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ARCHIV
für
Mikroskopische Anatomie
I. Abteilung
für vergleichende und experimentelle
Histologie und Entwicklungsgeschichte
II. Abteilung
für Zeugungs- und Vererhungslehre
herausgegeben
von
O0. Hertwig und W. Waldeyer
in Berlin
Vierundachtzigster Band
II. Abteilung
Mit 13 Tafeln und 12 Textfiguren
BONN
Verlag von Friedrich Cohen
1914
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Inhalt.
Abteilung I.
Erstes Heft. Ausgegeben am 10. Januar 1914.
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. Von Dr. Chas.
H.O’Donoghue, aus London, Beit Memorial Fellow. (Aus dem
Zoologischen Institut zu Freiburg i. B.) Hierzu Tafel I—IV
und 1 Textfigur .
Zweites Heft. Ausgegeben am 12. Februar 1914.
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. Von Günther Hertwig
und Paula Hertwig. (Aus der Zoologischen Station zu
Neapel und dem Anatomisch - biologischen Institut zu Berlin.)
Hierzu Tafel V N
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei von Ascaris megalocephala.
Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel VI und VII
Drittes und viertes Heft. Ausgegeben am 30. März 1914.
Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. II. Von Dr. Manfred
Fraenkel‘, Charlottenburg. Hierzu Tafel VIII und 6 Textfiguren
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen und der Säugetiere.
Von Ludwig Pick. (Aus dem Laboratorium der L. und Th.
Landauschen Frauenklinik, Berlin.) Hierzu Tafel IX—XIIl
und 5 Textfiguren .
49
59
111
119
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Aus dem Zoologischen Institut zu Freiburg i. B.
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren.
Von
Dr. Chas. H. O’Donoghue, aus London, Beit Memorial Fellow.
Hierzu Tafel I—-IV und 1 Textfieur.
Inhalt: Seite
Einleitung ... EN ER LT. E | ne 1
Material und re Ch unsstekhnil a A N En re 4
Das Corpus luteum bei:
Perameles obesula h)
Beramelesmasuta >... ..... er EN ea
Macropus ruficollis . SER A EA N u
Petrogale penicillata . 21
Phascolomys wombat.. ..... Be. AN ee el
Zusammenfassung der Befunde . . . 2... ae Fr > 5
Demlrspemmerder Iüteinzellen‘, . 2 2 2... 2. 2 2 sa nu 30
Diesvermehrune. der Iuteinzellen . . . . . .. 22. 2. 20m 2236
DEROraNluvea, yerarund spunlar ı 2.2... rent
Das bindegewebige Netzwerk . . . SEHR 109
Das Corpus luteum bei den eLehhieren Ma Monotreiake ee
BERSLANTTEVETZEICHTUR N a ee ee A
Erklärung der Tafeln. .... 93 RE RE 34,2 Eee BER EI
Einleitung.
Es sind hauptsächlich zwei widersprechende Theorien über
den Ursprung des Corpus luteum der Säugerovarien vorhanden.
Die erste von v. Baer (2) 1827 gibt an, dass das Corpus luteum
aus den Zellen der Theca follieuli entsteht. hauptsächlich aus
denen der Theca interna. Die zweite von Bischoff (5) 1842
sagt, dass die Zellen des Corpus luteum sich durch eine Ver-
änderung der Zellen der Membrana granulosa bilden. In den
Arbeiten der neueren Autoren wird im ganzen die zweite dieser
Hypothesen unterstützt, obgleich einige sich noch an die erste
halten. Eine andere Theorie, welche gewissermassen ein Mittel-
ding zwischen diesen beiden bildet, ist von Van der Stricht (37)
aufgestellt, welcher behauptet, dass, obgleich fast alle Zellen von
der Membrana granulosa herrühren, sie doch durch Zellen, welche
Archiv f.mikr. Anat. Bd.$4. Abt. II. 1
2 Chas.’H. 02Denoechue:
von der Theca interna abstammen, vermehrt werden können, und
dass solche Zellen sogar in geringer Anzahl in Luteinzellen ver-
wandelt werden können.
Ausser diesen wesentlich verschiedenen Ansichten, den Ur-
sprung des Corpus luteum betreffend, gibt es noch viele andere
Fragen über die histologischen Einzelheiten des gelben Körpers.
Einige von den Autoren, welche Bischoffs Hypothese für richtig
halten, bestätigen, dass die Zellen der Membrana granulosa durch
Hypertrophie in die charakteristischen Luteinzellen verwandelt
werden, ohne Zellteilung: während andere das seltenere oder
häufigere Vorkommen von mitotischen Figuren beschreiben. Und
weiter wird behauptet, dass aus der Theca interna allein das
bindegewebige Netzwerk entsteht, oder dass beide, die Theca
interna und externa, an seiner Bildung beteiligt sind.
Sobotta (31) war der erste, welcher diese Probleme in
erschöpfender Weise bearbeitete, er untersuchte vollständige Serien
von Entwicklungsstadien, dadurch erhalten, dass er Tiere zu be-
stimmten Zeiten nach dem Coitus tötete: das Verhältnis der
Ovulation zur Copulation war vorher festgestellt. In dieser und
späteren Schriften verteidigt der Autor Bischoftfs Hypothese.
Seit Sobottas erster Arbeit haben viele Forscher die Entstehung
und die histologische Struktur des Corpus luteum in den Ovarien
verschiedener zu den Eutheria gehörender Säugetiere untersucht
und somit sind die Verhältnisse hier ziemlich gut bekannt.
Bei den beiden niederen Klassen von Säugetieren, den
Monotremata und den Marsupialia, ist Bau und Bildung des
Corpus luteum verhältnismässig unbekannt und bis jetzt sind nur
zwei Arbeiten über diesen Gegenstand erschienen. Es ist nicht
nötig, eine Aufstellung der sehr ausgebreiteten Literatur über
das Corpus luteum der Eutheria zu geben, da dieses schon aus-
führlich durch Sobotta (31—35), Van der Stricht (39) und
auch von Marshall (22) geschehen ist. Auf die Hauptschluss-
folgerungen der beiden Arbeiten über das Corpus luteum der
Beuteltiere wird im Verlauf meiner Darstellung häufig verwiesen,
deshalb sei hier kurz nur folgendes angeführt: In der Arbeit
von Sandes (30) über „the Corpus luteum of Dasyurus with
observations on the Growth and Atrophy of the Graafian follicle“
ist die Bildung und Struktur des Corpus luteum bei schwangeren
Weibchen eines gewöhnlichen australischen Beuteltieres, Dasyurus
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. d
viverrinus, in allen Einzelheiten beschrieben. Die Luteinzellen
entständen durch Hypertrophie der Zellen der Membrana granulosa
und es finde weder direkte noch indirekte Teilung statt. Die
Theca interna sei rudimentär und ihre Zellen seien ganz ver-
schieden von den Zellen der Membrana granulosa, keine von ihnen
werde zu Lutein enthaltenden Elementen verwandelt. Sie sei im
reifen Follikel von der Theca externa nicht zu unterscheiden und
bringe mit ihr zusammen das Bindegewebe des Corpus luteum
hervor. Schliesslich ist darauf hingedeutet, dass das Corpus luteum
eine Drüse mit innerer Sekretion sei, die für den Organismus
von Nutzen ist. Die zweite Arbeit (25) betrifft die Struktur des
Körpers bei nicht schwangeren Exemplaren von D. viverrinus
und kommt zu dem Schluss, dass die Luteinzellen einfach die
hypertrophischen und verwandelten Zellen der Membrana granulosa
seien, und dass nur das Bindegewebe von der Theca follieuli ab-
stamme. In keinem Stadium sei es möglich, das Corpus luteum
eines schwangeren Weibchens von dem eines nichtschwangeren
zu unterscheiden.
Bei den D. viverrinus soll der gelbe Körper der schwangeren
sowohl als auch der nichtschwangeren Weibchen im ganzen dem
der typischen Eutheria sehr ähnlich sein, so dass sie nicht zu
unterscheiden sind; sie bleiben mindestens S Wochen im Ovarium
erhalten, ehe sie zerfallen. Im Gegensatz dazu besitzen nach
Fränkel und Cohn (12) die Placentalia ein wohlausgebildetes
Corpus luteum „.... . während die Aplacentalia (Monotremata,
Marsupialia) und die übrigen Tiere, deren Eier ausserhalb des
Uterus zur Entwicklung kommen, einen rudimentären oder gar
keinen gelben Körper aufweisen“ (Anat. Anz., Bd. XX, 1902, S. 295).
Diese Behauptung wird auch von Van der Stricht wiederholt
(Arch. de Biol., t. XXVII, 1912, S. 586).
’In Hinsicht auf diese Behauptung und auf die Tatsache,
dass bei wenigstens einem Beuteltier das Corpus luteum als
ähnlich dem eines typischen Eutherion und von langer Dauer
beschrieben ist, scheint es daher angezeigt, das Entstehen und
die Struktur des gelben Körpers bei anderen Beuteltieren zu unter-
suchen. Ferner ist es schwer, Beuteltiermaterial zu bekommen,
und bei manchen Arten wird es von Jahr zu Jahr schwieriger.
Auch ist es vielleicht möglich, bei einer Untersuchung der niederen
Säugetiere, wo jedenfalls einige der reproduktiven Prozesse ein-
1*
4 Chas. H. O0”Dionoghue:
facher sind als bei denen der höheren Gruppen, eine Lösung
mancher anderen Probleme zu finden.
Das Material zu meiner Untersuchung wurde von Herrn
Professor Hill, University College, London, gesammelt. und der
Autor dankt ihm herzlich für dieses und für seine wertvollen
Angaben. Ebenso danke ich Herrn Professor Doflein, in dessen
Laboratorium die Arbeit ausgeführt wurde, und Herrn Professor
Keibel für freundliche Hilfe und Rat. Endlich danke ich Herrn
F. Pittock, University College, London, für seine Hilfe bei der
Herstellung der Mikrophotographien.
Material und Untersuchungstechnik.
Protessor J. P. Hill legte während seines Aufenthalts in Australien
eine grosse Sammlung von embryologischem Beuteltier-Material und von den
Geschlechtsorganen der Muttertiere an. Die Ovarien dieser wertvollen
Sammlung und die dazu gehörigen Angaben wurden mir zur Verfügung
gestellt.
Die meisten der Ovarien waren in Picro-Sublimat-Eisessigsäure-Alkohol
fixiert und in 70—90proz. Alkohol aufgehoben. Dieses ergab eine sehr gute
histologische Fixation. Ein oder zwei waren in Flemmingschem und Zenkerschem
Gemisch fixiert. Das ganze Ovarium oder bei grösseren Tieren der mittlere
Teil des Corpus luteum und das benachbarte, zum Ovarium gehörige Grewebe
wurden entwässert und in Paraffin eingebettet, wobei Sorge getragen wurde.
dass der Übergang vom Alkohol zum Xylol und von diesem zum Paraftın
nicht zu plötzlich geschah. Dann wurden Serienschnitte, einige von 6,6 „ und
einige von 10 „ gemacht und mit Ehrlichs Hämatoxylin und Eosin
gefärbt. Diese Serien wurden beständig mit den Präparaten der Corpora
lutea von schwangeren ') und nichtschwangeren Dasyurus viverrinus
verglichen.
Von einer grossen Anzahl Spezies wurden nur fünf ausgewählt:
Perameles obesula, Perameles nasuta, Macropus ruficolis,
Petrogale penicillata und Phascolomys wombat. Die beiden
Arten von Perameles mögen als Vertreter der Abteilung der Peramilidae
angesehen werden und mit Dasyurus.viverrinus zusammen ein Beispiel
für zwei Gattungen der Unterklasse Polyprotodontia geben. Macropus
ruficolis und Petrogale penicillata gehören der Abteilung der
Macropodidae an und Phascolomys wombat derjenigen der Phasco-
lomidae, so dass sie zusammen zwei Abteilungen der anderen Unterklasse
der Marsupialia, der der Diprotodontia, vertreten. Von jeden wurden acht
oder mehr verschiedene Stadien zur Prüfung ausgewählt. Die Ovarien wurden
von Tieren genommen, die sich in verschiedenen Stadien der Uterus-Schwanger-
') Die Originalschnitte von Sandes (30) sind jetzt im Besitz von
Professor J. P. Hill, welcher sie mir freundlichst zur Verfügung stellte.
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. >
schaft befanden und von solchen, bei denen das Junge in den Beutel über-
tragen war, in manchen Fällen wurden auch Ovarien von nichtschwangeren
Weibchen untersucht. Ausführliche Tabellen über die benutzten Ovarien
siehe bei Besprechung der einzelnen Arten. Leider ist es weder möglich ge-
wesen, das Alter der Corpora lutea genau anzugeben, noch das Verhältnis
zwischen Kopulation, Ovulation und Befruchtung: auch die Zeit, welche der
Embryo zu den verschiedenen Entwicklungsstadien braucht, ist noch nicht
festgestellt. Einige Angaben über die Beschaffenheit der Embryonen sind
jedoch gemacht worden. nach welchen die Oorpora lutea in mehr oder weniger
aufeinander folgenden Reihen angeordnet werden können, und wenn die Ver-
hältnisse der Fortpflanzung besser bekannt sind. werden sie auch eine an-
nähernde Bestimmung ihres Alters zulassen (siehe die Tabellen).
Die hier angenommenen Bezeichnungen und Namen sind die von
Sandes benutzten und scheinen die befriedigensten der bis jetzt vor-
seschlagenen zu sein. Unter Corpus luteum verum verstehe ich die
Bildung, welche in einem geborstenen Follikel entsteht, dessen Ei aus-
gestossen ist, und zwar bei einem Tier, das darauf schwanger wird. Corpus
luteum spurium ist der Ausdruck für die Struktur, die in einem ge-
platzten Follikel entsteht bei einem Weibchen, bei dem keine Schwanger-
schaft der späteren Ausstossung der Eier folgt. Waldeyer (42) hat vor-
geschlagen. diese Ausdrücke aufzugeben, und wenn sie irgend welchen
Unterschied im inneren Aufbau der Drüsen dieser beiden Fälle in sich
schliessen sollen. ist er wahrscheinlich im Recht. Andererseits ist es bequem,
die beiden Ausdrücke zu gebrauchen, um anzugeben. ob das Corpus luteum
in einem schwangeren oder nichtschwangeren Weibchen auftritt: ein Unter-
schied in Struktur oder Dauer des gelben Körpers soll hiermit nicht an-
gedeutet sein. Es wird nicht beabsichtigt, in irgend einer Weise die degene-
rierten Follikel oder das Corpus luteum atreticum zu behandeln, bei welchen
kein Ei ausgestossen wird, und dessen Struktur nichts gemein hat, mit der
der anderen beiden Arten von Corpora lutea. Die folgende Abhandlung be-
schäftigt sich hauptsächlich mit den Corpora lutea vera, obgleich in gewissen
Fällen auch die Corpora lutea spuria herangezogen werden.
Perameles obesula.
Angewandtes Material.
Vor der Geburt des Jungen.
Serien : I; | Stadium der embryo-
Das Ovarium Die Corpora lutea j ,
nalen Entwicklung
1 | Zwei Övarien: a) von
unregelmässigem Quer-
| schnitt 3x 4,5 mm;
b) im Querschnitt drei-
eckig, jede Seite 4 mm
2 vorgewölbte
| Corpora lutea Sehr junge sich
teilende Eier
2 Gorpora lutea
6 Chas. H. O’Donoghue:
erien j 3 r Stadium der embryo-
n Das Ovarium Die Corpora lutea - a
Nr. nalen Entwicklung
2 Zwei Ovarien: a) von
unregelmässigem Quer- | 2 Corpora lutea
schnitt 4,5 x 3,25 mm; Sich teilende Eier
b) von unregelmässigem | 2 Corpora lutea
Querschnitt 4,25x 3,2 mm
B) Ovarium klein von |
unregelmässigem Quer- 2 Corpora lutea | Ovoide Keimbläschen
schnitt 4x 3 mm |
! 2 Corpora lutea,
4 Ovarium gross von E £
Be . 1 vorgewölbt mit Junge Embryonen
unregelmässigem Quer- ERALET. RN
EN E Durchmesser (Keimbläschen ?)
schnitt 5 x 4,25 mm = i
2,75 mm
x S £ 3 vorgewölbte
B) ÖOvarium, gross im a loten
Querschnitt, dreiblättrig, p x Keimbläschen
E L i Durchmesser
5x525 mm Er
225 mm
6 ıOvarium im Längsschnitt
EEE 2 Corpora lutea | Junge Embryonen
rechteckig 5,25x 4,25 mm >
7 |Ovarium im Längsschnitt A Junge flach aus-
2a = 1 Corpus luteum 3
oval 5,5 X 2,5 mm gebreitete Embryonen
Nach der Geburt der Jungen.
Serien i IR: Stadium der embryo-
& Das Ovarium Die Corpora lutea 3 3
Nr. nalen Entwicklung
S |Ovarium im Längsschnitt) 1 vorgewölbtes
Er e Neugeborenes Junges
länglich oval 7 x 3 mm| Corpus luteum
9 \Ovarium im Längsschnitt x €
NR 2 Corpora lutea Junges, 15 mm lang
rechteckig 5 x 4 mm
10 |Ovarium im Längsschnitt
fast rund. Durchmesser! 1 Corpus luteum Junges, 19 mm lang
4,25 mm
11 ‚Ovarium im Längsschnitt
fast rund. Durchmesser| 1 Corpus luteum | Junges, 20 mm lang
3,75 mm
12 Ovarium im Längsschnitt
” 1 Corpus luteum | Junges, 22 mm lang
oval 5,75 x 3,75
_
‚Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren.
Nichtschwangere Weibchen.
Serien ‘ | a be
N | Das Ovarium | Die Corpora lutea
Nr. | |
a ; RR 2 Corpora lutea zusammengesetzt
13 ÖOvarium von unregelmässigem : . 2}. e
FREE a ' und in einem frühen Bildunes-
Querschnitt 5,25 X 3.25 mm | 2
stadium
j = : | 1 vorgewölbtes Corpus luteum
14 Ovariam im Längsschnitt AN 3
| ’ Eu Bu: ı 2,5 mm im Durchmesser und
rundlich 4.25 x 3,75 ER F
| völlig ausgebildet
Die Ovarien sind klein, die grössten erreichen nur ein Maß von
5,25 x 5 mm, ihre Oberfläche und ihr Umriss sind gewöhnlich unregelmässig
und sie besitzen in der Regel zwei Corpora lutea. Hierin unterscheiden sie
sich von den Ovarien des Dasyurus viverrinus, bei denen gewöhnlich
zehn oder gar mehr Corpora lutea in jedem zu finden sind, in einem Ovarium
von P. obesula (in Nr.5) sind drei vorhanden, die grösste Zahl, welche
gefunden wurde. Die Ovarien wurden ungefähr 10 z, einige 8 „ dick ge-
schnitten, um die histologischen Einzelheiten genauer zu studieren. Die
Tiere lieferten eine sehr reichhaltige Serie von frühen Bildungsstadien des
Corpus luteum und bei den zwei sehr frühen wurden beide Ovarien geschnitten,
so dass es möglich war, den Bildungsprozess ausführlich zu untersuchen. Die
Fixation war durchaus gut. Diese frühen Stadien sind die entscheidenden
für die Bestimmung der Veränderungen, welche in den verschiedenen Teilen
der Follikelwand während der Verwandlung in ein Corpus luteum vorsich gehen.
Die Follikelwand
Der Follikel von P. obesula ist im ganzen dem eines typischen Säuge-
tieres sehr ähnlich, und daher ist es nicht nötig, ihn ausführlich zu be-
schreiben. Seine Bildung und sein Wachstum sind ebenfalls dem von
Sandes (30) bei D. viverrinus beschriebenen ähnlich. In einem mässig
vorgeschrittenen Follikel, der eine gut abgegrenzte zentral gelegene Höhle
enthält, in welcher das Ei in seinem Discus proligerus nicht symmetrisch
liegt, ist die Wand wie folgt beschaffen. Angrenzend an die Zentralhöhle
besteht das Follikelepithel aus einer Anzahl kleiner Zellen mit kleinen
Nuclei und ist ungefähr acht oder neun Zellen hoch. Diese Zellen, in denen
mitotische Figuren gelegentlich zu sehen sind, sind dicht zusammengehäuft;
sie bilden die Membrana granulosa, in welcher kein Blutgefäss oder Binde-
gewebe gefunden wird. Es folgt nach aussen eine homogene durchsichtige
Membran, die Membrana propria, die scharf von dem benachbarten Gewebe
abgrenzt. Es folgt die Theca folliculi, eine Struktur, die von dem Stroma
des Ovariums abstammt, und in welcher zwei verschiedene Schichten unter-
schieden werden können, obwohl sie nicht annähernd so scharf differenziert
voneinander sind, wie das bei den höheren Säugetieren der Fall ist. Die
innere dieser beiden Schichten, die Theca interna, besteht aus vielen dicht
fe) Chas. H. O’Donoghue:
gehäuften, kleinen Zellen mit ovalen Nuclei, und man findet in ihr zahlreiche
kleine Kapillargefässe, durch welche die Ernährung des inneren Teiles des
Follikels geschieht. Diese Zellen sind denen der Membrana granulosa nicht
ähnlich, eine Tatsache. die es erleichtert, ihre späteren Veränderungen zu
verfolgen. Die äussere Schicht, die Theca externa, besteht aus lang aus-
gezogenen Zellen mit langen schmalen Nuclei und verschmilzt allmählich
mit dem benachbarten Gewebe.
Wenn der Follikel reifer wird. nimmt er sehr an Grösse zu, und die
Stärke der Membrana granulosa wird entsprechend reduziert. Zur selben
Zeit dehnt sich die Theca follieuli mehr und mehr aus und der Unterschied
zwischen Theca interna und externa wird weniger bemerkbar. Während
dieses Wachstums sieht man häufig Mitosen in der Membrana granulosa
und auch in den zwei Schichten der Theca follieuli.
Von den untersuchten Ovarien dieser Art enthält keines einen ganz
reiten Follikel, aber in Nr. 8 findet sich ein mässig vorgeschrittener. Bei
diesem Follikel bildet die Membrana granulosa ein Epithel von nur drei oder
vier Zellen Tiefe. Die Zellen sind vieleckig. liegen dicht zusammen und
haben runde Kerne mit einem deutlich sichtbaren Nukleolus, aber Anzeichen
von Mitosen sind nirgends zu sehen. Das Ei, welches den ersten Richtungs-
körper noch nicht gebildet hat, liegt an einem Ende der Zentralhöhle. Man
sieht eine deutliche Membrana propria und weiter nach aussen die Theca
follieuli. Die beiden Schichten der Theca unterscheiden sich voneinander
und zeigen den vorhin geschilderten Bau.
Der frisch gesprungene Follikel.
Nach dem Bersten des Follikels und dem Austreten des Eies rücken
die Ränder der geborstenen Stelle schnell zusammen und verschmelzen mit-
einander. Eine Anhäufung von Epithelzellen, der sogenannte „Bouchon
epithelial“, wie Sandes sie bei D. viverrinus beschrieben und abgebildet
hat (Sandes’ Fig. 9), scheint nicht gebildet zu werden. Es ist jedoch
dadurch möglich, die Durchbruchsstelle zu erkennen, dass hier das junge
Corpus Iuteum häufig leicht ausgebuchtet ist und auch das Ovarial-(Keim-
epithel)Epithel fehlt. In einer Serie (Nr. 13) sind die neu entstandenen
Zellen wie durch Druck herausgetrieben, so dass sie eine etwas zugespitzte
Verwölbung an der Oberfläche des Ovariums bilden. Weder in dieser noch
in den folgenden Arten scheint der Follikel nach dem Platzen sehr zusammen-
gefallen, wie Sobotta es bei der Maus usw. (31-35) beschrieben und ab-
gebildet hat. Bei diesen Arten scheint das Platzen nicht so stark auf die
Struktur des Follikels einzuwirken, dass ein frisch geplatzter Follikel ein
wesentlich anderes Aussehen hätte.
Das allgemeine Aussehen des Follikels hat sich gleich nach dem Aus-
treten des Eies nicht verändert, ausgenommen, dass er etwas kleiner
geworden ist, seine Epithel-Bekleidung etwas dichter und dass weniger
Gerinnsel in ihm sind, und weiter fehlen für gewöhnlich Blutkörperchen in
seiner Zentralhöhle oder, wenn überhaupt, sind sie nur in kleiner Anzahl
vorhanden. Es sind keine Spuren eines Discus proligerus zu sehen, wenn
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. J
auch einige frei gelegene Epithelzellen in der Zentralhöhle seine Überreste
darstellen.
Genauere Untersuchungen ergeben jedoch die Tatsache, dass Ver-
änderungen von beträchtlicher Bedeutung stattgefunden haben. Die Membrana
propria (in Nr. la z. B.), welche früher den inneren Teil des Follikels voll-
kommen umschloss, ist an vielen Stellen durch Einwucherungen der Theca
follieuli unterbrochen. Diese Einwucherungen sind fast alle von Blutgefässen
begleitet, die zu den zahlreichen Kapillaren der Theca interna führen und an
ihrer Basis haben sie häufig eine im Durchschnitt dreieckig erscheinende
Bluthöhle dort, wo grössere Gefässe aus den Kapillaren entstehen. Hier ist
also die erste auffallende Verschiedenheit zwischen dem reifen Follikel und
dem jungen Corpus luteum dargelegt. Bei ersterem ist die Membrana
granulosa scharf von der Theca folliculi durch die Membrana propria ab-
gegrenzt, und enthält keine Blutgefässe; bei letzterem ist die Membrana
propria unterbrochen und infolgedessen gibt es keine scharfe Trennungslinie
zwischen der Theca folliculi und den Luteinzellen, wie sie jetzt genannt
werden müssen. Ferner liegen zwischen den Luteinzellen viele kleine Blut-
gefässe, welche (wie in Nr. 1) mehr oder weniger mit Blut gefüllt sein
können. Die Sprossen des Thecagewebes stammen grösstenteils von der
Theca interna ab, und diese Schicht wird bis zu einem gewissen Grade auf-
gebraucht, aber nicht völlig. Die Theca externa scheint auch an den Ein-
wucherungen teilzunehmen, aber nicht in so hohem Grade wie die Theca
interna. Bei den Einwucherungen der Theca folliculi in den früheren Stadien
sind die Luteinzellen noch nicht bis zur Zentralhöhle vorgedrungen.
Ein gewisser Grad von Veränderung hat auch in den Zellen der
Membrana granulosa stattgefunden. Sie haben sowohl an Grösse des Zell-
körpers als auch der des Kernes zugenommen. aber sie zeigen noch nicht die
charakteristische Granulation der Luteinzellen späterer Stadien. In Nr. 1a
sind diese Zellen in einer die Zentralhöhle umgebenden Schicht von ungefähr
vier oder fünf Zellen Tiefe angeordnet.
Die Bildung des Corpus luteum verum.
In Nr. 1b sind alle vorigen Prozesse etwas weiter fortgeschritten.
Die Sprossen der Theca follieuli haben die Luteinzellen durchdrungen und
breiten sich aus, wie um eine Schicht über ihrer inneren Oberfläche zu bilden.
Die Luteinzellen selber und ihre Kerne sind wenig grösser und sind zu einer
Schicht von sieben oder acht Zellen Tiefe angeordnet.
Die nächsten zwei Ovarien (Nr. 2a und 2b) zeigen vorgeschrittene
Stadien der Entwicklung des gelben Körpers. Das Bindegewebe, welches
von den Thecaeinwucherungen abstammt, breitet sich über die innere Ober-
fläche der Luteinzellen aus, um eine mehr oder weniger deutlich abgegrenzte
Schicht zu bilden, so dass die Zentralhöhle eine Auskleidung von Bindegewebe
hat. Wenn die Entwicklung fortschreitet, nimmt die Zentralhöhle an Grösse
ab, aber einige Zeit ist sie von Bindegewebe ausgekleidet. Diese Auskleidung
der Zentralhöhle mit Bindegewebe trifft man bei D. viverrinus nicht an.
Dort geht das Bindegewebe, nachdem es die Zellen der Membrana granulosa
10 Chas. H. 0’Donoghue:
durchbrochen hat, geradeswegs in die Zentralhöhle und füllt sie schnell.
indem sie einen Zentralpfropf bildet. Bei P.obesula verharrt die Zentral-
höhle einige Zeit in dem oben beschriebenen Zustand und wird erst später
vom Bindegewebe ausgefüllt.
