthält. Das völlig ausge- 
wachsene Corpus luteum ist jedoch genau so gut 
entwickelt und man kann es in keiner Weise vondem 
eines Eutherion unterscheiden. 


12. 


13. 


20. 


21. 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 45 


Literaturverzeichnis. 


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en A 


Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 45 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel I--IV. 


Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. 


b. c. = Bindegewebseinwucherung; b.1. — Blut: b.n. — Bindegewebsnetzwerk ; 
c.h. — Zentralhöhle; c.p. — Zentralpfropf; e.f. — Follikelepithel (Membrana 


granulosa): e.o. — Ovarialepithel (Keimepithel): i.c. — bindegewebige innere 
Schicht des jungen Corpus luteum ; m. — mitotische Figur: m.p. = Membrana 
propria; r. — Rißstelle des Follikels; t.e. — Theca externa; t.i. — Theca 
interna; t.z. — Zellen von der Theca interna. 
Tafel I 


Bie.'.1 
Fig. 2 
Fig. 3. 
Fig. 4 
Fig. 5 
Fig. 6 
Fig. 7 
Fig. 8 
Ro: 
Fig. 10. 
Kiel. 
Fig. 12. 
Fig. 13. 
Fig. 14. 
Fig. 15 


Photographie des Ovariums von P. wombat 
Nr. 1, annähernd natürliche Grösse. 
Photographie des Ovariums von P. wombat 
Nr. 3, annähernd natürliche Grösse. 
Photographie des Ovariums von P. wombat 
Nr. 5, annähernd natürliche Grösse. 
Photographie des Ovariums von P. wombat 
Nr. 7, annähernd natürliche Grösse. 
Photographie des Ovariums von P. wombat 
Nr. 8, annähernd natürliche Grösse. 
Photographie des Ovariums von P. wombat 
Nr. 9, annähernd natürliche Grösse. Ovariums. 
Photographie des Ovariums von M. ruficollis Nr. 6. 1,3mal 
vergrössert. 

Photographie des Ovariums von M. ruficollis Nr. 10a. 1,4mal 
vergrössert. 

Photographie des Ovariums von P. penicillata Nr.4. 1,3 mal 
vergrössert. 

Photographie des Ovariums von P. penicillata Nr.7. 1,3 mal 
vergrössert. 

Die Mikrophotographien wurden mit einem mikrophoto- 
graphischen Apparat von Zeiss aufgenommen. 
Mikrophotographie eines Querschnittes durch einen Teil des Ovariums 
von P. obesula Nr. 1a. Die Membrana granulosa, Membrana 
propria und Theca folliculi sind deutlich zu sehen. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum 
von P.obesula Nr. la. 4Ö0mal vergrössert. 

Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum 
von P.obesula Nr. 2a. 40 mal vergrössert. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum 
von P. nasuta Nr. 2; nicht ganz durch die Mitte getroffen. 
40 mal vergrössert. 


Vor der Geburt 
des Jungen. Die 
Größe des (orpus 
luteum ist deut- 
lich zu sehen. 


Nach der Geburt 
des Jungen; sie 
zeigt die unregel- 
mässige Ober- 
fläche des 


Tafel I. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein fast ausgebildetes 
Corpus luteum von P.obesula Nr.3. 40mal vergrössert. 


= 
gs 

I) 

ID 


Fig. 24. 


Die Zeichnungen wurden mit Hilfe eines Zeissschen Zeichenapparates (nach 


Chas. H-07Donochue: 


Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes 
Corpus luteum von P.obesula Nr. 8. 4Ö0mal vergrössert. 
Mikrophotographie eines jungen Corpus luteum eines nicht trächtigen 
P.obesula Nr. 13. 40mal vergrössert. 

Mikrophotographie eines Schnittes durch ein altes Corpus luteum 
eines nicht trächtigen P.obesula Nr. 14. 40mal vergrössert. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig altes Corpus 
luteum bei einem nicht trächtigen M. ruficollis Nr. 11. 12,5mal 
vergrössert. 

Mikrophotographie eines Schnittes durch einen Teil des Ovariums 
von P. penicillata Nr. 3, welcher ein tätiges Corpus luteum, 
ein altes Corpus luteum und das interstitielle Gewebe in dem 
Ovarialstroma zeigt. 40 mal vergrössert. 


Tafel III. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum 
bei M.ruficollis Nr. 7. 12,5mal vergrössert. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes 
Corpus luteum bei M. ruficollis Nr. 6. 12,5 mal vergrössert. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes 
Corpus luteum bei P.wombat Nr.3. 6mal vergrössert. 
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes 
Corpus luteum bei einem nicht trächtigen P. wombat Nr. 10. 
6 mal vergrössert. 


Tafel IV. 


Abbe) gefertigt und sind alle 144 mal vergrössert bis auf Nr. 29, welche 


Fig. 31. 


Fig. 32. 


192 mal vergrössert ist. 
Teil der Wand eines ziemlich reifen Follikels von P. obesula 
Nr. 8. 144mal vergrössert. 
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P. obesula 
Nr. 1a. 192mal vergrössert. 
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P. obesula 
Nr. 2a. 144mal vergrössert. 
Teil eines völlig ausgebildeten Uorpus luteum von P. obesula 
Nr. 8. 144 mal vergrössert. 
Teil eines völlig ausgebildeten Corpus luteum von einem nicht 
trächtigen P.obesula Nr. 14. 144mal vergrössert. 
Teil der Wand eines ziemlich reifen Follikels von P. nasuta 
Nr. 1. 144mal vergrössert. 
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P.nasuta Nr. 2 
der weniger vorgeschrittenen Seite. 144 mal vergrössert. 
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P.nasuta Nr. 2 
der weiter vorgeschrittenen Seite. 144 mal vergrössert. 


Fig. 


- 


Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 47 


Tafel V. 


Teil der Wand eines reifen Follikels von M. ruficollis Nr. 10. 
144 mal vergrössert. 

Teil eines Corpus luteum von M. ruficollis Nr. 5. 144mal 
vergrössert. 

Teil der Wand eines reifen Follikels von P.penicillata Nr. 6. 
144 mal vergrössert. 

Teil eines Corpus luteum von P. penicillata Nr. 4. 144mal 
vergrössert. 

Teil der Wand eines ziemlich reifen Follikels von P. wombat 
Nr.8. 144mal vergrössert. 

Teil eines Corpus luteum von P. wombat Nr. 3. 144mal ver- 
grössert. 


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49 


Aus der Zoologischen Station zu Neapel und dem Anatomisch- biologischen 
Institut zu Berlin. 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 


Von 
Günther Hertwig und Paula Hertwig. 


Hierzu Tafel V. 


Inhalt. Seite 
A. Einleitung . . . en ee ee I 
B Material und er chankemetlioden N Tr a a il) 
C. Experimenteller Teil... ... 2 en, 1 Ve 97 
1. Gobius jozo 2 X Gobius eapito r a EN RE 90 
2 Gobıus-capibos2 >Gobius 1020 & : . 2... BIETEN 0 
3. Gobius jozo © x Gobius minutus d und orte, 2 a ee 

4. Gobius jozo £ x Crenilabrus pavo Z und Gobius capito 9 X 
TEnIlaDEUSEH VOR ion 
5. Reziproke Kreuzung . . . : 66 

6. Crenilabrus pavo 2 X Ca ailebrus massa d an ne: 
Bayer Brenllabrusstinea 8: .: 3 2m ma, ee 
Va@rzenlahrus pavor922%X Box boops d . . =. uni. ul are 368 
8. Crenilabrus pavo @ x Smaris alcedo d . . . 69 


D. Allgemeiner Teil. Zusammenfassende Übersicht über (Are Resultate 
des experimentellen Teiles. Disharmonische Kern- und Plasma- 
Verbindungen. — Die Idioplasmatheorie von O. Hertwig. . 78 


A. Einleitung. 


Während eines zwei Monate langen Aufenthaltes an der 
Zoologischen Station zu Neapel im Frühjahr 1913 beschäftigten 
wir uns neben anderen Studien auch mit Kreuzungen an 
Knochenfischen, deren Resultate den Inhalt der vorliegenden 
Arbeit bilden. — Ebenso wie andere Forscher, die auf demselben 
Gebiet Untersuchungen angestellt haben, waren auch wir über die 
Leichtigkeit erstaunt, mit der sich die Fischeier durch den Samen 
ganz fernstehender Arten befruchten und zur Entwicklung anregen 
lassen. Dies ist besonders bemerkenswert, wenn wir die Schwierig- 
keiten bedenken, mit denen in anderen Gattungen des Tierreichs, 
so bei den Echinodermen und Amphibien, die Kreuzung zweier 


oft ganz nahe verwandter Arten verbunden ist. Da man ferner, 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. 4 


50 Günther und Paula Hertwig: 


dank ihrer Durchsichtigkeit, bei vielen pelagischen Fischeiern 
am lebenden Objekt die Teilungen, die Keimblattbildung, die 
Entwicklung des Embryo gut verfolgen kann, und auch die 
zytologische Untersuchung der Kernverhältnisse während früher 
und älterer Entwicklungsstadien mit keinen besonderen Schwierig- 
keiten verknüpft ist, so sind unzweifelhaft die Teleostier 
ein äusserst geeignetes Material für das Studium artfremder 
Bastardierungen. Wir müssen es daher als wunderbar bezeichnen, 
dass, abgesehen von einigen amerikanischen Forschern, wie 
Moenkhaus und Newman, noch keine eingehenden Unter- 
suchungen an Teleostiern angestellt wurden. Sicher liegt hier 
ein Arbeitsgebiet vor, dessen gründliche Durchforschung noch eine 
reiche Ausbeute von interessanten Ergebnissen verspricht. 

Leider erlaubte die Kürze der Zeit uns nicht. die Unter- 
suchungen noch weiter auszudehnen. Namentlich bedauern wir 
das Fehlen einiger reziproken Kreuzungen, die wir aus Mangel an 
Material nicht ausführen konnten. Dass wir überhaupt imstande 
waren, in den zwei Monaten, besonders im April, 10 verschiedene 
Kreuzungen, zum Teil zu wiederholten Malen, vorzunehmen, 
verdanken wir nicht zum wenigsten der liebenswürdigen Bereit- 
schaft, mit der Dr. Cerruti unseren Wünschen nach Unter- 
suchungsmaterial nachkam. Ihm, sowie den Herren an der 
Station, die uns bei unseren Arbeiten bereitwilligst unterstützten, 
namentlich dem Leiter der Zoologischen Station, Herrn Prof. 
R. Dohrn, sei daher unser bester Dank ausgesprochen. 

Ebenso ist es uns eine angenehme Pflicht, auch an dieser 
Stelle Herrn Dr. P. Pappenheim, Kustos am Zoologischen 
Museum zu Berlin, und Herrn Prof. J. D. Anisits, für die 
Liebenswürdigkeit zu danken, mit der sie uns bei der Bestimmung 
der verschiedenen Fischarten mit ihrem Rat und ihrer grossen 
Sachkenntnis behülflich waren. 


B. Material und Untersuchungsmethoden. 

Ehe wir zur Beschreibung der Bastardierungsversuche 
übergehen. seien einige Angaben über das benutzte Material, 
sowie über die Befruchtungs- und Konservierungsmethoden 
gemacht. Es kamen bei unseren Versuchen die Eier von drei 
Gobiusarten, Gobius capito, Gobius jozo und minutus (bestimmt 
nach Luigi Sanzo und Moreau: „Poissons de la France“), 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 5l 


sowie diejenigen von Crenilabrus pavo und melops zur Ver- 
wendung. Zur Befruchtung konnten wir ausser dem Sperma der 
genannten Arten noch den Samen von (Crenilabrus tinca. Box 
boops und Smaris alcedo benutzen. 

Die Gobiiden, die im Golf von Neapel sehr zahlreich 
vorkommen, sind im März und April geschlechtsreif. Ihre 
Spermatozoen zeichnen sich, im Gegensatz zu anderen Knochen- 
fischen, durch ihre grosse, im Meerwasser lange anhaltende 
Beweglichkeit aus. Die durch Zerzupfen des Hodens in einigen 
Tropfen Seewasser gewonnene Samenflüssiekeit konnte in der 
feuchten Kammer lange Zeit unverändert aufgehoben werden. 
Selbst nach 4 Stunden waren die Spermien, in frisches See- 
wasser gebracht, noch tumultuarisch beweglich. Auch bei stärkerer 
Verdünnung mit Seewasser hielt die Bewegung bisweilen 1 Stunde 
an. — Die Eier der Gobiiden sind von einer elastischen, derben, 
aber durchsichtigen Hülle umgeben, die bei G. jozo und G. capito 
von spindelförmiger, bei G. minutus von birnenförmiger Gestalt 
ist. Bei der Ablage werden die Eier an Steinen usw. festgeklebt. 

Gobius jozo kommt am häufigsten vor. Er hat eine Länge 
von S—12 cm, die Eier sind 2,11 mm lang und 0,51 mm breit. 
(Mit Hüllen, nach Lo Bianco.) Sehr viel grösser ist Gobius 
capito, der eine Länge von 25 cm erreicht. Auch seine Eier 
sind erheblich grösser, etwa 5 mm lang und 1,5 mm breit. 
Gobius minutus ist ein Fischehen von 5 cm Länge, mit Eiern, 
deren Durchmesser 0.31—1,1l1 mm beträgt und die sich durch 
die birnenförmige Gestalt der Hülle auszeichnen. Leider erhielten 
wir nur zweimal geschlechtsreife Tiere. 

Da die Gobiiden zu den Teleostiern gehören, die ihre 
Geschlechtsprodukte durch besondere Kanäle entleeren. konnten 
wir, um die künstliche Befruchtung auszuführen, nicht, wie sonst 
üblich, die Eier und Samen durch Abstreichen der Fische 
erhalten, sondern mussten die Tiere durch einen Schnitt durch 
das Halsmark töten und die Ovarien und Hoden frei präparieren. 
Es kam uns hierbei sehr zu statten, dass sich Männchen und 
Weibchen an der Form der hinter dem After befindlichen 
Genitalpapille unterscheiden liessen: beim Männchen ist diese 
lang und spitz, beim Weibchen kürzer und breiter. Da wir 
häufig 20-30 Männchen und nur 3—4 Weibchen erhielten, 


ersparte uns dieses Unterscheidungsmerkmal viel Zeit und Mühe. 
4* 


52 Günther und Paula Hertwig: 


— Zu unseren Experimenten benutzten wir nach Möglichkeit 
frisch eingefangenes Material, da besonders die Eier der Weibchen. 
die im Aquarium am Ablegen gehindert waren, leicht überreif 
wurden: dagegen waren die Männchen noch nach längerer Ge- 
fangenschaft brauchbar. 

Bei der Ausführung der künstlichen Befruchtung verfuhren 
wir folgendermassen: Wir öffneten die Ovarien und entnahmen 
ihnen mit zwei Nadeln die Eier, die wir auf einen etwas 
angefeuchteten Objektträger aufsetzten. Reife Eier erkannten 
wir an der deutlich abgegrenzten Ölblase und an dem Besitz 
der länglichen Hülle, die aber bei den frisch dem Ovarium 
entnommenen Eiern sich nur wenig abhebt. Ferner blieben 
reife Eier mittels feiner Fäden am feuchten Glas kleben, während 
unreife Eier nicht festhafteten. Die so mit etwa 30 Eiern be- 
legten Objektträger wurden in eine flache Schale gebracht und 
befruchtet. indem wir sie mit Sperma, das mit Seewasser ver- 
dünnt war, bespritzten.. Nach einigen Minuten gossen wir frisches 
Seewasser dazu. bis dass die Eier bedeckt waren. Befruchtete 
Eier hoben bald darauf ihre Hülle ab. Indes ist dies kein 
sicheres Zeichen für die erfolgte Befruchtung: obgleich sicherlich 
unter dem Einfluss des eingedrungenen Samenfadens die Hüllen 
sich rascher und regelmässiger abhoben, konnten wir doch fest- 
stellen. dass unbefruchtete, besonders überreife Eier, ebenfalls 
Hüllen bildeten. Den besten Prozentsatz der Befruchtung, nahezu 
100°/o. erhielten wir bei Eiern, die erst im Augenblick der 
Besamung oder kurz vorher mit Wasser in Berührung gekommen 
waren; jedoch gelang es uns auch noch einige Eier, die bereits 
1 Stunde im Wasser gelegen hatten, zu befruchten. Diese hoben 
allerdings die Membran nur unvollkommen ab und lieferten 
daher pathologische Embryonen. 

Nach Ablauf von etwa 1—1!/s Stunden begann die erste 
Teilung sichtbar zu werden, der bald darauf die zweite und dritte 
folgte. Zur weiteren Entwicklung wurden darauf die Objektträger 
in Schalen mit fliessendem Wasser gebracht. Unter diesen 
Bedingungen verlief bei gesundem Eimaterial die Entwicklung 
bis zum Ausschlüpfen bei fast allen Individuen gleichmässig und 
normal. Hatten wir aber überreife oder sonst beschädigte Eier 
befruchtet. so traten zwar meistens die ersten Teilungen regel- 
mässig auf, aber später zeigten sich andere Störungen. So konnten 


a 
o 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 


wir häufig bald, oder einige Zeit nach der Befruchtung, ein 
Platzen der Ölblase beobachten, die ihren Inhalt in den zwischen 
Ei und Hülle befindlichen Raum entleerte. Dieser Umstand 
führte bald zu einer Sistierung der Entwicklung. Eine andere 
Art der abnormen Entwicklung, die auf überreifes Eimaterial 
zurückzuführen war, bestand in einer Ablösung von Zellen, die 
als isolierte Schollen innerhalb der Hüllen zu liegen kamen. 
Auch diese Anomalie bewirkte den Stillstand der Entwicklung 
am zweiten oder dritten Tage. 

Neben den Gobiuseiern gelangten die Eier von Crenilabrus 
pavo und melops zur Verwendung. Auch sie besitzen die für 
Versuchszwecke günstige Eigenschaft, mittels der Hülle an dem 
(runde der Zuchtschalen festzukleben; sie haben vor den Gobius- 
eiern den Vorzug der grösseren Durchsichtigkeit, man kann sogar 
in dem sich teilenden Ei die Furchungskerne erkennen. Die 
Crenilabruseier sind von kugliger Gestalt und besitzen eine 
(rösse von 0,75 mm. Dem reifen unbefruchteten Ei liegt die 
Hülle noch dieht an. Man kann die Keimsubstanz als hellere 
Lage um den Dotter erkennen: an dem einen Pol befindet sich 
eine hügelartige Ansammlung des Plasma. Nach der Befruchtung 
erfolgt eine Kontraktion des Eiinhalts, die Hülle ist jetzt durch 
einen deutlichen Zwischenraum, der bei melops grösser als wie 
bei pavo ist, vom Ei getrennt. Ferner sondern sich Plasma und 
Dotter, indem ersteres sich als Kalotte an dem einen Pol an- 
sammelt. — Eine ausführlichere Beschreibung des unbefruchteten 
Urenilabruseies und seiner weiteren Entwicklung gibt Jos. Hein- 
rich List in seiner Entwicklungsgeschichte der Labriden. Wir 
werden, wie auch hier, so noch später auf diese Arbeit verweisen. 

Es sei hier noch eine Beobachtung eimgeschaltet, die wir 
an unbefruchteten Crenilabruseiern, die einige Zeit im Wasser 
selegen hatten, machten. Bei diesen Eiern hatte zwar ebenfalls, 
wie auch List schreibt, eine Kontraktion und Ausbildung eines 
perivitellinen Raumes stattgefunden, aber die deutliche Ab- 
srenzung von Keimscheibe und Dotter war unterblieben. Das 
Plasma breitete sich, ähnlich wie bei einem frisch dem Ovarıum 
entnommenen, unbefruchteten Ei, über den ganzen Dotter aus. 
Auf Schnitten durch solche Eier ist zu erkennen, dass die Randzone 
des Plasma vakuolisiert worden ist, eine Erscheinung, die wohl 
auf den beginnenden Zerfall hindeutet. Ferner ist in diesen 


4 Günther und Paula Hertwig: 


Eiern keine Spur des Eikernes zu finden, dagegen ist das gesamte 
Plasma von unzähligen Strahlungen durchsetzt. In der Nähe 
der Strahlungspole liegen kleine, ründe Klumpen, die sich mit 
Magentarot intensiv färben und an Chromatinbrocken erinnern. 

Bei der Befruchtung verfuhren wir so, dass wir ein frisch 
gefangenes Weibchen abstrichen, die Eier in einer trockenen 
Schale sammelten und sie dann „feucht“ befruchteten, indem 
wir mit einer Pipette mit Seewasser verdünnte Samenflüssigkeit 
über die Eier spritzten. Dann wurde während der weiteren 
Entwicklung fliessendes Wasser durch die Schalen geleitet. 

Es sei hier noch erwähnt, dass wir bei der Ausführung 
unserer Bastardierungen alle Vorsichtsmiassregeln, die beobachtet 
werden müssen, um eine Verunreinigung mit nicht gewünschtem 
Sperma zn vermeiden, in Anwendung brachten. Die Glasschalen 
waren sorgfältig ausgewaschen, die Instrumente wurden vor jeder 
Benutzung ausgeglüht, die Fische vor der Entnahme der Eier und 
Samen in Süsswasser abgespült und mit Fliesspapier getrocknet. 

Als Fixierungsmittel, besonders der Frühstadien, benutzten 
wir Zenkersche Flüssigkeit. Die Eier wurden in toto mit Hüllen 
eingelegt und 24 Stunden in der Flüssigkeit gelassen, dann gut 
ausgewaschen und in schwachem Formalinwasser aufgehoben. Vor 
der weiteren Bearbeitung präparierten wir unter der Lupe mit 
zwei Nadeln die Hüllen von den Eiern ab, und brachten sie 
möglichst schnell, um das Hart- und Brüchigwerden des Dotters zu 
verhindern, durch die Alkoholreihe in Jodalkohol und in 95°/o 
Alkohol. Alsdann wurden sie mittels Bergamottöl in Paraffin 
eingebettet, in 7—10 u dicke Schnitte zerlegt und mit Magentarot- 
Pikroindigkarmin gefärbt. Die so behandelten Eier schnitten sich 
vorzüglich und wiesen eine gute Konservierung sowohl der Kern- 
substanz als auch des Plasma auf. — Ältere Gobiusembryonen 
wurden schon vor der Fixierung lebend von ihren Hüllen befreit, 
was meist sehr leicht gelang, da die Tierchen durch Eigen- 
bewegung nachhalfen. Als Fixierungsmittel für spätere Stadien 
dienten auch Pikrin-Essig-Sublimat. Chrom-Sublimat und Flem- 
mingsche Flüssigkeit und, wo es in erster Linie auf die Erhaltung 
des Pigmentes ankam, Sublimat-Eisessig. Auch diese Embryonen 
wurden in Formalinwasser aufgehoben. und zum Teil, wie 
vorhin angegeben, weiter behandelt. Für die Anfertigung der 
Photographien wurden die Embryonen mittels Zedernöl aufgehellt. 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 576) 


C. Experimenteller Teil. 
1. Gobius jozo 2 X Gobius capito &. 


Die Befruchtung der Gobius jozo-Eier mit Samen von Gobius 
capito stiess auf keine Schwierigkeiten. Fast alle bastardierten 
Eier hoben zur gleichen Zeit wie die Kontrollen die Hüllen ab, 
und nach Ablauf von 1'/e—2 Stunden traten die ersten Furchungen 
in beiden Kulturen regelmässig auf. — Die Frage, ob bei 
Bastardierungen die ersten Teilungen bereits durch den Samen- 
faden zeitlich beeinflusst werden, ist in der letzten Zeit öfters 
ein Gegenstand der Diskussion gewesen. Appellöf und Moenk- 
haus beobachteten bei ihren Fischkreuzungen, dass der Teilungs- 
rhythmus des mütterlichen Eies massgebend für das Auftreten 
der ersten Furchungen im bastardierten Ei wäre. Dieselben 
Angaben machte Newman in seiner 1904 erschienenen Arbeit 
über Fundulusbastarde: „the rate of early cleavage is not 
measurably altered by the introduction into the egg of sperm, 
belonging to a more slowly or more rapidly developing species“. 
Newman ändert jedoch nach erneuten eingehenden Unter- 
suchungen seine Ansicht. Auf Grund von sorgfältigen Zählungen 
gibt er jetzt an, dass „hybrid eggs (F. majalis 2 X F. heteroclitus 3) 
show a slight acceleration of early cleavage as compared with 
pure bred F. majalis eggs“. 

Einen Beitrag zur Entscheidung dieser Frage vermögen 
wir in dieser Arbeit nicht zu geben, da, wie Newmans 
Abhandlung lehrt, nur ausgedehnte statistische Untersuchungen 
Aufschluss geben können, und uns zu diesen die Zeit fehlte. 
Es mag aber darauf hingewiesen werden, dass das Objekt für 
derartige Beobachtungen vielleicht sehr geeignet ist; denn das 
G. capito-Ei teilt sich etwa !/s Stunde später als wie das viel 
kleinere von Gobius jozo. Dazu kommt noch, dass die Teilungen 
bei allen Eiern von einem Weibchen überraschend gleichzeitig 
auftreten. Auf Schnitten durch zweigeteilte Eier, die zusammen 
fixiert wurden, fanden wir sogar fast immer alle Kerne im 
gleichen Stadium. 

Ein deutlicher Unterschied in der Entwicklung machte sich 
erst am 2. Tage bei den Bastarden bemerkbar. Sie hatten 
sich zwar auch, wie die Kontrollen, zu kleinen Embryonen mit 
Kopf und Schwanzhöcker entwickelt, aber während in den 


- 


56 Günther und Paula Hertwie: 


normalen Zuchten die Augenblase deutlich zu erkennen war. 
zeigten die Bastarde noch keine Anlage derselben. Die verlangsamte 
Entwicklung war während der folgenden Tage charakteristisch 
für die Bastardembryonen. Im (Gegensatze zu den Kontrollen 
besassen ihre Augen am 3. Tage noch keine Linse und am 
4. Tage zeigten sie noch keine Pigmentierung des Schwanzes. 
Auch waren die Bastarde deutlich kürzer und zum Teil weniger 
durchsichtig als wie die Kontrollen. Am 5. Tage nach der 
Befruchtung beobachteten wir kräftige Herzpulsation bei den 
normalen Embryonen. Bei den Bastarden konnten wir in dem 
einen Versuch nur undeutliche und seltene Zusammenziehungen 
des Herzens bei einigen Tieren konstatieren. In einer zweiten 
Versuchsserie liessen sich zwar auch schon Herzpulsationen fest- 
stellen. sie waren aber bedeutend langsamer als die der Kontrollen. 
So zählten wir bei den Bastarden durchschnittlich 35 Schläge 
pro Minute. bei den normalen Embryonen hingegen 45. In den 
folgenden Tagen waren die Unterschiede zwischen den am besten 
entwickelten Bastarden und den normalen Embryonen weniger 
auftällig. Doch blieb der Herzschlag langsamer, auch zirkulierten 
weniger Blutkügelchen im Herz und in den Gefässen. Ferner 
waren die Bastarde häufig kürzer und besassen kleinere Augen. 
Die besten unterschieden sich jedoch kaum von der Kontrolle. 

Eine Abbildung eines gut entwickelten, 9 Tage alten Bastards 
sehen wir in Fig. 1. daneben eine gleich alte Kontrolle, die in 
Fig. 2 dargestellt ist. Der Bastard unterscheidet sich vom 
normalen jozo-Embryo nur dureh eine leichte Krümmung des 
Schwanzes. etwas geringere Grösse und leichte Trübung des 
Plasma. die besonders gut im Flossensaum erkenntlich ist. Am 
lebenden Tiere war noch ein weiteres unterscheidendes Merkmal zu 
erkennen: Die Augen, die bei der Kontrolle schön irisierten. waren 
beim Bastard nur tiefschwarz pigmentiert. Ferner bemerkten wir 
bei diesem gelbe Pigmentzellen, die dem normalen G. jozo-Embryo 
fehlen, jedoch in grösserer Anzahl bei G. capito-Larven zu bemerken 
sind. — Neben solchen gut entwiekelten Mischlingen waren bereits 
auf allen Entwicklungsstufen eine grössere Anzahl erkrankt und 
zum Teil schon abgestorben. Von den kräftigsten gelang es 
einigen, sich am 13. Tage ohne Beihilfe aus den Hüllen zu befreien. 
Wie die normalen Tiere. von denen einige schon am 11. und 
12. Tage, die meisten aber ebenfalls am 13. Tage ausschlüpften, 


A in 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 57 


schwammen sie lebhaft umher und waren sicher lebenskräftig. Die 
grössere Zahl der sonst gut entwickelten Bastarde schlüpfte aber 
nicht aus. DBefreite man diese Larven durch Anschneiden von 
den Hüllen, so bewegten sie sich zum Teil ebenfalls ganz lebhaft 
im Wasser. Der Rest starb nach 1—2 Tagen in den Hüllen ab. 

Wie schon vorhin gesagt, traten neben vielen solchen 
lebensfähigen gut entwickelten Bastarden von den ersten Tagen 
an viele Missbildungen auf, ganz im Gegensatz zu den Kontroll- 
zuchten, die sich stets gleichmässig gut entwickelten. Auch 
erwiesen sich die Bastarde als sehr empfindlich gegen äussere 
schädliche Einflüsse. Ihre geringe Resistenzfähigkeit machte sich 
besonders in einem Versuch geltend, indem wir die beiden Zuchten 
sich in stehendem Wasser, das wir aber häufig wechselten. ent- 
wickeln liessen. Bis auf zwei Embryonen starben die Bastarde als 
Spinae bifidae oder ganz pathologische Embryonen frühzeitig ab. 
Vjel später machte sich der Sauerstofimangel entwicklungshemmend 
bei der Kontrolle bemerkbar. — Auch als wir in einem anderen 
Experiment aın 9. Tage nach der Befruchtung einen Teil der 
Bastarde und Kontrollen in Schalen mit stehendem Wasser 
brachten, war dieses Verfahren für die ersteren verhängnisvoll. 
Die fehlende Zufuhr von frischem Sauerstoff verursachte ihr 
Absterben innerhalb von 2 Tagen. Die normalen Larven hingegen 
schlüpften zum grössten Teil aus. 

Nachdem wir die Resultate der Gobius j0ozo 2 X capito d 
Kreuzung geschildert haben, wollen wir uns zunächst der Frage 
zuwenden, inwieweit können wir bei der Entwicklung der Bastarde 
Merkmale erkennen, die auf den Einfluss der väterlichen Art 
zurückzuführen sind ? 

Besonders geeignet zum Studium solcher Mischlingscharaktere 
bei Embryonen ist das Vorhandensein und die Verteilung von 
Pigmentzellen, wie uns Bancrofts eingehende Arbeit über 
Vererbungsmerkmale bei Funduluslarven zeigt. Ebenso wie diese, 
besitzen unsere Gobiusembryonen verschiedene Arten von Pigment- 
zellen. Wir fanden, dass gelbe und schwarze Chromatophoren 
gebildet wurden. In der Ausbildung des schwarzen Pigments 
bestehen, wie Fig. 1 und Fig. 2 zeigen, keine Unterschiede. Der 
Bastard und die Kontrolle, die zu gleicher Zeit konserviert 
wurden, besitzen etwa dieselbe Anzahl schwarzer Chromatophoren, 
die auch bei beiden ähnlich auf dem Embryo verteilt sind. 


Günther und Paula Hertwig: 


Anders fiel das Resultat bei der Beobachtung des gelben 
Pigments aus. Wir bemerkten bei 9 Tage alten Bastarden am 
lebenden Tier auf dem Rücken das Auftreten von gelben Pigment- 
zellen, die den jozo-Embryonen zu dieser Zeit ganz fehlten und 
auch später weniger zahlreich ausgebildet wurden, während sie 
den normalen capito-Larven in etwa demselben Maße wie den 
Bastarden eigen sind. Da wir versäumten, eine Zeichnung des 
lebenden Fisches zu entwerfen, und an dem konservierten Material 
das gelbe Pigment nur undeutlich zu erkennen war, können wir 
leider keine Abbildung dieses Bastardcharakters geben. 

Aber nicht nur in der eben beschriebenen Pigment- 
entwicklung konnten wir den Einfluss der väterlichen Art erkennen, 
wir glauben vielmehr, dass dieser auch in der langsameren Ent- 
wicklung der Bastarde zum Ausdruck kommt. 

Um diese Annahme zu veranschaulichen, sei ein Vergleich 
zwischen der Entwicklung der normalen G. capito- und jozo-Embry- 
onen, sowie der Bastarde gezogen. Hierzu diene folgende Tabelle: 


| | Gobius 


Nach der N E ? | 
Gobius jozo | Gobius capito |. : 
Befruchtung : | jozo @ x capito & 
er va REN a 
>T Embryonen mit 
2 Tage 
Augenblase 
! — 
e | | Embryonen mit 
3 Tage ı N 
| Augenblase 
| Beginn Augenblase angelegt 
4 Tage der Pigmentierung Keine 
im Schwanz Pigmentierung 
Augen dunkel Wenig Pigment 
5 Tage pigmentiert. Beginn | in 


der Herzpulsation 


Schwanz und Augen 


6 Tage 


Beginn | 
der Pigmentierung in 
Schwanz und Augen 


Beginn 
der Herzpulsation 


} Beginn | 
es der Herzpulsation 
| Ausschlüpfen 
12 Tage | Ausschlüpfen der ‚ einiger, Absterben 
Be | meisten Embryonen ‚der meisten in den 
| ' folgenden Tagen 
28 Tave | Ausschlüpfen der | 
Rn Embryonen 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 99 

Wir sehen aus dieser Tabelle. auf der bestimmte, besonders 
markante Stadien der Entwicklung angegeben sind. dass die 
Bastarde eine Mittelstellung in bezug auf das Entwicklungs- 
tempo einnehmen. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir 
hierin eine Äusserung eines der väterlichen Art zukommenden 
Merkmals erblicken. 

In wie hohem Maße die schnellere oder langsamere Ent- 
wicklung des Embryos nicht nur vom Ei, sondern auch von der 
väterlichen Keimzelle mit beeinflusst wird, zeigen uns Newmans 
Fundulus-Kreuzungen, auf die wir hier etwas näher eingehen 
wollen. Die Embryonen von Fundulus heteroclitus- und F. majalis 
besitzen ein ungleiches Entwicklungstempo, die ersteren schlüpfen 
nach etwa 14 Tagen aus, die letzteren nach 22—23 Tagen. In den 
Anfangsstadien der Entwicklung bleiben nun die F. heteroclitus 2 
X F.majalis 3 Bastarde hinter den reinen F. heteroclitus-Larven zu- 
rück, und die F. majalis 2 X heteroclitus Z Bastarde entwickeln sich 
schneller wie die F. majalis-Embryonen. — Diese Erscheinung führt 
Newman auf den jeweiligen väterlichen Einfluss zurück. Dieser 
wird aber noch deutlicher, sobald bei den Embryonen die Herz- 
aktion beginnt. Bei den F. majalis-Embryonen tritt der Herzschlag 
später, dann aber kräftiger als wie bei den F. heteroclitus-Larven 
auf. Infolgedessen beginnt auch die Herztätigkeit bei den 
F. heteroclitus 2 X F. majalis & Bastarden später als wie bei den 
reinen F. heteroclitus-Embryonen, ist aber nach ıhrem Auftreten 
um so energischer. Umgekehrt besitzen die F. majalis 2 X hetero- 
elitus Z Mischlinge eine zwar früher auftretende, aber schwächere 
Herzpulsation, als die reinen F. majalis-Embryonen. 

Unsere Gobius jozo 2 X capito g Kreuzung bietet viele 
Berührungspunkte mit Newmans Fundulus heteroclitus 2 X 
majalis & Bastardierung. Hier wie da übt die väterliche Keimzelle 
einen verzögernden Einfluss auf die erste Anlage des Embryo aus. 
Bei beiden Mischlingen wird, ebenso wie die anderen Organe, 
das Herz später angelegt, und beginnt daher später in Funktion 
zu treten. — Wenn bis zu diesem Punkt die Entwicklung der 
Fundulus- und Gobius-Bastarde analog verläuft, so tritt jetzt ein 
Unterschied auf. — Wie schon vorhin gesagt, verdanken die 
F. heteroclitus @ X F. majalis S Bastarde dem väterlichen Einfluss 
einen im Vergleich zu reinen F. heteroclitus-Larven beschleunigten 
Herzschlag. Demzufolge entwickeln sie sich von nun an zu 


60 Günther und Paula Hertwieg: 


kräftigeren und widerstandsfähigeren Embryonen als die F. hetero- 
elitus-Larven. Bei unseren beiden (obiusarten ist dagegen die 
Stärke der Herzpulsation, soweit wir es beobachteten, nicht 
verschieden, es fehlt also für eine beschleunigte Herzpulsation 
der Bastarde jede Veranlassung. In diesem Umstand ist auch 
der Grund zu sehen, dass die Gobius-Bastarde im Gegensatz zu 
den F. heteroclitus 2 X majalis $ Embryonen weniger widerstands- 
fähig wie die reinen Formen sind, zumal der Herzschlag nicht 
nur später einsetzt, sondern auch in der Folge langsamer bleibt; 
konnten wir doch noch am 9. und 10. Tage eine verminderte 
Herztätigkeit beobachten, bei normalen Larven 156 bis 160 Schläge 
pro Minute, bei den Bastarden nur 110—130. Es ist wahr- 
scheinlich, dass dieser Umstand für die geringere Lebensfähigkeit 
der Bastarde verantwortlich zu machen sein wird. Ausser von 
Newman und von uns wurden auch von Appellötf Beobachtungen 
über das Entwicklungstempo bei Bastarden gemacht. Auch er 
gibt an, dass die Gasterosteus 2 X Spinachia J Embryonen eine 
Mittelsteilung einnehmen in bezug auf die Zeit, die sie zur Anlage 
der Organe brauchen. 

Wenn wir in der langsamen Entwicklung der Gobius jozo? X 
(G. capito & Embryonen in Übereinstimmung mit Newman eine 
Äusserung eines der väterlichen Art zukommenden Merkmals er- 
blicken. so sei doch noch ein anderer wichtiger Grund angeführt. 
der sicher auch die langsamere Entwicklung und geringere Lebens- 
energie der Bastarde bestimmt, nämlich die Disharmonie, die 
zwischen dem mütterlichen und väterlichen Idioplasma besteht. Ja. 
wir haben überhaupt geschwankt, ob wir nicht im Gegensatz zu 
Newman diesen zweiten Grund allein für die verzögerte Ent- 
wicklung der Bastarde verantwortlich machen sollten. Wenn wir 
beiden Faktoren eine die Entwicklung bestimmende Rolle zuweisen, 
so war uns dafür der Umstand bestimmend, dass wir bei der 
reziproken Kreuzung eine Beschleunigung der ersten Entwicklungs- 
vorgänge unter dem Einfluss der väterlichen Art haben feststellen 
können, wie nachher dargelegt werden soll. Es ist klar, dass 
dieser Befund viel eindeutiger für die Übertragung eines väter- 
lichen Merkmals spricht, als der, wenn man so sagen darf, mehr 
„negative“ einer Entwicklungsverzögerung. 

Es sei hier noch erläutert, was wir unter einer „dis- 
harmonischen Idioplasmaverbindung“ verstehen. Durch eine Be- 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 61 


fruchtung mit artfremdem Samen wird eine Idioplasmaverbindung 
geschaffen, deren väterliche und mütterliche Kern - Komponente 
nicht wie bei der normalen Befruchtung aufeinander abgestimmt 
ist. Eine solche Idioplasmaverbindung nennt O0. Hertwig eine 
„disharmonische“. Der (Grad der Disharmonie ist bestimmend 
für das Resultat der Bastardierung. „Die in so hohem Grade 
verschiedenartigen Abstufungen in dem Entwicklungsvermögen 
der bastardierten Eier sind dex Ausdruck für verschiedene Grade 
disharmonischer Konstitution, die zwischen den im Befruchtungsakt 
vereinigten Kernen mütterlicher und väterlicher Herkunft besteht.“ 

Das Bestehen einer solchen disharmonischen Kernverbindung 
ist sicherlich auch bei unseren Gobiusbastarden anzunehmen, wenn 
auch bei der nahen Verwandtschaft der gekreuzten Arten nur ein 
geringerer Grad der Disharmonie vorliegt. Sie zeigt sich besonders 
in dem Auftreten von zahlreichen Missbildungen, Spinae bifidae und 
ganz verkümmerten Embryonen. Da alle Abstufungen von ganz 
pathologischen bis zu fast und ganz lebensfähigen Embryonen 
beobachtet wurden, müssen wir annehmen, dass durch die Ver- 
einigung der individuell verschiedenen Geschlechtszellen je eines 
Männchens und Weibchens Kernverbindungen geschaffen werden. 
deren Disharmonie graduell verschieden ist. Diese Annahme er- 
klärt die Schwankungen in der Entwicklungsfähigkeit der einzelnen 
Individuen eines Versuches. — Nach dem Ausfall zweier von uns 
mit verschiedenen männlichen und weiblichen Tieren ausgeführten 
Versuche müssen wir aber auch weiter annehmen. dass sich die 
Idioplasmen verschiedener Individuen zu Verbindungen vereinigen, 
deren Disharmonie ungleich gross ist. In dem einen Versuch 
brachten wir einige Tiere zum Ausschlüpfen, in dem anderen, bei 
gleich günstigen Versuchsbedingungen. und bei sonst ähnlichem 
Entwicklungsverlauf, kein einziges. Diese Resultate können nur 
durch individuelle Unterschiede in der Beschaffenheit des Idio- 
plasma verschiedener Tiere erklärt werden. 

Bei der Kreuzung nahe verwandter Arten beobachteten 
auch andere Autoren das Auftreten von Entwicklungsstörungen, 
die wohl gleichfalls durch die Entstehung disharmonischer Idio- 
plasmaverbindungen verursacht wurden. 

So bemerkt List, dass bei seinen Örenilabrus-Kreuzungen 
„Unregelmässigkeiten häufige Begleiterscheinungen in der Ent- 
wicklung des befruchteten Eies sind“. 


62 Günther und Paula Hertwig: 


Appellöf, dessen Stichlingsbastardierung viele Berührungs- 
punkte mit unserem Gobiusversuch bietet, berichtet, dass bei 
seiner Kreuzung Gasterosteus aculeatus 2 X Spinachia vulgaris 
viele Bastarde als Keimscheiben abstarben, und nur ein Teil 
sich zu kurz vor dem Ausschlüpfen stehenden, lebensschwachen 
Embryonen entwickelte. 

Auch Newman. bei dem das Entwicklungsresultat seiner 
Fundulus heteroclitus 2 X Fundulus majalis Versuche ein gutes 
war, fand doch, neben vielen lebensfähigen. eine grössere Anzahl 
pathologischer Larven. (Newman, Textfig. 3—8.) Seine Bastard- 
zuchten zeigten, genau wie die unsrigen, Entwicklungsunterschiede 
zwischen den einzelnen Individuen, wie sie in den Kontrollen 
nicht vorkommen. 


2. Gobius capito 2 X Gobius jozo £. 

Wir wenden uns nun zur Beschreibung der reziproken 
Kreuzung. die wir zweimal ausführten. Beide Mal wurden nahezu 
alle Eier befruchtet, und auch bei dieser Bastardierung unter- 
schieden sich die Bastard- und Kontrollzuchten nicht in bezug 
auf die Regelmässigkeit und Schnelligkeit der ersten Teilungen. 
Im weiteren Verlauf machte sich jedoch bald der Einfluss des G. j0zo- 
Spermas bemerkbar, der eine Beschleunigung der Entwicklung be- 
wirkte. Die Bastardembryonen gediehen fast alle gut, blieben zwar 
etwas kürzer wie die Kontrollen, zeigten jedoch früher Pigmen- 
tierung der Augen und das Auftreten des schwarzen Pigments in dem 
Schwanz. Ferner zeichneten sie sich durch lebhaftere Bewegungen 
in ihren Hüllen aus. Bei dieser anfänglich guten Entwicklung 
der Bastarde überraschte uns um so mehr die Beobachtung, dass 
vom 8. Tage nach der Befruchtung an die Embryonen aus den 
Hüllen, die nicht mehr prall gespannt waren, fielen und zugrunde 
gingen. Wir erhielten keinen lebensfähigen Bastard. Um eine 
zufällig auftretende Erkrankung konnte es sich nicht handeln, da 
die Bastarde in beiden, an verschiedenen Tagen angestellten 
Versuchen nach Ablauf derselben Zeit unter gleichen Erscheinungen 
abstarben. 

Wir beobachteten hierbei folgendes: 

Am s. Tage nach der Befruchtung waren die Bastard- 
embryonen gut ausgebildet, mit dunkel pigmentierten Augen und 
langem Schwanz. Sie waren etwas kürzer wie die Kontrollen, 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 63 


auch bemerkten wir keine Herzpulsation, die bei jenen eben 
anfıng. Sie bewegten sich aber lebhafter als wie die Kontroll- 
tiere. Die Hüllen waren im allgemeinen weniger prall gespannt 
und einige Embryonen befreiten sich von ihnen, während wir sie 
beobachteten. Sie führten im Wasser zuckende Bewegungen aus, 
waren jedoch lange nicht weit genug entwickelt, um ohne den 
Schutz der Hüllen am Leben zu bleiben. Am 9. Tage waren 
noch mehr Bastarde aus den Hüllen gefallen, andere bereits in 
diesen abgestorben. An den ersteren konnten wir ganz unregel- 
mässigen intermittierenden Herzschlag beobachten, auch war das 
Herz bedeutend kleiner als wie bei den Normalen. Eine Blut- 
zirkulation im Schwanz, die wir bei den Kontrollen wahrnehmen 
konnten, bemerkten wir nicht. Die Bastarde starben alle bald 
im Wasser ab. Einige frisch herauspräparierte Embryonen 
fixierten wir in Essig-Sublimat. Einer von ihnen ist in Fig. 3 
mit einer gleich alten Kontrolle Fig. 4 abgebildet. 

In den nächsten 2 Tagen starben alle übrigen Embryonen 
ebenfalls ab, und zwar zum Teil noch innerhalb der Eihüllen. 
Am 11. Tage nach der Befruchtung existierte kein einziger lebender 
Bastard mehr, während die Kontrollen gut entwickelt waren und 
am 28. Tage zum grössten Teil ausschlüpften. 

Sehen wir uns zunächst die Embrvonen Fig. 3 und Fig. 4 näher 
an, um vielleicht einen Anhaltspunkt für die Lebensunfähigkeit 
der Bastarde zu erhalten. Der vererbende Einfluss des Samen- 
fadens macht sich in mehreren Punkten bemerkbar. Das schwarze 
Pigment ist bei dem Bastard viel reichlicher vorhanden als bei 
der Kontrolle. Dafür besitzt diese besonders auf dem Rücken 
gelbe Pigmentzellen. Besonders auffallend ist die ungleiche Grösse 
der gleich alten Embryonen. Die Bastarde sind etwa nur */s so 
gross wie die normal befruchteten @. capito-Larven. Trotz dieses 
Rückstandes in bezug auf das Längen-Wachstum sind die Organe 
der beiden Tiere gleich weit entwickelt. 

Aus der geringeren Grösse der Embryonen kann man sich 
also nicht ihr plötzliches Absterben erklären. Ist doch in diesem 
Falle das Zurückbleiben im Wachstum nicht identisch mit einer ver- 
zögerten Entwicklung wie bei den G. jozo 2 X G. capito-Embryonen, 
sondern beruht wahrscheinlich nur auf der Vererbung der ge- 
ringeren Länge der G. jozo-Larven. — Wir glauben hingegen den 
Grund für das Absterben der Bastarde in der Beobachtung zu 


64 Günther und Paula Hertwig: 


sehen, dass ihr Herz kleiner als wie das der reinen Form ist. 
Diese kleinere Herzanlage entspricht durchaus der intermediären 
(‚rösse der Bastarde und würde zu deren Erhaltung wahrscheinlich 
ausreichen, wenn nicht der Dotter so unverhältnismässig gross 
wäre. Das Herz, das genügen würde, den Embryo mit einer ihm 
proportionalen Dottermenge zu erhalten, ist nicht imstande, einen 
für den normalen G. capito - Embryo berechneten Dotter zu be- 
wältigen. An diesem Missverhältnis gehen unserer Meinung nach 
die Embryonen zugrunde. Das zu stark beanspruchte Herz ver- 
sagt, wie die intermittierenden Pulsationen und die fehlende 
Zirkulation im Schwanz anzeigen. —- 

Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass die ge- 
störte Herztätigkeit mit dem Absterben der Bastarde zusammen- 
hängt. Wie aber das Schlaffwerden der Hüllen und das Herausfallen 
der Embryonen aus ihnen zu erklären ist, vermögen wir nicht 
anzugeben. 

Aus der Literatur ist uns nur ein Fall bekannt, wo die 
Bastarde die Hüllen früher verlassen, als wie beide Eltern. Es 
handelt sich um eine kurze Angabe von List, der beobachtete. 
dass die Crenilabrus tinca 2 X Crenilabrus pavo Z Mischlinge 
schon nach 9!/s Tagen ausschlüpften, während die reinen tinea- 
16 Tage und die reinen pavo-Embryonen 10'/s Tage benötigten. 
Ebenso konnte er an Eiern von Urenilabrus tinca, die mit 
Spermatozoen von Ürenilabrus quinque maculatus befruchtet 
wurden, eine Abkürzung der Entwicklungsdauer des Embrvo be- 
obachten. Leider fehlen bei List alle näheren Angaben über 
den Entwicklungszustand der Bastarde; es lässt sich also nicht 
sagen, ob dem verfrühten Verlassen der Hüllen ähnliche Ursachen. 
wie bei unseren Gobius capito 2 X jozo & Embryonen zugrunde 
liegen. Beide Versuche stimmen darin überein, dass das Ei der 
mütterlichen Art das grössere ist und längere Zeit zu seiner 
Entwicklung braucht. 


3. Gobius jozo 2 X Gobius minutus 
Gobius minutus ® X Gobius j0zo @. 

Da wir Gobius minutus nur zweimal und in wenigen Exem- 

plaren geschlechtsreif erhielten, konnten wir nur eine Normal- 

befruchtung, die sich gut entwickelte, und einmal die Bastardierungen 


G. j0ozo 2? X minutus und G. minutus $ X jozo & ausführen. Der 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 65 


Minutussamen war schlecht beweglich; ob dies nur an dem 
benutzten Tier lag, oder ob es eine ständige Eigenschaft ist. 
können wir nicht sagen. Es wurde von einer grösseren Anzahl 
von G. jozo-Eiern nur ein einziges befruchtet. Es ging uns leider 
während der ersten Tage der Entwicklung verloren. Noch weniger 
Erfolg hatten wir mit der reziproken Kreuzung G. minutus ?. X 
jozo d. Kein einziges G. minutus-Ei wurde besamt, trotzdem wir 
uns in diesem Fall sowohl von der Befruchtungsfähigkeit des jozo- 
Samens als wie von der Güte der G. minutus-Eier überzeugt hatten. 
Da wir den Versuch nur einmal ausführten, ist natürlich nicht aus- 
geschlossen, dass bei anderen G. minutus-Weibchen das Befruchtungs- 
resultat ein etwas günstigeres ist. Doch glauben wir, dass sich nur 
ein geringer Prozentsatz befruchteter Eier wird erreichen lassen. 
Es ist anzunehmen, dass die Befruchtung auf rein mechanische 
Hindernisse stösst, dass die Samenfäden von G@. jozo nicht durch 
die Mikropyle von den G. minutus-Hüllen schlüpfen können. 


4. Gobius jozo 2 X Crenilabrus pavo d 

und Gobius capito 2% X Crenilabrus pavo 4. 

Die Bastardierung Gobius jozo 2 X Crenilabrus pavo d 
wurde dreimal von uns ausgeführt. In allen Versuchen wurde 
nur ein geringer Prozentsatz der Gobiuseier vom Urenilabrus- 
samen befruchtet. Diese Eier, in dem einen Versuch 25, teilten 
sich anfangs normal und gleichzeitig mit den Kontrolleiern. 
Während aber am 2. Tage nach der Befruchtung die Kontrollen 
sich zu kleinen Embryonen mit Kopf, Schwanz und Augenblase 
entwickelt hatten, waren in den Bastardkulturen nur pathologische 
Larven (Fig. 11) zu finden. Am 3. Tage zeigten diese bereits deut- 
liche Spuren des Zerfalles und am 4. Tage nach der Befruchtung 
war alles Material abgestorben. Dasselbe Ergebnis hatte die 
Kreuzung G. capito 2 X Crenilabrus pavo d. Wir erhielten einige 
wenige stark missbildete Embryonen, die am 4. Tage abstarben. 

Auf Schnittpräparaten von dem Zweiteilungsstadium fanden 
wir in der einen Serie die Eier im Übergang zur Vierteilung mit 
zwei normalen Spindeln: eine Sonderung der väterlichen und mütter- 
lichen Chromosomen war nicht zu erkennen. Die Eier der zweiten 
Serie zeigten die eben vollendete Vierteilung mit lappigen bläschen- 
förmigen Kernen, wie wir sie auch im normal befruchteten 


Gobiusei beobachtet haben. Diese Bilder bewiesen uns, dass sich 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 84. Abt. II. 5) 


66 Günther und Paula Hertwig: 


das gesamte Kernmaterial an dem Aufbau der Embryonen beteiligte 
und nicht etwa eine Chromatinelimination wie bei den frühzeitig ab- 
sterbenden Seeigelbastarden Baltzers stattfand. — Die Sistierung 
der Entwicklung ist die Folge einer Erkrankung des gesamten 
IKernmaterials. zu welcher die durch die artfremde Befruchtung 
entstandene disharmonische Idioplasmaverbindung geführt hat. 


5. Crenilabrus pavo 2? X Gobius jozo ZJ und 
x Gobius capito d. 

Bei diesen reziproken Kreuzungen bildeten sich überhaupt 
keine Embryonen mehr, sondern die Eier starben bereits vor der 
(Gastrulation ab. Sechs Versuche, die wir mit grösserem Material, 
einmal mit etwa 200 Eiern, ausführten, hatten immer denselben 
Erfolg. Das Befruchtungsresultat war stets ein sehr gutes (fast 
immer 100°/o). Während der ersten Teilungen bemerkten wir 
öfters sich simultan drei- und vierteilende Eier, die auf di- und 
polvsperme Befruchtung zurückzuführen sind. Bei normaler Be- 
fruchtung wurde nie Polyspermie beobachtet. bei Bastardbefruchtung 
aber scheint sie leichter aufzutreten. — Bei den monosperm be- 
fruchteten Bastardeiern verliefen die ersten Furchungen normal, 
Schnitte zeigten uns wieder normale Spindeln oder bläschenförmige 
Kerne. Aber während nach 24 Stunden die Keimhaut der Kontrollen 
den Dotter fast ganz umwachsen hatten, waren die bastardierten 
Eier als Blastulae in der Entwicklung stehen geblieben. Am 
nächsten Tage zerfielen sie. 

Wir haben hier also wieder einen Fall von Sistierung der 
Entwicklung vor der Gastrulation, ein Beweis mehr, dass der 
Übergang vom durchfurchten Ei zur Gastrula eine kritische 
Periode bei bastardierten Eiern ist. Es ist bekannt, dass zahl- 
reiche Amphibienmischlinge dasselbe Verhalten zeigen. Auch bei 
Fischkreuzungen ist das Absterben vor der Gastrulation eine 
häufige Erscheinung. Wir beobachteten dieselbe nicht nur in dem 
Crenilabrus pavo 2 X Gobius jozo -Versuch, sondern auch bei 
Kreuzungen von Gobius jozo 2 X Smaris alcedo 3. Bei diesem 
Versuch war das Befruchtungsresultat kein günstiges, nur sechs 
Eier furchten sich, und diese gingen alle als Blastulae zugrunde. — 
Ein Absterben vor der Grastrulation berichten ferner Appellöt 
bei seinen Kreuzungen von Pleuronectes platessa 2 X Gadus 
morrhua g und Labrus rupestris 2 X Gadus morrhua d, sowie 


Kreuzunesversuche an Knochenfischen. 67 


Moenkhaus mit wenigen Ausnahmen bei seinen Fundulus 2 X 
Menidia d Bastarden. 

Die Abbildung eines Schnittes durch eine solche sich nicht 
weiter entwickelnde Blastula ist in Fig. 17 gegeben. Es ist noch 
eine grössere Zahl von Mitosen ausgebildet, an denen nichts 
Pathologisches zu erkennen ist. Auffallend ist aber die Grösse der 
ruhenden Kerne und ihre Zusammensetzung aus zwei, manchmal 
auch aus drei und mehr Bläschen. Infolgedessen haben die Kerne 
häufig eine hufeisenförmige Gestalt. Eine Abbildung von ruhenden 
Kernen, die der unsrigen sehr ähnlich ist, gibt Moenkhaus, 
(Fig. 27, cells from middle cleavage of a Menidia hybrid). Beide 
Figuren, die unsrige, und noch mehr die von Moenkhaus, 
erinnern an die von Rückert und Häcker gegebenen Ab- 
bildungen von gonomeren Kernen bei Uyclops-Embryonen. Die 
Zusammensetzung der ruhenden Kerne aus zwei Bläschen deuten 
diese Autoren als Anzeichen einer Trennung von väterlichem und 
mütterlichem Chromatin in späteren Entwicklungsstadien. Ebenso- 
wenig wie Moenkhaus glauben wir aus der Ähnlichkeit mit 
diesen Abbildungen den gleichen Schluss ziehen zu dürfen. 
Moenkhaus hält eine Trennung von väterlichem und mütter- 
lichem Chromatin, die er Anfangs beobachtete, auf diesem Stadium 
für unwahrscheinlich, da er glaubt, bei späteren Mitosen eine 
Vermischung der väterlichen und mütterlichen Chromosomen bei 
erhaltener Individualität bemerkt zu haben. Da wir selbst auf 
frühen Stadien nie eine Trennung der väterlichen und mütterlichen 
Chromatinkomponenten wahrnehmen konnten, ist es unwahrschein- 
lich, dass sich diese später so deutlich bemerkbar machen sollte. 
Besonders spricht aber gegen die Annahme, dass die Kerne, wenn 
sie auch häufig aus zwei Bläschen zusammengesetzt sind, doch 
auch nicht selten aus drei und vier Karyomeren bestehen. Wir 
glauben vielmehr in der lappigen Struktur der Kerne ein Degene- 
rationszeichen zu erkennen. Auffallend war ferner noch, dass 
die Kerne der Bastardkeimscheiben erheblich grösser waren als 
diejenigen normaler Crenilabrusblastulae. 


6. Crenilabrus pavo 2? X Crenilabrus tinca Z 
und Crenilabrus pavo ? X Crenilabrus massa d. 
Um Crenilabrusarten untereinander zu kreuzen, benutzten wir 
die Eier von Cr. pavo und den Samen von Cr. tinca und Ur. massa. 


DE" 


68 Günther und Paula Hertwie: 


Die beiden letztgenannten Fische sind erheblich kleiner als 
Urenilabrus pavo. Während dessen Länge etwa 17—1S cm beträgt. 
hatte unser Crenilabrus massa-Männchen nur eine Länge von 
10 em, das Cr. tinca-Männchen nur eine solche von 7 em. Bei der 
Bastardierung Cr. pavo 2 X tinca erhielten wir acht Embryonen, die 
aber schon am 2. und 3. Tage abstarben, die Mischlinge Cr. pavo 2 X 
massa d entwickelten sich zu langgestreckten Larven mit Herz- 
pulsation, die sich von der Kontrolle kaum oder gar nicht unter- 
schieden. Wegen unserer Abreise von Neapel konnten wir ihre 
Entwicklung nicht weiter verfolgen. Da sich die Ur. pavo- X massa- 
Bastarde so gut entwickelten. kommt uns das Resultat der 
Ur. tinca-Kreuzung zweifelhaft vor. Der Versuch bedarf noch einer 
Wiederholung, um so mehr, da List, so weit es aus seiner kurzen 
Angabe hervorgeht, eine gute Entwicklung von Cr. pavo 2 X tinca & 
Bastarden erhielt. Eine Wiederholung des Versuches dürfte, da 
die Crenilabrusarten so erheblich in ihrer Grösse differieren, nicht 
ohne Interesse sein. 


7. Crenilabrus pavo 2 X Box boops &. 

Bei dieser Bastardierung war uns das Ergebnis überraschend, 
dass, trotz der nicht nahen Stellung der Fische im System und 
ihrer grossen äusseren Verschiedenheit, Bastardembryonen gebildet 
wurden, die sich von normalen Crenilabrus-Embrvonen kaum unter- 
schieden. Leider konnten wir bei beiden mit Box-Sperma vor- 
genommenen Bastardierungen die Entwicklung nicht bis zum Schluss 
verfolgen. In dem ersten Versuch erhielten wir, da nicht ganz 
einwandfreies Eimaterial zur Verwendung gelangte, nur ein sich 
furchendes Ei. Dieses löste sich am 4. Tage seiner Entwicklung von 
dem Boden des Entwicklungsgefässes los, und um den Embryo nicht 
zu verlieren, konservierten wir ihn. Den zweiten Versuch konnten 
wir erst 5 Tage vor unserer Abreise vornehmen; es mussten daher 
die 2 Tage alten Embryonen ebenfalls in Zenker eingelegt werden. 
Ein derartiger 2 Tage alter Crenilabrus pavo 2? X Box boops d 
Bastard ist in Fig. 6 abgebildet. Die gleich alten normal be- 
fruchteten Embryonen stehen etwa auf einem Entwicklungsstadium. 
wie es List in Fig. 27 dargestellt hat. Wir sehen, dass sich die 
beiden Embryonen in ihrer Entwicklung kaum unterscheiden. Die 
Länge ist fast dieselbe, die Augen sind bei dem Bastard nur in 
geringem Maße undeutlicher als wie bei der Kontrolle. " Das 


x 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 69 


Plasma einer Anzahl von Bastarden ist weniger durchsichtig. 
Ferner ist bemerkenswert, dass bei den Bastarden schon Pigment- 
zellen im Schwanze auftraten, die den normalen Crenilabrus- 
Embryonen fehlen. Die frühzeitige Pigmentierung muss eine 
durch den Samenfaden übertragene Eigenschaft der Box-Embryonen 
darstellen. Leider fehlen uns, da wir nie reife Box-Eier erhielten. 
diese zum Vergleich. Die gut entwickelten Bastarde dieser Kreuzung 
hätten sich fraglos noch eine Reihe von Tagen weiter entwickelt. 

Es sei hier noch bemerkt, dass es sich bei den eben 
beschriebenen Mischlingen mit Bestimmtheit nicht um „falsche 
Bastarde“, das heisst, um Embryonen parthenogenetischen Ur- 
sprungs, handelt. Diese Annahme wird einwandfrei widerlegt 
durch die Tatsache, dass bereits 2 Tage alte Embryonen eine 
Eigenschaft, Pigmentierung des Schwanzes, aufweisen, die den 
Urenilabrus-Larven nicht zukommt und nur durch die vererbende 
Wirkung des Box-Spermas zu erklären ist. Messungen ergaben 
ferner, dass die Bastarde etwas grössere Kerne als die gleichalten 
Kontrollembryonen besassen. Die Kernvolumina der Bastarde 
verhielten sich zu denjenigen reiner Crenilabrusembryonen etwa 
wie 5:4. 

s. Crenilabrus pavo 2? x Smaris alcedo 2. 

Diese Kreuzung wurde von uns dreimal, am 22.. 24. und 
26. April, mit dem gleichen Resultat ausgeführt; sie rechtfertigt 
durch die bei ihr auftretenden eigentümlichen, bisher bei keiner 
anderen Kreuzung beobachteten Erscheinungen eine nähere Be- 
schreibung. 

Da uns der Versuch am 26. April das meiste Material zur 
zytologischen Untersuchung lieferte, so seien seine Ergebnisse 
hier ausführlicher mitgeteilt. 

Um 10°/s Uhr wurden Eier von Urenilabrus pavo in der 
von uns stets geübten Weise mit der durch etwas Seewasser 
verdünnten Samenmilch von Smaris alcedo übergossen. Die 
Konzentration des Samens ist dabei, wie ein Versuch ergab. 
ohne Einfluss auf den späteren Verlauf der Entwicklung. Das 
Eindringen der Smarisspermatozoen in die Eier von Crenilabrus 
pavo erfolgte ohne Schwierigkeiten; nur ein geringer Prozentsatz 
der Eier blieb unbefruchtet. Nach 40 Minuten konnten wir das 
Verschmelzen des Samenkernes mit dem Eikern am lebenden 
Objekt beobachten ; eine viertel Stunde später wurde der einheit- 


70 Günther und Paula Hertwieg: 


liche bläschenförmige Kern undeutlich und entzog sich für einige 
Zeit der Beobachtung, ein Zeichen, dass er in die Mitose ein- 
getreten war. Bis hierher waren alle beobachteten Erscheinungen 
genau der Norm nach verlaufen. Aber während jetzt bei der 
normalen Kontrollzucht, ebenso wie bei allen anderen von uns 
vorgenommenen Bastardierungsversuchen mit Crenilabruseiern, die 
erste Teilebene etwa 1 Stunde nach der Befruchtung einschnitt, 
unterblieb in unserer Smariskreuzung die Zweiteilung des Eies. 
Statt einer normalen, rasch tief einschnürenden Furche beob- 
achteten wir etwa 1'/a Stunde nach der Befruchtung, ungefähr 
an der Stelle der Eioberfläche, wo wir die erste Furche zu er- 
warten hatten, eine geringe Einschnürung und Faltung der Ober- 
fläche, die jedoch nicht tiefer in das Plasma einschnitt. Unter 
dem Mikroskop bei schwacher Vergrösserung beobachtet, erinnert 
dieser Vorgang lebhaft an die bei der Teilung des Froscheies unter 
dem Namen des Faltenkranzes von M. Schultze beschriebene 
Erscheinung. Ebenso wie normalerweise beim Froschei schneidet 
die erste Furche bei den mit Smarissamen bastardierten Üreni- 
labruseiern abweichend vom normalen Vorgang nicht glatt ein, 
sie ist vielmehr mit zahlreichen kleinen, seitlich verlaufenden Neben- 
furchen versehen. Aber während beim Froschei beim tieferen Ein- 
schneiden der Hauptfurche die Nebenfurchen wieder verschwinden 
und die Teilung des Eies vollzogen wird, bleibt es bei unserem 
Objekt fast stets bei diesem Versuch zur Teilung und die Ei- 
oberfläche nimmt nach einiger Zeit wieder ein glattes Aussehen 
an. Sehnitte durch Eier, die 1 Stunde 20 Minuten nach der 
Besamung konserviert wurden, ergänzen die am lebenden Objekt 
gemachten Beobachtungen. Wie Fig. 13 zeigt, haben sich an 
einer Stelle der sonst glatten Eioberfläche zahlreiche Protoplasma- 
fortsätze gebildet, die in ihrer Form lebhaft an die Pseudopodien 
einer Amöbe erinnern. Es sei bei dieser Gelegenheit auf eine 
Beobachtung von Boveri hingewiesen, der vom Monasterstadium 
des Echinideneies beschreibt, dass an einer Stelle der Oberfläche, 
zu der Zeit, wo das Ei normalerweise sich hätte teilen sollen, 
kleine amöboide Protoplasmafortsätze auftraten, die sich sogar 
manchmal abschnürten. 

Während diese Vorgänge sich an der Obertläche des Üreni- 
Jabruseies abspielen, sieht man etwa 1 Stunde 10 Minuten nach 
der Befruchtung mit dem Smarissamen links und rechts von 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 7] 


der faltenkranzartigen Einschnürung des Eiprotoplasma je einen 
bläschenförmigen Kern sich ausbilden, ein Zeichen, dass die 
Teilung des Eikernes in normaler Weise verlaufen ist. 10 Minuten 
später werden diese beiden Kerne wieder unsichtbar und nach 
einiger Zeit erscheinen vier neue bläschenförmige Kerne. So 
geht die Vermehrung der Kerne in den bastardierten Eiern fast 
synchron mit derjenigen in einem normal befruchteten Kontrollei 
weiter, wie man leicht unter dem Mikroskop bei schwacher Ver- 
grösserung am lebenden Objekt beobachten kann. 

Während so die Karyokinese ein normales Verhalten zeigt. 
ist die Plasmateilung auch fernerhin in höchstem Grade gestört. 
Dabei machen sich bei den einzelnen Eiern desselben Versuches 
Unterschiede geltend. So kann es vorkommen, dass zu der Zeit, 
wo die Keimscheibe der normal befruchteten Kontrolleier in vier 
gleich grosse Blastomeren geteilt ist, auch bei den bastardierten 
Eiern die Vierteilung eintritt, die aber abweichend von der Norm 
zur Zerlegung der Keimscheibe in zwei ganz grosse und zwei 
ganz kleine Blastomeren mit je einem Kern führt. In der Mehr- 
zahl der Fälle schnüren sich erst später, nachdem sich die Kerne 
schon stärker vermehrt haben, an der Eioberfläche kleine kern- 
haltige Plasmastücke ab, während grössere Bezirke der Keim- 
scheibe mit vielen Kernen entweder ganz ungeteilt bleiben oder 
an ihrer Oberfläche wieder das Auftreten von einem oder mehreren 
Faltenkränzen erkennen lassen. Man gewinnt, wie es in unserem 
Versuchsprotokoll heisst, den Eindruck, als ob die Plasmateilung 
auch auf diesen späteren Stadien noch mit grossen Schwierigkeiten 
verknüpft ist. Während daher 6°/4 Stunden nach der Befruchtung 
die Keimscheibe normalerweise schon in viele kleine, gleich grosse 
Zellen zerlegt ist und eine glatte Oberfläche besitzt, ist sie bei 
den Bastardeiern in ganz unregelmässiger Weise gefurcht: es 
finden sich grosse und kleine Zellen, die ihrer Oberfläche ein 
unregelmässig höckeriges Aussehen verleihen (Fig. 10). Nur einige 
wenige Eier machen eine regelmässigere Furchung durch, wenn- 
gleich auch diese niemals als ganz normal bezeichnet werden kann. 

Dass die ganz abnorm gefurchten Bastardeier nicht zur 
Bildung eines Embryo schritten, vielmehr auf dem Morula- und 
Blastulastadium abstarben, kann uns nicht wundernehmen. Da- 
gegen entwickelten sich aus den wenigen regelmässiger gefurchten 
Eiern in allen drei Versuchen einige Embryonen. Doch auch 


72 Günther und Paula Hertwie: 


diese liessen die Folge der auch bei ihnen in geringerem Grade 
gestörten Furchung noch daran erkennen, dass gewöhnlich an 
einer Seite der Embryonalanlage grosszellige Plasmapartien zu 
beobachten waren, die nicht zur Bildung des Embryo verwandt 
wurden. Infolgedessen blieben die Embryonen auch stets viel 
kleiner als diejenigen der normalen Kontrollzuchten:; sie waren 
meist viel schmäler und auch weniger lang. Die Differenzierung 
der Organe ging etwa bis zum Stadium, wo die Augenbläschen 
sich bilden, dann starben die Embryonen stets ab. In der Fig. 5 
ist ein Bastardembryo aus unserem Versuch vom 26. April ab- 
gebildet. Er hatte, ebenso wie der in Fig. 6 zum Vergleich ab- 
gebildete Kontrollembryo, ein Alter von 2 Tagen erreicht. In 
einem anderen Versuch vom 24. April entwickelten sich von einer 
grösseren Anzahl mit Smarissamen kreuzbefruchteter Crenilabrus- 
eier nur drei Stück zu Embryonen, die wir bis zum 3. Tage 
weiter züchten konnten. Zwei von ihnen sind mit einer gleich 
alten Kontrollarve in den Fig. 7—9 dargestellt. 

Wie Schnitte durch diese Embryonen lehren, haben sich das 
Nervenrohr, die Chorda, die Ohrbläschen und, wenn auch in recht 
pathologischer Weise, die Augenbläschen differenziert. Kern- 
messungen, die wir an mehreren Bastardembryonen sowohl an 
den Zellen der Medulla, als der Ohrbläschen und der Chorda an- 
stellten, führten zu dem bemerkenswerten Resultat, dass die 
Kerne aller dieser Organe stets ganz erheblich grösser als die- 
jenigen von gleich alten Kontrollembryonen waren. Die Kern- 
volumina der Bastarde verhielten sich zu denen von reinen 
Urenilabrusembryonen wie 9:5. Da uns reine Smarisembryonen 
nicht zur Verfügung standen, so können wir nicht sagen, ob 
diese erhebliche Kernvergrösserung bei den Bastarden allein auf 
den Einfluss der väterlichen Smariskomponente zurückzuführen 
ist. Die Smarisembryonen müssten sich dann im Vergleich zu 
den Urenilabrusembryonen durch relativ grosse Kerne auszeichnen. 
Es sei hier noch daran erinnert, dass wir auch bei den Embryonen 
der Kreuzung Crenilabrus pavo 2 x Box boops & grössere Kerne 
als bei den reinen Crenilabrusembryonen festgestellt haben. Da 
über die Grössen der Bastardkerne im Vergleich zu denjenigen 
der reinen Formen ausser den Angaben Baltzers, der bei den 
Bastardlarven Sphaerechinus ? x Strongylocentrotus 8 Kerne von 
intermediärer Grösse fand. noch keine Untersuchungen vorliegen, 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 15 


so dürfte sich ein näheres Studium der Kerngrössen bei Bastarden 
sicher empfehlen. Vorläufig können wir aus unseren Kernmessungen 
bei den Urenilabrus 2 x Smaris 4 Bastarden nur den Schluss ziehen, 
dass die väterliche Kernkomponente sich an dem Aufbau der 
Embryonen beteiligt hat, es sich also um echte Bastarde handelt. 
Die Richtigkeit unseres Schlusses wird durch die sogleich zu 
besprechende zytologische Untersuchung der ersten Entwicklungs- 
stadien des befruchteten Eies bestätigt. 

Zur feineren mikroskopischen Untersuchung an Schnitt- 
serien stand uns eine grössere Anzahl von Eiern zur Verfügung, 
die wir zu verschiedenen Zeiten nach der Befruchtung konserviert 
hatten. Zunächst konnten wir mit Sicherheit an Schnitten fest- 
stellen, dass es sich bei der von uns beobachteten, verzögerten 
und unregelmässigen Eiplasmateilung der mit Smarissamen bastar- 
dierten Crenilabruseier nicht etwa um die Folgen einer Polyspermie 
handelt, wie etwa bei der Barokfurchung der Kröteneier nach 
Besamung mit konzentriertem Froschsamen. Vielmehr werden 
die bastardierten Eier in der Regel nur von einem Spermatozoon 
befruchtet. Es ist dies wohl der erste Fall, dass die monosperme 
Befruchtung mit einem artfremden Samenfaden die Teilung des 
Eies in so hohem Maße störend beeinflusst: es muss daher von 
Interesse sein, den Ursachen dieser sonderbaren Erscheinung 
nachzugehen. Denn die von Godlewski beschriebene stamm- 
fremde Bastardierung von Echinideneiern mit Chaetopterussamen, 
wo es im Anschluss an eine monosperme Besamung zu einem 
raschen Zerfall der Seeigeleier kommt, verhält sich in jeder 
Hinsicht verschieden. Denn bei Godlewskis Experimenten ver- 
schmilzt zwar der Chaetopteruskern auch mit dem Eikern, wird 
dann aber sofort wieder aus dem primären Furchungskern 
eliminiert: es bildet sich eine monozentrische Strahlung um den 
Furchungskern, und das Fi geht an Uytolyse zu Grunde. In 
unseren Versuchen der artfremden Kreuzung dagegen beteiligt 
sich das artfremde Smarischromatin regelmässig an den ersten 
Mitosen. In der Fig. 14 ist eine erste Furchungsspindel abge- 
bildet. Das väterliche und mütterliche Chromatin hat sich noch 
gesondert erhalten, wobei die eine Kernhälfte in der Chromosomen - 
bildung etwas gegen die andere im Rückstand ist. Höchst wahr- 
scheinlich erfolgt bei den Knochenfischen auch normalerweise 
keine vollständige Verschmelzung der beiden Vorkerne im be- 


74 Günther und Paula Hertwie: 


fruchteten Ei, wie etwa beim Seeigel, sondern die Kerne schreiten 
ohne Durchmischung ihrer Bestandteile jeder für sich zur Bildung 
der Chromosomen, wie es bei Ascaris die Regel ist. Es ist 
möglich, dass sich die Sonderung der beiden Kernbestandteile 
bei den bastardierten Fischeiern noch etwas schärfer erhält, dass 
ferner die Chromosomenbildung in dem einen Kern etwas rascher 
beendet ist, als in dem anderen und die Folge davon die an der 
Fig. 14 zu konstatierende Bildung einer Doppelspindel ist, die 
man bei normal befruchteten Eiern nicht sieht. Aber abgesehen 
von dieser leichten Abweichung von der Norm findet sich nichts 
Besonderes an der achromatischen Figur der ersten Furchungs- 
mitose, die Spindelfasern sind gut ausgebildet und die Pol- 
strahlungen in normaler Stärke entwickelt. Das einzige, was 
uns in einigen Fällen, besonders bei den der ersten Kernteilung 
folgenden Mitosen, auffiel, war eine geringfügige Verkürzung 
der Spindel, wodurch sie eine leicht der Tonnenform sich nähernde 
(restalt annahm. Aber wie gesagt, wir haben diese Spindelform 
nur in vereinzelten Fällen und dann gerade erst bei den späteren 
Mitosen gefunden, und möchten daher diesem Punkt bei der 
Erklärung der wunregelmässigen Eiplasmateilung kein grosses 
(ewicht beilegen. 

Auch im weiteren Verlauf der ersten und ebenso der 
folgenden Mitosen lässt sich nichts Abnormes nachweisen. Die 
Chromosomen weichen auseinander, sammeln sich an beiden 
Spindelpolen und bilden die Furchungskerne. Wir haben dabei 
keinerlei auffälliges Nachhinken der artfremden Uhromosomen, 
keine Elimination von Chromatin erkennen können: wir betonen 
diesen Umstand ganz besonders, weil wir aus unseren Arbeiten 
mit Seeigeleiern, zu deren Befruchtung uns auf chemisch oder 
physikalischem Wege geschädigtes Sperma gedient hatte, wissen, 
dass während der Mitose eliminiertes Chromatin die Teilung des 
Eies verzögern oder sogar ganz zu verhindern vermag. 

Wenn daher trotz normaler Spindelbildung, trotz regel- 
mässiger Verteilung des Chromatins auf zwei Furchungskerne 
und trotz normaler Kontraktion des Eiinhaltes und Ausbildung 
einer plasmatischen Keimscheibe Anzeichen einer Protoplasma- 
teilung an der Eioberfläche sich bemerkbar machen, doch niemals 
eine regelrechte Durchschnürung des Plasma in zwei Furchungs- 
zellen erfolgt, so müssen die Gründe hierfür höchst wahrscheinlich 


Dı 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 


in einer gestörten Beziehung der Furchungsspindeln zum Eiplasma 
zu suchen sein, wie wir sogleich nachweisen wollen. 

Es ist ja durch die Arbeiten von O. Hertwig, Boveri, 
Teichmann, Conklin und vieler anderer Forscher bekannt, wie 
wichtig die Einstellung der Furchungsspindel in einer bestimmten 
Eiachse für den normalen Ablauf der ersten Teilung ist. Ver- 
änderungen in der richtigen Lage der Spindel können die 
schwersten Störungen der Eiteilung bedingen. Aus der Fülle der 
Arbeiten wollen wir hier nur zwei Beobachtungen erwähnen. die 
auch für den uns hier beschäftigenden Fall von besonderem 
Interesse sind. In einer soeben erschienenen Arbeit hat Herlant 
die Gründe für das Ausbleiben der regelrechten Furchung bei 
Froscheiern studiert, die durch Anstich mit einer Glasnadel ohne 
Zusatz von Blut zur künstlichen Parthenogenese angeregt waren. 
Er konnte beobachten, dass auf den traumatischen Reiz hin der 
haploide Eikern in die Mitose eintritt, die zur Teilung des Kernes 
in zwei Furchungskerne führt. Infolge der haploiden Beschaffen- 
heit des Kernapparates ist aber, wie Herlant nachzuweisen 
sucht, die Furchungsspindel kürzer als die normale Spindel im 
befruchteten Ei und ist daher nicht imstande, die grosse Plasma- 
masse des Froscheies zur Teilung anzuregen. Diese kann erst 
erfolgen, wenn durch Einführen eines Fremdkörpers, z. B. eines 
Blutkörperchens in das Ei, accessorische Strahlungen auftreten, 
die eine mehr periphere Lage der abnorm kurzen Furchungs- 
spindel veranlassen. Wie hier nach den Mitteilungen von Herlant 
die allzu zentrale Lage einer abnorm kurzen Spindel die Ei- 
teilung behindert, so beeinflusst nach den Beobachtungen von 
Bonnevie am Ei von Ascaris lumbricoides umgekehrt auch 
eine zu periphere Lage der Spindelpole die Zellteilung in sehr 
ungünstiger Weise, ja diese kann trotz mehrfacher Kernteilung 
ganz ausbleiben. 

Auch bei unserer Fischbastardierung haben wir nun Beob- 
achtungen machen können, die für eine abnorme Spindeleinstellung 
bei den ersten Mitosen sprechen. Wir erinnern zunächst an die 
von uns bei der Beschreibung der Versuche auf Seite 71 er- 
wähnten, abnorm viergeteilten Eier. Sie unterscheiden sich von 
normal viergeteilten Eiern dadurch, dass ihre Keimscheibe anstatt 
in vier annähernd gleich grosse Blastomeren in zwei ganz grosse 
und zwei ganz kleine Teilstücke zerlegt war, von denen jedes 


76 Günther und Paula Hertwig: 


einen Furchungskern enthielt. Aus dieser Beobachtung lässt sich 
mit Sicherheit der Schluss ziehen, dass bei diesen Eiern die 
erste Furchungsspindel eine ganz exzentrische Lage eingenommen 
haben muss, während in normal befruchteten Eiern die erste 
Furchungsspindel stets in der Mitte der Keimscheibe gelegen ist. 
Bei einigen dieser abnorm viergeteilten Bastardeier waren die 
vier Furchungskerne bereits wieder in die Mitose eingetreten. 
Man hätte nun eigentlich erwarten sollen. dass die Spindeln in 
den zwei grossen Blastomeren sich ungefähr in das Zentrum der 
Zellen einstellen würden. Statt dessen nahmen sie wieder eine 
ganz exzentrische Lage in den an die kleinen Blastomeren an- 
srenzenden Plasimapartien ein. Die Störung der Spindeleinstellung, 
die bei der ersten Mitose schon eingetreten war, wiederholte sich 
also auch bei den später folgenden und hätte, wenn die Eier 
sich noch weiter entwickelt hätten, wohl zu einer Zerlegung der 
beiden grossen Blastomeren in je zwei sehr ungleiche Teil- 
stücke geführt oder sie hätte infolge der ganz peripheren Lage 
der Spindelpole, wie bei dem von Bonnevie beschriebenen Falle 
am Ascarisei, die Zellteilung ganz unmöglich gemacht. Wir 
konnten ferner noch einen anderen Befund erheben, der gleich- 
falls für eine Störung in der Spindeleinstellung beweisend ist. 
Es handelt sich in diesem Falle um Bastardeier etwa 1 Stunde 
10 Minuten nach der Befruchtung, die noch ganz ungeteilt waren, 
in ihrem Innern jedoch bereits zwei Furchungskerne besassen, 
die sich gerade zur nächsten Teilung anschickten. Das Stadium 
entsprach also dem des normal zweigeteilten, in der Vierteilung 
begriffenen Kontrolleies. Nach den Regeln, die namentlich dureh 
Dispermieversuche über die Spindelstellung gewonnen wurden. 
hätte man nun erwarten sollen,‘ dass die beiden im ungeteilten 
Eiplasma isoliert liegenden Spindeln eine parallele Lage zu- 
einander einnehmen würden. Anstatt dessen lagen die beiden 
Furchungsspindeln schief zueinander, wie an Schnitten durch 
unsere Bastardeier in zahlreichen Fällen mit Sicherheit nach- 
gewiesen werden konnte. 

Durch beide Beobachtungen halten wir es für bewiesen, 
dass Abnormitäten in der Spindeleinstellung bei den mit Smaris- 
samen bastardierten Eiern von Crenilabrus während der ersten 
Mitosen vorhanden sind; wir glauben nicht fehl zu gehen, wenn 
wir in dieser Störung der Spindeleinstellung die Hauptursache 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. {u 


für die abnorme Furchung erblicken. Die abnorme Einstellung 
der Spindel aber wird sicherlich in irgend einer Weise durch 
die Befruchtung mit dem artfremden Samen verursacht. Ob aber 
2. B. die gestörte Beziehung des artfremden väterlichen Kernes 
zum Eiplasma hierfür verantwortlich gemacht werden muss, oder 
ob, woran man auch denken könnte, das artfremde Zentrosom 
in seiner Tätigkeit irgendwie behindert ist, und deshalb die Ein- 
stellung der Furchungsspindel eine abnorme wird. die Beant- 
wortung dieser Fragen muss weiteren Forschungen überlassen 
bleiben. Durch die Untersuchung der reziproken Kreuzung, durch 
Befruchtung des Crenilabruseies mit intensiv radiumbestrahltem 
Smarissamen und dadurch hervorgerufener Ausschaltung des 
väterlichen Chromatins von der Entwicklung, wodurch sich eventuell 
eine Störung der Zentrosomentätigkeit nachweisen liesse, — um 
nur einige Experimente zu nennen — können wir vielleicht in die 
Ursachen dieser interessanten Verhältnisse noch tiefer eindringen. 

Nur mit wenigen Worten sei jetzt noch das weitere Schicksal 
unserer Bastardeier an der Hand mikroskopischer Schnittbilder 
geschildert. Wir können uns hier um so kürzer fassen, als die 
gar nicht oder unregelmässig gefurchten Fischeier im weiteren 
Verlauf ihrer Entwicklung an die Befunde zahlreicher Autoren 
erinnern, die bei Echiniden- und Molluskeneiern meist durch 
mechanische und chemische Eingriffe die Plasmateilung ver- 
hinderten und auf diesem, allerdings von dem unsrigen ganz 
abweichenden Wege vielkernige Eier erzielten. Ebenso wie diese 
Forscher an ihrem Material konnten wir bei unseren ungefurchten 
Fischeiern etwa 6°/s Stunden nach der Befruchtung pluripolare 
Mitosen zum Teil mit äusserst zahlreichen, zum Teil mit nur 
ganz wenigen Chromosomen zwischen den einzelnen Spindelpolen 
(Fig. 15 und 16, Taf. V) beobachten. Wir fanden ferner an 
unserem Fischmaterial ebenfalls die Beobachtung Kostaneckis 
bestätigt, dass in einem einheitlichen, ungeteilten Plasmabezirk 
die Umwandlungsprozesse an den Kernen synchron sich abspielen, 
also z. B. fast alle Kerne sich im Ruhestadium befinden oder in 
Mitose, wie auf Fig. 12, begriffen sind. Dagegen scheint bei 
unseren vielkernigen Fischeiern die Bildung von Verschmelzungs- 
kernen (Synkarionten), wie sie bei unterbliebener Plasmateilung 
beim Seeigel (z. B. von Godlewski und G. Hertwig) und bei 
Maktra von Kostanecki beschrieben sind, gar nicht oder nur 


78 Günther und Paula Hertwig: 


ausnahmsweise zu erfolgen. Zwar liegen oft die einzelnen Kerne 
dicht nebeneinander (Fig. 15), manchmal zu langen Ketten an- 
geordnet, aber sie verschmelzen nicht miteinander. Nichtsdesto- 
weniger finden sich vereinzelte Riesenkerne und im Anschluss an 
sie solche bipolaren Riesenmitosen mit unzähligen Chromosomen, 
wie eine in Fig. 15 rechts abgebildet ist. Ihre Entstehung ist 
aber wohl darauf zurückzuführen, dass die oft dicht neben- 
einander liegenden Kerne das Auftreten von pluripolaren Mitosen 
begünstigen, wobei die Verteilung der Chromosomen auf die ein- 
zelnen Pole eine ungleichmässige wird. 

Wie schliesslich noch bemerkt zu werden verdient. unter- 
bleibt eine Zellabgrenzung selbst in so späten Stadien, wie z. B. in 
demjenigen. das in der Fig. 12 abgebildet ist. wo das ganze Ei- 
plasma von Kernen erfüllt ist. Wohl sind einzelne Bezirke durch 
lockeres Plasma und sogenannte Diastembildung voneinander ab- 
segrenzt, aber eine wirkliche Plasmadurchschnürung ist noch nicht 
erfolgt. Wir haben schon berichtet, dass diese ungefurchten Eier 
niemals zur Bildung eines Embryos schreiten, vielmehr stets 
frühzeitig absterben. 


Allgemeiner Teil. 


Im Laufe unserer Arbeit sind wir mit einer ganzen Reihe 
von Artbastardierungen an Knochenfischen und ihren wechselnden 
Ergebnissen bekannt geworden; wir wollen jetzt zum Schluss uns 
noch mit der Frage beschäftigen, inwieweit der von OÖ. Hertwig 
geschaffene Begriff der disharmonischen Idioplasmaverbindung zur 
Erklärung unserer Versuchsresultate ausreicht. Nach OÖ. Hertwig 
sind die im so hohem Grade verschiedenartigen Abstufungen in 
dem Entwicklungsvermögen der bastardierten Eier der Ausdruck 
für verschiedene Grade disharmonischer Konstitution, die nach 
dem Befruchtungsakt zwischen den beiden Idioplasmen mütter- 
licher und väterlicher Herkunft besteht. „Die idioplasmatische 
Disharmonie beruht auf der verschiedenen materiellen Beschaffen- 
heit der mütterlichen und väterlichen Kernsubstanzen und 
ist von dem Grade der Verwandtschaft zwischen den beiden zum 
Bastard verbundenen Stammformen abhängig.“ 

Mit dieser Lehre von O. Hertwig stehen die Haupt- 
ergebnisse unserer Arbeit in guter Übereinstimmung. So liefert 
z. B. die Kreuzung der beiden nahe verwandten, äusserlich bis auf 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 2 


die erheblichen Grössenunterschiede sich sehr ähnlichen Gobius- 
arten, Gobius jozo und Gobius capito, lebensfähige, wenn auch 
schwächliche Embryonen, die oft bis zum Ausschlüpfen aus den 
Eihüllen gezüchtet werden konnten. Bei Verwendung der zwei 
ganz verschiedenen Familien angehörenden Gobiiden und Labriden 
zum Kreuzungsexperiment erfolgt das Absterben des Bastard- 
produktes schon auf dem Keimblasenstadium oder im Anfang der 
Gastrulation. Im allgemeinen stimmen hierbei die Ergebnisse 
reziproker Kreuzungen überein. Da nun in diesen Fällen allein 
die Kernsubstanzen von mütterlicher und väterlicher Seite in 
äquivalenter Menge sich an dem Aufbau des Bastardproduktes 
beteiligen und da wir ferner durch die mikroskopische Unter- 
suchung Anhaltspunkte für eine Kernerkrankung auf dem kritischen 
Stadium (S. 67) erhalten haben, so glauben wir auch die Kern- 
idioplasmadisharmonie, wie es im speziellen Teil geschehen ist, 
für den Ausfall unserer Kreuzungsexperimente in erster Linie 
verantwortlich machen zu müssen. 

Wäre jedoch die Verschiedenheit der väterlichen und mütter- 
lichen Kernsubstanzen und die bei ihrer Verbindung geschaffene 
idioplasmatische Disharmonie allein für die Entwicklungsfähigkeit 
des Bastardproduktes ausschlaggebend, so müssten reziproke Art- 
kreuzungen stets zu genau identischen Entwicklungsresultaten 
führen. Das ist nun aber bei unseren Versuchen nicht ganz der 
Fall, vielmehr ergeben sich Unterschiede, die freilich nicht er- 
heblicher Art sind, doch immerhin nicht übersehen werden dürfen. 
So sterben z. B. alle mit Gobiussamen bastardierten Eier von 
Crenilabrus pavo stets auf dem Blastulastadium ab, während die 
Entwicklung bei der reziproken Kreuzung noch bis zur Gastrulation, 
die allerdings stark pathologisch ist, fortschreitet. Bei den Gobius- 
versuchen entwickeln sich die Bastardembryonen, die bei Ver- 
wendung der Eier der kleineren jozo-Art erzielt wurden. viel 
besser als diejenigen, die von den viel voluminöseren Eiern der 
grösseren capito-Art bei der reziproken Kreuzung stammten. Es 
ist klar, dass diese Unterschiede im Ausfall reziproker Kreuzungen 
nicht durch die Verschiedenheit der väterlichen und mütterlichen 
Kernsubstanzen, die ja in beiden Fällen dieselbe ist, erklärt 
werden kann. Der Grund hierfür liegt vielmehr in der bei 
reziproken Artkreuzungen verschiedenen Beschaffenheit des Ei- 
plasma und den dadurch je nach der Richtung der Kreuzung in 


so Günther und Paula Hertwie: 


ihrem Grade wechselnden disharmonischen Beziehungen zwischen 
Eiplasma und dem väterlichen resp. dem im Furchungskern ver- 
einigten Bastardidioplasma. 

Mit Recht hat Poll bei Besprechung der Fälle von unvoll- 
kommener Reziprozität in den Ergebnissen der Bastardbefruchtung 
darauf hingewiesen, dass wir es ja beim Kreuzungsversuch „nicht 
mit der chemisch reinen Erbmasse, sondern mit wohl differen- 
zierten Erbzellen zu tun haben“. So ist es ja namentlich eine 
von Echiniden und Amphibien her bekannte Erscheinung, dass 
die spezifische Beschaffenheit der Eihüllen oder die Form der 
Spermatozoen das eine Mal die Bastardierung ermöglicht, während 
sie im reziproken Fall nicht gelingt. Neue Beispiele dieser Art 
haben wir in unserer Arbeit auch bei Fischen kennen gelernt. 
wir erinnern nur an den verschieden grossen Prozentsatz be- 
fruchteter Eier bei den beiden reziproken Kreuzungen der Gobiiden 
mit den Labriden. 

Aber nicht nur für den Erfolg oder Misserfolg der Be- 
fruchtung ist die spezifische Struktur der Keimzellen verant- 
wortlich zu machen, auch für den Ablauf der ersten Entwick- 
lungsprozesse ist die Beschaffenheit des Eiplasmas resp. des 
Deutoplasmas von Bedeutung, wie sich an der Hand einiger 
unserer Versuchsresultate nachweisen lässt. 

Die von uns bei der Kreuzung Crenilabrus pavo 2 x Smaris 
aleedo 2 beschriebene auffällige Störung der Eiteilung und der 
dadurch bedingte unregelmässige Furchungsprozess und häufige 
Zerfall des Eies auf dem Blastulastadium beruht sicher nicht auf 
einer Disharmonie der väterlichen und mütterlichen Kernsub- 
stanzen, zumal da wir ja in den vereinzelten Fällen von regel- 
mässigerer Furchung die Bildung von Bastardembryonen beob- 
achtet haben. Der Grund für die abnorme Furchung ist vielmehr. 
wie wir im speziellen Teil nachzuweisen uns bemüht haben. in 
einer gestörten Beziehung des Samenkernes (eventuell auch des 
Spermazentrosoms) zum Eiplasma zu suchen. Leider fehlt uns 
die reziproke Kreuzung. Es ist leicht möglich, dass hier die 
Eiteilung wegen der anders gearteten Struktur des Smariseies 
ganz normal verläuft. 

Einen interessanten Fall von gestörtem Wechselverhältnis 
zwischen Spermakern und Eiplasma hat ferner Baltzer mit- 
geteilt. Bei der Kreuzung Sphaerechinus 2 x Strongvlocentrotus 3 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. sl 


beteiligen sich die beiden (reschlechtskerne an dem Aufbau der 
Furchungskerne, und es entstehen intermediäre Bastardplutei. Bei 
der reziproken Kreuzung dagegen werden die väterlichen Sphaere- 
chinuschromosomen bei der ersten Mitose aus dem Furchungs- 
kern zum grössten Teil eliminiert. Die Folge hiervon ist eine 
Erkrankung der Keime auf dem Blastulastadium. Der verschieden- 
artige Ausfall der reziproken Kreuzung beruht hier also nicht 
auf einer Disharmonie der beiden Kernidioplasmen, sondern viel- 
mehr, wie Baltzer meint, in einer besonders grossen Empfind- 
lichkeit der Sphaerechinuschromosomen gegen das artfremde Ei- 
plasma, eine Erklärung, die dadurch noch an Wahrscheinlichkeit 
gewinnt, als die Sphaerechinuschromosomen auch in dem Eiplasma 
von Arbacia ein gleiches Verhalten zeigen. 

Ein Beispiel für ein gestörtes Wechselverhältnis, das zwischen 
den im Bastardidioplasma repräsentierten Entwicklungstendenzen 
und den allein von der Eizelle übertragenen Deutoplasmasubstanzen 
besteht, liefern unsere Kreuzungen der beiden Gobiusarten mit- 
einander. Bei Verwendung der kleinen Eier des Gobius jozo erhält 
man lebensfähige, aus den Hüllen schlüpfende, wenn auch etwas 
schwächliche Bastardembryonen, ein Zeichen dafür, dass in diesem 
Fall zwischen den väterlichen und mütterlichen Kernidioplasmen 
nur geringfügige Unterschiede bestehen. Trotzdem starben bei 
der reziproken Kreuzung, bei Benutzung der erheblich grösseren 
Eier von Gobius capito, alle Embryonen frühzeitig ab. Hier kann 
es, wie im speziellen Teil näher ausgeführt ist, keinem Zweifel 
unterliegen, dass die im zweiten Fall vorhandene, vergleichsweise 
enorme Dottermenge des Eies von (sobius capito für das schlechte 
Entwicklungsresultat verantwortlich gemacht werden muss. Der 
Bastardembryo (Fig. 3), der eine mittlere Grösse zwischen den 
Elternindividuen (Fig. 2 und 4) einzunehmen strebt, kann die für 
seinen Bedarf viel zu grosse Dottermenge nicht bewältigen, die 
Herzaktion versagt, und der Embryo stirbt ab. Ein ähnliches 
Verhalten haben Newman und Bancroft bei den reziproken 
Kreuzungen zweier Fundulusarten mit verschieden grossen Eiern 
beobachtet; hier entwickelten sich gleichfalls die Bastardembryonen. 
die von den voluminöseren Eiern stammten, viel schlechter als die- 
jenigen aus den kleineren Eiern, wenn auch in diesem Fall die 
Grössenuntersehiede der Eier nicht so beträchtlich wie bei unseren 


Gobiiden waren, und infolgedessen das Entwicklungsresultat der 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.$4. Abt. II. 6 


82 Günther und Paula Hertwie: 


reziproken Kreuzungen sich nicht so verschieden wie in unseren 
Experimenten gestaltete. 

Es dürfte sicherlich von Interesse sein. noch andere nahe 
verwandte Arten mit verschieden grossen Eiern (z. B. Labriden) 
miteinander zu Kreuzen und festzustellen, ob auch hier eine durch 
den verschiedenen Dottergehalt der Eier verursachte, gestörte 
Reziprozität des Entwicklungsprozesses sich nachweisen lässt. 
Überhaupt wird uns das genauere Studium ausgedehnterer, syste- 
matisch durchgeführter Artbastardierungen sicher noch manchen 
Einblick in die Beziehungen zwischen Kern. Plasma und Eidotter 
und die Bedeutung dieser verschiedenen Zellsubstanzen für den 
Entwicklungsprozess gewähren. 


Es ist gerade im letzten Jahr im Anschluss an die Ergebnisse 
gewisser Artbastardierungen von A. Schreiner, Goldschmidt 
und R. Hertwig die Meinung geäussert worden, dass die Kerne 
nicht allein die Arteigenschaften übertrügen. sondern dass auch 
das Protoplasma hierbei eine wichtige, vielleicht sogar ausschlag- 
gebende Rolle spiele. Die Kerne bestimmten möglicherweise nur 
die individuellen Merkmale. So sagt Goldschmidt: „Die An- 
lagen werden von den ganzen Geschlechtszellen vererbt, ja vielleicht 
vorzugsweise oder ganz im Plasma. Aber die „Ausführungs- 
ursachen* im Sinne Rouxs, die Stoffe, die die Vollendung des 
(regebenen bedingen, wir können direkt sagen „die Hormone der 
definitiven Gestaltung werden von den Chromosomen getragen“. 
Wir glauben nicht, dass wir durch die experimentellen Tatsachen 
zu diesen Schlussfolgerungen genötigt werden, und halten nach 
wie vor an der Lehre OÖ. Hertwigs und Strasburgers fest, 
dass der Kern allein Träger des Idioplasma ist. 

Wir geben zu. dass, wie namentlich R. Hert wig hervorhebt, 
aus den Ergebnissen von Kreuzungsversuchen nahe verwandter 
Spezies streng genommen nur der Schluss zu ziehen ist, dass die 
beiden Gameten in bezug auf die Übertragung der individuellen 
Potenzen, der Spezialmerkmale, äquivalent sind. Richtig ist ferner, 
dass dem reifen Ei. namentlich für den Ablauf der ersten Ent- 
wicklungsvorgänge, ein höherer Wert zukommt als dem Samenfaden. 
Es ist schon von O. Hertwig in seiner Schrift über die Kern- 
fragen der Entwicklungs- und Vererbungslehre ausdrücklich bei Be- 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 85 


sprechung der Theorie der organbildenden Substanzen betont worden, 
dass die reife Eizelle durch den spezifischen Bau ihres Protoplasma, 
durch die Menge und die Verteilung der in ihr angesammelten 
Dottersubstanzen den Ablauf der ersten Entwicklungsvorgänge 
stärker beeinflusst als der Samenfaden. Unsere Artkreuzungs- 
versuche zeigen. dass es tatsächlich, wie man erwarten konnte, 
namentlich die frühen Entwicklungsstadien sind, die besonders 
deutlich den Einfluss der Eistruktur erkennen lassen. Doch macht 
der Vergleich gewisser ausgewachsener Artbastarde, wie z. B. von 
Maulesel und Maultier, oder einiger Schmetterlingsbastarde den 
Schluss wahrscheinlich, dass auch die Unterschiede, die in ihrem 
Bau vorhanden sind, auf das an ihrem Aufbau beteiligte Eiplasma 
zurückzuführen sind. Wie dieser noch so spät wahrnehmbare 
Einfluss des Eiplasma zu erklären ist, können wir im einzelnen 
nicht sagen: es sei jedoch darauf hingewiesen, dass gewisse sehr 
charakteristische Eigenschaften der ausgewachsenen Individuen 
schon frühzeitig in dem Bau der Eizelle ihren Ausdruck gefunden 
haben. Ob eine Schnecke zu einer rechts oder links gewundenen 
wird, ist schon in der Plasmastruktur des reifen Eies festgelegt; 
der Samenfaden kann auf diese Eigenschaft keinen Einfluss mehr 
ausüben. 

Alle diese Tatsachen lassen sich jedoch mit der Kern- 
idioplasmatheorie in gute Übereinstimmung bringen. Das reife 
Ei hat hier während der ganzen Zeit seiner Entwicklung von der 
Ureizelle an unter dem Einfluss des rein mütterlichen Idioplasma 
gestanden; erst mit dem Moment der Befruchtung wird auch dem 
väterlichen Idioplasma Gelegenheit gegeben, auch seinerseits dem 
neuen Individuum seine Eigenschaften aufzuprägen. Wir erblicken 
daher in der Tatsache, dass dem reifen Ei eine gewisse höhere 
Wertigkeit bei der Übertragung der elterlichen Eigenschaften 
zukommt als dem Samenfaden, keinen entscheidenden Einwurf 
gegen die Richtigkeit der Kernidioplasmatheorie. Ein solcher 
lässt sich unserer Meinung nach überhaupt nicht aus dem Ver- 
gleich der ersten Generation reziproker Artbastarde herleiten. 
Erst dann würden wir eine Mitbeteiligung des Protoplasma an 
der Übertragung der Arteigenschaften als erwiesen ansehen können, 
wenn die F>-Generationen reziproker Artbastarde, als Ganzes be- 
trachtet. ebenfalls noch deutliche Unterschiede aufwiesen. Erst 
aus dieser Beobachtung würde sich der Schluss ziehen lassen, 


6% 


Ss4 Günther und Paula Hertwig: 


dass die (Geschlechtszellen der beiden Fı-Generationen trotz 
identischer Kernzusammensetzung einander nicht gleich wären, 
dass sich also tatsächlich die Verschiedenheiten des Protoplasma 
auch auf die Greschlechtszellen des neuen Individuums vererbt 
hätten. Leider steht die Sterilität der meisten Artbastarde der 
Ausführung derartiger Experimente hindernd im Wege. Kreuzungs- 
versuche, die Wichler neuerdings mit den beiden Nelkenarten 
Dianthus Armeria und Dianthus deltoides anstellte, führten zu 
dem Ergebnis, dass die Nachkommen der reziproken Kreuzungen, 
also die Fı-Generationen, in der Grösse voneinander abwichen, 
dass jedoch die Fs-Generationen der beiden reziproken Kreuzungen, 
als Ganzes betrachtet, nicht voneinander verschieden waren. Jedoch 
ist es möglich, dass in diesem Fall die (rössenunterschiede der 
Fı-(Generation nicht auf plasmatischen Differenzen der Eizellen, 
sondern nur, wie Wichler für möglich hält, auf der verschiedenen 
Ernährung der Samen durch die jeweilige Mutterpflanze beruhen. 
Es wäre zu wünschen, dass bald weitere beweiskräftigere Experi- 
mente in dieser Richtung angestellt würden. 

Wenngleich also nach den Resultaten der Artkreuzung die 
Möglichkeit zuzugeben ist, dass auch das Protoplasma sich an 
der Übertragung der Artmerkmale mitbeteiligt, so fehlt doch für 
diese Annahme noch jeder positive Beweis. Wir vermögen daher 
den Experimenten über Artbastardierung für die Entscheidung 
der Frage nach der Lokalisation des Idioplasma keine so grosse 
Bedeutung zuzuschreiben; zumal da andere Beobachtungen, die 
bei einer so schwierigen Frage doch nicht ausser acht gelassen 
werden sollten, den Kern bei der Vererbung eine viel wichtigere 
Rolle spielen lassen, als es nach den allein auf die Ergebnisse 
der Artkreuzungen gestützten Anschauungen von Goldschmidt, 
R. Hertwig und A. Schreiner scheinen könnte. Durch die 
Radiumversuche von O. und G. Hertwig und ebenso durch die 
zahlreichen Bastardkombinationen, bei denen das Bastardprodukt 
auf dem Keimblasenstadium abstirbt, ist bewiesen worden, dass 
der väterliche Kern nicht nur die individuellen, meist erst auf 
späten Entwicklungsstadien zutage tretenden Merkmale überträgt, 
sondern auch schon auf so frühe und grundlegende Prozesse wie 
den Gastrulationsvorgang einen bestimmenden Einfluss ausübt. 
Es werden also, wie Häcker bei Besprechung der Versuchs- 
resultate von 0. Hertwig sagt, auch Erscheinungen mehr 


Kreuzungsversuche an Knochenfischen 55 
genereller Art durch den Kern beherrscht und kontrolliert. Auch 
die Zerlegung der Kernsubstanzen in gleichwertige Hälften durch 
den Prozess der Karyokinese lässt sich ferner, um nur einen 
wichtigen Punkt noch zu nennen, als Argument für die Richtig- 
keit der Kernidioplasmatheorie anführen. Wäre tatsächlich auch 
das Protoplasma Träger der Arteigenschaften, so müssten wir 
verlangen, dass ein der Karyokinese analoger Prozess eine gleich- 
mässige Verteilung von undifferenziertem, für die Art 
charakteristischem Plasma von der Eizelle auf die Geschlechts- 
zellen des neuen Individuums bewirkte. 

Somit können wir die Lehre von O. Hertwig und Stras- 
burger, dass das Idioplasma von Nägeli in den Kernsubstanzen 
lokalisiert ist, mit den Worten Boveris noch immer als eine 
Theorie bezeichnen: „die eine Reihe gewichtiger Tatsachen für 
sich und bis jetzt noch keine einzige gegen sich hat“. 


S6 Günther und Paula Hertwig: 


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Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 87 


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88 Günther und Paula Hertwig: Kreuzungsversuche etc. 
Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. 


Die Herstellung der Fig. 1—10 erfolgte so, dass von den Embryonen mikro- 

photographische Aufnahmen angefertigt wurden, und auf den Kopien derselben 

noch die feineren Details mit Tusche und Bleistift eingezeichnet wurden. — 

Die Fig. 12—17 wurden nach überzeichneten Photogrammen von Schnitt- 

präparaten angefertigt. — Die Fig. 11 und 18 wurden mit Hilfe des Abbe- 
schen Zeichenapparates gezeichnet. 


Die Fig. 1—4 sind 30 mal, die Fig. 5—11 sind 50 mal vergrössert. 


Fig. 1. Bastardlarve von Gobius jozo 2 X Gobius capito d. 9 Tage alt. 

Fig. 2. Reiner Gobius jozo-Embryo als Kontrolle zu Fig. 1, 9 Tage alt. 

Fig. 3. Bastardlarve vop Gobius capito 2 X Gobius jozo d, 9 Tage alt. 

Fig. 4. Zu Fig. 3 gehöriger Kontrollembryo einer reinen Gobius capito- 
Zucht, 9 Tage alt. 

Fig. 5. Bastardembryo von Crenilabrus pavo 2 x Smaris alcedo &, 


2 Tage alt. 

Fig. 6. Bastardembryo von Crenilabrus pavo @ x Box boops d, 2 Tage 
alt. Dient gleichzeitig als Kontrolle zu Fig. 5, da sich der Bastard- 
embryo bis auf die Pigmentbildung nicht von 2 Tage alten reinen 
Urenilabrus pavo-Larven unterscheidet. 

Fig. 7 und 8. Zwei Bastardembryonen von Crenilabrus pavo 2 X Smaris 
alcedo &. 3 Tage alt. 

Fig. 9. Zu Fig. 7 und 8 gehöriger Kontrollembryo einer reinen Crenilabrus 
pavo-Zucht, 3 Tage alt. 

Fig. 10. Unregelmässig geturchtes Bastardei von Crenilabrus pavo @ x 
Smaris alcedo Z, 6°, Stunden nach der Befruchtung. 

Fig. 11. Bastardembryo von Gobius jozo @ X Crenilabrus pavo &, 2 Tag alt. 

Fig. 12. Schnitt durch die Keimscheibe eines Bastardeies von Crenilabrus 
pavo 2 X Smaris alcedo d, 6° Stunden nach der Befruchtung. 
Vergrösserung: 250 fach. 

Fig. 13. Schnitt durch ein Ei der Crenilabrus pavo 2 x Smaris alcedo 
Kreuzung zur Zeit der „Faltenkranz“-Bildung. 1 Stunde 10 Minuten 
nach der Befruchtung. Vergrösserung: 250 fach. 

Fig. 14. Doppelspindel (erste Furchungsspindel) aus einem Ei der Crenilabrus 
pavo ® x Smaris alcedo & Kreuzung. 55 Miruten nach der Be- 
fruchtung. 800 mal vergrössert. 

Fig. 15 und 16. Pluripolare Mitosen aus Schnitten durch die Crenilabrus 
pavo 2 x Smaris alcedo & Eier, 6°/ı Stunden nach der Befruchtung. 
S00O mal vergrössert. - 

Fig. 17. Schnitt durch die Blastula eines Crenilabrus pavo @ x Gobius 
capito & Bastards, 24 Stunden alt. Vergrösserung: 800 fach. 

Fig. 18. Drei Kerne aus einer Fig. 12 entsprechenden Keimscheibe, bei 
Zeiss’ Linse D, Tubuslänge 160, Okular 4 in der Höhe des 
Öbjekttisches gezeichnet. . 


59 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei 
von Ascaris megalocephala. 
Von 
Friedrich Meves in Kiel. 


Hierzu Tafel VI und VII. 


Untersuchungsmethode. 


In einer früheren Arbeit (1911) habe ich das Verhalten 
der Plastochondrien bei der Befruchtung des Ascariseies mit Hilfe 
der Altmannschen Methode bis gegen den Ablauf der zweiten 
Reifungsteilung verfolgt. Über diesen Zeitpunkt war ich damals 
nicht hinausgegangen, weil das Interesse, welches ich an dem 
(regenstand nahm, damit vorläufig erschöpft war und, weil es mir 
nicht geglückt war, die späteren Entwicklungsstadien der Eier 
auf die gleiche Weise wie die jüngeren gut zu fixieren. 

In die Sicherheit und Zuverlässigkeit der zum Nachweis 
der Plastosomen dienenden Methoden dürfen wir bekanntlich 
grosses Vertrauen setzen, sobald es uns gelungen ist, das 
Fixierungsmittel unmittelbar auf die Zelle einwirken zu lassen. 
Wir kennen zahlreiche Fälle, in denen Körner oder Fäden, 
welche in lebenden Zellen sichtbar sind, durch diese Methoden 
naturgetreu dargestellt werden können. Daraus ergibt sich auf 
dem Wege des Analogieschlusses, dass die gleichen Strukturen, 
welche man auf gleiche Weise bei anderen Objekten erhält, bei 
denen man sie intra vitam nicht wahrnehmen kann, ebenfalls 
vital präformiert sein müssen.') Es ist nun aber bekannt, dass 


!) Arnold (Anat. Anz., Bd. 43, 1913, S. 459 Anm.) spricht von meiner 
„Vorstellung von der infallibeln Leistungsfähigkeit der Mitochondrienmethoden, 
die einer Kontrolle durch andere Methoden nicht bedarf“. Ich wüsste aller- 
dings nicht, was dies für Kontrollmethoden sein sollten. Die von Arnold 
benutzten Methoden der Mazeration und der sogenannten vitalen Färbung 
erscheinen mir für diesen Zweck jedenfalls ungeeignet. Über die 
Mazerationsmethode brauche ich wohl keine Worte zu verlieren; was aber 
die Methode der sogenannten vitalen Färbung anlangt, so behaupte ich auf 
Grund meiner Erfahrungen, dass sie für die Untersuchung der Protoplasma- 
struktur einstweilen nur mit der grössten Vorsicht zu verwenden ist. Die 
Körnchen und kurzen körnigen Fädchen, welche man auf diese Weise 


90 Friedrich Meves: 


die Plastosomen bei grösseren Objekten nur in einer schmalen 
peripheren Zone gut fixiert werden. welche am stärksten der 
Einwirkung des Reagens ausgesetzt war. Bei den Ascariseiern 
bildet die Schale, welche besonders vom Ende der zweiten 
reifungsteilung an ausserordentlich resistent geworden ist, ein 
Hindernis, welches dem Herandringen des Fixierungsmittels die 
grössten Schwierigkeiten bereitet. Selbst wenn man die Eier 
durch Zerzupfen in Altmannschem Gemisch isoliert hat, werden 
sie von dem genannten Stadium an erst nach Ablauf einiger 
Zeit abgetötet und kommen auch dann zunächst jedenfalls nur 
mit einer ganz minimalen Menge des Reagens in Berührung. 

Ich habe daher, schon in den Jahren 1910— 1911. ein zu- 
erst von Artom (1908 in einer Mitteilung aus dem Würzburger 
Zoologischen Institut) empfohlenes Verfahren angewandt, welches 
gestattet, auch die dick beschalten Eier von Ascaris mit dem 
Altmannschen Gemisch momentan zu fixieren. Es besteht darin. 
die im Uterus enthaltenen lebenden Eier, nachdem sie das ge- 
wünschte Stadium erreicht haben, mit einem Kohlensäure- 
(refriermikrotom zu schneiden und sie dann in die Fixierungs- 
tlüssigkeit zu bringen. 

Durch die Kälte wird eine Schädigung der beschalten Eier 
nicht bedingt. Boveri (1885, S. 14) hat schon darauf hin- 
gewiesen, dass auf die reifenden, bei der Körpertemperatur des 
Wirtes sich entwickelnden Eier die Abkühlung pathologisch wirkt, 
dass dagegen „für die sich furchenden Eier, die zu dieser Zeit 
den Körper des Wirtes in der Regel schon verlassen haben, 
niedere Temperatur keine Schädlichkeit ist“. Artom hat be- 
erhält, stellen nach meiner Überzeugung in der Mehrzahl der Fälle Aus- 
scheidungen dar, welche die „vitalen Farbstoffe“ mit Bestandteilen des 
Protoplasmas erzeugen (man vergleiche hierzu Meves: (resammelte Studien 
an den roten Blutkörperchen der Amphibien, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 77, 
1911, S. 497: ferner schon früher W. Pfeffer: Uber Aufnahme von Anilin- 
farben in lebende Zellen, Untersuchungen aus dem Botanischen Institut 
zu Tübingen, Bd. 2, Leipzig 1886—-1888 und verschiedene andere). Die so- 
genannte vitale Färbung bedarf bei ihrer Anwendung auf das Studium der 
Protoplasmastruktur in viel höherem Grade als die Plastosomenmethoden 
der fortgesetzten Kontrolle durch das ungefärbte lebende Objekt. Dies 
würde mein Standpunkt bleiben, selbst wenn er, wie Arnold (übrigens 
unzutreffend) meint, „alle überraschen“ sollte, die sich ausser mir mit der 


„Methode der vitalen Färbung“ in der genannten Anwendung beschäftigt 
haben. 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 91 


schalte Ascariseier, die er auf — 6° Ü abgekühlt hatte und .die 
untersten auf dem Objekttisch angetrorenen Eier nach ‘dem 
Zurückbringen in normale Temperatur sich ungestört weiter 
entwickeln sehen.“ 

Für die Untersuchung kommen (Artom) nur solche Eier 
in Betracht, bei denen die Schale ohne jede Deformation des 
Inhalts durchschnitten oder auch nur angeschnitten wird. Nach 
Artom ist es „nicht einmal nötig, dass ein wirkliches Loch 
entsteht, sondern es scheint zu genügen, wenn nur die äussersten 
Schichten der Schale, welche offenbar die allein widerstands- 
fähigen sind, angeschnitten werden“. Dagegen sind wirklich zer- 
schnittene Eier, wie Artom bereits konstatiert, „in ihren feineren 
Strukturen sehr erheblich geschädigt“. 

Artom empfiehlt daher, die Schnitte nicht zu dünn herzu- 
stellen; eine Dicke von 30 « hat sich ihm am besten bewährt. 
Da nun aber der Durchmesser der beschalten Eier nach meinen 
Messungen!) ca. 70—75 u, die Schalendicke ca. 7 «, der Durch- 
messer der protoplasmatischen Eikugel kurz vor Eintritt der 
Furchung noch ca. 40 u beträgt, so ergibt sich daraus, dass, wenn 
die Eikugel nicht angeschnitten werden soll. eine Schnittdicke von 
30 «u noch viel zu gering ist. Ich habe daher meine Gefrier- 
mikrotomschnitte meistens 60 u dick (teilweise sogar noch dicker) 
hergestellt. 

Das geschnittene Material wurde noch in gefrorenem Zu- 
stand in das Altmannsche Gemisch übertragen, 24 Stunden 
darin belassen und dann in der früher von mir beschriebenen 
Weise (1911, S. 687) weiterbehandelt und in Paraffin eingebettet; 
bei der Einbettung kamen wiederum Gelatinehülsen mit bestem 
Erfolg zur Verwendung. 

Die 4 «u dicken Paraffinschnitte wurden nach Rubaschkin 
(1910) zuerst in eine !/ı proz. Lösung von Kalium hypermanganicum 
und hinterher in ein Gemisch von gleichen Teilen einer 1proz. 
Lösung von Oxalsäure und einer gleichfalls 1proz. Lösung von 
Kalium sulfurosum hineingebracht, wobei der Aufenthalt in jeder 
der beiden Flüssigkeiten, wie auch Levi (1912) empfiehlt. auf 


!) Die Messungen habe ich an den Altmann-Präparaten vorgenommen, 
welche ich für diese Arbeit hergestellt habe. Es war mir leider wegen 
Mangels an Material in letzter Zeit nicht mehr möglich, die erhaltenen Zahlen, 
wie ich beabsichtigt hatte, am lebenden Objekt zu kontrollieren. 


92 Friedrich Meves: 


ca. 4 Minuten bemessen wurde. Dann wurde nach der 1911, 
S. 685— 689 angegebenen Vorschrift mit Säurefuchsin-Pikrinsäure 
nach Altmann gefärbt. 


Eigene Beobachtungen. 

Wie ich früher (1911, S. 694 ft.) beschrieben habe, ziehen 
sich die Plastochondrien des Ascariseies im Laufe der. ersten 
wichtungsteilung zu einem dichten kugeligen Hof um das im 
Eizentrum gelegene Spermium zusammen. Die männlichen Plasto- 
chondrien wandern, nachdem sie sich zerlegt haben, aus dem 
Sperminm aus und vermischen sich mit den weiblichen. Der 
Protoplasmakörper des Spermiums besteht nunmehr ausschliesslich 
aus „Grundsubstanz“. 

Nachdem auch der zweite Richtungskörper ausgestossen ist. 
beginnt der Spermakern in den bläschenförmigen Zustand über- 
zugehen. wobei er aus der ihn umgebenden Grundsubstanzhülle 
herausschlüpft. Gleichzeitig wandert er aus der Anhäufung von 
Plastochondrien aus und kommt schliesslich unter der Zellober- 
fläche zu liegen.) Ebendort ist der Eikern nach Ablauf der 
zweiten Richtungsteilung (an einer dem zweiten Richtungskörper 
benachbarten Stelle) entstanden. Die protoplasmatische Eikugel 
hat bis zu diesem Zeitpunkt. besonders bei der Bildung der 
inneren Perivitellinhülle, stark an Volumen verloren, so dass ihr 
Durchmesser nur noch etwa zwei Drittel bis ein halb so gross wie 
früher ist. Im Protoplasma sind an meinen Präparaten ausser 
den Plastochondrien noch zweierlei Bestandteile, grössere helle 
Vakuolen und Dotterkörperchen, erkennbar (Fig. 1). 

Die Dotterkörperchen sind die corpuscules refringents von 
VanbBeneden, das sind nach seiner Beschreibung (18853, S. 50) 
Klümpchen von punktförmigen Granulis, die durch einen Kitt von 
annähernd derselben Lichtbrechung wie die Granula selbst ver- 
klebt werden. Nach Van Beneden werden diese corpuseules 
refringents durch Osmiumsäure nicht geschwärzt. An den Präpa- 
raten, welche ich für die vorliegende Arbeit hergestellt habe, ist 


!, In den Präparaten, welche ich für meine erste Ascarisarbeit (1911) 
benutzt habe, konnte ich nicht selten beobachten, dass der Spermakern seine 
Wanderung schon früher (während der zweiten Richtungsteilung) antrat, noch 
bevor er sich von seiner Grundsubstanzhülle getrennt hatte; anf solche Bilder 
bezog sich meine frühere Schilderung (1911, 5. 699). 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 5 


dagegen bei den meisten Eiern (in allen gezeichneten. mit Aus- 
nahme von Fig. 4) eine Schwärzung eingetreten. Diese ist aller- 
dings zuweilen nur sehr schwach. Ist sie ganz ausgeblieben, so kann 
man von den in Rede stehenden Körperchen nichts wahrnehmen : 
sie erscheinen dann infolge der Aufhellung durch den Kanadabalsam 
als leere Bläschen nach Art der vorhin erwähnten Vakuolen. 

In der Folge verliert nun die grosse zentrale Plastochondrien- 
anhäufung mehr und mehr ihre deutliche Abgrenzung. Ihre 
Körner verteilen sich ziemlich gleichmässig durch den ganzen 
Zelleib (Fig. 2). 

Auf einem weiteren Stadium beginnt dann im Zentrum der 
Zelle von neuem eine kleine Körneransammlung hervorzutreten, 
neben welcher die beiden Vorkerne zu liegen kommen (Fig. 3). 
Diese Ansammlung streckt sich aber, bevor sie noch grössere 
Dimensionen angenommen hat, hantelförmig in die Länge und 
teilt sich in zwei kugelige Massen durch. Im Innern einer jeden 
Kugel erkennt man nunmehr ein Zentralkörperchen oder ein 
Zentrosom (Fig. 4). Zentrosomen und Plastochondrienkugeln 
weichen immer weiter auseinander, wobei beide an Grösse zu- 
nehmen und zwar die Plastochondrienkugeln dadurch, dass sich 
neue Körnchen an ihrer Peripherie anlagern. Es bleiben aber 
noch immer eine grosse Anzahl von Plastochondrien im Zelleib 
verteilt (Fig. 5). Die Zentrosomen liegen auf diesem Stadium 
gewöhnlich nicht genau im Zentrum der Plastochondrienkugeln. 
sondern der Mitte zwischen ihnen, der zukünftigen Äquatorial- 
ebene der Spindel, genähert. Die Vorkerne nehmen meistens die 
in Fig. 5 abgebildete Lage ein, d. h. sie haben sich bis zur Be- 
rührung genähert; die Verbindungslinie ihrer Mittelpunkte steht 
zu derjenigen der Zentrosomen senkrecht. 

Auf dem sich anschliessenden Stadium (Fig. 6) sind die 
Membranen der beiden Vorkerne geschwunden. Die nächstfolgende 
Fig. 7 zeigt die erste Furchungsspindel auf der Höhe der Aus- 
bildung. Die Plastochondrienkugeln haben sich meistens noch 
etwas, wenn auch nur wenig, vergrössert; dagegen haben sich in 
der Regel zahlreichere Körnchen in ihrer Umgebung angesammelt. 

Die von den Zentrosomen ausgehenden Strahlungen, welche 
jedenfalls schon auf dem Stadium der Fig. 5 vorhanden sind, 
lassen sich an den mit Altmannschem Gemisch fixierten Präpa- 
raten nicht wahrnehmen. Trotzdem trage ich kein Bedenken, als 


94 Friedrich Meves: 


meine bestimmte Meinung auszusprechen, dass die Plastochondrien 
zwischen diesen Strahlen gelegen sind, indem ich darauf ver- 
weise, dass wir zahlreiche Fälle kennen, in denen die Plasto- 
chondrien bezw. Plastokonten den Bereich der Polstrahlung über- 
haupt gänzlich freilassen.') 

Dass die Plastochondrien in nächster Umgebung der Zentro- 
somen stärker angehäuft sind, beruht wohl darauf, dass sie einer 
Anziehung von seiten der Zentrosomen unterliegen. Die Be- 
zeichnung Attraktionssphäre, welche Van Beneden seinerzeit 
(1883, S. 332) für die an den Spindelpolen liegenden Bildungen 
vorgeschlagen hat, erscheint mir daher durchaus angebracht. Die 
Plastochondrien sind besonders im Bereich der Attraktionssphären 
mehr oder weniger deutlich radiär zu den Zentralkörperchen oder 
Zentrosomen angeordnet, weil sie sich in bezug auf ihre Lagerung 
nach dem Verlauf der Polstrahlen richten müssen. 

Die Verteilung und Anordnung, welche die Plastochondrien 
des Ascariseies auf dem Stadium der „Äquatorialplatte“ zeigen, 
hat ein hübsches Analogon in derjenigen der Farbstoffkörner in 
pigmentierten Epithelzellen der Salamanderlarve. Flemming 
beobachtete schon 1582 (S. 199), dass: die in diesen Zellen ent- 
haltenen Pigmentkörner bei der Teilung „zu zwei Gruppen zu- 
sammengeschoben werden, die ungefähr zu den Polen zentriert 
sind“; „nur ist es niemals die gesamte Pigmentkörnermasse, 
welche in diese Gruppen zusammenrückt, es bleibt immer ein 
Teil verstreut auch im Mittelteil der Zelle gelagert“. 

Im Laufe der Metakinese beginnt nun das Zentrosom, wie 
Kostanecki und Siedlecki, v. Erlanger, Boveri schon 
früher beschrieben haben, sich zu einem Kegel umzuformen, 
dessen Achse in die Richtung der Teilungsachse fällt (oberes 
Zentrosom in Fig. 8): die Spitze des Kegels ist gegen den 
Äquator gerichtet. Die Kegelachse verkürzt sich in der Folge, 
und zwar immer stärker, so dass das Zentrosom schliesslich 
Scheibenform annimmt (Fig. 9). Diese Abplattung des Zentrosoms 
geht mit einer solchen der Attraktionssphäre einher. 

(Gleichzeitig mit dieser Abplattung, kurz vordem oder während 
das Ei sich durchschnürt, spielt sich im Zelleib folgende Er- 

!) Auch im Ascarisei ist zur Zeit der Zelldurchschnürung (vergl. unten) 
ein Teil der Polstrahlung, nämlich derjenige, welcher gegen die Pole der sich 
teilenden Zelle gerichtet ist. von Plastochondrien fast völlig geräumt. 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete, 5 


scheinung ab. Fast sämtliche Plastochondrien, soweit sie nicht 
in den Attraktionssphären anscheinend fester verankert liegen, 
die grösseren hellen Vakuolen und die Dotterkörperchen drängen 
sich in der Zellmitte zu beiden Seiten der Äquatorialebene zu- 
sammen, während die polaren Teile der Eizelle von den genannten 
Bestandteilen fast völlig frei werden (Fig. 9). Die gleiche Ver- 
teilung besteht anfangs auch noch in den Tochterzellen. in welchen 
die Attraktionssphären sich wieder abkugeln (Fig. 10 und 11). 

Fig. 12 zeigt zwei Tochterzellen, welche bereits von neuem 
in Mitose eingetreten sind; die Anordnung der Plastochondrien 
und sonstigen Zelleinschlüsse ist dieselbe wie auf den entsprechenden 
Stadien der ersten Teilung. 


Literatur. 

Van Beneden, der Entdecker der Attraktionssphären, hat 
(ebenso wie die Mehrzahl der bisherigen Untersucher) zur Fixierung 
der dick beschalten Eier starke Säuren oder stark säurehaltige 
Mittel angewandt. Er beschreibt 1553, S. 332, dass an den Spindel- 
polen im Umkreis der Polkörperchen ein morphologisch distinkter 
kugeliger Körper vorhanden sei, welcher homogener erscheint als 
der umgebende Dotter und von einem Kreis achromatischer 
Körner begrenzt wird, die mit dem im Zentrum gelegenen Pol- 
körperchen durch sehr feine Fäden in Verbindung stehen. In der 
Arbeit von Van Beneden und Neyt (1857, S. 264) wird eine 
hellere Mark- und eine Rindenzone der Attraktionssphäre unter- 
schieden. Im Bereich der Markzone, welche von einem Kreis von 
gröberen Körnchen begrenzt wird, sind die radıären Fäden wenig 
deutlich und wenig zahlreich. Die Fäden der Rindenzone kon- 
vergieren nicht genau gegen das Zentrum der Sphäre, sondern 
häufig gehen zwei oder mehrere von ihnen von einem der gröberen 
Körnchen aus, welche an der Grenze zwischen Mark- und Rinden- 
zone gelegen sind. 

Ausser den hier beschriebenen Präparaten, in denen die 
Plastochondrien offenbar verquollen oder gelöst gewesen sind.') 
haben Van Beneden und Neyt noch andere in Händen gehabt, 
an denen ein körniger Bau der Attraktionssphären zu beobachten 


') Das Auftreten einer „Markzone“ (die an meinen Präparaten nur 
sehr andeutungsweise vorhanden ist) beruht wohl auf einer Schrumpfung der 
Zentralkörperchen. 


96 Friedrich Meves: 


war; jedoch glauben sie von diesem irrtümlicherweise, dass er 
auf Reagentienwirkung beruht. Es hat sich nach ihnen um Eier 
gehandelt, die mit reinem Eisessig abgetötet waren; jedoch dürften 
die Eier meines Erachtens der Einwirkung desselben wohl nur ganz 
kurze Zeit ausgesetzt gewesen sein. Die bezügliche Beschreibung 
(1887, S. 267) lautet folgendermassen: „L’acide parait gonfler les 
microsomes et resoudre les fibrilles en granulations qui n’etant 
plus reliees entre elles, ne permettent plus de reconnaitre les 
tibrilles dont elles proviennent. Tandis que le corpuscule central 
des spheres attractives reste parfaitement distinct, les rayons qui 
en partent deviennent indistinets. A la place de la sphere 
attractive A structure rayonnee, se voit alors une masse uni- 
formöment granuleuse, entourant le corpuscule central. Cette 
masse, gräce A cet aspeet uniformement granuleux, se detache 
nettement au milien du protoplasme vitellin qui presente un tout 
autre aspect.“ 

Van Beneden und Neyt stellen weiter fest, dass die 
Attraktionssphären gleichzeitig auftreten, und zwar zu einem 
Zeitpunkt, wo die Vorkerne noch einen netzigen Bau zeigen 
und noch weit voneinander entfernt sind; dass sie während des 
ganzen Verlaufs der Zellteilung persistieren und sich im Beginn 
der nächsten Teilung in zwei Tochtersphären teilen. Aus diesen 
Befunden ziehen die belgischen Autoren (S. 279) folgenden Schluss: 
„Nous sommes autorises A penser que la sphere attractive avec 
son eorpuseule central eonstitue un organe permanent, non seule- 
ment pour les premiers blastomeres, mais pour toute cellule; 
qu’elle constitue un organe de la cellule au meme titre que le 
noyau lui-m&me; que tout corpuscule central derive d’un corpus- 
eule anterieur: que toute sphere procede d’une sphere anterieure, 
et que la division de la sphere precede celle du noyau cellu- 
laire.” 

Diese Sätze haben bekanntlich in ihren wesentlichen Punkten 
der weiteren Forschung keinen Stand gehalten. Aus den hier 
mitgeteilten Beobachtungen geht ebenfalls hervor, dass die 
Attraktionssphäre jedenfalls kein Organ bildet; ihre Körner be- 
stehen zwar aus einer spezifischen Substanz, welche von einer 
Zelle auf die andere übergeht, finden sich aber überall im Zelleib 
verteilt. Von den Zentralkörperchen (den Zentrosomen Boveris) 
habe ich 1902, S. 46-54, zeigen können. dass sie nicht als 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei etc. 97 


„permanente Organe“ aufzufassen sind. Dies ist vielmehr eine 

Bezeichnung, welche nur für die von ihnen umschlossenen 
[oP) 

Zentriolen Geltung haben kann. 


Boveri (1585) hat in seiner Pikrinessigsäure ein Mittel 
mit relativ geringem Essiggehalt zur Verfügung gehabt, welches 
die Plastochondrien des Ascariseies unter Umständen recht gut 
zu konservieren scheint. Mit Hilfe dieser Fixierungsmethode hat 
er feststellen können, dass auf den Anfangsstadien der Teilung 
in der Umgebung der Zentralkörperchen oder Zentrosomen dichte 
Anhäufungen von Körnern vorhanden sind. Von den Körnern 
hat er erkannt, dass sie aus einer spezifischen Substanz bestehen, 
welche er als Archoplasma bezeichnet, und dass sie mit denjenigen 
des Hofes, welcher während der Richtungskörperbildung das 
Spermium umgibt, identisch sind. Den Ursprung der die Zentro- 
somen umgebenden Körneranhäufungen, der „Archoplasmakugeln“, 
leitet Boveri von diesem Hof in folgender Weise ab. Der Hof, 
beschreibt er, kann von dem Moment, wo das Spermium die 
Mitte desselben verlässt und gegen die Eioberfläche emporsteigt, 
bis zum Beginn der ersten Furchungsteilung ein sehr verschiedenes 
Verhalten zeigen. In einer Anzahl seiner Präparate sah Boveri 
ihn bis zu diesem Zeitpunkt unverändert fortbestehen. In weit 
zahlreicheren Fällen dagegen breiten sich seine Körner in dem 
ganzen Eikörper aus, um sich hinterher gegen das Zentrum des 
Eies wiederum zu einer kompakten Masse zusammenzuziehen. 
Diese Eier sind dann von jenen anderen, in denen das Archo- 
plasma die kompakte Form überhaupt nicht aufgegeben hatte, 
nicht mehr zu unterscheiden. In der Mitte der Archoplasmamasse 
konnte Boveri nunmehr ein oder zwei von einem hellen Hof 
umgebene und durch stärkeres Lichtbrechungsvermögen ausge- 
zeichnete Zentrosomen auffinden. Die weiteren Umbildungen lassen 
sich nach Boveri mit kurzen Worten dahin zusammenfassen, 
dass sich die beiden Zentrosomen immer mehr voneinander 
entfernen, wobei das Archoplasma, in gleicher Richtung sich 
streckend, zuerst Ei-, dann Hantelform annimmt und sich schliess- 
lich zu zwei gleich grossen Kugeln, jede mit einem Zentrosom 
im Mittelpunkt, durchschnürt. 

Zu diesem Abschnitt der Boverischen Darstellung habe 


ich zu bemerken, dass ich ebensowenig wie Herla (1895, S. 469) 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. 7 


95 Friedrich Meves: 


und v. Erlanger (1597, S. 341) ein Präparat gesehen habe, in 
welchem die körnige Masse, welche das Spermium umgab, bis 
zum Beginn der ersten Furchungsteilung unverändert fortbestand. 
Ich finde vielmehr, dass die Plastochondrien sich zunächst stets 
durch die ganze Zelle verbreiten. Ferner ist es stets nur ein 
kleiner Teil von ihnen, welcher sich gleich darauf in der Um- 
gebung des an meinen Präparaten nicht sichtbaren (vielleicht 
noch ungeteilten, eventuell schon doppelten) Zytozentrums an- 
sammelt. 

Immerhin stimme ich also Boveri gegen Herla und 
v. Erlanger darin bei, dass im Beginn der ersten Furchungs- 
teilung eine Körneransammlung überhaupt auftritt: sie entspricht 
jedoch keineswegs, wie man nach der Schilderung von Boveri 
annehmen muss, dem ganzen Hof, welcher in der Umgebung des 
Spermiums versammelt war. Selbst dann, wenn die beiden Körner- 
kugeln (Attraktionssphären) das Maximum ihrer Ausbildung er- 
reicht haben, ist eine jede von ihnen noch lange nicht der Hälfte 
der Körnermasse gleich, welche das Spermium zur Zeit der 
Richtungskörperbildung umgab; die Mehrzahl der Plastochondrien 
sind vielmehr im Zelleib verstreut geblieben. 

Während Boveri mit dem eben referierten Teil seiner 
Beschreibung sowohl gegenüber Van Beneden als auch gegen- 
über der Kritik, welche später von verschiedenen Seiten daran 
geübt worden ist, in mehrfacher Beziehung recht hat, muss seine 
weitere Darstellung, nach welcher die Körner der Archoplasma- 
kugeln sich direkt in die von den Zentrosomen ausgehenden 
Strahlen umwandeln, auch nach meiner Meinung als unzutretfend 
bezeichnet werden. Nachdem die beiden Archoplasmakugeln aus- 
einander gerückt sind, treten sie, wie Boveri schildert, „unter 
beträchtlicher Veränderung ihrer Struktur“ in Tätigkeit. Die 
ersten Anzeichen davon geben sich darin zu erkennen, dass die 
einzelnen Körner, die sich bisher in keiner besonderen Weise 
gruppieren liessen. nunmehr .eine deutlich radiäre Anordnung um 
ihr Zentrosoma gewinnen. Die auf diese Weise entstandenen 
Körnerradien gehen an ihren peripheren Enden in feine Fädchen 
über, welche frei in die Zellsubstanz hinausragen und immer 
mehr an Länge und Stärke zunehmen. Boveri (S. 79 und 80) 
stellt sich vor, dass die in radialer Richtung aufeinander folgenden 
Mikrosomen der ursprünglichen Kugel miteinander durch feine 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 99 


Fibrillen in Verbindung treten, „wodurch ein kontinuierlicher 
Faden entsteht, an dem jetzt die Körnchen als Anschwellungen 
imponieren. Die Verlängerung des Fadens geschieht dadurch, 
dass zuerst die peripher gelegenen Mikrosomen sich voneinander 
entfernen, wobei der zwischen ihnen gelegene Fadenabschnitt an 
Länge entsprechend gewinnt, während die Körner selbst, auf 
deren Kosten dieses Wachstum sich vollzieht, immer mehr an 
Volumen abnehmen und schliesslich vollkommen in den gleich- 
mässig starken Faden aufgehen. Je weiter ein Radius in die 
Zellsubstanz hinausreicht, um so mehr Mikrosomen werden zu 
seiner Bildung in Mitleidenschaft gezogen, ja selbst die zentralsten 
Körner können ... . . die fädige Metamorphose erfahren.“ 

Um diese seine Anschauung zu stützen, beruft sich Boveri 
(S. 79) in erster Linie auf die Struktur der fädigen Radien, 
welche diese Art ihrer Entstehung wahrscheinlich mache. „So- 
lange die Fädchen noch kurz sind, zeigen sie sich von Strecke 
zu Strecke deutlich zu Körnchen ganz von der Art der Archo- 
plasmamikrosomen angeschwollen. Verfolgt man einen solchen 
Faden zentralwärts, so ist die Grenze unmöglich anzugeben, wo 
er in den körnigen Radius der kompakten Kugel übergeht. 
Weiterhin ist die von den radialen Fädchen umgebene Körnchen- 
kugel kleiner als die ursprüngliche Archoplasmamasse und ihr 
Umfang tritt gegen jenen um so mehr zurück, je stärker das 
fädige hadiensystem entwickelt und je weiter dasselbe in der 
Zelle ausgebreitet ist.“ 

(regen diese von Boveri entwickelte Anschauung ist unter 
anderem einzuwenden. erstens, dass die Attraktionssphären oder 
Archoplasmakugeln sich im Laufe der Mitose nicht verkleinern 
(vgl. auch Herla, Kostanecki und Siedlecki, v.Erlanger), 
sondern eher an Grösse zunehmen; ferner, dass die Plastochon- 
drien nicht in den Strahlen, sondern zwischen ihnen gelegen 
sind. Wenn Boveri eine Verkleinerung der Archoplasmakugeln 
beobachtet hat, so könnte dies, wie Herla (1595, S. 472 und 473) 
meint. darauf beruhen. dass die Konservierung seiner Präparate 
keine genügende gewesen ist. Ich selbst habe aber in meinen 
nach Altmann fixierten und gefärbten Präparaten einige Fälle 
gefunden, in denen die Plastochondrienkugeln auf dem Stadium 
der „Aquatorialplatte“ tatsächlich nur sehr klein waren. Jedoch 
schien mir die Gesamtzahl der in der Zelle vorhandenen Plasto- 


1* 


100 Friedrich Meves: 


chondrien nicht verringert zu sein. Ich habe mir daher den 
erwähnten Befund durch die Annahme zu erklären gesucht, dass 
die Anziehung, welche die Zytozentren auf die Körner, ausüben, 
vorübergehend nachgelassen habe. 