Bei alle den vorhergehenden frühen Stadien trifft man nicht selten
Mitosen, und sie kommen in allen Teilen des Gewebes vor; so in den
sprossenden Zellen der Bindegewebs-Einwucherungen oder in den Wänden
der neuen Gefässe, welche sie begleiten. Andere kommen in der Nähe der
Blutgefässe vor, und wenn die longitudinale Achse der Spindel mit der Wand
des Gefässes parallel ist, gehören sie auch fast sicher dem Bindegewebe an.
Wenn man eine gewisse Anzahl von Mitosen, welche nun in Bindegewebs-
zellen liegen mögen oder nicht, ausser Betracht lässt, so bleiben doch noch
einige, welche ohne Zweifel in den jungen Luteinzellen gelegen sind. Sie er-
scheinen in der Mitte von Gruppen von Epithelzellen, zwischen die das
Bindegewebe noch nicht eingedrungen ist. Ferner ist es möglich, unzweifel-
hafte Luteinzellen zu finden, in denen die Kerne verschiedene Stadien der
Prophase der mitotischen Teilung zeigen. Dieses ist auch abweichend von
den Verhältnissen bei D. viverrinus, denn dort ist es festgestellt, dass
bei den schwangeren (30) und nichtschwangeren (25) Weibchen Mitosen fehlen.
Die folgenden Stadien zeigen eine Zunahme der Grösse der Lutein-
zellen und ihrer Kerne und den Anfang ihrer charakteristischen Körnelung.
Da das Corpus luteum nicht an Grösse zunimmt, wächst die Zahl der
Schichten der Luteinzellen und die Zentralhöhle wird dementsprechend
reduziert. Gleichzeitig wird die Bindegewebsauskleidung dichter, teilweise
durch tatsächliches Wachsen, zum Teil aber auf mechanischem Wege durch
die Grössenreduktion der Zentralhöhle. Das Bindegewebe und die neu ent-
standenen Blutgefässe haben sich noch mehr verzweigt. so dass sie ein
durch die Luteinzellen laufendes Netzwerk bilden. Einige Mitosen sind
zu finden, aber sie beschränken sich auf die Bindegewebszellen. In den
meisten Fällen laufen die Hauptäste des Bindegewebes von der Theca durch
bis zum Zentralpfropf, so dass das Corpus luteum in eine Anzahl von Zell-
reihen zerlegt ist. Dies ist nicht überall gut sichtbar und verschwindet im
Laufe des ferneren Wachstums bis zu einem gewissen Grade, dagegen ist
es in dem völlig ausgewachsenen Corpus luteum gut zu erkennen.
Die oben angeführten Veränderungen sind vor sich gegangen, ehe der
Embryo das Keimbläschenstadium seiner Entwicklung überschritten hat
(Nr. 1-4). Später kommen keine auffallenden Veränderungen mehr vor.
Die Zentralhöhle verschwindet ganz und der Pfropf von Bindegewebe wird
durch das weitere Wachstum der Luteinzellen reduziert und dichter zusammen-
geschichtet. Die Luteinzellen werden immer körniger, bis sie gewöhnlichen
Drüsenzellen in lebhaftem Sekretionszustande gleichen, und das Bindegewebe
verzweigt sich weiter zwischen ihnen.
Das völlig ausgebildete Corpus luteum verum.
Das völlig ausgebildete Corpus luteum von P. obesula ist ein gut
erkennbares Gebilde, welches einen Durchmesser von 2,5 zu 2,75 mm erreicht.
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 11
Von aussen ist es durch eine Bindegewebsscheide mit zahlreichen Kapillaren
begrenzt, welche die gewöhnliche Schichtung in Theca interna und externa
zeigt. Die äussere Schicht ist fibrös, und die innere Schicht, welche stark
reduziert ist, besteht aus wenigen Zellen, welche beträchtlich kleiner als
die Luteinzellen sind, aber nicht so in die Länge gezogen wie die Zellen
der fibrösen Schicht (siehe das früher Gesagte).
Das Zentrum besteht auch aus Bindegewebe und ist zu einer stern-
förmigen Masse angeordnet. Zwischen diesen beiden Teilen liegt die Haupt-
substanz des Corpus luteum, bestehend aus drüsigen Zellen, Bindegewebe
und Blutgefässen. Die Luteinzellen sind grosse Zellen‘ mit grossen runden
Kernen und haben viele Körnchen. Die Körnelung gibt dem ganzen Organ
seine charakteristische, intensiv gelbe Farbe. Diese Körnchen verschwinden
im Laufe der Präparation der Schnitte, ausser, wenn das (rewebe in einer
Osmiumsäure enthaltenden Flüssigkeit fixiert wurde: eine Tatsache, welche
darauf hindeutet, dass das Sekret eine fettähnliche Substanz ist (siehe 39).
Die Luteinzellen scheinen die modifizierten Epithelzellen der Membrana
granulosa zu sein, nach mitotischer Teilung an Umfang vergrössert; und
nichts spricht dafür, dass die Zellen der Theca interna sich zu ähnlichen
Elementen umformen. Das Bindegewebe bildet ein verwickeltes Netzwerk,
welches sich durch das Ganze verzweigt. Es stammt von beiden Schichten
der Theca fulliculi ab, infolge seiner Entstehung wird die Theca interna,
welche den grössten Teil dazu beiträgt, in hohem Grade aufgebraucht. Die
Blutgefässe entstehen als Auswüchse der Theca folliculi-Kapillaren und bilden
ein Netzwerk. Ihre Wandungen bestehen aus einer einfachen Schicht äusserst
platter Endothelzellen, so dass sie Gefässe bilden ähnlich denen, welche in
der Leber und Niere der Amphibien gefunden wurden und den Namen
„Sinusoide“ (24) bekommen haben.
Das Corpus luteum ist dem von D. viverrinus sehr ähnlich, nur
dass es kleiner ist, im Verhältnis wie das Tier selbst kleiner ist, und es
zeigt verhältnismässig viel Luteingewebe im Vergleich mit dem Ovarium
als ganzem. In seinem völlig entwickelten Stadium ist es auch dem eines
typischen Eutherion ähnlich.
Wenn seine Entwicklung vollendet ist, z. B. in B 5, werden seine
Zellen äusserst körnig, und es bleibt auf den hier untersuchten Serien
unverändert. Nr. 11 gibt ein interessantes Beispiel eines ausgewachsenen
Corpus luteum, in welchem durch die Hauptbindegewebszüge und Blutgefässe
die Luteinzellen in eine Anzahl strahlenförmiger Reihen angeordnet sind.
Leider ist es unmöglich, eine genaue Angabe über die Dauer der Drüse zu
geben, weil die untersuchten Serien die Degenerationsstadien nicht in sich
schliessen. Sie ist jedoch vor der Geburt des Jungen ausgewachsen und bleibt
bis zu der Zeit, wo das Junge im Beutel eine Grösse von 22 mm erreicht
hat, ohne irgend ein Zeichen von Abnahme oder Degeneration.
Das Corpus luteum spurium.
Nr. 13 und 14 liefern zwei interessante Beispiele von der Entstehung
von Corpora lutea spuria, denn beide wurden von nichtschwangeren Weibchen
12 Chas. H.O’Donoshwe:
gewonnen. Das erste von ihnen ist in einem frühen Entwicklungsstadium
und die beiden Corpora lutea lagen ganz dicht zusammen. Die Lutein-
zellen haben sich etwas vergrössert und sind zu einer Schicht von ungefähr
zehn bis zwölf Zellen Tiefe angeordnet: die Membrana propria ist ver-
schwunden. Die Sprossen der Theca folliculi haben schon die Luteinzellen
durchbrochen und breiten sich über ihre innere Oberfläche aus, um eine
Bindegewebsbekleidung für die Zentralhöhle, welche noch gross ist, zu bilden.
Wie vorher beschrieben, sind bei einem dieser Corpora lutea die Luteinzellen
an der Durchbruchsstelle des Follikels herausgetrieben, um eine zugespitzte
Vorwölbung zu bilden, über welche das das Ovarium bedeckende Epithel
und das Bindegewebe noch nicht hinüber gewachsen sind. Mitosen sind
keineswegs häufig und scheinen besonders in den Luteinzellen sehr selten
zu sein. Beide Corpora lutea sind in einem Mittelstadium zwischen Nr. 2b
und 3 und sind durchaus nicht von Corpora lutea vera zu unterscheiden.
Das zweite von den beiden Öorpora lutea ist im ausgewachsenen
Zustande. Die Zentralhöhle ist ganz verschwunden und ihr Platz ist von
einem Bindegewebspfropf eingenommen. Eine Anschwellung an der einen
Seite zeigt die Durchbruchsstelle des Follikels an, aber das Övarialepithel
und die Bindegewebsscheide sind vollständig darüber gewachsen. Sorgfältige
Untersuchung deckt keinen Unterschied zwischen diesem und einem Corpus
luteum verum auf.
Es stehen keine Angaben zu Gebote, durch welche die Dauer dieses
Körpers in dem nichtschwangeren Weibchen festgestellt werden kann.
Es ist nicht möglich, weder während des Wachsens noch in dem
völlig entwickelten Stadium, einen histologischen Unterschied zwischen Oorpus
luteum spurium und Corpus luteum verum zu finden.
Perameles nasuta.
Angewandtes Material.
Vorder Geburt der Jungen
Sa m
Serien
|
Nr.
: BIGE ' Stadium der embryo-
Das Ovarium Die Corpora lutea | b u
‚ nalen Entwicklung
1 Ovarium von unregel-
mässigem Querschnitt | 1 Corpus luteum
85x45 mm |
1 Uuterus enthält ein Bi
| s
in Furchung
2 Övarium von unregel- |
mässigem Querschnitt 1 Corpus luteum | Frühe Keimbläschen
3x5 mm
Ovarium klein, von
unregelmässigem Quer- | 1 Corpus luteum
schnitt 4x3 mm
Früher Schwanger-
schafts-Stadium
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren.
13
Serien E I; Stadium der embryo-
Das Ovarium | Die Corpora lutea e 3
Nr. nalen Entwicklung
1 Corpus luteum
4 | Ovarium von unregel- |2,5 mm im Durch- | Flach ausgebreiteter
mässigem Querschnitt |messer, einen grossen Embryo von
3x4 mm Teil des Ovariums 10 Ursegmenten
bildend
|
5 Zwei Övarien a) von |
unregelmässigem Quer- | 1 Corpus luteum
schnitt 42x 3,5 mm | Junger Embryo
| b) von unregelmässigem 1 Corpus luteum
| Querschnitt 4,5 x 3 mm
Nearch derz@eburt der Jungen.
Serien 5 up Stadium der embryo-
Das Ovarium Die Corpora lutea i 3
Nr. nalen Entwicklung
| — I
s B 5 , Br
6 \Ovarium im Querschnitt Gr Li 1£
u: ; srösste Länge 1:
unregelmässig oval 1 Corpus luteum =. 2 5 in mn
| = | opflänge 7;
| 4,75x 3,25 mm | a
I
Fr —.
7 Övarium von unregel- | a 1 20
er e : | Grösste Länge 2:
mässigem Querschnitt 1 Corpus luteum Be 3 10 > um
I ( ange [9]
55xXx4 mm 'P = a
- - |
fo) Ovarium klein, von re EI
3 e 4 rösste Länge 24,5 mm
| unregelmässigem Quer- | 2 Corpora lutea e eh mE ä
| SR ae opflänge 11,5 mm
schnitt 3,5 x 2,5 mm p >
9 Ovarium von unregel- | rn: Br
IR ä r rösste Länge 35 mm
mässigem Querschnitt 1 Corpus luteum || I A =
2 optlänge mm
6x 3,25 mm | ! =
: E |
10 Ovarium von unregel- | a ern
ER: i Dre Grösste Länge 36 mm
mässigem Querschnitt 2 Oorpora Intea Kopflä 8
ZEE opflänge 15 mm
5x 3,25 mm P iz
11 | Ovarium im Querschnitt a 7
BETEN; - z Grösste Länge 39 mm
dreieckig, jede Seite 1 Corpus luteum | PER
Er ı Kopflänge 20 mm
5,25 mm |
12 Ovarium von unregel-
mässigem Querschnitt
5x45 mm
1 Corpus luteum
(rösste Länge 45 mm
' Kopflänge 22 mm
14 Chas..H. O’Donoghue:
Wie zu erwarten, besteht nur ein sehr kleiner Unterschied zwischen
dieser und der vorgehenden ihr nahe verwandten Art. Die Ovarien sind
im ganzen etwas kleiner, und das grösste vorstehende Corpus luteum hat
einen Durchmesser von 2,5 mm. Die Ovarien haben auch eine unregel-
mässigere Oberfläche als bei P.obesula, obgleich das Corpus luteum mit
einer Ausnahme in Nr. 4 nicht in so auffallender Weise hervorsteht. Im
der Regel enthalten die Ovarien auch nur ein Corpus luteum, wennschon
in einigen Fällen zwei vorhanden sein können (Nr. 7 und 9). Die Serien
wurden 5, 7,5 und 10 „ dick geschnitten. Diese Art liefert nicht genau solch
vollständige Serie von frühen Entwicklungsstadien wie die vorhergehende.
Bei Nr. 1, in welchem ein Uterus ein sich früh furchendes Ei enthält, wurde
ein frühes Stadium erwartet, aber das Corpus luteum war völlig ausgewachsen
und seine Gefässe voll von Blut. Alle Spuren der Zentralhöhle waren ver-
schwunden, so dass es unverkennbar ein ziemlich vorgerücktes Stadium
ist. Diese Tatsache deutet an, dass in diesem Fall eine beträchtliche Zeit
zwischen Ovulation und Furchung liegt. Die Serie genügt, um zu zeigen,
dass das Corpus luteum dem der vorhergehenden Art sehr ähnlich ist.
Die Follikelwand.
Die oben gegebene Beschreibung von P. obesula lässt sich gleich
gut hier anwenden, denn die Follikel der beiden Arten sind fast identisch.
Bei dem reifen Follikel ist die Membrana granulosa dünn, fast nur drei
Zellen tief, und das Ei, von dem Discus proligerus umgeben, liegt an einer
Seite des Follikels. Die Membrana propria ist gut sichtbar und trennt den
inneren Teil des Follikels vollständig von seiner Theca. Zwei Schichten,
eine dünne Theca interna und eine Theca externa, sind in der Bindegewebs-
scheide zu erkennen.
Corpus luteum verum.
Hier finden wir wieder eine grosse Ähnlichkeit mit den entsprechenden
Vorgängen bei P. obesula. Die Bindegewebssprossen, die hauptsächlich
von der Theca interna, aber zum Teil auch von der Theca externa ausgehen,
durchbreehen die Membrana propria und später die jungen Luteinzellen, an
deren innerer Wand sie eine die Zentralhöhle begrenzende Schicht bilden.
Einem interessanten Verhalten begegnen wir in Nr.2, wo die Umbildung
des Follikels in ein Corpus luteum nicht in allen Teilen des Umkreises
gleichmässig stattgefunden hat. An der Seite des Gebildes nahe der Aussen-
wand des Ovariums sind die Vorgänge weiter fortgeschritten als an der
anderen Seite und folglich liegt die Zentralhöhle exzentrisch. An der Innen-
seite sind weder die Luteinzellen noch ihre Kerne sehr gross, und sind zu
einer Schicht von ungefähr vier Zellen Tiefe angeordnet. Die 'I’heca-
Einwucherungen sind nicht sehr zahlreich und haben die Luteinzellen nicht
völlig durchbrochen, Spuren der Membrana propria sind noch vorhanden, so
dass diese Seite des Corpus luteum genau Nr. 1a in P.obesula entspricht.
Andererseits ist die Aussenseite bedeutend weiter vorgeschritten, so dass
sie mehr Nr. 13 bei P.obesula gleicht. Beide, die Luteinzellen und ihre
Kerne, sind sichtlich hypertrophiert. Die Bindegewebssprossen sind zahl-
m
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 15
reicher und haben sich ausgebreitet, um eine Schicht um die innere Wand
der Zentralhöhle zu bilden. Die Membrana propria ist ganz verschwunden.
Der Übergang von dem fortgeschritteneren Zustand zu dem jüngeren ist an
einer Seite ganz plötzlich, an der anderen nur allmählich. In den ver-
schiedenen Geweben sind Mitosen zu finden. Sie treten in den Luteinzellen
der weniger vorgeschrittenen Seite nur selten auf und in der anderen Seite
überhaupt nicht.
Es ist kein Grund zu erkennen, weshalb die beiden Seiten des Follikels
sich ungleich entwickelt haben, denn das benachbarte Gewebe scheint ganz
normal zu sein.
Nr. 3 ist ein Beispiel eines fast völlig entwickelten Corpus luteum,
welches genau dem in Nr. 4 von P.obesula entspricht. Die Zentralhöhle
ist so gut wie verschwunden, obgleich Spuren von ihr noch zu sehen sind.
und der Bindegewebspfropf ist noch nicht in der charakteristischen Weise
des älteren Corpus luteum fest zusammengeschichtet. Die Drüse hat auch
ihre grösste Ausdehnung erreicht und hat ungefähr einen Durchmesser von
2,5 mm.
So stimmen die beiden Arten von Perameles und auch die der
D. viverrinus miteinander überein, bei welchen das Corpus luteum völlig
entwickelt ist, während der Embryo sich im Keimbläschenstadium befindet.
Das völlig ausgebildete Corpus luteum.
Es ist unnötig, das ausgewachsene Corpus luteum zu beschreiben,
weil die schon für die P.obesula gegebene Beschreibung in allen Einzel-
heiten auch hier zutrifft. Die Strukturen der Corpora lutea der beiden Arten
sind so ähnlich, dass man sie auf keinerlei Weise unterscheiden kann.
Es stehen keine Angaben zu Gebote, um die Dauer der Gebilde fest-
zustellen, aber sie bleiben den Rest der Serien hindurch in einem unver-
änderten Zustand, und in Nr. 12 sind keine der degenerativen Veränderungen,
welche für die-abnehmende Drüse charakteristisch sind, zu bemerken. Bei
diesen Arten ist die Drüse noch völlig auf der Höhe ihrer Entwicklung, wenn
die Jungen eine Länge von 45 mm erreicht haben, d. h. wenigstens dreimal
so lang sind wie Neugeborene.
Macropus ruficollis.
Angewandtes Material.
Vor der Geburt der Jungen.
Serien 7 Bas, ...; Stadium der embryo-
21 ie Corpora lutea :
Nr. run u arpora. in nalen Entwicklung
1 Zwei Ovarien: a) im
Querschnitt oval 1 Corpus luteum
IFIEE ST aEmmS Junges Ei, 15 x 19 mm
b) im Querschnitt
rundlich 9 x 10 mm
1 Corpus luteum
16 Chas. H. O’Donoghue:
Serie e : | Stadium der embhryo-
Den Das Ovarium Die Corpora lutea > 3
Nr. ' nalen Entwicklung
2 Zwei Ovarien: a) im
Längsschnitt rundlich | 1 Corpus luteum
| 7,15 x 6,75 mm; Junges Ei, 23x 21 mm
b) im Längsschnitt oval |
) on 5 1 Corpus luteum
8,5 x 5,75 mm
3 ium ım Längsschnitt ; 2
en en en 1 Corpus luteum Ei, 26 x 25 mm
ovalall7aPXascmm
4 Zwei Ovarien: a) im |
‚schnitt unregel- 1 Corpus luteum R :
3 s 3 nn Frühes Keimbläschen
mässig 6 X 9.75; ®
SER & i S mm Durchmesser
b) im Längsschnitt satten
rundlich Sx 9 mm u)
5 |Ovarium im Durchschnitt :: | Frühes Keimbläschen
: 5 3 1 Corpus luteum =
rechteckig 11,5 x 8.5 ı 1,27 mm Durchmesser
6 |Ovarium im Längsschnitt 1 Corpus luteum | Frühes Keimbläschen
oval 9,75 x 7 mm Durchmesser 7,5 mm| 1,5 mm Durchmesser
| h N } 1 Corpus luteum | „ Be r
7 \Ovarium im Durchschnitt I f Spätes Keimbläschen
| “2. Durchmesser \
etwa oval 14 x 7,5 mm NER 2.6 mm Durchmesser
(‚5 mm |
| |
1 4 1 Corpus luteum |
S Ovarium im Durchschnitt ES Früher Embryo
rechteckig 10 x S mm ner 5.2 mm
len schneiden sichtbar Ir
$ Zwei Ovarien: a) im
Durchschnitt oval 1 Corpus luteum
92952. 62mmE Embryo, 7 mm lang
b) im Durchschnitt oval E
Bo = 1 Corpus luteum
(25 x 4,5 mm
10 Zwei ÖOvarien: a) im
Durchschnitt oval 1 Corpus luteum
102%6°9.mmE Später Embryo, 15 mm
b) im Durchschnitt oval, ar }
Kan En : 1 fast reifer Follikel
13’x 75 nm
Nichtschwangere Weibchen.
Ovarium, klein
E [7]
IX X mm
sichtbar
| 1 Corpus luteum nur beim Zerschneiden
I
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 1
Diese Art lässt uns hinsichtlich der Corpora lutea im Stich. Sie ist
besonders reich an frühen Stadien der embryonalen Entwicklung, aber in
fast allen von ihnen ist das Corpus luteum völlig ausgebildet. Sogar bei
den drei Tieren, bei welchen die Uteri Eier im Furchungsstadium enthielten,
und welche nach der Untersuchung der vorhergehenden Serien ganz junge
Entwicklungsstadien erwarten liessen, waren die Corpora lutea schon voll-
kommen ausgebildet. In einem Fall jedoch, d.h. in Nr. 5, in welchem der
Uterus ein frühes Keimbläschen von 1,27 mm Durchmesser enthielt, ist das
Corpus luteum auf einem frühen Stadium einige Zeit vor dem Verschwinden der
Zentralhöhle. Noch in einem anderen Fall, nämlich in Nr. 7, ist das Corpus
luteum gerade fast völlig ausgewachsen und Reste von der Zentralhöhle sind
noch zu sehen. Dieses Fehlen von frühen Stadien deutet an, dass gewöhnlich
eine beträchtliche Zeit zwischen Ovulation und Furchung vergeht. Es mag
sein, dass im allgemeinen die Kopulation einige Zeit nach der Ovulation
stattfindet oder, wenn diese dicht zusammenliegen, vielleicht einige Zeit
zwischen Ovulation und Befruchtung vergeht. Das erstere ist nicht unwahr-
scheinlich, wie bei D. viverrinus gezeigt wurde, wo die Ovulation gänzlich
unabhängig von der Copulation ist (15).
Ein anderer in die Augen fallender Unterschied ist zwischen den
Övarien der vorliegenden Art und denen von D. viverrinus und Perameles
gefunden worden. Bei der genauen Untersuchung aller ÖOvarien von
M. ruficollis sind Reste von alten Corpora lutea in mehr oder weniger
degenerativem Zustand zu finden. Hinsichtlich des Oestrus von D. viverrinus
(15) hat es sich gezeigt, dass dieses Tier eine einmalige Brunstzeit im Jahr
erlebt und weiter, dass während dieser Brunstzeit nur ein Oestrus und eine
Ovulation stattfmden. So liegt ein Jahr zwischen einer Ovulation und der
nächsten, und das Ovarium enthält so stets nur eine Art von Corpora lutea,
alle in demselben Alter. Bei M.ruficollis zeigt das Vorhandensein von
Corpora lutea von zwei verschiedenen Stadien in demselben Ovarium an, dass
zwei Ovulationsperioden in verhältnismässig kurzer Zeit nacheinander vor-
kommen müssen. Dieses deutet an, dass entweder zwei Oestri mit ihren sie
begleitenden Ovulationen in der einen Zeugungsperiode stattfinden, oder dass
zwei Zeugungsperioden, jede mit einer einzigen Ovulation, ziemlich schnell
aufeinander folgen.
Noch ein weiterer Unterschied ist zwischen M. ruficollis und beiden
D.viverrinus und Perameles vorhanden, insofern als auch ein anderes
Gewebe mehr oder weniger ausgedehnt in dem Stroma aller Ovarien dieser
Serien als Zuwachs der tätigen Corpora lutea und der älteren, der Corpora
fibrosa, zu finden ist. Es nimmt die Gestalt von mehr oder weniger grossen
gut umgrenzten Zellgruppen an, welche dicht zusammengefügt sein können
und daher ziemlich grosse Gewebemassen bilden oder durch Bindegewebe oder
ein anderes Gewebe voneinander getrennt sein können und so eine Anzahl
von Inseln bilden, die über das Ovarialstroma verstreut sind. Diese Zell-
gruppen sind kleinen Stückchen des Corpus luteum sehr ähnlich. Sie besitzen
eine gewisse Menge von Bindegewebe, aber dieses bildet nicht ein deutlich
sichtbares durch sie hindurch laufendes Netzwerk, und die charakteristischen
Gefässe scheinen fast ganz zu fehlen, obgleich schmale Kapillaren zu finden
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. 1. 2
15 Chas. H. O’Donoghue:
sind. Die Zellen selbst sind den Luteinzellen nicht unähnlich, können aber
leicht von diesen in ihrem tätigen Zustande unterschieden werden, weil sie
und ebenso ihre Kerne bedeutend kleiner sind. An Gestalt sind sie den
Luteinzellen in den Corpora lutea während des degenerativen Stadiums
nicht unähnlich, aber abweichend von diesen weisen sie keine Auflösungs-
anzeichen weder im Zytoplasma noch im Kern auf und scheinen in einem
durchaus normalen Zustand zu sein. Das ganze Aussehen dieses Gewebes
ist sicher dem Luteingewebe etwas ähnlich und deutet darauf hin, dass es
ein Corpus Juteum im untätigen Zustand, durch das Ovarialstroma in Frag-
mente zerrissen, sein kann. Andererseits sind in denselben Ovarien tätige
Corpora lutea und Corpora fibrosa einer früheren Ovulation vorhanden. Diese
letzteren liegen in einem Stück zusammen, und die Bindegewebsscheide,
welche sie umgibt, wird in der Tat dichter und fibröser und in ihren Zellen
sind degenerative Erscheinungen ganz deutlich sichtbar. Bei diesem Gewebe
ist keine Spur einer Bindegewebsscheide, weder um die ganze Masse noch
um die einzelnen Inseln herum. zu sehen, und es zeigt eine bedeutende
Ähnlichkeit mit der interstitiellen Drüse, welche bei den Ovarien einiger
höherer Säugetiere. z. B. dem Kaninchen, beschrieben ist.
Es ist nach dem vorhandenen Material unmöglich zu sagen, ob dieses
Gewebe von einem Corpus luteum abstammt, oder ein Gewebe sui
generisist. Es wäre zu wünschen, diesen Punkt durch die Unter-
suchung einer weiteren Auswahl von Ovarien hauptsächlich von jüngeren
Tieren festzustellen.
In der Regel ist das Ovarium oval mit dem Corpus luteum, welches
mindestens die Hälfte des ganzen Ovariums einnimmt an einem Ende. In
völlig ausgewachsenem Zustande, wie in Nr. 6, erreicht das Corpus luteum
von aussen gemessen einen Durchmesser von ungefähr 7,5 mm. Jedes
Ovarium enthält ein tätiges Corpus luteum, obgleich fast immer nur ein
Uterus schwanger ist. Die Ovarien wurden in ungefähr 10 = dicke
Schnitte zerlegt.
Die Follikelwand.
Die Struktur der Follikelwand kann in dem fast reifen Follikel eines
der Ovarien von Nr. 10 gut untersucht werden. Aus dem oder jenem Grunde
hat sich die Ovulation in diesem Ovarium verzögert, obgleich das andere
ein ausgewachsenes Corpus luteum besitzt und das Ei, welches es vorher
enthielt, schon ein ziemlich vorgerücktes Stadium von embryonaler Ent-
wicklung erreicht hat. Der Follikel zeigt kein Zeichen von Degeneration
oder Umbildung in einen atretischen Follikel.
Die Zentralhöhle des Follikels, welche etwas oval ist, erreicht einen
Durchmesser von ungefähr 45 mm. Die Membrana granulosa ist drei bis
vier Zellen dick und ist rundum ziemlich gleichmässig, ausgenommen dort,
wo der Discus proligerus liegt. Ihre Zellen sind klein und liegen dicht-
gedrängt, sie haben runde Kerne, welche nirgends mitotische Figuren zeigen.
Nach aussen ist die Membrana granulosa durch eine deutliche Membrana
propria begrenzt. Wieder weiter nach aussen liegt die Theca follieuli, in
welcher die beiden wesentlichen Schichten leicht zu unterscheiden sind, in
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 19
der Tat noch leichter als bei den beiden Arten von Perameles. Die Kapillaren,
mit denen die Theca interna reichlich versorgt ist, sind ganz mit Blut gefüllt.