Wenn mir demnach auch eine direkte Umwandlung der 
Plastochondrien in die von den Zentrosomen ausgehenden Strahlen 
ausgeschlossen erscheint, so will ich damit die Möglichkeit nicht 
bestreiten, dass überhaupt eine genetische Beziehung irgendwelcher 
Art zwischen Plastochondrien und Strahlen besteht. Ich habe 
schon 1907 (S. 405). zu einer Zeit, wo ich von der Identität der 
Archoplasmakörner des Ascariseies mit Plastochondrien noch nichts 
wusste, die Vermutung ausgesprochen, dass die Strahlungen, welche 
in ruhenden und sich teilenden Zellen von den Zytozentren aus- 
gehen, sowie auch andere Fadenstrukturen, welche sich uns (wie 
ich damals sagte) als „gewöhnliche Filarmasse“ darstellen, nur 
eine andere Erscheinungsform der Chondriosomen (Plastosomen) 
oder des Chondrioms seien. „Das Chondriom könnte sich in 
gewöhnliche Filarmasse (und eventuell umgekehrt) umwandeln.“ 
„Dieser Gedanke“, schrieb ich, „scheint mir naheliegend, erstens, 
weil aus dem Chondriom nachweislich Fasern hervorgehen, wie 
z. B. die Nenrofibrillen, die die Färbungsreaktionen desselben 
nieht mehr geben: zweitens, weil ich es für möglich halte, dass 
in vielen Zellarten überhaupt alle Plasmastruktur des Ruhe- 
zustandes durch das Chondriom repräsentiert wird“. 

Schliesslich sei auch hier wieder (wie schon 1911, S. 702) 
darauf hingewiesen, dass die Boverische Bezeichnung des Archo- 
plasmas als einer je nach dem Entwicklungszustand körnigen oder 
fädigen Substanz sich in einem anderen Sinne, als Boveri ihn 
gemeint hat, aufrecht erhalten lässt: „insofern nämlich, als die- 
selbe Materie, aus welcher die Körner in den Ovozyten geformt 
sind. in den Zellen der Wachstumsperiode, wie schon L. und 
R. Zoja (1891, 8. 246) angeben, lange, vielfach gewundene und 
verschlungene Fäden bildet“. Es handelt sich hierbei um die in 
der Plastosomenforschung wohlbekannte Erscheinung, dass die 
plastosomatische Substanz bald in Form von Körnern (Plasto- 
chondrien), bald in derjenigen von Fäden (Plastokonten) auftritt. 


Herla. ein Schüler Van Benedens (1595), hat ebenso- 
wenig wie ich jemals beobachtet, dass die körnige Masse, welche 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 101 


das Spermium während der Richtungskörperbildung umgibt. bis 
zum Auftreten der Attraktionssphären (Archoplasmakugeln) per- 
sistiert. Er ist aber im Unrecht, wenn er gegenüber Boveri 
bestreitet (S. 470 und 507), dass diese beiden Bildungen von einer 
und derselben Substanz aufgebaut werden. Die Frage nach dem 
Ursprung der Sphären betrachtet er als noch nicht gelöst. Er 
beschreibt sie als morphologisch distinkte Bildungen, welche sich 
gegen ihre Umgebung deutlich abgrenzen. 

Die Anschauung Boveris, dass die Strahlungen sich auf 
Kosten der Archoplasmakugeln bilden, lehnt er mit dem Hinweis 
ab, dass die Sphären während des ganzen Verlaufes der Teilung 
persistieren. „Nous estimons que si Boveri a vu les limites 
de la sphere disparaitre au moment ou les radiations de l’aster 
se montrent, cela est dü a la methode de preparation.“ 


soveri (1895) hält diesem und anderen Angriffen gegen- 
über die Darstellung. welche er 1558 von der Metamorphose der 
Archoplasmakugeln gegeben hatte, in sämtlichen Punkten auf- 
recht. Er erklärt S. 39, dass er glaube, Schritt für Schritt den 
Nachweis geführt zu haben, dass die radiären Systeme sich aus 
den nicht radiär gebauten Körnerkugeln entwickeln und wieder 
in solche zurückkehren. Während er aber 1555 noch der Meinung 
zu sein scheint, dass die Archoplasmakugeln im Lauf der Mitose 
an Grösse zwar beträchtlich verlieren, in der Regel aber doch 
nicht restlos umgewandelt werden, spricht er sich 1895 dahin 
aus, dass er niemals an dem „Aster“ etwas habe wahrnehmen 
können, was die Abgrenzung einer sphere attractive, welche doch 
seiner Archoplasmakugel genau entspricht, gerechtfertigt hätte. 
Van Beneden habe 1884 die längst bekannten Asteren, die 
vor allem von Mark 1881 für Limax in vorzüglicher Weise be- 
schrieben worden seien, an höchst mangelhaften Präparaten von 
Ascariseiern — wie seine Abbildungen auf Tafel XIX lehrten — 
studiert, an Präparaten, wo die während der Karyokinese mächtigen 
und weit ausgebreiteten Strahlenfiguren fast gänzlich unkenntlich 
waren und nur der dichteste zentrale Teil derselben, in seiner 
radialen Struktur gleichfalls stark verdorben, sich als ein grösserer 
oder kleinerer, mehr oder weniger scharf begrenzter kugeliger 
Fleck darstellte. Diesen verdorbenen Zentralteil des Aster habe 
Van Beneden damals als „sphere attractive“ bezeichnet und 


102 Friedrich Meves: 


damit einen Gegensatz zwischen dem inneren und äusseren Bereich 
der Strahlensonne statuiert. der in der Natur nicht begründet 
sei. Zum Beweis hierfür beruft sich Boveri auf seine eigenen 
Abbildungen, auf die Photographien bei Van Beneden und Neyt 
und endlich auf die Bilder von Herla. wo überall auf dem Stadium 
des Aster nicht das mindeste von einer abgegrenzten zentralen 
Partie, die der sphere attractive entsprechen könnte, zu sehen sel. 

>overi möchte daher die Bezeichnung Attraktionssphäre, 
für deren Beibehaltung ich auf Grund meiner Befunde eintrete, 
ganz beseitigen. 


v. Erlanger, in bezug auf die Protoplasmastruktur ein 
überzeugter Anhänger der Bütschlischen Wabenlehre, findet 
(1896 und 1897) im Umkreis der Zentrosomen „nichts weiter als 
ein dotteifreies wabiges Protoplasma“, dessen Alveolen nicht nur 
vadial zu den Zentrosomen, sondern zugleich auch zu konzentrischen 
Kreisen oder richtiger Kugelschalen angeordnet sind. Er ist der 
Meinung (1897, S. 375), dass nur die Struktur, nicht aber die 
Substanz dieses „Zentroplasmas“ eine spezifische sei und dass die 
gesamte Astrosphäre inklusive ihrem zentralen Teil, der Sphäre, 
sowie auch die Spindel selbst, aus der Umlagerung der Alveolen 
des Protoplasmas hervorgehen. 


Kostanecki und Siedlecki (1596) lassen, nach Unter- 
suchungen an einem in verschiedener Weise fixierten Material, die 
sphere attractive von Van Beneden auf folgende Weise zustande 
kommen. Im Ascarisei macht sich nach ihnen während der Mitose 
ein ganz prägnanter Unterschied geltend zwischen dem peripheren 
Teil des Zelleibes, welcher von grossen Dottervakuolen durchsetzt 
wird. und dem zentralen in der näheren Umgebung der Zentro- 
somen, welcher frei davon ist und aus radiär um die Zentrosomen 
angeordneten Protoplasmafäden besteht, zwischen denen zunächst 
keine, dann nur kleine Dotterkörnchen Platz finden: die kleinen 
Dotterkörnchen und die Strahlen setzen sich zwischen die grossen 
Dottervakuolen fort. Eine Attraktionssphäre in dieser Form ist 
nach den genannten Autoren nur dort möglich, wo grössere 
Deutoplasmamassen vorhanden sind, die nach der Peripherie 
interfilar verdrängt diesem Teile des Zelleibes ein modifiziertes 
Aussehen verleihen und dadurch den zentralen bezw. mittleren 
Teil besonders hervortreten lassen. 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 105 


Demgegenüber ist zu sagen, dass das Bild der Attraktions- 
sphäre in erster Linie nicht durch Verdrängung der „grösseren 
Deutoplasmamassen“, sondern dadurch entsteht, dass sich die 
spezifisch beschaftenen Plastochondrien im Umkreis der Zentro- 
somen „interfilar* anhäufen. Die Plastochondrien treten in den 
Figuren von Kostanecki und Siedlecki nur sehr undeutlich 
hervor und werden irrtümlicherweise als „kleine Dotterkörnchen“ 
angesprochen. 

Während und nach der Durchschnürung des Zelleibes sind. 
wie ich oben beschrieben habe, sämtliche Plastochondrien, mit 
Ausnahme derjenigen, welche die Attraktionssphäre aufbauen, die 
hellen Vakuolen und die Dotterkörperchen zu beiden Seiten der 
Äquatorialebene zusammengedrängt. Kostanecki und Sied- 
lecki bilden auf den entsprechenden Stadien in ihren Fig. 31 
und 35 „grosse Dottervakuolen*“ in der gleichen Lagerung ab. 
Im Text (S. 242 und 243) wird dieser Befund folgendermassen 
beschrieben: „An Eiern in toto, und zwar nur an diesen, 
haben die beiden Teile der Tochterzellen, die einander zugekehrt 
sind. ein anderes Aussehen als der obere Teil der Zelle, der das 
Zentrosoma samt seiner protoplasmatischen Umgebung birgt. Er 
ist an gefärbten Präparaten viel heller, weniger körnig und 


weniger von Strahlen durchsetzt ..... Ubrigens können die 
Bilder in einem und demselben Stadium sehr abweichen, was 
mit der Fixierungsmethode zusammenhängt.“ „An gefärbten und 


dünnen Schnitten lässt sich feststellen, dass der ganze Unter- 
schied zwischen dem oberen und dem äquatorialen Teile der 
‚Zelle wiederum nur durch das Verhalten der grossen Deuto- 
plasmamassen hervorgerufen wird, dadurch nämlich, dass die 
Vakuolen stets in die grösseren interfilaren Räume. also möglichst 
weit von dem Zentralkörper als Mittelpunkt. verdrängt werden, 
während um den Zentralkörper sich immer dichter die proto- 
plasmatischen Strahlen gruppieren und nur höchstens für kleinere 
Körnchen Raum lassen.“ 


Nach Carnoy und Lebrun (1897) sind die Zentral- 
körperchen oder Zentrosomen des Ascariseies Nukleolen, welche 
aus den Vorkernen ausgewandert sind. Diese beginnen unmittelbar 
nach ihrem Austritt sich zu verkleinern, um schliesslich ganz zu 
schwinden. Dabei tritt in ihrer Umgebung eine strahlige An- 


104 Friedrich Meves: 


ordnung der Protoplasmabalken auf und gleichzeitig erfüllt sich 
der Zellsaft in ihrer Nachbarschaft in bestimmter Ausdehnung 
mit zahlreichen winzigen Körnchen, welche zwischen den Strahlen 
gelegen sind. Auf diese Weise bilden sich körnige Höfe, welche 
den Attraktionssphären Van Benedens entsprechen. Die Körnchen 
entstehen nach den belgischen Autoren dadurch, dass Nukleo- 
albumine, welche aus den sich auflösenden Nukleolen bezw. 
Polkörperchen frei werden, durch den Zellsaft des Eies gefällt 
werden. Man sieht also, nach Carnov und Lebrun, dass 
die Attraktionssphären nicht vor dem Austritt der Nukleolen 
existieren können. 


Boveri scheint auch noch 1901 daran festzuhalten, dass 
die substantielle Identität derjenigen Zellenteile, welche er als 
Archoplasma zusammenfasst, das ist also der Plastochondrien und 
der von den Zentrosomen ausgehenden Strahlungen, nicht wider- 
legt sei. „Nach Ablauf der Mitose“, sagt er, „schwinden die von 
den Zentrosomen ausgehenden radialen Fäden mehr und mehr 
und gehen in vielen Fällen vollständig verloren. Man findet 
dann im Umkreis des Zentrosoms ein dicht körniges, vielleicht 
wabiges Plasma, das sich in seinem ganzen Habitus und auch in 
seinem Verhalten gegenüber gewissen Farbstofien von dem übrigen 
Plasma sehr deutlich unterscheidet (Archoplasma). Diese An- 
häufung wird in manchen Fällen sehr klein und unscheinbar, 
indem ein grosser Teil der Astrosphärensubstanz sich im übrigen 
Plasma verteilt oder sich in dieses verwandelt.“ Die neuen 
Radien bilden sich, nachdem die Tochterzentrosomen sich eine 
Strecke weit voneinander entfernt haben, „durch Neugruppierung 
der Körnchen oder Knötchen zu radial auf die neuen Zentren 
eingestellten Linien, die anfangs sehr spärlich, kurz und un- 
deutlich sind. um sich mit der weiteren Entfernung der Zentro- 
somen mehr und mehr auszuprägen“. 


In der neuesten Zeit, in welcher die zelluläre Forschung 
den Plastosomen ein starkes Interesse zuwendet, ist die Proto- 
plasmastruktur des sich teilenden Ascariseies von Retzius und 
Romeis untersucht worden. 

Das Material, welches Retzius (1911) hierzu benutzt hat, 
war „teils mit Sublimatlösung, teils mit Pikrinessigsäure, teils 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei etc. 105 


mit Carnovschem Gemisch behandelt“.') Von dem auf letztere 
Weise fixierten Material sagt Retzius, dass es „ganz ausge- 
zeichnet schön“ war. Die Präparate, nach welchen Retzius 
seine Abbildungen gezeichnet hat, sind nach der Figurenerklärung 
grösstenteils mit dem Carnovschen, das ist also mit einem 
sehr viel Säure enthaltenden Gemisch fixiert gewesen. Von diesem 
möchte ich glauben, dass es wahrscheinlich längere Zeit ein- 
gewirkt hat; denn während Carnoy und Lebrun bei An- 
wendung desselben Reagens einen körnigen Bau der Attraktions- 
sphären erhalten haben, ist in den Figuren von Retzius von 
einem solchen nur in den wenigsten Fällen und nur andeutungs- 
weise etwas zu sehen. Die Sphären erscheinen bei ihm der Haupt- 
sache nach als mehr oder weniger scharf begrenzte rundliche 
Flecke, die intensiver gefärbt sind als das umgebende Proto- 
plasma. Die von Retzius abgebildeten Körnchen oder Mikro- 
somen, welche die Balken seines „Fadengerüstes“ besetzt halten, 
sind mit Plastochondrien sicher nicht identisch. 


Romeis (1913) hat Embryonalstadien von Ascaris (ohne 
die Eischalen vorher anzuschneiden) teils mit der von Golgi 
zur Darstellung des Apparato reticulare angegebenen Flüssigkeit 
(Acid. arsenicos. konz. wäss., 90° Alkohol und 20°/o Formalin 
zu gleichen Teilen), teils mit der Bendaschen Modifikation des 


!) Ich habe in meiner Phallusiaarbeit (1913) angegeben, dass das 
Material, welches Retzius (1911) für seine Untersuchungen gebraucht 
habe, ihm von OÖ. Zacharias-Plön überlassen und dass es mit einem 
sehr viel Säure enthaltenden Gemisch fixiert worden sei. Hier liest ein 
Versehen von mir vor, welches ich bedauree Retzius hat zwar von 
O. Zacharias Material erhalten, dieses aber ebenso wie solches von 
Boveri und mir für seine Zwecke nicht geeignet gefunden. 

Das Material, welches Retzius verwendet hat, war vielmehr ein 
solches, welches er selbst schon vor mehr als 20 Jahren in Sublimat fixiert 
hatte; ferner hat er „ein schönes Ascarismaterial“ benutzt, welches E. Holm - 
gren gesammelt hatte. Über die Konservierungsweise dieses letzteren 
Materials macht Retzius, soweit ich sehe, keine Angaben; jedoch ist wohl 
anzunehmen, dass das Carnoymaterial, von dem er spricht, sich hierbei 
befunden hat. 

Ich habe, nebenbei bemerkt, Retzius auf seineausdrückliche 
Bitte um Sublimatmaterial nur eine einzige Portion Eier aus dem 
obersten Uterusabschnitt. welchen ich in Sublimatlösung zerzupft hatte, über- 
senden können. 


106 Friedrich Meves: 


Flemmingschen Gemisches bei einer Temperatur von 56°C 
fixiert. Bei Anwendung dieser Methoden liessen sich nach ihm 
in den beiden ersten Furchungszellen gekrümmte Plastokonten 
und Plastochondrienreihen (neben Einzelkörnchen) auffinden. 

Plastosomatische Ringe und Stäbchen, welche nach Held 
und Romeis im ungefurchten Ei im Anschluss an die Aussaat der 
männlichen Plastochondrien auftreten, habe ich früher (1913) für 
Kunstprodukte erklärt.') Ebendafür möchte ich auch die Plasto- 
konten halten, welche Romeis in den beiden ersten Furchungs- 
zellen gefunden hat; jedenfalls fehlen sie in meinen Präparaten 
gänzlich. Man kann übrigens auf den Gedanken kommen, dass 
die plastosomatische Natur der von Romeis erwähnten Stäbchen 
nicht einmal ganz sicher ist. Romeis sagt nämlich selbst S. 136: 
„Bei der Feststellung von gekrümmten Stäbehen muss man mit 
Vorsicht verfahren, wie ich aus Präparaten. in denen auch Fett- 
körper eine ähnliche Form angenommen haben, gesehen habe. 
Ähnliche Körperchen bildet Meves auf Taf. XXIN, Fig. 13— 15. 
17 und 18 ab. Er hält sie für Überbleibsel der corpuseules 
refringents.“ 

Auf die weiteren Details, die die Plastochondrien und das 
Protoplasma der beiden ersten Blastomeren bieten, will Romeis 
nicht eingehen, „da wir ja darüber noch eine ausführliche Ver- 
ötfentlichung von seiten Helds zu erwarten haben“; dagegen 
gibt er eine Schilderung der folgenden Stadien vom Vierzellen- 
stadium an. „Die Plastosomen“, sagt er, „verhalten sich während 
der ersten Furchungsteilungen hinsichtlich ihrer allgemeinen 
Lagerung im Verlauf der Mitose folgendermassen: Beim Er- 
scheinen der Zentrosomen räumen sie immer mehr den Bereich 
der entstehenden Polradien. Infolgedessen treten die Felder der 
Polstrahlungen als helle Flecke immer stärker hervor und wenn 
dann die Aquatorialplatte ausgebildet ist, finden sich an den 
beiden gegenüberliegenden Zellpolen nur mehr sehr spärliche 
Plastochondrien, die Region der sogenannten Zugfasern 
ist vollkommen frei davon. Dadurch wird die Hauptmasse der 
Plastosomen auf die Seitenwände der sich teilenden Zelle ge- 
schoben. Auch während der Metaphase bleiben die Verbindungs- 


') Bei Besprechung der Romeisschen Abhandlung habe ich 1913. 
S. 243 die Worte „und zwar schon früher als dieser“ (Zeile 2 von unten) 
irrtümlicherweise in Anführungszeichen gesetzt. 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 107 


fasern in der ersten Zeit noch frei, allmählich aber dringen die 
Körnchen immer mehr zwischen die neuentstandenen Kernhälften 
ein. Wenn sich die beiden Tochterzellen durchgeschnürt haben, 
liegt die Hauptmasse der Plastosomen in der Gegend der sich 
berührenden neugebildeten Zellwände. Dann tritt allmählich wieder 
eine gleichmässige Verteilung der Plastosomen innerhalb des Zell- 
innern ein. Diese Bewegungen sind wohl auf Strömungen inner- 
halb des Protoplasmas zurückzuführen.“ 

Ein Freiwerden der Polstrahlung von Plastochondrien, wie 
es nach Romeis „beim Erscheinen der Zentrosomen“ eintritt, 
habe ich an meinen Präparaten (auch in den Blastomeren) erst 
kurz vor und während der Zelldurchschnürung beobachtet: es 
geht auch hier mit einer entsprechenden Verlagerung der hellen 
Vakuolen und Dotterkörperchen Hand in Hand. Nach Romeis 
würde aber auch die nächste Umgebung der Zentrosomen in den 
sich teilenden Furchungszellen von Plastochondrien gänzlich frei 
sein; es würde demnach hier überhaupt keine Attraktionssphären 
geben. Dieser Befund steht zu meinen eigenen Beobachtungen in 
auffallendem und mir einstweilen unerklärlichem Gegensatz. 


Schluss. 


Anhäufungen von Plastochondrien in der nächsten Umgebung 
der Zentrosomen oder Zentrosphären !), wie wir sie im Ei und 
den Blastomeren von Ascaris antreffen. sind uns bei anderen 
Tieren bisher nicht mit Sicherheit bekannt. Sie fehlen jedentalls 
z. B. im Echinodermenei, welches ich 1912 unter Anwendung 
der Altmannschen Methode untersucht habe (siehe auch 
Boveri 1895). 

Als sich die Kenntnis dieser Dinge noch in den Anfängen 
befand, haben wir vielfach auch die kompakten Zentriolenhüllen, 
welche in ruhenden (ewebszellen, besonders in männlichen 
und weiblichen Geschlechtszellen, aber auch in Gewebszellen 
anderer Art, z. B. in Leukozyten und Knorpelzellen, vorkommen, 


!) Ich hatte 1902, S. 53 vorgeschlagen, den Ausdruck Zentrosom wegen 
der vielen Konfusion, welche durch falschen Gebrauch desselben angerichtet 
ist, ganz zu vermeiden und die Hüllen, von welchen die Zentriolen bei 
einigen Zellarten, besonders Furchungszellen, während der Teilung umgeben 
sind, mit einem von Strasburger gebildeten Ausdruck als Zentrosphären 
zu bezeichnen. 


108 Friedrich Meves: 


als Attraktionssphären oder Sphären bezeichnet. Diese Homo- 
logisierung habe ich 1897, S. 313 auf Grund meiner Unter- 
suchungen dieser (Gebilde als unzutreffend erkannt. Ich habe 
daher zunächst für die Zentriolenhüllen in Hodenzellen die Be- 
zeichnung Idiozom vorgeschlagen, welche ich dann später (1902, 


>. 53), um die Zugehörigkeit der im Rede stehenden Hüllen zu 
den Zentriolen schärfer zum Ausdruck zu bringen, durch 
Centrotheca ersetzt habe. Wie notwendig es war, zwischen 
Attraktionssphäre und Uentrotheca zu unterscheiden. hat mir die 
vorliegende Studie von neuem gezeigt. 


Literaturverzeichnis. 


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f. wiss. Mikroskopie, Bd. 23. 

Boveri, Th., 1885: Zellen-Studien, Heft 2. Die Befruchtung und Teilung 
des Eies von Ascaris megalocephala. Jena. 

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Verh. d. Deutsch. Zool. Ges., Bonn. 

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ur RP 


Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 109 


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stehung nach Beobachtungen an Paludina und Pygaera. Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. 61. 

Derselbe, 1907: Über Mitochondrien bezw. Chondriokonten in den Zellen 
junger Embryonen. Anat. Anz., Bd. 51. 

Derselbe, 1911: Über die Beteiligung der Plastochondrien an der Befruchtung 
des Eies von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76. 

Derselbe, 1912: Verfolgung des sogenannten Mittelstückes des Echiniden- 
spermiums bis zum Ende der ersten Furchungsteilung. Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. SO, Abt. II. 

Derselbe, 1913: Über das Verhalten des plastosomatischen Bestandteiles des 
Spermiums bei der Befruchtung des Eies von Phallusia mamillata. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 82, Abt. 11. 

Retzius, G., 1911: Biologische Untersuchungen, N. F., XVI. 

Romeis, B.. 1913: Beobachtungen über die Plastosomen von Ascaris megalo- 
cephala während der Embryonalentwicklung unter besonderer Berück- 
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Arch. f. mikr. Anat., Bd. 81, Abt. II. 

Rubaschkin, W., 1910: Chondriosomen und Differenzierungsprozesse bei 
Säugetierembryonen. Anat. Hette, Bd. 41. 

Van Beneden, E., 1883: Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecon- 
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Derselbe und Neyt, A., 1857: Nouvelles recherches sur la f&condation et 
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mann). Mem. Ist. Lomb. Sc. Lett., Milano, Vol. 16. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI und VII. 


Die Abbildungen der Taf. VI und VII sind mit Zeiss’ Apochromat 
2 mm (Apertur 1,30 oder 1,40) und Kompensationsokular 12 unter Benutzung 
des Abbeschen Zeichenapparates entworfen, wobei der Abstand der Zeichen- 
ebene von der Ebene des Tisches 17!» cm betrug; sie betreffen Schnitte 
durch beschalte Eier von Ascaris megalocephala, welche, nach dem An- 
schneiden der Schalen, mit dem Altmannschen Gemisch fixiert und mit 
Sänrefuchsin-Pikrinsäure nach Altmann gefärbt worden sind. 


Tafel VI. 


Fig. 1. Ei, kurze Zeit nach Ablauf der zweiten Richtungsteilung. Plasto- 
chondrien noch in der Zellmitte zu einer einzigen Masse zusammen- 


gezogen. 
Fis. 2. Plastochondrien im Zelleib verstreut. 


110 Fr. Meves: Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei etc. 


Fig. 3. 
Fig. 4 
Rio, 
Fig. 6. 
Fig. 7 
Fig. 8. 
en 8 
Fig. 10 
io. cal: 
Fig. 12 


Im Zentrum der Zelle eine kleine Ansammlung von Plastochondrien, 
neben welcher die beiden Vorkerne gelegen sind. 

Die beiden Zentrosomen rücken, jedes von einer Plastochondrien- 
anhäufung oder Attraktionssphäre umgeben, auseinander. Dotter- 
körperchen (corpuscules refringents) nicht geschwärzt. 
Zentrosomen und Attraktionssphären grösser geworden und weiter 
voneinander entfernt. 

Membranen der beiden Vorkerne geschwunden. 

Aquatorialplatte. 

Metakinese. 


Tafel VII. 


Beginnende Kernrekonstruktion und Zelleibsteilung. Zentrosomen 
und Attraktionssphären stark abgeplattet. Fast sämtliche Plasto- 
chondrien, soweit sie nicht die Sphäre aufbauen, die hellen Vakuolen 
und Dotterkörperchen zu beiden Seiten der Äquatorialebene zu- 
sammengedrängt. 

Zwei Tochterzellen. Die Abplattung der Zentrosomen und Attrak- 
tionssphären besteht noch fort. Die Verteilung der Plastochondrien, 
hellen Vaknuolen und Dotterkörperchen ist dieselbe wie in Fig. 9. 
Zwei Tochterzellen. Sphären wieder kugelig geworden. Zentro- 
somen waren nicht mit Sicherheit erkennbar. 

Die beiden Tochterzellen der ersten Teilung von neuem in Mitose 
eingetreten. 


111 


Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien 
iR 


Von 
Dr. Manfred Fraenkel, Charlottenburg. 


Hierzu Tafel VIII und 6 Textfiguren. 


Die Versuche, die ich in der zweiten Abteilung dieses Archivs 
1912, Bd. 50, „Zum Nachweis der Vererbung erworbener Eigen- 
schaften“ eröffentlicht habe, möchte ich heute durch folgende 
Mitteilungen ergänzen. 

Die jetzt vorgenommene Sektion der Tiere meiner drei 
Serien hat sehr auffallende Befunde an den Ovarien ergeben. 

Wie ich bereits in meiner Arbeit über das Karzinom !) und 
in meinem Buche über die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie ?) 
andeutete, verhalten sich die Einwirkungen der Röntgenstrahlen 
bei erwachsenen und bei jungen Tieren ganz verschieden. und 
ich führte damals folgendes aus: 

Bestrahlte man ein junges und noch in der Entwicklung 
begriffenes, unreifes Tier am Bauch mit Dosen von S X, die beim 
entwickelten Tier nach meinem Versuch mit Sicherheit Schädigungen 
derart erzielten, dass Schwangerschaft auf 5—6 Monate mindestens 
ausgeschlossen ist, so wird das unentwickelte Tier vielleicht kleiner 
bleiben, aber im Gegensatz dazu wird im Augenblick der Gesamt- 
reife, also nach 5—6 Wochen, die Schwangerschaft prompt und 
sicher erfolgen; Versuche, die ich oft und jedesmal mit Erfolg 
einer herbeigeführten Gravidität gemacht habe. Die Schädigung 
bestand also lediglich in allgemeinen Wachstumsstörungen, ge- 
ringerer Grössenentwicklung, die bei sehr bedeutend gesteigerten 
Dosen von fast 20 X natürlich besonders auffällig hervortraten. 
Es blieb also das vor seiner Reifung bestrahlte Tier, was die 
- Grössenverhältnisse anlangt, zurück. Desgleichen mögen seine Fort- 
pflanzungsorgane parallel und proportional der allgemeinen Rleinheit 
vielleicht auch kleiner geblieben sein, was ich nicht konstatieren 
1) Zeitschrift für Röntgenkunde 1911, Bd. XII. 

?) „Die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie: mit einem Ausblick auf 


ihren künftigen Wert für soziale und sexuelle Fragen“, Verlag Schötz 1911. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. 8 


112 Manfred Fraenkel: 


konnte, in ihrer Tätigkeit waren sie jedoch nicht — im Gegen- 
satz zu der starken Beeinflussung der Ovarien beim ausgewachsenen 
Tier trotz gleicher Dosis — beeinträchtigt worden. Denn es trat, 
wie gesagt, zur absolut normalen Zeit Schwangerschaft mit nor- 
malem Verlauf ein, bei drei Versuchstieren wurden die. Tiere 
sogar ausnahmsweise früh, nämlich schon in der 7. Woche nach 
ihrer Geburt, gravide, denn sie kamen in der 17. Woche nieder. 
Die gleiche Produktivität hinsichtlich ihrer Fortpflanzungsfähigkeit 
war auch an zwei Meerschweinchenmännchen zu beobachten, 
während die gleiche Dosis beim ausgereiften Tier bis 6 monatliche 
Sterilität hervorrief. Wie sind nun diese Gegensätze zwischen 
Bestrahlung bei ausgewachsenen und bei unreifen Tieren mit 
diesen Folgeerscheinungen zu erklären und zu deuten ? Ich möchte 
beinahe sagen, hier wurden die Zellen gar nicht beschädigt, sondern 
nur gehemmt. Es scheint ein bisher noch nicht bekannter und 
beschriebener, schwerwiegender Unterschied in dem Verhalten von 
embrvonalen Zellen, die erst zur Ausreifung gelangen sollen. und 
solchen Zellen zu bestehen, die im ausgereiften Organ ihrerseits 
eine so ungeheuere proliferierende Tätigkeit ausüben, wie es die 
Ovarial- und die Samenzellen tun und die wir auch als „embryonal“ 
bezeichnen. Denn dasselbe Bild wie bei unseren unreifen Tieren 
sahen wir auch bei dem Verhalten der virginellen Milchdrüsen- 
zellen. Nach dem Sistieren des schädigenden Agens können sie 
ihre Tätigkeit wieder aufnehmen und sogar noch in gesteigertem 
Maße, im (Gegensatz zur Dauerschädigung der Drüsen im er- 
wachsenen Zustand. 

Während die reifen Zellen in ihrer Produktivität geschädigt 
werden, erleiden die embryonalen Zellen des unreifen Körpers, 
vielleicht weil sie noch mit ihrer eigenen Entwicklung zu tun 
haben, ein einfaches Sistieren, die ausgereiften Körperzellen dagegen 
haben eine ganz andere Aufgabe, und in dieser werden sie von 
den R-Strahlen geschädigt. 

Was ergab nun die Sektion von unseren Tieren? Bei keinem 
der drei Weibchen fand sich in den Uterushörnern (Taf. VII, 
Fig. 1, 2 und 3) irgendein deutlicher Rest einer abgestorbenen 
Frucht. — An dem Tochtertier fiel nur eine eigentümliche Ver- 
diekung des rechten Uterushornes, bei dem kleinsten eine Auf- 
treibung im rechten, unteren Drittel auf. Beim Aufschneiden 
zeigten diese beiden Uterushörner im Gegensatz zu der anderen 


Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. 118 


Seite stärkere Faltungen der Mukosa und Verdickungen, aber 
von irgendeinem Rest einer Frucht war nichts zu finden. 

Dagegen fiel bei den Tieren eine exquisite Neigung zur 
Fettsucht in Form direkter Fettansammlung auf. Sowohl bei 
dem Bock wie bei den drei Weibchen jeder Serie war der gesamte 
Darm mit seinen Zotten, sowie die Uterushörner bis nach oben, 
zum Endpunkt, dem Sitz der Ovarien, in dicke Fettklumpen ein- 
gehüllt. Besonders die Ovarien und parallel die beiden Hoden 
zeigten eine fast vollkommene Einhüllung in Fettmassen. so dass 
es direkt eine Fettkapsel wie bei den Nieren vortäuschte. Noch 
niemals habe ich vorher beim Meerschweinchen ein derartig 
pathologisches Bild gesehen. Noch deutlicher wurde diese Fett- 
ansammlung, nachdem man vorsichtig den Uterus mit Hörnern 
und Eierstöcken entfernt hatte. 

Ich kann sagen, das Bild der ganzen Eingeweide war ein 
so verworrenes mit diesen Fettklumpenansammlungen, dass die 
Präparation nur sehr schwierig gelang. Nach dem Befunde stehe 
ich nicht an, die Angaben meiner ersten Arbeit dahin zu rektifi- 
zieren, dass die von mir als eventuelle Gravidität bezeichneten 
Schwellungen, die man durch die Bauchdecke durchpalpieren 
konnte, und die bald stärker, bald schwächer auftraten, in der 
Hauptsache durch diese kolossalen Fettklumpenansammlungen 
hervorgerufen worden sind. Die vollkommen in diese Fettmassen 
eingebetteten Eierstöcke wurden aus diesen entfernt und zeigten 
nun bei den Mutter- und Tochtertieren eine ganz deutlich hervor- 
tretende, bei den Enkeltieren in geringerem Maße erkennbare 
eystische Degeneration beider Ovarien (Taf. VIII, Fig. 1-3). 
Entsprechend der längeren Lebensdauer und, wenn ich so sagen 
soll. entsprechend der Körpergrösse, zeigten die drei Ovarien 
absteigende Grössenverhältnisse, die sich am deutlichsten aus den 
Abbildungen erkennen lassen. Die Abbildungen (Taf. VIIL, Fig. 4, 
5 und 6) zeigen deutlich die eystische Degeneration der Ovarien. Das 
grosse Ovarium (Fig. 4) besteht aus einem einzigen mit Flüssigkeit 
angefüllten Sack, der prall gespannt ist und an der Oberfläche mit 
kleinen, gleichfalls mit Flüssigkeit angefüllten Bläschen bedeckt 
ist: und das gleiche Bild zeigen in geringerer Grösse die Ovarien 
der beiden anderen Tiere (Fig. 5 und 6). Schon auf Druck fühlt 
man deutlich, dass das ganze Organ nur eine dünne Hülle hat, 


dass es sich also um eine ausgedehnte Cystendegeneration handelt. 
8* 


114 Manfred Fraenkel: 


Dieser Befund weicht ganz erheblich von den sonst üblichen 
bei Bestrahlung ausgewachsener Tiere ab, wie die beigegebenen 
Kontrollabbildungen (Textfig. 1—6) zeigen. In all den Fällen, ın 


Fig. 1. Meerschweincheneierstock nach Ausreifung bestrahlt. Die Follikel 

sind durch starke Bindegewebshüllen scharf voneinander getrennt. Noch 

vereinzelte Graafsche Follikel und einige reifende, aber in auffallend ge- 

ringer Zahl. Dagegen eine Reihe grosser degenerierter Follikel. Links zwei 

besonders grosse Follikel mit aufgetriebenen Zellen und hyalinen Schollen 
gefüllt. Keimzelle nicht mehr vorhanden. 


Fig.2. Gesamtzahl der Follikel überhaupt erheblich verringert Eine Reihe 
grosser Follikel in Degeneration, ohne Keimzellen mit hyalinen Schollen und 
gequollenen Follikelzellen ausgetüllt. Die Zellen schlecht färbbar. Starke 
Bindegewebszüge teilen die Follikel in deutlich vorspringende weit von- 
einander entfernt liegende Felder von eigentümlich in die Länge gezogener 
Form. Die Bindegewebshüllen um die einzelnen Follikel sehr diek. Das 
ganze Bild macht schon den Eindruck eines durch reichliche Bindegewebs- 
entwicklung stark atrophierten Organs. i 


it DA 


vöntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. 115 


denen seit den Halberstadtschen Untersuchungen die Ovarien 
ausgereifter Tiere bestrahlt worden sind, haben sie das einheitliche 
Bild einer parallel der Dosis mehr oder minder starken binde- 
geweblichen Wucherung gezeigt. Nirgends war eine ceystische 


Sg 
Fig.3. Bindegewebsstränge noch verstärkt. Dadurch sind die einzelnen 
Follikel noch mehr auseinandergedrängt und in richtige Inseln eingeteilt. 
An Stelle der Follikel grosse Vakuole, zum Teil leer, zum Teil gefüllt mit 
degenerierten Follikelzellen. An Stelle des Eies ein feinbalkiges Gewebe. 
von degenerierten Follikelzellen umgeben. Kein reifer, kein Graafscher 
Follikel mehr vorhanden. 


a Fig. 6 b 
Fig. 4—6. a — bestrahltes verkleinertes Meerschweinchenovarium vom aus- 
gewachsenen Tiere. b — unbestrahltes verkleinertes Meerschweinchenovarium 
vom ausgewachsenen Tiere 


116 Manfred Fraenkel: 


Degeneration in dieser Ausdehnung beobachtet und beschrieben 
worden, sondern die Schädigung hielt sich immer in der Form 
der Zerstörung von Follikeln, des Zerdrückens der Follikel durch 
bindegewebliche Umwucherung, des Auseinandertreibens und 
Zwischenwachsens von Bindegewebsmassen zwischen die immer 
mehr auseinandergepressten. dem Untergange geweihten Follikel. 
die schliesslich ganz verschwinden, wie meine Abbildungen (Text- 
figuren 1— 6) zeigen. 

Hier ist das Bild aber ein ganz anderes und erklärt voll- 
kommen das Fehlschlagen jeder neuen Gravidität. trotz der 
Versuche, wie ich sie in meiner ersten Arbeit geschildert habe; 
es gestatten die Präparate vielleicht andererseits den Schluss, 
dass es sich wahrscheinlich auch in diesem Sinne um eine Ver- 
erbung zur eystischen Degeneration handelt, die mit 
dem Lebensalter des betreffenden Tieres parallel sich abstuft, in 
den ersten Fällen einen einzigen grossen Hohlsack (Taf. VIIL, 
Fig. 4) darstellt, der weit über die Grösse eines normalen Meer- 
schweinchenovarıums herausragt — die bei dem letzten Tiere 
parallel seiner Jugend und Kleinheit in einem weit unter der 
Norm zurückgebliebenen, aber auch eystisch degenerierten Ovarium 
(Fig. 6) sich dokumentierte, wenn auch hier noch etwas Eierstock- 
gewebe vorhanden ist, das jedoch keine ausgereiften Follikel mehr 
aufweist. Dass auch die Uterushörner abfallende Grössen zeigten, 
erkennt man deutlich an den Abbildungen (Taf. VIII, Fig. 1 —3). 

Im ersten Falle, bei dem Muttertier, haben die Röntgen- 
strahlen also keine bindegewebliche Wucherung angeregt, sondern 
eine so tiefgehende Schädigung der Follikel hervorgerufen, dass 
es zu einer weit um sich greifenden cystischen Entartung ge- 
kommen ist, bei der nur in den allerersten Zeiten der Entwicklung 
einige wenige Follikel überhaupt noch zur anscheinend normalen 
Ausreifung gelangten. Diese waren zwar noch befruchtungsfähig: 
es entstanden Junge. — 

Aber der Stempel der Erkrankung war auch ihnen bereits 
aufgedrückt. 

Und so geben sie die Neigung. die Disposition zur Krank- 
heit — den Keim derselben — als ein Dauergeschenk den Nach- 
kommen mit auf den Weg. Die restierenden Follikel im mütter- 
lichen Ovarium waren der Cystenbildung unrettbar verfallen. 
Dieselben Erscheinungen stellten sich nun prompt bei der folgenden 


a a 


Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. IT 


unbestrahlten Generation ein, die es auf ihre Nachkommen weiter 
überträgt, eine Befruchtung dieser letzten Generation gelingt 
überhaupt nicht mehr. 

Das Resume meiner an drei Tierreihen jetzt konstatierten 
Versuche gestaltet sich also wie folgt: 


r 


I: 


KM: 
IN. 


y: 


MI. 


VM. 
MIR 


Ein Tier wird am 4. Tage nach seiner Geburt einmal 
bestrahlt, bleibt im Wachstum zurück. — Nach seiner 
Ausreifungszeit wird es belegt, wirft in normaler Zeit 
ein bis zwei Junge. 

Die unbestrahlten Jungen bleiben im Wachstum noch 
weiter zurück. Ausgereift werfen auch sie kleiner 
bleibende Junge etc. 

Diese letzteren sind und bleiben steril. 

Es fällt auf, dass bei den ganzen Tierreihen weitere 
Belegversuche der Weibchen missglücken, also mehrere 
Graviditäten, wie sonst bei Meerschweinchen, nicht zu 
beobachten und herbeizuführen sind. 

Die ausgereiften Tiere sind abgestuft verkleinert. 

Ein bei dem ersten Tier durch Bestrahlung erzeugter 
Haardefekt am Kopf tritt bei allen Tieren der folgenden 
Reihe an gleicher Stelle wieder auf: das Gleiche wieder- 
holt sich in der neuen Versuchsreihe: Haardefekte am 


Kopf und Rücken — durch Bestrahlung am Muttertier 
hervorgerufen — treten bei den Tieren der folgenden 


(senerationen an gleicher Stelle wieder auf. 

Die Sektion ergibt bei allen Tieren starke Fettansammlung. 
Ferner zeigte die Sektion — als Grund der im weiteren 
Verlauf nach der ersten Gravidität zu beobachtenden auf- 
fälligen Sterilität — evstische Degeneration der Ovarien, 
die sich in den folgenden unbestrahlten Generationen 
wiederholt. 


115 


Fig. 


Fig. 


IV 


u 


Manfred Fraenkel: Röntgenstrahlenversuche etc. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIL. 


Eierstock eines Meerschweinchens, das 4 Tage alt total bestrahlt 
wurde. nach der Ausreifung zweimal warf, dann aber nicht mehr 
erfolgreich belegt werden konnte: Stark vergrössertes, cystisch 
degeneriertes Ovarium dieses 2 Jahre alten Tieres. 

Cystisch degenerierter vergrösserter Eierstock des unbestrahlten 
Tochtertieres, das einmal warf, in der Grössenentwicklung zurückblieb. 
Cystisch degenerierter Eierstock des unbestrahlten Enkeltieres, bei 
dem ein Wurf nicht zu erzielen war, und das in der Entwicklung 
stark zurückblieb. 

Das mikroskopische Eierstockbild des Muttertieres zu Fig. 1. Aus- 
gedehnte Cystenbildung. Ganz vereinzelt noch Follikel verstreut in 
der Rinde. 

Mikroskopisches Bild zu Fig.2. Mit reichlicher Cystenbildung, am 
Rand noch zerstreut eine Reihe Follikel, deutlicher Ersatz der 
Follikel durch kleine Uysten. 

Mikroskopisches Bild zu Fig. 3. Zahlreiche grössere und kleinere 
Cysten, daneben noch Follikel in allen Stadien der Reifung 


1:9 


Aus dem Laboratorium der L.und Th. Landauschen Frauenklinik. Berlin. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen 
und der Säugetiere. 


Von 
Ludwig Pick. 


Hierzu Tafel IX—XIII und 5 Textfieuren. 


Teil T: Inhalt: Seite 
Einleitung: Begriffsbestimmung und Einteilung des wahren Herm- 
aphroditismus . SE RE en et El N ed 
Teil IT: 
a) Das untersuchte eigene Material beim Säugetier: Fünf Fälle von 
Hermaphroditismus verus beim Schwein 4 140 


b) Zusammenstellung der sicheren Fälle von Hermaphroditismus 
verus beim Menschen nebst Bericht über die histologische Nach- 


untersuchung des Falles Ernst Salen . .....2.2....163 
PeilTlT: 
Tabellarische Übersicht der in Teil IT berichteten Fälle von Herm- 
SDRROIEISIHUSCVERUSER 4 u en ee Be lie) 
Teil. IV: 
Die morphologischen („phänomenologischen“) Gesetzmässigkeiten beim 
Hermaphroditismus verus des Menschen und der Säuger . . . 178 
Teil.NV: 


Das Adenoma tubulare testiculare ovarii beim menschlichen Weibe 207 
FalsVT: 
Epikritische Betrachtungen zur Ätiologie des Hermaphroditismus 
verus und seine Beziehungen zum Pseudohermaphroditismus. 
Die praktischen Prinzipien der (Geschlechtsfestsetzung beim 
Hermaphroditismus und die Kategorien der „Neutren“ beim 


Nemesis Eh) 
Berl VIL: 
Allgemeine Zusammenfassung . » - » : 2.0... 2 
I 


Die Begriffsbestimmung und Einteilung des 
Hermaphroditismus verus. 
Hermaphroditismus bedeutet die Mischung entgegengesetzter 
Geschlechtsmerkmale in einem Individuum. „Jedes System des 
Hermaphroditismus muss also an die Umgrenzung und Einteilung 
der Geschlechtscharaktere anknüpfen. 


120 Ludwig Pick: 


John Hunter und nach ihm Darwin haben zuerst den 
primären Geschlechtscharakteren als sekundäre diejenigen soma- 
tischen Kennzeichen gegenübergestellt. die mit dem Fortpflanzungs- 
akt in keiner direkten Beziehung stehen. Die primären Geschlechts- 
merkmale umfassen danach das Genitale als Ganzes; alle anderen 
sind sekundäre. 

Die alte Einteilung hat in der Folge mancherlei Kritik 
und Änderung erfahren — ich nenne Brandt (7)'), Laurent- 
Kurella (42), Ellis (13), neuerdings Poll (52a), Kammerer 
(30) und Steinach (63). Sie ist durch die Abgrenzung primärer, 
sekundärer und tertiärer Merkmale (Brandt, Laurent- 
Kurella) erweitert, andererseits auch durch die Umwertung 
des „Sekundären“ in kausalem und zeitlichem Sinne ihrer ur- 
sprünglichen rein morphologisch-deskriptiven Absicht verlustig 
gegangen. 

Ich lege meinen Untersuchungen die von Poll (52a und b) 
gegebene Einteilung der (reschlechtsmerkmale zugrunde, die auch 
Tandler und Grosz (66) als die „derzeit beste“ benennen. 
Sie unterscheidet die essentialen oder germinalen, allein 
durch die gegensätzliche Verschiedenheit der Keimzellen ((rameten) 
gegebenen Sexualmerkmale von den akzidentalen, stellt also 
den gametischen Geschlechtsdifferenzen, die allein (Johannes 
Müller) das Geschlecht des Individuums, ob männlich oder 
weiblich, bestimmen, alle übrigen als somatische gegenüber. 

Diese akzidentalen Merkmale gliedern sich wie folgt: 

a) genitale subsidäre: 
«) Interne: 
pP) externe; 
b) extragenitale: 
«) interne; 
P) externe. 

Zu den genitalen subsidiären inneren Charakteren gehören 
die Leitungswege nebst ihren akzessorischen Drüsen; zu den 
äusseren die konjungalen Werkzeuge und die Brutapparate: zu 
den extragenitalen inneren Merkmalen z. B. die Stimmorgane, die 
psychischen Geschlechtsqualitäten: zu den extragenitalen äusseren 
die Körperbedeckung, Behaarung, Färbung ete. 


', Die Zahlen beziehen sich auf die Literaturübersicht am Schluss. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 1723 


H.A.') als Mischung entgegengesetzter (reschlechtscharaktere 
kann danach entweder die essentialen (germinalen) oder die akziden- 
talen Charaktere einbeziehen oder natürlich auch gleichzeitig diese 
wie jene. 

Die Mischung der akzidentalen Geschlechtscharaktere be- 
deutet den in der Weltliteratur viel erörterten, mit mehr als 
tausend Fällen kasuistisch belegten falschen oder unechten H.A. 
(H. A. spurius, Pseudohermaphroditismus oder Scheinzwittertum). 
Hier besteht bei dem an sich geschlechtssicheren, also entweder 
sicher männlichen oder sicher weiblichen Individuum ein grösserer 
oder kleinerer gegengeschlechtlicher Komplex von akzidentalen 
Merkmalen. 

Demgegenüber ist nun allerdings eine reine, sozusagen 
umschriebene Mischung der essentialen (reschlechtsmerkmale, d.h. 
der beiderseitigen Gameten für die höheren Metazoen nicht 
möglich. Die Existenz der Gameten ist hier an die durch die 
Keimdrüsen (Gonaden)?) gegebenen und als Hoden und Ovarıum 
makroskopisch und mikroskopisch geschlechtsspezifisch gebauten 
Hilfsapparate gebunden, und die Mischung der (rameten in einem 
Individuum bedeutet zugleich das Vorhandensein der beiderseitigen 
Keimdrüsen. Da aber der gesamte Zellbestand der Keimdrüsen 
ausschliesslich der Gameten den inneren genitalen subsidiären 
Apparaten zurechnet, besteht in dem Vorhandensein von beiderlei 
Keimdrüsen zugleich eine Mischung essentialer (gametischer) und 
akzidentaler (somatischer) Charaktere. 

Diese Tatsache ist von vornherein im Auge zu behalten. 
wenn wir die Mischung essentialer Geschlechtscharaktere in einem 
Individuum als echten, wahren Hermaphroditismus zu der Ver- 
einigung gegengeschlechtlicher akzidentaler Charaktere bei einem 
Individuum als Pseudohermaphroditismus in Gegensatz bringen, 
und der wahre H.A. ist in diesem Sinne notwendig identisch mit 
dem elandulären (H. A. bisexualis — biglandularis: z. B. bei 
Krttı9al 82110). 

Sofern der wahre H.A. gelegentlich bei den Vertretern einer 
physiologisch getrenntgeschlechtlichen Spezies beobachtet wird, ist 


!) Ich setze H.A. — Hermaphroditismus: Ps.H.A. — Pseudoherm- 
aphroditismus. 

?) „Gonade“ gilt einerseits als Bezeichnung des Hilfsapparates der 
Gameten, findet aber andererseits auch für die Keimdrüse als Ganzes 
Anwendung; vergl. z B. bei Tandler und Grosz (66). S. 2 bezw. S. 30, 75, 55. 


122 Ludwig Pick: 


er als sporadischer, pathologischer oder teratologischer, d.h. als 
Missbildung charakterisiert gegenüber dem physiologischen oder 
funktionellen, der für eine ganze Spezies die Norm darstellt. 

Es ist bekannt und bei allen Erörterungen über den wahren 
H.A. der Säuger und des Menschen in einer Art von Tradition 
immer wiederholt worden, dass dieser wahre funktionelle H.A. 
besonders verbreitet bei den Wirbellosen vorkommt — bei Gastro- 
poden (Mollusken), Hirudineen, Plathelminthen ete. — und dass 
wahrer H. A. — sei es physiologisch oder pathologisch — auch bei 
den niederen Vertebraten. Cyklostomen, Fischen und Amphibien 
existiert, ohne dass freilich gerade auf den hier sehr wesentlichen 
Umstand der starken Unterschiede der Keimdrüsen bei diesem 
physiologischen und pathologischen H. A. niederer Tiere genügend 
hingewiesen wäre. Hier bestehen alle möglichen Varianten: räum- 
lich vollkommen getrennte Keimdrüsen, oder Hoden und Ovarium 
als „Ovotestis“ oder „Zwitterdrüse*, oder beiderlei Keimzellen in 
einer Drüse vereinigt („Zwitterdrüse* im eigentlichen Sinne): 
kontemporäre Reifung mit der Möglichkeit der Selbstbefruchtung 
(Aseidien | Tunikaten |), alternierende — proterandrische oder proto- 
gyne — Funktion je einer Keimdrüse oder auch Funktion nur 
einer Keimdrüse bei dauernder Funktionslosigkeit der anderen 
oder fehlende Funktion bei sonst gut ausgebildeten Apparaten 
(Stephan’s [64] H. A. potentialis [s. potis| foecundus und sterilis). 

Ich betone diese verschiedenen Kombinationen, weil sie das 
Verfehlte der nicht selten erhobenen Forderung erweisen (vergl. 
Finkenbrink [17], v. Rosthorn [56], Bucura[S], Bayer [2], 
Menge [46]), für den wahren H.A. im allgemeinen und im be- 
sonderen gerade für den der höheren Wirbeltiere getrennte und 
funktionierende Keimdrüsen oder doch mindestens geschlechts- 
reife Keimzellen beiderlei Geschlechts — neben ausgebildeten 
männlichen und weiblichen Geschlechtsgängen — als unerlässlich 
zu betrachten. Der Schwerpunkt der Definition des wahren 
Hermaphroditismus liegt allein in der Mischung der germinalen 
(seschlechtscharaktere, d. h. der Gameten, aber weder in der 
besonderen Anordnung noch in der kontemporären Reifung oder 
Funktion der Keimzellen. 

Ja, auch hier ist noch eine Einschränkung oder, wenn man 
will, eine Erweiterung der Definition notwendig, insofern nämlich 


') Vergl. Kopsch und Szymonowicz (36) in Teil IV. 


De 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 122 


„Mischung der Gameten“ beim H. A. verus nicht notwendig die 
Mischung der fertigen, befruchtungspotenten Keimzellen be- 
deutet, sondern die heterosexuale Mischung auch durch geschlechts- 


zellspezifische Vorstufen der fertigen Sexualzellen — durch 
Gametogonien oder Gametozyten — gegeben sein kann. 


Verschiedenheiten dieser Art sowohl wie auch der vorhergenannten 
Kombinationen zeigen sich gerade in den Fällen des wahren H.A. 
der Vertebraten.') 

Bei den Mvxinoiden (Schleimaalen), die zu den Cyklostomen 
zählen, funktioniert bei jungen Fischen der hintere Abschnitt der 
hier unpaaren Gonade als Hoden, während der vordere Teil der 
Keimdrüse sich als Ovarıum erweist. als solches aber erst später 
in Funktion tritt. Mit dem Erreichen des Reifezustandes des 
Ovarialanteils hört der Hodenabschnitt der Genitaldrüse zu 
funktionieren auf. Hier besteht also H.A. verus in Form der 
Proterandrie. Der vordere Abschnitt der Keimdrüsen der Gonade 
ist eine weibliche Keimdrüse, auch indem Stadium, in dem 
noch keine reifen Eizellen gebildet werden und lediglich Ovogonien 
vorhanden sind, ebenso wie der Eierstock eines jungen menschlichen 
Embryo dureh die hier ausschliesslich vorhandenen Ovogonien als 
weibliche Keimdrüse unzweifelhaft charakterisiert ist. 

Anders bei dem physiologischen H. A. der Teleostier-(Knochen- 
fisch-)gattungen Serranus und Chrysophrys, die zu den Perciden 
(Barschen) bezw. Sargiden (Brassen) gehören. Hier ist in die Wand des 
Ovariums ein wohlbegrenzter Hoden eingelagert, und es ist ein Vas 
deferens vorhanden (Wiedersheim [73], S. 601), das den ganzen 
Ovarialkanal umschliesst. Für Serranus (S. seriba Ü., Schriftbarsch 
oder Sägebarsch) behauptet ein so zuverlässiger Autor wie Cori(9) 
noch ganz jüngst wieder die Selbstbefruchtung: bei Chrysophrvs 
(Chr. aurata L., Goldbrasse) findet gegenseitige Befruchtung statt.) 

!) Tourneux (68), vor ihm (1880) schon Mac Leod (zitiert bei 
Tourneux), hatten neben dem funktionierenden Ovarium des weiblichen 
Maulwurfs ein physiologisch funktionierendes Testikelrudiment mit Zwischen- 
zellen festgestellt, also bei einem Säuger (Insektivoren) eine physiologische 
Zwitterdrüse, deren weiblicher Anteil in Funktion war. Nach Tandler und 
Grosz (8. 96 und 139) handelt es sich dabei lediglich um die im Maulwurfs- 
ovarium mächtig entwickelte Glandula interstitialis, wie sie in ähnlicher 
Massivität im Ovarium des Pferdes oder Esels zu finden ist. 

>) Vergl. ferner bei Haempel (27) weitere Teleostierspezies mit 
physiologischem wahren H.A.: Box salpa L, Goldstriemen: Sargus annu- 
laris L., Geissbrasse: Pagellus erythrinus Ü., Rotbrasse; Pagellus mormyrus C., 


124 Ludwie Päück: 


Ein wahrer H.A. existiert unter den anuren Amphibien !) 
so stark gehäuft, dass er bei den Raniden fast physiologisch 
erscheint (Tandler und Grosz [66], S. 79/50). Hier existieren 
beim Frosch ausser männlichen und weiblichen Tieren noch so- 
genannte intermediäre Formen oder Pflügersche Hermaphroditen 
mit Zwitterdrüsen (Hoden und Ovarium vereinigt). die der Mehr- 
zahl nach später zu männlichen, in geringer Zahl auch zu weib- 
lichen Tieren werden. Für die Bufonen wiederum ist als ein 
physiologischer Befund das Biddersche Organ’) bekannt, 
das entweder am oberen Ende eines normal funktionierenden 
Hodens Eier in verschiedenen Entwicklungsstadien führt oder 
das umgekehrt (W. Waldever [70], S. 415 o.) neben einem 
funktionierenden Ovarium zuweilen auch Spermien ausbildet. Im 
sanzen also bei Uyklostomen, Fischen und gewissen Amphibien 
ein wahrer Hermaphroditismus von gewiss wechselnder Morpho- 
logie und Funktion !?) 

Bei den Vögeln und den Säugetieren ist der wahre H.A. 
lediglich als unbestreitbar pathologischer oder teratologischer 
beobachtet und zwar als eine sicherlich sehr seltene Missbildung, 
obschon er, wie unsere eigenen Befunde zeigen, wenigstens für 
eine bestimmte Säugetierspezies in einem immerhin übersehbaren 
Verhältnis zu finden ist. 

Für den wahren H. A. der Vögel hat z.B. Poll (52a) in 
einem auch aus anderem Grunde (vergl. unten) bemerkenswerten 
Fall — Ovarium links, Hoden rechts bei Pvrrhula pyrrhula — die 
gleichzeitige Existenz der männlichen und weiblichen Geschlechts- 
zellen erwiesen. Dagegen ist dieser Nachweis bisher noch für 
keinen Fall eines wahren H.A. der Säugetiere und des Menschen 


Marmorbrasse. Andere Fischspezies zeigen inkonstanten oder gelegentlichen 
wahren H.A.: Gadus morrhua L.. Dorsch; Scomber scomber L., Makrele: 
Clupea harengus L., Hering; Lota vulgaris C., Rutte; Trutta fario L., 
Forelle; Uyprinus carpio L., Karpfen u.a. 

1) Betreffs der Urodelen vergl. H. A. verus bei Triton (La Valette 
St. George, zitiert bei Kermauner [33a], S. 335). 

?) Dass (Kermauner |33b]|, S. 455 o.) der Ovotestis der Kröte „dem 
indifferenten Zustand der Keimdrüse entspricht“, ist ebenso unrichtig, wie 
dass (33a, 8. 335) er hier eine „entschieden pathologische Form“ darstellt. 

>, H. A. effectivus successivus bei den Myxinoiden, effectivus autogamus 
bei Serranus, reciprocus bei Chrysophrys, potentialis foecundus bei den 
Raniden und Bufonen nach dem Stephanschen Schema. 2 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 125 


erbracht), und darum wird es verständlich, wenn eine Reihe 
von Autoren sich gegen die Anerkennung dieser Form mehr 
oder weniger energisch sträubt. 

Das Material des H.A. verus bei Mensch und Säugetier ist 
zuletzt 1909 durch Ernst Sauerbeck (58) einer sehr kritischen 
und eingehenden Sichtung unterzogen worden. 

Sauerbeck, dem das besondere Verdienst zukommt, zuerst 
systematisch auch den H.A. und insbesondere den wahren H.A. 
der Säugetiere in einer für das Problem höchst förderlichen Art 
verwertet und die Vorteile der vergleichenden Methode diesen 
Fragen nutzbar gemacht zu haben, lässt schliesslich als sichere 
Fälle, die allen Anforderungen genügen, für das Säugetier sieben 
Beobachtungen einschliesslich einer eigenen gelten), sämtlich 
beim Schwein, und für den Menschen zwei, die Beobachtungen 
von Ernst Salen (57) und Simon (60). Dazu als „sehr wahr- 
scheinliche“ für die Säuger drei?) (zwei Fälle beim Reh und 
einen bei der Ziege) und für den Menschen fünf.*) In den 
ersteren Ist die mikroskopische Untersuchung eine unzulängliche, 
in den letzteren ist trotz mikroskopischer Untersuchung die Qualität 
der (reschlechtsdrüsen (einer oder beider) wegen atvpischer. immer 
wohl stark hypoplastischer Ausbildung nicht unbedingt sicher 
(ee5..667). 

Für den Menschen ist inzwischen noch ein sicherer, auch 
mikroskopisch genau untersuchter Fall von Uffreduzzi(69a,b, ce) 
und schliesslich ein Fall von Gudernatsch (23) beigebracht 
worden, der freilich im Sinne von Sauerbeck eher zu den „sehr 
wahrscheinlichen“ zählt. 

Wenn ich von dieser letzteren Kategorie hier ganz absehe 
und mich, zunächst unter Ausschluss des später genau zu be- 
schreibenden Falles von Ernst Salen, lediglich an diesicheren 
Fälle halte, so sind hier in der Tat in keinem Falle in Hoden 
und Eierstock beiderlei (reschlechtszellen erwiesen. 


!) Betreffs des Falles Pütz (53) siehe unten. 

*) Beobachtungen von Garth (20), Fall 1 und 2, Kopsch und 
SZymonowicz (66), Becker (3), Pütz (53), Reuter (55). 

») Boas, Fall 1 und 2; Mayer: siehe Tabelle III, S. 672, Fall VIII 
bis X bei Sauerbeck (58). 

2,Blacker-Lawrence, Gast, Obolonski, Schmorl, 
Zimmermann; siehe Tabelle III, S. 674, Fall IT—VI, 1.c. Gelegentlich 
(1. e. S. 697, 698, 703 und 704) werden freilich auch die sehr wahrscheinlichen 
Fälle zu den sicheren gezählt. 


126 Ludwig Pick: 


Während der Eierstock in allen diesen Beobachtungen }) 
Eizellen enthält, entweder Primordialfollikel oder auch weitere 
Entwicklungsstadien der Primordialfollikel bis zu Corpora lutea, 
sind (vergl. bei Sauerbeck, l.c., Tabelle VI) in den Kanälchen 
des Hodens niemals Archispermiozyten oder Spermatogonien, ge- 
schweige denn höhere Stadien der Spermiogenese zu finden. 

Dabei sind (vergl. unten) unter diesen zehn Fällen Hoden 
und Eierstock neunmal doppel- oder einseitig zu einer Zwitter- 
drüse (Ovotestis) vereinigt; im Falle Reuter’s (55) fand sich 
der Hoden rechts, das Ovarıum links. 

Der Hoden in allen diesen Fällen entspricht in seinen histo- 
logischen Qualitäten ganz dem gewöhnlichen Zustande des Hodens 
beim H. A. spurius masculinus, und weiter gleichen diese Hoden 
der wahren und falschen Hermaphroditen histologisch wieder voll- 
kommen den Hoden des Kryptorchen, deren feineren Aufbau die 
Untersuchungen von Langhans (41), Finotti (18), Felicet 
et Branca (15), Spangaro (61) u.a. kennen gelehrt haben. 
Dass diese Übereinstimmung, die sich auf alle histologischen 
Details erstreckt, tatsächlich besteht, ist nach dem vorliegenden 
Material für den Menschen wie für das Säugetier?) ganz ausser 
Zweifel. Es bedarf dazu, wie ich gegenüber Kermauner (33b) aus- 
drücklich bemerke, keiner neuen vergleichenden Untersuchungen. 

Jedenfalls ist so die Bedeutung der Frage, ob die männliche 
Keimdrüse auch beim Fehlen der germinalen Charaktere allein 
dureh ihre somatischen Bestandteile als männliche charakterisiert 
ist, eine das (Gebiet des H. A. überschreitende. weit allgemeinere, 
entsprechend dem relativ häufigen Vorkommen des Kryptorchismus 
bei Mensch und Säugern. 

Was zunächst die Forderung der (Geschlechtsreife bezw. 
Funktion der Keimdrüsen für die Anerkennung des Sexus und 
im besonderen für die Anerkennung des doppelten (Geschlechts 
der Keimdrüsen beim H.A. verus anlangt. so halte ich diese im 
Prinzip für verfehlt. Das betont auch Sauerbeck (l. e., S. 340 

') Betreffs der genauen morphologischen Einzelheiten vergl. Teil IV. 

2) Vergl. beiSauerbeck (58), S. 865, Abs. 3, betr. des H. A. verus und 
spurius beim Schwein; ferner S. 694, allgemein betr. der histologischen Uber- 
einstimmung der Hoden bei H. A. verus, spurius und Kryptorchismus: ich 
kann diese histologische Identität nach eigenem Material bestätigen; für die 


Übereinstimmung bei Kryptorchen und Scheinzwittern vergl. neuerdings H of- 
staetter (28), ferner Verfasser (5la). 


—ı 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 12 


und 690) in aller Schärfe. Ebenso entfällt mit der Ablehnung 
dieser Forderung der weitere Schluss (Finkenbrink [17], 
v. Rosthorn |56], Menge |46]), dass für den Menschen und 
die Säugetiere, da getrennte und funktionierende Keimdrüsen 
beiderlei Geschlechts nicht erwiesen seien, überhaupt nur von 
Pseudohermaphroditismus gesprochen werden müsse.) 

Wenn Menge bei der Diskussion des H. A. verus alle 
Individuen, deren Keimdrüsen nicht funktionieren, wenn sie 
sich auch morphologisch sonst irgendwie bezeichnen lassen. als 
„geschlechtslos“ charakterisiert, so wäre dies. wie esSauerbeck 
in ähnlichem Zusammenhang (l. e., S. 690) sehr richtig ausdrückt, 
„logisch gleiehwertig mit der Forderung, keinen Menschen vor 
Nachweis der Vater- oder Mutterschaft zu dem einen oder anderen 
(seschlecht zu zählen“. Und es würde aus gleichem Grund das 
kryptorchische, nicht hermaphroditische oder pseudohermaphro- 
ditische, Individuum, dessen sonstige sekundäre, aceidentale 
(seschlechtscharaktere im Sinne des Männlichen stets in aller 
Vollkommenheit vorhanden sind, zu einem Neutrum, ein Schluss, 
der kaum ernstlich diskutiert zu werden braucht. 

Auch Kermauner (33b) hält die Forderung der Funktion 
als Kriterium der bestimmten Sexualität der Keimdrüsen für zu 
weitgehend, aber er verlangt doch immerhin für die Diagnose des 
echten H.A. den Nachweis von Keimzellen beiderlei Geschlechts, 
und es läuft schliesslich auch auf das Nämliche hinaus, wenn 
Sauerbeck das einschichtige Epithel in den Samenkanälchen 
des Hodens in seinem Fall von H. A. verus beim Schwein im 
Sinne der französischen Autoren (Prenant. FelicetetBranca) 
analog den häufigen Befunden im ektopischen Hoden als „sekundär 
einheitlich“ auffasst, und ihn danach, „wenn auch nur implieite“, 
alle wesentlichen Elemente der Keimdrüse, also auch die Samen- 
zellen enthalten lässt, deren Produktion für eine spätere Lebens- 
zeit des Tieres nicht auszuschliessen wäre. 

Abgesehen davon, dass nach den neuen Ergebnissen der 
Entwicklungsgeschichte diese besonders von den französischen 
Forschern vertretene „unieistische* Auffassung der Spermiogenese 
endgültig erledigt ist. hält aber Sauerbeck an anderer Stelle 


= 


') So auch Kitt (35), S. 110, der aber bei Anwesenheit der Genital- 
drüsen zweierlei Geschlechts „im rein anatomischen Sinne“ die Bezeichnung 
als Hermaphroditismus verus anerkennt. 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. g 


128 Ludwig Pick: 


mit Entschiedenheit den Standpunkt inne, dass man bei H.A. 
nicht minder als bei normalen Individuen oder überhaupt nicht 
hermaphroditischen Individuen auf eine männliche oder weibliche 
Drüse zu erkennen hat, sobald ein histologisches Bild vorliegt, 
das nur in der Entwicklung des einen Geschlechts existiert. Mit 
anderen Worten: auch ohne die spezifischen Keimzellen wird das 
(Geschlecht durch den organspezifischen Bau der Gonade sicher 
bestimmt, also, worauf es für die Frage des wahren und falschen 
H. A. hauptsächlich ankommt, auch ohne männliche Keimzellen 
durch eine sonst charakteristische Keimdrüse das männliche 
Geschlecht des Individuums oder bei gleichzeitig vorhandenem 
Ovarium der H.A. verus. 

Für diese eigentlich selbstverständliche Anschauung, die ich 
in allen ihren Folgerungen vertrete, lässt sich. insbesondere auch 
gegenüber den neuerlichen Ausführungen Kermauners, mehr 
als ein Argument anführen. 

Sicherlich treten die somatischen Zellkomplexe, die innerhalb 
der Gonaden in den besonderen Dienst der Reifung und Generation 
der Geschlechtszellen gestellt sind, schon dadurch in einen Gegensatz 
zu allen anderen somatischen akzidentalen (reschlechtscharakteren. 
Diesem Umstand trägt der allgemeine Sprachgebrauch insofern 
Rechnung, als vielfach, so auch an anderer Stelle (52a) bei Poll, 
nicht die Gameten,. sondern die Gonaden als primäre (essentiale) 
Geschlechtsmerkmale in Gegensatz zu allen übrigen als sekundären 
gebracht werden, und diese Auffassung ist so verbreitet, dass 
Tandler und Grosz, ohne die Bedeutung der Keimzellen als 
Träger der eigentlich primären Merkmale zu verkennen, sie für 
ihre den biologischen Grundlagen der sekundären Geschlechts- 
charaktere gewidmeten Untersuchungen ausdrücklich akzeptieren 
(vergl. 1. c., S. 12 oben und S. 3, 130 und 135). 

Die gegensätzliche Stellung des somatischen Keimdrüsen- 
anteils gegenüber allen anderen akzidentalen Geschlechtsmerkmalen 
tindet sich aber noch in einer anderen äusserst wichtigen Be- 
ziehung, und es sind gerade die eben genannten Untersuchungen 
von Tandler und Grosz, die sich mit diesen Verhältnissen 
sehr wesentlich beschäftigen. 

Die Keimdrüse besteht neben dem generativen Anteil, der die 
Produktion bezw. Reifung der Gameten besorgt, aus einem inner- 
sekretorischen Anteil, der interstitiellen Drüse, die im Hoden 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 129 


durch die Leydigschen Zwischenzellen, im Ovarium durch den 
gelben Körper und die den Leydigschen Zellen korrespondierenden, 
bei den verschiedenen Tierspezies nicht gleichmässig entwickelten 
/wischenzellen repräsentiert ist. Alle sekundären Geschlechts- 
charaktere!) entstehen (vergl. Tandler und Grosz: auch 
Steinach) phylogenetisch wie ontogenetisch unter dem schon 
intrauterin tätigen Einfluss der von der interstitiellen Drüse ge- 
lieferten geschlechtsspezifischen Keimdrüsen- oder Sexualhormone, 
vielfach nieht ohne gleichzeitige Hormonwirkung seitens anderer 
„komplementärer“ innersekretorischer Drüsen (Schilddrüse, Thymus, 
Hypophyse, Glandula pinealis, Nebenniere). Sie sind, um es so 
auszudrücken, physiologische Produkte der Harmonie der Hormone.) 

Wie für den generativen somatischen Keimdrüsenteil durch 
seine engen Beziehungen zur Produktion und Reifung der Keimzellen, 
so besteht auch für den innersekretorischen Gonadenteil eine unbe- 
streitbare Sonderstellung gegenüber allen anderen sekundären 
somatischen Charakteren. Er ist im Verhältnis zu diesen von 
überragender sexual-spezifischer Bedeutung, und da wenigstens 
im allgemeinen gerade in den Hoden der Krvptorchen sowie der 
Pseudohermaphroditen und wahren Hermaphroditen im Gegensatz 
zu der Mangelhaftigkeit der generativen Bestandteile der inner- 
sekretorische Abschnitt, d. h. der Zwischenzellenbestand mit dem 
des normalen Hodens in der allgemeinen und speziellen Struktur 
übereinstimmt, so besteht hier ein für die Entscheidung der 
(seschlechtszugehörigkeit (Männlichkeit) durchaus wesentliches 
Merkmal. Sind es nach Tandler und Grosz (l.c., S. 133 
die Gonaden, die „als primäre (essentiale) Merkmale die Ge- 
schlechtszugehörigkeit eines Individuums eindeutig bestimmen“, 


') Nach Poll zum mindesten eine Anzahl der akzidentalen Charaktere, 
nämlich die „versiblen*“. 

Nach Tandler und Grosz ist in der Ontogenese die Abhängigkeit 
von den Keimdrüsenhormonen für die phylogenetisch jüngsten Sexualcharaktere 
am ausgeprägtesten. 

?) Die von Plato und späteren Autoren vertretene Auffassung der 
Zwischenzellen als Hilfsorgane der Spermiogenese wird von Tandler und 
Grosz mit Rücksicht auf gewisse neue Befunde Goldmanns (Einwanderung 
von Zwischenzellen in Samenkanälchen) als Nebenfunktion der Zwischenzellen 
nicht unbedingt abgelehnt; wohl aber die Theorie Kyrles, nach der die 
Leydigschen Zellen der Regeneration des Hodenparenchyms dienen sollen 
(vergl. 66, S. 86, 90, 115, 116, 120, 121 und 122). 

9* 


130 Iuldiwele@Pälchk: 


so ist damit neben die geschlechtsbestimmende Valenz der 
(sameten die geschlechtsspezifische Bedeutung der Zwischen- 
zellen — wenn auch nur in biologischem Sinne — gesetzt. Es 
würden nach alledem Hoden aus typisch geordneten Samen- 
kanälchen und Zwischenzellen auch ohne männliche Geschlechts- 
zellen meines Erachtens als Hoden nicht zu bezweifeln sein. 

Nun ist aber weiter der völlige Mangel von Geschlechts- 
zellen in den Hoden der Kryptorchen und der Pseudoherma- 
phroditen keineswegs eine undurchbrochene Regel. Einmal gibt 
es hier, wenn auch selten, Fälle einer regelrechten Spermiogenese. 
Sie ist von Garth!) z. B. in den retinierten Hoden eines Schweine- 
kryptorchen gesehen (vergl. Sauerbeck [55]. S. 695 o.). und von 
Merkel(47) in dem Falle eines männlichen 52 jährigen Pseudo- 
hermaphroditen, wo bei der gleichzeitigen Anwesenheit von Scheide, 
Uterus und Tuben die Hoden an der Stelle der Eierstöcke. also 
innerhalb der Bauchhöhle, gelegen waren.?) 

Und weiter ist insbesondere für den Hoden der menschlichen 
Iirvptorchen, bei denen die Möglichkeit einer Untersuchung in 
Altersserien gegeben ist, häufig genug entweder vollständige 
Spermiogenese (von Uffreduzzi |69d]| neuerdings in 10°/o der 
Kanälchen im retinierten Hoden: vergl. auch einen Fall bei Basso 
[1]) oder mangelhafte Spermiogenese oder doch wenigstens, wie in 
der jüngst von Tandler und Grosz untersuchten Serie, in den 
Hoden kindlicher Kryptorchen ein Bestand an pathologisch ver- 
änderten Urgeschlechtszellen oder >Spermatogonien festgestellt 
worden.?) Also unvollkommene Spermatogenese oder zerfallende, 
zugrunde gehende Ureier, aber doch immerhin männliche Ge- 
schlechtszellen. 

Erwägt man, dass z. B. in den Tandler und Groszschen 
Präparaten zur Zeit der Pubertät in den kryptorchischen Hoden 
diese Elemente spurlos verschwunden waren, so liegt darin ein 

') Garth (l. e.) betont mit Recht die Notwendigkeit. in jedem einzelnen 
dieser Fälle auch bei den wahren Hermaphroditen möglichst umfassende Unter- 
suchungen der ganzen Hodensubstanz vorzunehmen: vergl. auch Simon (60), 
S. 24, unter Bezugnahme auf die Feststellungen Finottis. 

”, Vergl. auch Sauerbeck (S. 353 o.), der für die Ektopie der Hoden, 
auch die der echten Zwitter, alle Übergänge vom Zustand der „sekundären 
unification cellulaire“ bis zum normalen, geschlechtsreifen Hoden teststellt. 


») Auch ich selbst habe bei gelegentlichen Untersuchungen in Leisten- 
hoden Jugendlicher zweitellose Elemente der Geschlechtszellreihe gefunden. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 121 


höchst bedeutsamer Hinweis darauf, dass auch in den „geschlechts- 
zellosen“, sonst geschlechtsspezifisch gebauten Hoden der H. A. 
und Ps. H. A. in früherer Zeit Geschlechtszellen vorhanden waren. 
Es ist möglich, dass sich die geschlechtsspezifischen männlichen 
Strukturen der Hodenkanälchen überhaupt nur bilden, wenn 
wenigstens für eine kurze Phase der Ontogenese männliche Keim- 
zellen gegenwärtig sind. Jedenfalls ist der Gedanke eines passagären 
Bestehens von Keimzellen (oder beim Ps. H. A. andersgeschlecht- 
lichen Keimdrüsengewebes). eines Unterschiedes dessen, was ge- 
funden wird, von dem, was tatsächlich dagewesen ist, gelegentlich 
der Erörterung dieser Fragen wiederholt zu finden. So bei Sauer- 
beck (58, S. 350, 352, 831, S72 und 873), bei Kermauner (33b, 
S. 457: auch 33e, S. 494) und neuerdings bei Gudernatsch 
23,37269). 

Aber selbst wenn wir alles Hypothetische ausschalten, machen 
sicherlich die tatsächlichen Befunde zugrundegehender Ge- 
schlechtszellen in jugendlichen krvptorchischen Hoden für diese 
ganze Gruppe histologisch sonst vollkommen übereinstimmender 
Keimdrüsen der Kryptorchen und der männlichen Pseudoherma- 
nhroditen die nämlichen Vorgänge nicht unwahrscheinlich, und 
die Abtrennung „mancher“, d.h. geschlechtszelloser Formen des 
Kryptorchismus (Kermauner. 33b, S. 459) zu einer durchaus 
künstlichen. Alle Individuen dieser Art sind danach auch von 
diesem Gesichtspunkt aus durch Hoden ohne Keimzellen in ihrer 
Männlichkeit genügend charakterisiert, und der „Kryptorch“ 
trägt seinen Namen mit ebenso gutem Recht, als im System des 
Pseudohermaphroditismus vom weiblichen Scheinzwitter der männ- 
liche geschieden wird, auch wenn sein Hoden keine männlichen 
Geschlechtszellen anffinden lässt. Und mit nicht minderer Be- 
rechtigung endlich ist der im kleinsten entsprechend gebaute 
Anteil des Ovotestis wirklicher Hoden. 

Eine besonders radikale Stellung nimmt gegenüber der 
Auffassung dieser keimzellosen Hoden als wirkliche Hoden neuer- 
dings Kermauner (33b)!) ein. Das Einzige, was in dem histo- 

y 5) Kermauner, der an anderer Stelle (33a) die Zwitterdrüsen 
(Ovotestis) der Säugetiere und des Menschen in der Zusammenstellung Sauer- 
becks anerkennt, sie dort „vorläufig noch auf eine bisexuale Anlage der 
Keimdrüsen zurückführt“ und „die Möglichkeit der Existenz hermaphrodi- 


tischer Eier für diese Fälle zugibt*, hat diese Anschauung, wie er übrigens 
selbst andeutet ($. 446), neuerdings seiner radikaleren Überzeugung geopfert. 


132 b:u.d wii Barck: 


logischen Bilde des Hodens der bisher bekannten Zwitterdrüsen !) 
bei Mensch und Säugern an den Hoden erinnert, sind die Kanälchen, 
und „Kanälchen allein beweisen noch keinen Hoden“. Der näm- 
liche Zweifel bezüglich der „Hoden“-Natur gilt für die analog ge- 
bauten, als männliche angesprochenen Keimdrüsen der männlichen 
Pseudohermaphroditen und „mancher“ Kryptorchen. Kermauner 
stützt sich hierbei auf folgende embrvologische Erwägung: 

Ein Rete (= Markschläuche) wird in völlig homologer 
Form im Hoden sowohl wie im Ovarium angelegt. Da „ein Teil 
zum mindesten des ganzen Kanalsystems der Tubuli contorti vom 
Rete abstammt“ und als „das natürlichste wohl anzunehmen ist, 
dass nur Teile, welche deutliche Spermatogenese aufweisen, auf 
die Keimstränge zurückgeführt werden dürfen“, die „anderen 
aber auf das — vielleicht übermässig gewucherte — hRete“, so 
sind alle diese hodenähnlichen Gebilde der Ovotestes, nicht 
minder logischerweise die histologisch analogen der Pseudoherm- 
aphroditen und gewisser Kryptorchen, lediglich adenomatöse Fehl- 
bildungen seitens des ovariellen Rete (Adenoma retis |35b] 
S. 459); sie sind Hodenimitationen, Scheinhoden (Pseudotestes), 
die eine Scheinmännlichkeit der Keimdrüsen. eine Pseudoandrie, 
vortäuschen. 

Diesen Beweis halte ich in allen Punkten für misslungen. 
Unhaltbar ist die Behauptung Kermauners, dass die Hoden 
der Hermaphroditen (und Kryptorchen) allein durch die Kanälchen 
an den Hoden erinnern. Die im histologischen Bilde oft so stark 
vortretenden Zwischenzellen werden dabei vollkommen übersehen. 
Unhaltbar ist der angenommene Unterschied der Embryogenese 
der Geschlechtszellen führenden Tubuli eontorti von der Ent- 
stehung der häufig ganz analog gebauten geschlechtszellosen 
Kanälchen. Völlig unhaltbar ist auch die Annahme der (Genese 
der Tubuli eontorti aus dem Rete. Über ihre Abstammung aus 
den Keimsträngen bezw. dem Keimepithel besteht nach den neuen 
Untersuchungen (vergl. W. Felix, 14) keinerlei Zweifel. Selbst die 
Tubuli reeti entstammen nicht dem Reteblastem. sondern den 
inneren Enden der Hodenstränge (vergl. ferner das Keibelsche 
Schema, 32, S. 23, Fig. 8). 


') Auch der Fall Reuters würde dabei inbegriffen sein, da der Bau 
des Hodens sich von dem des männlichen Teils der Zwitterdrüsen nicht 
unterscheidet. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc, 133 


In dem nämlichen Sinne ist auch v. Rosthorns (56) Auf- 
fassung der Zwitterdrüsen (Ovotestis) als glandulärer Pseudo- 
hermaphroditismus strikt abzulehnen. Die „Zwitterdrüsen* der 
Säuger und des Menschen enthalten neben dem Eierstocksteil 
wirklichen Hoden, sie sind Beweisstücke eines wahren sexualen 
Dimorphismus der Keimdrüsen und damit des wahren Herma- 
phroditismus. 

Ganz gewiss ist der H. A. verus dieser Form nicht nur von der 
oft postulierten bisexuell-funktionellen, sondern auch von derjenigen, 
zuerst charakterisierten Form verschieden, für die in den zum 
Ovotestis vereinigten Gonaden zugleich eine Mischung der (rameten 
überhaupt (resp. der Gametogonien oder (sametozyten) besteht. 

Ebenso wie nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen 
bei der Kombination eines Ovariums mit einem geschlechtszell- 
losen Hoden die Ovula zur vollen Reife (eventuell Funktion ?) !) 
gelangen können, wäre auch bei der Kombination geschlechts- 
zellenführender Keimdrüsen die volle Ausreifung entweder im 
Ovarıum oder im Hoden möglich. 

Es würden sich danach für den wahren pathologischen oder 
teratologischen H. A. der Säuger und des Menschen (unbeschadet 
der Anordnung und Verteilung der Keimdrüsen im einzelnen) 
a priori folgende Möglichkeiten ergeben. 

1. Hoden und Eierstock mit beiderlei Gameten in voller 
Geschlechtsreife ?) (Funktion). 
II. Hoden und Eierstock mit beiderlei Gameten 
1. mit Geschlechtsreife (Funktion) der Gameten einer 
Keimdrüse 
a) des Ovariums; 
b) des Hodens; 
2. Reifung der Gameten in keiner der beiden Drüsen. 

III. Hoden ohne Keimzellen, Eierstock mit Keimzellen 

1. reifend (funktionierend):; 
2. nicht reifend. 

!) Die Funktion eines Abschnittes der Zwitterdrüse (des Ovariums) 
ist in den Fällen von H. A. verus an sich prinzipiell nicht in Abrede zu 
stellen; so führte in dem Falle von Boas von H. A. lateralis beim Reh das 
Tier ein Junges bei sich. 

?) Hierher würde, falls die durch die sehr spärlichen Spermien des 
Samens bewiesene Spermatogenese in den Hodenkanälchen mikroskopisch 
hätte demonstriert werden können, der Fall Pütz zählen. 


154 budwüerBick: 


(Betretfs „Ovarium ohne Keimzellen“, Hoden mit Keimzellen 
vergl. unten Anmerkung.) 

Ich möchte entsprechend der speziellen Differenzierung des 
generativen Keimdrüsenanteils in germinale und vegetative Ge- 
schlechtszellen (Benda) die Gruppen I und llals wahren rein 
serminalen (oder essentialen) Hermaphroditismus, die Gruppe Ill 
als wahren vegetativ-germinalen') Hermaphroditismus 
bezeichnen. Gruppe I würde in reinster Form dem funktionellen 
wahren H. A. von Tandler und Grosz. Gruppe II. 2 und III, 
dem morphologischen wahren H. A. dieser Autoren enter 
Gruppe II, 1 und III, 1 mit einseitiger Reifung der Keimzellen 
im Eierstock bezw. im Hoden und bloss morphologisch charak- 
terisiertem Hoden bezw. Ovarium würden eine Intermediärstellung 
zwischen dem funktionellen und dem morphologischen innehalten. 
Jedenfalls bezeichnen bemerkenswerterweise auch Tandler und 
und Grosz die Differenzen zwischen der funktionellen und morpho- 
logischen Gruppe lediglich als graduelle.”) 

Sowohl für den germinalen wie für den vegetativ-germinalen 
H. A. wären die beiderlei (ronaden als getrennte Drüsen oder 
vereinigte Ovotestis möglich, nach dem bekannten Schema von 
Klebs als bilateraler H. A. oder als unilateraler H. A. bei 
vorhandener. sei es männlicher oder weiblicher oder fehlender 
Keimdrüse der anderen Seite oder aber als H. A. lateralis bei 
männlicher der einen, weiblicher Keimdrüse der anderen Seite. 
Sauerbeck hat alle diese Möglichkeiten der Anordnung und 


', Würde man (vergl. Fall Gudernatsch |23], auch Kitt [35], S. 113 u.) 
ein Ovarium ohne völlig sichere Keimzellen nur nach seinem charakteristischen 


Bau Mark und Rinde mit Keimepithel und typischem Rindenstroma 
oder mit Follikeln ohne Eizellen (Sauerbeck [58], S. 691) — in gleichem 


Sinne wie einen lediglich aus gewundenen Kanälchen ohne Samenzellen be- 
stehenden Hoden akzeptieren, so würde einmal sub III auch die Kombination 
von Hoden mit männlichen Keimzellen und Ovarium ohne Keimzellen möglich 
sein und ferner (Fall Gudernatsch) als eine dritte Form der wahre rein 
vegetative Hermaphroditismus bestehen. 

Der FallGudernatsch, dessen Präparate dem VIII. Internationalen 
Zoologenkongress in Graz vorlagen, wird in der Tat durch A. Kohn-Prag, 
Tandler und Grosz und, nach der Angabe von Gudernatsch, auch 
von den Kongress-Mitgliedern als H. A. verus mit Ovotestis begutachtet. 

>, Diese Formen des H. A. verus der Säuger und des Menschen würden 
inStephans allgemeinem Schema des H. A. unter die Kategorien des H. A. 
potentialis foecundus und sterilis bezw. rudimentarius glandularis entfallen. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 155 


Verteilung der Gonaden in sein erweitertes Klebssches Schema 
einbezogen (vergl. 1. c. S. 666, 670 und 691 nebst Tab. II) und 
in seiner tabellarischen Analyse der einschlägigen Fälle von 
Mensch und Tier zur Anwendung gebracht.!) 
Wir erhalten danach im Sinne von Klebs-Sauerbeck 
den H. A. verus als: 
I. bilateralis 
a) mit getrennten, 
b) mit vereinigten Keimdrüsen. 
II. unilateralis (dexter oder sinister) 
a) mit getrennten, 
b) mit vereinigten Keimdrüsen, dabei 
«) mit vorhandener Keimdrüse der anderen Seite 
(completus) als 
«@) Hoden (masculinus), 
»p) Eierstock (femininus): 
5) mit fehlender Keimdrüse der anderen Seite (in- 
completus). 
III. lateralis (alternans bei Kitt) 
a) männliche Keimdrüse rechts (masculinus dexter), 
b) männliche Keimdrüse links (maseulinus sinister). 
Jede einzelne Form dieses Zwittertums könnte in unserem 
Sinne als ein rein germinaler oder als ein vegetativ-germinaler, 
5) Eine kritische Besprechung der verschiedenen Schemata des H. A. 
und Ps. H. A. liegt nicht in meiner Absicht. Sauerbeck vergleicht und 
kritisiert die Modifikationsversuche, die Kaplan (1895), Benda (1895) und 
Siegenbeck van Heukelom (1895) an dem von Sauerbeck selbst 
beibehaltenen und erweiterten Klebsschen Schema des H. A. vornehmen. 
Halban hat es durch die Berücksichtigung der sekundären und psychischen 
Geschlechtsmerkmale erweitert; die „sekundären“ sind hier im Sinne Hunter - 
Darwins die extragenitalen Charaktere unter Ausschluss der besonders 
gestellten psychischen Eigenschaften; Kermauner hat die anatomische 
Reduktion im Sinne Bendas noch verstärkt. Tandler und Grosz 
schlagen vor, die von Poll angegebene Einteilung der Geschlechtsmerkmale 
auf die Einteilung des H. A. zu übertragen. 
Das bei diesen Reduktionen vortretende, auch von Sauerbeck (l. e. 
S. 663, 831-832, 875-876) bekämpfte Prinzip, bestimmte Formen des H. A., 
namentlich den H. A. externus als „zufällige“ Missbildungen von besonderer. 
sozusagen unspezifischer. eventuell grobmechanischer Atiologie (als „Pseudo- 
Pseudohermaphroditismus“, 58, S. 832) vom Gebiet des H. A. abzutrennen, 
ja, den Ps. H. A. vom wahren H. A. im gleichen Sinne ätiologisch abzulösen, 
halte ich für falsch (vergl. darüber unten). 


156 BudwierBück: 


eventuell auch als ein rein vegetativer H. A. vorkommen, beim 
H. A. verus unilateralis die eventuell vorhandene Keimdrüse der 
Gegenseite dabei übrigens gleichfalls entweder Keimzellen führen 
oder nicht und sie im ersteren Falle entweder ausreifen oder nicht 
ausreifen lassen, — eine nicht geringe Fülle von Möglichkeiten, 
die allerdings, wie alsbald zu zeigen ist, durch die Tatsachen 
eine sehr wesentliche Einschränkung erfährt. 

Und doch sind damit — wenigstens vom theoretischen Stand- 
punkt aus — die für den wahren H. A. offenen Möglichkeiten noch 
nicht einmal erschöpft. 

Ich habe oben auf die sexualspezifische Bedeutung des inner- 
sekretorischen Anteils der Keimdrüse. die spezifisch funktionierende 
(Steinach) interstitielle Drüse des Hodens und des Eierstocks 
verwiesen und auf den als solchen sichergestellten formativen 
Einfluss der Keimdrüsenhormone zum mindesten auf einen Teil der 
sekundären (reschlechtscharaktere. Wenn wirklich. wie Steinach 
und mit ihm Tandler und Grosz annehmen, im differenzierten 
Hoden weibliche und im differenzierten Ovarıum männliche 
/wischenzellen („Pubertätszellen* nach Steinach) eingesprengt 
sein könnten, so würde dem bisher allein bekannten und er- 
örterten Keimdrüsen-Hermaphroditismus der generativen Anteile 
ein solcher der innersekretorischen Anteile an die Seite gestellt 
werden müssen. Er würde, den im übrigen geschlechtsspezifischen 
Bau von Hoden und Ovarium vorausgesetzt, vielleicht noch am 
ehesten als eine eigentümliche Form des wahren H. A. — als ein 
Hermaphroditismus verus glandulo-interstitialis — zu gruppieren 
sein. Und er würde sich von den Formen des rein generativen 
H. A. verus nicht nur dadurch unterscheiden, dass hier die herm- 
aphroditische Mischung in einer an sich einfachen, äusserlich nicht 
veränderten und anscheinend typischen Keimdrüse vollzogen ist, 
sondern vor allem dadurch, dass mit der Sicherstellung dieser 
Form sich das physiologisch-kausale Moment in das bisher ge- 
zwungenermassen rein deskriptiv gehaltene Schema des H. A., 
einführt. Zugleich würde nach den obengenannten Korrelationen 
der interstitiellen Drüse des Hodens und Eierstocks zu den 
„komplementären“ inneren Drüsen des Organismus die kausale 
Störung über das Gebiet des glandulo - interstitiellen Herm- 
aphroditismus der Keimdrüse mehr oder minder weit in das übrige 
polvglanduläre System hinausgreifen. Es ist möglich, dass das. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 157 
was wir heute in rein morphologischer Fassung als Pseudoherm- 
aphroditismus bezeichnen, in dieser Form des glandulo-interstitiellen 
Hermaphroditismus mehr oder weniger aufginge, und es ist 
natürlich weiter auch möglich, dass dieser als eine weitere 
Komplikation zu den Mischungen der rein generativen Keim- 
drüsenanteile mehr oder weniger regelmässig hinzuträte. 

Allerdings steht, was nicht zu vergessen ist, diese Form 
des H. A. vor der Hand überhaupt nur auf dem Papier.') Das 
erkennen auch Tandler und Grosz ausdrücklich an. Unsere 
Kenntnisse über die morphologische Identifizierung der männ- 
lichen und weiblichen interstitiellen Drüse und ihre physiologische 
Wirkung im einzelnen sind bisher so mangelhafte, dass mit 
einer ernsthaften Prüfung der Hypothese zurzeit noch nieht der 
Anfang gemacht werden kann. So bleibt also als sichere Form 
des wahren H. A. zunächst allein der H. A. der generativen Anteile 
der Gonaden. 

Prüfen wir die Klebs-Sauerbecksche schematische Anuf- 
stellung, die gemäss unserer eigenen obigen Einteilung (germi- 
naler, vegetativ-germinaler und rein vegetativer wahrer H. A.) 
vervollständigt ist, an der Hand der tatsächlichen Befunde, so 
ergibt sich nach dem bisherigen Material?) zunächst der Aus- 


', Vergl. unseren Befund im äusserlich unveränderten Ovarium des 
Falles V. Er betrifft in den äusserlich nicht veränderten Eierstock ver- 
sprengte Zwischenzellen und Samenkanälchen, stellt also doch eigentlich nur 
eine Abart des Ovotestis dar. 

?) Vergl. die eingangs (den Fall Sal&n schliesse ich [vergl. S. 125] vor- 
läufig aus) gegebene Aufzählung der Fälle von H.A. verus bei Mensch und 
Säugern. Dabei möchte ich auf die von Kitt (35) neuerdings erwähnten 
Fälle von Hermaphroditismus biglandularis s. bisexualis (= verus) hinweisen. 
Kitt zitiert: H.A. alternans biglandularis (.früher lateralis genannt“) beim 
Schwein (Gurlt, Pütz, Münchener Sammlung) und beim Kalb (Schlumpf. 
Souli&, Münchener Sammlung); H. A. unilateralis (biglandularis) beim Stier 
(Mascagni) und H.A. bilateralis (glandularis) beim Schaf (Seriba, Gurlt), 
bei der Ziege (Gurlt, Guinard), beim Eselsfüllen (Hunter) und bei einer 
hörnertragenden scheinbaren Rehgeiss (Kitt). Fig. 51 stellt das innere 
Genitale bei einem H. A. biglandularis alternans des Kalbes dar; Fig. 52 das 
Nämliche bei einem Schwein. 

Kitt erwähnt ausdrücklich, dass Johne, Bonnet, Sticker und 
er selbst auch histologische Feststellungen von bisexuellen Zwittern bei 
Haustieren vorgenommen haben. 

Weiter finden sich in der französischen Literatur Beobachtungen von 
glandulärem H. A. bei Säugern, z. B. berichten Bouin und Ancel (6a, b) 


138 Ludwig Pick: 


fall der Gruppen la und Ila. Alle bisher bekannten sicheren 
Fälle wahren Zwittertums mit doppelten Keimdrüsen zeigen diese 
nicht getrennt. sondern. wie schon oben bemerkt, zur doppel- 
oder einseitigen Zwitterdrüse vereinigt. 

Weiter ergibt sich der vollkommene Ausfall der rein ger- 
minalen Formen in unserem Sinne. In sämtlichen bisher bekannten 
Fällen der Zwitterdrüsen, ebenso in den beiden sicheren Fällen 
von H. A. verus lateralis (Reuter, Kingsburg) mit links- 
seitigem Ovarıum und rechtsseitigem Hoden, ist der H. A. verus 
em vegetativ-germinaler in dem Sinne, dass der Hoden keine Ge- 
schlechtszellen, das Ovarium dagegen zweifellose Eizellen enthält.') 

Es ist dies ein Punkt von prinzipieller Bedeutung, nicht 
nur in rein morphologischem Betracht. Denn es ist, wie schon 
vorher angedeutet. gar kein Zweifel: die immer von neuem auf- 
tauchende Opposition gegen den H. A. verus beim Säuger und 


wiederholt über solche. In der englischen bezw. amerikanischen Literatur 
gibt neuerdings Kinesburg (34) eine Mitteilung vom H. A. verus lateralis 
beim Schwein mit histologischer Untersuchung. Neunmonatliches Tier mit 
äusserem männlichen Genitale. Normaler Penis. Am Perinaeum ein vulva- 
ähnlicher Wulst (.ridge*). Vagina und Uterus vorhanden. Keine Vaginal- 
anwendung. Linkes Uterushorn mit Tube, Fimbrie und kleinbohnengrossem 
Eierstock; keine Spur von Hoden. Epididymis und Vas deferens auf dieser 
Seite. Rechts typischer Hoden, 2.5 em lang, mit typischem Nebenhoden und 
Vas deferens. Kein Ovarium. Rechte Tube blind am Nebenhodenkopf 
endigend. Vom Ovarium wird das mittlere Drittel oder etwas mehr auf 
Serienschnitten mikroskopisch untersucht. Normales Ovarialstroma. Follikel 
(1 Graafscher) zum Teil mit Ovula; kein Hodengewebe links. Im rechts- 
seitigen Hoden typische kryptorchische Struktur. Epithel einschichtig, vakuoli- 
siert; zahlreiche typische Zwischenzellen. 

Ein sicherer Fall von Ovotestis beim Schwein ist ferner im Göttinger 
Pathologischen Institut seinerzeit unter Orth (laut gefl. persönlicher Mit- 
teilung von Orth an mich) untersucht worden. 

Ich habe es absichtlich unterlassen, die Sauerbecksche Zusammen- 
stellung des wahren H. A. bei Säugern auf ihre Vollständiekeit zu prüfen 
oder sie insbesondere noch durch den einen oder anderen der genannten Fälle 
zu ergänzen. Ich sehe für die Frage darin keinen besonderen Nutzen mehr. 

', Pütz sah in seinem schon wiederholt zitierten Fall bei einem H. A. 
verus unilateralis dexter incompletus, d. h. bei rechtsseitiger Zwitterdrüse und 
links überhaupt fehlender Drüse. neben reifen Eifollikeln im Ovarium Sperma- 
tozoen im Sperma. Doch gelang der Nachweis irgendwelcher Zellen der samen- 
bildenden Reihe bei der mikroskopischen Untersuchung des Hodens nicht. 

Der Fall Gudernatsch entspricht unserer rein vegetativen Form 
(vergl. oben S. 134). 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 139 


beim Menschen begründet sich letzten Endes darin. dass die 
gleichzeitige Existenz von Hoden und Eierstock mit ihren „un- 
umgänglichen charakteristischen Bestandteilen, den Keimzellen 
beiderlei Geschlechts“, bisher von niemandem gezeigt worden ist. 
Daher die wiederholten Versuche — ich nenne hier Siegenbeck 
van Heukelom und W. Nagel (48b) — alle Fälle von 
„Hermaphroditismus verus beim Menschen“ in rücksichtsloser. 
zum Teil übrigens gewiss berechtigter Kritik zu beseitigen. Daher 
das Bestreben, die keimzellenlosen Hoden der Zwitterdrüsen zu 
Fehlbildungen eines Eierstocksrete zu degradieren. Daher die 
Bemühungen Kermauners, für die Genese des Hermaphroditismus 
eine besondere doppeltgeschlechtliche Bildungstendenz überhaupt 
zurückzuweisen und den gesamten Pseudohermaphroditismus als 
eine rein lokale (Genitalmissbildung im mechanistischen Sinne — 
aus einer zeitlichen Inkongruenz in der Entwicklung der Wolff- 
schen und Müllerschen Gänge — zu begründen und ihn in 
Annäherung an andere Genitalmissbildungen, wie die Cloaken- 
missbildungen, seiner Eigenheit und Sonderstellung zu entkleiden. 

Gibt es, so folgert Kermauner (33 b, S. 446), keine echten 
Hermaphroditen, bei denen Hoden und Ovarium durch männliche 
und weibliche Keimzellen charakterisiert werden, so muss auch 
der Begriff des Pseudohermaphroditismus fallen. 

Diese Folgerung ist falsch, weil die Prämisse nicht stimmt. 
Es gibt in der Tat auch für den Menschen einen 
wahren germinalen Hermaphroditiums, einen Herm- 
aphroditisums. bei dem beide Geschlechtsdrüsen die spezi- 
fischen Geschlechtszellen enthalten. Ich werde den 
tatsächlichen Beweis dafür erbringen, und ich gebe im folgenden 
eine eingehende, soviel als tunlich durch Abbildungen erläuterte 
Beschreibung einer derartigen Beobachtung. 

Ich lasse ihr aber zunächst eine Reihe von fünf eigenen Fällen 
des wahren H. A. beim Säuger vorangehen, die ich selbst unter- 
sucht habe. Sauerbeck hat die bis in das Kleinste gehende 
Übereinstimmung des H. A. der Säuger, des Ps. H. A. wie des 
wahren H. A., mit den Verhältnissen beim Menschen durch seine 
schon oben genannten Unternehmungen in vergleichender Analyse 
erwiesen und damit die ganze Lehre mit einem Schlage auf eine 
weit breitere, gesichertere Grundlage gestellt. Insofern möchte ich 
gerade die Darstellung meiner Befunde beim Säugetier mit den von 


140 Ludwig Pick: 


mir beim Menschen gemachten Feststellungen verbinden. Meine 
Beobachtungen betreften, wie alle bisherigen sicheren Fälle von H. A. 
verus beim Tier, das Schwein. Die relativ bedeutende Anzahl — fünf 
Fälle gegenüber den sieben sicheren Sauerbecks aus der Gesamt- 
literatur der letzten 27—2S Jahre — habe ich aus dem Material des 
Berliner städtischen Schlachthofes in den Jahren 1910—1913 mit 
der tatkräftigen und interessevollen Unterstützung des städtischen 
Schlachthofarztes Herrn Dr. Max Schmey zusammengebracht. 

Meine Beobachtungen schliessen sich an die von Sauerbeck 
zusammengestellten von sicherem H. A. verus beim Schwein un- 
mittelbar an. Ich will an der Hand der einzelnen Befunde prüfen, wie- 
weit durch meine Ergebnisse die von Sauerbeck aus seinen Unter- 
suchungen für den H. A. verus abgeleiteten „phänomenologischen 
(resetze* sich bestätigen bezw. erweitern lassen. Zu dem nämlichen 
Zweck gebe ich auch eine kurze Wiedergabe des älteren Simon- 
schen Falles von H. A. verus beim Menschen und der beiden neuen 
Fälle von Uffreduzzi (69a, b, c) und Gudernatsch (23). 

Freilich kommen bei allen diesen Untersuchungen und Be- 
funden des H. A. verus nicht allein die rein morphologischen 
Detailfeststellungen in Frage. Die Bedeutung der positiven und 
jetzt nicht mehr angreifbaren Begründung des wahren H. A. ist 
eine weit umfassendere, ja, grundsätzliche für die Auffassung des 
H. A. verus überhaupt. 

Durch den sicheren Nachweis des H. A. verus, durch seine 
gesetzmässige Kombination mit dem Ps. H. A. in seinen ver- 
schiedenen Abarten ist die Einheitlichkeit des H. A. gewährleistet, 
zunächst natürlich im rein anatomischen Sinne. Aber darin liegt 
zugleich gewiss auch ein starker Hinweis auf eine gemeinsame 
Ätiologie aller Formen des H. A., des wahren wie des falschen. 

Wir werden auf diese Fragen nach der Darstellung der 
tatsächlichen Befunde, die ich nun folgen lasse, einzugehen haben. 


Weil I: 
a) Fünf eigene Fälle von Hermaphroditismus verus 
beim Schwein. 

Sämtliche von mir untersuchten Tiere waren etwa S Monate 
alt. Die Kontrollorgane wurden von gleich alten männlichen und 
weiblichen normalen und kastrierten Schweinen, von sogenannten 
„borgs“ bezw. „Nonnenschweinen“, untersucht. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 141 


Fall l. 


Das Tier hat nach dem mir gegebenen Bericht Auffälliges an seinem 
äusseren Genitale, der Scheide und seiner Körperform nicht gezeigt. Der 
Gesamteindruck des Tieres war ein weiblicher und ebenso wie der Befund 
der inneren Organe ohne eine Abweichung. 

Ich nehme diese Angabe einfach ad notam, da ich sie nicht habe nach- 
prüfen können. 

Ich erhielt den obersten Abschnitt der Scheide mitsamt dem Uterus, den 
breiten Mutterbändern und den Anhängen in einem Stück Taf. XII, Fall 1). 
Die oberste Scheide plus Uterusteil (ut) (Cervix und Corpus) war 9 cm lang. 

Die Schnittfläche zeigt den Muskelschlauch der Scheide sehr kräftig 
entwickelt; er ist etwas von vorn nach hinten abgeplattet, bei einem Quer- 
durchmesser von 24 mm. Das Lumen ist mit normaler Schleimhaut aus- 
gekleidet, stellt sich als ein querer Spalt dar. Zu beiden Seiten des Lumens 
von Muskulatur umgeben, aber doch schon am Rand des Durchschnittes 
erscheinen zwei deutliche Lumina (Gg) (Vasa deferentia.. 

Die Uterushörner (uh), die aus der Trennung des unpaaren Teiles an 
normaler Stelle hervorgehen, sind kräftig entwickelt, je etwa 33 cm lang 
und 2,5 cm dick. Die Dicke sinkt da. wo sie nach abwärts umbiegen, auf 
2 cm. Schliesslich folgt unter besonderer Krümmung abgesetzt an jedem 
Horn ein 1 cm langer, ”—S mm dicker, schnell verjüngter Endabschnitt. 

Diesem Ende liegt jederseits ein Pol eines Körpers an, der seinem 
ganzen Äusseren nach sofort als Hoden (h) imponiert. Er besitzt die Maße 
links 4,5:4.5:3 cm, rechts 4,5:4:4 cm, ist, abgesehen von seiner Verkleinerung 
gegen die Norm, von normaler Form; seine bläulich-graue Oberfläche ist von 
nicht verdickter normaler Albuginea überzogen. 

Jederseits liegt aber der dem Ende des Uterushorns genäherte Hodenpol 
nicht frei, sondern wird von einer relativ flachen, kappenartigen Auflagerung (0) 
umfasst, die überall ganz scharf abgesetzt ist. Sie besitzt links wie rechts 
eine kleingebuckelte Oberfläche, die mit der glatten Aussenfläche der Hoden 
stark kontrastiert, eine derbe Konsistenz und eine durchscheinende, opakgelbe 
Farbe an manchen der kleinen Höcker. Die Maße dieser Auflagerung be- 
tragen links: 1.9:1,0:0,8 cm; rechts: 3:2,3:0,5 cm. 

Der Durchschnitt ergibt beiderseits eine exquisite „Zwitterdrüse“: die 
kappenartigen Organe sind typische Ovarien. Das linke (vergl. auf Taf. IX: 
Fall 1 [links] o und h) zeigt neben einem Corpus luteum einige erbsengrosse 
zystische Follikel bezw. Follikelzysten mit klarem Inhalt; das rechte typische 
kleinere und grössere Corpora lutea und einige kleinere zystische Follikel 
bezw. Follikelzysten oder mehr grauliche solide Abschnitte. 

Etwa dem mittleren Teil der Grenze gegen den Hoden entsprechend 
besteht jederseits eine bedeutende Ansammlung kleiner weiter Blutgefässe, 
die sogar etwas in die Hodensubstanz hinein einschneidet; sie entspricht 
dem Eierstocksmark (vergl. Taf. IX m). Im übrigen zieht zwischen Hoden 
und Eierstock als Fortsetzung der Albuginea testis eine feine weissliche 
Membran die scharfe Grenze; sie ist auch unterhalb des Eierstocksmarks in 
aller Schärfe vorhanden (vergl. Taf. IX). 


142 Dbudwie&Puck: 


Die Durchschnittsfläche des Hodens (in seiner grössten Dicke) ent- 
spricht in ihrer bräunlichen Farbe der Norm. Auffällig ist nur der Mangel 
einer irgendwie nennenswerten Septierung und vor allem das Fehlen eines 
eigentlichen Hilus bezw. eines Corpus Highmori, obschon der Schnitt genau 
gegen den Kopf des beiderseits sehr kräftigen Nebenhodens (Taf. XIII, Inh) 
veführt ist. Dieser setzt etwa gegenüber dem aufgelagerten Eierstock an, bei 
einem beiderseits sehr lockeren, frei beweglichen Verhältnis des Nebenhoden- 
kopfes zum Hoden. Auf dem Durchschnitt des Nebenhodenkopfes besteht 
schr exquisite Läppchenzeichnung. Die Hydatiden fehlen. 

Die Länge des in seiner Form durchaus typischen, normal abgeplatteten, 
ca. 1 em breiten Nebenhedens beträgt links etwa 14 em, rechts 16 em. Er 
zieht mit gegen den Hoden gerichtetem scharfen Rand längs des Hodens 
und dann im freien Rand des Ligamentum latum so herum, dass die Über- 
gangsstelle in das Vas deferens jederseits etwa da liegt, wo die Uterushörner 
in ihr kurzes, verjüngtes Endstück auslaufen (vergl. Taf. XIII. Das Vas 
deferens (Gd) zieht dann in typischen Schlängelungen zwischen den Blättern 
der zarten Ligamenta lata parallel zum Uterushorn jederseits gegen den 
oberen Teil des unpaaren Gebärmutterabschnittes. 

Dass es beiderseits auf der Schnittfläche der Scheide zutage tritt, ist 
schon erwähnt. 

Auf die Konvexität des rechten Nebenhodens tritt vom verjüngten 
Ende des Uterushorns ein 6 cm langer, fast strieknadeldicker Strang mit 
feinem Lumen über, der als Tube (rt) imponiert (vergl. auch unten die 
mikroskopische Untersuchung). Er läuft blind ohne Ostium auf der Neben- 
hodenoberfläche aus und ist der Furche zwischen Hoden und Ovarium un- 
mittelbar benachbart. Links fehlt jede Andeutung eines solchen Stranges. 


Mikroskopische Untersuchung. 


Härtung in 1Oprozentigem Formalin; Paraftineinbettung: Färbungen: 
Hämalaun-Eosin: van Gieson; ÖOrcein nach Unna-Tänzer: Elastin- 
färbung nach Weigert (mit Karmin- und Parakarmin-Vorfärbung). 

1. Es ergeben sich vollkommen normale Verhältnisse, die einer be- 
sonderen Beschreibung nicht bedürfen: a) für das Vas deferens im (linken) 
Ligamentum latum; b) für den Kopf des (linken) Nebenhadens. Die 
Flimmern der hohen Zylinderzellen sind vielfach erhalten. 

2. Ferner zeigt normale Verhältnisse ein querer Schnitt kurz vor dem 
blinden Endstück des Üterushorns und durch den Anfangsteil des unmittelbar 
daneben gelegenen Samenleiters; der Schnitt trifft beide Organe. 

3. Schnitte einer Scheibe. die quer vom distalen Ende des Genital- 
schlauches (der Scheide) abgetragen wird, erweisen das makroskopisch jeder- 
seits sichtbare Lumen als Querschnitt des Vas deferens. Letzteres ist hier 
leicht geschlängelt, so dass es auf einzelnen Schnitten zweimal in verschiedener 
Richtung getroffen erscheint, aber frei von besonderen traubenförmigen Aus- 
sackungen. 

4. Querschnitte durch den rechten Nebenhoden und den feinen, 
seiner Konvexität aufgelagerten Strang (Taf. XIII, rt) zeigen diesen als Tube. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 14: 


Die Muskulatur ist gut entwickelt, die Mucosa ganz glatt, von Epithel ent- 
blösst. Im Lumen abgestossene Epithelien, Kerne und Zerfallsprodukte. 

5. Schnitte durch den Körper des linken Nebenhodens bestätigen auf 
dieser Seite das vollkommene Fehlen der Tube. 

6. Schnitte der rechten Zwitterdrüse. Eine grosse Scheibe, die 
Eierstock und Hoden enthält, wird nach Formalinhärtung in Paraffın ein- 
gebettet. Ausser den genannten Methoden Untersuchung von Gefrierschnitten 
des Hodens mit Hämalaun-Sudanfärbung. 

Hoden und Eierstock sind auch im mikroskopischen Präparat scharf 
getrennt. Die trennende Bindegewebslage ist ziemlich derb und kernarm 
(siehe Taf. IX, Fig. 1, ao und at). 

Das Eierstocksstroma ist nur an wenigen Stellen das typische, derbe, 
an kleinen Spindelzellen reiche. Meist ist es viel weniger kernreich, stellen- 
weise lockerer, stellenweise straffer, vielfach mit reichen Beimengungen wirrer 
Geflechte feiner elastischer Fasern versehen. Primärfollikel sind nur sehr ver- 
einzelt aufzufinden. Dagegen sind Wachstums- (Fig. 1, wfei) und Reifestadien 
der Primordialfollikel in geschlossener Reihe vorhanden, bis zur Bildung 
grösserer und kleinerer, wiederum ganz typischer Corpora lutea (cl) Eine 
Beschreibung dieser Formen erübrigt sich, da gegen die Norm auch nicht 
die leiseste Abweichung besteht. Daneben findet sich zystische Degeneration 
einzelner eiloser Follikel, einige Male mit kleinen papillären, von den Granulosa- 
zellen überzogenen Erhebungen der Theca folliculi. 

Besonders bemerkenswert ist. dass eine Anzahl von Entwicklungsstadien 
der Follikel, auch grosse und grösste Formen, durch die mächtigen Corpora 
lutea beiseite geschoben. erdrückt, abgeplattet und zum Schwund gebracht 
werden. 

An der schon makroskopisch gekennzeichneten Stelle des Markteils 
(m auf Taf. IX) besteht eine starke Häufung weiter gewundener Arterien 
und Venen Das kernarme Bindegewebsstroma umschliesst hier auch einige 
atrophische Kanälchen, von einschichtigem niedrigen Zylinderepithel umsäumt 
(atrophische Markstränge ?). 

Der Hoden bietet an allen Stellen das nämliche Bild ohne irgendeine 
Abweichung. Er ist durch überall nur schmale, einfach fibröse, lockere 
Septen in unregelmässig konturierte, verschieden grosse Läppchen geteilt, 
wie schon die Lupenvergrösserung deutlich demonstriert, aber ohne eine 
besonders erkennbare Regelmässigkeit. Ein Corpus Highmori ist auch mikro- 
skopisch nicht ersichtlich. Die einzelnen Lobuli bestehen lediglich aus 
Zwischenzellen und Hodenkanälchen (zw und hk auf Fig. 1). Bindegewebe 
ist innerhalb der Läppchen nur in zartester konzentrischer Lage mit platten 
Kernen als Tunica der Samenkanälchen vorhanden; diese führt allerfeinste 
elastische Fasern. 

Die Zwischenzellen sind gross, von 16,5 „ mittlerem Durchmesser, 
prononeiert polyedrisch, stark mit Eosin gefärbt, frei von Pigment, Kristallen 
und, wie die Sudanbehandlung der Formalin-Gefrierschnitte beweist, auch 
von Fett. Sie sind in die Maschen eines Netzes zarter Blutkapillaren ein- 


gelagert. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 10 


144 Ludwig Pick: 


Die Samenkanälchen sind bei 105 „ mittlerem Durchmesser durchweg 
lumenlos, solide oder doch nur mit Andeutungen eines Lumens versehen, in 
den verschiedensten Richtungen getroffen, auch dichotomisch verbunden, von 
polyedrischen Epithelien, die zur Tunica hin öfters mehr längliche pallisaden- 
artige Form aufweisen, als einziger Zellart gefüllt. Die Kerne sind im 
allgemeinen länglich, oft unregelmässig konturiert, diffus gefärbt. 

Diese Epithelien sind bis auf die äussersten Lagen in ausserordentlich 
reichem Maße scheinbar vakuolisiert, d.h. sie enthalten am Sudanpräparat 
grosse, oft zellfüllende Fettropfen, die den Kern unter entsprechender Form- 
änderung an die Wand drängen. So können eventuell Siegelringformen ent- 
stehen. An den Hämalaun-Eosinpräparaten sieht das Lumen der Samen- 
kanälchen allermeist geradezu siebförmig aus. 

Das quantitative Verhältnis von Zwischenzellen und Samenkanälchen 
innerhalb der Läppchen steht schätzungsweise wie 3:2, eher noch mehr zu- 
gunsten der Zwischenzellen; jedenfalls sind diese in kolossalen Mengen vor- 
handen. Die typische Albuginea (ca. 0,5 mm) an der Oberfläche des Hodens ist 
ebenso wie die äusserste Stromalage des Ovariums von Keimepithel entblösst. 


Fall II. 


Für den zweiten Fall steht das ganze äussere und innere Genitale 
vollständig zur Verfügung. Nur ist die Urethra mit der Harnblase durch 
den üblichen „Schlächterschnitt“ abgetrennt, und dabei der Genitalschlauch 
mit durchschnitten, so dass das Präparat in zwei getrennten Teilen vorliegt. 

Ausser einer abnormen Bildung der 
äusseren Scham bestanden nach Bericht 
irgendwie äusserlich bemerkbare Miss- 
bildungen nicht. Der Gesamteindruck 
war ohne Auffälligkeiten der eines weib- 
lichen Tieres. Auch die inneren Organe 
waren abgesehen vom Urogenitalapparat 
ohne Missbildung. 

Das äussere Genitale (vergl. Text- 
figur 1) macht einen verbildeten, aber im 
ganzen doch weiblichen Eindruck. Die 
7 cm langen Labien, schwärzlich grau pig- 
mentiert und mit einigen starren Borsten 
besetzt, bilden unter Verwachsung in 
ihremunteren und mittleren Teil einrelativ 
bedeutendes, dick vorspringendes Haut- 
polster (Scrotumrudiment?). Zwischen 
den nicht verwachsenen Teilen führt oben 
eine rundliche Öffnung von 7 mm Durch- 
messer in die Tiefe, und darüber liegt 
frei ein über 4 cm langer, also im Vergleich 
zur Norm stark hypertrophischer, klitorisähnlicher Körper, der nach unten 
und links hakenförmig gekrümmt ist. In seinem oberen Umfang besteht 
ein 1 cm tiefer Präputialsack. 


Fig. 1. 


u en ee a Eee 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 145 


Der normale kleine kegel- oder zungenförmige Hautanhang am ventralen 
Winkel der Vulva fehlt. 

Von unten her ziehen zwei kaum zentimeterlange Hautfalten jeder- 
seits mit freiem Rand von den Labien zur Unterfläche der Klitoris und 
bilden hier ein ganz kurzes breites Frenulum. 

Die genannte Öffnung entspricht dem Eingang in den Sinus urogenitalis, 
der als ein über 15 em langer und fast 2 cm dieker zylindrischer Schlauch, 
von gelblich grauer Schleimhaut ausgekleidet, dorsalwärts zieht. Der lichte 
Durchmesser beträgt dem Eingang entsprechend 7 mm. 

Auf dem Durchschnitt ist er unterhalb der glatten Mucosa von seinem 
hintersten Abschnitt an rings von einer gelbrötlichen, stark vaskularisierten, 
weichen, nach aussen durch eine dünne weissliche Kapsel scharf begrenzten 
Masse — der Pars disseminata prostatae (siehe Taf. XI, Fig. 2) — mantel- 
förmig umgeben, die unmittelbar bis an die Schleimhaut reicht, mit ihr in 
ganzer Breite zusammenhängt. Sie ist ventral und an den Seiten mächtiger, 
während sie dorsalwärts an Masse abnimmt. Die grösste Ausbildung er- 
reicht sie ventralwärts mit fast 5 mm Dicke, etwa 10 cm vor der Sinus- 
mündung, dann nimmt sie mündungswärts schnell an Dicke ab, und zwar 
zuerst ventralwärts, so dass hier 8 cm vor dem Orificium ihre Kontinuität 
bereits ca. 1 em unterbrochen ist. 6 cm vor der Sinusmündung ist sie nur 
noch dorsalwärts als schmaler Saum erhalten und 3 cm vor der Sinusmündung 
ganz verschwunden. In den mittleren Abschnitten des Sinus legen sich 
ventralwärts rechts und links seitlich von der Mantelmasse die Muskelzüge 
des Musculus urethralis an. 

Über das Corpus prostatae ist nichts Sicheres auszusagen. Die grossen 
Vestibulardrüsen fehlen. 

Auf den Schlauch des Sinus urogenitalis unmittelbar aufgelagert, von 
dichten Fettmassen umgeben, ist die Fortsetzung der Klitoris als solider, 
anscheinend 11 cm langer, drehrunder Strang von 6 mm Durchmesser. In 
Wirklichkeit ist er noch einige Zentimeter länger, da er auf der Dorsalfläche 
des Sinusrohres S-förmig verläuft und ausserdem kurz hinter dem äusseren 
Eingang in den Urogenitalsinus in scharf S-föürmiger Windung als knopt- 
förmiger Vorsprung sich von rechts her in den Sinus vorwölbt. 

Der hinterste Abschnitt des Klitorisstranges ist oben und seitlich von 
Muskeln eingefasst. Beiderseits dicht neben ihm laufen etwas vor seiner 
Mitte die in Form und Aussehen typischen bleistiftdieken runden Mutter- 
bänder in das Fettgewebe der Labien aus. 

Die Verbindung des Sinus urogenitalis mit der Scheide und Harnröhre 
ist, wie schon erwähnt, durchtrennt. Durch die Schnitte des Schlächters ist 
zugleich vom hintersten Sinusabschnitt ein Stück mit entfernt. Das Lage- 
verhältnis der Scheide zum Sinus urogenitalis (ob unmittelbare Fortsetzung 
des letzteren oder Eintritt in ihn „von hinten her“ [vergl. Sauerbeck, 
S. 356 und 343]) und die Beschaffenheit ihrer Einmündung (ob verengt?), 
ebenso wie die Einmündungsart der Vasa deferentia und der Prostatakörper 
ist wegen dieser Kontinuitätstrennungen nicht sicher zu bestimmen. 

Das Scheidenlumen, von vorn nach hinten abgeplattet, ist weit, misst 
von rechts nach links 45 mm. Die Vaginalwand ist verdünnt, nur etwa 

10* 


146 Ludwig Pick: 


3 mm dick (gegen 4-5 mm der Norm). An jeder Seite ist auf dem Durch- 
schnitt in den verschiedenen Höhen der Scheidenwand und in symmetrischer 
Anordnung je ein körniges Körperchen von etwa 2 mm Durchmesser zu 
sehen („Pseudosamenblasen“) (Taf. XIII, Fall 2, pssa). Die Scheidenschleimhaut 
ist graurot, rauh. — 

Der Uterus mit seinen Hörnern (vergl. Taf. XIII) ist hier in eine 
Pyometra kolossalsten Umfanges umgewandelt: sie enthielt etwa 15 Liter 
graugelben, geruchlosen Eiters. Das rechte Horn ist weit über mannskopf- 
gross, das linke kindskopfgross. 

Das Endometrium stellt sich als eine typische pyogene Membran dar. 
Das Perimetrium ist von fädigen und breiteren lamellösen Adhäsionen besetzt, 
die Ligamenta lata sind grauweisslich verdickt und haben ihre natürliche 
Transparenz zum grössten Teile eingebüsst. An ihrem unteren Rand sitzen 
an der Abtrennungsfläche einige haselnussgrosse weiche Lymphdrüsen mit 
gleichmässig graugelblicher trüber Schnittfläche. Der Sack des linken Uterus- 
hornes hat nach Entleerung und faltigem Collaps einen Aussenkontur von 
43 cm, der des rechten grösseren (uh) von 82 cm. 

Scheide plus unpaarer (ut) Uterusteil messen bis zur Teilungsstelle 
20 cm. Die weite Scheide geht in das mächtig erweiterte, etwa doppelt- 
mannsfaustgrosse Cavum uteri allmählich über. 

Eine Stenose oder ein Verschluss des erweiterten Genitalschlauches 
ist am Präparat nicht ersichtlich. Er muss also an der vom Schlächter 
durchtrennten Stelle, d. h. am untersten Ende der erweiterten und in ihrer 
Wand verdünnten Scheide gesessen haben. Beide Uterushörner endigen unter 
mächtiger keulenförmiger Auftreibung blind, Hier schliesst sich unmittelbar 
die Keimdrüse an. 

Sie besteht hier jederseits aus zwei scharf abgesetzten und in Kon- 
sistenz und Aussehen verschiedenen Anteilen. Der eine derselben — links 
4,5:4:3 em: rechts 4:3,5:2,8 em — erscheint ohne weiteres als typischer 
Hoden (h) mit blaugrauer glatter Oberfläche : der andere — links 4+:2,5:1,2 cm, 
rechts etwas grösser wie der Hoden — als Ovarium (0). Die Hoden sind, ab- 
gesehen von ihrer Verkleinerung gegen die Norm, von gewöhnlicher Form, 
aber gegen die aufliegenden Ovarien abgeplattet: die Oberfläche ist von 
normaler Albuginea überzogen. Die Ovarien, besonders das rechte, sind 
reich gebuckelt, teils durch opakgelbe Körper, teils durch vorspringende 
transparente kleinere und grössere Zysten. 

Auf dem geeen den Kopf des kräftigen Nebenhodens geführten Durch- 
schnitt (vergl. Taf. IX, Fall 2 [rechts]) fällt an den Hoden (h) der Mangel der 
regelmässigen Septierung des bräunlichen Parenchyms und das Fehlen des 
Corpus Highmori auf. Der linke Eierstock (o) enthält auf dem Schnitt neben 
einer Reihe bis erbsengrosser Corpora lutea einige über erbsengrosse glatt- 
wandige zystische Follikel; der rechte (Taf. IX) ein halbes Dutzend bis 
bohnengrosser gelber Körper (cl) und an der Peripherie an zwei diametralen 
Stellen je eine walnussgrosse und eine klein-walnussgrosse Zyste mit glatter, 
weisslich-grauer Innenfläche und klarem serösen Inhalt (fe). 

Das Zwischengewebe an beiden Ovarien ist trüb grauweisslich. Eine 
besonders reichliche Ansammlung, zumal am rechten Ovarium über der Mitte 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 147 


der Grenzlinie gegen den Hoden hin, bildet eine ausgesprochene Mark- 
schicht (m). 

Als scharfe Grenze zwischen Hoden und Eierstock ist zwischen beiden 
Organen, die Albuginea des Hodens fortgesetzt. Auf dem Durchschnitt 
(Taf. IX) wird die breite kappenartige Umfassung des Hodens durch den 
Eierstock besonders deutlich. 

Der Kopf des Nebenhodens (vergl. Taf. XIII, ınmh) liegt wiederum 
im Verhältnis zum Eierstock am Gegenpol des Hodens, mit diesem äusserst 
locker verbunden. Der Nebenhoden selbst ist kräftig entwickelt, von normaler, 
nur etwas platter Form und 1 em Breite, mit scharfem Rand gegen den Hoden 
hin. Er zieht beiderseits im freien Rand des Ligamentum latum gegen das 
verschlossene Ende der Uterushörner, ist rechts 10 cm lang, links auf nur 
7 cm deutlich verfolebar, da er dann hier zwischen derbe grauweissliche binde- 
gewebige Adhäsionsmembranen eingelagert ist. Hydatiden fehlen beiderseits. 

Vom Ende des rechten Uterushornes bezw. des grossen Sackes aus ist 
auf den rechten Nebenhoden, dann im scharfen freien Rand der Epididymis 
unmittelbar neben dem Ovarium verlaufend, ein 7 cm langer lichtbräunlicher. 
reichlich stricknadeldicker Strang fortgesetzt (rt |hys]). Er ist etwas trans- 
parent, hat eine sehr dünne Wand und ein relativ weites Lumen. Links 
ist dieser Strang (lt) weniger deutlich ausgesprochen. Irgendwie an das 
Fimbrienende erinnernde Bildungen fehlen. 

In der Nähe des Endes der Uterushörner liegt auch der Übergang 
der Nebenhoden in die Samenleiter (Gd), die im Ligamentum latum gegen 
den unpaaren Uteruskörper verlaufen, auf ihrem Wege dorthin aber sich 
hier wegen der Verdiekung und Trübung der Ligamente schwerer ver- 
folgen lassen. 


Mikroskopische Untersuchung. 
(Technik wie im vorigen Falle.) 


l. Der Querschnitt eines der runden Mutterbänder und 

.2. der Klitoris ist ohne Abweichung. 

3. Eine Scheibe quer zur Längsrichtung des Sinus urogenitalis 
(nach hinten von seiner Mitte entnommen |vergl. Fig. 2 auf Taf. XT]). 

Das Epithel ist mehrschichtig, etwa nach Art des menschlichen Über- 
gangsepithels angeordnet. Unter der Epitheldecke im mässig kernreichen 
fibrösen Stroma eine verschieden mächtige kleinzellige Infiltration : strecken- 
weise fehlt über dieser auch die Epitheldecke mehr oder weniger, eventuell 
ganz. Die den Sinusschlauch umlagernde (für das blosse Auge gelbrötliche) 
Prostatamasse (pdpr), die in diesem Bereich des Sinus (vergl. oben) ihre 
grösste Entfaltung besitzt, besteht aus ziemlich locker aufgebauten, aber 
dicht aneinander geschlossenen, verzweigten tubulösen Einzeldrüsen. Die 
Tubuli führen ein einschichtiges niedrig-kubisches Epithel, das von den 
Kernen fast ausgefüllt ist: die grösseren Ausführungsgänge haben eine mehr- 
schichtige Epithelauskleidung. Das Drüsenstroma, das mit dem Schleimhaut- 
stroma zusammenhängt, ist teils einfaches, ziemlich kernarmes Bindegewebe, 
teils mehr locker, flüssigkeitsreicher, mit Hämalaun leicht bläulich tingiert. 
Da und dort liegen kleinzellige Infiltrate zwischen den Tubulis. 


148 Ludwig Pick: 


Überall zwischen den grossen tubulösen Einzeldrüsen, namentlich aber 
zwischen ihnen und der Schleimhautoberfläche, finden sich weite kavernöse 
dünnwandige venöse Blutgefässe, oft in starker Häufung (ce). 

Auch die hintersten Abschnitte des Sinus wurden untersucht, ‚mit den 
geschilderten gleichenden Befunden. 

Die äussere Umkapselung des Schlauches des Sinus urogenitalis wird 
durch einen kräftigen Musculus urethralis (mur) gebildet. Nur fehlt an 
diesem die physiologische dorsale Unterbrechung. 

4. Querschnitt der Scheidenwand vor der Einmündung in den 
Sinus urogenitalis. 

Das geschichtete Plattenepithel ist bis auf geringe Reste verloren 
gegangen. Die Oberfläche der freiliegenden Tunica propria der Schleimhaut 
ist auf das dichteste von kleinen Rundzellen durchsetzt. An wenigen Stellen 
senkt sich die Oberfläche in Form einer kurzen, aber weiten bauchigen 
Tasche ein, die mit einschichtigem Epithel ausgekleidet ist. Dieses Epithel 
besteht aus niedrig-zylindrischen Elementen, deren dunkel gefärbter Kern 
die basalen zwei Drittel des Zelleibes einnimmt, während das innere gegen 
das Lumen gerichtete Drittel gleichmässig trübes. stark mit Eosin gefärbtes 
Plasma enthält. 

Die beiden Körperchen, die auf dem Durchschnitt symmetrisch zu 
beiden Seiten des Scheidenschlauches gelegen sind (Taf. XIII, pssa), haben eine 
drüsig-traubige Zusammensetzung, links ausgesprochener als rechts. Jedes der 
makroskopischen Granula besteht aus einer kleinen Anhäufung drüsiger, be- 
sonders rechts stärker dilatierter Räume. Jedes Aggregat ist von einem dicken 
Mantel einigermassen konzentrischen Bindegewebes umgeben, das, zugleich 
in das Innere dringend, die einzelnen Kavitäten trennt. Sie besitzen eine 
einschichtige Epithelauskleidung, die aber in ihrer besonderen Natur deswegen 
an vielen Stellen sich schwer feststellen lässt, weil das Epithel sich hier von 
der Unterlage losgelöst und im Inneren der Räume zu lockerer Masse zu- 
sammengeballt hat. Dabei durchsetzen verschieden grosse unregelmässige 
Ansammlungen kleiner Rundzellen und Eiterkörperchen das Stroma und 
mischen sich im Innern der Räume mit den abgeschilferten Epithelien. 

5. Linkes Vas deferens. 

Das Vas deferens ist durch eine reichliche Ansammlung von Eiter- 
körperchen und Rundzellen in einer schaumig - vakuolären Grundmasse 
(Schleim?), die durch Eosin stark gefärbt ist, ausgedehnt. Das Epithel ist 
erhalten, aber reduziert und abgeflacht, das subepitheliale Stroma der Mucosa 
verdünnt, von gelapptkernigen eosinophilen Leukozyten durchsetzt. Die übrige 
Wand ist frei. 

6. Wand der Pyometra (Stück von der Konvexität des rechten 
Hornes). 

Das Oberflächenepithel und der Drüsenapparat des Endometriums ist 
vollständig verloren gegangen. Das Stroma der Schleimhaut ist sehr locker, 
ödematös, an der Oberfläche von einer granulierenden Lage eingenommen, 
neben deren strotzenden Kapillaren kleine Extravasationen sichtbar werden. 
Die Muskelwand ist frei. 

7. Querschnitte aus der Kontinuität des rechten Nebenhodens. 


nn 5 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 149 


Die Struktur des Nebenhodens ist ohne Abweichung von der Norm, 
der Flimmerbesatz des Epithels sehr gut konserviert. 

Der Strang im freien Rand des Nebenhodens stellt sich als muskulöser, 
von einem einschichtigen Epithel ausgekleideter Schlauch dar. Die niedrig- 
zylindrischen Zellen sind von den länglichen kräftiz sefärbten Kernen fast 
gefüllt, an der Oberfläche mit einem Cilienbesatz versehen. Es tolgt nach 
aussen eine dünne fibröse Tunica propria von mittlerem Kernreichtum. dann 
nach aussen zu nicht ganz regelmässig eine Ring- und schliesslich eine Längs- 
muskellage mit dünner epithelloser Serosa. In der Lichtung hyaline, vakuolär- 
schaumige Masse mit spärlich verstreuten freien kleinen runden Kernen. Im 
ganzen also das Bild einer blasig aufgeweiteten Tube (Hydrosalpinx). 

8. Querschnitt aus der Kontinuität des linken Nebenhodens. 

Linker Nebenhoden wie rechts. Der hier makroskopisch wenig aus- 
gesprochene Strang erweist sich als rein muskulös, ohne Lumen, also als 
„lumenlose Tube“. 

9. Rechtsseitige Zwitterdrüse. 

Die für die Untersuchung abgetragene Scheibe umfasst das ganze 
Ovarium und die ganze Breite des angrenzenden Hodens: anderes Hoden- 
gewebe wird von der Nähe des linken Nebenhodenkopfes entnommen. 

Die Oberfläche des Eierstocks und Hodens ist frei von Keimepithel. 
Die Albuginea des Hodens ist etwa 350 „ dick und schiebt sich in direkter 
Fortsetzung als Septum zwischen beide Organe. 

Entsprechend dem makroskopischen Verhalten (Taf. IX, Fall 2) wird 
die Hauptmasse des Eierstocks von den gelben Körpern und von den Zysten 
eingenommen. Erstere sind vollkommen typisch gebaut: eines der auf den 
Schnitten zur Untersuchung gelangenden ist zystisch, der homogen geronnene 
Inhalt hier von verschieden zahlreichen Lagen der Luteinzellen umgeben. 
Die grossen Zysten sind epithellos. Ihre Begrenzung wird von etwas 
dichteren und stärker gefärbten Bindegewebslagen gebildet. 

Das Stroma des Eierstocks ist allerwärts derb-fibrös. kern- und gefäss- 
arm, nirgends dem normalen Typus des klein-, dicht- und spindelzelligen 
Gewebes entsprechend. Primordialfollikel sind nur ganz vereinzelt und wenig 
deutlich zu finden, des öfteren weitere Entwicklungsstadien, aber meist durch 
Kompression seitens der benachbarten gelben Körper oder der grossen Zysten 
deformiert, atrophisch. Durch die noch erhaltene Eizelle sind sie indessen 
auch bei starker Abplattung und Verzerrung stets leicht festzustellen. 