Die Bildung des Corpus luteum verum.
Es wurde gezeigt, dass nur ein Stadium des frühen Entwicklungs-
prozesses gefunden wurde, dieses ist jedoch ein ziemlich frühes, einige Zeit
vor dem Verschwinden der Zentralhöhle. Das Öorpus luteum ist schon gross,
hat, von aussen gemessen, einen Durchmesser von ungefähr 7 mm, und
nimmt viel mehr als die Hälfte des ganzen Ovariums ein. Seine Luteinzellen
und ihre Kerne sind stark hypertrophiert, und das Zytoplasma der Zellen
selbst ist stark gekörnt. Diese Zellen bilden eine Schicht von dreissig oder
mehr Zellen Tiefe. Sie sind vieleckig von Gestalt und liegen nach aussen
hin noch einigermassen dicht zusammen, während sie nach dem Innern zu
lockerer liegen. Die innersten Zellen haben Züge von Bindegewebe zwischen
sich und sind mit ihren längeren Achsen strahlenförmig zur Zentralhöhle
angeordnet.
Nur an wenigen Stellen sind noch einige Anzeichen der Membrana
propria zu sehen, zum grössten Teil ist sie gänzlich verschwunden. Die
Theca-Einwucherungen sind zahlreich und viele von ihnen sind an ihrem
äusseren Ende ziemlich breit. Die Theca interna ist fast ganz bei ihrer
Bildung aufgebraucht, obgleich einige ihrer Zellen noch in ihrer ursprüng-
lichen Lage bleiben. Die Theca interna hat auch einen grossen Anteil an
der Bildung der Bindegewebs-Einwucherungen. Wie in den vorhergehenden
Fällen begleiten Blutgefässe diese Sprossen und bilden ein Netzwerk durch
das ganze Gebilde. An der inneren Seite der Luteinzellen hat das Binde-
gewebe sich ausgebreitete und eine Schicht von gewisser Tiefe gebildet.
Dann folgt die Zentralhöhle, welche einen Durchmesser von ungefähr 1,5 mm
hat, die geronnene Masse des Liquor follieuli ist noch in ihr vorhanden. In
keinem Teil des Gewebes des Öorpus luteum wurden Mitosen gefunden, aber
da in einem gleichen Stadium bei beiden Arten von Perameles mitotische
Figuren in den Luteinzellen gänzlich fehlen und in den bindegewebigen
Elementen, wenn überhaupt vorhanden, äusserst selten sind, beweist das
Fehlen solcher Figuren in dem vorliegenden Falle noch nicht, dass sie nicht
in früheren Stadien vorkommen können. Das andere Stadium, d. h. Nr. 7,
zeigt tatsächlich die Vollendung des Bildungsprozesses. Die oben be-
schriebenen Umbildungsvorgänge sind auf ganz normale Weise vonstatten
gegangen. Die Luteinzellen haben sich etwas vergrössert und breiten sich
aus, so dass sie zusammen mit dem Bindegewebe die Zentralhöhle bis auf
Spuren zum Verschwinden gebracht haben.
Diese Stadien genügen, um zu zeigen, dass die Bildung des Corpus
luteum bei dieser Art derjenigen der vorhergehenden ähnlich ist.
Das völlig ausgebildete Corpus lJuteum verum.
In völlig ausgewachsenem Zustande ist das Corpus luteum ein grosses
Gebilde, welches einen Durchmesser von 7,5 mm oder sogar mehr erreicht.
Die Zentralhöhle ist durch einen etwa sternförmigen Bindegewebspfropf
2%
20 Chas-Hr 0, Donogchue:
ganz erfüllt. Die Spitzen des Sternes laufen in das Bindegewebe aus.
welches mit seinen begleitenden Blutgefässen ein verworrenes Netzwerk,
das durch das ganze Corpus luteum läuft, bildet. Die Luteinzellen sind,
obgleich mehr gekörnt, sehr wenig grösser als in dem letzten Stadium.
Ausserhalb dieser Zellen ist die Bindegewebsscheide deutlich sichtbar. Zum
grössten Teil ist sie aus Zellen, welche von der Theca externa abstammen,
zusammengesetzt, doch sind an einigen Stellen auch einzelne Zellen der
Theca interna zu unterscheiden. Daraus geht hervor, dass die Struktur,
die Gestalt ausgenommen, in ihren Hauptpunkten mit der der Corpus lutea
bei den beiden Arten von Perameles und auch bei D. viverrinus identisch
ist. Das allgemeine Aussehen ist jedoch aus zwei Gründen bei emigen
Exemplaren dieser Art etwas abweichend. Erstens ist der bindegewebige
Zentralpfropf nicht ganz so dicht wie bei Perameles, zweitens ist mehr
Bindegewebe mit den inneren Luteinzellen vermischt, und häufig sind kleine
Gruppen von drei bis zehn dieser Zellen von dem übrigen durch ziemlich breite
Bindegewebszüge getrennt. Die Folge davon ist, dass das Innere des Corpus
luteum etwas lockerer erscheint, aber dieser Unterschied ist nicht von
wesentlicher Bedeutung. Diese Lockerheit gegen die Mitte hin macht die
Gefässe sehr deutlich und ihr dünnes einschichtiges Endothel ist infolge-
dessen sehr gut zu sehen.
Es stehen keine Angaben zu Gebote, durch welche die Dauer des
Corpus luteum festgestellt werden könnte, aber es weist in allen Serien
keinerlei Zeichen von Degeneration auf, obgleich es schon von Anfang an
völlig ausgebildet war. Das Vorhandensein von degenerativen Corpora lutea
aus einer früheren Ovulationsperiode in denselben Ovarien, oder aus einer
vorherigen Schwangerschaft, oder von einer Ovulation, welcher keine Be-
truchtung folgte, scheint anzudeuten, dass das Organ eine beträchtliche
Zeit besteht.
Das Corpus luteum spurium.
In Nr. 11 haben wir ein Beispiel eines Corpus luteum spurium. Es
ist völlig ansgebildet und hat von aussen gemessen einen Durchmesser von
ungefähr 6 mm, obgleich es in einem kleinen Ovarium liegt. Die Struktur
ist mit der des Corpus luteum verum identisch, und es ist unmöglich, die
beiden voneinander zu unterscheiden. Das zentrale Bindegewebe und die
inneren Luteinzellen sind etwas dichter zusammengedrängt als bei einigen
der schon beschriebenen wahren gelben Körper, aber der Unterschied ist
gering und in der Tat kommen ähnliche Verhältnisse auch bei Üorpora
lutea von schwangeren Weibchen vor.
Das degenerierende Corpus luteum.
Es wurde vorher bemerkt, dass fast alle diese Övarien Corpora
lutea, welche von einer früheren Ovulation übrig geblieben sind, enthalten,
diese degenerativen Corpora lutea sind sehr leicht von denen im tätigen
Zustand zu unterscheiden und haben ein ganz anderes Aussehen. Die
Luteinzellen erfahren zuerst eine fettige Degeneration, infolgedessen ent-
stehen zahlreiche Alveolen. Später verlieren sie dieses alveolare Aussehen,
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 21
schrumpfen zusammen und die Grenzen zwischen ihnen verschwinden. Ihr
Zytoplasma scheint mehr und mehr zu zerfallen. In den Kernen dieser
Zellen ist die Degeneration früh zu sehen. Ihre Oberfläche schrumpft mehr
und mehr ein und wird unregelmässig, ihr Chromatin verliert seine charak-
teristische Verteilung und zeigt die Veränderungen, welche gewöhnlich von
autolytischer Auflösung begleitet sind. Die Blutgefüsse nehmen sehr an
Zahl ab, so dass der Körper ein festeres Aussehen bekommt. Während
dieser Periode wandern viele Leukozyten in das ganze Gebilde ein, welche
eine bedeutende Rolle bei dem Auflösen der jetzt nutzlosen Zellen zu spielen
scheinen. Das Bindegewebe durchzieht das Organ in breiten Streifen und
in einigen Fällen scheint es das Corpus luteum vollkommen in verschiedene
Teile zu zerlegen, aber es ist noch von einer gut sichtbaren Bindegewebs-
scheide umgeben. ‘Das ganze Gebilde wird zunehmend fibrös, von jetzt an
wird es von einigen Autoren „Corpus fibrosum“ genannt. Das ovariale Binde-
gewebe, welches diese degenerativen Corpora lutea umgibt, bleibt noch deutlich
sichtbar, seine Zellen werden zahlreicher und drängen sich dicht zusammen.
Diese Veränderungen sind bei ein oder zwei Exemplaren stark fort-
geschritten und die Corpora lutea sind so an Grösse reduziert, dass sie
nicht mehr als ein Achtel ihres früheren Umfanges haben. In solchen
Fällen sind die Kerne der Luteinzellen in einem sehr vorgerückten Degene-
rationsstadium. Wie die Corpora fibrosa schliesslich zugrunde gehen, wird
nicht durch diese Präparate aufgeklärt, aber es scheint wahrscheinlich, dass
es zum grossen Teil durch die Tätigkeit der Leukozyten geschieht.
Petrogale penicillata.
Angewandtes Material.
Vor der Geburt der Jungen.
—
'ien | e Stadium der embryo-
en Das Ovarium Die Corpora lutea | Ä Er
Nr. ' nalen Entwicklung
il
F 1 Corpus luteum
1 |Ovarium im Längsschnitt PER
a Durchmesser Frühe Keimbläschen
oval 8,5 x 5,75 mm an
5.25 mm
2 ium im Längsschnitt! 1 Corpus luteum 2 {
Ovazi “Be 5 5 np ; Keimbläschen
oval 7,5x 5, mm Durchmesser 5 mm |
3 Ovarium im Längsschnitt 1 Corpus Juteume res 2
\ 3 Späte Schwangerschaft
oval 10 x 5,25 mm Durchmesser 5 mm
Nach der Geburt der Jungen.
erien 3 2 Stadium der embryo-
- Das Ovarium | Die Corpora lutea | 3 >
Nr. | nalen Entwicklung
4 Ovarium im Längsschnitt) 1 Corpus luteum
| Währ » +
\dreieckig 8x 8x 10 mm| Durchmesser 5 mm Während der Gebur
22 Chas..H0Denochue:
tee ee ee ——
Serien R 2 | Stadium der embryo-
ı s Ov Die C 'a Jutea | i
N Das Ovarıum ie Corpora lutea nalen
| | Kurz nach der Geburt
5 Ovarium im Längsschnitt! 1 Corpus luteum 5 %
| B % Grösste Länge 20 mm
' oval 11,25x 7,0 mm || Durchmesser 5 mm an
| Kopflänge S mm
6 Ovarium im Querschnitt |
unregelmässig { ee = a
er 5 £ = 1 kleines Corpus | Grösste Länge 26 mm
| 20 luteum | Kopflänge 12 m
Irre E | ) ge 12 mm
bei Follikel Durchmesser | p =
3,6 mm
7 \ Ovarium im Querschnitt | 1 kleines Uorpus
unregelmässig luteum, Durchmesser
Seo mm 3.75 mm
Grösste Länge 45 mm
Kopflänge 15 mm
S | Ovarium im Querschnitt
unregelmässig
929% 7.5 nm:
Mit ziemlich grossem
Follikel |
In betreff der Bildungsstadien des Corpus luteum enttäuscht diese
Serie auch wieder, aber sie besitzt nicht viele frühe embryonale Entwicklungs-
stadien. In allen Fällen sind die Corpora lutea ganz ausgewachsen. so war
es nicht möglich, den Einzelheiten des Bildungsvorganges zu folgen. In
den beiden Fällen, wo in den Uteri Bläschen vorhanden waren, sind die
Corpora lutea völlig ausgewachsen, und wie bei den vorhergehenden Arten
enthielten fast alle untersuchten Ovarien Reste von (orpora lutea einer
früheren Ovulation. Dieses lässt dieselbe Erklärung zu, welche bei dem
Fall der M. ruficollis gegeben wurde, nämlich, dass zwei Ovulationsperioden
innerhalb kurzer Zeit vorkommen, und dass entweder die beiden Ovulationen
in einer Zeugungsperiode auftreten, oder zwei Zeugungsperioden schnell
aufeinander folgen.
Das andere schon bei den M. ruficollis beschriebene Gewebe ist
bei dieser Art in bedeutend grösserer Menge vorhanden und ist bei allen
untersuchten Ovarien zu finden. Oft tritt es in solcher Menge auf, dass es
wenigstens das halbe Ovarium einnimmt, wenn nicht mehr, wie in Nr. 8.
In einigen Fällen bildet es tatsächlich einen grossen Klumpen, z. B. in Nr. 2
1 kleines Corpus | Grösste Länge 53 mm
luteum Kopflänge 32 mm
obgleich es von keiner Kapsel eingeschlossen ist, während es bei anderen,
z B. Nr. 6. in eine grosse Anzahl von Stücken zerlegt ist, welche durch das
gewöhnliche ovariale Stroma verstreut sind. Wenn ein Streifen dieses
Gewebes in die Nähe eines tätigen Corpus luteum zu liegen kommt, nur
durch die Bindegewebsscheide des letzteren von ihm getrennt, zeigt sich
der Unterschied zwischen seinen Zellen und den Luteinzellen sehr deutlich.
In ähnlicher Weise ist der Unterschied zwischen ihm und einem degenerativen
Corpus luteum leicht zu sehen, wenn die beiden dicht zusammen liegen.
NS
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren.
Das Aussehen des Ovariums ist dem der M. ruficolis ähnlich, es ist
oval und besitzt ein Corpus luteum, das gewöhnlich an einem Ende liegt.
Das Corpus luteum ist in die Augen fallend und erreicht in den meisten
Fällen einen Durchmesser von ungefähr 5 mm, aber in späteren Stadien
hat es schon angefangen abzunehmen und die Oberfläche des Ovariums ist
unregelmässiger.
Die Follikelwand.
In Nr. 6 ist ein fast reifer Follikel vorhanden, bei dem die Struktur
seiner Wand untersucht werden kann. Die Zentralhöhle erreicht einen
Durchmesser von ungefähr 3 mm und ist mit dem Liquor folliculi angefüllt,
und das Ei mit seinem es umgebenden Discus proligerus liegt unsymmetrisch
in ihr. Die Membrana granulosa ist zwei bis vier Zellen diek und nach
aussen von der Membrana propria begrenzt. Ihre Zellen liegen dicht zu-
sammen und zeigen in ihren Kernen keine mitotischen Figuren. Die zwei
Schichten der Theca follieuli können ziemlich leicht unterschieden werden,
da die Theca interna deutlicher ist als bei Perameles, aber nicht so hervor-
tritt wie bei den Eutheria-Säugetieren. Sie ist derjenigen der vorhergehenden
Arten sehr ähnlich. .
Das völlig ausgebildete Corpus luteum verum.
Das ausgewachsene Corpus luteum ist ein grosses Gebilde und kann
einen Durchmesser, von 5,25 mm erreichen, die Zentralhöhle ist ganz ver-
schwunden, aber der Bindegewebsptropf ist nicht ganz so gross wie bei den
vorhergehenden Arten. Das Bindegewebe und die Blutgefässe bilden in ganz
typischer Weise ein enges Netzwerk durch das Corpus luteum. Die Lutein-
zellen sind hypertrophiert, ihr Zytoplasma ist sehr körnig und ihre Kerne
sind mehr oder weniger rund. Diese Zellen liegen in allen Teilen des Ge-
bildes fest zusammen und sind im Innern nicht lockerer angeordnet, wie sie
es bei den M. ruficollis waren. Allerdings haben sie sich nach innen so
weit ausgebreitet, dass der Zentralpfropf des Bindegewebes sehr stark
reduziert ist. Das allgemeine Aussehen des Organs ist dem bei Perameles
nicht unähnlich. Die Bindegewebsscheide ist in der gewöhnlichen Weise
angeordnet. Zum grösseren Teil besteht sie aus Zellen, die denen in der
Theca externa des Follikels ähnlich sind, und welche auch in den Körper
des Corpus luteum eindringen. Einige Zellen der Theca interna bleiben
jedoch noch übrig und sind zwischen den früher erwähnten Zellen und den
Luteinzellen zu sehen. Von der Membrana propria ist keine Spur zu finden.
Die Dauer des gelben Körpers kann nicht genau festgestellt werden,
aber er scheint nicht so lange wie bei den vorhergehenden Arten in einem
tätigen Zustande zu bleiben, denn in den letzten drei untersuchten Fällen
erscheint er reduziert und die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass die
Luteinzellen in diesen Fällen schon Zeichen von Degeneration aufweisen.
Andererseits sind jedoch Reste von Corpora lutea einer früheren Ovulations-
periode in fast allen Fällen zu finden, so dass die Corpora lutea nicht schnell
verschwinden.
24 Chas. H. O’Donoghue:
Degenerierende Corpora lutea.
Wie oben bemerkt, sind in den Corpora lutea der letzten drei Fälle
dieser Art. welche von aussen gemessen nur einen Durchmesser von
3,75 mm oder weniger erreichen, schon Degenerationserscheinungen sichtbar.
Die Zellen sind kleiner geworden und weisen einige Zeichen von Auflösung
auf. Ihr Zytoplasma ist sehr lückenhaft und ihre Kerne sind auch etwas
geschrumpft. Diese Ovarien besitzen auch ältere Corpora lutea, welche in
einem vorgeschritteneren Stadium von Degeneration sind. Hier sind die Zellen
beträchtlich reduziert und ihr Zytoplasma entartet, die Kerne sind auch
geschrumpft und unregelmässig und ihr Chromatin ist zu ungleichen Massen,
wie es für die Auflösung typisch ist. angeordnet. Das innere Netzwerk von
Gefässen und Bindegewebe ist mehr oder weniger reduziert. Die Binde-
gewebsscheide ist etwas deutlicher zu sehen.
Die verschiedenen Stadien sind denen bei M. ruficollis gefundenen
ähnlich und wieder scheinen Leukozyten eine grosse Rolle bei der Auflösung
des Gebildes zu spielen.
Phascolomys Wombat.
Angewandtes Material.
Vor der Geburt der Jungen.
Serien H 5 Stadium der embryo-
Das Ovarium Die Corpora lutea 2 y
Nr. nalen Entwicklung
1 | Ovarium im Querschnitt | 1 grosses Corpus
ziemlich regelmässig |Durchmesser 14 mm) Grösste Länge 8 mm
34 x 20 mm luteum
—— | —
N . - - |
2 | Ovarium im Querschnitt | 1 grosses Corpus
ziemlich regelmässig luteum Grösste Länge 9 mm
31x 19,6 mm Durchmesser 17 mm
3 | Ovarium im Querschnitt | 1 grosses Corpus
weniger regelmässig luteum Junger Embryo
325x195 mm Durchmesser 15 mm
| 1 Corpus luteum | -
N b x (Grösste Länge 15,5 mm
4 Ovarium klein 24x 15mm Durchmesser = a = R
E <Sopflänge S mm
11,75 mm ! Sn
4 —
A N j 1 grosses Corpus |_
5 | Ovarium im Querschnitt |Grösste Länge 17,5 mm
ieinkich wu luteum, Durch- | Konfl :
ziemlich regelmässig Ir <optlänge 8,2 mm
= = messer 14,25 mm DEABSTE
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 25
Nach der Geburt der Jungen.
Serien
Das Ovarium | Die Corpora lutea | Seaniumz der br
Nr. | nalen Entwicklung
6 Ovarium klein 1 Corpus luteum | Grösste Länge 29 mm
24x15 mm Durchmesser 10 mm) Kopflänge 12 mm
7 | Ovarium im Querschnitt
unregelmässig aus 1 Corpus luteum sur: 4
2 Teilen bestehend Durchmesser N a
= 5 una s
das eine 24x 9,5 mm 10,5 mm re an
das andere 14,5 x 10 mm
8 ı Ovarium im Querschnitt
unregelmässig
28x21 mm
1 Corpus luteum | Grösste Länge 69 mm
Durchmesser 10 mm| Kopflänge 27 mm
9 | Ovarium gross im Quer- | 1 Corpus luteum
schnitt unregelmässig Durchmesser
34,5x18S mm 13,25 mm
Grösste Länge 73 mm
Kopflänge 285 mm
Nichtschwangere Weibchen.
——
Serie | Ovarium im Querschnitt ziemlich | ı Corpus luteum oval, grosser
Nr. 10 regelmässig 24,25 x 15,5 mm Durchmesser 17,25 mm
Diese Serie ist nicht reich an frühen Entwicklungsstadien. Der jüngste
Embryo hat 8 mm Länge, das ist also etwas später als das Keimbläschen-
stadium, so dass erste Bildungsstadien des Corpus luteum nicht zu erwarten
waren. In Hinsicht auf die Seltenheit dieses Tieres und die aussergewöhnlichen
Dimensionen der Corpora lutea, die in einem Fall einen Durchmesser von
17 mm erreichen, fand ich es der Mühe wert, ihre Struktur genau zu unter-
suchen. P.wombat ist ein ziemlich grosses Tier, ungefähr so schwer wie
ein Schaf, und das Ovarium ist entsprechend gross, aber die Corpora lutea
scheinen eine unverhältnismässige Grösse zu erreichen. Die Fixierung gelang
nicht ganz so gut wie bei den vorhergehenden Arten; dies erklärt sich durch
die Grösse des Ovariums, durch die feste Umhüllung des Eierstocks, durch
das gefranste Tubenende, und durch den Umstand, dass die meisten auf dem
Jagdgebiet in toto fixiert werden mussten. Für die histologische Unter-
suchung war indessen die Fixierung völlig gut genug.
Jedes Ovarium besitzt nur ein grosses tätiges Corpus luteum an einem
Ende, welches wie eine grosse runde Geschwulst erscheint, so dass das Tier
zwei Corpora lutea hat, obgleich in der Regel nur ein Uterus schwanger
wird. Vor der Geburt der Jungen ist die Oberfläche des Ovariums einiger-
massen glatt und das Corpus luteum nimmt in den meisten Fällen bedeutend
mehr als die Hälfte des ganzen Ovariums ein. Nach der Geburt der Jungen
ist das Corpus luteum etwas kleiner als vorher, obgleich es in Nr. 9 noch
26 Chas. H. O’Donoghue:
einen Durchmesser von 13,25 mm hatte, und die Oberfläche des Ovariums
ist in eine Anzahl runder Erhöhungen aufgeworfen. Diese Vorwölbungen
sind zum grössten Teil Follikel, und in diesem Zustande ist die äussere
Erscheinung des Ovariums derjenigen des Ovariums von Platypus sehr
ähnlich.
In einer Anzahl von Fällen sind auch Corpora lutea von einer früheren
Ovulation vorhanden, so dass bei dieser Art wieder zwei Ovulationen in ver-
hältnismässig kurzer Zeit nacheinander vorkommen müssen, wie bei den
M.ruficollis und P. penicillata. Das interstitielle Gewebe des Ovariums
scheint bei P.wombat ganz zu fehlen.
4
0.8.
(ih
Fig. 1.
Schematischer Entwurf eines Längsschnittes des Ovariums Nr. 1 von
P. wombat, ungefähr zweimal vergrössert. c.p. — Zentralpfropf; f. =
Follikel; c.l. — Corpus luteum: c.f. — Corpus fibrosum: 1.g. = Lutein-
gewebe; e.o. — Ovarialepithel (Keimepithel); 0.5. = Ovarialstroma; s. —
Scheide des Corpus luteum.
Man sieht mit freiem Auge in der Mitte des Corpus luteum ein un-
regelmässig sternförmiges Gebilde von hellerer Farbe, den Zentralpfropt.
Von ihm gehen breite Streifen zu einer ihn nach aussen umgebenden gleich-
falls hellen bindegewebigen Hülle, die sich nicht scharf von dem allgemeinen
Ovarialstroma abhebt. Zwischen ihnen sieht man das dunklere Luteingewebe.
welches somit in eine Anzahl von Läppchen zerlegt ist.
Ein dem Ovarium entnommener zentraler Streifen wurde in Serien
von ungefähr 10 „ Dicke geschnitten und wie gewöhnlich gefärbt.
Die Follikelwand.
Die Follikelwand besteht aus denselben Teilen wie die bei den vor-
hergehenden Arten, sie hat aber eine grössere Ähnlichkeit mit der Follikel-
wand eines Eutherion. Bei Nr. 8 ist ein ziemlich weit entwickelter Follikel
von 4,5 mm vorhanden, bei dem die Struktur seiner Wand zu erkennen ist
und bei welchem das Ei in seinem Discus proligerus unsymmetrisch liegt.
Die Membrana granulosa ist zu einer sehr dünnen Schicht von ungefähr drei
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 27
Zellen Tiefe reduziert, welche die Zentralhöhle, die mit dem seronnenen
Liquor follieuli gefüllt ist, umgibt. Durch die Membrana propria hebt 'sie
sich gut von dem Övarialgewebe ab. Die Theca follieuli ist sehr gut ent-
wickelt, und der Unterschied zwischen ihrer inneren und äusseren Schicht
tritt viel stärker als bei irgend einem der bis jetzt untersuchten Beuteltiere
hervor. Die Theca interna ist besser ausgebildet als bei den beiden Arten
von Macropoden oder bei Perameles und D. viverrinus: sie ist fast
ebenso hoch entwickelt wie bei den Eutheria, wie z.B. Sobotta es beim
Kaninchen (32), Meerschweinchen (35) ete. beschrieben und abgebildet hat.
Die Theca interna bildet eine Schicht von drei oder vier Zellen Tiefe. welche
dichter als das Follikelepithel liegen und von zahlreichen kleinen Blutgefässen
durchzogen sind. Die Zellen sind vieleckig, mit runden Kernen, welche
jedoch anders aussehen als die Kerne der Zellen der Membrana sranulosa.
Da frühe Stadien fehlen, war leider nicht festzustellen, welche Rolle diese
Zellen bei der Bildung des Corpus luteum spielen
Das völlig ausgebildete Corpus luteum.
Das allgemeine Aussehen des ausgewachsenen Corpus luteum wurde
schon oben beschrieben. Die Bindegewebsscheide ist äusserst gut zu er-
kennen und besteht wie gewöhnlich aus zwei Teilen, einem äusseren und
einem inneren. Die äussere Schicht ist bei weitem dicker und besteht aus
schmalen, langausgezogenen Zellen, welche denen der Theca externa, von
welcher sie abstammen, ähnlich sind. An ihrer Innenseite finden sich
einzelne kürzere rundere Zellen, welche von der Theca interna herrühren.
Diese Theca ist beim Follikel sehr deutlich; es bleiben aber nur wenige ihrer
Zellen in dem Corpus luteum erhalten, so dass diese Schicht bei der Bildung
des gelben Körpers fast ganz aufgebraucht erscheint. Der sternförmige binde-
gewebige Zentralpfropf gleicht, M. ruficolis ausgenommen, mehr derselben
Bildung bei den anderen hier beschriebenen Arten.
Die Luteinzellen sind denen der vorhergehenden Art sehr ähnlich.
Es sind grosse Zellen mit stark gekörntem Zytoplasma und einem grossen
bläschenartigen Stern. Bei dem zu Gebote stehenden Material ist es un-
möglich zu sagen, ob die Zahl der Luteinzellen seit den frühen Stadien zu-
genommen hat oder nicht; bei den untersuchten Exemplaren waren keine
mitotischen Figuren zu sehen.
Um die Lebensdauer des Corpus luteum zu berechnen, führe ich an,
dass es bei dem jüngsten Stadium dieser Art schon in völlig ausgewachsenem
Zustande vorhanden ist, und dass es ohne Anzeichen von Degeneration bei
einem Tier, dessen Junges schon eine Länge von 73 mm erreicht hatte, ge-
funden wurde. In den meisten Ovarien sind auch noch Oorpora fibrosa einer
früheren Ovulation vorhanden.
Degenerierende Uorpora lutea.
Eine genauere Untersuchung der Corpora fibrosa zeigt, dass der
drüsige Charakter des Corpus luteum verschwunden ist, denn die Luteinzellen
sind nicht mehr gekörnt und ihr Zytoplasma sowohl ais auch ihr Kernplasma
28 Chas. H.O’Donoghue:
zeigen Degenerationserscheinungen. Die Kerne sind besonders stark ein-
geschrumpft und lösen sich leicht auf. Das bindegewebige Netzwerk ist
vorhanden, die es begleitenden Blutgefässe sind aber fast ganz verschwunden.
Bei einigen dieser Corpora fibrosa findet sich eine grosse Anzahl Leukozyten,
und es ist anzunehmen, dass die Corpora lutea durch die Tätigkeit dieser
Leukozyten zugrunde gehen.
Resultate.
Das Ovarium.