Der makroskopisch charakterisierte Markteil (Taf. IX, m) ist frei von 
Parenchym, enthält nur grosse weite Blutgefässe. — 

Der Hoden ist mikroskopisch durch schmale bindegewebige Septen 
in Läppchen abgeteilt, allerdings in wenig regelmässiger Art und ohne 
ersichtliche Bildung eines Corpus Highmori. Das Bindegewebe der Septen 
ist bald straffer, bald lockerer und enthält oft schmale, kürzere oder längere 
Züge von Zwischenzellen. Diese sind hier zum Teil kleiner als im ersten 
Falle, von 11 « mittlerem Durchmesser, die grösseren Formen gleichfalls 
polyedrisch, sämtlich frei von Pigment und Kristallen, an den Sudan- 
präparaten auch von Fett. 


150 Ludwig Pick: 


Auch hier bestehen die Lobuli wieder lediglich aus Zwischenzellen 
und Tubulis. Bindegewebe ist nur unmittelbar um die Tubuli in Form einer 
ausserordentlich dünnen Tunica vorhanden, die mit zartesten elastischen 
Fasern durchmischt ist Ihrer Quantität nach halten sich innerhalb der 
Läppchen Tubuli und Zwischenzellen etwa die Wage. Letztere gleichen 
denen der Interlobulärsepten. Sie sind von einem zarten Netz von Blut- 
kapillaren durchzogen. 

Die bei einem mittleren Durchmesser von 230 „ gleichmässig kalibrierten 
Tubuli. in den verschiedensten Richtungen getroffen, zeigen mannigfache 
Windungen. zuweilen auf längerer Strecke in der Ebene des Schnittes. Sie 
liegen nur selten unter vollkommener Reduktion des Stromas aneinander, 
fast stets schieben sich zwischen sie mehr oder minder reichliche Lagen von 
Zwischenzellen. Ganz gleichmässig und in allen Teilen des Hodens sind sie 
von einer einfachen Epithelzellenlage mittlerer Höhe als einziger Zellart 
auseekleidet, und ganz gleichmässig sind diese Epithelzellen an den Balsam- 
präparaten so stark und unregelmässig vakuolisiert, dass die ganze Epithel- 
lage ohne deutliche gegenseitige Begrenzung der Zellindividuen vollkommen 
durchsichtig schaumig erscheint. Die Sudanfärbung zeigt in den den Vakuolen 
entsprechenden Zellabschnitten zwar auch ziemlich reichlich kleinere und 
grössere Fettropfen, aber zugleich auch eine feinkörnige Masse, die nicht die 
Sudanreaktion gibt. Die Kerne von mittlerem Chromatinreichtum, rundlich 
oder länglich, finden sich an die Zellperipherie, überwiegend an die Zellbasis, 
gedrängt und so allermeist unmittelbar der Tunica der Kanälchen aufgelagert, 
dabei dann vielfach ganz abgeplattet. 

Im Lumen der Kanälchen liegt nicht selten feinfädige, vakuoläre, mit 
Hämalaun blaugefärbte Masse, die auch mit dem Epithel direkt verbunden 
sein kann. 

Fall 3. 

Der äussere Eindruck des Tieres war vom weiblichen nicht irgendwie 
auffällig abweichend. 

Das Genitale ist in zwei Stücken entfernt. Das eine Stück umfasst den 
Uterus nebst den Tuben und die Keimdrüsen (Taf. XIII, Fall 5): das zweite 
Stück umfasst das äussere Genitale nebst dem daran ansetzenden Stück des 
Urogenitalsinus. Wiederum sind beide durch den Schlächterschnitt, der Urethra 
und Blase entfernt hat. an der Stelle der Urethraleinmündung voneinander 
getrennt. Ausserdem ist auch die Scheide nebst dem distalsten Stück des 
Sinus vom Uterus abgeschnitten und entfernt. So lässt sich über das Ein- 
mündungsverhältnis der Scheide in den Urogenitalsinus (ob von hinten her?) 
und die Art der Mündungsstelle (verengt?) auch in diesem Falle, wie in 
Fall 2. nichts Sicheres aussagen; desgleichen nicht über die Mündung der 
Vasa deferentia und über das Corpus prostatae. 

Uterushals und -körper bis zur Trennung des Körpers in die Hörner 
(ut) sind 16 cm lang. Das von vorn nach hinten abgeplattete Organ misst 
von rechts nach links fast 5 em, besitzt ein deutlich aufgeweitetes (avum. 
Die Hörner (uh) sind beiderseits vollkommen symmetrisch, bis zum Übergang 
in die Tuben je 45 em lang, sehr stark entwickelt, mächtig gewulstet, nur 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. or 


wenig abgeplattet. von 3 bis über 4 em Dicke. Ihr Lumen ist etwas auf- 
geweitet, führt schleimigen Inhalt; die Schleimhaut ist graurötlich, 7-8 mm 
dick, sehr weich. 

Jedes der Uterushörner geht über in eine links (lt [hys]) 12 und rechts 
(rt) 11 cm weit verfolebare Tube, die ohne Tubentrichter jederseits blind an 
der Keimdrüse endigt. 

Letztere ist nun jederseits von auffälligster Beschaffenheit, Rechts 
findet sich ein 6:4,5:4,25 cm messender ziemlich ‚derber Hoden (h), von 
glatter Albuginea überzogen, und diesem aufsitzend, unter furchenartiger Ab- 
setzung, ein 5,6 :3,3:3 cm messender, dem Eierstock gleichender Körper (0). 
Dabei sind Hoden und Eierstock so verbunden, dass sie in der Richtung 
ihrer grössten Durchmesser aneinander gelagert sind. Die Oberfläche des 
Eierstocks ist glatt, nur ein wenig flach gebuckelt. 

Auf dem Durchschnitt im grössten Durchmesser ergibt sich (vergl. 
Fall 3 [rechts] auf Taf. IX): das hellbräunliche Hodengewebe (h) ist durch un- 
regelmässig sich verzweigende Bindegewebsstränge in verschieden grosse 
Läppchen geteilt. die sich ohne besondere Regelmässigkeit um ein eben 
angedeutetes Corpus Highmori (cH) gruppieren.. Der Eierstock (o) enthält auf 
der nämlichen Schnitttläche etwa ein halbes Dutzend gelber Körper (cl) und 
dabei einige überbohnengrosse, zum Teil aneinander gerückte zystische 
Follikel (fl) mit blasser, glatter Innenfläche und zum Teil gallertig geronnenem 
Inhalt. Auch an den gelben Körpern ist gelegentlich das Zentrum zystisch, 
mit gallertiger, klar geronnener Masse gefüllt. Mit einem zentralzystischen 
Corpus luteum wölbt sich der Eierstock etwas in die Hodensubstanz hinein. 
Eine besondere Markzone ist nicht abgesetzt. 

Die Grenzlinie zwischen Eierstock und Hoden ist im übrigen eine 
vollkommen scharfe, so zwar, dass stellenweise in der grauweisslichen Grenz- 
linie noch die Albuginea des Hodens einerseits, die feste grauweissliche Ober- 
flächenschicht des Eierstocks andererseits sichtbar ist (vergl. Taf. IX). 

Die vorher erwähnte rechte Tube (Taf. XIII, rt) zieht als stopfnadeldicker 
Strang zum Ovarium. Sie liegt im freien Rand des Ligamentum latum, aber 
neben ihr, ihr aufs dichteste angeschlossen, zieht mit ihr parallel der kräftige 
Nebenhoden (rmh), und zwar grenzt sie unmittelbar an seinen scharfen Rand. 

Der rechte Nebenhoden (rnlı) entspringt vom Hoden etwa dem Ovarium 
gegenüber mit freibeweglichem Kopf und zieht in 14 cm Länge und 18 mm 
Körperbreite (mit der Tube) im freien Rand des Ligamentum latum mit seinem 
Schwanz bis vor die Stelle, wo das Uterushorn in die Tube übergeht, dann 
weiter als Vas deferens (Gd) durch die Substanz des Ligamentum latum 
bis zur Einsenkung in das Corpus uteri. 

Beide Ligamanta lata sind ebenso wie der seröse Öberflächenbezug 
der Uterushörner und des unpaaren Uterusteiles diffus- verdickt, nicht sehr 
durchsichtig, jedoch genügend transparent, um das Vas deferens verfolgen 
zu lassen. 

Die Verhältnisse der anderen Seite liegen im ganzen analog. Auch 
hier ist Hoden und Eierstock zu einer Drüse vereinigt in gleicher Situation 
vorhanden. Hodenmaße: 5,5 : 3,7 : 4 cm; Eierstocksmahe: 4,2: 3,2:4 cm. 
Auch hier sind die beiden Organe durch eine Einschnürung gegeneinander 


152 Ludwig Pick: 


abgesetzt und in der Richtung der grössten Durchmesser aneinander gelagert. 
Nur ist der Eierstocksteil hier nicht solide, sondern zystisch transparent, mit 
einem kleineren, von aussen betrachtet, anscheinend ebenfalls zystischen Anteil. 

Auf dem Durchschnitt ist der Hoden mehr unregelmässig, ohne An- 
deutung eines Mediastinum testis, in Läppchen geteilt. - 

Der grössere zystische Teil des Eierstocks erweist sich als ein ein- 
facher, mit klarer Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, in den von der dem 
Hoden zugekehrten Basis her ein gelber Körper hineinragt. Die Zystenwand 
ist derb fibrös, an der dem Hoden zugekehrten Seite bis 1 mm dick. die 
Innenfläche glatt. Der Kontur der Zyste baucht sich ein wenig in die Masse 
des Hodens ein. Die scharfe Trennungsschicht zwischen Hoden und Eier- 
stock wird durch die Albuginea testis einerseits, andererseits durch die derb- 
fibröse Zystenwand selbst gebildet. 

Der übrige, kleinere Teil des Eierstocks besteht aus einer flachen, 
etwa haselnussgrossen Zyste mit klarem Inhalt und einigen unbedentenderen 
bis erbsengrossen Hohlräumen, so dass auf dieser Seite keine eigentliche 
solide Eierstocksmasse vorhanden ist. Kein Markteil. 

Nebenhoden und Tube sind links in gleicher Anordnung wie auf der 
anderen Seite vorhanden. Nur ist der Nebenhoden hier noch länger als rechts, 
im ganzen fast 19 cm lang, wobei er alsbald hinter dem Ansatz seines Kopfes 
V-förmig abgeknickt ist (vergl. Taf. XIII). 

Die Tube (lt [hys]), im freien Rand des breiten Mutterbandes, ist hier 
leicht aufgetrieben, transparent, an ihrem Anfang fast federkieldick, dann 
alsbald nur mehr stricknadeldick, aber an dem keulenförmig geschlossenen 
Ende wieder etwas stärker anschwellend. Sie läuft auch hier wieder mit 
dem Nebenhoden eng verbunden, liegt auch hier an seinem scharfen Rand 
und zieht zum Eierstock, ihm eine kurze Strecke anliegend und in der 
Furche zwischen Hoden und Ovarium blind endigend. 

Das Vas deferens verhält sich links wie das rechtsseitige. 

Auf beiden Uterushörnern sind ziemlich zahlreiche feine Adhäsions- 
reste zu sehen. 

’ Hydatiden sind beiderseits nicht vorhanden. 

Dem unteren Teil der rechten seitlichen Uervixwand aufgelagert er- 
scheint in 3,5 em Länge, fast 2 em Breite und wenigen Millimetern Dicke 
ein platter Körper (Tat. XIII, rpssa), auf dem Durchschnitt von etwas 
körniger Beschaffenheit (vergl. unten mikroskopische Untersuchung). Links 
fehlt eine ähnliche Bildung. Der rechtsseitige Körper liegt genau in der 
Längsrichtung des Vas deterens. 

An dem zweiten Teil des Grenitale ist zunächst ein 10 cm langes 
Stück des Sinus urogenitalis erhalten, als ein im ganzen zylindrisches Rohr, 
das unter der glatten Mucosa von einer graugelblichen, ventral 5 mm dicken, 
dorsal und seitlich etwas dünneren weichen Schicht umkleidet ist und als 
Mantel um diese eine zirkuläre Schicht Muskulatur besitzt. Der Durchmesser 
des Rohres ist hinten an der Schnittfläche 15 mm, verjüngt sich aber distal- 
wärts; das Lumen hat im Mittel etwa 5 mm Durchmesser. Drüsenkörner, 
die den grossen Vorhofsdrüsen entsprechen könnten, sind makroskopisch 
nicht vorhanden. Dem distalen Ende des Sinus urogenitalis dorsal aufgelagert 


tn 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 155 


findet sich die ausserordentlich mächtig entwickelte und kräftig geschlängelte 
Klitoris mit starken Schwellkörpern. Sie hat bis zu ihrem Ende eine Länge, 
soweit die Windungen eine exakte Massbestimmung zulassen, von etwa 17 em! 

Die den Schamlippen entsprechenden Hautfalten fehlen vollkommen. 
Dagegen ist der Vulvateil der Klitoris in einen über 5 cm langen, zeige- 
fingerdieken drehrunden penisähnlichen Körper verwandelt, der frei vor- 
ragt und an der unteren Fläche seines abgerundeten Endes die Mündung 
des Sinus urogenitalis trägt. 

Man kann sich nach den Durchschnitten durch den Körper (Textfig. 2) 
seine Entstehung etwa so vorstellen, dass unter Verlängerung und Verdickung 
der Klitoris selbst das mächtig hypertro- 


i ne : E r 
phierende Präputium (pr) und die relativ P 
atrophischen Labien (zl) sich rings um die 
Klitoris (el) zusammenschlossen, wobei Prü- & ——— cl 


putium und Klitoris wenigstens zum Teil ver- 
wuchsen (a), d.h. der Präputialsack partiell 


obliterierte. So wurde eine mit „kutaner z/ 5 ug 
Schleimhaut“ ausgekleidete Fortsetzung oder Fig. 2. 


Verlängerung des Sinus urogenitalis (sug\ 

entlang der Unterfläche der Klitoris gebildet, und die äussere Mündung 
dieses fortgesetzten Sinus urogenitalis entspricht gleichsam dem Introitus 
einer verkümmerten Schamspalte. 

Die Schleimhaut des Sinus urogenitalis dieses ganzen Teiles ist im 
Vergleich zu der des erstgenannten Abschnittes dünn, kaum millimeterdick, 
von rötlicher Beschaftenheit. 

Im ganzen also eine starke Hypertrophie der Klitoris und ihres 
Präputiums mit einer an die Bildung des Penis anklingenden ventralen 
Abschlussbildung, die eine entsprechende Verlängerung des Sinus urogenitalis 
bewirkt. Allerdings fehlt dabei jede Spur des für die Gestaltung des normalen 
Penis wesentlichen Corpus cavernosum urethrae. 


Mikroskopische Untersuchung. 
(Technik wie vorher.) 


1. Rechtes und linkes Uterushorn. Das Endometrium ist ausser- 
ordentlich ödematös, nur in den dem Myometrium benachbarten Lagen etwas 
weniger von Flüssigkeit durchtränkt. Dabei sind die kleinen Blutgefässe, 
Arterien, Kapillaren und Venen vielfach erweitert und zum Teil strotzend gefüllt. 

2. Der im Verfolg des rechten Samenleiters der seitlichen rechten 
Cervixwand aufgelagerte Körper ist drüsigen Baues. Die einzelnen 
Körner entsprechen lobulären Aggregaten reich verzweigter Tubuli. die von 
einem mässig hohen Epithel in einfacher Schicht mit basal stehenden 
rundlichen Kernen ausgekleidet sind. Im Lumen der Tubuli feinkörnige 
Gerinnungen und mehr oder minder zahlreiche Lymphozyten. Das Stroma 
zwischen den Läppchen wird von einem lockeren Bindegewebe mittleren 
Kernreichtums geliefert, das sich innerhalb der Läppchen um die Drüsen- 
bildungen mehr konzentrisch und von dichterer Beschaffenheit anordnet. 


154 LudwieBick: 


In dem korrespondierenden Abschnitt der linken Cervixwand ist auch 
mikroskopisch keine Andeutung dieser Formationen enthalten. 

3. Schnitt in der Querrichtung der Pars pelvina urethrae. Die 
Innenauskleidung liefert ein Übergangsepithel. Die Drüsen der Prostata- 
mantelmasse besitzen hier im Vergleich zu Fall II eine noch dichtere und 
reichlichere Verzweigung. Wiederum ist die Prostata ventral stärker ent- 
wickelt als dorsal und auf beiden Seiten. In den grösseren Ausführungs- 
gängen mehrschichtiges Epithel. Das wenig kernreiche Stroma zwischen 
den Drüsen, besonders aber die Schicht zwischen Drüsen und Schleimhaut- 
oberfläche führt zum Teil dicht gehäufte, weite und strotzend gefüllte, 
venöse Bluträume. Der Urethralmuskel schliesst auch hier dorsal ohne 
Unterbrechung ab. 

4. Rechter Nebenhodenkopf normal, Flimmern deutlich. 

5. Rechter Nebenhodenkörper plus Tube. Ersterer ist normal, 
die Epithelien haben deutliche Flimmern. 

Die Tube hat eine gut ausgesprochene wesentlich zirkuläre Muskulatur. 
Ihre Schleimhautoberfläche ist ganz glatt, faltenlos. Das einschichtige 
Epithel ist in continuo erhalten, ziemlich niedrig, der Zelleib vom Kern gefüllt. 

6. Linker Nebenhodenkopf wie rechts. 

1. Linker Nebenhodenkörperplus Tube. Corpus epididymidis 
normal. Tube aufgeweitet mit stark abgeplattetem Epithel, sonst wie rechts. 
8. Rechtes und linkes Vas deferens ohne Abweichune. 

., Rechtsseitige Zwitterdrüse. Aus dem Ovarium und dem 
Hoden wird je eine Scheibe entnommen, und zwar wird vom Ovarium ein 
möglichst solider Abschnitt gewählt. 

a) Ovarium. Das Keimepithel der Oberfläche fehlt. Das Stroma 
ist nirgends typisch dicht- und spindelzellig, sondern locker, faserreich, von 
höchstens mittlerem Kerngehait. Primordialfollikel zu finden gelingt auf 
keinem der untersuchten Schnitte. Dagegen sind Wachstums- und Reifungs- 
stadien der Eifollikel, wenn auch nur in relativ geringer Zahl, vorhanden. 
Die Corpora lutea sind auch mikroskopisch typisch. 

b) Die Albuginea des Hodens (ca. 300 „ dick) entbehrt gleichfalls des 
Keimepithels. Die fibrösen Septen zwischen den Hodenläppchen sind relativ 
dünn, meist von Zwischenzellen erfüllt, die auch in grosser Masse innerhalb 
der Lobuli zu finden sind. Ihr Verhältnis zu den Hodenkanälchen ist etwa 
1:1; sie messen im Mittel 19 „, sind polyedrisch geformt, frei von Fett (Sudan- 
präparate!), von Pigment oder Kristallen in ihrem Zytoplasma. Ihre Kerne 
sind oft exzentrisch gelagert, rundlich, ziemlich hell, ohne deutliches Kern- 
körperchen, ihre Anhäufungen von einem Netz zarter Blutkapillaren durchzogen. 

Die Samenkanälchen, bei einem mittleren Durchmesser von 150 „ in 
allen möglichen Richtungen getroffen, sind in typischer Form gewunden. 
Die äusserst zarte Tunica propria wird von dünnen spindligen Zellen in ein- 
oder zweifacher Lage, mit mehr oder weniger deutlich sichtbarer feinster 
tibrös-elastischer Beimengung gebildet. 

Ihr Epithel ist allerwärts einschichtig, aber dabei so stark von gross- 
blasigen durchsichtigen Vakuolen durchsetzt, dass schaumige Masse das 
ganze Samenkanälchen vollkommen erfüllt und zentrale Lumina überhaupt 


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Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 155 


nicht vorhanden sind. Die Vakuolen sind, wie die Sudanfärbung zeigt, durch 
grosse Fettropfen erfüllt. Die ziemlich hellen, einen Nukleolus führenden 
rundlichen Epithelkerne liegen bei nur gelegentlicher und unerheblicher Ab- 
plattung in einfacher dichter Reihe unmittelbar auf der Tunica propria. 
Hier beginnt zugleich sofort die schaumige Auflösung des Zelleibes, so dass 
getrennte Epithelindividuen nicht existieren. Gelegentlich, aber nicht häufig. 
sind auch Kerne oder Kernreste in das Lumen hinein vorgeschoben und in 
den Vakuolen oder den Vakuolensepten zu finden. 

Andersartige Zellelemente als die beschriebenen sind in den Samen- 
kanälchen nicht vorhanden. 

10. Linksseitige Zwitterdrüse. 

a) Ovarium. Hier wird die grosse Zyste untersucht. Das Keim- 
epithel fehlt. Die Zystenwand besteht aus parallel-faserigem, ziemlich kern- 
armen Bindegewebe ohne Innenauskleidung:; sie enthält keine sonstigen 
eingeschlossenen epithelialen Elemente. j 

b) Hoden. Der Befund stimmt mit dem des anderseitigen vollkommen 
überein. 

Fall IV. 

Der äussere Eindruck des Tieres war ein weiblicher, der der äusseren 
Genitalien ein entschieden männlicher. Ob ein Scrotum vorhanden gewesen 
ist, ist nicht angegeben bezw. aus dem Präparat nicht mehr ersichtlich. 
Anscheinend ist früher die rechtsseitige Kastration ausgeführt worden. 

Harnröhre und -blase sind hier mit dem Genitale des Tieres im 
Zusammenhang belassen; das ganze Genitale wird mir in einem Stück zur 
Untersuchung eingeliefert (vergl. Taf. XIII, Fall 4); nur das rechte Uterus- 
horn liegt gesondert bei. 

Der Harnblasenkörper (hb) ist entleert, 12 cm lang; es folgt ein einer 
weiblichen Harnröhre gleichender über 5 cm langer Teil (wur), an den sich 
dann erst in 13 cm Länge die typische 
Pars pelvina einer männlichen Harnröhre 
anschliesst (ppl —= bst mit ur in Textfig. 3). 

Ein deutlicher Prostatakörper ist 
auf dem Dorsum des (männlichen) Harn- 
röhrenanfanges mit blossem Auge nicht 
sicher festzustellen (wird mikroskopisch 
nicht verfolgt). Dagegen ist die Pars 
disseminata der Prostata gut ausgebildet, 
ventral (5 mm) stärker als dorsal und 
seitlich entwickelt, sonst von gewöhn- 
lichem Verhalten, vom Musculus urethralis 
umgeben. Der Durchmesser der kräftigen 
Pars pelvina urethrae beträgt 2 em. 

Der Bulbus urethrae (bl) ist aus- 
gesprochen. Von den bulbourethralen 
Drüsen ist die linke vorhanden (lCdr), von etwa 3 cm Länge und 12 mm 
Breite; die rechte ist — wohl bei der Herausnahme der Organe durch den 
Schlächter — abgeschnitten. 


156 Ludwig Pick: 


Das Penisstück der Harnröhre (pst) ist 30 cm lang, vergleichsweise 
ebenso kräftig wie das eines kastrierten Ebers. Eine starke Abweichung 
gegenüber dem letzteren zeigt aber der Präputialteil. Die Vorhaut (pr) ist 
ausserordentlich hypertrophisch, fast elephantiastisch und zwar besonders 
dorsal und seitlich, anscheinend zum grossen Teil mit dem Penis (a und psp) 
verwachsen. Der Präputialbeutel (Nabelbeutel) fehlt. 

An diese sicherlich männlichen Genitalwege schliesst sich nun proximal- 
wärts vom Beginn der Pars pelvina urethrae (vergl. Taf. XIII) Scheide, Uterus- 
hals und Uteruskörper (ut) an, und zwar in sehr ausgesprochener Art so, 
dass die Scheide von der als gestrecktes Rohr mit der Harnblase eine natür- 
liche Einheit bildenden Urethra (wur — ppl) nach hinten abzweigt. Die 
Vaginalmündung ist sehr eng. 

Im distalen Teil der Scheide, beiderseits der seitlichen Vorderwand 
eng aufliegend, „Pseudosamenblasen“ (pssa). etwas über 5 cm lang, 1 cm 
breit und 3—4 mm dick, also etwa von der Grösse der Samenblasen kastrierter 
Eber. Sie reichen mit ihrem unteren Pol bis an die Einmündung der Vagina 
in die Pars pelvina urethrae. (Auf eine mikroskopische Darstellung ihrer 
Mündungsverhältnisse wird im Interesse der Erhaltung des Präparates ver- 
zichtet.) 

Scheide plus Uterushals und -körper sind im ganzen 25 cm lang. Das 
Lumen scheint normal. Die grösste Breite der abgeplatteten Teile beträgt 
2,5 cm. Das rechte Uterushorn (ruh) ist abgeschnitten, das linke (luh) in 
36 em Länge vorhanden, kräftig, abgeplattet, von 25 mm grösster Breite. 
Das sich verjüngende Ende dieses Uterushornes läuft blind aus. Es fehlt 
für das blosse Auge jede Andeutung einer Tube (vergl. aber mikroskopische 
Untersuchung). 

Im breiten Mutterband an der physiologischen Stelle des Eierstocks 
liegt wiederum eine exquisite Zwitterdrüse. 

Sie besteht aus zwei annähernd gleich grossen, durch eine Schnürfurche 
voneinander abgegrenzten Segmenten, bei im ganzen 8 cm grösster Breite, 
> cm grösster Länge und über 3 cm Dicke. Dabei überwiegt der Längen- 
durchmesser des Ovariums (0) mit 50 mm den des Hodens (h) mit 42 mm. 
Der zum Uterushorn gekehrte Teil entspricht dem Eierstock, der andere 
dem Hoden. 

Der Hoden ist von glatter Albuginea überzogen, der Eierstock aus 
kleinerhsen- bis doppeltbohnengrossen, blasig-transparenten Zystchen traubig 
zusammengesetzt. Die meist sehr schmalen Septen zwischen den Zystehen 
stellen die einzigen soliden Anteile der Drüse dar. 

Auf dem Durchschnitt (vergl. Fall IV [links] auf Taf. IN) besteht das 
Hodenparenchym (h) aus einer grossen Zahl unregelmässiger Läppchen. Ein 
Corpus Hishmori fehlt vollkommen. Die einzelnen Zystchen des Eierstocks (0) 
sind mit klarer (nach der Härtung in 10 proz. Formalin gallertig geronnener) 
Masse gefüllt und mit glatter Innenfläche versehen. 

Ein Markteil (m) ist angedeutet in Form eines ca. 2 mm langen und 
ca. 1 cm breiten derben, soliden Streifens. 

Die Grenze der beiden Organe ist eine absolut scharfe. Die Albuginea 
testis überzieht auch die zum Eierstock gewendete Hodenoberfläche. Dabei 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc 157 


sitzt der (vergl. oben) in der Länge etwas überwiegende Eierstock dem Hoden 
kappenartig auf. Nur gegen den Ansatz am Mesovarium hin schiebt sich 
zwischen beide ein dichtes, auf dem Durchschnitt über 1 cm breites Konvolut 
von Blutgefässen. 

Der Nebenhoden (Taf. XIII, Inh), der mit frei beweglichem Kopf am 
Hoden etwa gegenüber dem Ovarium (keine Hydatide!) ansitzt, ist 6—7 cm 
lang, aber ganz ausserordentlich (über 4 em!) breit, dabei entsprechend platt. 
Das Vas deferens (Gd) läuft geschlängelt in über 6 cm Länge im freien 
Rand des Ligamentum latum und biegt an dem Ende des Uterushorns 
zwischen die ziemlich transparenten Blätter des Ligamentum latum um. Hier 
ist es leicht bis zum Eintritt in das Corpus uteri verfolgbar. 

Das rechte, abgetrennt vorliegende Uterushorn ist 10 cm lang, in 
breite Verwachsungsmembranen eingehüllt. 

Tube und Keimdrüse der rechten Seite fehlen. Der Befund entspricht 
der trüher auf der rechten Seite ausgeführten Kastration. 


Mikroskopische Untersuchung. 
(Technik wie vorher.) 

1. Endometrium Kleine Blutgefässe des Endometrium vielfach 
strotzend gefüllt. Im Stroma häufig ödematöse Auflockerung, Auseinander- 
drängung von Zellen und Fibrillen durch homogen geronnene Flüssigkeit. 
Nur unmittelbar unter der Oberfläche ist meist an der physiologischen Dicht- 
zelliekeit des Stromas nichts geändert. 

2. Linker Nebenhoden ohne Abweichung. 

3. Linkes Vas deferens im freien Rand des Ligamentum latum. 
Neben den an sich der Norm entsprechenden Windungen des Samenleiters 
findet sich an den senkrecht zum freien Rand des Ligamentum latum ge- 
führten Schnitten unmittelbar unter der Serosa ein quer getroffenes 'Tuben- 
rohr. Es war (vergl. oben) mit dem blossen Auge nicht festzustellen. Das 
Lumen erscheint sternförmig. die Epithelauskleidung wie in der Norm; das 
Schleimhautstroma und die Muskelhaut sind sehr kräftig ausgesprochen. 

An einer zweiten nahe dem Übergang in den Nebenhoden entnommenen 
Stelle fehlt es. Die Stelle der genauen Endigung des Tubenrohres kann, 
da sonst das ganze Vas deferens im Mesometriumrand in Serie hätte ge- 
schnitten werden müssen, nicht genauer angegeben werden. Sicher ist es, 
wie die entnommenen Stücke beweisen, kürzer als 5 cm. 

4. Linkes Vas deferens im Ligamentum latum ohne Abweichung. 

5. Scheide und aufgelagerte linke Pseudosamenblase. 
Die Scheidenschleimhaut und Muskelhaut ist ohne besonderen Befund. 

Die drüsigen, reich verzweigten Räume der Pseudosamenblase sind von 
einem einschichtigen, ziemlich hohen, pallisadenförmigen Zylinderepithel aus- 
gekleidet. Die Kerne stehen basal, der nach dem Lumen gekehrte Abschnitt 
des Zytoplasmas ist (durch Hämalaun) bläulich gefärbt. Im Zentrum der 
Räume dichte Anhäufungen von zelligem Detritus.. An manchen Stellen 
sind auch die auskleidenden Epithelien in den Zerfall einbezogen. 

Das Stroma liefert fibröses Bindegewebe von mittlerem Zell- und Blut- 
gefässreichtum. 


158 Ludwig Pick: 

6. Pars pelvina urethrae. Das mikroskopische Bild des Quer- 
schnittes gleicht vollkommen dem oben beschriebenen Querschnitt des Sinus 
urogenitalis in Fall III. Im besonderen fehlen auch die weiten. strotzend 
gefüllten venösen Bluträume — namentlich in der Schicht zwischen der Pars 
disseminata prostatae und der Oberfläche nicht. 


Der Musculus urethralis ist auch hier dorsalwärts nicht unterbrochen 
und sogar dorsal von besonderer Mächtiekeit. 

7. Zwitterdrüse. Es wird aus ihrer Kontinuität ein Hoden und 
Eierstock umfassendes Stück ausgeschnitten. 

a) ÖOvarium. Das Keimepithel fehlt. Das Eierstocksstroma ist teil- 
weise, namentlich an der Oberfläche, ziemlich reich an kleinen Spindelzellen 
und so einigermassen dem physiologischen entsprechend. Im übrigen ist es 
weit mehr fibrös, von mittlerem Kernreichtum. 

Neben den makroskopischen Zysten, die bei einer vielschichtigen 
Epithelauskleidung sich sämtlich als zystisch gewordene Graafsche Follikel 
erweisen, finden sich wachsende und Graafsche Follikel mit typischen Ovula 
in grosser Zahl. oft Dutzende auf einem Schnitt. Dagegen werden Primordial- 
follikel und Gorpora lutea in dem untersuchten Stück vermisst. 

b) Hoden. Das Keimepithel ist verloren gegangen, die Albuginea ist 
zart, 150 u dick. 

Die Bindegewebssepten zwischen den unregelmässigen Läppchen des 
Hodenparenchyms sind einfach fibrös, stellenweise sogar auffallend kernarm. 
Einlagerungen kleinerer Stränge und Inseln von Zwischenzellen in ihnen 
sind spärlich. Innerhalb der Läppchen sind letztere ziemlich reich entwickelt. 
In ihrer Masse erreichen sie schätzungsweise nicht ganz die Masse der 
Hodenkanälchen. Sie sind von polyedrischer Form, der rundliche, ziemlich 
dunkle Kern liegt meist exzentrisch. Ihr mittlerer Durchmesser ist 15 «; 
der Zelleib zeigt weder Pigment noch Kristalle oder (Sudanpräparate!) Fett. 
Ihre Anhäufungen sind von zarten Blutkapillaren durchzogen. 

Die Samenkanälchen sind von typischer geknäuelter Form und besitzen 
einen mittleren Durchmesser von 180 u. 

Die 'Tunica propria besteht aus einer einfachen oder doppelten Lage 
dunkler spindliger Kerne mit zuweilen sichtbarer Beigabe feiner fibröser und 
elastischer Fasern. Die zellige Auskleidung ist nur insofern deutlich, als 
sich unmittelbar auf der Tunica propria eine einfache Lage oft platter und 
dann in ihrer Verlaufsrichtung der Tunica paralleler Kerne ausbreitet. Sie 
sind hell, mehr bläschenförmig, die Nukleolen wenig deutlich. Ihre Lage 
ist aber nicht immer kontinuierlich, und jedenfalls ist nirgends ein deutlicher 
Plasmaleib oder gar eine Schicht abgegrenzter Zellindividuen vorhanden. 
Vielmehr ist das ganze Lumen der Kanälchen von einem grossblasigen 
Schaum erfüllt. Ferner iagern in den Septen der runden Vakuolen zahlreiche 
rundliche bläsenförmige Kerne, oder Kerne liegen innerhalb der Vakuolen 
und sind unter entsprechender Abplattung entweder gegen ihre Peripherie 
geschoben oder in die Peripherie eingefügt, so dass der Eindruck der Siegelring- 
zellen entsteht. So wird es auch schwer, mit Sicherheit festzustellen, ob 
hier eine ursprüngliche Ein- oder Mehrschichtigkeit des Epithels im Hoden- 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 159 


kanälchen vorliegt. Wie die Sudanfärbung lehrt, entsprechen den Vakuolen 
grosse eingelagerte Fettropfen. 
Keine Geschlechtszellen in irgendwelchen Stadien. 


Fall V. 


Das Präparat stammt von einem ca. 8 Monate alten, in seinem Äusseren 
vom weiblichen Typus nicht abweichenden Schwein. Das innere und äussere 
Genitale ist hier zusammenhängend entfernt (Taf. XIII, Fall 5 zeigt den 
inneren Teil des “enitale). Die Blase nebst Harnröhre ist abgeschnitten. 
Die Ansatzstelle der Harnröhre (um) klafft als weites Loch. Der Gesamt- 
eindruck des inneren Genitale ist zunächst ein zweifellos weiblicher: es 
besteht ein kräftig ausgebildeter zweihörniger Uterus (ut) mit gut ent- 
wickeltem Körper und Hals nebst stark entwickelter Scheide (va). Nur 
mündet diese mit einer auffallend engen Öffnung in einen langen und dicken 
Sinus urogenitalis (sug). Ob dieser, wie beim Schwein die Regel, die un- 
mittelbare Fortsetzung der Scheide bildet oder die der Harnröhre, ist, da 
letztere abgetrennt ist, nicht sicher zu sagen. 

Corpus plus Cervix uteri plus Scheide sind 32 cm lang, der Sinus 
urogenitalis bis zu seiner Ausmündung 14 cm. Das Corpus uteri und die 
Scheide, beide von vorn nach hinten abgeplattet, messen fast 35 mm von 
rechts nach links. 

Zu beiden Seiten der Scheide, auf ihrer Vorderwand, liegen zwei etwa 
12 cm lange, bis (rechts) 2 cm breite und über 1 cm dicke körniggelappte 
ziemlich derbe Körper (pssa), die sich nach unten hin verjüngen und sich 
in die Wand des Anfanges des Sinus urogenitalis hinein einsenken (ihre 
bezw. die Mündungsverhältnisse der Vasa deferentia werden nicht mikro- 
skopisch untersucht). Ihr Durchschnitt zeigt dicht gestellte, mit zähem 
Schleim gefüllte bis über linsengrosse, etwas eckige Höhlen. 

Der Durchschnitt von Scheide und unpaarem Uterusteil zeigt keine 
Abweichung. 

Ein makroskopisches Corpus prostatae fehlt (keine mikroskopische 
Untersuchung). Der Sinus urogenitalis misst auf dem Durchschnitt 2,5 cm 
von rechts nach links, 2 cm von vorn nach hinten, ist also wie Vagina und 
Uterus von vorn nach hinten abgeplattet. Er besitzt ein enges Lumen, das 
von einer graugelblichen, über 1 cm dieken und sehr reich vaskularisierten 
weichen Schicht unter der glatten Schleimhaut gleichmässig umkleidet ist. 
Die Aussenschicht bildet eine gleichmässige Muskellage. 

Die beiden Hörner des Uterus sind kräftig ausgebildet. aber von 
ungleicher Entwicklung. Das linke (Ih) ist bei weitem stärker, länger sowohl 
wie dicker, als das rechte (rh). Es ist bis zu seinem verjüngten Ende, an 
seinem äusseren Umfange gemessen, fast 40 cm lang und, bei gleicher Ab- 
plattung von vorn nach hinten wie der unpaare Uterusteil, bis 22 mm dick. 

Das rechte Horn ist 23 cm lang und bis 14 mm dick. Seine Windungen 
sind weniger ergiebig als die linksseitigen. 

Dieselben quantitativen Verschiedenheiten zeigen Schleimhaut und 
Muskelhaut auf dem Durchschnitt der Hörner. Der Oberflächenbezug ist 
beiderseits diffus verdickt und durch zahlreiche feine Adhäsionsreste rauh, 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 11 


160 Ludwig Pick: 


Das linke kräftigere Horn des Uterus läuft in einen nur kurzen, 6 cm 
langen und etwas dünnen Eileiter (t) aus, dessen an sich ziemlich weites 
Infundibulum verschlossen erscheint. Die daneben gelegene linke Keimdrüse 
ist ein an sich typisch aussehendes Ovarium (o). Die Bursa ovarii ist ziemlich 
gut ausgesprochen. 

Der Eierstock ist klein, 2,5:2,5:1cm lang. An der Oberfläche ist er 
flach und ziemlich grob gebuckelt. Der Durchschnitt wird zum grössten Teil 
von vollkommen typischen gelben Körpern besetzt. Daneben finden sich einige 
erbsengrosse, glattwandige, mit klarer oder blutiger Flüssigkeit gefüllte 
Follikel. Auf der medialen Seite erscheint die Kapsel (Albuginea) auf dem 
Durchschnitt zu einem 1—2 mm breiten Streifen verdickt, in dem dunkle 
Quer- und Längsschnitte feinster Blutgefässe sichtbar werden. 

Das Ligamentum latum ist diffus verdickt, namentlich gegen das 
Uterushorn hin, und lässt vom Parovarium oder Gartnerschen Gang nichts 
durchscheinen. Medialwärts vom Ovarium steht ein kurzer Rest des linken 
Ligamentum teres (Ir). 

Auf der rechten Seite ist von einer Tube oder einem Tubenostium 
nichts vorhanden. Das verjüngte Uterushorn endet hier ziemlich spitz. 

Hier wird die Keimdrüse repräsentiert durch einen mit Nebenhoden 
und Vas deferens ausgestatteten Hoden (h). Er liest im Ligamentum latum 
genau da. wo auf der anderen Seite das Ovarium sich befindet. Der Hoden 
misst 5,6:4,7:4,5 cm, ist von glatter Albuginea überzogen und fällt auf 
dem Durchschnitt durch den Mangel eines Corpus Highmori und einer regel- 
mässigen Septierung auf. Unregelmässig ziehende Bindegewebsstränge dünnen 
Kalibers grenzen grössere und kleinere ganz unregelmässige Läppchen ab. 
Der Nebenhoden (nh) ist nicht auffällig hypertrophisch, sitzt locker, frei 
beweglich am distalen Hodenpol, liest in S cm Länge mit scharfem Rand 
dem Hoden an, zieht auf weitere 8 cm im freien Rand des Mesometrium 
und geht dann unter mächtiger Aufknäuelung zu einem über walnussgrossen 
Konvolut (w) in das Vas deferens über. Dieser Wulst liegt genau kaudal- 
wärts von dem zugespitzten blinden Ende des Uterushorns. Lateral neben 
dem Wulst setzt das in 3,5 cm Länge erhaltene Gubernaculum testis (gH) an, 
und von ersterem aus zieht das Vas deferens (Gd) in etwa 153—15 mm Abstand 
von der mesometrischen Kante des Uterushorns, in dem auch hier verdickten 
Mesometrium leicht verfolgbar, bis zu seiner Einsenkung in den Uterus. 

Hydatiden sind weder links noch rechts nachweisbar. — 

Das äussere Genitale (betreffs des Sinus urogenitalis vergl. oben) zeigt 
am Präparat Teile der Labien und am ventralen Winkel der Vulva einen 
stark ausgebildeten kegelförmigen Hautanhang. Die Klitoris ist, wie die 
Präparation nach hinten ergibt, über 8 cm lang, geschlängelt und tritt mit 
einer fast zentimeterlangen Spitze aus einem kleinen, in ihrem dorsalen 
Umfang ausgebildeten Präputialsack heraus. Sie krümmt sich dabei mit 
dem freien Ende nach rechts und ist hier durch eine kleine Hautbrücke mit 
der Aussenfäche des Präputialsackes verbunden. 

Ventralwärts von der Klitoris liegt der sehr enge Eingang in den 
Sinus urogenitalis. Die präparatorische Darstellung grosser Vorhofsdrüsen 
&elingt nicht. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 161 


Mikroskopische Untersuchung. 
(Technik wie vorher.) 


1. Ein Unterschied in der mikroskopischen Ausbildung des 
rechten männlichen und des linken weiblichen Uterushorns, insbesondere 
des Endometriums, ist nicht erweislich, Das Endometrium ist hier wie dort 
mässig injiziert, das Stroma ödematös. 

2. Der rechtsseitige Hoden (vergl. Taf. IX, Fig. 3). Das Keimepithel 
fehlt. Die Tunica albuginea ist 80 z dick. Die fibrösen Septen der unregel- 
mässigen Lobuli sind fast total von Zwischenzellen erfüllt, so dass die 
Scheidewände nahezu völlig verdeckt sind. Auch innerhalb der Läppchen 
ist die Masse der Zwischenzellen (zw) eine ausserordentliche, die der Hoden- 
kanälchen (hk) (etwa im Verhältnis 3:2) überwiegende. 

Sie sind im Mittel 19 « gross, polyedrisch, reichlich von zarten Blut- 
kapillaren (ble) durchzogen, im übrigen von der nämlichen Beschaffenheit wie 
in den vorbeschriebenen Fällen. 

Die Hodenkanälchen, in den verschiedensten Richtungen getroffen, be- 
sitzen einen mittleren Durchmesser von 145 „ und eine Tunica propria (mpr) 
aus einer einfachen Lage zarter Spindelzellen, mit ganz unerheblichem 
faserigen elastisch-fibrösen Anteil. 

Es folgt unmittelbar dieser Tunica aufgelagert eine einfache Schicht 
rundlicher oder etwas eckiger, mehr bläschenförmiger Kerne, von mittlerem 
Chromatinreichtum und ohne deutliche Kernkörperchen. Das (durch Häm- 
alaun) grauliche, etwas trübe Protoplasma erfährt alsbald eine gross-vakuoläre 
Auflösung, so dass grossblasiger Schaum das ganze Lumen der Kanälchen 
(vergl. Taf. IX, Fig. 3) vollkommen erfüllt. Eine gegenseitige Abgrenzung 
von Einzelzellen ist nicht möglich. 

Die Kerne auf der Tunica propria werden bei der Vakuolenbildung 
zuweilen abgeplattet. Sie liegen dann innerhalb der Vakuole an die Peripherie 
gepresst oder in die Peripherie unter Bildung einer Siegelringzellform ein- 
geschaltet. 

Eine andere Zellart ist in den Kanälchen nicht vorhanden. Überhaupt 
sind auch mehr zentral in der Schaummasse gelegene Kerne selten. Wie 
die Sudanfärbung zeigt, entsprechen die Vakuolen grossen Fettropfen. In 
einem der schaumerfüllten Kanälchen zentral ein grosses, konzentrisch ge- 
schichtetes Kalkkörperchen. 

Auf keinem der zahlreichen untersuchten Schnitte dieser Seite ist 
etwas von ovariellem Gewebe zu finden. 

3. Der linksseitige Eierstock. Die untersuchte Scheibe stammt 
aus der ganzen Dicke des Organs. 

Das Keimepithel der Oberfläche ist teilweise erhalten. Das Stroma 
ist einfach fibrös, ziemlich zellarm, aber relativ gut vaskularisiert. In sämt- 
lichen Schnitten des untersuchten Stückes (das übrige Ovarium ist am 
makroskopischen Präparat konserviert) finden sich wesentlich typische Corpora 
lutea, keine sicheren Primordialfollikel oder Reifungsstadien. Nur gelegentlich 
erscheint ein Graafscher blutgefüllter Follikel. 

11* 


162 Ludwig Pick: 


Dagegen bietet sich (Taf. XI, Fig. 4 und Taf. X, Fig. 5) in der leicht 
fihrös verdiekten medialen Oberflächenzone des Organs — indem parallel zur 
äusseren Oberfläche streichenden fibrösen Bindegewebe (str) zwischen Keim- 
epithel (ke) einerseits und Peripherie der vorgeschobenen gelben Körper (el) 
andererseits — ein höchst auffallender und überraschender Befund. 

Hier sind kleine Gruppen von Kanälchen oder auch isolierte 
Kanälchen (vhk und vhK‘) eingesprengt, die in ihrem Aufbau voll- 
kommen identisch sind mit den Hodenkanälchen der rechts- 

eitigen Keimdrüse. Sie besitzen die nämliche zarte spindelzellige 
Tunica propria (hbroelastica), die nämliche Auskleidung mit einschichtigem 
Epithel, die an der Yunica lagernden bläschenförmigen, gelegentlich ab- 
geplatteten Kerne, die schaumige Auflösung des durch Hämalaun graulich 
getönten Zytoplasmas und die (meist vollkommene) vakuoläre Füllung des 
Lumens. Das grösste der gefundenen Kanälchen (Taf. X, Fig. 5, vhk) liegt, 
wie auch andere, in der Längsrichtung der Bindegewebszüge (str), ist deutlich 
gewunden und auf weiter Strecke verfolgbar. Es misst auf dem Durchschnitt 
im Mittel 140 

Daneben sind auch kleinere und kleinste Kanälchen dieser Art zu 
treffen, gelegentlich ganz isoliert, und des öfteren kleine, noch solide Epithel- 
stränge mit durchsichtigen Epithelien. Indem diese mit wachsendem Durch- 
messer des Stranges sich alsbald vakuolisieren und wandständig ordnen, 
führen die Bildungen zu den als Hodenkanälchen eindeutig charakterisierten 
erstgenannten Formen über. 

Die typischen Hodenkanälchenformen sind stets von ebenso typischen 
Zwischenzellen (zw) in kleineren und grösseren Zügen begleitet. Wo letztere 
in der Nachbarschaft von Corpus luteum-Gewebe liegen, ist leicht ersichtlich, 
dass hier die männlichen Zwischenzellen die volle Grösse der Luteinzellen 
nicht ganz erreichen und sich zumeist bei weitem stärker mit Eosin färben. 

Bemerkenswerterweise erstrecken sich diese verschiedenen Formationen 
(Kanälchen und Zwischenzellen) auch in die fibrösen Septen der gelben Körper 
zentripetal weit in das Ovarium hinein, so dass hier eine wirkliche 
Durchmischung der im sich wohlbegrenzten gelben Körper einerseits und 
der testikulären Gewebe andererseits erfolgt. 

4. Die linke Tube zeigt, abgesehen von ihrem geringeren Durch- 
messer gegen die Norm, normalen Bau, kein begleitendes Rudiment eines 
Nebenhodens oder Vas deferens. 

5. Nebenhoden und 

6. Vas deferens der rechten Seite sind ohne Abweichung. Eine 
Tube ist auch mikroskopisch rechterseits nicht erweislich. 

7. Querschnitt durch den Sinus urogenitalis. Die Ausbreitung 
der Pars disseminata prostatae um den Kanal ist hier ventral, seitlich und 
dorsal ohne quantitativen Unterschied, die Prostatamasse sehr bedeutend. 
Der Bau entspricht im übrigen, auch betreffs der weiten venösen Blut- 
räume, den vorigen Fällen. 

Der Musculus urethralis umfasst auch hier das Dorsum des Sinus 
ohne Unterbrechung. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 165 


8. Die Pseudosamenblasen (rechts und links) zeigen, entsprechend 
dem makroskopischen Befund, eine reichliche Schleimproduktion und Schleim- 
anhäufung. Das Epithel ist zylindrisch mit basal gestellten Kernen und klarem 
Zelleib, bei stärkerer Aufweitung der Drüsenräume entsprechend niedriger. 


b) Die anatomisch untersuchten sicheren 
Fälle des Hermaphroditismus verus beim Menschen. 


I. Fall W. Simon (60). 


20 jähriges Individuum mit ausgesprochenem Mannesbewusstsein. Schon 
frühzeitig starke Entwicklung der Brüste, links stärker als rechts, die seit 
3 Jahren bisweilen vorübergehend anschwellen: zugleich — später nicht mehr 
in zeitlicher Gebundenheit — mehrtägige unbedeutende Blutungen aus dem 
Genitale. Auch in der Klinik wurde eine eintägige geringe Blutung aus 
dem Genitale, bei leichten Kreuzschmerzen, beobachtet. Seit einigen Jahren 
dann und wann, meist unter geschlechtlicher Erregung, deren Mittelpunkt 
stets ein weibliches Wesen ist, und unter Erektion des Geschlechtsgliedes 
Absang von weisslich-schleimiger Flüssigkeit. ° Spermien wurden in dem 
gelegentlich untersuchten Schleim, der vor dem Genitale lag, nicht nach- 
gewiesen. 

Das Individuum sucht die Klinik auf in dem sehnlichen Wunsche, 
auch seinen Körper so umgestaltet zu sehen, dass jeder ihn als männlichen 
anerkennen müsse. 

Körpergrösse 155 em: Die Formen sind gut gerundet. Ganz geringer 
Bartanflug auf der Oberlippe. Kehlkopf wenig prominent. Basaler Umfang 
des Brustkorbes überragt den Beckenumfang nicht. Becken breit und flach. 
Schamhaargrenze etwas oberhalb des Schambeinrandes horizontal abschneidend. 
Sehr deutliche Michaelissche Raute. 

An der Symphyse ist ein penisartiger Körper (4 cm lang, 6,5 cm 
Umfang) angeheftet, mit Präputium und mit etwa haselnussgrosser Glans 
(vergl. 1. c. Taf. II. Nach unten setzen sich zwei wulstige, stark behaarte 
Hautfalten an, die hinten durch eine breite Kommissur vereinigt sind; 
zwischen ihnen ein Orificium, entweder die äussere Mündung der weiblichen 
Urethra oder eines Canalis urogenitalis. Eine Entscheidung kann nicht 
getroffen werden. (Andeutung kleiner Labien ?) 

Vor der Öffnung des rechten Leistenkanals ein über kirschgrosser, etwas 
länglicher reponierbarer Körper mit glatter Oberfläche und von solider mittel- 
fester Konsistenz. Uterus (per reetum in Narkose) nicht fühlbar. Links im 
Becken über einem walzenförmigen bleistiftdicken ein etwa kastaniengrossar, 
leicht höckeriger Körper, dessen Konsistenz etwa der eines Ovariums bezw. 
Hodens entspricht. 

Im ganzen sind im Bau des Körpers männliche und weibliche Typen 
miteinander innig gemischt, wenn auch das weibliche Element bis zu einem 
gewissen Grade vorherrscht. Am Genitale selbst scheint der männliche 
Typus zu überwiegen. 

Das Individuum willigt in die zwecks Geschlechtsbestimmung vor- 
geschlagene Probeexzision aus dem vor dem rechten Leistenkanal gelegenen 


164 Ludwig Pick: 


als Keimdrüse angesprochenen Körper ein. Bei der Operation (l. c. Taf. IT) 
erweist sich der gefühlte Körper als etwas über kirschgross, eiförmig, von 
der Konsistenz etwa eines normalen Hodens, bei glatter spiegelnder Ober- 
fläche und hellgelbbräunlicher Farbe. An dem einen Pol setzt sich ohne 
eine erkennbare Organgrenze ein etwa erbsengrosser, mehr weisser und 
derberer Knoten an. Ausserdem findet sich eine 7 cm lange Tube mit 
Ostium, von etwa Zweistreichholz-Dicke, befestigt an einer dünnen, fleder- 
mausflügelartigen Peritoneallamelle (Ligamentum latum). In dieser fast 
unmittelbar unter dem distalen Tubenende ein Parovarium, etwa ein Drittel 
so lang als die Tube. Die Keimdrüse ist an der Peritoneallamelle fixiert. 
Ausserdem in letzterer ein Vas deferens und 1 cm von der Keimdrüse 
entfernt und ganz getrennt von ihr eine etwa halberbsengrosse, höckerige, 
gelblichweisse Epididymis. 

Von der Keimdrüse werden aus beiden Teilen zwei kleine Keile 
exzidiert. Auf dem Schnitt Hodenteil gelblich, zart gekörnt, der neben- 
gelegene Knoten (Eierstocksteil) derb, grauweiss, streifig. 

Tube und Parovarium wird abgetragen: auch aus dem neben dem Vas 
deferens gelegenen Körper (Epididymis) wird ein kleines Stück ausgeschnitten. 
Parovarium (l.c. Taf. I, Fig. 5) und Epididymis (Fig. 6) werden durch mikro- 
skopische Untersuchung identifiziert. Für die Keimdrüse ergibt sich: 

1. Eierstocksteil: stark ausgebildete Albuginea mit zum Teil 
erhaltenem Keimepithel. Ovarialrindenstroma mit Primordialfollikeln ohne 
weitere Entwicklungsstadien (Fig. 1 und 2). 

2. Hodenteil (Fig. 5 und 4): lockeres; schr zartes Bindegewebs- 
stroma mit Zwischenzellen, meist in kleinen Häufchen und Zügen (Reinkesche 
Kristalle im Zwischenzellplasma). 

Die Bilder der Hodenkanälchen gleichen vollkommen den von Felizet 
und Branca für den Leistenhoden Erwachsener aufgestellten Typen a und b, 
den „cellules de Sertoli ä protoplasma commun* und den „formations colum- 
naires ou coniques implantdes perpendiculairement ou obliquement sur la 
paroi propre“. 

Die Wand der Hodenkanälchen ist teils die typische fibrös-elastische 
Membran, meist aber zeigt diese hyaline Degeneration, so dass das Lumen 
stellenweise fast völlig erdrückt ist. Dem Epithel fehlen „alle Zeichen der 
Spermatogenese*. 

Das ganze Bild „entspricht einer Hodenpartie im Ruhestadium, zu- 
gleich mit schweren degenerativen Veränderungen‘. 

Doch stammt das exzidierte Stück aus der den Hilus entgegengesetzt 
gelegenen Konvexität der Drüse. Da die von dem Rete testis entfernten 
Partien im Leistenhoden der Regel nach in ihrer Entwicklung am meisten 
zurückgeblieben sind und am frühesten regressive Veränderungen erleiden 
(Finotti), so möchte Simon in seinem Befunde einen sicheren Beweis 
für die Funktionslosigkeit des Hodens nicht sehen. 


II. Fall O. Uffreduzzi (69a, b und c). 


Uffreduzzi machte seine Beobachtung, die von ihm erschöpfend in 
mehreren Publikationen behandelt ist, an einem 7jährigen, als Mädchen er- 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 165 


zogenen Kind, bei dem im Spiel mit seinen Altersgenossen mehr knabenhafte 
Neigungen aufgefallen waren. Bei dem Kind bestanden doppelseitige äussere 
(schräge) Leistenhernien, die auf einer Seite zweimal zu Inkarzerations- 
erscheinungen geführt hatten. Die Eltern wünschten eine Radikaloperation 
dieser Seite und gleichzeitig eine Feststellung des ihnen fraglichen Geschlechts. 
So kam das Kind in die Hände des Arztes. 

Der allgemeine äussere Eindruck, besonders auch der des Gesichts 
des Kindes, war ein weiblicher. Das Haupthaar ist lang. der Fettansatz 
reichlich, und die Formen sind so gerundet, dass die Muskelkonturen aller- 
wärts verdeckt sind. Brüste nicht entwickelt, Becken ohne Besonderheit. 

Das äussere Genitale zeigt ein 3—4 cm langes penisartiges undurch- 
bohrtes Gebilde, etwas darunter die auffallend weite Mündung der Urethra — 
also im ganzen einen Zustand von Hypospadie:; ferner zwei nicht verwachsene 
Serotalhälften, in denen jederseits ein kleines hartes, bewegliches und empfind- 
liches Körperchen gefühlt wurde; letztere werden als Leistenhoden ange- 
sprochen. Die Untersuchung (auch per rectum) ergab Fehlen von Vagina, 
Uterus, Prostata. So wurde ein Pseudohermaphroditismus masculinus. eine 
Hypospadie mit Kryptorchismus angenommen. Bei der Herniotomie (auf 
welcher Seite ist nicht angegeben) fand sich im Bruchsack Hoden. Neben- 
hoden und Vas deferens, in einen Samenstrang übergehend, der durch den 
Leistenkanal zieht. Am oberen Pol des Hodens ein weisslicher Körper, 
ähnlich einer Verdickung der Albuginea, mit einer an den Nebenhoden ge- 
löteten Zyste von 1,5 mm Durchmesser. Alle diese Gebilde wurden exstirpiert. 

Der Hoden besitzt eine typische Albuginea und ein Stroma aus kern- 
armem Bindegewebe; er ist in typischer Weise lobuliert (Läppchen von 
0,2—0,5 mm Durchmesser). Die Auskleidung der mit tibrös - elastischer 
Membran versehenen Hodenkanälchen (bei einem Durchmesser von 33—A0 x) 
bilden plasmatisch verschmolzene Sertolizellen (ein „follikuläres Synzytium“) 
bei radiärer Stellung der länglichovalen, gut gefärbten, in einfacher Lage 
vorhandenen Kerne. Archispermiozyten fehlen. Die Kerne mit je einem 
Nukleolus lagern nahe der Membrana propria. Die plasmatische Substanz 
ist gekörnt. Ein Lumen in den Kanälchen fehlt. 

Gut ausgebildetes, obschon etwas rudimentäres Rete testis in dem an 
die Epididymis grenzenden Teil. Das relativ reichliche kernarme Binde- 
gewebsstroma ist frei vonZwischenzellen. Die Drüse ist „vollkommen 
identisch mit einem kindlichen Hoden von leicht zurückgebliebener Ent- 
wicklung in der Periode der zellulären Unitikation (follikuläres Synzytium)“ 


bezw. „mit einem kindlichen retinierten Hoden“. 

Gegen den oberen Hodenpol wird das Bindegewebe allmählich dichter 
(„poco a poco piü duro“), kernreicher und enthält typische Primordial- 
follikel (von 35—40 u Durchmesser) mit Primordialeiern und Follikelepithel, 
das an einigen Stellen unter kubischer Umformung Stadien einer Weiter- 
entwicklung bietet. 

Die nach dem Nebenhoden gelegene Zyste ist ein typischer Graafscher 
Follikel mit Eizelle (vergl. 69c, Fig. 3 und 4). 

Neben der Epididymis, durch lockeres Bindegewebe dieser angeschlossen, 
liegt eine Tube mit typischem Infundibulum und einer Fimbria ovarica, die 


166 Ludwig Pick: 


zum Eierstock zieht. Das distale Tubenende endet blind, etwas unterhalb 
des Schwanzes der Epididymis, und zwar nicht mehr mit dem Nebenhoden 
verbunden, sondern frei flottierend im Leistenkanal. Ein Parovarium fehlt. 


Ill. Fall J. F. Gudernatsch (23). 


Eine 40jährige Köchin sucht das Krankenhaus auf, um einen Tumor 
der rechten Leistengegend operieren zu lassen. Im linken Leistenkanal ein 
ähnlicher, etwas kleinerer Tumor, der nicht entfernt wurde. 

Äusseres Genitale weiblich, aber ausserordentlich starke Klitoris- 
hypertrophie. Uterus nicht fühlbar. Um die Urethra ein prostataähnlicher 
Körper, doch will Verfasser sich mangels mikroskopischer Untersuchung 
nicht bestimmt entscheiden. Behaarung des Körpers von weiblichem Typus. 
Becken geräumig. Umentwickelte Brüste. Kehlkopf äusserlich von männ- 
lichem Typus. Die Patientin fühlte sich als Weib und hatte stets als solches 
gegolten. Menstruation war nie vorhanden gewesen. Geschlechtsverkehr 
hatte niemals stattgefunden: die Libido fehlte. 

Die exstirpierte Geschwulst präsentierte sich als Testikel mit Epididymis, 
von den Maben 6:5:5 cm. 

(Die Präparate wurden in New-York von James Ewing, in Prag von 
Prof. A. Kohn und von den Mitgliedern des VIII. Internationalen Zoologen- 
kongresses in Graz begutachtet und als Ovotestis anerkannt; vergl. oben S. 134.) 

1. Hodenteil. Sehr starke Tunica albuginea. Das Hodengewebe 
zeigt an den meisten Stellen (nicht überall) die „typische hyaline* Degene- 
ration der Samenkanälchenmembranen des Säugetierhodens bei Retentio 
inguinalis. Der mittlere Durchmesser der Tubuli contorti ist weit geringer 
als normal. Das auskleidende Epithel besteht aus einer einfachen Schicht 
von Sertolizellen. Keine Spermatogenese bezw. Zelltypen dieser Reihe 
(there are no indications of spermatogonia, spermatids or spermatozoa). Die 
Sertolizellen zeigen verschiedene Stadien der Degeneration, entsprechend 
den Befunden Finottis. 

Durch zentralwärts vordrängende hyaline Degeneration der inneren 
Schichten der Tunica propria der Samenkanälchen erfolgt oft unter völligem 
Zugrundegehen der Epithelien vollkommene Obliteration. Die noch erhaltenen 
bindegewebigen Teile der Membrana propria führen gleichzeitig elastische 
Fasern. 

Es besteht eine ausserordentlich starke Vermehrung der Zwischen- 
zellen, so dass die Samenkanälchen stellenweise auseinandergedrängt werden. 
Dabei erscheinen die Zwischenzellen, zwischen denen Bindegewebsfasern nur 
sehr spärlich zu sehen sind, von „normaler Beschaffenheit“. Reinkesche 
Kristalle enthalten sie nicht. Die Zwischenzellen liegen entweder in kleinen 
unregelmässigen Gruppen oder schmalen Strängen, oft aber in bedeutenden 
dichten Haufen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um die in 
kryptorchischen Hoden gewöhnliche Vermehrung. 

Rete testis, Vasa 'efferentia, Nebenhoden und Vas deferens sind vor- 
handen. Im Lumen der Nebenhodenkanälchen zelliger Detritus, feingranulierte 
Massen und zahlreiche Konkremente. Das Epithel des Nebenhodenkopfes ist 
stellenweise stark degeneriert. Es ist zum Teil gleichmässig, niedrig kubisch, 


iR 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 167 


zum Teil von gewöhnlicher Anordnung, d. h. von normalem Wechsel der 
kubischen und zylindrischen Zellen. Für die Kanälchen mit flacher Zell- 
auskleidung betont der Verfasser die Ähnlichkeit mit der Parovarialstruktur. 
Die Zusammensetzung des Ductus epididymidis ist normal. Das Vas deferens 
besitzt eine sehr dicke Muskulatur. 

2. Eierstocksteil. Der weibliche Anteil der Keimdrüse ist 
repräsentiert durch ein rudimentäres Ovarium in der Form eines kleinen 
3:2:2 mm messenden Knotens. Es liegt (vergl. Taf. I, Fig. 1) in einer 
kleinen zystischen Kavität der Tunica, zwischen dem Hoden und Neben- 
hodenkopf. Das Stroma des Körperchens ist das typische spindelzellige des 
Eierstocks, eine Rinden- und Markschicht lassen sich unterscheiden. In der 
Rindenschicht ist das Bindegewebe dicht und zellreich und führt nur un- 
bedeutende Blutgefässe. Die Zellen liegen in Strängen oder Wirbeln. In 
der Marksubstanz ist das Bindegewebe weniger zellreich und führt grosse 
geschlängelte Blutgefässe. An der Oberfläche eine einfache Schicht kubischen 
bis zylindrischen Epithels (vergl. 1. c. Fig. 5, 6 und 7 auf Taf. III). In dieser 
Zellschicht sind einzelne Elemente grösser, die Kerne bedeutender und rundlich, 
chromatinärmer als die der Nachbarzellen. Sehr wahrscheinlich sind diese 
Elemente Primordialeier, obschon eine bestimmte histologische Diagnose sich 
nicht stellen lässt (a definit diagnosis cannot be made. However the decision 
that the body is ovarian in structure is sufficiently warranted by the typical 
stroma with its surface epithelium). Ebenso fehlt vollständig die Bildung 
von Primordialfollikeln oder weiteren Entwicklungsstadien. Verfasser ver- 
weist auf die Analogie dieses Befundes mit der Tatsache (l. c.. 8. 272 u.), 
dass bei allen Fällen von Hermaphroditismus (wahrem oder falschem) der 
epitheliale Teil des Eierstocks eine Unterentwicklung zeigt. 


IV. Fall Ernst Salen (57). 


Über den Fall von Ernst Salcn (Stockholm) ist zum erstenmal auf der 
zweiten Tagung der Deutschen Pathologischen Gesellschaft in München 1899 
(durch Ernst Ziegler) berichtet worden. Ich gebe diesen Bericht hier 
zunächst wörtlich wieder: 

„Augusta Persdotter, 43 Jahre, unverheiratet. Monatliche Regel 
seit dem 17. Jahre. Passive Coitusversuche schmerzhaft; keine aktiven. 

Weiblicher Habitus. Klitoris penisähnlich, beinahe 5 cm lang, mit 
haselnussgrosser Glans. Labia majora und minora normal entwickelt. In 
das Vestibulum münden die Urethra und die Vagina aus, die letztere aus 
einem feinen Gange, in welchen eine Sonde 8 cm weit hineingeführt werden 
kann, bestehend. Im November 1898 Laparotomie: Exstirpation eines zystischen 
mannskopfgrossen kurzgestielten Myoms plus Kastration. 

Der Uterus war etwas vergrössert, mit mehreren kleinen Myomen 
besetzt. Beiderseits fand man die Tube und die Ligamente normal und an 
dem gewöhnlichen Platze des Oyariums eine Geschlechtsdrüse. Von der 
Klinik den 5. Januar 1899 gesund entlassen. 

Die Untersuchung der Geschlechtsdrüsen ergab linkerseits 
ein ziemlich kleines höckeriges Ovarium mit Graafschen Follikeln und 
Eiern; rechterseits eine Zwitterdrüse, deren eine Hälfte Eierstocks- 


165 Lwdwig’Pick: 


gewebe, deren andere Hodengewebe zeigte. Der Ovarialteil ist grob- 
höckerig, von gelber Farbe und derber Konsistenz und zeigt bei der mikro- 
skopischen Untersuchung Graafsche Follikel und ganz typische Eizellen 
in einem spindelzellreichen Stroma eingebettet. 

Der Hodenteil ist eben, von ziemlich weicher Konsistenz, mit weiss- 
slänzender Tunica albuginea. Das Parenchym ist locker, von braun- 
srauer Farbe und von weissen Bindegewebssepta durchzogen; mikroskopisch 
zeigt es Tubuli seminiferi, die in einem lockeren, von grösseren und 
kleineren Anhäufungen fett- und pigmentreicher Zwischenzellen durch- 
setzten Bindegewebsstroma liegen. Die Tubuli sind stark geschlängelt, von 
beinahe gleicher Weite. Ihre Membranae propriae sind grösstenteils 
verdiekt, sehr reich an konzentrisch angeordneten elastischen Fasern. 
Das Epithel besteht aus Follikelzellen und Sertolischen Zellen. Nirgends 
Spermatogonien oder andere Samenzellen. 

Die Struktur zeigt im wanzen eine auffallende Ähnlichkeit mit der- 
jenigen des ektopischen Hodens nach der Pubertät.“ 

Diese Mitteilung — die erste eines sicheren Falles von H. A. verus 
beim Menschen — ist sehr kurz gehalten und durch Abbildungen nicht unter- 
stützt, Mängel, die, wenn auch dem Fall die Beweiskraft allerwärts zugestanden 
wird, doch gelegentlich nicht ohne Berechtigung hervorgehoben werden (vergl. 
z.B.Sauerbeck, S. 340). Sal&ens auch mir gegenüber vor etwa 11 Jahren 
geäusserte Absicht, eine genaue Darstellung des Falles zu geben, wurde 
durch seinen allzu frühen Tod zunichte. Seine Präparate, Photographien 
und seine mit grosser Kunst und Sorgfalt angetertigten Zeichnungen über- 
nahm aus der Hand von Dr. Sal&ns Gattin, Frau Dr. Siene Salen, jetzt 
Frauenärztin in Stockholm, Salens Freund, Herr Prof. Ulrich Quensel, 
Direktor des Pathologischen Instituts der Universität Upsala. 

Ich hatte noch bei Lebzeiten Sal&@ns von ihm selbst eine Anzahl von 
Schnitten, mit denen das Wesentliche seiner Mitteilung zu belegen war, 
erhalten und diese der Sammlung der Landauschen Klinik einverleibt. 
Diese Schnitte sind gelesentlich auch bereits von mir selbst und später von 
Herın Theodor Landau (40) in der Berliner Medizinischen Gesellschaft 
vorgelegt worden. 

Mit der Zeit hatte dieses kostbare Material nun allerdings von seinem 
Demonstrationswert so gut wie alles verloren, weil die mit Thionin oder 
nach van Gieson gefärbten Schnitte vollständig ausgeblasst waren. Ich 
musste daher an eine Umfärbung bezw. Nachfärbung der Schnitte (mit 
Hämalaun, Hämalaun-Eosin, van Gieson, Karmin und Weiwerts Elastica- 
färbung) gehen, die erfreulicherweise vollkommen gelang. 

Zugleich stiess ich aber bei der Nachuntersuchung dieser neugefärbten 
Schnitte auf Befunde, von denen Sal&n nach dem eben zitierten Text seiner 
damaligen Mitteilung ausdrücklich bemerkt, dass er sie nicht getroften 
habe. Sie bedeuteten für den Fall eine gewichtige Ergänzung, für die ganze 
Frage des H. A. verus eine grundsätzliche Erweiterung. 

Es musste unter diesen Umständen von ganz besonderem Werte sein, 
auch das übrige Material des Falles nach diesen weiteren Gesichtspunkten 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 169 


zu untersuchen, und so begrüsste ich mit grosser Freude das rückhaltlose 
und liebenswürdige Entgegenkommen von Frau Dr. Sal@n und Herrn Kollegen 
Quensel, die mir das gesamte anatomische Material des Falles, alle Schnitte 
sowohl wie die noch vorhandenen Zelloidinblöcke, nebst sämtlichen Sal&nschen 
Zeichnungen und (zum Teil stereoskopischen) Photographien, auch den Nega- 
tiven, in die Hände legten. Beiden zolle ich für ihre ganz besondere Freund- 
lichkeit auch an dieser Stelle herzlichen Dank. 

Die von Ernst Sal@n angefertigten Zeichnungen sind auf Taf. X (Fig. S 
und 9), Taf. XI (Fig. 11) und Taf. XII (Fig. 6, 7 und 10) reproduziert. Die 
Textfig. 4 und 5 sind Zeichnungen, die nach den damaligen photographischen 
Aufnahmen Sal&ns jetzt hergestellt sind; Fig. 12 auf Taf. XI ist unter 
Anlehnung an eine Originalzeichnung Sal@ns angefertigt. 

Die Schnitte, die bis auf wenige gleichfalls mehr oder minder aus- 
gefahlt waren, habe ich wiederum nach- bezw. umgefärbt. Die Härtung 
des Materials war in Formalin geschehen, die Einbettung in Zelloidin bezw. 
Paraffin erfolgt. Kleine Stückchen der Hodensubstanz waren auch in 
Flemmingscher Flüssigkeit fixiert. Von Färbungen wurden von mir an- 
gewendet: Hämalaun, Hämalaun-Eosin, Hämalaun-van Gieson, Eisen- 
hämatoxylin nach Heidenhain und Hansen, Eisenhämatoxylin-van 
Gieson nach Weigert, Weigerts Elastikafärbung mit Karmingegen- 
färbung, Orcein nach Unna-Tänzer. 

Salen nennt den Habitus der Augusta P. weiblich. Die 
Brüste sind in der Tat gut entwickelt. Doch spielt (Fie. 4) der 
grobe Schnitt des Gesichts und der gegenüber der weiblichen 
sanften Rundung mehr eckige Kontur der Schultern und oberen 
Extremitäten sowie die grobe Form der Hände entschieden in 
das Männliche hinüber. 

Vom Genitale liegen mir drei photographische Original- 
Aufnahmen vor. Ich habe zur Reproduktion Fig. 5 gewählt. 
weil die Hypertrophie der Clitoris und ihrer Glans, andererseits 
die Norm der grossen und kleinen Labien, darauf ausgezeichnet 
zum Ausdruck kommt. Weiblich ist auch die gut sichtbare 
horizontale Begrenzung der Behaarung des Mons veneris nach 
oben hin. Am After treten Hämorrhoidealknoten hervor. 

Fig. 6 auf Taf. XII zeigt die durch die Kastration gewonnenen 
Geschlechtsdrüsen im frischen Zustand gemäss der Salen schen 
Originalzeichnung. 

Die grösste Länge der rechtsseitigen Zwitterdrüse (rot) ist 
mit 4, die grösste Breite mit 2,5, die geringste Breite mit 2, 
die grösste Dicke mit 1, die kleinste mit 0,5 cm angegeben. 
Die beiden auf Fig. 6, Taf. XII, oben gelegenen Figuren stellen die 
/witterdrüse mit gleichgrossem Eierstocks- und Hodenteil, von 


170 Ludwie Pick: 


den beiden Seiten betrachtet, dar. An der rechts gelegenen ist 
auch die Abtragungsstelle vom Ligamentum latum deutlich. 

Die groben Höcker des gelbgefärbten (in der Konsistenz 
derben) Eierstocksteils treten (Fig. 6. oben rechts) deutlich hervor. 
Auch die weissglänzende Albuginea des (ziemlich weichen) glatten 
Hodenteils ist auf dieser Figur deutlich. 

Auf der (Gegenfläche des Ovotestis (Fig. 6, oben links) besitzt 
der Ovarialteil kleinere Höcker, die Albuginea ungleichmässige 


Dicke, so dass grauweissliche Streifungen auf der grösstenteils 
mehr braungrauen Oberfläche entstanden sind. 

Auf dem etwas über die Mittellinie hinausgeführten Durch- 
schnitt (Taf. XI, Fig. 6, drot) ist der Ovarialteil gegen den Hoden- 
teil scharf abgesetzt. Ersterer erscheint wiederum ausgesprochen 
gelb. letzterer braungrau (locker). 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 1e03 


Im Eierstocksteil liegen drei zystische Follikel und ein 
Corpus candicans. Eine besondere Markzone ist nicht vorhanden. 

Der Hodenteil besitzt für das blosse Auge, wie eben erwähnt, 
eine scharfe grauweissliche Abgrenzungslinie gegen den Eierstocks- 
teil hin (Fortsetzung der Albuginea ?), und namentlich in der Nähe 
dieser Linie, aber auch in den anderen Abschnitten des Parenchyms 
erauweissliche, gegen den (in der Fig. 6, drot, unteren) freien Pol 
hin etwas regelmässiger radiär angeordnete Bindegewebsseptula. 


Fie. 5. 


Gleichzeitig lehrt aber auch der Durchschnitt, dass unterhalb der 
Albuginea des Hodens die Eierstockssubstanz, zum mindesten auf 
einer Seite, noch über die Mitte des Organs hinaus auf den 
Hodenteil hinüberzieht. Denn es erscheint auf dem abgebildeten 
Durchschnitt (drot) — ebenso auch (Fig. 7) auf den durch die 
ganze Dicke des Organs geführten mikroskopischen Schnitten — 
unten links eine kleine, die Hodensubstanz einbuchtende, um- 


172 EudwielPick: 


schriebene gelblich-weissliche Gewebsmasse, die von Salen in 
den den Figuren beigegebenen Notizen ausdrücklich als Ovarial- 
substanz bezeichnet ist. 

Das linke ziemlich kleine Ovarium ist (auf der Original- 
zeichnung; vergl. Taf. XI. Fig. 6) 27 mm lang und 13—14 mm 
breit. Salens Angaben bedürfen zu diesem Punkte weder in 
makroskopischer noch in mikroskopischer Richtung — es ergaben 
sich für die Eierstocksstruktur typische Befunde (Primordialfollikel 
bis zu Graafschen Follikeln reifend) — einer Ergänzung. 

Die mikroskopischen Übersichtsschnitte (Taf. XIL, Fig. 7) ent- 
sprechen dem auf Taf. XII, Fig. 6 unten links (drot) dargestellten 
Durchschnitt. Im Hodenteil (h) wird die in dem genannten 
Bezirk augedeutete septierte Anordnung der Hodenkanälchen (hk) 
noch deutlicher; andererseits wird der makroskopische Befund 
insofern etwas korrigiert, als die (bis 215 « dicke) Albuginea (at) 
sich als solche keineswegs zwischen Hoden und Eierstocksteil 
als Grenzmembran einschiebt. 

Letzterer (o) liefert in allen seinen Abschnitten, auch in 
dem sich über den Hodenteil schiebenden Ausläufer (0°), ein dem 
Alter der Trägerin vollkommen entsprechendes normales Bild, 
nur fehlt ein Markteil auch bei mikroskopischer Betrachtung 
ganz. Das Keimepithel ist nicht selten erhalten, besonders in 
den flacheren Nischen und tieferen Buchten zwischen den Höckern 
der Oberfläche. Stellenweise ist eine schmale, ziemlich hyaline 
Albuginea deutlich. Das Stroma ist durchweg das typische klein- 
und spindelzellige der normalen Eierstocksrinde (Taf. X, Fig. S 
und 9 ostr bezw. str). Primordialfollikel sind nur noch spärlich 
vorhanden, daneben alle Stadien des Wachstums bis zum Graaf- 
schen Follikel (Fig. S, Grf und Fig. 9). Das auf der Schnittfläche 
(Fig. 6, drot) getroffene Corpus luteum (Fig. 7, cl) ist von gewöhn- 
licher Zusammensetzung, noch ziemlich frisch; das geronnene Blut 
im Zentrum ist in einer schmalen peripherischen Zone organisiert. 
Typische Corpora candicantia und fibrosa (narbige Stellen im 
Stroma) fehlen nicht. Daneben sind in grösster Häufung grössere 
und kleinere Komplexe wellig-hyaliner Bänder (Fig. 8, atıf) als 
Produkte der physiologischen Follikelatresie in das Stroma ein- 
gesprengt. Dicht unter der Oberfläche finden sich vereinzelte 
(wohl vom Keimepithel herzuleitende), mit einschichtigem Epithel 
ausgekleidete kleine Zystchen. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 113 


Die grossen, auf dem Durchschnitt getroffenen Follikelzysten 
(vergl. auch Fig. 7, fe und fe‘) haben, wie gewöhnlich, eine Aus- 
kleidung mehrschichtigen Granulosaepithels. Die Blutgefässe im 
Eierstocksgewebe, besonders die kleinen Arterien, zeigen nicht 
selten, auch bei Blastikafärbung, mehr oder weniger hyaline 
Wandungen. 

Der Übergang des Eierstocksteils in den Hodenteil ist ent- 
sprechend dem makroskopischen Eindruck ein unvermittelter 
(NAT Eiee 7a Tat, Fig: 8). 

Das spindelzellreiche Stroma des Ovariums (Fig. 8, ostr) wird 
unmittelbar abgelöst durch das bedeutend zell- bezw. kernärmere 
Stroma des Hodens. Dieses (Fig. 5, hstr; auch Taf. XII, Fig. 10 str’ 
nebst Taf. XI, Fig. 11 und Fig. 12, str) wird dargestellt durch ein 
lockeres fibrilläres, zu einem grossen Teil leicht hyalin erscheinendes 
(mit Eosin stark getöntes) Bindegewebe von höchstens mittlerem 
Kernreichtum; es führt kleine normal strukturierte Arterien und 
Venen (Fig. 12, blg). Allerdings ist die Grenzlinie zwischen Hoden 
und Eierstocksstroma nicht allerwärts eine Iinienscharfe, vielmehr 
greifen beide auf manchen Strecken zahnartig ineinander. 

In einem grossen Teil der unmittelbar an den Eierstock 
grenzenden Hodenzone breitet sich flach ein relativ reich ent- 
wickeltes, gegenüber der Norm freilich etwas rudimentäres Rete 
testis aus (Fig. 7 und Fig. 10, rt). 

Hierbei sind einzelne Kanälchen des Rete bis an das spindel- 
zellige Ovarialstroma unmittelbar herangeschoben oder sogar schon 
von ihm umschlossen. Ebenso einzelne der gleich zu beschreiben- 
den Hodenkanälchen, die sich unmittelbar an das Rete schliessen. 
Ausserdem ist in dem Bereich des Rete das Bindegewebsstroma 
an sich weniger locker, faser- (nicht zell-) reicher, so dass ein 
gewisser (regensatz zu dem mehr lockeren Stroma zwischen den 
Hodenkanälchen besteht (Fig. 10, str und str’). 

Eine Steigerung der in gewissen Hodenabschnitten vor- 
handenen makroskopischen Septierung (vergl. auch das Übersichts- 
bild Taf. XII, Fig. 7) in Form einer irgendwie mikroskopisch 
deutlicheren, sei es regelmässigen oder unregelmässigen Läppchen- 
form, ist nicht vorhanden, auch nicht in dem vom Rete testis 
ganz entfernten Hodenabschnitt. 

Die einzelnen Hodenkanälchen (Fig. Ss, 10 und 11, hk) sind 
bald durch geringere, bald durch reichlichere Stromamasse von- 


174 Ludwig Pick: 


einander getrennt, die in ihrer (resamtquantität die Gesamtmasse 
der Hodenkanälchen sicherlich übertrifft (vergl. Fig. 7). An der 
Oberfläche ist das Stroma zu einer typischen kräftigen Albuginea 
(Fig. 11, at) verdickt. Das Kaliber der stark gewundenen 
Kanälchen schwankt in nicht sehr erheblichen Grenzen. Es be- 
trägt im Mittel 125 «, die kleinsten Formen messen 90 u. die 
grössten 165 « im Durchmesser. 

Die zellige Auskleidung bietet ziemliche Variationen, 
doch lassen sich leicht dabei drei Typen (Fig. 12) unterscheiden :') 

}. Kanälchen mit völliger Füllung des Lumens (t!) durch 
srösstenteils plasmodial verschmolzene Elemente. Nur da und dort 
werden äusserst zarte Zellgrenzen sichtbar. Das, was von Zyto- 
plasma erkennbar ist, ist durchsichtig, nur leicht feinkörnig trübe. 
Die Kerne sind kugelig oder doch rundlich, ziemlich hell, mit 
deutlichen Kernkörperchen versehen. Solide Formationen dieser 
Art sind durchaus in der Minderzahl. Zuweilen ist die plasmodiale 
Masse auch von grösseren oder kleineren Vakuolen durchbrochen. 

2. Ganz überwiegend sind die Kanälchen von mehreren bis 
vielen epithelialen zelligen Lagen ausgekleidet (Fig. 12,t°, auch 
hk in Fig. 8 oder Fig. 11). Die Kerne sind die nämlichen wie 
bei dem sub 1 geschilderten Typus. Ebenso sind die Zelleiber, 
wie das Zytoplasma dort, durchsichtig. Ihr Kontur ist sehr un- 
regelmässig; die Zellindividuen sind nicht gerade selten wenig 
deutlich getrennt. Von diesen zuweilen kegelförmig vorspringenden 
Elementen aus führen feine netzförmige Fortsätze in das Lumen 
hinein, und durch den Zusammenfluss dieser Fortsätze entsteht 
ein das Lumen kreuz und quer oft (aber keineswegs immer) voll- 
kommen durchsetzendes grossblasiges oder schaumiges Netzwerk, 
wobei sich auch einzelne Kerne zentralwärts vorschieben. 

Es kann diese die Lichtung füllende Vakuolenmasse so 
überwiegen, dass nur mehr eine einzige Zell- bezw. Kernreihe 
in der Peripherie des Kanälchens übrig ist. 

3. Wiederum der Zahl nach zurücktretend sind Formen (t °), 
deren Auskleidung durch lange hohe schmale Zylinderzellen mit 
stärker gefärbtem Protoplasma und basalen Kernen in emfacher 
. Lage gebildet wird. Sie sind um ein zentrales Lumen radiär 

!) Für die Beschreibung werden zweckmässig reine Querschnitte der 
Kanälchen gewählt, um alle Trugbilder, die betreffs der zelligen Füllung der 
Lumina bei Oberflächenschnitten entstehen könnten, auszuschliessen. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 175 


gruppiert. Auch diese Elemente erscheinen mehr oder minder ver- 
schmolzen — eventuell wiederum auch vakuolisiert —, und das Lumen 
kann durch ihren zentripetalen Zusammenschluss aufgehoben sein: 

Die Membrana propria der Hodenkanälchen ist durchweg 
gut ausgesprochen. Zu einem kleinen Teil besteht sie aus feinen 
konzentrischen collagenen Faserlagen mit ziemlich kräftig ge- 
färbten spindeligen Kernen und leicht darstellbaren sehr reich- 
lichen elastischen konzentrisch geordneten Beimengungen. Aber 
meist zeigt sie insofern Veränderungen, als ihre innerste Schicht 
zu einem zunächst zarten, dann breiteren, ganz fein gefaserten 
hyalinen Band aufquillt. Das Band ist meist frei von Zellen 
bezw. Kernen, auch von elastischen Fasern, und mit Eosin sehr 
lebhaft gefärbt (Fig. 10, mpr). 

Die zentripetal vordrängende hyaline Umwandlung der Mem- 
brana propria führt zur spaltförmigen Einengung des Lumens, 
dann zum Schwund der Epithelauskleidung und schliesslich zur 
völligen Obliteration des Hodenkanälchens, dessen Kontur peri- 
pherisch meist noch durch erhaltene spindelige Kerne und zarte 
elastisch-konzentrische Fasern um das auf dem Querschnitt wellig 
gewulstete breite hyaline Band angedeutet ist. 

Sowohl die genannten epithelialen Typen in der Auskleidung 
der Kanälchen wie die verschiedenen Degenerationsstadien der 
Membrana propria sind in der reeellosesten Art kombiniert und 
dabei durch vielerlei morphologische Zwischenformen verbunden. 

Ebenso regellos ist das im ganzen ziemlich häufige, wenn 
auch keineswegs vorstechende Auftreten von Zwischenzellen 
(Fig. 11, zw). Sie sind entweder frei im Stroma oder öfter an 
einzelne oder gruppierte Hodenkanälchen gebunden in stark 
wechselnder Anordnung, bald in grösseren, bald in kleineren 
Komplexen, bald zu kleinsten Inselchen vereinigt, zu finden. Die 
einzelnen Elemente sind polyedrisch und führen den runden, 
mässig hellen, mit Kernkörperchen versehenen Kern meist zentral. 
Das Plasma ist entweder sehr reichlich und hat äusserst zahl- 
reiche feinste bräunliche Pigmentgranula, an den Flemming- 
Präparaten auch durch Osmiumsänre geschwärzte kleinere und 
grössere Fettröpfehen, eingelagert. Oder — diese Bilder über- 
wiegen — der Zelleib ist unbedeutend. und die Kerne sind dicht 
aneinandergerückt. Zuweilen sind innerhalb der Zwischenzell- 


massen feine verzweigte Blutkapillaren deutlich. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. Il. 12 


176 Ludwig Pick: 


In den zellig gefüllten Hodenkanälchen sowohl wie in den 
mit Liehtungen versehenen. in den Kanälchen des obigen Typus 1 
und 2, findet sich nun aber noch eine weitere Zellform, die 
ganz besondere Hervorhebung verdient (Taf. IX, Fig. 13a, b).!) 

Es erscheinen ganz distinkte grosse, kugelige, auffallend helle 
Zellen (gz), die durch die besondere Transparenz ihres Protoplasmas 
sich gegen ihre Nachbarelemente stark abheben. Ihr rundlicher 
Kern ist gleichfalls heller als die meist dunklen Nachbarkerne. 
Er liegt zentral und führt ein rundes Kernkörperchen. 

(ranz besonders auffällig aber ist das syntopische Verhältnis 
der Nachbarzellen bezw. ihrer Kerne zu diesen hellen kugeligen 
Zellen: die Nachbarelemente schmiegen sich um ihre Peripherie (kfz) 
und umgeben sie nicht selten mehr oder minder kontinuierlich. 
So kommen förmlich follikelähnliche Anordnungen zustande, in 
denen eine grosse helle zentrale kugelige Zelle — ganz ähnlich 
dem Primordialtollikel im Eierstock — von einer Hüllzellanlage 
abgeplatteter Epithelien umgeben ist. Bilder dieser Art sind 
nicht gerade häufig, aber doch fast auf allen Schnitten zu finden. 
Nicht selten ferner sind die grossen kugeligen Elemente in ein 
und demselben (uerschnitt in grösserer Zahl, gelegentlich sogar 
gehäuft (Fig. 13a, b), zu treffen. 


Teils 
Tabellarische Übersicht der von mir untersuchten 
bezw. wiedergegebenen Fälle. 

Ich gebe im folgenden eine tabellarische Übersicht der von 
mir nen untersuchten Fälle (fünf Tierfälle; Fall Salen) und 
sämtlicher übrigen Fälle von sicherem Hermaphroditismus verus 
beim Menschen, also des älteren Falles von Simon sowohl, wie 
auch der neuen von Uffreduzziund Gudernatsch, nach dem 
Muster der von Sauerbeck erdachten tabellarischen Synopsis. 

Ich habe versucht, in den Kolumnen der Tabelle möglichst 
das zusammenzufassen, was Sauerbeck in seiner Tabelle III 
(„sichere und sehr wahrscheinliche Fälle von H. A. verus bei Tier 
und Mensch“), Tabelle VI („Beschaffenheit der Geschlechtsdrüse 
bei H. A. verus“) und Tabelle VII („Zustand der tubulären und 
konjugalen Geschlechtsteile beiderlei (reschlechts bei H. A. verus“) 


‘') Auch hier werden, um Trugbilder auszuschalten, lediglich Quer- 
schnitte beschrieben. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. ET 


anatomisch analysiert, und ich habe mich darum in der Auf- 
stellung der Rubriken auch möglichst genau an die von Sauer- 
beck aufgestellten Reihen gehalten. So mag meine Tabelle als 
eine unmittelbare Fortsetzung der mühevollen Sauerbeck schen 
Zusammenstellung vielleicht von einigem Nutzen sein. 

Die Fälle Simon und Salen finden sich auch bei Sauer- 
beck. Ich habe sie, zumal meine Nachuntersuchung im Falle 
Salen die obigen prinzipiell bedeutungsvollen Ergänzungen auf- 
deckte, der gerade für den Menschen von mir erstrebten Voll- 
ständigkeit wegen hier nochmals eingestellt. Sauerbeck (S. 833) 
rechnet gegenüber anderen Autoren!) allgemein Vagina und Pro- 
stata zu den inneren Sexualorganen, den Sinus urogenitalis des 
weiblichen Schweines — mit Recht — zu den äusseren (S. 365). 
Er zählt auch den stark männlichen (vergl. unten) Sinus urogenitalis 
des hermaphroditischen Schweins, bei Pseudohermaphroditismus wie 
bei echtem Hermaphroditismus, zu den äusseren (reschlechtsorganen. 
und hier entspricht der Sinus urogenitalis durchaus der Pars pelvina 
der männlichen Urethra. Nun besitzt aber dieser wie jener unterhalb 
seiner Schleimhaut eine vollkommene Umkleidung durch die Pars 
disseminata prostatae, und so entsteht für die Sauerbecksche 
Auffassung der Widerspruch, dass ein äusseres Sexualorgan — der 
Sinus urogenitalis bezw. die Pars pelvina urethrae — in einer be- 
stimmten Schicht seiner Wand zugleich ein inneres ist, oder aber 
man müsste die Konzession machen, den kleinen Prostatakörper 
des Schweins, der dorsal und seitlich vom Anfang der Pars pelvina 
urethrae liest, zu den inneren, die innerhalb der Harnröhren- 
(bezw. Sinus urogenitalis-)wand liegende Pars disseminata prostatae 
zu den äusseren (reschlechtsorganen zu zählen. 

Ich selbst rechne mit den genannten Autoren die Prostata 
zu den äusseren Organen, habe sie aber, um mit den Unter- 
abteilungen der Sauerbeckschen Tabelle die Übereinstimmung 
zu erhalten, auch in meiner Tabelle unter der Rubrik der inneren 
Organe belassen. 

Lediglich aus praktischen Gründen sind in diese Kolumne 
auch die bulbourethralen Drüsen (Cowperschen bezw. grossen 
vestibularen) eingestellt. 


) Feldmaier, Schönfeld, Brühl: vergl. auch Orth (50) und 
Fibiger (16) bei E. Kaufmann (31a), S. 906. 


178 Ludwig Pick: 


Biel IV; 


Die „phänomenologischen Gesetze“ 
beim Hermaphroditismus verus der Säugetiere und 
des Menschen. 


I. Die seschlechtsdrüsen beim Hermaphroditismus verus. 


Die erste nicht anzuzweifelnde Beobachtung eines H. A. verus 
(H. A. verus lateralis masculinus dexter beim Säugetier [Schwein |) 
stammt aus dem Jahre 1855 (Reuter). Der erste unbedingt 
sichere Fall beim Menschen ist der von Ernst Salen (57) im 
Jahre 1599 berichtete. 

Die sonstigen sicheren Fälle beim Säugetier sind bei Sauer- 
beck (55) eingehend verwertet und tabellarisch zusammengestellt 
(vergl. Tabelle II, II, VI, VII), die beim Menschen von mir 
sämtlich wiedergegeben (vergl. oben Teil I und die Tabelle, Teil III). 

Mit meinen neuen fünf Beobachtungen verfügen wir nun- 
mehr über mindestens zwölf unbedingt gesicherte Fälle beim 
Säugetier, und falls der Fall Gudernatsch (23) mitgezählt 
wird, über vier sichere Fälle beim Menschen. 

Die zwölf sicheren Fälle beim Säugetier sind ausnahmslos 
beim Schwein beobachtet.') 

Ich möchte diese auffallende Tatsache sowohl gegenüber der 
geringen Zahl der Fälle beim Menschen wie gegenüber dem Fehlen 
sicherer Fälle bei anderen Säugern wesentlich durch äussere 
Gründe erklären. Gegenüber den Millionen-Schlachtungen und der 
Millionen-Fleischbeschau an Schweinen, wie sie in den Schlacht- 
häusern der Großstädte tagaus tagein geübt wird, verschwindet 
die (Gesamtzahl der menschlichen Obduktionen, und auch die 
Schlachtzahl anderer Säuger kann damit keinen Vergleich aus- 
halten.?) 


!, Die „sehr wahrscheinlichen Fälle“ betreffen zweimal das Reh (Boas) 
und einmal die Ziege (Mayer), die sicheren und sehr wahrscheinlichen Fälle 
zusammengenommen also insgesamt Haustiere der Huftiergruppe (Sauer- 
beck, S. 692 und 868). 

Auch die am besten und allein genügend beschriebenen Fälle von 
Ps. H. A. der Säuger sind bemerkenswerterweise beim Schwein beobachtet 
vergl. Sauerbeck, Tabeile XIV und S. 864). 

°) Auf dem Berliner städtischen Schlachthofe wurden 1912 geschlachtet: 
1526 000 Schweine gegenüber 998403 Schafen, 248883 Rindern (Bullen, 
Ochsen, Kühen, Jungrindern und Kälbern). 


—— — - em 
männliche weibliche - : Spezielles; 
=, ei RB, 


Neben- | Vas ) Samen = einer © IL dos I 


Genitale I 


Cowpersche 
din defi blası ie " | N | 
a u > au) > Drüsen Her 5 Verha f Bi: 
EONEERUENE Ka : I; Di zZ 
Hoden: 45:45:30. (Keine m 
Ovarium; 19:10:8. Ovarium: 3022345. 1 Pseudo- handen: A 
Hoden: Kein Corpus Highmori. Keine makroskopischen Bäppchen. Hoden- 16c \ samen- Hörner | vor- SET | 
kanälchen ohne Lumen. Epithel vielschichtig, Keine Geschlechtsze) # r L sym- | ‚handen. I 
Kolossale Zwischenzellmasse“ am obersten 
Ovarium: Mark und Rinde Spärliche Primärfollikel Alle Reifestadien. Scheiden- 
Gelbe Körper. Kleine Follikelzysten. e7) abschnitt | 
Zwitterdrüse: Zwitterdrüs } R 
Hoden: 45:40:30, Hoden: 40:35:28, \ Pars disse | ge 
Ovarinm: 40 0. Ovarium etwas grösser als der Hoden. de a ALTEN 1. Iumen- | Klitoris- f n 
= oder seits pustatae ; f [ Hermaplıro- 
Io ‚Hoden: Kein Corpus High! Unregelmässige Läppclen. Hodenkanälchen lünger; L| vor Peendor ae Lg 5 a Je | handen: h Br Ei, .) weiblicher San am | 
| mit Lumen. Epithel einschichtig. Keine Geschlechtszellen Schr starke |, 10cm | handen, am a el a inx | Kolossale | unten; n Wurf. En ar erde 
Zwischenzellmasse, 3 Ä N p: ra, jr weiten: nus Uro- | 
kräftig. e !owper- 'yometra. I 
Ovarium: Mark und Rinde. Primärfollikel wenig deutlich. Alle Reifestadien. SUR Li) ae Kan gonitalis. Wllnteralle. 
| Gelbe Körper. Rechts Follikelzysten. - [5° r aueen: | | sämtliche 
| Zwitterdrüse: Zwitterdrüse: Da j] I TE | Se 1 Tiere |— 
Hoden: 55:37:40, | Hoden: 60:45:42, | | a Er Hörner penisartige en) 
= » 2: riuelb - minata ca. 8 Mon. 
Ovarium: 42:32:40. Ovarium: 56:33:30. oem | Rechts ak 1. Hydro-|  S- ER kt KRlitoris A en 
3 Hoden: Rechtes Corpus Highmori angedeutet, Unregelmässige Läppchen |. j4 cm 4 vor- | Pseudo- | orhnnden: Lig salpinx metrisch, | Janden gesprochen Keen Säle ditismus 
Hodenkanälchen olıne Lumen. Epithel einschichtig. Keine Geschlechtszellen. kekttig, | handen. samen- Bang er] 12 0m; | un | abge- männlich. perforatus) ; lichen ra 
Sehr starke Zwischenzellmasse. blase, ae eniteen)e ählien,) Mnnlicher 
j ji Cowper- leichte schnitten)/noch weiblich.| —. Typus bilnteralis. 
Ovarlum: Markteil nicht ausgesprochen. Keine Primärfollikel. Reifestadien. EEE, | Rydko- RE at. 
Gelbe Körper. Im linken Ovarium Follikelzysten, | | " metra. | [ genttelie. IN seheng 
| A nn vn | e T Pars disse- ZT Re u Zu z Ef) 
[oden: 42:40:30, Keine Drüse (Kastration!) 2 | j bis | | F = 
De Sr } Il B7em,) | yor- | Beider- minata ch E 1. Horn tritt von 30 cm langer Hermaphro 
ST ferttetene) er Nee prostatae | I, MSTENS| kräftig; hinten in Penis; hyper-\ | ditismus 
Hoden: Kein Corpns Highmori. Unregelmässige Läppchen. Hodenkanälchen breit; o "vorhanden; | r. I DOM | mhypos.| Sin | | verus uni- od) 
4 } ze Läpp ro Tpsendo- Mingavor hypo- den Sinus Annlich, | trophisches | j 
ohne bumen, Einf)schiehtiges Epithel, Keine Geschlechtszelen. Reichliche | 0 | (uetm: ausm Oowpersche(nKastre-/ungn plastisch  urogeni- | MENlch” | prapumium; | bilatarslia 
. ? Zwischenzellmasse. ‚Kastra- tlon‘) | blasen Drüse links | tion!) 7.0 (Seite der talis; Präputial- ) (frühere 
Ovarium: polyzystisch-traubig. Keine Primärfollikel, Sehr zahlreiche tion!) | vorhanden, ' (Kastra- Kastra- | Mündung beutel fehlt ‚Kastration 
Reifestadien. Keine Corpora luten. Murkteil angedentet. ‚ob rechts? | tion!) tion! sehr eng; ler r. Seite). 
_——— h a 2. Eau NE. Be EEE 
Be 005 Hoden: 58:47:55. B l Beider- Pars disse- | vor; | Klitorisspitze| Hermaphra- 
i y N = i | | © = 3 
ua en en Kein Corpus Highmori. Unregelmässige Sin 1.0, seits ae EN 1.8 ae “ Rn n SENDSUNTHELE ditism. verus 
5 | ö er nn n 0) a Se er H a] | Düppehen. Hudenkanälchen ohne Lumen, rail | ERSChE en Ir Iahbefer 2 \ aa metrisch;) handen ; welblicher trophisch ; unilateralis 
reichlie) ümentlich in der Perip herie | Kpithol einschichtig. Keine Geschlechts- 5 ü ee ; keine loggen.) 1 0 1 Horn Mündung Wurf, | männlicher completus 
verstreute Hodenkanälchen (vergl. rechte sollen. Kolossala Zwinokenzellmnehe Iyper- | Hasen ] Cowper- 0; bei weitem ganz eng.) Sinus uro- masenlinus 
Keimdrüse) nebst Zwischenzellen. | “ [trophisch. | | schen Drüsen. \ stärker, | genitalis. | | sinister. 
ı 1 | 
Zwitterdrüse I | | | fi f 7 
(durch Kastration bei abdominaler Myom- | | ! 1 | 
6 ektomie entfernt) RE ne 
han Hoden + Ovarium: 4:2 25:05-1. | BEDBBEEL, Rlitoris STERN 
n Hoden: relativ reich entwickeltes Rete | mit _ | | hyper- Hrk aıs Hermapmvo- 
1899; kleinen | uls feiner trophisch a UE 
48 führige - a4 testis; partielle Septierung; ein- bis viel- | | Dit | ERICH |'eckige Kontur'j elemns 
Sant Ovarium ca. 27:13 14. } schichtiges. oft plasmodiales Epithel mit] 1 al 1. « | uhen au Myomen ı 8 cm | penisähnlich, > I der Schultern | Yerus uni- 
NR | Enthätt Bier und Graafsche Follikel.| Geschlechtszellen; Kanälchen mit und) * r a TOR) ELLI EERILDEN Ile men ENT 
si \ ohne Lumen; Stroma vermehrt; Zwischen- | a LER arme Extremitäten; | Completus 
- I Se a | 17, Jabr | handen. haselnuss- | & ame, femininus 
nnkarz zellen in mässiger Menge vorhanden. An Passive Coitus- 
cht, | chen eventuell Obliteration. | | rogel- | grosser EN dexter, 
ar | värfollikelin allen weiteren | | müssig Glans | 
Ovarium dem Alter entsprechend | | | | mensir): 
N | normal, doch ohne Markteil. | | | | 
| | Zwitterdrüse: > =”: u a Se vere: EN 
| in rechtsseitiger Inguinalhernie; Prob: ' gut werundete 
exzision aus Hoden- und Bierstocksteil | | Formen. Kehl- 
bei inguinaler Herniotomie; Hodenteil N kopf wenig vor- 
etwas über kirschgross; Eierstocksteil peniserotale | ' ragend; beider- 
r etwa erbsengross | | Hypospadie?| | seits starke 
2 Ovarium: Primärfollikel in typischem) auf der Seite der | | | oder An- AR GEN 
Rindenstroma. Keine weiteren Stadien, /Zwitterdrüse (rechts) auf der Seite per Acukung: j, nal Hermaphro- 
ä „ hori: ab- I aies, 
Nicht bekannt Hoden: Stroma von sehr wechselnder) vorhanden; Neben- | der Zwitterdrüse | roctum | une nehr kleiner |Wna weibliche DENT Al 1 ditismus 
Reichlichkeit mit Zwischenzellhäufchen| hoden pucril; vom | (rechts) vorhanden; nicht zu männlich. | Labien und | Charaktere | 1 vos hamhanrf NerÜB bi- 
) | und -zügen: Kanälchen mit mehrschicht. | Huden getrennt; links nicht bekannt. | fühlen | Vorhanden- | ig | grenze, Men- | oder unilate- 
viduum. | Bil Bi Zain: ZURNERcN; viel- links nicht bekannt. | sein eines | gemischt nee Blutung, Falls dexter 
1 ach kein Lumen; stellenweise Vakuolc | Canalis uro- Mannesbewusst-| 
oder Wandepithel mir strahligen ana- enaine: sein. Erektion u | 
stomosierenden Protoplasmnansläufern. | Abgang von 
Membrana proprin meist hyalin; eventl. | ! |schleim. Flüss 
Lumen fast obliteriert. Alle Zeichen von | } | keit b. anfd. Wei 
r P I gericht. geschl. | 
|: Spermatogenese fehlen | 2 | 
> — A ee u 22192. BE = = nn Erregung | 
h Seite der Zwitterdrüse nicht angegeben: Zustand der andersseitigen Keimdrüse | . lauges Haupt- | 
8 nicht bekannt | haar; reichlicher 
Uffre- | Zwitterdrise auf der Seite Prostota suf.dar Salto I por peniscrotale | Fettansatz; | Hermaphro- 
duzzi | in Inguinalhernie; durch Herniotomie entfernt; Muße nicht angegeben der Zwitterdrüse em ar Zeittaräten Iereokum | Hypospadie: | gerundete ) ditismus 
1910; otwas rudimentäres Rete testis; typische Läppchen; kein Lumen der rechts) vorhanden, beiau |trachte) zarliandan: |niehk aa Ser männlich in jeder weiblich. | Formen; bel | verus uni- 
? Jahre | Ichen Sertolizellen plasmodial verschmulzen in einfacher Schicht, links nicht bekannt. fühlen links nicht Dekanat, fühlen Serotalhälfte! dem als Mädchen! oder 
alt ie Geschlechtszellen. Keine Zwischenzellen. Stroma vermehrt | ein Hoden erzogenen Kind! bilateralis 
Ovarium: Prin und Graatsche Fullikel | mehr knaben- \ 
— A  E > ee er ee | ee 4 l hafte Neigungen, 
| witterdrüse: | 5 7 — =; —- 
bei inguinaler Herniotomie entfernt, | | | jchaurung und 
j Haden: 0:0) | |Beckan weiblich; 
Guder-| Hoden: Rete testis vorhanden. Bin- en aut der Seite | | | unentwickelt, | Hermapbro- 
natsch schichtiges Epithel (Sertolizellen) in d Selen Broslatır or Zwitterdrüse | Picht zu Weibos- ditismus 
1910: | Nicht bekannt a en! u AED] der Zwitterdrüse ähnlicher | der Zwitterdeüse | onen | vor- A A a 
Hodenkanälchen Keine Geschlechts-) = (rechts) nicht weiblich Klitoris- ihlich bewusstsein; ) verus bi 
40 Jahre | zollen. Dorch ihyallns/Degeneration darf Era nanden, Körper (#) | \orhanden: links Me men-| handen. | "ET" a 1 Libido; nie) uuler 
alte | Meibrana propkla/eventuell vollkomnane lin "or pekannt, fahlbar. | "nicht bekannt. | Serulert) | [Nee suche | unilterli 
„Köchin“. | Obliteration. Sehr viele Zwischenzellen. | Angeblich bei | dexter 
\ Ovarium: Mark und Rinde unterschieden. | | | a 
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Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 179 


Es wäre festzustellen, ob bei gleicher systematischer Durchsicht. 
wie sie für mich Herr Schmey an etwa einer halben Million Schweinen 
in den letzten drei Jahren übte, auch bei anderen Tierspezies wahre 
Hermaphroditen in gleicher Zahl ausfindig zu machen sind. 

Dazu kommt gegenüber den Autopsieen beim Menschen, 
dass es beim Schwein durchweg jugendliche, weder durch senile 
Schrumpfung, noch durch anderweitige pathologische Zustände 
veränderte Geschlechtsdrüsen sind, die zur Beschau kommen. 
Wir fanden unsere fünf Fälle von wahrem H. A. neben einer 
diese Zahl übersteigenden Anzahl von Fällen des Ps. H. A. bei 
der Beschau von annähernd 500000 Tieren. Es käme also mit 
Einbeziehung aller Fehlerquellen und der Berücksichtigung etwa 
uns entgangener Fälle auf 50—100 000 Schweine ein wahrer, 
makroskopisch ohne weiteres deutlicher Hermaphrodit und sicher- 
lich mehr als ein Pseudohermaphrodit. Keine überwältigende 
Zahl, aber doch immerhin ein Hinweis, dass systematische Beob- 
achtungen hier zum Ziele führen. 

Unerlässlich ist bei den pseudohermaphroditischen Ver- 
bildungen der Säuger und des Menschen zum Ausschluss einer 
echt-hermaphroditischen — wenigstens vom theoretischen Stand- 
punkte aus — die mikroskopische Gesamtuntersuchung der 
Keimdrüsen, nachdem der Fall Sauerbecks und unser Fall V 
beim Schwein (Hodenkanälchenversprengung in das Ovarium) ge- 
lehrt haben, dass der gegengeschlechtliche Einschlag in 
der Geschlechtsdrüse ausserordentlich unbedeutend, 
ja, für das blosse Auge unsichtbar sein kann (vergl. auch 
für die menschliche Keimdrüse bei Gudernatsch). Im Falle 
Sauerbecks war das etwa /s : i mm messende Ovarıum (l. c., 
Fig. S) in die Substanz der Tunica albuginea des rechten Hodens 
an ‘einer dem blossen Auge kaum zugänglichen Stelle in einen 
Rezessus zwischen dem Hoden und einem Abzess in der lumen- 
losen Tube eingelagert. In unserem Faile waren die Hoden- 
kanälchen neben Hodenzwischenzellen in dem äusserlich durchaus 
typischen Ovarium des zunächst als „klassisch“ imponierenden 
H. A. verus lateralis ein vollkommen unerwarteter mikroskopischer 
Befund! Auch das höchst unbedeutende, 3:2 :2 mm messende 
Ovarium im Falle Gudernatsch lag in einer kleinen zystischen 
Kavität der Hodentunica zwischen Hoden und Nebenhodenkopf 
versteckt und wurde erst durch das Mikroskop entdeckt. 


N 
[0 6) 


Ludwig Pick: 


(Gemäss dem Klebs-Sauerbeckschen Schema stellen sich 
(die fünf neuen Fälle beim Schwein dreimal als H. A. verus bilateralis 
dar. einmal (unser Fall V) als H.A. verus unilateralis completus 
masculinus dexter. d.h. Sitz der Zwitterdrüse rechts, Keimdrüse 
der anderen Seite (und zwar als Hoden vorhanden), einmal (unser 
Fall IV) als H. A. verus unilateralis sinister oder bilateralis, ohne 
die Möglichkeit, sicher zu entscheiden, da die rechtsseitige Keim- 
drüse früher durch Kastration entfernt war, ähnlich dem Falle 
Garth (20) LI. 

Unter den menschlichen Fällen, auch den von Simon mit- 
eingerechnet, ist der von Salen der einzige, in dem der Zustand 
des gesamten Genitale bekannt und die beiderseitigen Keim- 
drüsen anatomisch untersucht sind, zugleich auch der einzige, der 
Übersichtsbilder über die ganze Zwitterdrüse eines Erwachsenen 
liefert. Bei Simon liegen lediglich aus dem Hoden und Eier- 
stocksteil der Zwitterdrüse intra operationem exzidierte kleine 
Probestückehen vor; bei Uffreduzzi und Gudernatsch nur 
je eine durch die imguinale Herniotomie entfernte Zwitterdrüse; 
Uffreduzzi gibt (l. e.. Taf. V, Fig. 1) Übersichtsbilder der Zwitter- 
drüse des siebenjährigen Individuums. Darum ist in dem Klebs- 
Sauerbeckschen Schema allein der Fall Sal&en sicher zu 
rubrizieren und zwar als H. A. verus unilateralis completus femi- 
ninus dexter (Zwitterdrüse rechts, Ovarium links), während für die 
übrigen drei Fälle vom Menschen die Entscheidung, ob H. A. verus 
bilateralis oder unilateralis. wiederum nicht zu treffen ist. 

Sicherlich erscheint auch nach unserem neuen Material beim 
Schwein der H. A. bilateralis gegenüber dem unilateralis 
und lateralis als die häufigste Form. Er ist vielleicht 
noch häufiger, wenn bei unilateralen oder lateralen Formen die 
mikroskopische Gesamtuntersuchung der anscheinend einfachen 
(reschlechtsdrüse durchgeführt wird.') 

', Für die im folgenden gegebene Prüfung der „phänomenologischen 
Gesetze“ des neuen Materials gegenüber den Schlüssen Sauerbecks sehe 
ich von den entzündlichen Befunden der einzelnen Fälle als akzidenteller 
Natur von vornherein ab (vergl.: In unserem Fall II die kolossale rechts weit 
über mannskopfgrosse, links kindskopfgrosse Pyometra nebst der rechtsseitigen 
Hydrosalpinx und den perimetritischen Adhäsionen, die chronisch-entzündliche 
Verdickung der Mesometrien, die Entzündungsbefunde an Scheide, Sinus 
urogenitalis nebst Prostata, Pseudosamenblasen und Vas deferens. Im Falle III 
die Hydrometra mit perimetritischen Adhäsionen, Odem des Endometriums, 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 181 


Das von Sauerbeck stark unterstrichene Gesetz, dass 
Hoden und Ovarium auf derselben Seite eines 
Zwitters, beim H. A. verus bilateralis wie unilateralis, stets 
zu einer Zwitterdrüse (Ovotestis)!) verbunden sind, 
wird auch durch unser Material bekräftigt. Sie liegt bei den 
Tieren (auch im Fall Sal&en) stets an der physiologischen Stelle 
des Eierstocks, sonst beim Menschen (Simon, Uffreduzzi, 
(sudernatsch) eventuell in einer Leistenhernie. 

Es existiert auch jetzt nicht ein einziger sicherer Fall von 
uni- oder bilateralem H. A. verus der Säuger oder des Menschen 
mit getrennten Drüsen.?) 


die chronisch-entzündliche Verdiekung der Ligamenta lata, den Entzündungs- 
befund der linken Pseudosamenblase. Im Fall IV die starken Verwachsungen 
um das rudimentäre rechte Uterushorn (nach Kastration), das hyperämische 
und ödematöse Endometrium. Im Fall V der nämliche Befund am Endo- 
metrium; ferner perimetritische Adhäsionen und chronisch-entzündliche Ver- 
dickung der Ligamenta lata, besonders des linken. 

Ähnliche Befunde sah Sauerbeck in seinem Fall (eingedickte Abszesse 
in der Wand der lumenlosen Tuben). 

Es ist schwer, hier in ätiologischer Richtung sich bestimmter zu 
äussern. Tatsache ist, dass ähnliche Befunde chronischer evtl. eitriger Ent- 
zündungen des Genitale bei Schweinen des Berliner Schlachthofes (ca. Smonat- 
lichen Tieren) auch sonst gelegentlich gefunden werden. 

!) Kopsch und Szymonowicz bemängeln diese Anwendung des 
Begriffes der Zwitterdrüse (Övotestis) für die, wenn auch vereinigten, aber 
doch räumlich getrennten Keimdrüsen; der Begriff habe nur da Geltung, wo 
beiderlei Gameten in einundderselben Keimdrüse vereinigt seien, wie z. B. 
bei Helix pomatia; vergl. auch Kermauner, S. 455. 

Ich ziehe es mit Kermauner vor, den in dem beanstandeten Sinne bereits 
eingeführten Begriff, um Verwirrungen zu vermeiden, nicht wieder umzuprägen. 

Irrig ist mit Rücksicht auf den sichergestellten H. A. verus lateralis 
Reuters bei einem 2monatlichen Schwein und den neuen Fallvon Kingsburg 
die Annahme von Tandler und Grosz wie von Kermauner, dass alle 
bei Säugern bisher beobachteten Fälle von H. A. verus Zwitterdrüsen aufweisen. 

?) So erscheint die Schilderung Kitts (35, S. 112 und 113) der ge- 
trennten Drüsen bei H. A. verus uni- und bilateralis bedenklich: vergl. auch 
die bei Sauerbeck (S. 670) aufgezählten Verwechselungsmöglichkeiten: 
zystische Einkapselungen des Tubenexgdes oder Marcehandsche Nebennieren 
im Ligamentum latum wurden als Hoden (Vrolik, Heppner), Tumoren, 
wahrscheinlich Lipome, die den Hoden aufsassen, als Ovarien gedeutet. Auch 
in Sauerbecks Fall waren durch die eingedickten Abszesse in den Tuben- 
enden (S. 345) und durch eine kleine Lymphdrüse im Gefäßstrang des linken 
Nebenhodens (S. 344) zunächst neben den Hoden Eierstocksrudimente vor- 
getäuscht. 


182 Ludwig Pick: 


Die auch äusserlich stets angedeutete scharfe, 
oft furchenartig bewirkte Trennung des Hoden- und 
Eierstocksteiles in der Zwitterdrüse geschieht beim Schwein 
durch die Albuginea des Hodens. die sich zwischen Hoden und 
Eierstock fortsetzt. Gelegentlich (rechte Zwitterdrüse unseres 
Falles III; vergl. auch Taf. IX) wird neben dieser auch die 
Albuginea ovarii als parallele Grenzmembran auf dem Durch- 
schnitt sichtbar. 

Beim Menschen (keine Angabe bei Gudernatsch und 
Simon) geht das eine Mal das kernarme Bindegewebsstroma des 
Hodens allmählich („poco a poco“, Uffreduzzi) in das kern- 
reichere des Hodens über; das andere Mal (bei Salen), ist die 
Trennung zwar im allgemeinen und besonders für das blosse 
Auge eine scharfe. Doch ist Hoden- und Eierstocksstroma teil- 
weise zahnartig ineinander verschränkt, und Kanälchen des Rete 
testis oder gar Hodenkanälchen sind gelegentlich von Eierstocks- 
stroma umschlossen. 

Das „kappenartige Aufsitzen“ des Eierstocks- 
teils auf dem Hoden — in der Richtung des grössten Durch- 
messers beider Drüsen — erleidet in dem Fall beim Schwein 
dann eine gewisse Modifikation, wenn, wie in unserem Falle III, 
Follikelzysten oder dergleichen Formen im Eierstock die Substanz 
des Organs gegen den Hodenteil vorbauchen. Sie schaffen dann 
im Gegenteil an der Hodenobertläche eine Kavität: in Fall II sind 
die Hoden durch den bedeutenden Eierstocksteil offensichtlich an 
der Grenze abgeplattet (vergl. Taf. IX). 

Bei Sal&en und Simon ist die kappenartige Bedeckung des 
Hodens durch den Eierstock wiederum deutlich, einigermassen 
auch bei Uffreduzzi. 

Kopsch und Szymonowicz (36) betonen zutreffend für 
die Fälle bei den Säugetieren (Schweinen), dass der Eierstock 
stets „tubenwärts“ gelegen sei'). 

!) Vergl. unseren Fall I: rechte Tube unmittelbar neben der Furche 
zwischen Tube und Ovarium: Fall II: beide Tuben unmittelbar neben dem 
Ovarium: Fall III: rechte Tube zieht zum Ovarium, endet, ihm anliegend, 
in der Furche zwischen Hoden und Ovarium; Fall IV: bei nur mikroskopisch 
nachweisbarer Tube Ovarium zum Uterushornende hin gelegen. 

Bei Uffreduzzi schickt die neben der Epididymis lagernde Tube ihre 


Fimbrie zum Ovarium; bei Sal&n fehlt eine besondere Angabe; bei Simon 
scheint die Syntopie von Tube und Eierstock in Ordnung (l. c., Taf. II). 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 183 


(ranz besonders bemerkenswert ist aber die weitere gesetz- 
mässige Tatsache der kranialen Lage des Eierstocks- 
teils, der dorsalen Lage des Hodenteils in der 
Zwitterdrüse. Wie bei dem proterandrischen H. A. verus der 
niedersten Wirbeltiere, der Mvxinoiden (Zyklostomen), der vordere 
Abschnitt der Keimdrüse als Ovarium, der hintere als Hoden 
funktioniert, so erscheint in der ganzen Wirbeltierreihe als Bett 
der einwandernden Keimzellen für die weiblichen der kraniale, 
für die männlichen der dorsale Abschnitt des Keimepithels be- 
stimmt. Wandern also zugleich männliche und weibliche Sexual- 
zellen ein, so wird die prospektive Potenz der beiden Keimepithel- 
bezirke der Keimleiste in Anspruch genommen: es entsteht 
kranial das Ovarium und, unmittelbar benachbart dorsal, der 
Hoden. In diesem Sinne ist der Hinweis von Kopsch und 
Szymonowicz, dass aus der (idio- und syntopischen) Beschaffen- 
heit der Zwitterdrüse des Säugetieres (des Schweines) physio- 
logischerweise auf räumlich getrennte Anlagen für Hoden und 
Eierstock geschlossen werden müsse, wie ich glaube, gerecht- 
fertigt. 

Der Satz Sauerbecks, dass in den Fällen mit Zwitter- 
drüsen stets der Hoden nach der Masse überwiegt, erleidet eine 
mehrfache Einschränkung. Einmal insoweit, als der Eierstocksteil 
der Zwitterdrüse, wenn reichlich gelbe Körper nebst Graafschen 
Follikeln und vor allem auch Follikelzysten') zur Ausbildung 
kommen, den an sich nicht unbedeutenden Hodenteil an Grösse 
erreicht (Fall Salen), ja, vielleicht übertrifft (vergl. in unserem 
Fall II rechte Zwitterdrüse, im Fall IV linke Zwitterdrüse, in der 
der Ovarialteil durch reichliche Follikelzystenentwicklung förmlich 
traubig erscheint).”) Wie bier, kann auch sonst die solide Masse 
des Eierstocks durch umfängliche Follikelzystenentwicklung eine 
völlige Reduktion erfahren (linke Zwitterdrüse des Falles III). 


') Sie sind, wie in der rechten Zwitterdrüse von Fall II, in der linken 
von Fall III, teils epithellos; teils von mehreren Schichten der Granulosa- 
zellen ausgekleidet, wie in der Zwitterdrüse von Fall IV und in der rechten 
Zwitterdrüse von Fall I; hier bestehen zugleich kleine papilläre Erhebungen 
der Theca follieuli. 

>) Vergl. einen ähnlichen Befund im Ovarium bei Kitt, l.c., S. 111, 
Fig. 52: H. A. alternans vom Schwein; rechts Hoden, links traubiger, gross- 
blasiger Eierstock. 

Unsere eigenen Befunde bilden eine förmliche Grössenskala. 


154 Ludwig Pick: 


Dann aber zweitens auch insofern, als, wie im Fall \, 
in einem äusserlich unveränderten Eierstock Hodenkanälchen 
nebst Zwischenzellen eingesprengt sein können. Es ist dabei 
gewiss bemerkenswert, dass diese Einsprengung sich nicht auf 
den Bezirk der makroskopisch leicht verdichteten Albuginea des 
Eierstocksteils beschränkt. Vielmehr sind Hodenkanälchen und 
/wischenzellen auch in das Organ hinein zentripetal zwischen 
die gelben Körper weit vorgeschoben. So besteht hier also eine 
wirkliche Durehmischung von Eierstocks- und 
Hodensubstanz.') 

Im Vergleich zur Norm, ?) (vergl. unsere Fälle II und IV) 
tritt die absolute Grösse des Eierstocksteils der Zwitterdrüse des 
Schweines eventuell nur unerheblich zurück. Andere Male aber 
finden sich mikroskopische Dimensionen (Sauerbeck). 

3eim Menschen bleibt der Eierstocksteil an Grösse hinter 
dem normalen Ovarıum. So bei Sal&en und Simon (etwa 
erbsengross) und vor allen Dingen bei Gudernatsch mit 
den Maßen 3:2:2 mm. Bei Uffreduzzi fehlt eine be- 
stimmte Maßangabe (notabene auch die Angabe der Seite der 
Exstirpation). 

Für die besonderen histologischen (Qualitäten von Hoden 
und Ovarium vertreten Tandler und Grosz die Meinung, dass 
in keinem Falle einer der beiden Anteile der Zwitterdrüsen auch 
nur annähernd normal ist. Das ist mit Rücksicht auf den Fall 
Salens nicht aufrecht zu halten. Denn wenn man vom Mangel 
der physiologisch ja unerheblichen Marksubstanz absieht, ent- 
spricht der ovarielle Teil des Ovotestis hier auch im Kleinsten einem 
normalen Eierstock einer 43 jährigen noch menstruierten Frau. Alle 
Stadien vom Primordialfollikel bis zum Corpus luteum und Corpus 
candicans sind in lückenloser Reihe und genügender Zahl vorhanden. 


') Dass dieser Befund von der bisher hypothetischen männlichen 
blossen Zwischenzelleinsprengung in das Ovarium prinzipiell verschieden ist, 
ist schon oben (Teil I, S. 137) bemerkt. 

?) Nach Ellenberger-Baum (12) ist das normale Ovarium der 
Sau ca. 5cm lang, unregelmässig höckerig und öfter durch die vielen vor- 
springenden Follikel brombeerartig. 

In zahlreichen meinen Ausführungen zugrundeliegenden Angaben über 
die normalen anatomischen Befunde des Schweines bin ich diesem aus- 
gezeichneten Werk gefolgt. 

») Betr, der Grösse des Hodenteils vergleiche unten S. 188. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 185 


Aber in den übrigen Fällen bleibt in der Tat die 
histologische Ausbildung der beiden Keimdrüsen- 
teile hinter der Norm zurück oder weicht überhaupt von 
ihr ab. Immerhin ist hierbei der Eierstock offenkundig 
bevorzugt. Er enthält seine spezifischen Geschlechts- 
zellen, und sie können zu voller Reife gelangen. In unseren Fällen 
vom Schwein sehen wir typische Primordialtollikel in Fall I und Il. 
Wachstumsstadien bezw. Graafsche Follikel in sämtlichen Fällen 
und ebenso in den Fällen I, II, III und \V gelbe Körper. Ihre 
Entwicklung und Zahl ist eine sehr reiche, während Primordial- 
follikel, auch wo man sie findet, ebenso wie die Stadien ihrer 
Fortentwicklung, gewöhnlich äusserst sparsam verteilt sind. Nur 
das polyzystisch-traubige Ovarium des Falles IV überrascht beim 
Fehlen von Primordialfollikeln und gelben Körpern durch die auf- 
fallende Massenhaftigkeit der Wachstumsstadien und der Graaf- 
schen Follikel. Corpora candicantia oder fibrosa fehlen überall, 
wohl deshalb, weil die eben geschlechtsreif gewordenen Tiere 
gerade in dieser Zeit zur Schlachtung kamen. 

Die sehr kräftigen und zahlreichen Corpora lutea in dem 
Falle I und II deformieren und erdrücken die Wachstumsstadien 
der Primärfollikel und die Graafschen Follikel, die in der 
Nachbarschaft liegen: ein augenfälliger Beweis für die biologische 
Minderwertigkeit des Parenchyms dieser Ovarien, die augen- 
scheinlich der Sklerose und Atrophie zusteuern. 

Die Zwitterdrüse des Menschen, abgesehen vom Fall Salen, 
zeigt bei Simon lediglich Primordialfollikel, bei dem siebenjährigen 
Kind im Fall Uffreduzzi Primordialfollikel und einen Graafschen 
Follikel; bei Gudernatsch fehlen epitheliale Anteile überhaupt. 

In seinen sonstigen Strukturen bietet der Eierstock nicht 
selten eine Differenzierung in einen Rinden- und 
einen meist unbedeutenden, aber durch kräftige Blutgefässe aus- 
gezeichneten Markteil (beim Schwein in Fall I, Fall II: an- 
gedeutet in Fall IV; vergl. auch in dem Miniaturovarıum bei 
Sauerbeck). Er kann an der Hoden-Eierstocksgrenze etwas 
in die Hodensubstanz einschneiden (vergl. Taf. IX, Fall I [links]): 
gelegentlich (rechte Zwitterdrüse das Falles I) schliesst er einige 
rudimentäre „Markstränge“ ein. 

Unter den Fällen beim Menschen ist er nur bei Guder- 
natsch ausgesprochen. Hier bildet er zugleich einen der wichtigen 


1S6 Ludwig Pick: 


morphologischen Charaktere des keine sicheren epithelialen 
Elemente (Follikel bezw. Eizellen) enthaltenden Organs. 

Abweichend gegen die Norm ist der Ersatz des typischen 
dicht- und spindelzelligen physiologischen Rindenstromas in dem 
Eierstocksteil unserer Schweinezwitterdrüsen durch ein weit kern- 
ärmeres fibröses Gewebe. Nur in Fall IV sind einigermassen 
normale Stromaabschnitte neben den einfach fibrösen vorhanden. 
Beim Menschen findet sich diese Abweichung in den bisherigen 
Fällen nicht. 

Über das Ovarium auf der Gegenseite einer Zwitter- 
drüse (H. A. verus unilateralis completus femininus) gibt bisher 
allein der Fall Sal&n Aufschluss. Der linke Eierstock war hier 
ziemlich klein, höckerig, maß 27:13—14 mm, und enthielt 
mikroskopisch Primordialfollikel und Graafsche Follikel. Er 
war also nur wenig grösser als der vollkommen normale Eier- 
stocksanteil der rechtsseitigen Zwitterdrüse. 

Die übrigen Fälle von H. A. verus unilateralis completus 
(beim Tier) sind masculine, so der Fall Sauerbecks und unser 
Fall V. Bei Garth Fall II und in unserem Fall IV ist neben einer 
Zwitterdrüse die andersseitige Keimdrüse durch Kastration entfernt. 

Bei H. A. verus lateralis (masculinus dexter) im Fall 
Reuter III enthält der bohnenförmige kleine Eierstock (5:3 mm) 
ausser Strängen und Ballen mit Eizellen noch Primordialfollikel. 

In dem neuen Fall von Kingsburg (vergl. Teil I, S. 138) 
war das Ovarium kleinbohnengross; hier waren in angeblich 
normalem Ovarialstroma (s. dagg. 0.) wachsende Follikel mit Ei- 
zellen, auch ein Graafscher Follikel zu finden. 

(segenüber den genannten regelmässigen Befunden der weib- 
lichen Geschlechtszellen, sei es in den Primärfollikeln oder in 
weiteren Wachstumsstadien der Follikel, sei es in Form der gelben 
Körper als sicheres Zeichen der Ovulation im Eierstocksteil des 
Ovotestis, ist weder in den von Sauerbeck verwerteten Fällen 
noch in unseren Fällen I—V von H. A. verus beim Schwein der 
Nachweis männlicher Gameten bezw. irgendwelcher Zellformen der 
Spermiogenese gelungen; auch nicht im Hoden bei H. A. verus 
unilateralis completus masculinus (Fall Sauerbeck, unser Fall \) 
oder lateralis (Reuter, Fall III). 

Im Fall Pütz (H. A. verus unilateralis incompletus dexter) 
mit sehr spärlichen Spermien in dem Sekret des Hodens scheiterte 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 157 


eleichfalls der histologische Nachweis der Spermiogenese im Hoden- 
teil der rechtsseitigen Zwitterdrüse (vergl. oben, Teil I). Auch 
im Fall Simon „fehlen alle Zeichen der Spermiogenese* (S. 24). 
Uffreduzzi beschreibt bei dem 7 jährigen Kind lediglich Sertoli- 
zellen in den Hodenkanälchen, und Salen stellt an den Schluss 
seiner damaligen Beschreibung den Satz: „Nirgends Spermato- 
gonien oder andere Samenzellen“. Es sind danach alle bisher 
beschriebenen Fälle von H. A. verus solche unserer 
vegetativ-germinalen Form (vergl. in meinem Schema [Teil I, 
S. 133] die Gruppe III), d. h. eines H. A. verus mit Hoden ohne 
Keimzellen, Ovarium mit Keimzellen, die entweder (1.) zur Reife 
oder (2.) nicht zur weiteren Entwicklung gelangen. 

Diese Regel’wird zum erstenmal durch die Be- 
funde durchbrochen, die mir die Nachuntersuchung 
des Falles Salen ergab. Die Bilder, die hier in dem Hoden- 
abschnitt des Ovotestis neben dem normalen Ovarialteil in 
einem Teil der Hodenkanälchen nicht einmal allzu selten zu 
Gesicht kommen, zeigen in eindeutiger Art die typischen 
Formen männlicher Sexualzellen vor Beginn der 
Spermatogonienwucherung: grosse kugelige, durchsichtige 
Elemente mit zentralem hellem Kern und Nukleolus, von den 
Sertolizellen follikelartig umfasst.!) Ich verweise auf meine Be- 
schreibung und die Abbildungen (Taf. IN, Fig. 13a und b). Bleibt 
also auch der Satz Sauerbecks bestehen, dass in keinem 
Falle von H. A. verus bei Mensch und Säugetier beide Drüsen 
normal befunden werden, so kann jedenfalls (vergl. in meinem 
Schema [S. 133] II, 1, a) der Hermaphroditismus verus 
doch, zunächst beim Menschen, auch rein germinal sein, 
mit ausreifenden Geschlechtszellen im Eierstock, 
nicht ausreifenden im Hoden. Ob die männlichen Zellen 
hier Archispermiozyten oder Spermatogonien entsprechen, ist nicht 
zu entscheiden, sicherlich gegenüber dem Prinzipiellen des Er- 
scheinens männlicher (eschlechtszellen im Hodenabschnitt der 
/witterdrüse überhaupt auch unerheblich. „Jedenfalls sind sie 
Gametogonien im weiteren Sinne. So ist der rein germinale 
Hermaphroditismus verus, wie er für die Vögel bereits 


!) Die Deutung dieser Zellen als Formen der männlichen Geschlechts- 
zellreihe vertreten auch die Herren Ü. Benda, O.Hertwig und H. Poll, 
denen meine Befunde vorgelegen haben. (Verfasser.) 


155 Ludwig Pick: 


feststeht, nun auch für die Säugetiere gesichert, und — 
ich erinnere an meine Ausführungen im einleitenden Teil (S. 130 
und 131) — an sich vielleicht nur deswegen nicht häufiger fest- 
zustellen, weil der frühzeitige Untergang männlicher Geschlechts- 
zellen in dem Hodenteil der Zwitterdrüsen des H. A. verus die 
ursprünglich rein germinale Form in die germinal-vegetative 
überführt. 

Weiter ıst damit die Forderung derjenigen, die, wie 
kermauner, die Konzession eines H. A. verus an den Nach- 
weis der Keimzellen beiderlei Geschlechts knüpfen (S. 454), erfüllt. 
Ich hebe das ausdrücklich hervor, obschon ich diesen Standpunkt 
der Autoren in der Definition des wahren H. A. nicht teile. 

Auf die Bedeutung unseres Befundes für die alllgemeine 
(renese des H. A. und Psendo H. A. komme ich im Schlussteil zurück. 

Stets sind in unseren Fällen!) die Hoden in den Zwitter- 
drüsen der hermaphroditischen Tiere kleiner als die in der Norm 
sehr grossen bei einem gleichaltrigen Eber. Betrefts der Einzel- 
masse darf ich auf meine Protokolle und die Tabelle hinweisen. 
Gelegentlich besteht sehr starke Hypoplasie (vergl. bei Sauer- 
beek: nach Fig. 3 |'/g natürlicher Grösse] ist der rechte Hoden 
haselnussgross), oder der Hodenanteil der Zwitterdrüse ist (unser 
Fall V) ein lediglich mikroskopischer. 

Auch bei menschlichem H. A. verus ist im Falle Salens 
der Hoden des Ovotestis gegenüber einem normalen verkleinert. 
Bei Simon ist er etwas über kirschgross (S. 20): bei Uffreduzzi 
ist die (srösse des Hodenteiles nicht angegeben: bei Gudernatsch 
wird der Hoden mit 6:5:5 cm bemessen, das wäre allerdings 
gegenüber dem mit höchstens 5,5 : 3,5 .:2,4°) em angegebenen 
Normalmass eine Vergrösserung. 

Der Hoden der Gegenseite bei H. A. unilateralis completus 
masculinus ist beim Schwein ebenfalls verkleinert, eventuell er- 
heblich (etwas über haselnussgross [nieht „ca. normal“, wie auf 
Tabelle III, S. 672 notiert| auf der linken Seite in Sauerbecks 
Fall), weniger in unserem Fall V; bei H. A. lateralis wiederum 
stärker:i(bei! Reuter U 23271,7 23,7 em) 


') Vergl. dagegen auf Tabelle III die Angabe über „etwa normal 
grosse“ Hoden in Fall I, V und VI. 

>) Vergl. Rauber-Kopsch, Anatomie des Menschen, VI. Autlage, 
1907, S. 265. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 159 


Im inneren Bau der Hoden ist an den Zwitterdrüsen 
des Schweines in unseren Fällen der häufige Mangel des 
Mediastinum testis (Corpus Highmori, Rete testis) auffallend, 
das in der Norm bei diesem Tier am Nebenhodenrand des Hodens 
sich als ein kräftiger Längsstrang in die Masse der Keimdrüse 
einsenkt. Es fehlt auch ım rechtsseitigen Hoden unseres H. A. 
verus unilateralis maseulinus; bei Reuter in seinem Falle von 
H. A. verus lateralis masculinus dexter, ebenso auch in den Zwitter- 
drüsen bei Pütz und Garth Il, ist es vorhanden. Ich fand eine 
Andeutung davon nur im Hodenteil der rechtsseitigen Zwitter- 
drüse unseres Falles III. Ebenso fehlt in unseren Fällen überall 
die regelmässige Läppehenzeichnung, gelegentlich (unser Fall I) 
eine deutliche makroskopische Läppehenbildung überhaupt. 

In den Fällen beim Menschen ist dagegen bei Salen, 
Uffreduzzi und Gudernatsch jedesmal ein Rete testis. 
wenn auch bis zu einem gewissen Grade rudimentär, vorhanden. 
bei Simon war die Probeexzision an der dem Hilus entgegen- 
gesetzt gelegenen Konvexität der Drüse gemacht. 

Lobuli nebst Andeutungen einer etwas regelmässigeren 
Septierung finden sich in gewissen Abschnitten des Hodens der 
/witterdrüse bei Salen; auch Uffreduzzi sah deutliche Lobu- 
lierung des Hodens in Form 0,2—0,5 mm grosser Läppehen. Bei 
Simon und Gudernatsch fehlen Angaben. 

Ein weiterer Gegensatz zwischen Mensch und Tier 
besteht hinsichtlich der Ausbildung des fibrösen 
Stromas im Hoden. Bei Uffreduzzi ist es übernormal, 
übertrifft auch bei Sal&en, vielfach unter gleichzeitiger leicht- 
hyaliner Umwandlung, an Quantität die Masse der Hodenkanälchen 
und ist bei Simon von sehr wechselnder Menge, so dass es, 
wenigstens zum Teil, zwischen den Samenkanälchen sehr reichlich 
vorhanden ist: jedenfalls ist es „entschieden vermehrt“ (S. 24 0.). 

Für die Hoden der Zwitterdrüsen beim Schwein 
und den rechtsseitigen Hoden unseres H. A. verus unilateralis 
habe ich eine solche Stromavermehrung nicht fest- 
stellen können. Auch unter den sicheren Fällen Sauerbecks 
ist sie nur im Falle Becker (H. A. bilateralis, Tabelle VI) notiert. 