Die Ovarien aller hier soeben beschriebenen Arten enthalten
bedeutend weniger Corpora lutea als das Ovarium von D. viver-
rinus.
Das Ovarium von P.obesula enthält in der Regel zwei
tätige CGorpora lutea, aber zuweilen können auch nur eins, in
anderen Fällen dagegen sogar drei vorhanden sein.
Das Ovarium von P. nasuta enthält gewöhnlich ein tätiges
Corpus luteum, es können aber auch zwei vorhanden sein.
Die Ovarien von M. ruficollis, P. penicillata und
P. wombat enthalten alle nur ein tätiges Corpus luteum.
Die Ovarien von M. ruficollis und P. penicillata ent-
halten in ihrem Stroma eine mässig grosse oder auch grosse Menge
eines Gewebes, welches dem (Grewebe der interstitiellen Drüse bei
den Ovarien einiger höherer Säugetiere gleicht. Hierin zeigen sie
einen auffallenden Unterschied gegenüber den Ovarien der übrigen
Arten, welche, wie D. viverrinus,. nichts von diesem Gewebe
in ihrem Stroma enthalten.
Das Vorhandensein von Corpora lutea aus einer vorher-
gehenden Ovulation in den Ovarien von M. ruficollis, P. peni-
cillata und P. wombat deutet sehr wahrscheinlich an, dass
zwei Oestri und Ovulationen in derselben Zeugungsperiode vor-
kommen, so dass diese Tiere polyoestrisch sind.
Die Follikelwand.
Bei allen Arten besteht die Wand des reifen Follikels aus
denselben Teilen wie bei D. viverrinus oder den höheren
Säugetieren.
Die Membrana granulosa setzt sich aus kleinen, vieleckigen
Zellen mit runden Kernen, welche zu einer Schicht von drei bis
fünf Zellen Tiefe angeordnet sind, zusammen.
Nach aussen wird die Membrana granulosa von der Membrana
propria, einer deutlichen, homogenen Membran, begrenzt.
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 29
An deren Aussenseite liegt die Theca follieuli, welche aus
zwei Teilen besteht:
a) Die Theca interna bleibt sich bei den verschiedenen
Arten nicht gleich. Bei P.obesula und P. nasuta ist
sie, obgleich besser zu sehen als bei den D. viverrinus,
nicht so gut entwickelt wie bei den übrigen Arten. Bei
P. wombat ist sie am deutlichsten, aber selbst hier nicht
so hoch entwickelt wie bei den höheren Säugetieren. Bei
M. ruficollis und P. penicillata zeigt sie eine
mittlere Ausbildung.
b) Die Theca externa ist bei den verschiedenen bis jetzt
untersuchten Arten von Beuteltieren gleich und besteht
aus einer sehr deutlichen Schicht langgestreckter Zellen
mit schmalen Kernen, welche an der Aussenseite allmählich
in das Ovarialstroma übergehen.
Das Corpus luteum verum.
Die Bildung des Corpus luteum verum ist bei P.obesula,
P.nasuta und M.ruficollis untersucht worden und ist der
bei D. viverrinus ähnlich.
Die charakteristischen Zellen des Corpus luteum sind durch
Wachstum und Umbildung der Zellen der Membrana granulosa ent-
standen. In den frühen Stadien ist diese Veränderung der Zellen
von einer gewissen Menge mitotischer Kernteilungen begleitet.
Der Zentralpfropf und das bindegewebige Netzwerk stammen
von den Einwucherungen der T'heca folliculi ab. Beide Schichten
der Theca haben an der Bildung dieser Sprossen teil; die Theca
interna wird in hohem Grade, aber nicht ganz, aufgebraucht,
doch verwandelt sich keine ihrer Zellen in Luteinelemente. Die
Blutgefässe, welche sich in dem Corpus luteum verzweigen, ent-
stehen als Auswüchse der Kapillaren der Theca interna, und ihre
Wand besteht aus einem einschichtigen Endothel.
Der Bau des völlig ausgewachsenen Corpus luteum ist bei
P. penieillata und P. wombat dem der anderen untersuchten
Arten ähnlich.
Das Corpus luteum spurium.
Die Bildung des Corpus luteum spurium bei P.obesula
ist der bei D. viverrinus ähnlich und mit der des Corpus
luteum verum identisch.
30 Chas. H.O'’Donoehue:
Der Bau des Corpus luteum spurium bei P. obesula,
M. ruficollis und P. wombat ist von dem des Corpus luteum
verum bei derselben Art nicht zu unterscheiden.
Die Corpora fibrosa.
In den Ovarien von M. ruficollis, P.penicillata und
P.wombat sind degenerierende Uorpora lutea oder ('orpora fibrosa
vorhanden. aber nicht in den Ovarien von P. obesula und
P. nasuta.
Die Corpora fibrosa sind durch ihr äusseres Aussehen leicht
zu erkennen und gehen wahrscheinlich durch die Tätigkeit von
Leukozyten zugrunde.
Der Ursprung der Luteinzellen.
Trotz der grossen Zahl von Autoren, welche die Bildung
und Struktur des Corpus Inuteum untersucht haben. ist man bis
heute noch nicht zu einer allgemeinen Übereinstimmung über den
Ursprung der Luteinzellen gekommen. Unter Hinweis auf das
in der Einleitung (Gresagte, bespreche ich hier noch die Ansichten
derjenigen Autoren, welche, wie Jankowski, Williams und
später Delestre. Pottet und vielleicht Hegar noch an der
Theorie von v. Baer festhalten. nach der die Luteinzellen aus-
schliesslich von den Bindegewebszellen der Theca follieuli ab-
stammen sollen. ’
Jankowski (17) stützt seine Behauptungen auf eine reich-
liche Untersuchung der Övarien von Meerschweinchen und Schweinen,
welche ohne irgend welche Rücksicht auf Brunst, Kopulation oder
Schwangerschaft gewonnen wurden. Er kommt hauptsächlich durch
die Ähnlichkeiten einiger Zellen der Theca interna mit den Lutein-
zellen zu der Schlussfolgerung, dass „das Corpus luteum kein
epitheliales, sondern ein bindegewebiges (Gebilde, ein Produkt der
Theca follieuli, sei“. Die Beweise, welche zur Bekräftigung dieser
Theorie vorgebracht worden sind, sind unzulänglich und nieht
entscheidend; sie wurden schon von Sobotta (35) und
Marshall (23) hinreichend kritisiert. Williams (43) vertritt
dieselbe Theorie für den Menschen, in Anbetracht der Ähnlich-
keiten gewisser Zellen der Theca interna vor der Ovulation mit
denen des Corpus luteum und der Tatsache, dass, wie er meint,
die Membrana granulosa stark degeneriere und beim Platzen des
Follikels ausgestossen würde.
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 31
Delestre (11) nahm sein Material von der Kuh; die
frühesten Stadien, welche er erhielt, waren jedoch von schwangeren
Tieren, deren Feten ungefähr 2'/» Monat alt waren. Um diese
Lücke auszufüllen. wurde eine Anzahl Ovarien von Tieren in
der Brunstzeit, aber ohne Hinweis auf den speziellen Tag der
Brunstperiode, genommen und frühe Stadien ausgewählt. Bei dem
reifen Follikel wird die Theca interna als aus zwei Schichten
bestehend beschrieben, einer inneren fibrösen Schicht, nahe der
Membrana propria,. und einer äusseren Schicht grösserer Zellen,
und es wird behauptet, dass die Luteinzellen von der äusseren
dieser beiden Schichten abstammten. Die Verwandlung der Zellen
dieser Schicht zu Luteinzellen ist nicht untersucht, freilich sagt
der Verfasser selbst (S. 291): „A quel moment s’accomplit cette
transformation?” Probablement aussitöt apres la dehiscence, car
nous n’avons jamais trouv&e dans les follieules, memes les plus
avances dans leur d&veloppement, de la cellule a luteine“. Aber
um zu behaupten, dass die eine Zellart in die andere übergehe,
muss gerade diese Veränderung untersucht werden. Allem An-
schein nach ist kein Stadium zwischen dem reifen Follikel und
der Zeit, wo das bindegewebige Netzwerk sich völlig zwischen
den Luteinzellen ausgebreitet hat, untersucht worden. Dieser
Zustand ist auf Taf. VII, Fig. 9 abgebildet und ist demjenigen
bei P.obesula und P.nasula abgebildeten etwas ähnlich, und
da Zwischenstadien fehlen, lässt er wahrscheinlich dieselbe Aus-
legung zu. Der Verfasser behauptet ferner, dass der grösste Teil
der Membrana granulosa mit dem Ei ausgestossen wird. Er weist
auf die Möglichkeit hin, dass der Vorgang der Corpus luteum-
Bildung bei den verschiedenen Tieren verschieden ist, und
schliesst (S. 307): „Les cellules ä luteine chez la vache tirent
done exclusivement leur origine de la theque interne“.
Pottet (28) untersuchte die Struktur des Corpus luteum
an menschlichem Material, und schliesst: „Personnellement, nous
crovons que chez la femme la cellule a luteine provient de la
theque interne“. Dieser Theorie scheint hauptsächlich Delestres
Arbeit über die Kuh zugrunde zu liegen; die frühsten Stadien,
welche untersucht wurden, stammten aus der sechsten Schwanger-
schaftswoche.
Hegar (14) beschäftigt sich auch mit dem Corpus luteum
beim Menschen, und sein Material ist einwandfreier als das
32 Ch as: H 0&Do0mo ehe:
einiger vorhergehender Arbeiten. Es wurde durch Operation ge-
wonnen, und jeder Fall nimmt auf das Vorkommen der Menstruation
Bezug, aber selbst hier wurden, wie der Verfasser angibt. keine
Zwischenstadien untersucht. Seine Beschreibung und Abbildung
(Taf. XX, Fig. 1) zeigt ganz deutlich, dass die Membrana granulosa
bei dem Platzen des Follikels nicht ausgestossen wird und „zeigt
keine Spuren von Degeneration.“ Er schliesst (Seite 546): „Alle
Corpora lutea nehmen ihren Ursprung aus der Theca interna,
gleichgültig, ob es sich um die Produkte geplatzter oder atre-
sierender Follikel handelt, alle Corpora fibrosa entstammen der
Theca externa, und die so häufigen Mischformen entstehen aus
der wechselnden Beteiligung beider Elemente. Eine Beteiligung
des Epithels an der Bildung der Corpora lutea ist bis jetzt für
den Menschen nicht einwandfrei bewiesen. Ob dieselbe vorkommt.
müssen noch weitere Untersuchungen an frühesten Stadien der
Corpus luteum-Bildung zeigen.“ Sobotta gibt an, dass Hegar den
ausschliesslich thecalen Ursprung des Corpus luteum verteidige, in
Wirklichkeit sagt er aber, „wir müssen die Frage noch offen lassen“.
(rewisse allgemeine Kritiken wenden sich gegen alle diese
Autoren, welche daran festhalten, dass das Luteingewebe aus-
schliesslich der Theca follieuli entstammt. Erstens muss erwähnt
werden, dass alle diese Autoren Material benutzten. welches vom
Menschen, oder von so grossen Tieren, wie Schwein und Kuh,
genommen wurde. Es ist bereitwillig anerkannt worden, dass es
in diesen Fällen ausserordentlich schwierig ist, beim Menschen
fast unmöglich, vollständige Reihen zu erhalten, wie sie bei ge-
wissen anderen kleineren Tieren untersucht wurden, z. B. von
Sobotta, Honore, Van der Stricht. Loeb ete., oder wie
sie bei D. viverrinus und P.obesula zur Verfügung standen.
Ferner ist es viel schwieriger, das erhaltene Material genügend
zu fixieren, wie es oben bei P. Wombat angegeben ist. so dass
die Autoren von Anfang an unter ungünstigen Verhältnissen
arbeiteten. Bühler (9) geht so weit, zu sagen, dass dieser Wider-
spruch in der Beschreibung der kleineren und grösseren Tiere
durchaus nicht unwesentlich ist, und Delestre (11) deutet eben-
falls darauf hin, dass der Prozess der Corpus luteum-Bildung bei
den verschiedenen Tieren verschieden sein könne. Man kann sich
aber sehr schwer vorstellen, dass Strukturen. welche tatsächlich
nach der Zeit ihres Auftretens, nach ihrem Ursprungsort und
Über die Corpora lutea bei einigen Benteltieren. 33
nach ihrer endgültigen histologischen Struktur identisch sind, auf
zwei ganz verschiedene Weisen in derselben Unterklasse, den
Eutheria, entstehen können. Die Einzelheiten der Bildung mögen
bei den verschiedenen Gattungen wechseln. z. B. darin, bis zu
welchem Grade sich die Zellen der Membrana granulosa in Lutein-
zellen verwandeln, es ist aber wahrscheinlicher, dass die Haupt-
veränderungen bei allen Säugetieren dieselben sind.
Es wurde schon weiter oben bemerkt. muss aber hier noch
einmal betont werden, . dass die Reihe der untersuchten jungen
Bildungsstadien bei allen früher untersuchten Fällen sehr unvoll-
ständig ist, und dass in einigen Fällen keine frühen Stadien unter-
sucht wurden, gerade diese frühen Stadien sind indessen äusserst
wichtig, wenn man die einzelnen Vorgänge der Veränderung fest-
stellen will. In einem Fall (Jankowski) wurden die Ovarien
ganz ohne Auswahl gesammelt. Andererseits stimmen alle die-
jenigen Autoren, welche vollständige Serien von Ovarien mit dem
nötigen Hinweis auf Schwangerschaft, Kopulation oder Ovulation
untersucht haben, unter anderen z.B. Sobotta, Van der Stricht,
Honore&, Straty, Sandes, darin überein, dass die Luteinzellen
auf jeden Fall in der Hauptsache von den Zellen der Membrana
granulosa abstammen. Diese Beziehung der Ovulation zur Corpus
luteum-Bildung und die Vollständigkeit der untersuchten Serien
machen das Beweismaterial wertvoller. als bei den Fällen, wo das
Material nicht so sorgfältig gesammelt wurde, oder die Reihe
nicht so vollständig war.
Die beiden Hauptgründe, welche zugunsten der Ansicht,
dass die Luteinzellen von Zellen der 'Theca tolliculi abstammen,
vorgebracht wurden, sind erstens, dass die Membrana granulosa
entweder bei der Ovulation ausgestossen wird, oder gleich nach-
her degeneriert, und zweitens, die Ähnlichkeit gewisser Zellen
der Theca interna mit denen des Corpus luteum.
In bezug auf die erste Begründung sollte man erwähnen,
dass die Membrana granulosa bei einer grossen Anzahl von Tieren
weder degeneriert, noch bei der Ovulation ausgestossen wird, und
wie Hegar gezeigt hat, ist dieses auch beim Menschen der Fall.
In der Tat sprechen die allgemein vorkommenden Tatsachen
dafür, dass die Zellen der Membrana granulosa in allen Fällen
zu der Bildung der Luteinzellen beitragen, wenn diese ihnen
nicht ihren Ursprung sogar ganz verdanken.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 3
34 Chas: H202Donochue:
In bezug auf den zweiten Punkt zeigt sich die Ähnlichkeit
gewisser Zellen der Theca interna des reifen Follikels mit denen
des Corpus luteum durch eine allgemeine Gleichartigkeit in Form
und Aussehen der Zellen und Kerne und auch durch die Tatsache,
dass diese Zellen in der Theca interna auch Luteinkörnchen ent-
halten. Diese Ähnlichkeit kann dadurch erklärt werden, dass
eine Anzahl interstitieller Zellen, welche nach Lane-Claypon (18)
in gleicher Weise wie die Zellen der Membrana granulosa von
dem Keimepithel abstammen und eine ähnliche Reihe von Ver-
änderungen durchmachen, in die Theca interna eingeschlossen
sind. In seiner letzten Arbeit erklärt Van der Stricht (39),
dass die Luteinbestandteile auch durch diese interstitiellen Zellen
der Theca interna, welche mit den Bindegewebs-Einwucherungen
in das junge Corpus luteum eindringen, vermehrt werden können.
Die Bedeutung dieser Elemente der Theca interna ist bei der
Fledermaus gering, in dem Luteingewebe der Frau wird sie
jedoch wichtiger. Er sagt ferner, dass diese interstitiellen Zellen
den Epithelzellen der atretischen Follikel entstammen und aus
der Theca interna auswandern.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass, in Hinsicht auf den von
Van der Stricht und anderen gelieferten Beweis, diese Zellen
der Theca interna bei vielen Eutheria bei der Bildung des Lutein-
gewebes eine Rolle spielen. Bei allen Eutheria scheint dieses
jedoch nicht der Fall zu sein, denn Völker (40) gibt in seiner
Arbeit über die Histogenese des gelben Körpers beim Ziesel das
Urteil ab: „Die Zellen der Theca interna kann ich als solche bis
in das vollkommen ausgebildete Corpus luteum verfolgen“ und
sagt, dass sie nicht in Luteinzellen verwandelt werden.
Bei den beiden Arten von Perameles kommt solche Ähnlich-
keit zwischen den beiden Zellarten nicht vor, und die Zellen der
Theca interna unterscheiden sich immer von denen der Membrana
granulosa oder des Corpus luteum, in dem reifen Follikel sind
sie in der Tat den Zellen der Theca externa etwas ähnlich. Dieses
ist auch bei den anderen untersuchten Arten der Beuteltiere der
Fall, und obgleich die Beschaffenheit der Theca interna bei
P. Wombat sich mehr der der Eutheria nähert, sind ihre Zellen
doch niemals denen des Corpus luteum ähnlich. Nach Sandes
ist die Theca interna bei den D. viverrinus als eine undeutliche
Schicht platter, kernhaltiger Zellen nahe der Membrana propria
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 35
und der Theca externa sehr ähnlich, beschrieben, und erreicht
niemals den bei den höheren Säugetieren beschriebenen Zustand.
Derselbe Autor zeigt auch, dass es bei den D. viverrinus
möglich ist, Follikel zu finden, in welchen die Hypertrophie der
Zellen der Membrana granulosa schon vor dem Einbruch der
Theca folliculi begonnen hat, und in diesen Fällen tritt der
Unterschied zwischen den Zellen der Theca interna und denen
des Corpus luteum sehr stark hervor.
Die Bildung der Theca interna kann bei den verschiedenen
hier untersuchten Beuteltieren und D. viverrinus in Follikeln
verschiedenen Alters genau betrachtet werden, und es zeigt sich,
dass keine Einwanderung oder Einschliessung von interstitiellen
Zellen vorkommt und dass es eine Struktur ist, welche unmittelbar
von der Theca des Primärfollikels abstammt. Durch diese Tat-
sachen sind die späteren Veränderungen der Zellen der Theca
interna einigermassen zur Gewissheit geworden und man kann
sehen, wie diese Zellen in die jungen Theca-Einwucherungen ein-
dringen und an der Bildung des bindegewebigen Netzwerkes teil-
nehmen. Nach Luteinkörnchen suchte man in diesen Zellen ver-
gebens und selbst in mit Osmiumsäure fixierten Ovarien waren
keine dunkelgefärbten Körnchen wie bei den Luteinzellen zu
sehen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass ırgend eine von ihnen
sich verändert, um sich in eine Luteinzelle umzubilden, andererseits
sind sie leicht zu erkennen und von Luteinelementen aller Stadien
zu unterscheiden und machen tatsächlich keine Veränderung
ausser der Zunahme an Zahl während der Bildung des gelben
Körpers durch.
Hier ist also ein bemerkenswerter Unterschied zwischen
Eutheria und Beuteltieren. Bei den Beuteltieren sind keine inter-
stitiellen Zellen in die Theca interna eingeschlossen und die
Zellen der Theca interna nehmen nur an der Bildung des binde-
gewebigen Netzwerkes teil, verwandeln sich aber nicht in Lutein-
zellen. Von den bis jetzt untersuchten Beuteltieren kann man
sagen, dass die Membrana granulosa bei der Övulation
nicht ausgestossen wird und nicht gleich nachher
degeneriert. Ferner zeigen die Serien ganz deutlich, dass
Bischoffs Hypothese für diese Tiere die richtige ist, und die
Luteinzellen ausschliesslich von den Zellen der
Membrana granulosa abstammen, während die Ein-
ar
36 Chas. H. O’Donoghue:
wucherungen der Theca follieuli nur das Binde-
sewebe des Corpus luteum entstehen lassen.
Die Vermehrung der Luteinzellen.
Die Frage, ob in den Zellen der Membrana granulosa
während ihrer Umwandlung in Luteinzellen Mitosen vorkommen,
ist auch oft erörtert worden. Sobotta erklärt in seinen früheren
Arbeiten über die Corpora lutea der Maus (31) und des Kanin-
chens (32), dass in den Epithelialzellen des Follikels keine Mitosen
vorkommen, bei seiner Untersuchung des Meerschweinchens be-
schreibt er sie aber und bildet sie ab. Viele andere Autoren
haben das Vorkommen mitotischer Figuren in den Zellen der
Membrana granulosa während des ersten Bildungsstadiums des
gelben Körpers wahrgenommen, z. B. Belloy (4) und auch
Bouin (8) bei der Ratte und dem Meerschweinchen, Löb (19
und 20) bei dem Meerschweinchen, Marshall (2) beim Schaf,
Regaud et Dubreuil (29) beim Kaninchen, Stratz (36) bei
Tupaja, Sorex und Tarsius und Van der Stricht (37) bei ver-
schiedenen Arten von Fledermäusen.
Andererseits geben Honor& (16) beim Kaninchen und
Heape (13) bei Macacus rhesus an, dass keine Teilung vorkommt.
Sandes hat bei trächtigen D. viverrinus festgestellt: „No multi-
plication of the cell nuclei by direct or indireet division can be
made out, though carefully and often searched for in sections
treated with different stains“. Bei meiner Untersuchung der ähn-
lichen Vorgänge bei nicht trächtigen D. viverrinus kam ich
auch zu dem Schlusse, dass das Wachsen der Zellen der Membrana
granulosa weder von direkter noch indirekter Teilung begleitet war.
Wie vorher gesagt, durfte ich die Originalschnitte, welche
von Sandes gemacht wurden, durchsehen: bei der Nachunter-
suchung dieser Schnitte und der Präparate von nichtschwangeren
Weibchen fand ich ebenfalls keine Mitosen. Bei einer solchen
Sache ist jedoch ein positiver Befund mehr wert, als eine Anzahl
von Beobachtungen mit negativem Ergebnis, denn aus dem letzten
kann man nur schliessen. dass das oder die speziellen Stadien,
in denen Mitosen vorkommen, nicht untersucht wurden. Im all-
gemeinen scheint es der Fall zu sein, dass sich die jungen Lutein-
zellen während der ersten Entwicklungsstadien des gelben Körpers
durch Teilung vermehren und wenn auch die Häufigkeit solcher
en I
=
—]
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren.
Mitosen sich bei den verschiedenen Tieren nicht gleich bleibt,
so kamen doch in allen bis jetzt beschriebenen Arten nur selten
Mitosen vor.') Bei beiden, P. obesula und P.nasuta, sind
Mitosen in den Luteinzellen, wenn auch nicht in grosser Anzahl,
vorhanden, bei den drei anderen hier beschriebenen Arten wurden
keine Mitosen gefunden, es handelte sich in diesen Fällen aber
auch um keine sehr frühen Stadien.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich bei P. obesula
und P. nasuta die Luteinzellen auf jeden Fall auch
bis zu einem gewissen Grade durch mitotische Tei-
lung vermehren, obgleich sie in der Hauptsache von den
vergrösserten Zellen der Membrana granulosa abstammen.
Corpora lutea vera und spuria.
Dem Graafschen Follikel können drei verschiedene Schick-
sale widerfahren; er kann entweder platzen, sein Ei ausstossen
und wenn das Ei darauf befruchtet wird, ein Corpus luteum verum
bilden; oder er kann sein Ei ausstossen, welches aber nicht
befruchtet wird, und so ein Corpus luteum spurium entstehen
lassen; oder er kann sich ohne zu platzen oder sein Ei auszu-
stossen, verändern und dann ein Corpus luteum atreticum oder
einen der Atrophie verfallenen Follikel bilden. Die letzte von
diesen drei Möglichkeiten wird hier ausser acht gelassen.
’aladino (26 und 27) erklärt alle diejenigen Gebilde,
welche in einem geplatzten Follikel entstehen, als wahre gelbe
Körper, während er solche, die in einem nicht geplatzten Follikel,
das heisst einem 'atrophischen Follikel, gebildet werden, falsche
gelbe Körper nennt. Hierin folgt ihm nur Beigel (3), aber keiner
der anderen Autoren. Aus Paladinos Bezeichnung geht jedoch
nicht hervor, ob das Corpus luteum von einem trächtigen oder
nicht trächtigen Tiere erhalten wurde, und da sie ausserdem
ohne triftigen Grund zu Missverständnissen in der Nomenklatur
führen würden, scheinen die oben angegebenen allgemein gebräuch-
lichen Ausdrücke die besten zu sein. Ancel und Bouin er-
wähnen, dass in Aufbau und Dauer dieser beiden Körper ein
Unterschied ist, und sagen weiter, dass bei Tieren mit spontaner
Ovulation zwei verschiedene Formen von Corpora lutea zu finden
') Vielleicht sind sie bei den Meerschweinchen häufiger und deutlicher,
weil alle Forscher, welche dieses Tier bearbeiteten, sie beschreiben.
38 Chas. H. O’Donoghue:
sind. Die erste dieser Formen entsteht, wenn das Tier später
trächtig wird, in dem oben festgelegten Sinne als ein „Corpus
luteum verum“ und sie schlagen vor, dieses ein Schwangerschafts-
Corpus luteum zu nennen (corps jaune gestatir). Die zweite Form
wird gebildet, wenn das Tier später nicht trächtig wird, das heisst
in dem oben festgelegten Sinne als Corpus luteum spurium, und da
dieses bei polyoestrischen Tieren in regelmässig wiederkehrenden
Perioden entsteht, haben die Autoren vorgeschlagen, sie periodische
gelben Körper zu nennen (corps jaune periodique). Sie behaupten, dass
dieser nicht so stark entwickelt ist und nicht so lange besteht wie
ein „corps jaune gestative“. Diese vorgeschlagenen Bezeichnungen
haben vor den schon allgemein gebräuchlichen keinen Vorteil und
umfassen Unterschiede, welche nicht bei allen Tieren vorhanden sind.
Wie schon in der Einleitung angedeutet, dringt Wal-
deyer (42) darauf, die Unterscheidung des Corpus luteum verum
von einem Üorpus luteum spurium fallen zu lassen, da der Bau
der Körper in beiden Fällen der gleiche sei. Es ist unverkennbar
unmöglich, der weiteren Entwicklung eines einzelnen Eies aus
einem besonderen Follikel zu folgen; oft ist es der Fall, dass
man mehr Corpora lutea in den Ovarien als sich furchende Eier
oder Embryonen in den Uteri findet, z. B. Bischoff beim Kanin-
chen (5), Meerschweinchen (7) und Hunde (6) und Sobotta
bei der Maus (31). Das Gegenteil könnte begreiflicherweise ın
den Ausnahmefällen, wo ein Follikel mehr als ein Ei enthält,
z. B. bei D. viverrinus (25). vorkommen. Man kann sich nicht
denken, dass das weitere Schicksal eines Eies nur den besonderen
Follikel, aus dem es kommt und keinen anderen beeinflusst,
obgleich es begreiflich ist, dass das Eintreten oder Nichteintreten
von Schwangerschaft Einfluss auf die gelben Körper in den Ovarien
haben könnte, wie es in der Tat von einigen Autoren angegeben
wird. Daher ist es wünschenswert, Bezeichnungen zu haben. welche
angeben, ob der gelbe Körper einem schwangeren oder nicht-
schwangeren Weibchen angehört. Wie in der Einleitung bemerkt,
ist in dieser Arbeit die Bezeichnung ÜUorpus luteum verum für
eine Struktur angewandt, welche in den geplatzten Follikeln
eines Tieres, bei dem Befruchtung der ausgestossenen Eier folgt,
entsteht, und Corpus luteum spurium für eine Struktur, welche
sich in einem geplatzten Follikel bildet, wenn der Ovulation
keine Befruchtung mit späterer Schwangerschaft folgt.
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 39
Was die Corpora lutea vera und spuria anbetrifft, so wurden
einander widersprechende Ansichten von verschiedenen Autoren
vorgebracht, welche einerseits daran festhalten, dass zwischen den
beiden Strukturen ein Unterschied besteht. und andererseits, dass
es keinen Unterschied gibt. Um ein einfaches Beispiel zu bringen:
die meisten anatomischen Lehrbücher sagen, dass die beiden gelben
Körper beim Menschen auf jeden Fall voneinander verschieden
seien, während Pottet (S. 15) angibt: „Le corps jaune gestatif
est identique au corps jaune periodique, il ne s’en differencie que
par sa duree qui est celle de la grossesse“.