Dagegen sind in meinen Fällen vom Schwein ausnahmslos 
reiche Mengen von Zwischenzellen (Leydigsche oder Henlesche 
Zellen) vorhanden (vergl. dazu die Befunde auf Tabelle VI von 


190 Ludwig Pick: 


Sauerbeck, Becker und Reuter), in Fall II. III und V auch 
in den dünnen fibrösen Septen der Hodenläppchen so reichlich, 
dass die Grenzen zwischen diesen verschwimmen. Die Zwischen- 
zellmasse ist so bedeutend, dass sie etwa im Verhältnis 3:2 die 
Masse der Samenkanälchen in Fall I und V übertriftt, sie im 
Verhältnis 1:1 in Fall II und III erreicht und im Fall IV ihr 
jedenfalls kaum nachsteht.!) 

Ein ähnliches Verhältnis findet sich unter den Fällen beim 
Menschen nur bei Gudernatsch. wo das Stroma zwischen den 
Kanälchen durch ausserordentlich reichliche Zwischenzellansamm- 
lungen substituiert ist und durch diese die Kanälchen „stellen- 
weise auseinander gedrängt werden“. Bei Salen und Simon 
(vergl. die Abbildungen, Taf. I, Fig. 3 und 4) sind Zwischen- 
zellen vorhanden (fett- und pigmenthaltig, zum Teil auch von 
unbedeutenderem Volumen bei Salen: Reinkesche Kristalloide 
in ihnen bei Simon), wenn auch keineswegs in hervorstechender 
Reichliehkeit. Bei Uffreduzzi fehlen sie. 

Da auch Sauerbeck für seinen Fall von H. A. verus uni- 
lateralis beim Schwein ausdrücklich betont, dass er Zwischen- 
zellen nicht finden konnte, so folgt danach für den Hoden 
des H. A. verus bei Mensch und Tier, dass Zwischen- 
zellen allermeist vorhanden sind, nicht selten in 
allergrösster Masse, dass sie aber auch vollkommen 
tehlen können. 

Es bleiben die Hodenkanälchen der Zwitterdrüsen. Sie 
entsprechen in ihrer allgemeinen Form und Grösse, auch in der 
zarten, Spindelzellen führenden, elastisch-fibrösen Membrana propria 
in unseren Fällen vom Tier, ebenso wie im andersseitigen Hoden 
bei H. A. verus unilateralis, der Norm. 

Bei Gudernatsch ist ihr mittlerer Durchmesser weit 
geringer als der normale; bei dem 7jährigen Kind im Falle 
. Uffreduzzis beträgt er 35—50 u, im Falle Sal&ens im Mittel 
125 «: im Falle Simons fehlt eine Angabe. Die äussere Form ist 
auch bei den menschlichen Fällen allerwärts die typische, ebenso die 
Membrana propria bei Salen, Simon und Gudernatsch typisch. 
bei Uffreduzzi wird sie ohne nähere Beschreibung erwähnt. 

') Sudanophile Tropfen, Pigment oder Kristalloide habe ich in allen 
fünf Fällen vermisst. Näheres über das Verhalten der Zwischenzellen in 
kryptorchischen Hoden ete. bei L. Pick (dla). ; 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 191 


Dass bis auf den Fall Salen alle Elemente der Geschlechtszell- 
reihe fehlen, ist schon hervorgehoben. Die Follikelzellen andererseits 
(Bendas vegetative Geschlechtszellen, Auxiliär- oder Fusszellen, 
Merkels Stützzellen, Sertolizellen) wiederholen — einschliess- 
lich auch des Falles Salen — genau diejenigen Formationen 
innerhalb der Hodenkanälchen, die für die Atrophie des mensch- 
lichen und tierischen ektopischen Hodens, speziell des Leisten- 
hodens, namentlich durch die Arbeiten von Langhans (41), 
Bmotti le)eRelizetvet' Branca.(15), Spangaror(6h) 
beim Menschen, von Regaud et Policard (54), Bouin et 
Ancel (6) beim Säugetier und insbesondere beim Schwein uns 
geläufig geworden sind. Die Hoden des wahren Hermaphroditen 
teilen diese Eigenschaft zugleich auch mit den Hoden des Pseudo- 
hermaphroditen.') 

Man vergleiche die Gruppierung der Sertolizellen, wie sie 
Felicet et Branca an den Kanälchen des ektopischen mensch- 
lichen Hodens beschreiben: a) Cellules de Sertoli a protoplasma 
commun (15, Fig. I, S. 351); masse pleine et opaque vivement 
coloree, souvent „creusee de vacuoles dont la taille et la form 
nont Tien de fixe“; 'b) (Fig. 2, Taf. VII und Fig. 9, Tai! X). 
Cellules de Sertoli a formations columnaires ou coniques implantees 
perpendiculairement ou obliquement sur la paroi propre; il est 
de regle de le voir s’unir pas des expansions filamenteuses on 
lamellaires: de telles anastomoses sont surtout frequentes au pour- 
tour de la lumiere des canalieules: ec) Cellules sertoliennes & 
protoplasma nettement individualise (Fig. 5, Taf. VIII). 

Alle diese Formen finden sich in den Hodenkanälchen bei 
Salen, Simon, Uffreduzziund Gudernatsch. Insbesondere 
sah ich im Falle Salen Bilder aller drei Typen. 

In”den Hoden’ des H. A. verus beim Schwein 
herrscht, wie schon Sauerbeck findet, die Einschichtig- 
keit der Sertollizellen vor: das entspricht wiederum den 
Befunden beim männlichen Ps. H. A. des Schweines (Sauer- 
beck. S. S65) oder denen des kryptorchischen Schweinehodens. 


') Vergl. meine eingehenden Ausführungen zu dieser Frage an anderer 
Stelle (dla); auch oben Teil I. 

Übrigens besteht diese Übereinstimmung auch für die hypoplastische 
Entwieklung der Ovarien bei H. A. verus und Ps. H. A.; siehe dazu auch 
Sauerbeck (58), S. 868/69. 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.$4. Abt.Il. 13 


192 Ludwie Pick: 


Dabei findet sich zugleich undeutliche Begrenzung bezw. plas- 
modiale Verschmelzung der Einzelindividuen, stärkste schaumige 
Auflösung des Zytoplasmas mit kreuz und quer verbundenen, ins 
Lumen gerichteten anastomosierenden Fortsätzen der Zelleiber. 
So erscheint die Lichtung der Hodenkanälchen mehr oder weniger 
ausgefüllt (das Lumen war nur in unserem Falle II deutlich) 
durch eine vakuolisierte, grossblasig-schaumige Masse, während 
unmittelbar an die Membrana propria eine einfache Reihe von 
Kernen. nicht selten unter entsprechender Abplattung (vergl. 
unsere Fälle Il, III; auch Sauerbeck, S. 348 oben) heran- 
gedrängt ist. Andere Male ist die Einschichtigkeit weniger deut- 
lich (Fall IV) oder das Epithel vielschichtig (Fall D. Jede 
Vakuole ist ganz (Fall I, II, IV, V) oder doch zum Teil (Fall I) 
erfüllt von einem grossen sudanophilen Tropfen („fettige Degene- 
ration“ der Autoren).!) 

Zu dem den Kryptorchen, Pseudohermaphroditen und Herm- 
aphroditen gemeinsamen Bilde der Hodenatrophie passt ausser 
dieser Übereinstimmung der Follikelzellformationen die schon 
genannte, hauptsächlich in den Fällen beim Menschen ausge- 
sprochene Vermehrung des Stromas, die gleichfalls beim Menschen 
deutliche Reduktion des Durchmessers der Hodenkanälchen und 
die eventuelle Vermehrung der Zwischenzellen. Unerlässlich ist, 
wie ich seinerzeit gegenüber Finotti festgestellt habe, letztere 
auch im kryptorchischen Hoden nicht; im Hoden des H. A. verus 
können, wie schon hervorgehoben, Zwischenzellen gelegentlich 
sogar ganz fehlen. 

Weiter gehört zum Komplex der jenen Zuständen gemein- 
samen Befunde die hyaline Degeneration der Membrana 
propria der Hodenkanälchen, die gesetzmässig in den 
innersten Lagen beginnt und, zentrifugal wie zentripetal fort- 
schreitend, zur Aufhebung des Lumens wie zum Untergang der 
tibrös-elastischen Hülle der Hodenkanälchen führt. Alle die ge- 
nügend bekannten Stadien dieses Vorganges sind in den Fällen 
von Salen, Simon und Gudernatsch festgestellt, fehlen 
aber auffälligerweise sowohl in unseren fünf Fällen beim Schwein, 


!, Verel. dazu Sauerbeck, ].c.. S. 348 und 693, der die Vakuolen 
durch „Plasmaverzweigungen“ entstehen lässt. Diese Deutung der Hohlräume 
als blosse Folge der Plasmaverzweigung scheint mir mit Rücksicht auf den 
regelmässigen Einschluss der fettigen Tropfen bedenklich. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 193 


wie auch in allen sicheren Fällen Sauerbecks. Andeutungen 
scheinen nur bei Pütz bestanden zu haben. 

Überhaupt ist für jeden einzelnen Fall beim Schwein, im 
Gegensatz z. B. zum Fall Salens, das histologische Bild der 
Hodenkanälchen von einer ausserordentlichen Gleichförmigkeit. 
Ein Kanälchen ähnelt in seiner Gesamtstruktur völlig dem anderen, 
mit einer Ausnahme, nämlich der in den Eierstock versprengten 
Hodenkanälchen unseres Falles V. Hier finden sich neben den — 
wie im andersseitigen Hoden beschaftenen — Kanälchen mit ein- 
schichtigem vakuolisierten Epithel und der Füllung des Lumens 
durch grossblasigen epithelzelligen Schaum auch solide epitheliale 
Stränge (nebst Zwischenzellen) geringeren und selbst kleinsten 
Kalibers, die durch allmähliche Vakuolisierung und Umordnung 
erst jene grösseren hervorgehen lassen. 

Die anatomisch - histologische Kongruenz der Hoden beim 
H. A. verus des Menschen und der Säuger mit den Hoden der 
Pseudohermaphroditen und der Kryptorchen bei allen Formen 
der Retention (in der Bauchhöhle, im Leistenkanal) wird von 
den Autoren gebührend hervorgehoben: so von Sauerbeck 
(S. 694), von Salen, der den „ektopischen Hoden nach der 
Pubertät“ zum. Vergleich heranzieht, von Simon und von 
Uffreduzzi, die auf die Übereinstimmung mit dem gewöhn- 
lichen Leistenhoden Erwachsener bezw. einem kindlichen retinierten 
Hoden hinweisen. Gudernatsch vergleicht seinen Befund mit 
dem des Säugetierhodens bei Retentio inguinalis. Da gelegentlich 
auch in den Hoden der Kryptorchen oder der Pseudohermaphroditen 
Spermiogenese gefunden wird, so passt der jetzt von uns gelieferte 
Nachweis der (reschlechtszellen im Hodenteil der Zwitterdrüse 
durchaus in den Rahmen der sonstigen Übereinstimmung, ja, er 
bringt sie völlig zum Abschluss. 

Auch mit dem infantilen oder puerilen Hoden, dem „un- 
reifen normalen Hoden“ (Sauerbeck, S. 545) oder den „ruhenden 
Hoden vor der Pubertät“ (Sauerbeck, S. 693) werden. die 
Bilder speziell beim H. A. verus verglichen. Das trifit allein inso- 
fern zu, als auch beim Kind plasmodiale, das Lumen füllende Ver- 
bände von Sertolizellen, die von Vakuolen durchbrochen werden, 
vor der Pubertät in den Hodenkanälchen »vorhanden sind. Diese 
3ilder pueriler Stadien erhalten sich, wie Finotti speziell für 
den kryptorchischen Hoden gezeigt hat, gesetzmässig in den vom 

13* 


194 Ludwig Pick: 


Rete testis entfernten Partien. Ich habe (vergl. S. 210) das Giesetz 
seinerzeit auch für den Hoden des Pseudohermaphroditen bestätigt 
und gleichzeitig die Persistenz deutlicher kindlicher Läppchen- 
zeichnung in diesem Hodenabschnitt bei einem Pseudohermaphro- 
diten gezeigt, während sie selbst im ektopischen Hoden nach 
Felizet-Branca mit der Pubertät gewöhnlich verschwindet. 

Ähnliche Bilder eines vakuolisierten Plasmodiums waren — 
neben anderen — auch bei Sal&n vorhanden, wohl auch bei Simon. 

Aber von einer generellen Übereinstimmung 
mit den infantilen Stadien des normalen Hodens 
und Ovariums ist, wie Sauerbeck selbst mit Recht ausführt, 
in den Zwitterdrüsen beim H.A.verus gar keine Rede. 
Die zahlreichen Unterschiede sind leicht herzuzählen: für den kind- 
lichen normalen Eierstock der grosse Reichtum an epithelialen 
Formen, die Vollständigkeit der Skala der Follikelentwicklung, die 
nur ganz ausnahmsweise auch bei H. A. verus (Fall Salen) vor- 
handen sein kann; für den jugendlichen normalen Hoden vor der 
Pubertät die Archispermiozyten bezw. Spermatogonien zwischen 
den plasmodial verschmolzenen Sertolizellen, die Konstanz der 
Zwischenzellen, das völlige Zurücktreten des Bindegewebes und das 
Fehlen jeglicher Veränderung der Membrana propria. natürlich auch 
von „Sklerose des Bindegewebes und hyaliner Gefässdegeneration“ 
(Sauerbeck, S. 693 und 694). Insbesondere gibt es Sertolizellen 
in einfacher Lage, wie in den Hoden des H. A. verus beim Schwein, 
oder des Menschen (Gudernatsch). zumal besonders in Form 
gegeneinander begrenzter hoher Zylinderzellen, wie im Falle 
Salens, in jugendlichen Hodenkanälchen nicht. Diese Anordnungen 
sind keineswegs etwa eine typische infantile Evolutionsform, sondern 
ganzim Gegenteil eine der Hodenatrophie, ser es 
beim Kryptorchismus oder beim Pseudohermaphroditismus oder 
beim wahren Hermaphroditismus sozusagen spezifische Invo- 
lutionsform der Hodenkanälchen.!) 


II. Die Ausführungswege beim Hermaphroditsmus verus. 
Sauerbeck vertritt im allgemeinen den Standpunkt des 
„gestaltenden“, „wachstumsfördernden“, „wachstumshemmenden 
') Gelegentlich wird, ausschliesslich eine einfache Schicht radiär 
geordneter hoher schmaler zylindrischer Sertolizellen jm Hoden kindlicher 
Pseudohermaphroditen getroffen, wie im Fall Hengges bei einem 1”,+ jährigen 
Pseudohermaphroditen: vergl. darüber bei L. Pick, 5la. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 135 


oder -unterdrückenden“ Einflusses der Geschlechtsdrüsen auf alle 
anderen sexualen Charaktere, insbesondere auch auf die genitalen 
subsidiären Apparate. Ich halte, worauf ich im Schlussteil zurück- 
komme. die vielerörterte Frage der Korrelationen noch nicht für 
genügend spruchreif, um hier einen bestimmten Standpunkt ein- 
zunehmen. Natürlich verlieren dadurch die von Sauerbeck in 
mühseliger Vergleichung festgestellten anatomischen Korrelationen 
nichts von ihrer rein morphologischen Bedeutung. 

An den Anfang dieser Beziehungen stellt Sauerbeck die 
strenge Abhängigkeit des Nebenhodens und der 
Samenleiter von der Anwesenheit des Hodens. In 
der Tat gibt es keinen in der Reihe unserer Fälle beim Tier, 
in dem nicht mit dem Hoden der Zwitterdrüse ein typischer 
Nebenhoden und ein ebenso typischer Samenleiter verbunden wäre. 

Die normale, ja, üppige Ausbildung des Nebenhodens in den 
sicheren Fällen des H. A. beim Schwein, die Sauerbeck hervor- 
hebt, kehrt auch in unserem Material wieder (Fall I, auch Fall II 
und Ill). Auffallend ist in Fall IV die ganz hervorragende Breite 
des Nebenhodenkörpers bis über 4 cm! 

Ganz im Sinne dieser morphologischen Korrelation fehlt 
ein Nebenhoden auch nur in Andeutungen neben dem Ovarium 
des Falles V, in dem die Hodensubstanz lediglich in Form mikro- 
skopischer Einsprengung enthalten ist. 

Die Nebenhodenkopfverbindung am Hoden ist, 
wie beim normalen Schwein, in unseren Fällen stets eine äusserst 
lockere. Sauerbecks Tabelle III notiert auch für den Fall 
veuter einen „locker anliegenden“ Nebenhoden. Ich erwähne 


diesen Punkt besonders, weil der Zustand doch wohl abzutrennen 


ist von dem, was Ströbe für einen Fall von Ps. H. A. beim 
Menschen beschreibt. Er sah hier nicht nur eine Lockerung der 
Verbindung, sondern eine fast völlige Abtrennung des Hodens 
vom Nebenhoden. Es hingen nur vier Vasa efferentia testis mit 
den Nebenhodenkanälchen zusammen.') 


!), Ströbe (65) hat für diese Trennung eine in seinem Fall zwischen 
Hoden und Nebenhoden durchziehende relativ gut entwickelte Tube bezw. 
die mangelhafte Rückbildung des hierhin physiologisch umgelagerten Müller- 
schen Ganges verantwortlich gemacht. Diese Feststellung ist von Merkel 
mit guten Gründen bestritten worden. 

Nach Sauerbeck ist beim Schwein, dem echt- wie dem pseudoherm- 
aphroditischen, die Lagerung der Tube zwischen Hoden und Nebenhoden meist 


196 Ludwig Pick: 


Immerhin könnte hier, beim H. A. verus des Schweines, 
eine besondere Lockerung der Hoden-Nebenhoden-Verbindung be- 
stehen als eine mit dem Defekt des Corpus Hiehmori Hand 
in Hand gehende Folge der ausgebliebenen oder mangelhaften 
Urogenitalverbindung, d.h. der Verbindung von Geschlechtsteil 
der Urniere mit der Keimdrüse. Ich habe im Interesse der Er- 
haltung meiner Präparate auf die eingehendere mikroskopische 
Untersuchung dieses Punktes verzichtet. 

Durch die Lage und Befestigung des Hodens am Meso- 
metrium, sei es der Zwitterdrüse oder des Hodens auf der Hoden- 
seite bei H. A. verus unilateralis completus masculinus im Falle V, 
entstehen beim Schwein eigentümliche topische Ver- 
hältnisse des Nebenhodens und Samenleiters. 

Regelmässig findet sich in unseren Fällen der Nebenhoden- 
ansatz im Verhältnis zum Ovarium am Gegenpol des 
Hodens, also dem Eierstock gegenüber. Dann zieht der Neben- 
hoden, mit scharfem Rand gegen den Hoden, entweder — eventuell 
mit der Tube (vergl. unten) — im freien Rand des Ligea- 
mentum latum zum Ende des Uterushorns, um hier in das 
Vas deferens überzugehen, oder, wie in Fall IV, der Übergang 
des Nebenhodens in den Samenleiter erfolgt bei geringerer Länge 
des ersteren (6—7 em) schon früher, und im freien Rand 
des Mutterbandes liegt (mit der Tube) das Vas deferens. 
In Fall V (vergl. Taf. XIII, w) biegt das Vas deferens dicht unter 
dem Ende des zugespitzten, auch mikroskopisch tubenlosen rechten 
Uterushorns mit einer mächtigen wulstförmigen, überwalnussgrossen 
Aufknäuelung zwischen die Blätter des Mesometrium um: unmittel- 
bar lateral neben dem Wulst setzt das Gubernaculum testis an. 

Der Verlauf der Samenleiter in den Mesometrien bis zur 
Einmündung in den Uterus ist der gewöhnliche des Wolffschen 
(sartnerschen) Ganges beim weiblichen Tier. 

Weit unregelmässiger und variabler sind die Verhältnisse 
in den Fällen beim Menschen, ganz abgesehen davon, dass ausser 
im Fall Salen die Befunde ja nur einseitig und unvollständig, 
vom Innern der Inguinalhernie etwa bis zum Leistenkanal hin 
erhoben werden konnten. Im Fall Salen fehlen Nebenhoden 
recht deutlich. Ich sah (vergl. unten) die Tube wohl dem Nebenhoden an- 


geschlossen, aber nicht eigentlich zwischen Hoden und Nebenhoden (vergl. 
auch oben S. 182 betreffs der Lageverbältnisse der Tube zum Ovarium). 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. KIT 


und Samenleiter auf der Seite der Zwitterdrüse ganz, während 
das Rete testis ausgebildet ist: die Tuben und breiten Mutter- 
bänder waren beiderseits normal. Bei Simon sind Nebenhoden 
und Vas deferens rudimentär vorhanden, aber ohne Verbindung 
mit dem Hodenteil — übrigens (Taf. II) ohne dass etwa im 
Sinne der Ströbeschen Hypothese die Tube sich zwischen Neben- 
hoden und Keimdrüse gelagert hätte; sie liegt hier im Gegenteil 
ganz auf der Gegenseite des Hodens. Das Vas deferens. läuft 
in dem breiten Ligament, an dem der Ovotestis sitzt, „in die 
Bauchhöhle hinein“ (S. 20). In Uffreduzzis Fall wiederum 
schliesst sich an das etwas rudimentäre Rete testis eine wohl- 
gebildete Epididymis und ein Vas deferens „in den Samenstrang 
übergehend“, der in den Leistenkanal zieht. Gudernatsch 
protokolliert lediglich, dass, wie das Rete testis, auch die Vasa 
efferentia, Nebenhoden und Vas deferens vorhanden waren. 

Eine sehr interessante Bildung sind die auch von den 
früheren Autoren (vergl. Tabelle III bei Sauerbeck) bei H. A. 
verus des Schweines beobachteten und in ihrer Bedentung bereits 
durch Sauerbeck gewürdigten „Pseudosamenblasen“, die 
die hier so gut wie regelmässig fehlenden oder sonst rudimentären 
Samenblasen bei diesem Tier ersetzen (S. 569). Sind in der 
Norm beim weiblichen Schwein die Gartnerschen Gänge in der 
Scheidenwand nur selten zu finden, so persistieren sie bei Herm- 
aphroditismus verus — ganz genau so auch beim männlichen Pseudo- 
hermaphroditen (Tabelle XIII und S. 864) — nieht nur, sondern 
bilden fast regelmässig in die seitlichen Teile der Scheidenwand 
oder die seitlichen Abschnitte ihrer Vorderwand (Fall IV und V) 
eingelagerte, mehr oder weniger kräftige, körnig gelappte, ziemlich 
derbe drüsige Ausstülpungen, die in ihrem Bau den normalen Samen- 
blasen des Ebers vollkommen entsprechen können, mit ihrem distalen 
Pol übrigens auch bis ganz dicht an das Ende des Vas deferens heran- 
reichen (Fall IV). Ich vermisste sie nur im Fall I, wo aber doch 
die Vasa deferentia selbst in der Scheidenwand nachweisbar waren. 

Zwei Punkte sind dabei besonders bemerkenswert: 

1. dass sie fast ausnahmslos (nach Sauerbeck sogar aus- 
nahmslos), auch bei H. A. verus lateralis (Fall Reuter), sym- 
metrisch vorhanden sind (die linksseitige fehlte in unserem 
Fall III, wenigstens im unteren Teil der Cervix, als symmetrische 
Bildung zur vorhandenen rechtsseitigen): 


198 Ludwig Pick: 


2. dass sie als eine in den Verlauf des Vas deferens ein- 
seschaltete') gleichsam ampulläre Formation vollkommen 
aus dem physiologischen Rahmen des Tieres heraus- 
treten. Denn die Samenblasen des Ebers sind am distalen Ende 
des Samenleiters gestielt aufsitzende Körper, die distalwärts 
auf den Endabschnitt der Harnblase, auf den Blasenhals, sowie 
auf und neben den Anfang der Harnröhre gelagert sind. Um- 
gekehrt strecken sich die Pseudosamenblasen in der Scheide von 
der Stelle ihrer Einmündung aus mit dem Vas deferens selbst 
proximalwärts, d.h. uterinwärts. Und ferner gibt es eine 
Ampulle am Vas deferens des Ebers überhaupt nicht. 

So sind die Pseudosamenblasen, wie Sauerbeck (S. 695) 
ausführt, die einzige Abnormität beim H. A. des Schweines, die 
nicht auf blosse Hemmung einer normalen Anlage oder auf Aus- 
bildung einer solchen über das normale Maß zurückzuführen ist, 
vielmehr eine wirkliche Umbildung, eine Richtungsänderung der 
plastischen Kraft bedeutet. ihre Ausbildung an sich schwankt 
in bedeutenden Grenzen. Sie können fast die volle Grösse der 
beim Eber ausserordentlich voluminösen Samenblasen erreichen 
(Fall V: 12:2: über 1 cm) und ziehen dann weit hinauf mit 
ihrem proximalen Pol bis auf die Cervix uteri (in Fall III 3,5 cm 
weit). Ihr Durchschnitt mit den schleimgefüllten Höhlen weicht 
dann unter Umständen nicht von dem der physiologischen Samen- 
blasen ab (Fall V). Andere Male bleiben sie unbedeutender 
(Fall IV: 5:1:0,5—0,4 cm), etwa vom nämlichen Umfang wie 
beim kastrierten Eber, oder sie sind rudimentär. Sie erscheinen 
in solchen Fällen auf dem Durchschnitt als körnige Körperchen 
(in Fall II von ca. 2 mm Durchmesser). 

Die Mündung des Vas deferens im Urogenitalsinus bezw. der 
Pars pelvina urethrae kann (Sauerbeck, S. 697) gelegentlich 
obiiterieren. Ich habe im Interesse der Erhaltung der Präparate 
(Fall IV und V) diese mehr nebensächliche Frage nicht verfolgt. 

Betretfs der Prostata vergl. nächsten Abschnitt. — 

Für die weiblichen Leitungswege sei zunächst der 
Satz Sauerbecks von der Selbständigkeit des Ostium 


') Über den proximalen Teil des linken Wolffschen Ganges kann 
ich in unserem Fall V wegen der entzündlichen Verdiekung des linken 
Ligamentum latum nichts Sicheres aussagen; auch nicht über das Par- 
ovarium. 


a 2 


Uber den wahren Herimaphroditismus des Menschen ete. 199 


tubae bestätigt, das auch in unseren Fällen vom Tier niemals 
vorhanden ist, wo eine Zwitterdrüse sitzt — mit der einen Ein- 
schränkung, dass es bei der lediglich mikroskopischen Einlagerung 
des Hodengewebes in den Eierstock im Fall V nicht fehlt. Ob der 
Verschluss an ihm hier eine Missbildung bedeutet oder auf die 
konkurrierende chronisch-entzündliche Veränderung des Becken- 
bauchfelles zu beziehen ist, bleibe dahingestellt: wahrscheinlicher 
ist mir ersteres. 

Wieder besteht hier ein Gegensatz zu den menschlichen 
Fällen. Das Tubenostium ist normal trotz des relativ grossen 
Hodens (nebst Geschlechtszellen) bei Salen: so auch bei Simon 
und bei Uffreduzzi. Und ebenso findet sich hier am Tuben- 
rohr selbst nur bei Simon eine Abweichung in Form einer 
Hvpoplasie (bei etwa 7 em Länge von Zweistreichholz-Dicke), 
während solche in den Fällen beim Schwein die Regel sind. 

Beim Schwein zeigt (Sauerbeck, S. 700) die Tube eine 
Tendenz zur Verkümmerung. wo männliches Drüsengewebe vor- 
handen ist. Sie ist durchweg schwächer als die des Ostinms und 
stärker da, wo ein Hoden allein vorhanden ist, als neben einer 
/,witterdrüse. Beim H. A. verus lateralis ist die Tube auf der Seite 
des Ovariums normal, auf der Seite des Hodens fehlt sie ganz. 

Die normalen Tuben des Schweines sind unverhältnismässig 
lang und messen 15-30 cm.') In der Tat verschwinden dagegen 
die Maße des Tubenrohres in unseren fünf Fällen. Das Maximum 
erreichen die Tuben des Falles III links mit 12 cm, rechts mit 
ll em. Für die anderen Fälle beträgt die Maximallänge 7 cm. 
In Fall IV ist die Tube für die makroskopische Betrachtung 
unsichtbar, im Fall II links ein lumenloser, rein muskulärer 
Strang, im Fall I links auch in mikroskopischen Spuren nicht 
vorhanden,?) ebenso nicht in Fall V beim H. A. verus unilateralis 
maseulinus auf der Seite des Hodens. Dabei ist das Tubenrohr 
im Vergleich zur Norm dünner und zarter, soweit nicht bei einer 
durch chronische Entzündung bedingten Hydrosalpinx (rechte Tube 
Fall II, linke Tube Fall III) das Lumen ein wenig stärker auf- 
geweitet ist. 


!, Hier steht bei Sauerbeck (S. 344 oben) eine irrige Angabe: 
Tuben des Schweines normal. „einige Zentimeter“ lang. 

:, Noch Benda (4) glaubte, dass bei H. A. verus eine Geschlechts- 
drüse ohne zugehörigen Ausführungsgang nicht existieren könne. 


200 Ludwig Pick: 


Der makroskopischen Hypoplasie entspricht die mikro- 
skopische Faltenlosigkeit der Schleimhaut, auch da. wo keine 
Hvdrosalpinx besteht. Nur die linke Tube in Fall IV, abgesehen 
von dem normalen Tubenrohr in Fall V, besitzt ein sternförmiges 
Lumen. 

Die physiologische Lage im freien Rand des Mesometrium teilt 
der Eileiter in den Fällen beim Schwein mit dem Nebenhoden (vergl. 
oben). Sie liegt unmittelbar neben ihm (Fall III) oder auf seiner 
IKonvexität (Fall I und II) unmittelbar subserös und tritt dann 
weiterhin eventuell auf seinen scharfen Rand (Fall II rechte Tube. 
Fall III beide Tuben) über. In Fall IV ist sie, subserös gelegen, 
dem Vas deferens angeschlossen, das hier den freien Rand des 
Ligamentum latum einnimmt. Wo die Tube insbesondere in ihrem 
Verhältnis zum Eierstock endet, ist oben (S. 152) bereits ausgeführt. 

bemerkenswert ist die Angabe Uffreduzzis. dass die in 
seinem Fall der Epididymis durch lockeres Bindegewebe ange- 
schlossene Tube blind etwas unterhalb des Schwanzes der Epidi- 
dymis endet und zwar nicht mehr mit dem Nebenhoden verbunden, 
sondern frei tlottierend im Leistenkanal. Das Parovarium fehlt 
hier. Bei Simon war es anscheinend sogar recht kräftig aus- 
gebildet und zwar neben einer Epididymis.') Uffreduzzı und 
Salen geben zu diesem Punkt nichts Besonderes an. (Bezüglich 
des Parovariums in unserem Fall V vergl. S. 198 Anm.) 

Nun der Uterus! Auch wenn man von den rein akzidental 
bedingten Veränderungen absieht — man erinnere sich der enormen 
Pvometra in unserem Fall II und der leichten Hydrometra in 
Fall III — ist das Organ bei den Tieren gewöhnlich recht 
kräftig, ja, nach Sauerbeck unter Umständen, wie der Neben- 
hoden. übernormal. Die starke Asvmmetrie der beiden Hörner in 
Fall IV — linkes Horn 36 cm, rechtes Horn 10 em — entfällt 
auf die rechtsseitige Atrophie als Folge der früheren Kastration 
dieser Seite. Die Asymmetrie in Fall V — linkes Horn 40 cm, 
rechtes Horn 23 em — entspricht dem Verhalten beim H. A. 
verus lateralis des Schweines, während sonst beim H. A. verus 
unilateralis (in den zwei sicheren Fällen von Sauerbeck und 
Pütz) Symmetrie gefunden wurde. In der Tat steht freilich bei 
der Winziekeit der Hodeneinsprengung im Ovarıum anatomisch 
unser Fall V dem H. A. lateralis morphologisch sehr nahe. 


!) Vergl. dazu auch Simon, 8.26 und L. Pick (dla). 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 201 


Sauerbeck beobachtete (S. 344) in seinem Fall, dass die 
Teilung des unpaaren (rebärmutterabschnittes in die Hörner 4 cm 
nach vorn vom Scheitel erfolgt. Der Fundus (vergl. auch Fig. 3a) 
überragte dadurch kuppelförmig die Teilungsstelle. Ich habe in 
meinen Fällen ähnliches nicht gesehen. 

Für den menschlichen Uterus steht dem Befund des durch 
die Mvome leicht vergrösserten Uteruskörpers im Fall Salen 
bei H. A. verus unilateralis das klinische Fehlen in den drei 
übrigen Fällen gegenüber. Aus dem einen von Sauerbeck 
notierten Fall von Uterusdefekt beim wahren H. A. des Menschen 
sind jetzt schon drei geworden ! 

Für die Beurteilung der Ausbildung der Scheide auch 
des unpaaren (sebärmutterteiles — beim Schwein sind unter 
unseren Fällen am meisten massgebend Fall IV und \V. wo das 
gesamte innere und äussere (renitale in continuo vorliegt. Scheide 
plus Uterus kommen bei 25 em Gesamtlänge in Fall IV der Norm 
sehr nahe und erreichen sie in Fall V mit 32 cm. Ellenberger- 
Baum geben für das normale erwachsene Tier die Länge von 
Cervix plus Corpus uteri mit ca. 20 cm, für die Scheide mit 
ca. 10—12 em an.!) 


Die Mündung in den Sinus urogenitalis ist in 
beiden Fällen, besonders in Fall IV, stark verengt, entsprechend 
der auch von Sauerbeck in seinem Fall und von anderen 
Autoren (vergl. Tabelle III, Fall I. III und IV) festgestellten 
schlitzartig engen Kommunikation an dieser Stelle. Sonst ist 
aber die Vagina in den sicheren Fällen beim Tier allgemein 
in Gestalt und Grösse normal. 

Für den Menschen bestehen grössere Differenzen. 
Im Fall Gudernatsch erscheint sie normal. sie fehlt in den 
Fällen Simon und Uffreduzzi, während sie bei Salen als 
feiner S cm langer Gang besteht. — 

Als Anhang sei bemerkt, dass ich in keinem meiner 
Fälle gestielte oder ungestielte Hydatiden zu Gesicht 
bekommen habe. Da das proximale Ende des Müllerschen 
(Ganges regelmässig (Ostinmlosigkeit der Tuben!) atrophiert. so 
wird das wenigstens für die gestielten Hydatiden verständlich. 
In Fall V, wo auf der Seite des Ovariums nebst eingesprengten 
> ') Fall II zeigt einige kleine tubulös-bauchige Scheidendrüschen, wie 
sie auch beim sonst normalen Schwein gelegentlich vorkommen. 


2302 Ludwig Pick: 


Hodenkanälchen das Infundibulum vorhanden war, war es — wohl 
gleichfalls durch Missbildung (vergl. oben) — geschlossen. 


III. Die äusseren Geschlechtsorgane. 

Hierher zähle ich. wie oben (S. 177) begründet. mit Orth (50), 
Fibiger (16), E. Kaufmann (3la) auch die Prostata. 

Sauerbeck resümiert sich zu diesem Kapitel dahin, dass die 
konjugalen Geschlechtsteile nie rein das Gepräge des einen oder 
des anderen Geschlechts tragen, wie es bei P’seudohermaphroditen 
vorkommt, sondern vielmehr von gemischtem Charakter sind, und 
zwar Ist beim Tier (Schwein) in den sicheren Fällen der weibliche 
Typus der vorherrschende. „in sieben Fällen ohne Ausnahme“. 

Dieser Satz bedarf einer prinzipiellen Einschränkung in 
zweierlei Riehtung. Einmal kann die „Mischung“ eine so un- 
bedeutende sein. dass ein fast reiner Typus herauskommt, dann 
aber kann auch in einem sicheren Falle gerade der männliche 
Typus zweifellos überwiegen. So zeigt unser Fall IV, wenn man 
von dem Ersatz der Samenblasen durch die Psendosamenblasen 
absieht und die Hypertrophie des partiell mit dem Penis ver- 
wachsenen ') Präputiums und das Fehlen des Präputialbeutels als 
gewiss mehr nebensächliche Defekte gelten lässt, männliche Ver- 
hältnisse: eine kräftige 15 cm lange Pars pelvina der Harnröhre 
und ein 50 em langes Penisstück,. das sicherlich an das 
eines Kastraten heranreicht. 

Ich möchte nach meinem Material?) die allgemeine Regel 
so fassen, dass beim H. A. verus des Schweines der innere 
(proximale) Teil des äusseren Genitale stets ausge- 
sprochen männliche Merkmale aufweist, dass dagegen das 
(distale) äusserlich sichtbare Genitale von gemischtem 
Charakterist, oft mehr weiblich, gelegentlich durch- 
ausmännlich und zuweilen ohne ausgesprochen männ- 
lichen oder weiblichen Charakter (Fall II). Zu den 
ausgesprochen männlichen Zeichen der proximalen Teile der 
äusseren (renitale sind zu zählen: 

l. Die männliche Ausbildung des Sinus uro- 
genitalis (vergl. auch Sauerbeck, S. 869). Misst der 


') Verschmelzungen von Penis und Präputium kommen bei Kastraten 
‚oft vor. 
?) Im Fall I liegt das äussere Genitale nicht vor. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 203 


männliche Sinus urogenitalis, der zur Vagina der Länge nach 
wie 5:1 steht, bei einer normalen Länge der Vagina von 10 bis 
12 cm in maximo 4 cm, so finden wir hier Längen von 15, 10, 13 
und 14 em (in Fall II, III, IV und V) bei einem Diekendurch- 
messer bezw. von 20, 18, 20 und 25:20 mm, also die Längen- 
und Dickenmaße der relativ sehr langen Pars pelvina einer 
normalen männlichen Urethra. 

2. Es fehlt zwar für das blosse Auge stets (auch in Fall IV) 
das der Regel nach beim Schwein ja ohnehin nicht bedeutende 
spangenförmige Corpus prostatae.') Aber um so mächtiger 
ist die den Sinus mantelförmig umlagernde Schicht der Pars 
disseminata prostatae, in Fall \ sogar rings gleichmässig 
von über 1 em Dieke. Sonst ist sie bei 5 mm Dicke in unseren 
Fällen (auch in Fall IV) ventral stets mächtiger als dorsal und 
seitlich. 

3. Die Fälle II, III und \ besitzen an ihrem männlichen 
Sinus urogenitalis nach aussen von der Pars disseminata prostatae 
die nämliche männliche Muskelumkleidung durch den 
Musculus urethralis, wie die Pars pelvina urethrae des Falles IV 
oder die normale Pars pelvina urethrae (vergl. auch Sauerbeck, 
S. 357 zu Fig. 5). Ich betone, dass für alle meine Fälle die 
physiologische?) dorsale umschriebene Unterbrechung des Urethral- 
muskels durch eine Platte straffen Bindegewebes fehlt. Es ist im 
(Gegenteil gerade in Fall IV der dorsale Abschnitt des Urethral- 
muskels von besonderer Fülle. 

4. Sämtliche Fälle (IL, III, IV und V) besitzen am Sinus 
urogenitalis bezw. der Pars pelvina urethrae einen ausgesprochenen 
Schwellkörper, der vorwiegend zwischen Schleimhautobertläche 
und Pars disseminata prostatae eingeschoben ist.”) 


!, Es fehlt auch bei normalen Ferkeln ganz 

?) Vergl. Ellenberger-Baum (13), S. 551, Fig. 649 und S. 554. 

3), Sauerbeck notiert auf dem Querschnitt des vordersten Abschnittes 
des Sinus urogenitalis in seinem Fall (S. 342 nebst S. 357, Fig. 5) im Bereiche 
oder doch in der Nähe der Symphyse links und rechts im diehten Binde- 
gewebe Drüsen von acinösem Typus; die Träubehengruppen ziemlich weit 
getrennt. Er lässt ihre Deutung als Rudimente der Cowperschen Drüsen 
gegenüber der distal an Quantität und Ausbildung zurücktretenden Prostata 
(vergl. dazu auch unseren Fall II) unentschieden, reklamiert sie aber S. 356 
als männliches Merkmal. Meines Erachtens würden sie in dieser Form eher 
den weiblichen grossen Vorhofsdrüsen — sie bestehen beim Schwein aus 


204 Ludwig Pick: 


5. Ein von Sauerbeck (8. 343, 356, Fig. 3a) mit Recht 
gewürdigtes syntopisches Merkmal von besonderem Interesse ist 
das männliche Verhältnis der Urethra zum Sinus 
urogenitalis, oder wenn man es umgekehrt ausdrücken will, 
das Fehlen des normalen topischen Verhältnisses der Vagina zum 
Sinus urogenitalis. Nicht die Scheide und der Sinus, wie beim 
normalen Weibchen, sondern die Harnröhre und der Sinus bilden 
als anatomische Einheit ein gestrecktes Rohr, dem die Scheide 
von hinten ansitzt, wie eine „Raupe einem Ästchen“. Dieses 
akzessorische Verhältnis der Scheide zum Canalis urogenitalis 
kann so ausgesprochen sein, dass, wie bei Sauerbeck, an der 
Stelle des Herantrittes die Scheide nach vorn und distal hin noch 
einen besonderen kurzen Blindsack formt (Sauerbeck, Fig. 3a). 
Auch Reuter ist diese Einmündung der Vagina „von hinten her“ 
bereits aufgefallen. 

Für unsere Fälle II, III und V ist über das besondere 
Urethralverhältnis des Sinus nichts Sicheres auszusagen. Denn es 
ist hier jedesmal, wie wegen der besonderen Verwertung im 
Handel üblich, die Harnblase abgeschnitten, in Fall II und UI 
ausserdem noch der Urogenitalschlauch gerade an dieser Stelle 
durchtrennt. Dafür ist das männliche Urethralverhältnis aber 
ausserordentlich deutlich in dem allerdings auch sonst weitaus am 
meisten männlich gestalteten Falle IV. Es wird hier um so 
markanter, als in diesem Falle der der männlichen Pars pelvina 
durchaus entsprechende Urethralabschnitt nicht — wie normal — 
aus dem Blasenhals hervorgeht. sondern aus einer exquisiten 
weiblichen Harnröhre von 5 em Länge. Es ist hier gewisser- 
massen eine weibliche auf eine männliche Harnröhre 
aufgepfropft, und es entsteht aus dieser Verbindung ein ein- 
heitliches gestrecktes Rohr. So zeigt sich die Mischung der 
gegengeschlechtlichen Charaktere hier in einer höchst sonder- 
baren Form! 
einzelnen wenig bedeutenden Drüsengruppen — entsprechen, als den männ- 
lichen Bulbourethraldrüsen. Diese in der Norm ganz besonders grossen 
Körper sind bei den Kastraten klein und an unserem Material in rudimentärer 
Form, aber doch deutlich, im Fall IV wenigstens links vorhanden. Die 
rechtsseitige Drüse mag hier durch den Schlächterschnitt entfernt worden 
sein. In allen anderen Fällen fehlten, wenigstens für das blosse Auge, die 


grossen Vorhofsdrüsen bezw. Bulbourethraldrüsen. Auch über die Bulbi 
vestibuli kann ich nichts aussagen. 


Wer N ar 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 205 


Für das äusserlich sichtbare Genitale ist der männ- 
liche Habitus des Falles IV bereits oben gewürdigt. In Fall II 
ist der allgemeine Eindruck weiblich, mehr noch in Fall V, wo bei 
Vorhandensein des normalen kleinen kegelförmigen Hautanhanges 
am ventralen Winkel des Wurfes die etwas vergrösserte Spitze der 
Klitoris durch eine kleine Hautbrücke mit der Aussenfläche des Präpu- 
tialsackes verwachsen ist und der Introitus des Sinus sehr eng ist. 

In Fall Il ist durch die Verwachsung der Labien in ihrem distalen 
und mittleren Teil zu einer polsterartigen Verdickung ein Anklang 
an die Skrotalbildung entstanden, die Klitoris im ganzen (über 
15 em Länge gegen höchstens S cm der Norm) wie mit ihrem freien 
Ende (über 4 em Länge gegen 3—4 mm der Norm) hypertrophisch ; 
auch fehlt der normale zungenförmige Hautanhang der Vulva. 

Die auffallendste Eigentümlichkeit zeigt Fall III: die Ver- 
wandlung des freien Teiles der im ganzen kolossal hyper- 
trophischen, ca. 17 cm langen Klitoris in einen zeigetinger- 
dicken, über 5 em langen penisähnlichen Körper, der den 
Sinus urogenitalis unter vollständigem ventralen Abschluss 
bis an seine Spitze führt. Die Genese des Körpers (vergl. 
das Protokoll in Teil II nebst Textfig. 2) — durch Hypertrophie 
der Klitoris und besonders mächtige Hypertrophie des Präputiums 
einerseits. durch ventrale Abschlussbildung der an sich atrophischen 
Labien andererseits — ist vollkommen klar. Ebenso deutlich der 
Unterschied gegenüber einem normalen Penis. Denn abgesehen 
von dem Längenverhältnis fehlt sowohl die physiologische Ver- 
schmelzung diese freiragenden „Rute“ mit der Bauchwand, wie 
das Corpus cavernosum urethrae. 

In der Hvpertrophie des Präputiums und der partiellen Ver- 
wachsung der Vorhaut und Klitoris erinnert der Fall an die Befunde 
am Ende des Penis in Fall IV. Einen „verkümmerten Penis“ bei 
H. A. verus erwähnt Reuter, eine „penisähnliche Klitoris“ 
Becker: bei dem pseudohermaphroditischen Schwein ist sogar 
meist (dreimal unter vier Fällen) der rudimentäre Penis oder die 
penisartige Klitoris angegeben; doch ist diese, wie auch Sauerbeck 
anmerkt. vom Penistypus „immerhin noch recht erheblich entfernt “.') 


') Verel. auch die Angaben Kitt’s (35) über den anal abgebogenen. 
einer vererösserten Klitoris ähnlichen Genitalhöcker bei H. A. verus bilateralis 
(glandularis), S. 113, und über ein ähnliches Verhältnis beim Ps. H. A. der 
Säugetiere, S. 114. 


206 Ludwig Pick: 


Es bleiben die Verhältnisse der konjugalen Wege beim 
Menschen. Bei Salen sind die grossen und kleinen Labien 
normal, die Klitoris hypertrophisch. Bei Simon und Uffreduzzi 
besteht das Bild der peniscrotalen Hvpospadie. Gudernatsch 
notiert ein weibliches äusseres (Grenitale, aber ausserordentlich 
starke Rlitorishypertrophie. Die Regellosigkeit. die hier zum Aus- 
druck gelangt, hebt auch Sauerbeck (S. S69) hervor: ein 
anderes Mal spricht er (S. 703) von einer „stärkeren Potenz der 
männlichen Komponente“. Man mag sie in einer anscheinend 
regelmässigen Clitorishypertrophie auch bei sonst weiblicher Vulva 
in diesen Fällen bekräftigt sehen. Eine Prostata ist in keinem 
der Fälle erwiesen; Gudernatsch fühlte zwar einen „prostata- 
ähnlichen Körper“, will sich jedoch nieht bestimmt entscheiden. 

Für die akzidentalen extragenitalen Geschlechts- 
charaktere kann ich in unseren Fällen vom Schwein Angaben 
nicht machen. Das ist durch den Grossbetrieb des Berliner 
Schlachthofes bedingt. Die Zusammengehörigkeit der gelegent- 
lich der Beschau entdeckten hermaphroditischen Sexnalorgane 
mit dem übrigen Tier ist hier allermeist mit genügender Sicher- 
heit nicht mehr festzustellen. 

In: allgemeinen werden diese Befunde auch eher für den 
Menschen bemerkt, da ja hier der Regel nach gerade die sexuell 
abnorme äussere Konstitution des Individuums auf eine eventuelle 
Anomalie des Genitale hinleitet. Sauerbeck fasst die morpho- 
logische Korrelation zwischen extragenitalen Charakteren und den 
konjugalen Organen beim H. A. verus so, dass der Typus der 
ersteren dem der letzteren in weitgehendem Maße entspricht. dass 
er beim Tier mehr weiblich. beim Menschen (8. 704) „etwas stärker 
männlich“ bezw. (S. 569) „schwankend” sei. Vielleicht erweisen 
sich auch beim Tier (Schwein) bei genauerer Betrachtung — ent- 
sprechend dem mehr wechselnden Verhalten der konjugalen Teile 
(vergl. S. 202 und 205) — diese Verhältnisse der extragenitalen 
accidentalen Charaktere gleichfalls als mehr unregelmässig und 
schwankend. Für den Menschen bestätigt sich dies bereits, wenn 
man neben die von Sauerbeck (S. 704) charakterisierten Fälle 
Sal&ens und Simons die neuen von Uffreduzzi und 
(sudernatsch stellt. Bei Salen: allgemeiner weiblicher 
Habitus; Menstruation seit dem 17. Jahre; Neigungen weiblich. 
d. h. auf Männer gerichtet, Coitus als Weib versucht. Bei 


N 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 207 


Simon: allgemeiner Habitus mehr weiblich, jedoch beide Typen 
innig vermischt; Behaarung ausser leichtem Schnurrbartantlug 
weiblich ; Brüste weiblich, besonders links: Menstruation (?) und 
Ejakulation vorhanden: männliche Neigungen. Bei Uffreduzzi: 
langes Haupthaar, reichlicher Fettansatz, gerundete Formen: bei 
dem als Mädchen erzogenen Kind mehr knabenhafte Neigungen. 
Bei Gudernatsch: Behaarung und, Becken weiblich, Kehlkopf 
männlich, Brüste unentwickelt: Weibesbewusstsein, keine Libido. 

Sicherlich eine ziemlich bunte gesetzlose Reihe! 

Es zeigt sich in diesen Richtungen besonders der Nachteil 
der doch sicherlich sowohl für den H. A. verus des Menschen 
wie der Tiere noch kleinen Zahlen. Mancherlei Differenzen, wie 
sie in den „Korrelationen“ beim Menschen auf der einen, beim 
Tier auf der anderen Seite, wie auch im besonderen zwischen 
den Ableitungen aus Sauerbecks Material und aus dem, was 
mir zur Verfügung ist. verschiedentlich bestehen. werden an 
grösseren genügend beobachteten und untersuchten Reihen sich 
aufklären und ausgleichen müssen. Mancherlei anscheinende 
„Regeln“ werden sich erweitern, oder umgekehrt anscheinend 
unregelmässige Befunde sich in mehr bestimmte Regeln fassen 
lassen. Sprechende Beispiele dafür sind die Verschiebungen der 
Sauerbeckschen morphologischen (resetzmässigkeiten durch 
unsere neuen Befunde an den Keimdrüsen der wahren Herm- 
aphroditen und am äusseren Genitale des Schweines beim Herm- 
aphroditismus verus dieses Tieres. 


Bei VE 
Das testiculäre tubuläre Adenom des menschlichen 
Eierstocks. 


Der Abschnitt behandelt eine eigenartige (reschwulstbildung 
des menschlichen Eierstocks, die zum Hermaphroditismus verus 
und zwar zur germinal-vegetativen Form in einer sehr nahen 
Beziehung steht. Sie stellt ein reines tubuläres Adenom 
testikulsren «Ursprungs im EBierstockr des Weibes 
dar (Adenoma tubulare testieulare ovarii oder Adenoma testiculi 
ovotestis). Ich habe sie bereits bei früherer Gelegenheit ') be- 
en Läpick, 5la und b; vergl. auch dort die Mikrophotogramme 
Fig. 1, 2, 4 und die Abbildungen auf Taf. V, Fig. 1-5. Fig. 4 und Fig. 1 


und 3 1. e. entspricht unserer Fig. 14 und 15 auf Taf. X. 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.$4. Abt. II. 14 


208 Era devaro@peike 


schrieben und in ihrer Deutung und Genese des Näheren begründet. 
Auf diese eingehende Darstellung nehme ich hier Bezug. 

Ich komme auf sie an dieser Stelle zurück, weil die Er- 
gebnisse meiner Untersuchungen speziell beim H. A. verus des 
Schweines für meine damalige Hypothese über die (Grenese der 
Neubildung nunmehr eine sehr reale Basis erhalten haben. Als 
anatomische Grundlage für, das testikuläre Adenoma ovarii habe 
ich damals einen kleinen Komplex in den Eierstock versprengter 
rudimentärer Hodenkanälchen nebst Zwischenzellen vermutet. 
Dieser Vorstellung schienen die seinerzeit bekannten Fälle von 
Salen und Simon, nicht minder die später von Sauerbeck 
zusammengestellten Fälle von H. A. verus beim Tier insofern zu 
widersprechen, als in der Zwitterdrüse gesetzmässig gerade der 
Hodenteil überwog, ja. der Eierstock gelegentlich zu mikro- 
skopischer Dimension zusammenschrumpfte. 

Dass aber nichtsdestoweniger auch eine lediglich mikro- 
skopisch festzustellende Verlagerung von Hodenkanälchen und 
/wischenzellen in einen äusserlich unveränderten typischen Eier- 
stock tatsächlich vorkommt —- wenn auch zunächst nur beim 
Säugetier in einem scheinbaren Falle von lateralem H. A. verus —, 
habe ich durch unseren Fall V erwiesen. Ja, es ist hier eine 
förmliche Durchmischung der versprengten Hodensubstanz mit 
dem Eierstocksgewebe erfolgt. 

Ich schliesse meine damalige Beobachtung (unter ent- 
sprechender Kürzung) hier zunächst an. 

Der Tumor stammte von einer 24 jährigen verheirateten 
Frau Z., die seit ihrem 16. Jahre immer normal menstruiert 
gewesen war, einmal abortiert und zweimal normal geboren hatte. 

An dieser Frau war nichts zu finden, weder am Genitale, 
noch an ihrem äusseren oder ihrem psychischen Verhalten, das 
nicht einem rein weiblichen Habitus entsprochen hätte. Seit 
einigen Monaten bestanden ununterbrochen Gebärmutterblutungen 
und Unterleibsschmerzen, besonders auf der rechten Seite. Hier 
wurde eine über hühnereigrosse Eierstocksgeschwulst gefühlt und 
per laparotomiam entfernt. Die rechte Tube und die links- 


seitigen Anhänge — am Ovarium wurden einige kleine Zysten 
eröffnet — waren normal. Die Oberfläche des abgetragenen 


Ovariums (5,5 :4:3,3) hat makroskopisch das gewöhnliche Aus- 
sehen und die Beschaffenheit des Eierstocks. Aber wie der 


Rz} 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 209 


Durchschnitt in der Längsrichtung zeigt. ist die Ovarialsubstanz 
nur die stellenweise äusserst dünne Schale für eine 4:3:4 cm 
messende ellipsoide auffallend aussehende Geschwulst. Sie liegt 
in der ovarialen Schale exzentrisch, nach dem einen Pol hin ver- 
schoben (vergl. 5la, Taf. V, Fig. 4). Diese organfremde derbere 
Einlagerung ist auf dem Schnitt hellgelb wie Butter, opak, aus- 
gesprochen lobuliert, mit miliaren bis linsengrossen Läppchen, 
deren Buttergelb sich stark abhebt gegen das helle Weisslich- 
grau der interlobulären Bindegewebssepten. Das Zentrum der 
Neubildung war im Umfang einer kleinen Kirsche sulzig er- 
weicht. Ausserordentlich merkwürdig und überraschend ist nun 
das mikroskopische Bild (Taf. X, Fig. 15). Alle Läppchen besassen 
ganz gleichmässig. ohne irgend eine Abweichung, die Struktur 
allerreinster einfacher tubulärer Adenome. Diese 
Adenome waren aus langen gestreckten oder sanft gebogenen 
oder auch verschieden stark gewundenen, selbst schleifen- oder 
ösenartigen, drehrunden Kanälchen (t) zusammengesetzt, deren 
ganz gleichmässiges Kaliber einen Durchmesser von 35 u besass 
oder höchstens um ein weniges darüber oder darunter mass. Die 
gestreckten Formen ziehen öfter bündelartig parallel: andere Male 
sind sie dichotomisch geteilt, ganz selten auch ein wenig zystisch 
aufgeweitet, bis zu Hohlräumchen von höchstens 250 «u Durchmesser. 

Alle diese Schläuche waren ausgekleidet von einem aus- 
nahmslos einschichtigen Zylinderepithel von 15 u Höhe, dessen 
helle Elemente sich nicht deutlich gegeneinander begrenzten. 
Die Kerne waren länglich. fein granuliert, kräftig gefärbt, das 
Zytoplasma frei von Glykogen, Fett oder Pigment, das opake 
(ielb der Geschwulst war also eine Eigenfarbe. 

Das Stroma (str) innerhalb der Läppehen war von grosser 
Spärlichkeit. Einige Tubuli besassen feinste elastische Hüllen. 
Zuweilen fanden sich im Stroma der Läppchen, wo es ein wenig 
reichlicher war, stark auffallende kleine Gruppen und Züge grosser 
epitheloider Zellen mit feinkörnigem Plasma, bläschenförmigen 
runden Kernen und scharfen Nukleolen. Fett oder Pigment ent- 
hielten auch diese nicht. Sie traten neben den nicht besonders 
reichlichen spindeligen dunklen Kernen der Bindegewebszellen 
sehr markant hervor. 

Die Schale von Kierstocksgewebe, die dieses merkwürdige 
Adenom umgab, enthielt nicht sehr zahlreiche, aber sonst normale 

14* 


2310 Ludwig Pick: 


Eierstocksfollikel und verschiedene Stadien weiterer Entwicklung 
wie der Follikelatresie: dazu einige kleine Follikelzysten. 

Für dieses in seiner (Genese vor der Hand nicht zu er- 
klärende Adenom fand ich die richtige Deutung durch die histo- 
logische Untersuchung der Hoden eines männlichen Pseudoherm- 
aphroditen, der in Berlin als „Schneiderin* gelebt hatte und in 
der weiland E. v. Bergmannschen Klinik wenige Tage nach der 
Exstirpation des Gasserschen Ganglions zugrunde gegangen war.') 

Der allgemeine äussere Eindruck war bis auf einige fast 
l cm lange Schnurrbarthaare, lange Haare an beiden Unter- 
schenkeln und kleine männliche Mamma der linken Seite ein 
weiblicher. Die Menstruation war nie vorhanden gewesen. Die 
Klitoris war hypertrophisch, die kleinen Labien fehlten. die Vagina 
war kurz, der Hvmen vorhanden. Der Uterus bestand als rudi- 
mentärer Uterus didelphys, die Tuben fehlten. Die Hoden lagen 
vor dem inneren Leistenring: ihnen sass ein rudimentärer Neben- 
hoden auf; vom Vas deferens war ein rudimentärer distaler Ab- 
schnitt jederseits neben der Scheide zu finden. Im ganzen also 
ein Pseudohermaphroditismus masculinus externus 
und internus (completus). 

Die Hoden waren mässig atrophisch und in beiden Testikeln, 
besonders im linken, fanden sich zu Dutzenden bis bohnengrosse 
opak-buttergelbe Knoten von länglich-runder, ellipsoider oder 
kugeliger Form. von denen die grösseren sich leicht enukleieren 
liessen. 

Die mikroskopische Untersuchung der Hoden ergab, wie bei 
den Testikeln der Pseudohermaphroditen die Regel, die typischen 
Befunde der Atrophie des kryptorchischen Hodens in analoger 
Art, wie ich sie oben (Teil I und IV) bereits eingehend besprochen 
habe. Im besonderen fand sich (vergl. S. 193 und 194) das von 
Finotti für den atrophischen Leistenhoden — mit seinen in den 
verschiedenen Höhenabschnitten des Organs verschiedenen Epithel- 
befunden — aufgestellte (Gesetz bestätigt, dass sich der puerile 
Charakter des Hodenparenchyms am ausgesprochensten in dem 
(regenabschnitt des Rete testis. also entfernt vom Hilus, erhält: 
selbst die kindliche Läppehenzeichnung war in dieser Hodenpartie 
hier noch bestehen geblieben. Der Zellbefund der Hodenkanälchen 
im einzelnen entsprach ganz demjenigen, den ich für den Hodenteil 


') Vergl. dazu den Bericht E. Ungers, I. e. 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 211 


der Zwitterdrüse im Falle Sal&n oben eingehend beschrieben 
habe. nur dass bei diesem Pseudohermaphroditen Elemente der 
(reschlechtszellreihe ganz und gar fehlten. 

Ausserdem ergab sich eine ganz ausserordentliche Proliferation 
der Zwischenzellen in reichlichen durch feine Kapillaren vaskulari- 
sierten umschriebenen Gruppen oder diffusen Anhäufungen. Die 
Wucherung war so intensiv, dass die Zwischenzellen an Quantität 
der Masse der Hodenkanälchen mindestens gleichkamen oder sie 
sogar übertrafen. Dabei ging mit der Intensität der Zwischen- 
zellproliferation Hand in Hand eine Reduktion des Zellumfanges, 
der Verlust von Fett und Pigment: die spezifischen Leistungen 
des Zytoplasmas schwanden in gleichem Schritt mit der Lebhaftige- 
keit der zelligen Wucherung. 

Unter den verschiedenen Formationen der Sertolizellen 
innerhalb der Hodenkanälchen ist nun hier die der gegeneinander 
begrenzten Zylinderzellen (1. c., Taf. V, Fig. 3), die das Kanälchen 
in einfacher Lage auskleiden, von besonderer Bedeutung. Denn 
die Epithelien der Hodenkanälchen dieser Art lassen, wie ohne 
Schwierigkeit und vollkommen eindeutig zu zeigen war, die eigen- 
tümlichen buttergelben Geschwulstknoten hervorgehen. 

Letztere erwiesen sich (Taf. X, Fig. 14) als ganz reine 
einfache tubuläre Adenome von äusserst zierlichem und 
vollkommen gleichmässigem Bau. Sie bestanden aus regelmässigen 
drehrunden, langen Schläuchen (t) von ganz gleichmässigem Kaliber 
und 35 « Durchmesser. Sie liefen teils gestreckt parallel, an der 
Knotenperipherie ausgesprochen radiär (vergl. das Mikrophoto- 
gramm 5lb, in Fig. 1) oder schlängelten sich in verschieden 
starken Windungen. Nur selten fanden sich kleine unbedeutende 
zystische Aufweitungen bis höchstens 125 4, des öfteren auch 
diehotomische Teilungen. 

Die Auskleidung der Schläuche bestand aus einer einfachen 
Schicht heller durchsichtiger, nicht deutlich gegeneinander be- 
srenzter Zylinderzellen von 15 « Höhe, mit länglichen, sehr fein 
granulierten und nicht sehr kräftig gefärbten Kernen. 

Die Entwicklung dieser Adenome aus den Hodenkanälchen 
der genannten Kategorie vollzieht sich in ganz typischer Art. 
Zunächst stehen die Schläuche des Adenoms mit den Samen- 
kanälehen noch in Zusammenhang. haben ohne jede Ausnahme 
genau die nämliche fibrös-elastische Tunica wie die 


212 Ludwie-Pick: 


umgebendenHodenkanälchen und sind untereinander durch 
reichliches Bindegewebe getrennt. Dann löst sich mit dem Wachstum 
des Adenomknötchens dieser Zusammenhang. Das Adenom erhält 
eine distinkte Bindegewebskapsel und durch regelmässige Septierung 
im Innern einen exquisit läppchenartigen Bau. wobei innerhalb der 
Läppchen selbst das Stroma (str) sich auf das Äusserste reduziert 
und die elastische Tunica der Schläuche fast regelmässig verloren 
geht. In den grössten Knoten ist sie nur noch an wenigen 
Stellen in zartester Ausbildung um die Tubuli erhalten. 

Fett oder Pigment wird in den Epithelzellen nicht abgelagert. 
Das eigentümliche makroskopisch so augenfällige Buttergelb der 
Adenome entspricht also einer Parenchvmeigenfarbe. 

Diese von mir in diesem Falle gefundenen rein fubulären 
Adenome der Sertolizellen wurden in der Folge als eine Neu- 
bildung spezifischer Morphologie nicht nur in den Hoden männ- 
licher Pseudohermaphroditen (E.Kaufmann [3la]. Gerbis [21|) 
bestätigt, sondern auch in den ektopischen Hoden überhaupt 
(Lecene et CUhevassu [43]) beschrieben, ein weiteres die 
völlige Übereinstimmung der Hoden der Pseudohermaphroditen 
und Kryptorchen ergänzendes Moment. Vor allem lassen auch 
die weiteren Autoren die Abstammung der Schläuche der Adenome 
von den Sertolizellen der Hodenkanälchen ausser jedem Zweifel.) 
Ich selbst habe die eigenartigen Adenome in eine Linie gestellt 
etwa mit den Adenomen in anderen atrophisch-eirrhotischen Organen, 
wie den Adenomen der cirrhotischen Leber. der schrumpfenden 
Brustdrüse, der Schrumpfnieren, wo sie gleichfalls aus den 
Parenchymzellen ihren Ursprung nehmen. Für das tubuläre Adenom 
des Eierstocks hat später Schikele (50) ein Pendant zu meinem 
Fall bekannt gegeben, sich im übrigen dabei meiner Auffassung 
und Deutung rückhaltlos angeschlossen. Zweifellos ist diese 
ovarielle Neubildungsform ein Typus. 

Es sind nun diese eigenartigen tubulären, knotig in den 
Eierstock eingelagerten buttergelben Adenome makroskopisch und 
mikroskopisch ein bis in das kleinste getreues Abbild 
der reinen tubulären Adenome des ektopischen und 


', Vergl. z.B. bei E. Kaufmann (31b) betr. der reinen tubulären 
Adenome des Hodens: „ihre Entwicklung aus Sertolischen Zellen prä- 
existierender Samenkanälchen konnte sicher nachgewiesen werden“. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 213 
pseudohermaphroditischen Hodens, nur ins Grössere und 
Voluminösere übersetzt. 

Wie die grössten der gelben Hodenadenome ist auch das 
tubuläre Eierstocksadenom knotig, scharf umschrieben, von butter- 
gelbem Durchschnitt und lobulärem Aufbau, der hier bei den 
umfänglicheren Dimensionen der Neubildung auch dem blossen 
Auge sehr deutlich ist. 

In den mikroskopischen Präparaten der Hoden- und Eierstocks- 
adenome gibt es überhaupt keine Verschiedenheiten. Das Kaliber 
der langen gewundenen Kanälchen ist hier wie dort 35 u, bei 
unerheblichsten Schwankungen. Das stets einschichtige Epithel ist 
hier wie dort 15 « hoch und besitzt beide Male das nämliche 
helle Plasma mit meist scharfer Grenze gegen das Lumen, un- 
scharfer gegen die Nachbarzellen. auch dieselben basalständigen 
feingranulierten hellen Kerne. Glvykogen-, Fett- und Pigment- 
einlagerungen fehlen. Das makroskopische Gelb ist hier wie dort 
Eigenfarbe des Parenchyms. Auch Zysten fehlen: beide Tumoren 
sind tubuläre Adenome von idealer Reinheit. Dabei ist das Stroma 
ausgesprochen fibrös zwischen den Läppchen, innerhalb der Läppcehen 
fast auf ein blosses Kapillarnetz reduziert. Die mikroskopischen 
Bilder (vergl. 5La, Taf. V, Fig. 1 und 5; 51b, Fig. 4 und unsere 
Taf. X, Fig. 14 und 15) decken sich bis zu völliger Identität. 

Es ist nun vollkommen sicher: 

1. dass dieses reine tubuläre Eierstocksadenom durchaus 
aus dem Rahmen aller sonst bekannten epithelialen Eier- 
stocksneubildungen heraustritt. Ich verweise in dieser Be- 
ziehung auf meine sehr eingehende Differentialdiagnose an 
anderer Stelle; 

. dass in keiner einzigen Phase der Organogenese desOvariums 
jemals ein Stadium langer, drehrunder, gleichmässig kali- 
brierter, gewundener Schläuche existiert: 

dass diese Schläuche nicht nur ihr physiologisches Vorbild 
in den Kanälchen des Hodens besitzen, sondern 

4. dass dieses ovarielle Adenom das getreueste Pendant eines 

reinen tubulären Hodenadenoms ist, dessen testikulär- 

epithelialer Ursprung — aus den Sertolizellen der Hoden- 
kanälchen — über allem Zweifel ist. 

Die Analogie wird noch stärker dadurch, dass diese Ge- 
schwulstform auch für den Hoden etwas höchst Ungewöhnliches 


DD 


os 


AE: Dudw iesPpirek: 


ist und dass sonst die adenomatösen und adeno-zystomatösen 
Neubildungen an Hoden und Eierstock einander so unähnlieh wie 
möglich sind. 

Danach bleibt nur ein Schluss: auch diese reinen 
tubulären Eierstocksadenome sind testikuläre, sie 
sind Adenome eines kleinsten versprengten atrophischen Hoden- 
teils im Eierstock. Dieser Schluss ist meines Erachtens voll- 
kommen zwingend. Er liegt genau in der Richtung, in der wir, 
sicherlich mit Recht, bei ungewöhnlichen. an sich gleichartigen 
Tumoren in Hoden und Ovarium, wie z. B. bei den Teratomen, 
die gleiche Anlage voraussetzen. 

Die Umdeutung, die Kermauner (33b) wie für den 
geschlechtszellosen Hodenteil der Zwitterdrüse, so auch für die 
tubulären Adenome des Hodens und des Ovariums als Rete- 
adenome (aus „einigen verirrten Reteschläuchen“) unternimmt '), 
ist ebenso unrichtig. wie etwa eine Ableitung dieser ovariellen 
Adenome aus den „Marksträngen“ im Sinne von Bayer (2). Dieser 
Versuch entspricht wiederum lediglich der unberechtigten grund- 


', Kyrle (35) berichtet ganz neuerdings über die experimentelle 
Erzeugung eines haselnussgrossen Adenoms des Rete testis beim Hund, Der 


Hauptsache nach baut sich der Knoten aus derbfaserigem Bindegewebe auf, 


in welches ganz unregelmässige Kanälchen eingelagert sind. Letztere zeigen 
grosse Polymorphie (siehe Fig. 1 und 2). Bald stösst man auf umfangreiche 
kueelig geformte Hohlräume, die mit stellenweise vielschichtigem Epithel 
auseekleidet sind, bald wieder auf schmale gangartig aussehende Formationen, 
die bezüglich ihres Epithels ein gleiches Verhalten zeigen wie die grossen 
Hohlräume. Neben diesen Bildungen finden sich ferner in Spalten und Lücken 
des Bindegewebes zahlreiche kleine und grössere Epithelverbände. die häufig 
Lumenbildung erkennen lassen und so den Eindruck rudimentärer Kanälchen 
hervorrufen, kurz, ein Bild grosser Regellosigkeit. 