Wachstum und Bau des Corpus luteum spurium bei
D. viverrinus wurde von mir (25) untersucht, und ich kam
zu dem Schlusse, dass es in keinem Stadium möglich ist, das
Corpus luteum eines nicht trächtigen Weibchens von dem eines
trächtigen zu unterscheiden. Die Dauer der falschen gelben Körper
konnte nicht genau festgestellt werden: jedenfalls zeigte es sich
aber, dass diese gelben Körper nicht nur vorübergehend bestehen.
Ein frühes Bildungsstadium des Corpus luteum spurium bei
P.obesula wurde oben beschrieben, und man sieht daraus, dass
es in jeder Hinsicht einem gleichen Stadium eines wahren gelben
Körpers gleich ist. Die völlig ausgebildeten Corpora lutea spurla
von P.obesul, P.penicillata und P. wombat wurden eben-
falls sorgfältig untersucht, und es erwies sich als unmöglich,
zwischen ihnen und den Üorpora lutea vera der gleichen Art
irgend einen Unterschied im Aufbau zu entdecken. Leider war
in keinem dieser Fälle irgend ein Nachweis für die Dauer des
falschen gelben Körpers beizubringen. In Hinsicht auf die beiden
Arten von Beuteltieren kann man behaupten, dass die Bildung
der beiden verschiedenen Corpora lutea die gleiche
ist, und weiter bei den vier Arten, bei denen völlig ausgebildete
Körper der beiden Sorten untersucht wurden, dass das Vorpus
luteum verum und das Corpus luteum spurium in
ihrem Bau identisch sind.
Das bindegewebige Netzwerk.
Abgesehen von den Autoren, welche sagen, dass die Membrana
granulosa bei dem Platzen des Follikels zugrunde geht, oder
sofort nachher degeneriert, und dass das ganze Uorpus luteum
von der Theca interna abstammt, beschreiben die übrigen Forscher
40 Chas. H. O’Donoghue:
die Vorgänge in diesen beiden Schichten der Theca folliculi ver-
schieden.
Einerseits erklärt eine Anzahl von ihnen, z. B. Sobotta bei
der Maus (31) und beim Meerschweinchen (35), Stratz bei Tupaja,
Sorex und Tarsius (36) und Van der Stricht (37) bei ver-
schiedenen Arten von Fledermäusen, dass das bindegewebige Netz-
werk des gelben Körpers allein von der Theca interna abstammt
und alle, Van der Stricht ausgenommen, behaupten, dass die
Theca interna bei diesem Prozess ganz aufgebraucht werde.
Andererseits lassen einige Forscher, z. B. Marshall, beim Schaf
(21) und Völker beim Ziesel (40) das Bindegewebe von beiden,
der Theca interna und externa, abstammen. Marshall sagt, dass
die Theca interna ganz aufgebraucht werde. Über das Kaninchen
herrschen sich widersprechende Meinungen, Sobotta gibt an (32).
dass das Netzwerk von der T'heca interna, welche bei diesem
Prozess aufgebraucht wird, abstammt; nach Honor& (16) nehmen
beide Schichten der Theca folliculi daran teil. und Honor& be-
hauptet ferner, dass alle Zellen der inneren Schicht aufgebraucht
werden. Cohn (10), welcher auch über das Kaninchen berichtet,
sagt gleichfalls, dass die hineinwuchernden Bindegewebssprossen
aus der Theca follieuli entstehen, er macht aber keinen Unter-
schied zwischen den beiden Schichten.
Die Tatsache, dass die beiden Schichten der Theca follieuli
in dem reifen Follikel von D. viverrinus nicht zu unterscheiden
sind, hat schon früher die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, und nach
Sandes ist es unmöglich, die Theca externa von der rudimentären
Theca interna zu unterscheiden, diese Behauptung konnte ich später
bestätigen (25). Weitere Untersuchungen meiner Serien mit be-
sonderer Beachtung dieses Punktes zeigten, dass nach aussen von den
Luteinzellen eine aus ein oder zwei kleinen Zellen bestehende Schicht
liegt, deren Elemente sich sowohl von den Zellen des Luteingewebes
als auch von denen der äusseren Bindegewebslage unterscheiden.
Wahrscheinlich stellen sie die Reste der rudimentären Theca
interna vor, obgleich die Schicht selbst in dem reifen Follikel nicht
zu erkennen ist. Dieses ist begreiflich, wenn man bedenkt. dass
ein einziges Ovarıum von Diaverrinus fünfzehn oder mehr
reife Follikel zur selben Zeit haben kann, und dass die Follikel
infolgedessen sehr dicht zusammengepresst werden, wodurch der
Unterschied zwischen der Theca interna und externa verwischt wird.
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 41
Bei den beiden Arten von Perameles kann man verhältnis-
mässig leicht den Veränderungen der beiden Schichten folgen,
denn die Theca interna ist, obgleich nicht so deutlich abgegrenzt
oder so gut entwickelt, wie bei den höheren Säugetieren, doch
klarer, als bei D. viverrinus. Die einwuchernden Sprossen
stammen von beiden Schichten, der Theca folliculi ab, und die
Theca interna wird im Laufe der Umbildung fast ganz auf-
gebraucht, wenn auch einige ihrer Zellen noch in dem völlig
ausgewachsenen gelben Körper vorhanden sind. Nach aussen von
den Luteinzellen sind hier und da noch einige ihrer Zellen zu
sehen, aber sie bilden keine besondere Schicht mehr. P.peniecillata
und M. ruficollis zeigen etwas weiter entwickelte Thecae internae:
bei P. wombat ist diese Schicht noch deutlicher abgegrenzt, aber
sie ist selbst bei diesen Tieren nicht so gut ausgebildet wie bei
den höheren Säugetieren und enthält keine interstitiellen Zellen.
Bei all diesen Arten sehen wir wieder, dass das Bindegewebe
beiden Schichten der Theca folliculi seinen Ursprung verdankt,
und wenn die Theca interna auch in sehr hohem Maße auf-
gebraucht wird, so sind doch immer einige ihrer Zellen in dem
äusseren Teil des Corpus luteum zwischen seinen Lutein-Bestand-
teilen und der fibrösen Scheide, welche von der Theca externa
abstammt, zu finden. Die Theca externa ist zweifellos, vielleicht
beträchtlich, an der Bildung des Netzwerks des völlig ausgebildeten
gelben Körpers beteiligt.
Bei den untersuchten Beuteltieren verdankt also das
Bindegewebe des völlig entwickelten Corpusluteum
den Einwucherungen der Theca follieuli seinen Ur-
sprung. Beide, sowohl die Thecainterna alsauch die
Theca externa, sindan dieser Bildung beteiligt, und
die Theca interna wird bei diesem Vorgange nahezu
aufgebraucht.
Das Corpus luteum bei den Beuteltieren und
Monotremata.
In der Einleitung wurde auf Fraenkels und Cohns
Behauptung, dass die Monotremata und Beuteltiere einen rudi-
mentären oder gar keinen gelben Körper aufweisen, hingewiesen,
es ist jedoch kein Beweis erbracht, der diese Behauptung unter-
stützt.
42 Chas. H. O’Donoghue:
Was die Monotremata anbetrifft, so kann ich sagen, dass
eines von ihnen, Platypus, auf jeden Fall ein Corpus luteum
besitzt; die Frage aber, ob es rudimentär oder nicht rudimentär
ist, kann man nur durch eine genaue Untersuchung seiner Struktur
beantworten. Für die vorliegende Untersuchung wurde eine grosse
Anzahl von Beuteltier-Ovarien der verschiedensten Arten unter-
sucht und in allen den Fällen, wo das Ovarium einem schwangeren
Weibchen angehörte, waren Corpora lutea vorhanden. Die Beweise
in den Abhandlungen von Sandes (30) und mir (25) und die
Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung genügen, um zu zeigen,
dass bei allen bis jetzt untersuchten Beuteltieren ganz deutlich
als solche erkennbare, hochentwickelte Corpora lutea vorhanden
sind. In gewissen Fällen, z. B. bei Perameles, ist das Corpus
luteum kein grosses Gebilde, aber bei den betreftenden Arten ist
auch das Ovarium selbst klein. Bei den Macropoden ist der gelbe
Körper sehr gross, bei M. ruficollis erreicht er einen Durch-
messer von 7,75 mm und bei P. penicillata einen von 5,25 mm.
Beim Ovarium von D. viverrinus reduziert die grosse Anzahl
der Corpora lutea das Ovarialstroma bis zu einem Minimum,
und liefert so eine verhältnismässig grosse Menge von Lutein-
gewebe. Bei P. wombat erreicht das Corpus luteum sehr be-
deutende Dimensionen, und das Luteingewebe bildet mehr als
die Hälfte des ganzen Ovariums, doch ist es richtig, dass bei
diesen Tieren die Theca interna des reifen Follikels nicht ganz
so gut entwickelt ist und keine interstitiellen Zellen, wie bei
den Ovarien einiger Eutheria, enthält. Das völlig ausge-
wachsene Corpus luteum ist jedoch genau so gut
entwickelt und man kann es in keiner Weise vondem
eines Eutherion unterscheiden.
12.
13.
20.
21.
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 45
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en A
Uber die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 45
Erklärung der Abbildungen auf Tafel I--IV.
Für alle Figuren gültige Bezeichnungen.
b. c. = Bindegewebseinwucherung; b.1. — Blut: b.n. — Bindegewebsnetzwerk ;
c.h. — Zentralhöhle; c.p. — Zentralpfropf; e.f. — Follikelepithel (Membrana
granulosa): e.o. — Ovarialepithel (Keimepithel): i.c. — bindegewebige innere
Schicht des jungen Corpus luteum ; m. — mitotische Figur: m.p. = Membrana
propria; r. — Rißstelle des Follikels; t.e. — Theca externa; t.i. — Theca
interna; t.z. — Zellen von der Theca interna.
Tafel I
Bie.'.1
Fig. 2
Fig. 3.
Fig. 4
Fig. 5
Fig. 6
Fig. 7
Fig. 8
Ro:
Fig. 10.
Kiel.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 14.
Fig. 15
Photographie des Ovariums von P. wombat
Nr. 1, annähernd natürliche Grösse.
Photographie des Ovariums von P. wombat
Nr. 3, annähernd natürliche Grösse.
Photographie des Ovariums von P. wombat
Nr. 5, annähernd natürliche Grösse.
Photographie des Ovariums von P. wombat
Nr. 7, annähernd natürliche Grösse.
Photographie des Ovariums von P. wombat
Nr. 8, annähernd natürliche Grösse.
Photographie des Ovariums von P. wombat
Nr. 9, annähernd natürliche Grösse. Ovariums.
Photographie des Ovariums von M. ruficollis Nr. 6. 1,3mal
vergrössert.
Photographie des Ovariums von M. ruficollis Nr. 10a. 1,4mal
vergrössert.
Photographie des Ovariums von P. penicillata Nr.4. 1,3 mal
vergrössert.
Photographie des Ovariums von P. penicillata Nr.7. 1,3 mal
vergrössert.
Die Mikrophotographien wurden mit einem mikrophoto-
graphischen Apparat von Zeiss aufgenommen.
Mikrophotographie eines Querschnittes durch einen Teil des Ovariums
von P. obesula Nr. 1a. Die Membrana granulosa, Membrana
propria und Theca folliculi sind deutlich zu sehen.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum
von P.obesula Nr. la. 4Ö0mal vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum
von P.obesula Nr. 2a. 40 mal vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum
von P. nasuta Nr. 2; nicht ganz durch die Mitte getroffen.
40 mal vergrössert.
Vor der Geburt
des Jungen. Die
Größe des (orpus
luteum ist deut-
lich zu sehen.
Nach der Geburt
des Jungen; sie
zeigt die unregel-
mässige Ober-
fläche des
Tafel I.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein fast ausgebildetes
Corpus luteum von P.obesula Nr.3. 40mal vergrössert.
=
gs
I)
ID
Fig. 24.
Die Zeichnungen wurden mit Hilfe eines Zeissschen Zeichenapparates (nach
Chas. H-07Donochue:
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes
Corpus luteum von P.obesula Nr. 8. 4Ö0mal vergrössert.
Mikrophotographie eines jungen Corpus luteum eines nicht trächtigen
P.obesula Nr. 13. 40mal vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein altes Corpus luteum
eines nicht trächtigen P.obesula Nr. 14. 40mal vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig altes Corpus
luteum bei einem nicht trächtigen M. ruficollis Nr. 11. 12,5mal
vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch einen Teil des Ovariums
von P. penicillata Nr. 3, welcher ein tätiges Corpus luteum,
ein altes Corpus luteum und das interstitielle Gewebe in dem
Ovarialstroma zeigt. 40 mal vergrössert.
Tafel III.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein junges Corpus luteum
bei M.ruficollis Nr. 7. 12,5mal vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes
Corpus luteum bei M. ruficollis Nr. 6. 12,5 mal vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes
Corpus luteum bei P.wombat Nr.3. 6mal vergrössert.
Mikrophotographie eines Schnittes durch ein völlig ausgebildetes
Corpus luteum bei einem nicht trächtigen P. wombat Nr. 10.
6 mal vergrössert.
Tafel IV.
Abbe) gefertigt und sind alle 144 mal vergrössert bis auf Nr. 29, welche
Fig. 31.
Fig. 32.
192 mal vergrössert ist.
Teil der Wand eines ziemlich reifen Follikels von P. obesula
Nr. 8. 144mal vergrössert.
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P. obesula
Nr. 1a. 192mal vergrössert.
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P. obesula
Nr. 2a. 144mal vergrössert.
Teil eines völlig ausgebildeten Uorpus luteum von P. obesula
Nr. 8. 144 mal vergrössert.
Teil eines völlig ausgebildeten Corpus luteum von einem nicht
trächtigen P.obesula Nr. 14. 144mal vergrössert.
Teil der Wand eines ziemlich reifen Follikels von P. nasuta
Nr. 1. 144mal vergrössert.
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P.nasuta Nr. 2
der weniger vorgeschrittenen Seite. 144 mal vergrössert.
Teil der Wand eines jungen Corpus luteum von P.nasuta Nr. 2
der weiter vorgeschrittenen Seite. 144 mal vergrössert.
Fig.
-
Über die Corpora lutea bei einigen Beuteltieren. 47
Tafel V.
Teil der Wand eines reifen Follikels von M. ruficollis Nr. 10.
144 mal vergrössert.
Teil eines Corpus luteum von M. ruficollis Nr. 5. 144mal
vergrössert.
Teil der Wand eines reifen Follikels von P.penicillata Nr. 6.
144 mal vergrössert.
Teil eines Corpus luteum von P. penicillata Nr. 4. 144mal
vergrössert.
Teil der Wand eines ziemlich reifen Follikels von P. wombat
Nr.8. 144mal vergrössert.
Teil eines Corpus luteum von P. wombat Nr. 3. 144mal ver-
grössert.
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49
Aus der Zoologischen Station zu Neapel und dem Anatomisch- biologischen
Institut zu Berlin.
Kreuzungsversuche an Knochenfischen.
Von
Günther Hertwig und Paula Hertwig.
Hierzu Tafel V.
Inhalt. Seite
A. Einleitung . . . en ee ee I
B Material und er chankemetlioden N Tr a a il)
C. Experimenteller Teil... ... 2 en, 1 Ve 97
1. Gobius jozo 2 X Gobius eapito r a EN RE 90
2 Gobıus-capibos2 >Gobius 1020 & : . 2... BIETEN 0
3. Gobius jozo © x Gobius minutus d und orte, 2 a ee
4. Gobius jozo £ x Crenilabrus pavo Z und Gobius capito 9 X
TEnIlaDEUSEH VOR ion
5. Reziproke Kreuzung . . . : 66
6. Crenilabrus pavo 2 X Ca ailebrus massa d an ne:
Bayer Brenllabrusstinea 8: .: 3 2m ma, ee
Va@rzenlahrus pavor922%X Box boops d . . =. uni. ul are 368
8. Crenilabrus pavo @ x Smaris alcedo d . . . 69
D. Allgemeiner Teil. Zusammenfassende Übersicht über (Are Resultate
des experimentellen Teiles. Disharmonische Kern- und Plasma-
Verbindungen. — Die Idioplasmatheorie von O. Hertwig. . 78
A. Einleitung.
Während eines zwei Monate langen Aufenthaltes an der
Zoologischen Station zu Neapel im Frühjahr 1913 beschäftigten
wir uns neben anderen Studien auch mit Kreuzungen an
Knochenfischen, deren Resultate den Inhalt der vorliegenden
Arbeit bilden. — Ebenso wie andere Forscher, die auf demselben
Gebiet Untersuchungen angestellt haben, waren auch wir über die
Leichtigkeit erstaunt, mit der sich die Fischeier durch den Samen
ganz fernstehender Arten befruchten und zur Entwicklung anregen
lassen. Dies ist besonders bemerkenswert, wenn wir die Schwierig-
keiten bedenken, mit denen in anderen Gattungen des Tierreichs,
so bei den Echinodermen und Amphibien, die Kreuzung zweier
oft ganz nahe verwandter Arten verbunden ist. Da man ferner,
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. 4
50 Günther und Paula Hertwig:
dank ihrer Durchsichtigkeit, bei vielen pelagischen Fischeiern
am lebenden Objekt die Teilungen, die Keimblattbildung, die
Entwicklung des Embryo gut verfolgen kann, und auch die
zytologische Untersuchung der Kernverhältnisse während früher
und älterer Entwicklungsstadien mit keinen besonderen Schwierig-
keiten verknüpft ist, so sind unzweifelhaft die Teleostier
ein äusserst geeignetes Material für das Studium artfremder
Bastardierungen. Wir müssen es daher als wunderbar bezeichnen,
dass, abgesehen von einigen amerikanischen Forschern, wie
Moenkhaus und Newman, noch keine eingehenden Unter-
suchungen an Teleostiern angestellt wurden. Sicher liegt hier
ein Arbeitsgebiet vor, dessen gründliche Durchforschung noch eine
reiche Ausbeute von interessanten Ergebnissen verspricht.
Leider erlaubte die Kürze der Zeit uns nicht. die Unter-
suchungen noch weiter auszudehnen. Namentlich bedauern wir
das Fehlen einiger reziproken Kreuzungen, die wir aus Mangel an
Material nicht ausführen konnten. Dass wir überhaupt imstande
waren, in den zwei Monaten, besonders im April, 10 verschiedene
Kreuzungen, zum Teil zu wiederholten Malen, vorzunehmen,
verdanken wir nicht zum wenigsten der liebenswürdigen Bereit-
schaft, mit der Dr. Cerruti unseren Wünschen nach Unter-
suchungsmaterial nachkam. Ihm, sowie den Herren an der
Station, die uns bei unseren Arbeiten bereitwilligst unterstützten,
namentlich dem Leiter der Zoologischen Station, Herrn Prof.
R. Dohrn, sei daher unser bester Dank ausgesprochen.
Ebenso ist es uns eine angenehme Pflicht, auch an dieser
Stelle Herrn Dr. P. Pappenheim, Kustos am Zoologischen
Museum zu Berlin, und Herrn Prof. J. D. Anisits, für die
Liebenswürdigkeit zu danken, mit der sie uns bei der Bestimmung
der verschiedenen Fischarten mit ihrem Rat und ihrer grossen
Sachkenntnis behülflich waren.
B. Material und Untersuchungsmethoden.
Ehe wir zur Beschreibung der Bastardierungsversuche
übergehen. seien einige Angaben über das benutzte Material,
sowie über die Befruchtungs- und Konservierungsmethoden
gemacht. Es kamen bei unseren Versuchen die Eier von drei
Gobiusarten, Gobius capito, Gobius jozo und minutus (bestimmt
nach Luigi Sanzo und Moreau: „Poissons de la France“),
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 5l
sowie diejenigen von Crenilabrus pavo und melops zur Ver-
wendung. Zur Befruchtung konnten wir ausser dem Sperma der
genannten Arten noch den Samen von (Crenilabrus tinca. Box
boops und Smaris alcedo benutzen.
Die Gobiiden, die im Golf von Neapel sehr zahlreich
vorkommen, sind im März und April geschlechtsreif. Ihre
Spermatozoen zeichnen sich, im Gegensatz zu anderen Knochen-
fischen, durch ihre grosse, im Meerwasser lange anhaltende
Beweglichkeit aus. Die durch Zerzupfen des Hodens in einigen
Tropfen Seewasser gewonnene Samenflüssiekeit konnte in der
feuchten Kammer lange Zeit unverändert aufgehoben werden.
Selbst nach 4 Stunden waren die Spermien, in frisches See-
wasser gebracht, noch tumultuarisch beweglich. Auch bei stärkerer
Verdünnung mit Seewasser hielt die Bewegung bisweilen 1 Stunde
an. — Die Eier der Gobiiden sind von einer elastischen, derben,
aber durchsichtigen Hülle umgeben, die bei G. jozo und G. capito
von spindelförmiger, bei G. minutus von birnenförmiger Gestalt
ist. Bei der Ablage werden die Eier an Steinen usw. festgeklebt.
Gobius jozo kommt am häufigsten vor. Er hat eine Länge
von S—12 cm, die Eier sind 2,11 mm lang und 0,51 mm breit.
(Mit Hüllen, nach Lo Bianco.) Sehr viel grösser ist Gobius
capito, der eine Länge von 25 cm erreicht. Auch seine Eier
sind erheblich grösser, etwa 5 mm lang und 1,5 mm breit.
Gobius minutus ist ein Fischehen von 5 cm Länge, mit Eiern,
deren Durchmesser 0.31—1,1l1 mm beträgt und die sich durch
die birnenförmige Gestalt der Hülle auszeichnen. Leider erhielten
wir nur zweimal geschlechtsreife Tiere.
Da die Gobiiden zu den Teleostiern gehören, die ihre
Geschlechtsprodukte durch besondere Kanäle entleeren. konnten
wir, um die künstliche Befruchtung auszuführen, nicht, wie sonst
üblich, die Eier und Samen durch Abstreichen der Fische
erhalten, sondern mussten die Tiere durch einen Schnitt durch
das Halsmark töten und die Ovarien und Hoden frei präparieren.
Es kam uns hierbei sehr zu statten, dass sich Männchen und
Weibchen an der Form der hinter dem After befindlichen
Genitalpapille unterscheiden liessen: beim Männchen ist diese
lang und spitz, beim Weibchen kürzer und breiter. Da wir
häufig 20-30 Männchen und nur 3—4 Weibchen erhielten,
ersparte uns dieses Unterscheidungsmerkmal viel Zeit und Mühe.
4*
52 Günther und Paula Hertwig:
— Zu unseren Experimenten benutzten wir nach Möglichkeit
frisch eingefangenes Material, da besonders die Eier der Weibchen.
die im Aquarium am Ablegen gehindert waren, leicht überreif
wurden: dagegen waren die Männchen noch nach längerer Ge-
fangenschaft brauchbar.
Bei der Ausführung der künstlichen Befruchtung verfuhren
wir folgendermassen: Wir öffneten die Ovarien und entnahmen
ihnen mit zwei Nadeln die Eier, die wir auf einen etwas
angefeuchteten Objektträger aufsetzten. Reife Eier erkannten
wir an der deutlich abgegrenzten Ölblase und an dem Besitz
der länglichen Hülle, die aber bei den frisch dem Ovarium
entnommenen Eiern sich nur wenig abhebt. Ferner blieben
reife Eier mittels feiner Fäden am feuchten Glas kleben, während
unreife Eier nicht festhafteten. Die so mit etwa 30 Eiern be-
legten Objektträger wurden in eine flache Schale gebracht und
befruchtet. indem wir sie mit Sperma, das mit Seewasser ver-
dünnt war, bespritzten.. Nach einigen Minuten gossen wir frisches
Seewasser dazu. bis dass die Eier bedeckt waren. Befruchtete
Eier hoben bald darauf ihre Hülle ab. Indes ist dies kein
sicheres Zeichen für die erfolgte Befruchtung: obgleich sicherlich
unter dem Einfluss des eingedrungenen Samenfadens die Hüllen
sich rascher und regelmässiger abhoben, konnten wir doch fest-
stellen. dass unbefruchtete, besonders überreife Eier, ebenfalls
Hüllen bildeten. Den besten Prozentsatz der Befruchtung, nahezu
100°/o. erhielten wir bei Eiern, die erst im Augenblick der
Besamung oder kurz vorher mit Wasser in Berührung gekommen
waren; jedoch gelang es uns auch noch einige Eier, die bereits
1 Stunde im Wasser gelegen hatten, zu befruchten. Diese hoben
allerdings die Membran nur unvollkommen ab und lieferten
daher pathologische Embryonen.
Nach Ablauf von etwa 1—1!/s Stunden begann die erste
Teilung sichtbar zu werden, der bald darauf die zweite und dritte
folgte. Zur weiteren Entwicklung wurden darauf die Objektträger
in Schalen mit fliessendem Wasser gebracht. Unter diesen
Bedingungen verlief bei gesundem Eimaterial die Entwicklung
bis zum Ausschlüpfen bei fast allen Individuen gleichmässig und
normal. Hatten wir aber überreife oder sonst beschädigte Eier
befruchtet. so traten zwar meistens die ersten Teilungen regel-
mässig auf, aber später zeigten sich andere Störungen. So konnten
a
o
Kreuzungsversuche an Knochenfischen.
wir häufig bald, oder einige Zeit nach der Befruchtung, ein
Platzen der Ölblase beobachten, die ihren Inhalt in den zwischen
Ei und Hülle befindlichen Raum entleerte. Dieser Umstand
führte bald zu einer Sistierung der Entwicklung. Eine andere
Art der abnormen Entwicklung, die auf überreifes Eimaterial
zurückzuführen war, bestand in einer Ablösung von Zellen, die
als isolierte Schollen innerhalb der Hüllen zu liegen kamen.
Auch diese Anomalie bewirkte den Stillstand der Entwicklung
am zweiten oder dritten Tage.
Neben den Gobiuseiern gelangten die Eier von Crenilabrus
pavo und melops zur Verwendung. Auch sie besitzen die für
Versuchszwecke günstige Eigenschaft, mittels der Hülle an dem
(runde der Zuchtschalen festzukleben; sie haben vor den Gobius-
eiern den Vorzug der grösseren Durchsichtigkeit, man kann sogar
in dem sich teilenden Ei die Furchungskerne erkennen. Die
Crenilabruseier sind von kugliger Gestalt und besitzen eine
(rösse von 0,75 mm. Dem reifen unbefruchteten Ei liegt die
Hülle noch dieht an. Man kann die Keimsubstanz als hellere
Lage um den Dotter erkennen: an dem einen Pol befindet sich
eine hügelartige Ansammlung des Plasma. Nach der Befruchtung
erfolgt eine Kontraktion des Eiinhalts, die Hülle ist jetzt durch
einen deutlichen Zwischenraum, der bei melops grösser als wie
bei pavo ist, vom Ei getrennt. Ferner sondern sich Plasma und
Dotter, indem ersteres sich als Kalotte an dem einen Pol an-
sammelt. — Eine ausführlichere Beschreibung des unbefruchteten
Urenilabruseies und seiner weiteren Entwicklung gibt Jos. Hein-
rich List in seiner Entwicklungsgeschichte der Labriden. Wir
werden, wie auch hier, so noch später auf diese Arbeit verweisen.
Es sei hier noch eine Beobachtung eimgeschaltet, die wir
an unbefruchteten Crenilabruseiern, die einige Zeit im Wasser
selegen hatten, machten. Bei diesen Eiern hatte zwar ebenfalls,
wie auch List schreibt, eine Kontraktion und Ausbildung eines
perivitellinen Raumes stattgefunden, aber die deutliche Ab-
srenzung von Keimscheibe und Dotter war unterblieben. Das
Plasma breitete sich, ähnlich wie bei einem frisch dem Ovarıum
entnommenen, unbefruchteten Ei, über den ganzen Dotter aus.
Auf Schnitten durch solche Eier ist zu erkennen, dass die Randzone
des Plasma vakuolisiert worden ist, eine Erscheinung, die wohl
auf den beginnenden Zerfall hindeutet. Ferner ist in diesen
4 Günther und Paula Hertwig:
Eiern keine Spur des Eikernes zu finden, dagegen ist das gesamte
Plasma von unzähligen Strahlungen durchsetzt. In der Nähe
der Strahlungspole liegen kleine, ründe Klumpen, die sich mit
Magentarot intensiv färben und an Chromatinbrocken erinnern.
Bei der Befruchtung verfuhren wir so, dass wir ein frisch
gefangenes Weibchen abstrichen, die Eier in einer trockenen
Schale sammelten und sie dann „feucht“ befruchteten, indem
wir mit einer Pipette mit Seewasser verdünnte Samenflüssigkeit
über die Eier spritzten. Dann wurde während der weiteren
Entwicklung fliessendes Wasser durch die Schalen geleitet.
Es sei hier noch erwähnt, dass wir bei der Ausführung
unserer Bastardierungen alle Vorsichtsmiassregeln, die beobachtet
werden müssen, um eine Verunreinigung mit nicht gewünschtem
Sperma zn vermeiden, in Anwendung brachten. Die Glasschalen
waren sorgfältig ausgewaschen, die Instrumente wurden vor jeder
Benutzung ausgeglüht, die Fische vor der Entnahme der Eier und
Samen in Süsswasser abgespült und mit Fliesspapier getrocknet.
Als Fixierungsmittel, besonders der Frühstadien, benutzten
wir Zenkersche Flüssigkeit. Die Eier wurden in toto mit Hüllen
eingelegt und 24 Stunden in der Flüssigkeit gelassen, dann gut
ausgewaschen und in schwachem Formalinwasser aufgehoben. Vor
der weiteren Bearbeitung präparierten wir unter der Lupe mit
zwei Nadeln die Hüllen von den Eiern ab, und brachten sie
möglichst schnell, um das Hart- und Brüchigwerden des Dotters zu
verhindern, durch die Alkoholreihe in Jodalkohol und in 95°/o
Alkohol. Alsdann wurden sie mittels Bergamottöl in Paraffin
eingebettet, in 7—10 u dicke Schnitte zerlegt und mit Magentarot-
Pikroindigkarmin gefärbt. Die so behandelten Eier schnitten sich
vorzüglich und wiesen eine gute Konservierung sowohl der Kern-
substanz als auch des Plasma auf. — Ältere Gobiusembryonen
wurden schon vor der Fixierung lebend von ihren Hüllen befreit,
was meist sehr leicht gelang, da die Tierchen durch Eigen-
bewegung nachhalfen. Als Fixierungsmittel für spätere Stadien
dienten auch Pikrin-Essig-Sublimat. Chrom-Sublimat und Flem-
mingsche Flüssigkeit und, wo es in erster Linie auf die Erhaltung
des Pigmentes ankam, Sublimat-Eisessig. Auch diese Embryonen
wurden in Formalinwasser aufgehoben. und zum Teil, wie
vorhin angegeben, weiter behandelt. Für die Anfertigung der
Photographien wurden die Embryonen mittels Zedernöl aufgehellt.
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 576)
C. Experimenteller Teil.
1. Gobius jozo 2 X Gobius capito &.
Die Befruchtung der Gobius jozo-Eier mit Samen von Gobius
capito stiess auf keine Schwierigkeiten. Fast alle bastardierten
Eier hoben zur gleichen Zeit wie die Kontrollen die Hüllen ab,
und nach Ablauf von 1'/e—2 Stunden traten die ersten Furchungen
in beiden Kulturen regelmässig auf. — Die Frage, ob bei
Bastardierungen die ersten Teilungen bereits durch den Samen-
faden zeitlich beeinflusst werden, ist in der letzten Zeit öfters
ein Gegenstand der Diskussion gewesen. Appellöf und Moenk-
haus beobachteten bei ihren Fischkreuzungen, dass der Teilungs-
rhythmus des mütterlichen Eies massgebend für das Auftreten
der ersten Furchungen im bastardierten Ei wäre. Dieselben
Angaben machte Newman in seiner 1904 erschienenen Arbeit
über Fundulusbastarde: „the rate of early cleavage is not
measurably altered by the introduction into the egg of sperm,
belonging to a more slowly or more rapidly developing species“.
Newman ändert jedoch nach erneuten eingehenden Unter-
suchungen seine Ansicht. Auf Grund von sorgfältigen Zählungen
gibt er jetzt an, dass „hybrid eggs (F. majalis 2 X F. heteroclitus 3)
show a slight acceleration of early cleavage as compared with
pure bred F. majalis eggs“.
Einen Beitrag zur Entscheidung dieser Frage vermögen
wir in dieser Arbeit nicht zu geben, da, wie Newmans
Abhandlung lehrt, nur ausgedehnte statistische Untersuchungen
Aufschluss geben können, und uns zu diesen die Zeit fehlte.
Es mag aber darauf hingewiesen werden, dass das Objekt für
derartige Beobachtungen vielleicht sehr geeignet ist; denn das
G. capito-Ei teilt sich etwa !/s Stunde später als wie das viel
kleinere von Gobius jozo. Dazu kommt noch, dass die Teilungen
bei allen Eiern von einem Weibchen überraschend gleichzeitig
auftreten. Auf Schnitten durch zweigeteilte Eier, die zusammen
fixiert wurden, fanden wir sogar fast immer alle Kerne im
gleichen Stadium.
Ein deutlicher Unterschied in der Entwicklung machte sich
erst am 2. Tage bei den Bastarden bemerkbar. Sie hatten
sich zwar auch, wie die Kontrollen, zu kleinen Embryonen mit
Kopf und Schwanzhöcker entwickelt, aber während in den
-
56 Günther und Paula Hertwie:
normalen Zuchten die Augenblase deutlich zu erkennen war.
zeigten die Bastarde noch keine Anlage derselben. Die verlangsamte
Entwicklung war während der folgenden Tage charakteristisch
für die Bastardembryonen. Im (Gegensatze zu den Kontrollen
besassen ihre Augen am 3. Tage noch keine Linse und am
4. Tage zeigten sie noch keine Pigmentierung des Schwanzes.
Auch waren die Bastarde deutlich kürzer und zum Teil weniger
durchsichtig als wie die Kontrollen. Am 5. Tage nach der
Befruchtung beobachteten wir kräftige Herzpulsation bei den
normalen Embryonen. Bei den Bastarden konnten wir in dem
einen Versuch nur undeutliche und seltene Zusammenziehungen
des Herzens bei einigen Tieren konstatieren. In einer zweiten
Versuchsserie liessen sich zwar auch schon Herzpulsationen fest-
stellen. sie waren aber bedeutend langsamer als die der Kontrollen.
So zählten wir bei den Bastarden durchschnittlich 35 Schläge
pro Minute. bei den normalen Embryonen hingegen 45. In den
folgenden Tagen waren die Unterschiede zwischen den am besten
entwickelten Bastarden und den normalen Embryonen weniger
auftällig. Doch blieb der Herzschlag langsamer, auch zirkulierten
weniger Blutkügelchen im Herz und in den Gefässen. Ferner
waren die Bastarde häufig kürzer und besassen kleinere Augen.
Die besten unterschieden sich jedoch kaum von der Kontrolle.
Eine Abbildung eines gut entwickelten, 9 Tage alten Bastards
sehen wir in Fig. 1. daneben eine gleich alte Kontrolle, die in
Fig. 2 dargestellt ist. Der Bastard unterscheidet sich vom
normalen jozo-Embryo nur dureh eine leichte Krümmung des
Schwanzes. etwas geringere Grösse und leichte Trübung des
Plasma. die besonders gut im Flossensaum erkenntlich ist. Am
lebenden Tiere war noch ein weiteres unterscheidendes Merkmal zu
erkennen: Die Augen, die bei der Kontrolle schön irisierten. waren
beim Bastard nur tiefschwarz pigmentiert. Ferner bemerkten wir
bei diesem gelbe Pigmentzellen, die dem normalen G. jozo-Embryo
fehlen, jedoch in grösserer Anzahl bei G. capito-Larven zu bemerken
sind. — Neben solchen gut entwiekelten Mischlingen waren bereits
auf allen Entwicklungsstufen eine grössere Anzahl erkrankt und
zum Teil schon abgestorben. Von den kräftigsten gelang es
einigen, sich am 13. Tage ohne Beihilfe aus den Hüllen zu befreien.
Wie die normalen Tiere. von denen einige schon am 11. und
12. Tage, die meisten aber ebenfalls am 13. Tage ausschlüpften,
A in
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 57
schwammen sie lebhaft umher und waren sicher lebenskräftig. Die
grössere Zahl der sonst gut entwickelten Bastarde schlüpfte aber
nicht aus. DBefreite man diese Larven durch Anschneiden von
den Hüllen, so bewegten sie sich zum Teil ebenfalls ganz lebhaft
im Wasser. Der Rest starb nach 1—2 Tagen in den Hüllen ab.
Wie schon vorhin gesagt, traten neben vielen solchen
lebensfähigen gut entwickelten Bastarden von den ersten Tagen
an viele Missbildungen auf, ganz im Gegensatz zu den Kontroll-
zuchten, die sich stets gleichmässig gut entwickelten. Auch
erwiesen sich die Bastarde als sehr empfindlich gegen äussere
schädliche Einflüsse. Ihre geringe Resistenzfähigkeit machte sich
besonders in einem Versuch geltend, indem wir die beiden Zuchten
sich in stehendem Wasser, das wir aber häufig wechselten. ent-
wickeln liessen. Bis auf zwei Embryonen starben die Bastarde als
Spinae bifidae oder ganz pathologische Embryonen frühzeitig ab.
Vjel später machte sich der Sauerstofimangel entwicklungshemmend
bei der Kontrolle bemerkbar. — Auch als wir in einem anderen
Experiment aın 9. Tage nach der Befruchtung einen Teil der
Bastarde und Kontrollen in Schalen mit stehendem Wasser
brachten, war dieses Verfahren für die ersteren verhängnisvoll.
Die fehlende Zufuhr von frischem Sauerstoff verursachte ihr
Absterben innerhalb von 2 Tagen. Die normalen Larven hingegen
schlüpften zum grössten Teil aus.
Nachdem wir die Resultate der Gobius j0ozo 2 X capito d
Kreuzung geschildert haben, wollen wir uns zunächst der Frage
zuwenden, inwieweit können wir bei der Entwicklung der Bastarde
Merkmale erkennen, die auf den Einfluss der väterlichen Art
zurückzuführen sind ?
Besonders geeignet zum Studium solcher Mischlingscharaktere
bei Embryonen ist das Vorhandensein und die Verteilung von
Pigmentzellen, wie uns Bancrofts eingehende Arbeit über
Vererbungsmerkmale bei Funduluslarven zeigt. Ebenso wie diese,
besitzen unsere Gobiusembryonen verschiedene Arten von Pigment-
zellen. Wir fanden, dass gelbe und schwarze Chromatophoren
gebildet wurden. In der Ausbildung des schwarzen Pigments
bestehen, wie Fig. 1 und Fig. 2 zeigen, keine Unterschiede. Der
Bastard und die Kontrolle, die zu gleicher Zeit konserviert
wurden, besitzen etwa dieselbe Anzahl schwarzer Chromatophoren,
die auch bei beiden ähnlich auf dem Embryo verteilt sind.
Günther und Paula Hertwig:
Anders fiel das Resultat bei der Beobachtung des gelben
Pigments aus. Wir bemerkten bei 9 Tage alten Bastarden am
lebenden Tier auf dem Rücken das Auftreten von gelben Pigment-
zellen, die den jozo-Embryonen zu dieser Zeit ganz fehlten und
auch später weniger zahlreich ausgebildet wurden, während sie
den normalen capito-Larven in etwa demselben Maße wie den
Bastarden eigen sind. Da wir versäumten, eine Zeichnung des
lebenden Fisches zu entwerfen, und an dem konservierten Material
das gelbe Pigment nur undeutlich zu erkennen war, können wir
leider keine Abbildung dieses Bastardcharakters geben.
Aber nicht nur in der eben beschriebenen Pigment-
entwicklung konnten wir den Einfluss der väterlichen Art erkennen,
wir glauben vielmehr, dass dieser auch in der langsameren Ent-
wicklung der Bastarde zum Ausdruck kommt.
Um diese Annahme zu veranschaulichen, sei ein Vergleich
zwischen der Entwicklung der normalen G. capito- und jozo-Embry-
onen, sowie der Bastarde gezogen. Hierzu diene folgende Tabelle:
| | Gobius
Nach der N E ? |
Gobius jozo | Gobius capito |. :
Befruchtung : | jozo @ x capito &
er va REN a
>T Embryonen mit
2 Tage
Augenblase
! —
e | | Embryonen mit
3 Tage ı N
| Augenblase
| Beginn Augenblase angelegt
4 Tage der Pigmentierung Keine
im Schwanz Pigmentierung
Augen dunkel Wenig Pigment
5 Tage pigmentiert. Beginn | in
der Herzpulsation
Schwanz und Augen
6 Tage
Beginn |
der Pigmentierung in
Schwanz und Augen
Beginn
der Herzpulsation
} Beginn |
es der Herzpulsation
| Ausschlüpfen
12 Tage | Ausschlüpfen der ‚ einiger, Absterben
Be | meisten Embryonen ‚der meisten in den
| ' folgenden Tagen
28 Tave | Ausschlüpfen der |
Rn Embryonen
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 99
Wir sehen aus dieser Tabelle. auf der bestimmte, besonders
markante Stadien der Entwicklung angegeben sind. dass die
Bastarde eine Mittelstellung in bezug auf das Entwicklungs-
tempo einnehmen. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir
hierin eine Äusserung eines der väterlichen Art zukommenden
Merkmals erblicken.
In wie hohem Maße die schnellere oder langsamere Ent-
wicklung des Embryos nicht nur vom Ei, sondern auch von der
väterlichen Keimzelle mit beeinflusst wird, zeigen uns Newmans
Fundulus-Kreuzungen, auf die wir hier etwas näher eingehen
wollen. Die Embryonen von Fundulus heteroclitus- und F. majalis
besitzen ein ungleiches Entwicklungstempo, die ersteren schlüpfen
nach etwa 14 Tagen aus, die letzteren nach 22—23 Tagen. In den
Anfangsstadien der Entwicklung bleiben nun die F. heteroclitus 2
X F.majalis 3 Bastarde hinter den reinen F. heteroclitus-Larven zu-
rück, und die F. majalis 2 X heteroclitus Z Bastarde entwickeln sich
schneller wie die F. majalis-Embryonen. — Diese Erscheinung führt
Newman auf den jeweiligen väterlichen Einfluss zurück. Dieser
wird aber noch deutlicher, sobald bei den Embryonen die Herz-
aktion beginnt. Bei den F. majalis-Embryonen tritt der Herzschlag
später, dann aber kräftiger als wie bei den F. heteroclitus-Larven
auf. Infolgedessen beginnt auch die Herztätigkeit bei den
F. heteroclitus 2 X F. majalis & Bastarden später als wie bei den
reinen F. heteroclitus-Embryonen, ist aber nach ıhrem Auftreten
um so energischer. Umgekehrt besitzen die F. majalis 2 X hetero-
elitus Z Mischlinge eine zwar früher auftretende, aber schwächere
Herzpulsation, als die reinen F. majalis-Embryonen.
Unsere Gobius jozo 2 X capito g Kreuzung bietet viele
Berührungspunkte mit Newmans Fundulus heteroclitus 2 X
majalis & Bastardierung. Hier wie da übt die väterliche Keimzelle
einen verzögernden Einfluss auf die erste Anlage des Embryo aus.
Bei beiden Mischlingen wird, ebenso wie die anderen Organe,
das Herz später angelegt, und beginnt daher später in Funktion
zu treten. — Wenn bis zu diesem Punkt die Entwicklung der
Fundulus- und Gobius-Bastarde analog verläuft, so tritt jetzt ein
Unterschied auf. — Wie schon vorhin gesagt, verdanken die
F. heteroclitus @ X F. majalis S Bastarde dem väterlichen Einfluss
einen im Vergleich zu reinen F. heteroclitus-Larven beschleunigten
Herzschlag. Demzufolge entwickeln sie sich von nun an zu
60 Günther und Paula Hertwieg:
kräftigeren und widerstandsfähigeren Embryonen als die F. hetero-
elitus-Larven. Bei unseren beiden (obiusarten ist dagegen die
Stärke der Herzpulsation, soweit wir es beobachteten, nicht
verschieden, es fehlt also für eine beschleunigte Herzpulsation
der Bastarde jede Veranlassung. In diesem Umstand ist auch
der Grund zu sehen, dass die Gobius-Bastarde im Gegensatz zu
den F. heteroclitus 2 X majalis $ Embryonen weniger widerstands-
fähig wie die reinen Formen sind, zumal der Herzschlag nicht
nur später einsetzt, sondern auch in der Folge langsamer bleibt;
konnten wir doch noch am 9. und 10. Tage eine verminderte
Herztätigkeit beobachten, bei normalen Larven 156 bis 160 Schläge
pro Minute, bei den Bastarden nur 110—130. Es ist wahr-
scheinlich, dass dieser Umstand für die geringere Lebensfähigkeit
der Bastarde verantwortlich zu machen sein wird. Ausser von
Newman und von uns wurden auch von Appellötf Beobachtungen
über das Entwicklungstempo bei Bastarden gemacht. Auch er
gibt an, dass die Gasterosteus 2 X Spinachia J Embryonen eine
Mittelsteilung einnehmen in bezug auf die Zeit, die sie zur Anlage
der Organe brauchen.
Wenn wir in der langsamen Entwicklung der Gobius jozo? X
(G. capito & Embryonen in Übereinstimmung mit Newman eine
Äusserung eines der väterlichen Art zukommenden Merkmals er-
blicken. so sei doch noch ein anderer wichtiger Grund angeführt.
der sicher auch die langsamere Entwicklung und geringere Lebens-
energie der Bastarde bestimmt, nämlich die Disharmonie, die
zwischen dem mütterlichen und väterlichen Idioplasma besteht. Ja.
wir haben überhaupt geschwankt, ob wir nicht im Gegensatz zu
Newman diesen zweiten Grund allein für die verzögerte Ent-
wicklung der Bastarde verantwortlich machen sollten. Wenn wir
beiden Faktoren eine die Entwicklung bestimmende Rolle zuweisen,
so war uns dafür der Umstand bestimmend, dass wir bei der
reziproken Kreuzung eine Beschleunigung der ersten Entwicklungs-
vorgänge unter dem Einfluss der väterlichen Art haben feststellen
können, wie nachher dargelegt werden soll. Es ist klar, dass
dieser Befund viel eindeutiger für die Übertragung eines väter-
lichen Merkmals spricht, als der, wenn man so sagen darf, mehr
„negative“ einer Entwicklungsverzögerung.
Es sei hier noch erläutert, was wir unter einer „dis-
harmonischen Idioplasmaverbindung“ verstehen. Durch eine Be-
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 61
fruchtung mit artfremdem Samen wird eine Idioplasmaverbindung
geschaffen, deren väterliche und mütterliche Kern - Komponente
nicht wie bei der normalen Befruchtung aufeinander abgestimmt
ist. Eine solche Idioplasmaverbindung nennt O0. Hertwig eine
„disharmonische“. Der (Grad der Disharmonie ist bestimmend
für das Resultat der Bastardierung. „Die in so hohem Grade
verschiedenartigen Abstufungen in dem Entwicklungsvermögen
der bastardierten Eier sind dex Ausdruck für verschiedene Grade
disharmonischer Konstitution, die zwischen den im Befruchtungsakt
vereinigten Kernen mütterlicher und väterlicher Herkunft besteht.“
Das Bestehen einer solchen disharmonischen Kernverbindung
ist sicherlich auch bei unseren Gobiusbastarden anzunehmen, wenn
auch bei der nahen Verwandtschaft der gekreuzten Arten nur ein
geringerer Grad der Disharmonie vorliegt. Sie zeigt sich besonders
in dem Auftreten von zahlreichen Missbildungen, Spinae bifidae und
ganz verkümmerten Embryonen. Da alle Abstufungen von ganz
pathologischen bis zu fast und ganz lebensfähigen Embryonen
beobachtet wurden, müssen wir annehmen, dass durch die Ver-
einigung der individuell verschiedenen Geschlechtszellen je eines
Männchens und Weibchens Kernverbindungen geschaffen werden.
deren Disharmonie graduell verschieden ist. Diese Annahme er-
klärt die Schwankungen in der Entwicklungsfähigkeit der einzelnen
Individuen eines Versuches. — Nach dem Ausfall zweier von uns
mit verschiedenen männlichen und weiblichen Tieren ausgeführten
Versuche müssen wir aber auch weiter annehmen. dass sich die
Idioplasmen verschiedener Individuen zu Verbindungen vereinigen,
deren Disharmonie ungleich gross ist. In dem einen Versuch
brachten wir einige Tiere zum Ausschlüpfen, in dem anderen, bei
gleich günstigen Versuchsbedingungen. und bei sonst ähnlichem
Entwicklungsverlauf, kein einziges. Diese Resultate können nur
durch individuelle Unterschiede in der Beschaffenheit des Idio-
plasma verschiedener Tiere erklärt werden.
Bei der Kreuzung nahe verwandter Arten beobachteten
auch andere Autoren das Auftreten von Entwicklungsstörungen,
die wohl gleichfalls durch die Entstehung disharmonischer Idio-
plasmaverbindungen verursacht wurden.
So bemerkt List, dass bei seinen Örenilabrus-Kreuzungen
„Unregelmässigkeiten häufige Begleiterscheinungen in der Ent-
wicklung des befruchteten Eies sind“.
62 Günther und Paula Hertwig:
Appellöf, dessen Stichlingsbastardierung viele Berührungs-
punkte mit unserem Gobiusversuch bietet, berichtet, dass bei
seiner Kreuzung Gasterosteus aculeatus 2 X Spinachia vulgaris
viele Bastarde als Keimscheiben abstarben, und nur ein Teil
sich zu kurz vor dem Ausschlüpfen stehenden, lebensschwachen
Embryonen entwickelte.
Auch Newman. bei dem das Entwicklungsresultat seiner
Fundulus heteroclitus 2 X Fundulus majalis Versuche ein gutes
war, fand doch, neben vielen lebensfähigen. eine grössere Anzahl
pathologischer Larven. (Newman, Textfig. 3—8.) Seine Bastard-
zuchten zeigten, genau wie die unsrigen, Entwicklungsunterschiede
zwischen den einzelnen Individuen, wie sie in den Kontrollen
nicht vorkommen.
2. Gobius capito 2 X Gobius jozo £.
Wir wenden uns nun zur Beschreibung der reziproken
Kreuzung. die wir zweimal ausführten. Beide Mal wurden nahezu
alle Eier befruchtet, und auch bei dieser Bastardierung unter-
schieden sich die Bastard- und Kontrollzuchten nicht in bezug
auf die Regelmässigkeit und Schnelligkeit der ersten Teilungen.
Im weiteren Verlauf machte sich jedoch bald der Einfluss des G. j0zo-
Spermas bemerkbar, der eine Beschleunigung der Entwicklung be-
wirkte. Die Bastardembryonen gediehen fast alle gut, blieben zwar
etwas kürzer wie die Kontrollen, zeigten jedoch früher Pigmen-
tierung der Augen und das Auftreten des schwarzen Pigments in dem
Schwanz. Ferner zeichneten sie sich durch lebhaftere Bewegungen
in ihren Hüllen aus. Bei dieser anfänglich guten Entwicklung
der Bastarde überraschte uns um so mehr die Beobachtung, dass
vom 8. Tage nach der Befruchtung an die Embryonen aus den
Hüllen, die nicht mehr prall gespannt waren, fielen und zugrunde
gingen. Wir erhielten keinen lebensfähigen Bastard. Um eine
zufällig auftretende Erkrankung konnte es sich nicht handeln, da
die Bastarde in beiden, an verschiedenen Tagen angestellten
Versuchen nach Ablauf derselben Zeit unter gleichen Erscheinungen
abstarben.
Wir beobachteten hierbei folgendes:
Am s. Tage nach der Befruchtung waren die Bastard-
embryonen gut ausgebildet, mit dunkel pigmentierten Augen und
langem Schwanz. Sie waren etwas kürzer wie die Kontrollen,
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 63
auch bemerkten wir keine Herzpulsation, die bei jenen eben
anfıng. Sie bewegten sich aber lebhafter als wie die Kontroll-
tiere. Die Hüllen waren im allgemeinen weniger prall gespannt
und einige Embryonen befreiten sich von ihnen, während wir sie
beobachteten. Sie führten im Wasser zuckende Bewegungen aus,
waren jedoch lange nicht weit genug entwickelt, um ohne den
Schutz der Hüllen am Leben zu bleiben. Am 9. Tage waren
noch mehr Bastarde aus den Hüllen gefallen, andere bereits in
diesen abgestorben. An den ersteren konnten wir ganz unregel-
mässigen intermittierenden Herzschlag beobachten, auch war das
Herz bedeutend kleiner als wie bei den Normalen. Eine Blut-
zirkulation im Schwanz, die wir bei den Kontrollen wahrnehmen
konnten, bemerkten wir nicht. Die Bastarde starben alle bald
im Wasser ab. Einige frisch herauspräparierte Embryonen
fixierten wir in Essig-Sublimat. Einer von ihnen ist in Fig. 3
mit einer gleich alten Kontrolle Fig. 4 abgebildet.
In den nächsten 2 Tagen starben alle übrigen Embryonen
ebenfalls ab, und zwar zum Teil noch innerhalb der Eihüllen.
Am 11. Tage nach der Befruchtung existierte kein einziger lebender
Bastard mehr, während die Kontrollen gut entwickelt waren und
am 28. Tage zum grössten Teil ausschlüpften.
Sehen wir uns zunächst die Embrvonen Fig. 3 und Fig. 4 näher
an, um vielleicht einen Anhaltspunkt für die Lebensunfähigkeit
der Bastarde zu erhalten. Der vererbende Einfluss des Samen-
fadens macht sich in mehreren Punkten bemerkbar. Das schwarze
Pigment ist bei dem Bastard viel reichlicher vorhanden als bei
der Kontrolle. Dafür besitzt diese besonders auf dem Rücken
gelbe Pigmentzellen. Besonders auffallend ist die ungleiche Grösse
der gleich alten Embryonen. Die Bastarde sind etwa nur */s so
gross wie die normal befruchteten @. capito-Larven. Trotz dieses
Rückstandes in bezug auf das Längen-Wachstum sind die Organe
der beiden Tiere gleich weit entwickelt.
Aus der geringeren Grösse der Embryonen kann man sich
also nicht ihr plötzliches Absterben erklären. Ist doch in diesem
Falle das Zurückbleiben im Wachstum nicht identisch mit einer ver-
zögerten Entwicklung wie bei den G. jozo 2 X G. capito-Embryonen,
sondern beruht wahrscheinlich nur auf der Vererbung der ge-
ringeren Länge der G. jozo-Larven. — Wir glauben hingegen den
Grund für das Absterben der Bastarde in der Beobachtung zu
64 Günther und Paula Hertwig:
sehen, dass ihr Herz kleiner als wie das der reinen Form ist.
Diese kleinere Herzanlage entspricht durchaus der intermediären
(‚rösse der Bastarde und würde zu deren Erhaltung wahrscheinlich
ausreichen, wenn nicht der Dotter so unverhältnismässig gross
wäre. Das Herz, das genügen würde, den Embryo mit einer ihm
proportionalen Dottermenge zu erhalten, ist nicht imstande, einen
für den normalen G. capito - Embryo berechneten Dotter zu be-
wältigen. An diesem Missverhältnis gehen unserer Meinung nach
die Embryonen zugrunde. Das zu stark beanspruchte Herz ver-
sagt, wie die intermittierenden Pulsationen und die fehlende
Zirkulation im Schwanz anzeigen. —-
Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass die ge-
störte Herztätigkeit mit dem Absterben der Bastarde zusammen-
hängt. Wie aber das Schlaffwerden der Hüllen und das Herausfallen
der Embryonen aus ihnen zu erklären ist, vermögen wir nicht
anzugeben.
Aus der Literatur ist uns nur ein Fall bekannt, wo die
Bastarde die Hüllen früher verlassen, als wie beide Eltern. Es
handelt sich um eine kurze Angabe von List, der beobachtete.
dass die Crenilabrus tinca 2 X Crenilabrus pavo Z Mischlinge
schon nach 9!/s Tagen ausschlüpften, während die reinen tinea-
16 Tage und die reinen pavo-Embryonen 10'/s Tage benötigten.
Ebenso konnte er an Eiern von Urenilabrus tinca, die mit
Spermatozoen von Ürenilabrus quinque maculatus befruchtet
wurden, eine Abkürzung der Entwicklungsdauer des Embrvo be-
obachten. Leider fehlen bei List alle näheren Angaben über
den Entwicklungszustand der Bastarde; es lässt sich also nicht
sagen, ob dem verfrühten Verlassen der Hüllen ähnliche Ursachen.
wie bei unseren Gobius capito 2 X jozo & Embryonen zugrunde
liegen. Beide Versuche stimmen darin überein, dass das Ei der
mütterlichen Art das grössere ist und längere Zeit zu seiner
Entwicklung braucht.