Mag dieses Adenom sich nun vom Rete herleiten, oder, was ich nicht 
für ausgeschlossen halte, doch von den Hodenkanälchen, jedenfalls ist es in 
allem das Widerspiel der in jedem Belang so regelmässig strukturierten 
reinen tubulären Hodenadenome. 

Der unmittelbare Übergang der Adenomschläuche in das Rete beweist 
die Genese aus diesem ebensowenig „absolut sicher“, wie das scharfe Abgesetzt- 
sein des Knotens gegen die erhaltene Hodensubstanz. Denn mit dem Rete 
könnten die Adenomschläuche auch zusammenhängen, wenn sie von Hoden- 
kanälchen in unmittelbarer Retenähe ausgehen. und dass eine Bindegewebs- 
kapsel nicht gegen die Herkunft aus Hodenkanälchen spricht, zeigen unsere 
Befunde. Die Abkapselung der Hodenadenome unserer Kategorie erfolgt pari 
passı mit dem Wachstum des Adenomknotens! | 


sr 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 21% 


- 


sätzlichen Ablehnung des H. A. verus für den Menschen. Wichtige 
Tatsachen werden’ dabei vernachlässigt oder über- 
sehen. So die vollkommen gesicherte Genese der Schläuche 
der tubulären Hodenadenome aus den Hodenkanälchen; ich ver- 
weise dabei besonders auch auf die fibrös-elastische Tunica der 
Schläuche der kleinsten Adenomknötchen. die erst in den grösseren 
Knoten verloren geht. Ferner der von mir erhobene Befund 
von Zwischenzellen zwischen den Schläuchen des tubulären 
Eierstocksadenoms. 

Dieser Ring schliesst sich auf das Vollkommenste durch 
unseren Nachweis der Verlagerung nicht nur von Hodenkanälchen, 
sondern auch von Zwischenzellen in einen sonst normalen Eier- 
stock. Die „verirrten Reteschläuche“ sind, von anderem abgesehen, 
vollkommen hypothetisch, die verlagerten Hodenkanälchen 
im Ovarıum dagegen nunmehr tatsächlich erwiesen. 

In diesem Punkt liegt natürlich die nahe Beziehung dieser 
Eierstocksneubildung zum Hermaphroditismus verus. Dass sie 
als eine besondere eigenartige Form eines germinal-vegetativen 
(ovartell-testikulären) Hermaphroditismus zu gelten hat, als eine 
völlige Konsumption des echt hermaphroditischen Hodenanteils einer 
weiblichen Keimdrüse durch Aufgehen in einer organspezifischen 
Neubildung. steht dabei nicht einmal in erster Linie.) 

Das prinzipiell Wichtige ist vielmehr darin gegeben, dass 
ihre anatomische Grundlage als kleinste andersgeschlechtliche, im 
wahren Sinne des Wortes heterogone Einsprengung in die Keim- 
drüse bei dem sonst in seinem Sexnalcharakter völlig normalen 
und einheitlichen (weiblichen) Individuum eine morphologisch 
höchst bemerkenswerte Abweichung von der Norm darstellt. Diese 
unbedeutende einzige heterosexuelle Missbildung des Genitale 
sowohl wie des Körpers überhanpt. dieser kleine Fehler des reinen 
Typus. wird erst offenbar durch sein Aufgehen in Geschwulst- 
bildung, und es mag wohl sein, dass umgekehrt kleinste hetero- 
gone Keime dieser Art in Hoden oder Ovarium doch vielleicht 
häufiger sind (vergl. L. Landau [39], Poll [52e]), auch wohl 

') Sie inauguriert zugleich die Gruppe der Fälle von Keimdrüsen- 
geschwülsten bei menschlichem H. A. verus (vergl. bei L. Pick, 5la), und 
ferner beschliesst sie die durch diese Tumorform schon vervollständigte Über- 
einstimmung des ektopischen und pseudohermaphroditischen Hodens auch für 
die wahren Hermaphroditen. 


216 Ludwie Pick: 


früher oder später im Sinne Sauerbecks atrophisch-resorptiv 
inbemerkt zugrunde gehen. 

Nach der Sicherstellung des Hermaphroditismus verus auch 
für den Menschen kommt es in erster Linie darauf an, ein Ver- 
ständnis für die Beziehung des wahren menschlichen Hermaphro- 
ditismus zum normalen Menschen zu gewinnen, und gerade ın 
dieser Richtung hilft das Adenoma testienlare ovarii im Sinne 
unserer Auffassung ein Stück vorwärts. 


Teil VI. 
Epikritische Betrachtungen über Hermaphroditismus 
und Pseudohermaphroditismus. — Die praktischen 


Prinzipien der Geschlechtsfestsetzung bei Herm- 
aphroditen; die Arten der „Neutren“. 

Wir kommen zu der Verwertung unseres Materials für die 
Frage der „kausalen“ (esetzmässigkeiten und Zusammenhänge. 
d.h. zu der Frage der Ätiologie des H. A. im weitesten Sinne. 
Sie ist auf das engste verknüpft mit den Fragen der normalen 
(Geschlechtsbestimmung, der Präexistenz der akzidentalen (Ge- 
schlechtsmerkmale und ihrer Korrelation zu den Keimdrüsen. 
Alle diese Probleme sind zurzeit, wie bekannt, in lebhafter 
Erörterung.') Sie werden verschieden. ja, vielfach völlig wider- 
sprechend beantwortet. 

Nun sind es gerade die Befunde beim H..A. gewesen, die in 
diese Diskussionen oft genug hineingezogen worden sind. sei es, 
dass sie als besondere Belege und Beweisstücke eine Theorie 
„begründen“, sei es, dass sie umgekehrt durch eine bestimmte 
Theorie „erklärt“ werden sollten. Bemerkenswerterweise erfolgt 
hierbei ihre Verwertung des öfteren in durchaus gegenteiligem Sinne. 

Während z. B. Herbst (26) für seine Anschauung, dass 
die weibliche Keimdrüse die Entwicklung des äusseren Genitale 
zum männlichen Typus verhindere, bestimmte Fälle von Ps. H. A. 
bei Mensch und Tier heranzieht, führt Halban (24) gerade den 
Ps. H.A. gegen die Meinung an, dass die Keimdrüse einen 
hemmenden Einfluss auf das Genitale des anderen (Geschlechts 
ausübe. Die strenge Korrelation der gesamten akzidentalen 
(seschleehtscharaktere mit dem links gelegenen Ovarium des be- 

') Vergl. die Diskussion der Anschauungen von Herbst, Halban, 
Poll, Biedl und Kammerer bei Tandler und Grosz (66), 8. 41—46. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. AUT 


kannten Buchfinkenzwitters von Koller-Weber (71), die in 
genauer Seitenrichtigkeit die Medianlinie haarscharf innehält und 
übrigens auch für die beiden Fälle von Tichomirow-Lorenz 
(67) und von Heinroeth-Poll (52a) beim (Gimpel besteht, 
wird, wie Tandler und Grosz betonen. dazu verwendet, 
die vollkommene Unabhängigkeit aller (Geschlechtsmerkmale von 
den Keimdrüsen zu beweisen.!) Sauerbeck wiederum rechnet 


!) Bei sicherem H. A. lateralis der Säugetiere (Fälle von Reuter 
und Kingsburg) ist ausser einer bestimmten Korrelation der Leitungswege 
(stärkere Ausbildung der männlichen auf der Seite des Hodens, der weib- 
lichen auf der Seite des Ovariums) betreffs der übrigen akzidentalen Charaktere 
nichts bekannt. Ed. Gottschalk (22) berichtet neuerdings über ein 
26 jähriges, mit Hypertrichosis faciei behaftetes menschliches Individuum, bei 
dem die rechte Körperhälfte männliche, die linke weibliche Charaktere aufwies. 
Bart rechts stärker als links; robuste männliche Gesichts- und Thoraxhälfte 
rechts, mehr weiblich anmutende links: Mamma rechts fehlend, links in An- 
deutung vorhanden; rechts männliche, links weibliche Beckenhälfte im 
Röntgenogramm (l. e., Fig. 6, Taf. 28). Am Genitale Penis, Vagina: grosse 
und kleine Labien, rechts nur rudimentär:; kein Uterus. Im rechten Leisten- 
kanal ein über taubeneigrosser Hoden zu fühlen. Medial vom linken Leisten- 
ring ein bohnengrosser Körper, „vielleicht das dislozierte linke Ovarium*. Die 
Beobachtung ist eine rein klinische. So steht für den Menschen ein 
sicherer Fall von H.A. lateralis noch aus. — 

Lilienfeld (44) hat schon vor 50 Jahren, ebenso in neuerer Zeit 
Nagel (48a). vermutet, dass die physiologische Rückbildung des ganzen 
rechtsseitigen Grenitalsystems bei den Vögeln sich in Fällen von H.A. bei 
den Säugern äussern könnte in einer Tendenz zu quantitativ asymmetrischer 
Ausbildung, insbesondere aber in einem Vorwieeen des weiblichen Charakters 
auf der linken Körperseite. 

Sauerbeck hat die Annahme einer solchen Gesetzmässigkeit an 
seinem Material von H. A. verus mit negativem Erfolg (S. 694) geprüft. 
Immerhin sitzt das Ovarium bei Reuter (H. A. verus lateralis) links; 
rechts allerdings in den beiden „sehr wahrscheinlichen“ H. A. verus lateralis- 
Fällen von Boas. Es sitzt links auch in unserem eigenartigen Falle V von 
überwiegendem Ovarialteil bei einer Zwitterdrüse und ferner links in dem 
Fall von H. A. verus unilateralis completus femininus beim Menschen (Salen). 
Der H.A. verus unilateralis completus masculinus des Schweines im Falle 
Sauerbeck ist allerdings wiederum ein dexter, d. h. hier sitzt der Hoden 
auf der linken Seite. Immerhin verdienen auch von diesem Gesichtspunkt aus 
die tatsächlichen Verhältnisse der genitalen und extragenitalen Charaktere 
beim H.A. verus der Säuger weiterhin Beachtung. — 

Halbseitenzwitter in der Art. wie sie bei den Vögeln beschrieben sind — 
der von Kuschakewitsch (37) bei einem 3 Monate alten Fröschlein be- 
obachtete zeigte keine extragenitalen Differenzen der beiderseitigen Körper- 
hälften — sind unter den Arthropoden. den Bienen, Ameisen, Käfern und 


218 LudwseiPick: 


ohne Einschränkung für die Formung der Genitalcharaktere mit 
dem „typenbestimmenden Einfluss“ der Geschlechtsdrüse und mit 
segengeschlechtlichem Drüsengewebe als „Agens der Zwitter- 
bildung“. 

Ich brauche auf diese speziellen Fragen in ihrer Beziehung 
zum H. A. des näheren deswegen nicht einzugehen, weil ich voll- 
kommen den Standpunkt Tandler und Grosz’ (66, S. S2 und 83) 
teile, dass der H. A. verus wie der Pseudo-H. A. als ausge- 
sprochene Missbildungen kaum geeignet sind, für die Frage der 
normalen Korrelationen von Geschlechtsmerkmalen und Keim- 
drüsen geeignetes Beweismaterial zu liefern. Ist es doch unver- 
kennbar. in erster Linie gerade die bekannte regel- und gesetz- 
lose Durchmischung der akzidentalen Geschlechtsmerkmale in 
ihrer ausserordentlichen Fülle von Kombinationen. die, sofern 
die Befunde des H. A. in die Erörterung der physiologischen 
Korrelationen hineingezogen werden, ganz notwendig zu wider- 
sprechenden Auffassungen führen muss. 

Vielleicht könnte hier eine Vertiefung unserer Kenntnisse 
von dem bisher hypothetischen H. A. der innersekretorischen 


insbesondere den Lepidopteren (M. Standfuss [62]) nicht allzu selten und 
gerade bei den Schmetterlingen neben den sonstigen verschiedenen Charakteren 
der männlichen und der weiblichen Körperhälfte durch die verschiedene Art 
der Flügel nach Schnitt, Äderung und Farbe sehr auffällig. Für diese 
Schmetterlingshalbseitenzwitter haben die eingehenden Untersuchungen Karl 
Wenkes (72) über das Verhalten der äusseren und inneren Anatomie 
solcher Tiere gelehrt. dass die Topographie ihrer äusseren Geschlechts- 
merkmale hier zwar im grossen und ganzen jener der inneren Sexualorgane 
entspricht, aber doch nicht in allen Fällen. So war z. B. der Ärgynnis 
paphia-Zwitter Wenkes, der nach dem Charakter der Flügel links männlich, 
rechts weiblich war, seinem inneren Genitale nach ein verkümmertes Weibchen. 
Das ist ein partieller (weiblicher) Halbseitenzwitter, im Gegensatz zum 
totalen, der die Keimdrüse mit einbezieht: wenn man will, en Halb- 
seitenpseudozwitter. Ich sehe von einem Erklärungsversuch auch 
bei diesen Missbildungen vollkommen ab. Aber ich nenne die Befunde, weil 
z.B. v. Neugebauer (49, S. 57 und 58) auch für die menschlichen 
Psendohermaphroditen, d. h. also für Fälle gleichartiger Keimdrüsen auf 
beiden Seiten, hervorhebt, dass manche Autoren hier eine verschieden- 
zeschlechtliche Entwicklung der beiden Körperhälften, der beiden Gesichts- 
hälften oder der Brüste oder männliche Behaarung der einen, weibliche 
der anderen Gesichtshälfte erkannt haben. Die tatsächlichen Belege (l. e., 
Tabelle NCIT, für einen solchen Hemipsendohermaphroditismus des Menschen 
sind allerdings bisher etwas mager. Auch hier mehr Ausblicke als Einblicke! 


Pe 55 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. Pl: 


Teile der Keimdrüsen in Verbindung mit der verschiedenartigen 
Versibilität der Geschlechtscharaktere wenigstens bis zu einem 
gewissen Grade aufklären. unter Berücksichtigung der Tatsache, 
dass beim H. A. in manchen Fällen — speziell beim H. A. verus — 
die innersekretorischen Apparate (als Ausdruck der Missbildung)., 
sei es im Hoden (Uffreduzzi), sei es im Ovarium (Guder- 
natsch), sei es in beiden (Fall Sauerbeck), ganz fehlen. 

In grösserer Übereinstimmung (Herbst, Meixner, 
v. Neugebauer, Sauerbeck, Poll, Bied]|) wird der wahre 
H. A. für die Annahme der „bisexuellen Anlage der Keimdrüse*“ 
verwertet, wie sie im Prinzip zuerst von Waldeyer (70b), 
später von Egli (11), Janosik (29) u. a. vertreten wurde. 
Diese Hypothese der anatomischen Bisexualität, die übrigens 
meines Erachtens die Annahme einer geschlechtlichen Deter- 
minierung im Moment der Befruchtung keineswegs ausschliessen 
würde !). findet ihren eifrigsten Vertreter wohl in Sauerbeck. 
Sie ist für ihn wegen der beim H. A. verus der Säuger und des 
Menschen am Ovotestis zu erhebenden Befunde. wegen der regel- 
mässig wiederkehrenden unbedingten räumlichen Trennung von 
Hoden und Ovarium, ein „kaum zu umgehendes Postulat“, sei 
es, dass die physiologische Keimdrüsenanlage in einem mehr vorn, 
kranial (Ovarium) und einem mehr kaudal gelegenen Abschnitt 
(Hoden) oder in zwei übereinander gelegenen Schüben der Keim- 
epithelwucherung, deren erster den Hoden, deren zweiter den 
Eierstock liefert, gegeben sei (S. 665 und 666). 

Es würde diese Vorstellung, ihre prinzipielle Richtigkeit 
vorausgesetzt, durch die neueren Ergebnisse der Entwicklungs- 
geschichte dahin zu spezifizieren sein. dass (vergl. S. 153) die für 
die Ausbildung der männlichen und weiblichen (ronade im engeren 
Sinne bestimmten, „prospektiv potenten“ Abschnitte der Keimleiste 
in topischer Gesetzmässigkeit räumlich getrennt sind und von den 

1), Die anatomische Bisexualität oder der genetisch-physiologische 
H. A. der Keimdrüse ist an sich nicht notwendig Zeichen sexual-biologischer 
Indifferenz. d.h. unbestimmten Geschlechts, sondern bei bereits bestimmtem 
Geschlecht eventuell phylogenetisch begründetes Erbmerkmal (vergl. auch 
Sauerbecks .zwittrige Stammform der Säugetiere“, S. 832). Ebenso darf 
auch umgekehrt die anatomisch indifferente (bezw. indifferent erscheinende) 
Anlage der Keimdrüsen im Embryo mit bereits determiniertem Geschlecht 
nicht, weil sie anatomisch indifferent ist, als eine hermaphroditische be- 
zeichnet werden: vergl. dazu auch Tandler und Grosz (66), S. 5, SO und 82. 


220 Ludwig Pick: 


auch beim Menschen (vergl. bei Fuss |19]) auf besonderer „Keim- 
bahn“ entstehenden und einwandernden Keimzellen die weiblichen 
mehr kranial. die männlichen in einem unmittelbar angrenzenden, 
aber mehr kaudalen Bezirk sich ansiedeln (vergl. auch Teil IV). 
Auf diese Folgerung der physiologisch-bisexuellen Anlage 
der Keimdrüse baut Sauerbeck, unter Voraussetzung einer 
„zwittrigen Stammform der Säugetiere“ in Phylo- und Ontogenie !), 
als „Hypothese der Wahl“ seine Auffassung des H. A. verus als 
einer atavistischen Bildungshemmung (S. 571, 572 und 576). Er 
erklärt (S. 573) den Pseudo-H. A. entweder als abortive Form 
des echten H. A. auf Rechnung einer ursprünglich mehr als 
normalen Ausbildung von beiderlei Drüsengewebe, die später 
durch Unterdrückung des einen Teils zu einer eingeschlechtlichen 
wurde oder — bei der von ihm grundsätzlich angenommenen 
„trpusbestimmenden“ Korrelation von Keimdrüse und sekundären 
(reschlechtsmerkmalen — durch eine ungenügende Ausbildung eines 
eingeschlechtlichen, bei Pseudo-H. A. tatsächlich meist hypoplasti- 
schen Drüsenapparates. So ist für Sauerbeck zugleich der 
H. A. im allgemeinen. in allen seinen Formen, das Produkt 
einer Bildungshemmung, die sich von den gewöhnlichen Bildungs- 
hemmungen wesentlich nicht mehr unterscheidet (S. 875). 
Natürlich steht und fällt diese Theorie insbesondere für 
den H. A. verus, wie ohne weiteres ersichtlich, mit der Annahme 
der physiologischen bisexuellen Keimdrüsenanlage. Wird nach 
Sauerbeck durch die tatsächlichen Befunde beim H. A. verus 
der Säugetiere und des Menschen diese Voraussetzung eigentlich 
unumgänglich, so vertreten nichtsdestoweniger Tandler und 
(rosz gerade den Gegenstandpunkt und zwar nicht nur in dieser 
besonderen Frage, sondern auch in der Auffassung der Genese des 
H. A. im allgemeinen. Nach Tandler und Grosz (S. 78 und S1) ist 
der H. A. nicht die ursprüngliche Form der Geschlechtsverteilung, 
die (eschlechtstrennung nicht der sekundäre phylogenetische Vor- 
gang. Vielmehr gehört umgekehrt der Heterosexualismus zu den 
primitiven Eigenschaften der Metazoen, und der physiologische 
H. A. ist die sekundäre Erwerbung.’) So kann der teratologische 
H. A. keine atavistisch begründete Bildungshemmung bedeuten. 
‘, Eventuell auch unter Voraussetzung der seinerzeit von Benda 


ausführlich vertretenen weiblichen Stammform der Säuger. 
?) Vergl. auch Waldeyer (70a), S. 417. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. | 
Wird als Stütze für die Annahme der physiologischen herm- 
aphroditischen Anlage des Embryo regelmässig das gleichzeitige 
Vorhandensein des Wolffschen und des Müllerschen Ganges, 
d. h. also der männlichen und weiblichen Leitungswege ange- 
führt, so ist, wie dies übrigens vor Tandler und Grosz im 
ähnlichen Sinne seinerzeit schon Benda begründet hat, diese 
Homodynamie nur eine scheinbare.') Der Wolffsche Gang ist 
als Exkretionsgang des ursprünglichen Harnapparates ganz natürlich 
bei beiden Geschlechtern angelegt. Der Müllersche Gang, viel- 
leicht hervorgegangen aus den Pori abdominales, also Genitalgang 
zer &£o/nw, ist ursprünglich Ausführungsgang der Geschlechts- 
produkte, für die männlichen sowohl wie für die weiblichen. In 
der Phylogenese geht nun aber der Wolffsche Gang durch 
Funktionswechsel in den Dienst der späteren (seschlechtsdrüse 
über. Er fungiert mit dem Auftreten des Ureters und der 
Nachniere sogar ausschliesslich als männlicher Leitungsweg. 
Tritt der durch diesen Funktionswechsel des Wolffschen Ganges 
beim männlichen Individuum für dieses überflüssig gewordene 
\Müllersche Gang doch immer wieder beim männlichen Embryo 
auf, so wird damit lediglich seine hohe phylogenetische Bedeutung, 
nicht aber die physiologisch-bisexuelle Anlage des Embryo bezeugt. 
Dementsprechend ist auch die Struktur der Keimdrüse des 
spätestens bei der Befruchtung des Eies geschlechtlich bestimmten 
Embryos vom Ausgang der Embryogenese an eine alternativ ver- 
schiedene (S. 5). Das Stadium der histologischen Indifierenz der 
Keimdrüsen, fälschlicherweise oft als das „hermaphroditische* be- 
zeichnet (vergl. S. 219 Anmerkung), deckt sich nicht mit einem 
biologisch indifterenten. Es verkürzt sich in gleichem Schritt mit 
der Verfeinerungsmöglichkeit unserer Untersuchungsmittel. So 
ist der sporadische (pathologische) H. A. keineswegs die Persistenz 
einer normalen, etwa atavistisch begründeten, embryonalen Bildung, 
sondern lediglich eine Missbildung primae formationis,?) in deren 
nähere Entstehung zurzeit kein Einblick möglich ist.?) 


ı) Vergl. (66), 8. 13%. 

>) Vergl. auch bei Sauerbeck, S. 871: das zweite Geschlecht bei 
H. A. verus als pathologisches Akzessorium, als eine Art Inclusio foetalis; 
v. Hansemann (25), S. 277, charakterisiert allgemein den H. A. der höheren 
Tiere als eine „partielle Doppelmissbildung“. 

3) Im besonderen wird die Theorie Halbans (24), nach der für die 
Keimdrüse wie für die gesamten übrigen Genitalcharaktere das Geschlecht 


[68] 
|} 
IND 


Ludwig Pick: 


Ich glaube, dass in der Tat keine Handhabe besteht. im 
Moment eine irgendwie sichere Entscheidung zwischen diesen 
völlig widersprechenden Theorien zu finden. 

Fassen wir mit Tandler und Gross den H. A. verus als 
eine von phylogenetischen Beziehungen völlig losgelöste Missbildung 
auf, so würden unsere Befunde im Falle Sal&n bedeuten, dass 
diese Missbildung bereits die Geschlechtsdetermination treffen kann. 
Aber es bleibt schon völlig unklar, warum bei einem Vorgang 
dieser Art das eine Mal eine Zwitterdrüse auf beiden Seiten. das 
andere Mal nur auf einer Seite, ein drittes Mal ein Hoden auf 
der einen Seite, auf der anderen ein Eierstock zustande kommt. 

Weiter wird für die allgemeine theoretische Auffassung des 
H. A. als Gemischt-Geschlechtlichkeit es nötig sein, die jeweiligen 
bisher ohne Bedenken als heterologe. d.h. heterosexuelle,. be- 
anspruchten (reschlechtscharaktere in jedem Falle auf ihre Zu- 
gehörigkeit zu den „Systemmerkmalen* von Tandler und Grosz 
zu prüfen. Nach diesen Autoren, denen sich auch Kammerer 
anschliesst. entstehen die (Greschlechtsmerkmale allgemein nicht 
auf dem Wege geschlechtlicher Zuchtwahl als Nova, sondern aus 
einer allmählichen phylogenetischen Umwandlung der Ordnungs-, 
Gattungs- und Speziesmerkmale: diese die Stellung des Individuums 
im zoologischen System bestimmenden Merkmale sind eben die 
Svstemmerkmale (S. S3, 154 und 139). 

Das wichtigste Beweisstück für diese These bilden die von 
Tandler und Grosz eingehend untersuchten Ergebnisse der 
Kastration!) bei männlichen und weiblichen Individuen, durch 
die an Stelle der schwindenden heterosexuellen Charaktere die 
gleichsam konvergenten asexuellen Speziestormen (am Becken, am 
Horn des Rindes ete.) zum Vorschein gebracht werden. So würde 
es sich auch bei vielen Erscheinungen des H. A. und Ps. H. A. 
nicht um die Persistenz oder um die Ausbildung heterosexueller 
Merkmale. sondern um Missbildungen im Sinne der Persistenz 
einzelner Klassen-, Ordnungs- und Speziesmerkmale handeln. 


bereits im Ei. zum mindesten im befruchteten Ei bestimmt ist und der H. A. 
durch ursächlich unbekannte Störungen des physiologischen Geschlechts- 
impulses zuwege kommen soll, als „ebenso einfach wie unzureichend“ ab- 


eelehnt. 


', Vergleiche auch die Bedeutung der Bastardierungsversuche bei 


Kammerer (50). 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 223 


Diese Anschauung wird um so mehr auf ihre tatsächliche Be- 
rechtigung zu erproben sein, als ja gerade Tandler und Grosz, 
wie Steinach, auch einen H. A. der interstitiellen Sexualdrüse 
für möglich halten. also gerade derjenigen Anteile der Gonaden, 
die in spezifischer Weise die Sexualcharaktere in ihrer Ausbildung 
fördern, die des anderen Geschlechts hemmen (Steinach). Dass 
andererseits die innere Sexualdrüse in manchen Fällen, z. B. bei 
H. A. verus, ganz fehlt, habe ich oben erwähnt. 

Stehen danach eigentlich alle Fragen, die über den blossen 
Begriff einer Missbildung als solcher hinausgehen, in der Genese 
und theoretischen Beurteilung des pathologischen H. A. auf einem 
bisher unsicheren und schwankenden Boden, so muss um so nach- 
drücklicher auf eine schon oben gestreifte Tatsache allge- 
meiner Bedeutung hingewiesen werden, die sich aus der 
anatomischen Erforschung des H. A. der Säuger und des Menschen 
und insbesondere aus der nunmehr unzweifelhaften Sicherstellung 
des H. A. verus für Säuger und Mensch in aller Deutlichkeit ergibt. 
Ich möchte sie als die anatomische Reihenbildung des 
pathologischen Hermaphroditismus charakterisieren. 

Stellen wir die gut untersuchten gesicherten Fälle des H. A. 
verus beim Säugetier und Menschen neben die Fälle von Ps. H. A.. 
so erhalten wir für die genitale Missbildung im engeren Sinne 
eine lückenlose morphologische Reihe. Sie leitet einerseits von 
der Norm zu den leichtesten Graden des H. A. verus hinüber, 
in denen die andersgeschlechtliehe Keimdrüse als unbedeutendes. 
„verstecktes“, unter Umständen lediglich mikroskopisches Ein- 
sprengsel erscheint. Sie führt von hier zu den schweren voll- 
kommenen Formen des wahren Hermaphroditismus mit bisexneller 
Ausbildung der Keimdrüsen und der hiermit gesetzmässig kom- 
binierten hermaphroditischen Mischung des gesamten genitalen 
Subsidiärapparates bis zu dem Gipfel der Reihe, den der Herm- 
aphroditismus verus mit germinalen Greschlechtszellen in der 
männlichen und weiblichen Keimdrüse (Fall Sal&en) einnimmt. 
Von diesem dann unmittelbar zu den Formen des schwersten 
vollkommenen Pseudohermaphroditismus, die bei einfachen 
Geschlechtsdrüsen in allem Übrigen anatomisch das genaue Spiegel- 
bild der schwersten Art des wahren Hermaphroditismus sind, um 
schliesslich von diesen in verschiedenen Abstufungen über die Fälle 


von Hypospadie und Klitorishypertrophie zur Norm abzuklingen. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 15 


224 Ludwig Pick: 


Im Besonderen ist, wie dies Sauerbeck gezeigt hat, der 
H. A. verus der Säugetiere (des Schweines), bei dem der Grössen- 
index des ovariellen Anteils der Keimdrüse in allen Abstufungen 
schwankt. mit dem kompletten männlichen Ps. H. A. des Schweines 
von einer „geradezu verblüfftenden Ähnlichkeit“, die sich sogar 
auf besonders auffällige Abweichungen, wie die Pseudosamen- 
bläschen der Samenleiter. erstreckt.') Und auch für den Menschen 
gehen die anatomischen Befunde beim H. A. verus und dem 
Ps. H.A. insofern parallel, als die Anomalien der subsidiären äusseren 
und inneren Teile hier wie dort in verschiedener Intensität und 
Kombination zu treffen sind. Man erhält mit anderen Worten die 
Formen des Ps. H. A. aus denen des H. A. verus durch einfache 
Subtraktion der zwitterigen Anteile der Keimdrüsen. 

Ferner: es erscheint eine nicht geringe Zahl „zweifelhafter“ 
Fälle von H. A. verus bei Mensch und Tier — sie sind in der 
Sauerbeckschen Synopsis”) und Kritik eingehend gewürdigt —, 
in denen Hypoplasie,. Atrophie oder Atypie einer der beiden Ge- 
schlechtsdrüsen eine sichere Beurteilung erschwert oder unmöglich 
macht. Sie sind morphologisch unsichere Grenzformen von H. A. 
verus und Ps. H. A., ebenso wie der männliche oder weibliche 
Ps. H. A. durch Hypoplasie oder atypische Struktur der Keim- 
drüsen in ihren verschiedenen Graden zum neutrum genus 
Virchows mit undefinierbaren Keimdrüsen hinüberführt.?) 

Es lassen sich, wenn man will. auch diese Fälle, die un- 
detinierbare Geschlechtsdrüsen, eventuell neben einer charak- 
teristischen, mit hermaphroditischen alkzidentalen Charakteren 
kombinieren. in einer der ersten gleichsam parallelen Reihe 
nebeneinander stellen. Oder man kann sie, wie eben angedeutet, zu 
einem Teil als wahrscheinliche Übergangsformen des H. A. verus 
und Ps. H. A. in die erste Reihe einschalten, zum anderen Teil als 
Übergänge des Ps. H. A. nicht zur Norm, sondern zur anatomisch 
echten Asexualität als einen Abzweig an jene Reihe anfügen. 

Die verschiedenen Glieder dieser Reihe schliessen sich über- 
dies noch viel dichter, wenn man, was ohne besondere Bedenken 

!, Vergl. bei Sauerbeck, S. 697/95, 864, 869, 870 und Tabelle XIU. 

>, l. e. Tabelle IV und V, Zweitelhafte Fälle von Hermaphroditismus 
verus beim Tier bezw. beim Menschen; vgl. auch die menschlichen Fälle III— VII 
der Tabelle Ill. 


Von diesem leiten dann wieder alle Stadien bis zu völliger Anorchidie 
oder Anovarie (vergl. dazu Kermauner |33c]). 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 225 


geschehen kann, als richtig unterstellt, dass genaueste und voll- 
kommenste mikroskopische Untersuchung der Geschlechtsdrüsen 
insbesondere beim männlichen Ps. H. A. noch viel häufiger ovarielle 
Einsprengsel aufdecken würde,!) oder wenn man die bereits oben 
gestreifte Annahme zulässt, dass in manchen (vielen ? allen ?) Fällen 
von Ps. H. A. in gewissen frühen Perioden auch heterosexuelles 
Keimdrüsengewebe vorhanden war und erst durch spätere Rück- 
bildungsprozesse verschwand. 

Wie dem auch sei, die geschlossene anatomische Reihe des H.A. 
weist darauf, dass wir in den Formen des H. A. verus und Ps. H. A. 
lediglich verschieden geartete Grade der nämlichen Abweichung 
von der Norm zu sehen haben, dass sie alle Produkte einer wie 
auch immer beschaffenen und begründeten, aber in ihrem Wesen 
einheitlichen, nur verschieden abgestuften Missbildung, einer 
wenigstens im rein objektiven Sinn „hermaphroditischen“ Bildungs- 
tendenz darstellen. Sie erreicht ihren unzweifelhaften Ausdruck 
und Höhepunkt in der Produktion bisexueller Keimdrüsen mit 
spezifischen männlichen und weiblichen Geschlechtszellen. 

Irgend eine (regensätzlichkeit zwischen H. A. verus und 
Ps. H. A. aufzustellen, den H. A. verus von dem Ps. H. A. irgend- 
wie abzuscheiden, diesen, zumal ohne Rücksicht auf das Verhalten 
der extragenitalen, sei es nun echt heterosexuellen oder der 
„Speziesform“ entsprechenden Sexualcharaktere ?), als lokale, 
mechanisch begründete Missbildung der (renitalorgane zu be- 
anspruchen (Kermauner), erscheint mir bei dieser Lage der 
Dinge undiskutabel.”) 


') So sind auch wohl die verschiedenen Formen des H. A. verus bilateralis, 
unilateralis oder lateralis durch geschlossene Übergänge verbunden. Unser 
Fall V demonstriert in diesem Sinn aufs Schönste den anatomischen Übergang 
des H. A. verus lateralis zum H. A verus unilateralis. 

?) Auch wenn sie (Kermauner [33b|, S. 459 und 460) „wahrscheinlich 
von der Hypophyse oder Zirbeldrüse mindestens ebensosehr beeinflusst werden 
können, wie von der Keimdrüse“. können sie doch für die Theorie der Genese 
des H. A. nicht einfach unberücksichtigt bleiben. 

3) Vergl. auch v. Neugebauer (8.57), der, wie Virchow, jede Erklärung 
des H. A. aus einer lokalen (mechanischen) Entwicklungsanomalie der Urogenital- 
organe energisch ablehnt. Der H. A. ist überdies oft Teilerscheinung einer allge- 
meinen Missbildung, die weit über das eigentliche genitale Gebiet hinausgreift 
und ein Multiplum von Organen und Organsystemen umfassen kann (siehe bei 
v. Neugebauer, Tabelle V,Koincidenz des H. A. mit anderen Missbildungen [49], 
S. 660663); das weist auf eine allgemeine „zentrale“ Störung der Anlage. 

15* 


2.26 Ludwig Pick: 


Es mag sein, dass die Abgrenzung speziell der auf die 
äusseren Genitalien beschränkten hermaphroditischen Missbildungen 
gegenüber den „zufällig“ aus rein lokalen Gründen (amniotischen 
Verwachsungen oder dergl.) entstandenen Spalt- oder Hemmungs- 
bildungen am Genitale, dem „Pseudo-Pseudohermaphroditismus“ '). 
unter Umständen auf Schwierigkeiten stösst. Und es sei gewiss 
zugegeben, dass das Verhalten der akzidentalen extragenitalen 
Charaktere. das ja, wenigstens wohl zu einem Teil, in letzter 
Linie auf die besondere. morphologisch vor der Hand nicht weiter 
zu präzisierende innersekretorische Artung der Gonaden zurück- 
zuführen ist und von den oben entwickelten Gesichtspunkten aus 
noch weiter festzustellen sein wird, bei den einzelnen Gliedern 
der Reihe keineswegs immer in genau der nämlichen Form wieder- 
kehrt. Jedenfalls aber möchte ich mit Sanerbeck auch im 
ätiologischen Sinne an der Wesenseinheit aller hermaphroditischen 
Formen nicht zweifeln. Allen anatomischen und ätiologischen 
Separationsversuchen auf diesem (Gebiet scheint mir, wie die 
Dinge jetzt liegen, ein für allemal ein Riegel vorgeschoben. 

Als eine besonders interessante Tatsache, die in der Richtung 
dieser Anschauung liegt, ist schliesslich auch die Beobachtung 
Reuter’s (55) zu nennen. Das Tier (ein 2 Monate altes Schwein), 
bei dem Reuter einen H. A. verus lateralis feststellte, stammte 
aus einem Wnrf mit zwei Psendohermaphroditen. Auch diese 
beiden Tiere hat Reuter genau untersucht. Dasselbe Muttertier 
warf später noch einen dritten Pseudohermaphroditen. 

Im Falle Sauerbecks von H.A. verus unilateralis sollen 
„ähnliche Missbildungen* bei Abkömmlingen desselben Muttertieres 
schon früher vorgekommen sein.?) — 


!iı Sauerbeck (58!, S. 664 und 832. 

?) Siehe auch bei Gudernatsch: angebliche Missbildung am äusseren 
(renitale der Schwester des wahren Hermaphroditen. 

Dass beim Menschen bisher der Beweis für die Vererbung herm- 
aphroditischer Eigenschaften fehlt, wie Gudernatsch meint, ist nicht 
zutreffend; vergl. u.a. die von Sauerbeck, 8. 87-71, zitierten Arbeiten 
von Brühl und Kaplan und die Angaben v. Neugebauers in Tabelle 
UNXVII, 8.689: Ps.H. A. in verschiedenen Formen bei verschiedenen (rene- 
rationen und besonders bei Geschwistern: auch bei Zwillingen. 

H.Diefenbach (10) veröffentlicht neuerdings den Stammbaum einer 
Familie mit „familiärem H.A.“: er beschreibt Zwittertum innerhalb zweier 
aufeinander folgender Generationen. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 227 

Ich will nicht schliessen, ohne wenigstens kurz die prak- 
tische Seite der Frage des wahren H. A. beim Menschen be- 
sprochen zu haben.!) Sie ist identisch mit der Frage der Fest- 
stellung und Bestimmung des Geschlechts in diesen Fällen, seı 
es, dass wie bei Salen und Gudernatsch der Zufall —- wie ge- 
wöhnlich in Gestalt einer Operation — die Kenntnis der zwittrigen 
Geschlechtsdrüsen verwickelt, sei es, dass wie in den beiden 
anderen Fällen von Simon und UÜffreduzzi der ausgesprochene 
Haupt- (Simon) oder Nebenzweck (Uffreduzzi) der Operation 
(Herniotomie) die definitive (Geschlechtsbestimmung bildet. Diese 
Fälle repräsentieren zugleich die vorkommenden anatomischen drei 
Hauptmöglichkeiten: 1. H. A. verus germinativus, Hoden und 
Ovarium mit spezifischen männlichen und weiblichen Geschlechts- 
zellen (Fall Salen): 2. H. A. verus germino-vegetativus, Ovarıum 
mit Geschlechtszellen, Hoden ohne Geschlechtszellen (Fall Simon 


5} 


und Fall Uffreduzzi); 3. sofern man diesen nach der Qualität 
des Ovariums anerkennen will, H. A. verus vegetativus, Hoden 
und Ovarium ohne sichere Geschlechtszellen. bei Gudernatseh. 

Im Fall Sal&n bestand bei dem seit dem 17. Jahre regel- 
mässig menstruierten Individuum ausgesprochen weibliches Bewusst- 
sein; es hatte passive Coitusversuche unternommen. Umgekehrt 
fühlte sich das Individuum im Fall Simon durchaus als Mann 
und besass einen auf Frauen gerichteten Geschlechtstrieb. Bei 
der innigen Mischung der akzidentalen Geschlechtscharaktere war 
der weibliche Typus vorwiegend. Angeblich bestand auch eine 
Menstruation. Auch bei Uffreduzzi wurden bei dem 7 jährigen 
als Mädchen erzogenen Kinde knabenhafte Neigungen beobachtet. 
Im FallGudernatsch wiederum war weder bei dem Individuum 
selbst, noch bei seiner Umgebung je ein Zweifel an seiner Weib- 
lichkeit aufgetaucht. 

Ich will die rein ethische Frage, ob der Arzt verpflichtet 
ist, wo er durch den Zufall einer aus anderer Indikation vor- 
genommenen ÖOperation von einer bisher verborgenen Anders- 
artigkeit der Keimdrüse im Sinne des H. A. Kenntnis erhält, diese 


H. Poll (52c) betont, dass Zwittrigkeit in gewissem Maße eine 
familiäre Eigentümlichkeit ist und durch Generationen vererbt erscheint. Das 
Studium des familiären H.A. kann einer der wichtigsten Schlüssel zu dem 
Verständnis der Geschlechtsbildung beim Menschen werden. 


1) Vergl. L. Pick (öla und le). 


225 Ludwig Pick: 


Tatsache dem Patienten oder seiner verantwortlichen Umgebung 
mitzuteilen. hier ausschalten. Sie ist oft erörtert und verschieden 
beantwortet worden. Vielmehr sei angenommen, dass, sei es aus 
pädagogischen, politischen oder rechtlichen (Gründen, eine be- 
stimmte Entscheidung gefordert wird und für diesen Zweck die 
Freilegung der Geschlechtsdrüsen, Probeexzision und anatomische 
Untersuchung gestattet ist. 

Man erinnere sich, dass Individuen, deren Keimdrüsen durch 
hypoplastische oder atypische Bildung oder durch senile oder 
entzündliche Atrophie oder primäre oder sekundäre Geschwulst- 
bildungen in ihrer geschlechtsspezifischen Beschaffenheit unkenntlich 
geworden sind, im Sinne Virchowsals Neutren (neutrum genus) an- 
gesprochen!) werden müssen. Ich habe hier, je nach der besonderen 
Ätiologie des Keimdrüsenschwundes, von einem primären oder 
sekundären (asexuellen) Neutrum gesprochen, die primäre der sekun- 
dären anatomischen Neutralität gegenübergestellt (L. Pick |5la]). 

Die Zahl solcher Individuen, die natürlich weder männliche 
noch weibliche Pseudohermaphroditen sind — die Keimdrüse ent- 
spricht eben keinem bestimmten Sexus —, unter den sei es per 
operationem oder nach der Obduktion anatomisch (bezw. mikro- 
skopisch) untersuchten Fällen ist gemäss der v. Neugebauerschen 
Zusammenstellung übrigens eine „erstaunlich grosse“. 

Den anatomischen asexuellen Neutren dieser Gruppe 
würden als klinische Neutren oder Neutren im rein prak- 
tischen Sinne diejenigen in ihrem Sexus zweifelhaften zeugungs- 
unfähigen Individuen gegenüberstehen. die den ihnen vom Gut- 
achter vorgeschlagenen Eingriff zur Feststellung ihres Geschlechts 

!) Im nämlichen Sinne selbstverständlich auch Individuen bei natürlicher 
Kastration, d. h. völliger Anorchidie oder Anovarie. Sie repräsentieren in 
Verbindung mit den Zuständen der hypoplastischen oder atypischen, ana- 
tomisch uncharakteristischen Keimdrüsen die echte Asexualität. 

Die 1. e. von mir aufgeworfene Frage, wieweit bei uncharakteristischeı 
Struktur der Keimdrüse oder bei völligem Fehlen (das auch bei Säugetieren 
und Vögeln vorkommt: verel. Kermauner) das übrige Genitale samt den 
extragenitalen Charakteren rein männlich oder weiblich gefunden werden 
könnte, ist, soweit ich sche, noch immer unerlediet. Für die Klassifikation 
der keimdrüsenlosen Individuen als Neutren bin ich übrigens seiner- 
zeit genau zum nämlichen Schluss gelangt, den Kermauner neuerdings 
zieht (l. e.. S. 488 und 494). Kermauner zitiert meine entsprechenden 
Angaben nicht. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 22) 
ablehnen, bei der allermeist tatsächlich vorhandenen Unmöglichkeit, 
nach den rein klinischen Befunden (Abtastung der Keimdrüsen, 
C'remasterreflex. Molimina menstrualia, selbst Menstruation) ') bei 
einem Hermaphroditen die Art der Keimdrüse irgendwie sicher zu 
bestimmen. Sie können an sich sowohl Pseudohermaphroditen. 
wie echte Hermaphroditen. wie anatomische Neutren sein. 

Diesen anatomischen und klinischen Neutren treten nun die 
wahren Hermaphroditen als eine dritte Kategorie der Neutren 
zur Seite. Wenn, wie im Fall Salen, die eine der vorhandenen 
Keimdrüsen sicher die Geschlechtszellen zur Reifung bringt bezw. 
funktioniert — wir finden hier im Eierstocksteil der Zwitterdrüse 
alle Entwicklungsstadien der Primärfollikel bis zur vollkommenen 
Follikelreifung und Corpora lutea — oder wenn bei H. A. verus 
unilateralis wenigstens die Drüse der anderen Seite oder bei 
H. A. verus lateralis eine der beiden Drüsen die Geschlechtszellen 
reifen lässt bezw. funktioniert (der Regel nach das Ovarium), so 
mag vom praktischen Gesichtspunkte aus und dem praktischen 
Zwecke entsprechend daraus die Geschlechtszugehörigkeit abge- 
leitet werden. 

Wie aber, wenn bei einseitig gefundener Zwitterdrüse und un- 
bekannter Art der andersseitigen Geschlechtsdrüse keiner der beiden 
an sich charakteristischen Zwitterdrüsenanteile Geschlechtszellen zur 
zteife bringt (Fall Simon und Gudernatsch: Fall Üffreduzzi bei 
7jährigem Kind)? Dann besteht ein anatomisches bisexuelles 
Neutrum?) oder ein Neutrum im rein logischen Sinne.) 


!) Der seinerzeit berühmte, auch von Virchow demonstrierte Pseudo- 
hermaphrodit KatharinaHohmann war nach dem Zeugnis von v. Franque, 
v.Scanzoni, v. Recklinghausen und v. Köllicker regelmässig men- 
struiert, nichtsdestoweniger aber ein Mann, der einen Sohn zeugte; vorher 
waren im Sperma wiederholt, auch durch Virchow, Spermien nachgewiesen 
worden; vergl. bei v. Neugebauer (49), S. 565—571. 

Unter den rein klinischen Zeichen ist allein der Nachweis von Sperma 
absolut beweisend. 

?) Siehe auch bei Uffreduzzi (69a); ebenso natürlich, falls auch 
auf der anderen Seite eine Zwitterdrüse ohne Geschlechtszellreifung gefunden 
wird oder bei H A. unilateralis oder lateralis Geschlechtszellreifung auf 
beiden Seiten fehlt. 

°) Kermauner hat (33b) als Ersatz für die Bezeichnung Hermaphro- 
ditismus verus und Pseudohermaphroditismus, auch für „manche Kryptorchen“, 
sowohl im klinischen wie im anatomischen Sinne die Bezeichnung „Sexus 
anceps“ befürwortet. Sein Schluss: Da es einen Hermaphroditismus verus (scil. 


230 Ludwig Pick: 


Wird bei den anatomischen Neutren für die Geschlechts- 
bestimmung zu wenig charakteristisches Keimdrüsengewebe ge- 
funden, so finden wir davon hier zuviel! Und so ist es nicht 
verwunderlich, wenn in der Beschreibung des Falles Simon, 
in dem das Individuum die Klinik aufsucht in dem sehnlichen 
Wunsche. seinen Körper so umgestaltet zu sehen, dass jeder es 
als Mann anerkennen müsse. zwar der Befund der Zwitterdrüse — 
tunktionsunfähiger Hoden, nicht funktionierendes Ovarium — 
genau beschrieben, aber eine schliessliche Angabe über die 
(seschlechtsentscheidung vergeblich gesucht wird. Es gibt in der 
Tat keine Überlegung und kein Mittel, diesen Zwiespalt der 
Natur, sei es beim asexuellen oder bisexuellen anatomischen 


beim Menschen) nicht gibt, braucht auch der gewiss nicht schöne Name des 
Pseudohermaphroditismus nicht beibehalten zu werden, fällt ohne weiteres, 
da, wie oben gezeigt, die Voraussetzung unhaltbar ist. Auch die Trennung 
der Kryptorchen. je nach dem Vorhandensein oder Fehlen von Sexualzellen in 
dem sonst geschlechtsspezitisch gebauten Hoden, in männliche und geschlechts- 
lose Individuen ist (vergl. oben) unbedingt abzulehnen. 

Bei der Prüfung an der Hand der Tatsachen sagt die Bezeichnung 
„Sexus anceps“ gegenüber dem alten Virchow schen „Neutrum genus“ nichts 
Neues. Zwar könnte „Sexus anceps“ für die Benennung des „klinisch- 
praktischen neutrum genus“ gesetzt werden, denn ein Individuum dieser Art 
braucht sich nicht notwendig anatomisch als ein asexuelles oder bisexuelles 
Neutrum zu erweisen, sondern kann je nach der Art der Keimdrüse als 
männlich oder weiblich befunden werden. Aber dann wäre auch wieder die 
klinische Bezeichnung als „Sexus anceps* eine unzutreffende, und anderer- 
seits weist der Begriff des „klinisch-praktischen Neutrums“ gerade auf die 
Möglichkeit einer Korrektur durch die anatomische Untersuchung hin, er- 
scheint also in dieser Richtung sicherlich präzis genug. 

Bei anatomischer Geschlechtsunsicherheit der Keimdrüse bedeutet 
„Sexus anceps androformis*“ oder „gynoformis“ nicht mehr als, je nach dem Vor- 
wiegen der akzidentalen Charaktere, mannähnliches oder weibähnliches Neutrum 
genus, und bei der Geschlechtssicherheit der Individuen hat die von 
Kermauner befürwortete Bezeichnung als Pseudandrie bei männlichem 
äusseren Genitale bezw. umgekehrt als Pseudothelia externa, interna oder 
completa keinerlei Vorzug vor Pseudohermaphroditismus femininus externus 
bezw. Pseudohermaphroditismus masculinus externus, internus und completus. 
Gegen die an sich sehr treffenden Bezeichnungen Pseudandrie (Pseudarrhenie) 
und Pseudothelie (Benda) für den Pseudohermaphroditismus femininus 
externus und masculinus externus soll damit Nichts gesagt sein. 

Vollends aber liegt kein Grund vor, bei Probeexzisionen aus der Keim- 
drüse, speziell auch aus dem Hoden „mancher Kryptorchen‘“, nur bei Anwesen- 
heit von Keimzellen die Männlichkeit anzuerkennen. Die Gründe, die wegen 
diese Auffassung sprechen, habe ich oben (Abschnitt T) eingehend entwickelt. 


= Sn : 
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 251 


Neutrum genus, zu lösen, und nur die Seltenheit dieser Vor- 
kommnisse vermag hier den oftenkundigen Mangel unserer prak- 
tischen ärztlichen Kunst einigermassen auszugleichen. 
Teil’ VIE 
Allgemeine Zusammenfassung der Ergebnisse.') 
F. 

Der pathologische (sporadische oder teratologische) Herm- 
aphroditismus verus der Säuger und des Menschen bedeutet die 
Kombination männlicher und weiblicher Geschlechtsdrüsen (Gonaden) 
in einunddemselben Individuum. Er ist in diesem Sinne identisch 
mit dem glandulären. Dabei ist weder die räumliche Trennung 
der Gonaden noch die gleichzeitige Funktion bezw. Reife der 
männlichen und weiblichen Keimzellen noch überhaupt das Vor- 
kommen der Gameten beiderlei Art bezw. ihrer geschlechts- 
spezifischen Vorstufen (Gametogonien, (rametozyten) unerlässlich. 
Es genügt die charakteristische organspezifische Struktur der Keim- 
drüsen. Neben einem Eizellen führenden Eierstock (über die bisher 
bekannten sicheren Fälle bei Säugetier und Mensch vergl. These IV) 
muss also ein Hoden auch dann als solcher gelten. wenn er ledig- 
lich aus Hodenkanälchen und Zwischenzellen besteht. 

Das Nämliche eilt für die mit den männlichen Keimdrüsen 
des Hermaphroditismus verus vollkommen übereinstimmenden 
Keimdrüsen des männlichen Pseudohermaphroditismus und des 
Kryptorchen. 

1. 

Die Tatsachen, dass gelegentlich im retinierten Hoden des 
Pseudohermaphroditen wie im Hoden des Krvptorchen bei Mensch 
und Säugetier vollkommene Spermatogenese oder im Hoden kind- 
licher Kryptorchen (eventuell degenerierende) männliche Greschlechts- 
zellen angetroffen werden, lassen auf einen ursprünglichen, später 
schwindenden Bestand an Keimzellen auch in den keimzellosen 
Hoden der Pseudohermaphroditen und Kryptorchen schliessen. Sie 
zeigen schon von diesem Gesichtspunkte aus die Unhaltbarkeit 
der Auffassung (z. B. bei Kermauner) sonst durchaus charakte- 
ristischer, aber keine Keimzellen führender Hoden als sexuell 
indifferenter (rebilde. 

5 ı) Für die Ergebnisse der morphologischen Gesetzmässigkeiten beim 


Hermaphroditismus verus der Säuger und des Menschen verweise ich auf 
die durch Sperrdruck hervorgehobenen Sätze des Teiles IV. 


[865] 
©» 
185) 


Ludwie Pick: 


a0 

Der wahre Hermaphroditismus des Menschen und der Säuge- 
tiere ist als ein rein germinaler (essentialer) bei doppelten Gameten 
(reifen Keimzellen, Gametogonien, (ametozyten), als vegetativ- 
germinaler (Hoden ohne, Ovarium mit germinalen Geschlechts- 
zellen oder umgekehrt) oder auch als rein vegetativer möglich, 
sofern neben einem keimzellenlosen Hoden auch eine Keimdrüse mit 
Mark und Rinde, charakteristischem ovariellen Rindenstroma und 
Keimepithel bei fraglichen germinalen (Geschlechtszellen (Fall 
(sudernatsch) als Ovarinm anerkannt wird. Die Unterschiede 
zwischen diesen Formen sind lediglich graduelle. 

Die (Greschlechtsspezitität des innersekretorischen Anteils der 
Keimdrüse in Verbindung mit seiner Bedeutung für die Aus- 
bildung mindestens eines Teiles der akzidentalen extragenitalen 
(reschlechtsmerkmale weist gegenüber den genannten drei Formen 
des Hermaphroditismus verus des generativen Keimdrüsenabschnitts 
auf die Möglichkeit eines Hermaphroditismus der innersekre- 
torischen Sexualdrüsenanteile: Hoden mit weiblicher, . Ovarıum 
mit männlicher interstitieller Drüse (Steinach. Tandler und 
(17082). Diese vor der Hand rein theoretische besondere Form 
eines Hermaphroditismus (verus ?) würde über das bisherige rein 
deskriptiv gehaltene System des Hermaphroditismus in kausal- 
funktionellem Sinne hinausgreifen, der Pseudohermaphroditismus 
möglicherweise mehr oder weniger in ihr aufgehen können. 

IV. 

Die bisher bekannten sicheren Fälle von Hermaphroditismus 
verus des Säugetiers (des Schweines ; vergl. bei Sauerbeck 6 Fälle 
nebst einem eigenen: dazu unsere neuen 5 Fälle) und die sicheren 
Fälle (Simon und Uffreduzzi) von Hermaphroditismus verus des 
Menschen gehören sämtlich zu der vegetativ-germinalen Form (betr. 
des vegetativen Hermaphroditismus verus im Falle Gudernatsch 
vergl. These III). 

Die gleichzeitige Kombination der männlichen und weib- 
lichen Keimdrüse auf derselben Seite eines Zwitters stellt sich 
ausnahmslos in Form des Ovotestis dar, entweder doppelseitig als 
Hermaphroditismus verus bilateralis oder einseitig als Herm- 
aphroditismus verus unilateralis, oder es findet sich Hoden der 
einen. Ovarium der anderen Seite: Hermaphroditismus verus 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 233 


lateralis. Für das Schwein ist unter den drei Formen der Herm- 
aphroditismus verus bilateralis am häufigsten. Das Ovarium, das 
stets Fizellen führt. kann zu voller Reife gelangen: der Hoden 
enthält keine Geschlechtszellen (vergl. auch These ]). 

Aus allerkleinsten heterosexuellen, männlichen Einsprengungen 
des (menschlichen) Eierstocksstromas können bei sonst normalem 
Genitale und überhaupt ausschliesslich weiblichen akzidentalen 
Sexualcharakteren reine tubuläre Adenome hervorgehen (Verf.). 
Sie decken sich bis in die allerfeinsten Details mit reinen tubu- 
lären Adenomen, die in den atrophischen (menschlichen) Hoden 
bei Pseudohermaphroditismus oder bei Ektopia testis vorkommen 
und, wie unzweifelhaft festgestellt ist (Verf, E. Kaufmann), 
von Samenkanälchen ihren Ursprung nehmen. 

Erstere sind demgemäss testikuläre Adenome des 
Ovariums und gehören zum (rebiet des Hermaphroditismus verus 
im Allgemeinen, zum Gebiet der Geschwulstbildungen der Keim- 
drüsen bei Hermaphroditismus im Besonderen. 


V. 

Es gibt, wie unsere obigen histologischen Untersuchungen 
des Falles Salen erweisen, für den Menschen auch einen germi- 
nalen wahren Hermaphroditismus. Er besteht hier als Herm- 
aphroditismus verus unilateralis: das Ovarıum des rechtsseitigen 
Ovotestis ist zu voller Reife (Funktion?) gelangt: in den Kanälchen 
des Hodenteils finden sich stellenweise zweifellose männliche 
Geschlechtszellen (Archispermiozyten bezw. Spermatogonien ent- 
sprechende Formen). 

VI 

Für die (renese des teratologischen Hermaphroditismus verus 
und des Pseudohermaphroditismus der Säuger und des Menschen 
stehen die Theorien zur Zeit sich unvermittelt gegenüber. So 
wird der Hermaphroditismus verus einerseits als atavistische 
Bildungshemmung (Sauerbeck) charakterisiert, der Pseudo- 
hermaphroditismus eventuell als ursprünglicher Hermaphroditismus 
mit späterem Schwund des andersgeschlechtlichen Drüsengewebes. 
Andererseits wird Hermaphroditismus verus wie Pseudohermaphro- 
ditismus, unter ausdrücklicher Ablehnung des physiologischen 
Hermaphroditismus als primitive Sexualform der Metazoen. als 
eine Missbildung primae formationis völlig unbestimmter Ent- 


DD 
u 
ro 


Ludwig Pick: 


stehung (Tandler und Grosz) aufgefasst. Oder es wird der 
Pseudohermaphroditismus von dem in seiner Existenz bezweifelten 
oder geleugneten wahren Hermaphroditismus vollkommen ab- 
getrennt und als rein lokal-mechanisch entstehende Genitalmiss- 
bildung beansprucht (Kermauner). 

DieseTrennung, wie überhaupt jede gegensätzliche Gruppierung 
von teratologischem Hermaphroditismus und Pseudohermaphroditis- 
mus ist ungerechtfertigt mit Rücksicht auf die pathologisch-ana- 
tomischen Ergebnisse. Es besteht für die genitale Abweichung 
eine lückenlose morphologische Reihe, die von der Norm über 
den Hermaphroditismus verus und den Pseudohermaphroditismus 
wieder zur Norm abklingt und alle morphologischen Zwischenstufen 
bei Säugetier und Mensch vollkommen geschlossen darstellt. So 
erscheinen alle Abarten des Hermaphroditismus verus und Pseudo- 
hermaphroditismus als Produkte einer wie auch immer gearteten 
und begründeten, aber in ihrem Wesen einheitlichen, lediglich 
verschieden abgestuften Missbildung (vergl. auch Sauerbeck). 

Für die ätiologische Zusammengehörigkeit der echten Herm- 
aphroditen und der Pseudohermaphroditen spricht auch die ge- 
legentliche Kombination derartiger Individuen in einunddemselben 
Wurf eines Muttertieres (beim Schwein beobachtet von Reuter). 


v1. 

Die Festsetzung der (Greschlechtszugehörigkeit eines Indi- 
viduums bei anatomisch gesichertem Hermaphroditismus verus 
kann, falls einer der beiden Anteile der Zwitterdrüse (Ovarıum 
im Fall Salen) oder bei H. A. verus unilateralis wenigstens die 
(reschlechtsdrüse der anderen Seite oder bei H. A. verus lateralis 
eine der beiden Keimdrüsen funktioniert oder (Geschlechtszellen 
zur heifung bringt, vom praktischen Gesichtspunkte aus nach 
dieser Keimdrüse erfolgen. Sind beide Anteile einer Zwitter- 
drüse beim Erwachsenen (Simon, Gudernatsch) oder beim Kind 
(Uffreduzzi) ausser Funktion bezw. ohne reife Sexualzellen und 
ist der Zustand der andersseitigen (reschlechtsdrüse nicht bekannt, 
so fehlt jede Handhabe für die Bestimmung des Geschlechts. 

Neben Individuen, deren Keimdrüsen primär durch Hypoplasie 
oder Atypie oder sekundär durch Atrophie oder (Geschwulstbildung 
unkenntlich wurden, den anatomischen asexuellen Neutren im Sinne 
Virehows, und neben denjenigen (spermalosen) Pseudohermaphro- 


Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 233 


diten und echten Hermaphroditen, bei denen mangels anatomischer 
Kenntnis der Keimdrüsenbeschaffenheit das Geschlecht unbestimmt 
bleiben muss, den praktisch-klinischen Neutren, stellen die Individuen 
mit doppelten Keimdrüsen ohne reifende bezw. funktionierende Sexual- 
zellen die dritte Gruppe, die anatomischen bisexuellen Neutren. dar. 

Die von Kermauner vorgeschlagene Bezeichnung „Sexus 
anceps“ für den Hermaphroditismus verus, den Pseudoherm- 
aphroditismus und für manche Kryptorchen entbehrt der theore- 
tischen Berechtigung. In praktischer Beziehung leistet sie nicht 
mehr als die alte von Virchow eingeführte Benennung 
„neutrum genus“. 


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180) 


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40. 


41. 


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Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete 23% 


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Sk 


or 
ID 


64. 


Ludwig Pick: 


Pick, Mi 

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des Menschen und der Säugetiere. Berliner klin. Wochenschr., Nr. 45, 
S. 2105, 1913. 

P:oll;, Heinrich: 

a) Zur Lehre von den sekundären Geschlechtscharakteren. Sitzungsber. 
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b) Ursprung und Wesen der Geschlechtscharaktere. Veranstaltungen der 
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ec) Diskussion zum Vortrage L. Pick’s: Über den wahren Hermaphro- 
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Pütz: Deutsche Zeitschrift für Tiermedizin. Bd. 15, S. 90, 1889. 

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68. 


69. 


=] 
IV 


. arte 920 
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 259 


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Wiedersheim, Robert: Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 

VI. Auflage, Jena 1906. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX— XII. 


Tafel IX. 


Makroskopische (verkleinerte) ') Darstellung der Durchschnitte durch die 
Zwitterdrüsen von Fall I (linksseitig), Fall II (rechtsseitig), Fall III (rechts- 


seitig), Fall IV (linksseitig). 


0 — ÖOvarium. fl = Follikel. 
m — Markteil des Ovariums. cl = Corpora lutea. 
h —= Hoden. fe —= Follikelzyste. 
cH = Corpus Highmori. 


!) Betr. der Originalmabe vergl. Text in Teil II. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 16 


240 

Fig. 1. 
Fig. 3 
Fig. 13 
Hose) 
Fig. 8 
Fig. 9 


Ludwig Pick: 


Grenzgebiet von Ovarium und Hoden der Zwitterdrüse des Falles I. 
Färbung mit Hämalaun-Eosin. Leitz, Ok.1, Obj. 3. 


cl = Corpus luteum. 
ao — Albuginea ovarii. 
wfei —= wachsender Follikel mit Eizellen. 
at — Albuginea testis. 
zw — Zwischenzellen. 


hk = Hodenkanälchen. 


Hodenkanälchen (rechts) des Falles V. Hämalaun-Eosin. Leitz, 
0k73.05722: 
hk = Hodenkanälchen. 
mpr — Membrana propria. 
zw — Zwischenzellen. 
ble — Blutkapillaren. 
Aus dem Hodenteil der Zwitterdrüse des Falles Ernst Salen. 
Hodenkanälchen mit Geschlechtszellen, nach einem vom Verfasser 
mit Hämalaun-Eosin umgefärbten (vorher mit Thionin gefärbten) 
Originalpräparat von Ernst Salen. 
a) Längsschnitt \ a 
x { ß > der Hodenkanälchen. 
b) Querschnitt 


kfz — Kerne der Follikelzellen. 


gz — Geschlechtszellen. 
str — Stroma. 
Tafel X. 


Rindenteil des Ovariums (links) des Falles V. Hämalaun-Eosin. 
Leitz, Ok.1, Obj. 3 (aus Fig. 4 auf Taf. XI bei stärkerer Ver- 


grösserung). 
ke —= Keimepithel. 


str = Stroma. 

blg — Blutgefässe. 

vhk — versprengtes Hodenkanälchen. 
zw — Zwischenzellen. 


Grenze von Ovarium und Hoden der Zwitterdrüse des Falles Ernst 
Sal&n. Originalzeichnung von Ernst Salen. Hartnack, 


Ok. 3, Obj. 4. 
hk —= Hodenkanälchen. 


hstr — Hodenstroma. 
Grf = Graafsches Follikel. 
atr — atresierender Follikel. 
ostr — ÖOvarialstroma. 


Ein typischer Graafscher Follikel aus dem Ovarialteil (o‘) der 
Zwitterdrüse des Falles Ernst Saldn. Originalzeichnung von 
Ernst Sale&en. Hartnack, Ok. 2, Obj.7. 
ov — Ovulum. 
mgr — Membrana granulosa. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


14. 


138 


12. 


6. 


Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 241 


str — Eierstocksstroma. 
bvfl — beginnende Verflüssigung 
der Membrana granulosa. 
Aus einem tubulären Adenom des Hodens bei Pseudohermaphro- 
ditismus masculinus completus (Fall Unger-Pick). Hämalaun- 
Eosin. Leitz, Ok.1, Obj. 3. 
t — gewundene drehrunde Kanälchen. 

str — Stroma. 

Vollkommenste Identität mit Fig. 15. 


er 


n 


Adenoma testiculare ovarii des Falles Barbara Z. (L. Pick). 
Hämalaun-Eosin, Ok. 1, Obj.3. t und str wie in Fig. 14. 
Vollkommenste Identität mit Fig. 14. 


Tafel XI. 
Querschnitt des Sinus urogenitalis des Falles II. Hämalaun-Eosin. 
Vergrösserung fast 6fach. 


pdpr — Pars disseminata prostatae. 
cc — Bluträume der Corpora cavernosa. 
mur — Urethralmuskel. 


Rindenteil des Ovariums (links) des Falles V. Hämalaun-Eosin. 
Tre1t2,0& 1, 0bj. 1. 


el — Corpus luteum. 

vhk und vhk' — versprengte Hodenkanälchen. 
ble — Blutgefässe. 
str — Stroma. 


Hodenteil der Zwitterdrüse des Falles Ernst Sal@n. Original- 
zeichnung von Ernst Sal&n. Hartnack, Ok. 2, Obj. 4. 


at — Albuginea testis. 
hk —= Hodenkanälchen. 
zw — Zwischenzellen. 
str — Stroma. 


Hodenteil der Zwitterdrüse des Falles Ernst Sal&n. Hartnack, 
Ok. 3, Obj. 4. Nach einer Originalzeichnung von Ernst Sal6n. 
tı — Typus 1 der Hodenkanälchen (Plasmodium). 
t: — Typus 2 der Hodenkanälchen (starke Vakuolisierung). 
ts — Typus 3 der Hodenkanälchen: hochzylindrische (zum Teil 
gut getrennte) Elemente. 
str = Stroma. 
blg = Blutgefässe. 


Tafel XII. 


Ovotestis des Falles Ernst Salen. Originalzeichnung in natür- 
licher Grösse nach dem frischen Präparat von Ernst Salen. 


rot — rechtsseitiger Ovotestis von beiden Flächen gesehen. 
drot — rechtsseitiger Ovotestis im Durchschnitt. 
lo — linksseitiges etwas atrophisches Ovarium. 


16* 


242 Ludwig Pick: Über den wahren Hermaphroditismus ete. 


Fig. 7. Durchschnitt durch die Zwitterdrüse des Falles Ernst Salen. 
Hämalaun-Eosin. Vergrösserung etwas mehr als 4fach. Original- 
zeichnung von Ernst Salen. 

o und 0‘ — Ovarialteil. 
h — Hodenteil. 
at — Albuginea testis. 
hk — Hodenkanälchen:; angedeutete Septierung. 
rt = Rete testis. 
fe und fe‘ = Follikelzysten. 
cl = ziemlich frisches Corpus luteum. 

Fig. 10. Rete testis und angrenzende Hodenkanälchen aus dem Hodenteil 
der Zwitterdrüse des Falles Ernst Sal&n. van Gieson. „Mittlere 
Vergrösserung, Ok. 3, Obj. 4.“ Originalzeichnung von Ernst Salen. 

rt — Rete testis. 


str — faserreiches Stroma. 

hk — Hodenkanälchen. 
mpr —= Membrana propria in hyaliner Umwandlung. 
str‘ — mehr lockeres Stroma. 


Tafel XII. 
Halbschematische Darstellung des inneren Genitale unserer Fälle IV (vergl. 
Teil II) von Hermaphroditismus verus beim Schwein. Es bedeuten: 


ut — Uterus. t.— Tube. 
uh — Uterushorn. rt —= rechte Tube. 
ruh — rechtes Uterushorn. lt = linke Tube. 
luh — linkes Uterushorn. hys — Hydrosalpinx. 
pym — Pyometra. pssa — Pscudosamenblasen. 
va — Vagina. ıpssa — rechte Pseudosamenblase. 
h = Hoden. sh — Gubernaculum Hunteri, 
o — ÖOvarium. Ir = Ligamentum rotundum. 
nh — Nebenhoden. hb — Harnblase. 
ınh — rechter Nebenhoden. wur —= weibliche Urethra. 
Inh — linker Nebenhoden. ppl = Pars pelvina urethrae. 
Gd — Vas deferens. um —= Urethralmündune. 
w = Wulst am Vas deferens. sug — Sinus urogenitalis. 


Für das Maß der Verkleinerung gegenüber dem Original vergl. die im 
Text (Teil II) allerwärts gegebenen Originalmaße. 

Bezüglich der Textfig. 1, 2 und 3 vergl. die Buchstabenerklärung im 
Text; sie geben halbschematische bezw. schematische Darstellungen der 
anatomischen Befunde am Genitale unserer eigenen Fälle II—-IV von Herm- 
aphroditismus verus beim Schwein. 

Die Textfig. 4 und 5 sind zeichnerische Kopien Ernst Sal&nscher 
Originalaufnahmen des echten Zwitters Augusta P. 

Fig. 4 gibt eine Photographie des Oberkörpers, Fig. 5 die Photographie 
des äusseren (enitale. 


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