3. Gobius jozo 2 X Gobius minutus
Gobius minutus ® X Gobius j0zo @.
Da wir Gobius minutus nur zweimal und in wenigen Exem-
plaren geschlechtsreif erhielten, konnten wir nur eine Normal-
befruchtung, die sich gut entwickelte, und einmal die Bastardierungen
G. j0ozo 2? X minutus und G. minutus $ X jozo & ausführen. Der
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 65
Minutussamen war schlecht beweglich; ob dies nur an dem
benutzten Tier lag, oder ob es eine ständige Eigenschaft ist.
können wir nicht sagen. Es wurde von einer grösseren Anzahl
von G. jozo-Eiern nur ein einziges befruchtet. Es ging uns leider
während der ersten Tage der Entwicklung verloren. Noch weniger
Erfolg hatten wir mit der reziproken Kreuzung G. minutus ?. X
jozo d. Kein einziges G. minutus-Ei wurde besamt, trotzdem wir
uns in diesem Fall sowohl von der Befruchtungsfähigkeit des jozo-
Samens als wie von der Güte der G. minutus-Eier überzeugt hatten.
Da wir den Versuch nur einmal ausführten, ist natürlich nicht aus-
geschlossen, dass bei anderen G. minutus-Weibchen das Befruchtungs-
resultat ein etwas günstigeres ist. Doch glauben wir, dass sich nur
ein geringer Prozentsatz befruchteter Eier wird erreichen lassen.
Es ist anzunehmen, dass die Befruchtung auf rein mechanische
Hindernisse stösst, dass die Samenfäden von G@. jozo nicht durch
die Mikropyle von den G. minutus-Hüllen schlüpfen können.
4. Gobius jozo 2 X Crenilabrus pavo d
und Gobius capito 2% X Crenilabrus pavo 4.
Die Bastardierung Gobius jozo 2 X Crenilabrus pavo d
wurde dreimal von uns ausgeführt. In allen Versuchen wurde
nur ein geringer Prozentsatz der Gobiuseier vom Urenilabrus-
samen befruchtet. Diese Eier, in dem einen Versuch 25, teilten
sich anfangs normal und gleichzeitig mit den Kontrolleiern.
Während aber am 2. Tage nach der Befruchtung die Kontrollen
sich zu kleinen Embryonen mit Kopf, Schwanz und Augenblase
entwickelt hatten, waren in den Bastardkulturen nur pathologische
Larven (Fig. 11) zu finden. Am 3. Tage zeigten diese bereits deut-
liche Spuren des Zerfalles und am 4. Tage nach der Befruchtung
war alles Material abgestorben. Dasselbe Ergebnis hatte die
Kreuzung G. capito 2 X Crenilabrus pavo d. Wir erhielten einige
wenige stark missbildete Embryonen, die am 4. Tage abstarben.
Auf Schnittpräparaten von dem Zweiteilungsstadium fanden
wir in der einen Serie die Eier im Übergang zur Vierteilung mit
zwei normalen Spindeln: eine Sonderung der väterlichen und mütter-
lichen Chromosomen war nicht zu erkennen. Die Eier der zweiten
Serie zeigten die eben vollendete Vierteilung mit lappigen bläschen-
förmigen Kernen, wie wir sie auch im normal befruchteten
Gobiusei beobachtet haben. Diese Bilder bewiesen uns, dass sich
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 84. Abt. II. 5)
66 Günther und Paula Hertwig:
das gesamte Kernmaterial an dem Aufbau der Embryonen beteiligte
und nicht etwa eine Chromatinelimination wie bei den frühzeitig ab-
sterbenden Seeigelbastarden Baltzers stattfand. — Die Sistierung
der Entwicklung ist die Folge einer Erkrankung des gesamten
IKernmaterials. zu welcher die durch die artfremde Befruchtung
entstandene disharmonische Idioplasmaverbindung geführt hat.
5. Crenilabrus pavo 2? X Gobius jozo ZJ und
x Gobius capito d.
Bei diesen reziproken Kreuzungen bildeten sich überhaupt
keine Embryonen mehr, sondern die Eier starben bereits vor der
(Gastrulation ab. Sechs Versuche, die wir mit grösserem Material,
einmal mit etwa 200 Eiern, ausführten, hatten immer denselben
Erfolg. Das Befruchtungsresultat war stets ein sehr gutes (fast
immer 100°/o). Während der ersten Teilungen bemerkten wir
öfters sich simultan drei- und vierteilende Eier, die auf di- und
polvsperme Befruchtung zurückzuführen sind. Bei normaler Be-
fruchtung wurde nie Polyspermie beobachtet. bei Bastardbefruchtung
aber scheint sie leichter aufzutreten. — Bei den monosperm be-
fruchteten Bastardeiern verliefen die ersten Furchungen normal,
Schnitte zeigten uns wieder normale Spindeln oder bläschenförmige
Kerne. Aber während nach 24 Stunden die Keimhaut der Kontrollen
den Dotter fast ganz umwachsen hatten, waren die bastardierten
Eier als Blastulae in der Entwicklung stehen geblieben. Am
nächsten Tage zerfielen sie.
Wir haben hier also wieder einen Fall von Sistierung der
Entwicklung vor der Gastrulation, ein Beweis mehr, dass der
Übergang vom durchfurchten Ei zur Gastrula eine kritische
Periode bei bastardierten Eiern ist. Es ist bekannt, dass zahl-
reiche Amphibienmischlinge dasselbe Verhalten zeigen. Auch bei
Fischkreuzungen ist das Absterben vor der Gastrulation eine
häufige Erscheinung. Wir beobachteten dieselbe nicht nur in dem
Crenilabrus pavo 2 X Gobius jozo -Versuch, sondern auch bei
Kreuzungen von Gobius jozo 2 X Smaris alcedo 3. Bei diesem
Versuch war das Befruchtungsresultat kein günstiges, nur sechs
Eier furchten sich, und diese gingen alle als Blastulae zugrunde. —
Ein Absterben vor der Grastrulation berichten ferner Appellöt
bei seinen Kreuzungen von Pleuronectes platessa 2 X Gadus
morrhua g und Labrus rupestris 2 X Gadus morrhua d, sowie
Kreuzunesversuche an Knochenfischen. 67
Moenkhaus mit wenigen Ausnahmen bei seinen Fundulus 2 X
Menidia d Bastarden.
Die Abbildung eines Schnittes durch eine solche sich nicht
weiter entwickelnde Blastula ist in Fig. 17 gegeben. Es ist noch
eine grössere Zahl von Mitosen ausgebildet, an denen nichts
Pathologisches zu erkennen ist. Auffallend ist aber die Grösse der
ruhenden Kerne und ihre Zusammensetzung aus zwei, manchmal
auch aus drei und mehr Bläschen. Infolgedessen haben die Kerne
häufig eine hufeisenförmige Gestalt. Eine Abbildung von ruhenden
Kernen, die der unsrigen sehr ähnlich ist, gibt Moenkhaus,
(Fig. 27, cells from middle cleavage of a Menidia hybrid). Beide
Figuren, die unsrige, und noch mehr die von Moenkhaus,
erinnern an die von Rückert und Häcker gegebenen Ab-
bildungen von gonomeren Kernen bei Uyclops-Embryonen. Die
Zusammensetzung der ruhenden Kerne aus zwei Bläschen deuten
diese Autoren als Anzeichen einer Trennung von väterlichem und
mütterlichem Chromatin in späteren Entwicklungsstadien. Ebenso-
wenig wie Moenkhaus glauben wir aus der Ähnlichkeit mit
diesen Abbildungen den gleichen Schluss ziehen zu dürfen.
Moenkhaus hält eine Trennung von väterlichem und mütter-
lichem Chromatin, die er Anfangs beobachtete, auf diesem Stadium
für unwahrscheinlich, da er glaubt, bei späteren Mitosen eine
Vermischung der väterlichen und mütterlichen Chromosomen bei
erhaltener Individualität bemerkt zu haben. Da wir selbst auf
frühen Stadien nie eine Trennung der väterlichen und mütterlichen
Chromatinkomponenten wahrnehmen konnten, ist es unwahrschein-
lich, dass sich diese später so deutlich bemerkbar machen sollte.
Besonders spricht aber gegen die Annahme, dass die Kerne, wenn
sie auch häufig aus zwei Bläschen zusammengesetzt sind, doch
auch nicht selten aus drei und vier Karyomeren bestehen. Wir
glauben vielmehr in der lappigen Struktur der Kerne ein Degene-
rationszeichen zu erkennen. Auffallend war ferner noch, dass
die Kerne der Bastardkeimscheiben erheblich grösser waren als
diejenigen normaler Crenilabrusblastulae.
6. Crenilabrus pavo 2? X Crenilabrus tinca Z
und Crenilabrus pavo ? X Crenilabrus massa d.
Um Crenilabrusarten untereinander zu kreuzen, benutzten wir
die Eier von Cr. pavo und den Samen von Cr. tinca und Ur. massa.
DE"
68 Günther und Paula Hertwie:
Die beiden letztgenannten Fische sind erheblich kleiner als
Urenilabrus pavo. Während dessen Länge etwa 17—1S cm beträgt.
hatte unser Crenilabrus massa-Männchen nur eine Länge von
10 em, das Cr. tinca-Männchen nur eine solche von 7 em. Bei der
Bastardierung Cr. pavo 2 X tinca erhielten wir acht Embryonen, die
aber schon am 2. und 3. Tage abstarben, die Mischlinge Cr. pavo 2 X
massa d entwickelten sich zu langgestreckten Larven mit Herz-
pulsation, die sich von der Kontrolle kaum oder gar nicht unter-
schieden. Wegen unserer Abreise von Neapel konnten wir ihre
Entwicklung nicht weiter verfolgen. Da sich die Ur. pavo- X massa-
Bastarde so gut entwickelten. kommt uns das Resultat der
Ur. tinca-Kreuzung zweifelhaft vor. Der Versuch bedarf noch einer
Wiederholung, um so mehr, da List, so weit es aus seiner kurzen
Angabe hervorgeht, eine gute Entwicklung von Cr. pavo 2 X tinca &
Bastarden erhielt. Eine Wiederholung des Versuches dürfte, da
die Crenilabrusarten so erheblich in ihrer Grösse differieren, nicht
ohne Interesse sein.
7. Crenilabrus pavo 2 X Box boops &.
Bei dieser Bastardierung war uns das Ergebnis überraschend,
dass, trotz der nicht nahen Stellung der Fische im System und
ihrer grossen äusseren Verschiedenheit, Bastardembryonen gebildet
wurden, die sich von normalen Crenilabrus-Embrvonen kaum unter-
schieden. Leider konnten wir bei beiden mit Box-Sperma vor-
genommenen Bastardierungen die Entwicklung nicht bis zum Schluss
verfolgen. In dem ersten Versuch erhielten wir, da nicht ganz
einwandfreies Eimaterial zur Verwendung gelangte, nur ein sich
furchendes Ei. Dieses löste sich am 4. Tage seiner Entwicklung von
dem Boden des Entwicklungsgefässes los, und um den Embryo nicht
zu verlieren, konservierten wir ihn. Den zweiten Versuch konnten
wir erst 5 Tage vor unserer Abreise vornehmen; es mussten daher
die 2 Tage alten Embryonen ebenfalls in Zenker eingelegt werden.
Ein derartiger 2 Tage alter Crenilabrus pavo 2? X Box boops d
Bastard ist in Fig. 6 abgebildet. Die gleich alten normal be-
fruchteten Embryonen stehen etwa auf einem Entwicklungsstadium.
wie es List in Fig. 27 dargestellt hat. Wir sehen, dass sich die
beiden Embryonen in ihrer Entwicklung kaum unterscheiden. Die
Länge ist fast dieselbe, die Augen sind bei dem Bastard nur in
geringem Maße undeutlicher als wie bei der Kontrolle. " Das
x
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 69
Plasma einer Anzahl von Bastarden ist weniger durchsichtig.
Ferner ist bemerkenswert, dass bei den Bastarden schon Pigment-
zellen im Schwanze auftraten, die den normalen Crenilabrus-
Embryonen fehlen. Die frühzeitige Pigmentierung muss eine
durch den Samenfaden übertragene Eigenschaft der Box-Embryonen
darstellen. Leider fehlen uns, da wir nie reife Box-Eier erhielten.
diese zum Vergleich. Die gut entwickelten Bastarde dieser Kreuzung
hätten sich fraglos noch eine Reihe von Tagen weiter entwickelt.
Es sei hier noch bemerkt, dass es sich bei den eben
beschriebenen Mischlingen mit Bestimmtheit nicht um „falsche
Bastarde“, das heisst, um Embryonen parthenogenetischen Ur-
sprungs, handelt. Diese Annahme wird einwandfrei widerlegt
durch die Tatsache, dass bereits 2 Tage alte Embryonen eine
Eigenschaft, Pigmentierung des Schwanzes, aufweisen, die den
Urenilabrus-Larven nicht zukommt und nur durch die vererbende
Wirkung des Box-Spermas zu erklären ist. Messungen ergaben
ferner, dass die Bastarde etwas grössere Kerne als die gleichalten
Kontrollembryonen besassen. Die Kernvolumina der Bastarde
verhielten sich zu denjenigen reiner Crenilabrusembryonen etwa
wie 5:4.
s. Crenilabrus pavo 2? x Smaris alcedo 2.
Diese Kreuzung wurde von uns dreimal, am 22.. 24. und
26. April, mit dem gleichen Resultat ausgeführt; sie rechtfertigt
durch die bei ihr auftretenden eigentümlichen, bisher bei keiner
anderen Kreuzung beobachteten Erscheinungen eine nähere Be-
schreibung.
Da uns der Versuch am 26. April das meiste Material zur
zytologischen Untersuchung lieferte, so seien seine Ergebnisse
hier ausführlicher mitgeteilt.
Um 10°/s Uhr wurden Eier von Urenilabrus pavo in der
von uns stets geübten Weise mit der durch etwas Seewasser
verdünnten Samenmilch von Smaris alcedo übergossen. Die
Konzentration des Samens ist dabei, wie ein Versuch ergab.
ohne Einfluss auf den späteren Verlauf der Entwicklung. Das
Eindringen der Smarisspermatozoen in die Eier von Crenilabrus
pavo erfolgte ohne Schwierigkeiten; nur ein geringer Prozentsatz
der Eier blieb unbefruchtet. Nach 40 Minuten konnten wir das
Verschmelzen des Samenkernes mit dem Eikern am lebenden
Objekt beobachten ; eine viertel Stunde später wurde der einheit-
70 Günther und Paula Hertwieg:
liche bläschenförmige Kern undeutlich und entzog sich für einige
Zeit der Beobachtung, ein Zeichen, dass er in die Mitose ein-
getreten war. Bis hierher waren alle beobachteten Erscheinungen
genau der Norm nach verlaufen. Aber während jetzt bei der
normalen Kontrollzucht, ebenso wie bei allen anderen von uns
vorgenommenen Bastardierungsversuchen mit Crenilabruseiern, die
erste Teilebene etwa 1 Stunde nach der Befruchtung einschnitt,
unterblieb in unserer Smariskreuzung die Zweiteilung des Eies.
Statt einer normalen, rasch tief einschnürenden Furche beob-
achteten wir etwa 1'/a Stunde nach der Befruchtung, ungefähr
an der Stelle der Eioberfläche, wo wir die erste Furche zu er-
warten hatten, eine geringe Einschnürung und Faltung der Ober-
fläche, die jedoch nicht tiefer in das Plasma einschnitt. Unter
dem Mikroskop bei schwacher Vergrösserung beobachtet, erinnert
dieser Vorgang lebhaft an die bei der Teilung des Froscheies unter
dem Namen des Faltenkranzes von M. Schultze beschriebene
Erscheinung. Ebenso wie normalerweise beim Froschei schneidet
die erste Furche bei den mit Smarissamen bastardierten Üreni-
labruseiern abweichend vom normalen Vorgang nicht glatt ein,
sie ist vielmehr mit zahlreichen kleinen, seitlich verlaufenden Neben-
furchen versehen. Aber während beim Froschei beim tieferen Ein-
schneiden der Hauptfurche die Nebenfurchen wieder verschwinden
und die Teilung des Eies vollzogen wird, bleibt es bei unserem
Objekt fast stets bei diesem Versuch zur Teilung und die Ei-
oberfläche nimmt nach einiger Zeit wieder ein glattes Aussehen
an. Sehnitte durch Eier, die 1 Stunde 20 Minuten nach der
Besamung konserviert wurden, ergänzen die am lebenden Objekt
gemachten Beobachtungen. Wie Fig. 13 zeigt, haben sich an
einer Stelle der sonst glatten Eioberfläche zahlreiche Protoplasma-
fortsätze gebildet, die in ihrer Form lebhaft an die Pseudopodien
einer Amöbe erinnern. Es sei bei dieser Gelegenheit auf eine
Beobachtung von Boveri hingewiesen, der vom Monasterstadium
des Echinideneies beschreibt, dass an einer Stelle der Oberfläche,
zu der Zeit, wo das Ei normalerweise sich hätte teilen sollen,
kleine amöboide Protoplasmafortsätze auftraten, die sich sogar
manchmal abschnürten.
Während diese Vorgänge sich an der Obertläche des Üreni-
Jabruseies abspielen, sieht man etwa 1 Stunde 10 Minuten nach
der Befruchtung mit dem Smarissamen links und rechts von
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 7]
der faltenkranzartigen Einschnürung des Eiprotoplasma je einen
bläschenförmigen Kern sich ausbilden, ein Zeichen, dass die
Teilung des Eikernes in normaler Weise verlaufen ist. 10 Minuten
später werden diese beiden Kerne wieder unsichtbar und nach
einiger Zeit erscheinen vier neue bläschenförmige Kerne. So
geht die Vermehrung der Kerne in den bastardierten Eiern fast
synchron mit derjenigen in einem normal befruchteten Kontrollei
weiter, wie man leicht unter dem Mikroskop bei schwacher Ver-
grösserung am lebenden Objekt beobachten kann.
Während so die Karyokinese ein normales Verhalten zeigt.
ist die Plasmateilung auch fernerhin in höchstem Grade gestört.
Dabei machen sich bei den einzelnen Eiern desselben Versuches
Unterschiede geltend. So kann es vorkommen, dass zu der Zeit,
wo die Keimscheibe der normal befruchteten Kontrolleier in vier
gleich grosse Blastomeren geteilt ist, auch bei den bastardierten
Eiern die Vierteilung eintritt, die aber abweichend von der Norm
zur Zerlegung der Keimscheibe in zwei ganz grosse und zwei
ganz kleine Blastomeren mit je einem Kern führt. In der Mehr-
zahl der Fälle schnüren sich erst später, nachdem sich die Kerne
schon stärker vermehrt haben, an der Eioberfläche kleine kern-
haltige Plasmastücke ab, während grössere Bezirke der Keim-
scheibe mit vielen Kernen entweder ganz ungeteilt bleiben oder
an ihrer Oberfläche wieder das Auftreten von einem oder mehreren
Faltenkränzen erkennen lassen. Man gewinnt, wie es in unserem
Versuchsprotokoll heisst, den Eindruck, als ob die Plasmateilung
auch auf diesen späteren Stadien noch mit grossen Schwierigkeiten
verknüpft ist. Während daher 6°/4 Stunden nach der Befruchtung
die Keimscheibe normalerweise schon in viele kleine, gleich grosse
Zellen zerlegt ist und eine glatte Oberfläche besitzt, ist sie bei
den Bastardeiern in ganz unregelmässiger Weise gefurcht: es
finden sich grosse und kleine Zellen, die ihrer Oberfläche ein
unregelmässig höckeriges Aussehen verleihen (Fig. 10). Nur einige
wenige Eier machen eine regelmässigere Furchung durch, wenn-
gleich auch diese niemals als ganz normal bezeichnet werden kann.
Dass die ganz abnorm gefurchten Bastardeier nicht zur
Bildung eines Embryo schritten, vielmehr auf dem Morula- und
Blastulastadium abstarben, kann uns nicht wundernehmen. Da-
gegen entwickelten sich aus den wenigen regelmässiger gefurchten
Eiern in allen drei Versuchen einige Embryonen. Doch auch
72 Günther und Paula Hertwie:
diese liessen die Folge der auch bei ihnen in geringerem Grade
gestörten Furchung noch daran erkennen, dass gewöhnlich an
einer Seite der Embryonalanlage grosszellige Plasmapartien zu
beobachten waren, die nicht zur Bildung des Embryo verwandt
wurden. Infolgedessen blieben die Embryonen auch stets viel
kleiner als diejenigen der normalen Kontrollzuchten:; sie waren
meist viel schmäler und auch weniger lang. Die Differenzierung
der Organe ging etwa bis zum Stadium, wo die Augenbläschen
sich bilden, dann starben die Embryonen stets ab. In der Fig. 5
ist ein Bastardembryo aus unserem Versuch vom 26. April ab-
gebildet. Er hatte, ebenso wie der in Fig. 6 zum Vergleich ab-
gebildete Kontrollembryo, ein Alter von 2 Tagen erreicht. In
einem anderen Versuch vom 24. April entwickelten sich von einer
grösseren Anzahl mit Smarissamen kreuzbefruchteter Crenilabrus-
eier nur drei Stück zu Embryonen, die wir bis zum 3. Tage
weiter züchten konnten. Zwei von ihnen sind mit einer gleich
alten Kontrollarve in den Fig. 7—9 dargestellt.
Wie Schnitte durch diese Embryonen lehren, haben sich das
Nervenrohr, die Chorda, die Ohrbläschen und, wenn auch in recht
pathologischer Weise, die Augenbläschen differenziert. Kern-
messungen, die wir an mehreren Bastardembryonen sowohl an
den Zellen der Medulla, als der Ohrbläschen und der Chorda an-
stellten, führten zu dem bemerkenswerten Resultat, dass die
Kerne aller dieser Organe stets ganz erheblich grösser als die-
jenigen von gleich alten Kontrollembryonen waren. Die Kern-
volumina der Bastarde verhielten sich zu denen von reinen
Urenilabrusembryonen wie 9:5. Da uns reine Smarisembryonen
nicht zur Verfügung standen, so können wir nicht sagen, ob
diese erhebliche Kernvergrösserung bei den Bastarden allein auf
den Einfluss der väterlichen Smariskomponente zurückzuführen
ist. Die Smarisembryonen müssten sich dann im Vergleich zu
den Urenilabrusembryonen durch relativ grosse Kerne auszeichnen.
Es sei hier noch daran erinnert, dass wir auch bei den Embryonen
der Kreuzung Crenilabrus pavo 2 x Box boops & grössere Kerne
als bei den reinen Crenilabrusembryonen festgestellt haben. Da
über die Grössen der Bastardkerne im Vergleich zu denjenigen
der reinen Formen ausser den Angaben Baltzers, der bei den
Bastardlarven Sphaerechinus ? x Strongylocentrotus 8 Kerne von
intermediärer Grösse fand. noch keine Untersuchungen vorliegen,
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 15
so dürfte sich ein näheres Studium der Kerngrössen bei Bastarden
sicher empfehlen. Vorläufig können wir aus unseren Kernmessungen
bei den Urenilabrus 2 x Smaris 4 Bastarden nur den Schluss ziehen,
dass die väterliche Kernkomponente sich an dem Aufbau der
Embryonen beteiligt hat, es sich also um echte Bastarde handelt.
Die Richtigkeit unseres Schlusses wird durch die sogleich zu
besprechende zytologische Untersuchung der ersten Entwicklungs-
stadien des befruchteten Eies bestätigt.
Zur feineren mikroskopischen Untersuchung an Schnitt-
serien stand uns eine grössere Anzahl von Eiern zur Verfügung,
die wir zu verschiedenen Zeiten nach der Befruchtung konserviert
hatten. Zunächst konnten wir mit Sicherheit an Schnitten fest-
stellen, dass es sich bei der von uns beobachteten, verzögerten
und unregelmässigen Eiplasmateilung der mit Smarissamen bastar-
dierten Crenilabruseier nicht etwa um die Folgen einer Polyspermie
handelt, wie etwa bei der Barokfurchung der Kröteneier nach
Besamung mit konzentriertem Froschsamen. Vielmehr werden
die bastardierten Eier in der Regel nur von einem Spermatozoon
befruchtet. Es ist dies wohl der erste Fall, dass die monosperme
Befruchtung mit einem artfremden Samenfaden die Teilung des
Eies in so hohem Maße störend beeinflusst: es muss daher von
Interesse sein, den Ursachen dieser sonderbaren Erscheinung
nachzugehen. Denn die von Godlewski beschriebene stamm-
fremde Bastardierung von Echinideneiern mit Chaetopterussamen,
wo es im Anschluss an eine monosperme Besamung zu einem
raschen Zerfall der Seeigeleier kommt, verhält sich in jeder
Hinsicht verschieden. Denn bei Godlewskis Experimenten ver-
schmilzt zwar der Chaetopteruskern auch mit dem Eikern, wird
dann aber sofort wieder aus dem primären Furchungskern
eliminiert: es bildet sich eine monozentrische Strahlung um den
Furchungskern, und das Fi geht an Uytolyse zu Grunde. In
unseren Versuchen der artfremden Kreuzung dagegen beteiligt
sich das artfremde Smarischromatin regelmässig an den ersten
Mitosen. In der Fig. 14 ist eine erste Furchungsspindel abge-
bildet. Das väterliche und mütterliche Chromatin hat sich noch
gesondert erhalten, wobei die eine Kernhälfte in der Chromosomen -
bildung etwas gegen die andere im Rückstand ist. Höchst wahr-
scheinlich erfolgt bei den Knochenfischen auch normalerweise
keine vollständige Verschmelzung der beiden Vorkerne im be-
74 Günther und Paula Hertwie:
fruchteten Ei, wie etwa beim Seeigel, sondern die Kerne schreiten
ohne Durchmischung ihrer Bestandteile jeder für sich zur Bildung
der Chromosomen, wie es bei Ascaris die Regel ist. Es ist
möglich, dass sich die Sonderung der beiden Kernbestandteile
bei den bastardierten Fischeiern noch etwas schärfer erhält, dass
ferner die Chromosomenbildung in dem einen Kern etwas rascher
beendet ist, als in dem anderen und die Folge davon die an der
Fig. 14 zu konstatierende Bildung einer Doppelspindel ist, die
man bei normal befruchteten Eiern nicht sieht. Aber abgesehen
von dieser leichten Abweichung von der Norm findet sich nichts
Besonderes an der achromatischen Figur der ersten Furchungs-
mitose, die Spindelfasern sind gut ausgebildet und die Pol-
strahlungen in normaler Stärke entwickelt. Das einzige, was
uns in einigen Fällen, besonders bei den der ersten Kernteilung
folgenden Mitosen, auffiel, war eine geringfügige Verkürzung
der Spindel, wodurch sie eine leicht der Tonnenform sich nähernde
(restalt annahm. Aber wie gesagt, wir haben diese Spindelform
nur in vereinzelten Fällen und dann gerade erst bei den späteren
Mitosen gefunden, und möchten daher diesem Punkt bei der
Erklärung der wunregelmässigen Eiplasmateilung kein grosses
(ewicht beilegen.
Auch im weiteren Verlauf der ersten und ebenso der
folgenden Mitosen lässt sich nichts Abnormes nachweisen. Die
Chromosomen weichen auseinander, sammeln sich an beiden
Spindelpolen und bilden die Furchungskerne. Wir haben dabei
keinerlei auffälliges Nachhinken der artfremden Uhromosomen,
keine Elimination von Chromatin erkennen können: wir betonen
diesen Umstand ganz besonders, weil wir aus unseren Arbeiten
mit Seeigeleiern, zu deren Befruchtung uns auf chemisch oder
physikalischem Wege geschädigtes Sperma gedient hatte, wissen,
dass während der Mitose eliminiertes Chromatin die Teilung des
Eies verzögern oder sogar ganz zu verhindern vermag.
Wenn daher trotz normaler Spindelbildung, trotz regel-
mässiger Verteilung des Chromatins auf zwei Furchungskerne
und trotz normaler Kontraktion des Eiinhaltes und Ausbildung
einer plasmatischen Keimscheibe Anzeichen einer Protoplasma-
teilung an der Eioberfläche sich bemerkbar machen, doch niemals
eine regelrechte Durchschnürung des Plasma in zwei Furchungs-
zellen erfolgt, so müssen die Gründe hierfür höchst wahrscheinlich
Dı
Kreuzungsversuche an Knochenfischen.
in einer gestörten Beziehung der Furchungsspindeln zum Eiplasma
zu suchen sein, wie wir sogleich nachweisen wollen.
Es ist ja durch die Arbeiten von O. Hertwig, Boveri,
Teichmann, Conklin und vieler anderer Forscher bekannt, wie
wichtig die Einstellung der Furchungsspindel in einer bestimmten
Eiachse für den normalen Ablauf der ersten Teilung ist. Ver-
änderungen in der richtigen Lage der Spindel können die
schwersten Störungen der Eiteilung bedingen. Aus der Fülle der
Arbeiten wollen wir hier nur zwei Beobachtungen erwähnen. die
auch für den uns hier beschäftigenden Fall von besonderem
Interesse sind. In einer soeben erschienenen Arbeit hat Herlant
die Gründe für das Ausbleiben der regelrechten Furchung bei
Froscheiern studiert, die durch Anstich mit einer Glasnadel ohne
Zusatz von Blut zur künstlichen Parthenogenese angeregt waren.
Er konnte beobachten, dass auf den traumatischen Reiz hin der
haploide Eikern in die Mitose eintritt, die zur Teilung des Kernes
in zwei Furchungskerne führt. Infolge der haploiden Beschaffen-
heit des Kernapparates ist aber, wie Herlant nachzuweisen
sucht, die Furchungsspindel kürzer als die normale Spindel im
befruchteten Ei und ist daher nicht imstande, die grosse Plasma-
masse des Froscheies zur Teilung anzuregen. Diese kann erst
erfolgen, wenn durch Einführen eines Fremdkörpers, z. B. eines
Blutkörperchens in das Ei, accessorische Strahlungen auftreten,
die eine mehr periphere Lage der abnorm kurzen Furchungs-
spindel veranlassen. Wie hier nach den Mitteilungen von Herlant
die allzu zentrale Lage einer abnorm kurzen Spindel die Ei-
teilung behindert, so beeinflusst nach den Beobachtungen von
Bonnevie am Ei von Ascaris lumbricoides umgekehrt auch
eine zu periphere Lage der Spindelpole die Zellteilung in sehr
ungünstiger Weise, ja diese kann trotz mehrfacher Kernteilung
ganz ausbleiben.
Auch bei unserer Fischbastardierung haben wir nun Beob-
achtungen machen können, die für eine abnorme Spindeleinstellung
bei den ersten Mitosen sprechen. Wir erinnern zunächst an die
von uns bei der Beschreibung der Versuche auf Seite 71 er-
wähnten, abnorm viergeteilten Eier. Sie unterscheiden sich von
normal viergeteilten Eiern dadurch, dass ihre Keimscheibe anstatt
in vier annähernd gleich grosse Blastomeren in zwei ganz grosse
und zwei ganz kleine Teilstücke zerlegt war, von denen jedes
76 Günther und Paula Hertwig:
einen Furchungskern enthielt. Aus dieser Beobachtung lässt sich
mit Sicherheit der Schluss ziehen, dass bei diesen Eiern die
erste Furchungsspindel eine ganz exzentrische Lage eingenommen
haben muss, während in normal befruchteten Eiern die erste
Furchungsspindel stets in der Mitte der Keimscheibe gelegen ist.
Bei einigen dieser abnorm viergeteilten Bastardeier waren die
vier Furchungskerne bereits wieder in die Mitose eingetreten.
Man hätte nun eigentlich erwarten sollen. dass die Spindeln in
den zwei grossen Blastomeren sich ungefähr in das Zentrum der
Zellen einstellen würden. Statt dessen nahmen sie wieder eine
ganz exzentrische Lage in den an die kleinen Blastomeren an-
srenzenden Plasimapartien ein. Die Störung der Spindeleinstellung,
die bei der ersten Mitose schon eingetreten war, wiederholte sich
also auch bei den später folgenden und hätte, wenn die Eier
sich noch weiter entwickelt hätten, wohl zu einer Zerlegung der
beiden grossen Blastomeren in je zwei sehr ungleiche Teil-
stücke geführt oder sie hätte infolge der ganz peripheren Lage
der Spindelpole, wie bei dem von Bonnevie beschriebenen Falle
am Ascarisei, die Zellteilung ganz unmöglich gemacht. Wir
konnten ferner noch einen anderen Befund erheben, der gleich-
falls für eine Störung in der Spindeleinstellung beweisend ist.
Es handelt sich in diesem Falle um Bastardeier etwa 1 Stunde
10 Minuten nach der Befruchtung, die noch ganz ungeteilt waren,
in ihrem Innern jedoch bereits zwei Furchungskerne besassen,
die sich gerade zur nächsten Teilung anschickten. Das Stadium
entsprach also dem des normal zweigeteilten, in der Vierteilung
begriffenen Kontrolleies. Nach den Regeln, die namentlich dureh
Dispermieversuche über die Spindelstellung gewonnen wurden.
hätte man nun erwarten sollen,‘ dass die beiden im ungeteilten
Eiplasma isoliert liegenden Spindeln eine parallele Lage zu-
einander einnehmen würden. Anstatt dessen lagen die beiden
Furchungsspindeln schief zueinander, wie an Schnitten durch
unsere Bastardeier in zahlreichen Fällen mit Sicherheit nach-
gewiesen werden konnte.
Durch beide Beobachtungen halten wir es für bewiesen,
dass Abnormitäten in der Spindeleinstellung bei den mit Smaris-
samen bastardierten Eiern von Crenilabrus während der ersten
Mitosen vorhanden sind; wir glauben nicht fehl zu gehen, wenn
wir in dieser Störung der Spindeleinstellung die Hauptursache
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. {u
für die abnorme Furchung erblicken. Die abnorme Einstellung
der Spindel aber wird sicherlich in irgend einer Weise durch
die Befruchtung mit dem artfremden Samen verursacht. Ob aber
2. B. die gestörte Beziehung des artfremden väterlichen Kernes
zum Eiplasma hierfür verantwortlich gemacht werden muss, oder
ob, woran man auch denken könnte, das artfremde Zentrosom
in seiner Tätigkeit irgendwie behindert ist, und deshalb die Ein-
stellung der Furchungsspindel eine abnorme wird. die Beant-
wortung dieser Fragen muss weiteren Forschungen überlassen
bleiben. Durch die Untersuchung der reziproken Kreuzung, durch
Befruchtung des Crenilabruseies mit intensiv radiumbestrahltem
Smarissamen und dadurch hervorgerufener Ausschaltung des
väterlichen Chromatins von der Entwicklung, wodurch sich eventuell
eine Störung der Zentrosomentätigkeit nachweisen liesse, — um
nur einige Experimente zu nennen — können wir vielleicht in die
Ursachen dieser interessanten Verhältnisse noch tiefer eindringen.
Nur mit wenigen Worten sei jetzt noch das weitere Schicksal
unserer Bastardeier an der Hand mikroskopischer Schnittbilder
geschildert. Wir können uns hier um so kürzer fassen, als die
gar nicht oder unregelmässig gefurchten Fischeier im weiteren
Verlauf ihrer Entwicklung an die Befunde zahlreicher Autoren
erinnern, die bei Echiniden- und Molluskeneiern meist durch
mechanische und chemische Eingriffe die Plasmateilung ver-
hinderten und auf diesem, allerdings von dem unsrigen ganz
abweichenden Wege vielkernige Eier erzielten. Ebenso wie diese
Forscher an ihrem Material konnten wir bei unseren ungefurchten
Fischeiern etwa 6°/s Stunden nach der Befruchtung pluripolare
Mitosen zum Teil mit äusserst zahlreichen, zum Teil mit nur
ganz wenigen Chromosomen zwischen den einzelnen Spindelpolen
(Fig. 15 und 16, Taf. V) beobachten. Wir fanden ferner an
unserem Fischmaterial ebenfalls die Beobachtung Kostaneckis
bestätigt, dass in einem einheitlichen, ungeteilten Plasmabezirk
die Umwandlungsprozesse an den Kernen synchron sich abspielen,
also z. B. fast alle Kerne sich im Ruhestadium befinden oder in
Mitose, wie auf Fig. 12, begriffen sind. Dagegen scheint bei
unseren vielkernigen Fischeiern die Bildung von Verschmelzungs-
kernen (Synkarionten), wie sie bei unterbliebener Plasmateilung
beim Seeigel (z. B. von Godlewski und G. Hertwig) und bei
Maktra von Kostanecki beschrieben sind, gar nicht oder nur
78 Günther und Paula Hertwig:
ausnahmsweise zu erfolgen. Zwar liegen oft die einzelnen Kerne
dicht nebeneinander (Fig. 15), manchmal zu langen Ketten an-
geordnet, aber sie verschmelzen nicht miteinander. Nichtsdesto-
weniger finden sich vereinzelte Riesenkerne und im Anschluss an
sie solche bipolaren Riesenmitosen mit unzähligen Chromosomen,
wie eine in Fig. 15 rechts abgebildet ist. Ihre Entstehung ist
aber wohl darauf zurückzuführen, dass die oft dicht neben-
einander liegenden Kerne das Auftreten von pluripolaren Mitosen
begünstigen, wobei die Verteilung der Chromosomen auf die ein-
zelnen Pole eine ungleichmässige wird.
Wie schliesslich noch bemerkt zu werden verdient. unter-
bleibt eine Zellabgrenzung selbst in so späten Stadien, wie z. B. in
demjenigen. das in der Fig. 12 abgebildet ist. wo das ganze Ei-
plasma von Kernen erfüllt ist. Wohl sind einzelne Bezirke durch
lockeres Plasma und sogenannte Diastembildung voneinander ab-
segrenzt, aber eine wirkliche Plasmadurchschnürung ist noch nicht
erfolgt. Wir haben schon berichtet, dass diese ungefurchten Eier
niemals zur Bildung eines Embryos schreiten, vielmehr stets
frühzeitig absterben.
Allgemeiner Teil.
Im Laufe unserer Arbeit sind wir mit einer ganzen Reihe
von Artbastardierungen an Knochenfischen und ihren wechselnden
Ergebnissen bekannt geworden; wir wollen jetzt zum Schluss uns
noch mit der Frage beschäftigen, inwieweit der von OÖ. Hertwig
geschaffene Begriff der disharmonischen Idioplasmaverbindung zur
Erklärung unserer Versuchsresultate ausreicht. Nach OÖ. Hertwig
sind die im so hohem Grade verschiedenartigen Abstufungen in
dem Entwicklungsvermögen der bastardierten Eier der Ausdruck
für verschiedene Grade disharmonischer Konstitution, die nach
dem Befruchtungsakt zwischen den beiden Idioplasmen mütter-
licher und väterlicher Herkunft besteht. „Die idioplasmatische
Disharmonie beruht auf der verschiedenen materiellen Beschaffen-
heit der mütterlichen und väterlichen Kernsubstanzen und
ist von dem Grade der Verwandtschaft zwischen den beiden zum
Bastard verbundenen Stammformen abhängig.“
Mit dieser Lehre von O. Hertwig stehen die Haupt-
ergebnisse unserer Arbeit in guter Übereinstimmung. So liefert
z. B. die Kreuzung der beiden nahe verwandten, äusserlich bis auf
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 2
die erheblichen Grössenunterschiede sich sehr ähnlichen Gobius-
arten, Gobius jozo und Gobius capito, lebensfähige, wenn auch
schwächliche Embryonen, die oft bis zum Ausschlüpfen aus den
Eihüllen gezüchtet werden konnten. Bei Verwendung der zwei
ganz verschiedenen Familien angehörenden Gobiiden und Labriden
zum Kreuzungsexperiment erfolgt das Absterben des Bastard-
produktes schon auf dem Keimblasenstadium oder im Anfang der
Gastrulation. Im allgemeinen stimmen hierbei die Ergebnisse
reziproker Kreuzungen überein. Da nun in diesen Fällen allein
die Kernsubstanzen von mütterlicher und väterlicher Seite in
äquivalenter Menge sich an dem Aufbau des Bastardproduktes
beteiligen und da wir ferner durch die mikroskopische Unter-
suchung Anhaltspunkte für eine Kernerkrankung auf dem kritischen
Stadium (S. 67) erhalten haben, so glauben wir auch die Kern-
idioplasmadisharmonie, wie es im speziellen Teil geschehen ist,
für den Ausfall unserer Kreuzungsexperimente in erster Linie
verantwortlich machen zu müssen.
Wäre jedoch die Verschiedenheit der väterlichen und mütter-
lichen Kernsubstanzen und die bei ihrer Verbindung geschaffene
idioplasmatische Disharmonie allein für die Entwicklungsfähigkeit
des Bastardproduktes ausschlaggebend, so müssten reziproke Art-
kreuzungen stets zu genau identischen Entwicklungsresultaten
führen. Das ist nun aber bei unseren Versuchen nicht ganz der
Fall, vielmehr ergeben sich Unterschiede, die freilich nicht er-
heblicher Art sind, doch immerhin nicht übersehen werden dürfen.
So sterben z. B. alle mit Gobiussamen bastardierten Eier von
Crenilabrus pavo stets auf dem Blastulastadium ab, während die
Entwicklung bei der reziproken Kreuzung noch bis zur Gastrulation,
die allerdings stark pathologisch ist, fortschreitet. Bei den Gobius-
versuchen entwickeln sich die Bastardembryonen, die bei Ver-
wendung der Eier der kleineren jozo-Art erzielt wurden. viel
besser als diejenigen, die von den viel voluminöseren Eiern der
grösseren capito-Art bei der reziproken Kreuzung stammten. Es
ist klar, dass diese Unterschiede im Ausfall reziproker Kreuzungen
nicht durch die Verschiedenheit der väterlichen und mütterlichen
Kernsubstanzen, die ja in beiden Fällen dieselbe ist, erklärt
werden kann. Der Grund hierfür liegt vielmehr in der bei
reziproken Artkreuzungen verschiedenen Beschaffenheit des Ei-
plasma und den dadurch je nach der Richtung der Kreuzung in
so Günther und Paula Hertwie:
ihrem Grade wechselnden disharmonischen Beziehungen zwischen
Eiplasma und dem väterlichen resp. dem im Furchungskern ver-
einigten Bastardidioplasma.
Mit Recht hat Poll bei Besprechung der Fälle von unvoll-
kommener Reziprozität in den Ergebnissen der Bastardbefruchtung
darauf hingewiesen, dass wir es ja beim Kreuzungsversuch „nicht
mit der chemisch reinen Erbmasse, sondern mit wohl differen-
zierten Erbzellen zu tun haben“. So ist es ja namentlich eine
von Echiniden und Amphibien her bekannte Erscheinung, dass
die spezifische Beschaffenheit der Eihüllen oder die Form der
Spermatozoen das eine Mal die Bastardierung ermöglicht, während
sie im reziproken Fall nicht gelingt. Neue Beispiele dieser Art
haben wir in unserer Arbeit auch bei Fischen kennen gelernt.
wir erinnern nur an den verschieden grossen Prozentsatz be-
fruchteter Eier bei den beiden reziproken Kreuzungen der Gobiiden
mit den Labriden.
Aber nicht nur für den Erfolg oder Misserfolg der Be-
fruchtung ist die spezifische Struktur der Keimzellen verant-
wortlich zu machen, auch für den Ablauf der ersten Entwick-
lungsprozesse ist die Beschaffenheit des Eiplasmas resp. des
Deutoplasmas von Bedeutung, wie sich an der Hand einiger
unserer Versuchsresultate nachweisen lässt.
Die von uns bei der Kreuzung Crenilabrus pavo 2 x Smaris
aleedo 2 beschriebene auffällige Störung der Eiteilung und der
dadurch bedingte unregelmässige Furchungsprozess und häufige
Zerfall des Eies auf dem Blastulastadium beruht sicher nicht auf
einer Disharmonie der väterlichen und mütterlichen Kernsub-
stanzen, zumal da wir ja in den vereinzelten Fällen von regel-
mässigerer Furchung die Bildung von Bastardembryonen beob-
achtet haben. Der Grund für die abnorme Furchung ist vielmehr.
wie wir im speziellen Teil nachzuweisen uns bemüht haben. in
einer gestörten Beziehung des Samenkernes (eventuell auch des
Spermazentrosoms) zum Eiplasma zu suchen. Leider fehlt uns
die reziproke Kreuzung. Es ist leicht möglich, dass hier die
Eiteilung wegen der anders gearteten Struktur des Smariseies
ganz normal verläuft.
Einen interessanten Fall von gestörtem Wechselverhältnis
zwischen Spermakern und Eiplasma hat ferner Baltzer mit-
geteilt. Bei der Kreuzung Sphaerechinus 2 x Strongvlocentrotus 3
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. sl
beteiligen sich die beiden (reschlechtskerne an dem Aufbau der
Furchungskerne, und es entstehen intermediäre Bastardplutei. Bei
der reziproken Kreuzung dagegen werden die väterlichen Sphaere-
chinuschromosomen bei der ersten Mitose aus dem Furchungs-
kern zum grössten Teil eliminiert. Die Folge hiervon ist eine
Erkrankung der Keime auf dem Blastulastadium. Der verschieden-
artige Ausfall der reziproken Kreuzung beruht hier also nicht
auf einer Disharmonie der beiden Kernidioplasmen, sondern viel-
mehr, wie Baltzer meint, in einer besonders grossen Empfind-
lichkeit der Sphaerechinuschromosomen gegen das artfremde Ei-
plasma, eine Erklärung, die dadurch noch an Wahrscheinlichkeit
gewinnt, als die Sphaerechinuschromosomen auch in dem Eiplasma
von Arbacia ein gleiches Verhalten zeigen.
Ein Beispiel für ein gestörtes Wechselverhältnis, das zwischen
den im Bastardidioplasma repräsentierten Entwicklungstendenzen
und den allein von der Eizelle übertragenen Deutoplasmasubstanzen
besteht, liefern unsere Kreuzungen der beiden Gobiusarten mit-
einander. Bei Verwendung der kleinen Eier des Gobius jozo erhält
man lebensfähige, aus den Hüllen schlüpfende, wenn auch etwas
schwächliche Bastardembryonen, ein Zeichen dafür, dass in diesem
Fall zwischen den väterlichen und mütterlichen Kernidioplasmen
nur geringfügige Unterschiede bestehen. Trotzdem starben bei
der reziproken Kreuzung, bei Benutzung der erheblich grösseren
Eier von Gobius capito, alle Embryonen frühzeitig ab. Hier kann
es, wie im speziellen Teil näher ausgeführt ist, keinem Zweifel
unterliegen, dass die im zweiten Fall vorhandene, vergleichsweise
enorme Dottermenge des Eies von (sobius capito für das schlechte
Entwicklungsresultat verantwortlich gemacht werden muss. Der
Bastardembryo (Fig. 3), der eine mittlere Grösse zwischen den
Elternindividuen (Fig. 2 und 4) einzunehmen strebt, kann die für
seinen Bedarf viel zu grosse Dottermenge nicht bewältigen, die
Herzaktion versagt, und der Embryo stirbt ab. Ein ähnliches
Verhalten haben Newman und Bancroft bei den reziproken
Kreuzungen zweier Fundulusarten mit verschieden grossen Eiern
beobachtet; hier entwickelten sich gleichfalls die Bastardembryonen.
die von den voluminöseren Eiern stammten, viel schlechter als die-
jenigen aus den kleineren Eiern, wenn auch in diesem Fall die
Grössenuntersehiede der Eier nicht so beträchtlich wie bei unseren
Gobiiden waren, und infolgedessen das Entwicklungsresultat der
Archiv f.mikr. Anat. Bd.$4. Abt. II. 6
82 Günther und Paula Hertwie:
reziproken Kreuzungen sich nicht so verschieden wie in unseren
Experimenten gestaltete.
Es dürfte sicherlich von Interesse sein. noch andere nahe
verwandte Arten mit verschieden grossen Eiern (z. B. Labriden)
miteinander zu Kreuzen und festzustellen, ob auch hier eine durch
den verschiedenen Dottergehalt der Eier verursachte, gestörte
Reziprozität des Entwicklungsprozesses sich nachweisen lässt.
Überhaupt wird uns das genauere Studium ausgedehnterer, syste-
matisch durchgeführter Artbastardierungen sicher noch manchen
Einblick in die Beziehungen zwischen Kern. Plasma und Eidotter
und die Bedeutung dieser verschiedenen Zellsubstanzen für den
Entwicklungsprozess gewähren.
Es ist gerade im letzten Jahr im Anschluss an die Ergebnisse
gewisser Artbastardierungen von A. Schreiner, Goldschmidt
und R. Hertwig die Meinung geäussert worden, dass die Kerne
nicht allein die Arteigenschaften übertrügen. sondern dass auch
das Protoplasma hierbei eine wichtige, vielleicht sogar ausschlag-
gebende Rolle spiele. Die Kerne bestimmten möglicherweise nur
die individuellen Merkmale. So sagt Goldschmidt: „Die An-
lagen werden von den ganzen Geschlechtszellen vererbt, ja vielleicht
vorzugsweise oder ganz im Plasma. Aber die „Ausführungs-
ursachen* im Sinne Rouxs, die Stoffe, die die Vollendung des
(regebenen bedingen, wir können direkt sagen „die Hormone der
definitiven Gestaltung werden von den Chromosomen getragen“.
Wir glauben nicht, dass wir durch die experimentellen Tatsachen
zu diesen Schlussfolgerungen genötigt werden, und halten nach
wie vor an der Lehre OÖ. Hertwigs und Strasburgers fest,
dass der Kern allein Träger des Idioplasma ist.
Wir geben zu. dass, wie namentlich R. Hert wig hervorhebt,
aus den Ergebnissen von Kreuzungsversuchen nahe verwandter
Spezies streng genommen nur der Schluss zu ziehen ist, dass die
beiden Gameten in bezug auf die Übertragung der individuellen
Potenzen, der Spezialmerkmale, äquivalent sind. Richtig ist ferner,
dass dem reifen Ei. namentlich für den Ablauf der ersten Ent-
wicklungsvorgänge, ein höherer Wert zukommt als dem Samenfaden.
Es ist schon von O. Hertwig in seiner Schrift über die Kern-
fragen der Entwicklungs- und Vererbungslehre ausdrücklich bei Be-
Kreuzungsversuche an Knochenfischen. 85
sprechung der Theorie der organbildenden Substanzen betont worden,
dass die reife Eizelle durch den spezifischen Bau ihres Protoplasma,
durch die Menge und die Verteilung der in ihr angesammelten
Dottersubstanzen den Ablauf der ersten Entwicklungsvorgänge
stärker beeinflusst als der Samenfaden. Unsere Artkreuzungs-
versuche zeigen. dass es tatsächlich, wie man erwarten konnte,
namentlich die frühen Entwicklungsstadien sind, die besonders
deutlich den Einfluss der Eistruktur erkennen lassen. Doch macht
der Vergleich gewisser ausgewachsener Artbastarde, wie z. B. von
Maulesel und Maultier, oder einiger Schmetterlingsbastarde den
Schluss wahrscheinlich, dass auch die Unterschiede, die in ihrem
Bau vorhanden sind, auf das an ihrem Aufbau beteiligte Eiplasma
zurückzuführen sind. Wie dieser noch so spät wahrnehmbare
Einfluss des Eiplasma zu erklären ist, können wir im einzelnen
nicht sagen: es sei jedoch darauf hingewiesen, dass gewisse sehr
charakteristische Eigenschaften der ausgewachsenen Individuen
schon frühzeitig in dem Bau der Eizelle ihren Ausdruck gefunden
haben. Ob eine Schnecke zu einer rechts oder links gewundenen
wird, ist schon in der Plasmastruktur des reifen Eies festgelegt;
der Samenfaden kann auf diese Eigenschaft keinen Einfluss mehr
ausüben.
Alle diese Tatsachen lassen sich jedoch mit der Kern-
idioplasmatheorie in gute Übereinstimmung bringen. Das reife
Ei hat hier während der ganzen Zeit seiner Entwicklung von der
Ureizelle an unter dem Einfluss des rein mütterlichen Idioplasma
gestanden; erst mit dem Moment der Befruchtung wird auch dem
väterlichen Idioplasma Gelegenheit gegeben, auch seinerseits dem
neuen Individuum seine Eigenschaften aufzuprägen. Wir erblicken
daher in der Tatsache, dass dem reifen Ei eine gewisse höhere
Wertigkeit bei der Übertragung der elterlichen Eigenschaften
zukommt als dem Samenfaden, keinen entscheidenden Einwurf
gegen die Richtigkeit der Kernidioplasmatheorie. Ein solcher
lässt sich unserer Meinung nach überhaupt nicht aus dem Ver-
gleich der ersten Generation reziproker Artbastarde herleiten.
Erst dann würden wir eine Mitbeteiligung des Protoplasma an
der Übertragung der Arteigenschaften als erwiesen ansehen können,
wenn die F>-Generationen reziproker Artbastarde, als Ganzes be-
trachtet. ebenfalls noch deutliche Unterschiede aufwiesen. Erst
aus dieser Beobachtung würde sich der Schluss ziehen lassen,
6%
Ss4 Günther und Paula Hertwig:
dass die (Geschlechtszellen der beiden Fı-Generationen trotz
identischer Kernzusammensetzung einander nicht gleich wären,
dass sich also tatsächlich die Verschiedenheiten des Protoplasma
auch auf die Greschlechtszellen des neuen Individuums vererbt
hätten. Leider steht die Sterilität der meisten Artbastarde der
Ausführung derartiger Experimente hindernd im Wege. Kreuzungs-
versuche, die Wichler neuerdings mit den beiden Nelkenarten
Dianthus Armeria und Dianthus deltoides anstellte, führten zu
dem Ergebnis, dass die Nachkommen der reziproken Kreuzungen,
also die Fı-Generationen, in der Grösse voneinander abwichen,
dass jedoch die Fs-Generationen der beiden reziproken Kreuzungen,
als Ganzes betrachtet, nicht voneinander verschieden waren. Jedoch
ist es möglich, dass in diesem Fall die (rössenunterschiede der
Fı-(Generation nicht auf plasmatischen Differenzen der Eizellen,
sondern nur, wie Wichler für möglich hält, auf der verschiedenen
Ernährung der Samen durch die jeweilige Mutterpflanze beruhen.
Es wäre zu wünschen, dass bald weitere beweiskräftigere Experi-
mente in dieser Richtung angestellt würden.
Wenngleich also nach den Resultaten der Artkreuzung die
Möglichkeit zuzugeben ist, dass auch das Protoplasma sich an
der Übertragung der Artmerkmale mitbeteiligt, so fehlt doch für
diese Annahme noch jeder positive Beweis. Wir vermögen daher
den Experimenten über Artbastardierung für die Entscheidung
der Frage nach der Lokalisation des Idioplasma keine so grosse
Bedeutung zuzuschreiben; zumal da andere Beobachtungen, die
bei einer so schwierigen Frage doch nicht ausser acht gelassen
werden sollten, den Kern bei der Vererbung eine viel wichtigere
Rolle spielen lassen, als es nach den allein auf die Ergebnisse
der Artkreuzungen gestützten Anschauungen von Goldschmidt,
R. Hertwig und A. Schreiner scheinen könnte. Durch die
Radiumversuche von O. und G. Hertwig und ebenso durch die
zahlreichen Bastardkombinationen, bei denen das Bastardprodukt
auf dem Keimblasenstadium abstirbt, ist bewiesen worden, dass
der väterliche Kern nicht nur die individuellen, meist erst auf
späten Entwicklungsstadien zutage tretenden Merkmale überträgt,
sondern auch schon auf so frühe und grundlegende Prozesse wie
den Gastrulationsvorgang einen bestimmenden Einfluss ausübt.
Es werden also, wie Häcker bei Besprechung der Versuchs-
resultate von 0. Hertwig sagt, auch Erscheinungen mehr
Kreuzungsversuche an Knochenfischen 55
genereller Art durch den Kern beherrscht und kontrolliert. Auch
die Zerlegung der Kernsubstanzen in gleichwertige Hälften durch
den Prozess der Karyokinese lässt sich ferner, um nur einen
wichtigen Punkt noch zu nennen, als Argument für die Richtig-
keit der Kernidioplasmatheorie anführen. Wäre tatsächlich auch
das Protoplasma Träger der Arteigenschaften, so müssten wir
verlangen, dass ein der Karyokinese analoger Prozess eine gleich-
mässige Verteilung von undifferenziertem, für die Art
charakteristischem Plasma von der Eizelle auf die Geschlechts-
zellen des neuen Individuums bewirkte.
Somit können wir die Lehre von O. Hertwig und Stras-
burger, dass das Idioplasma von Nägeli in den Kernsubstanzen
lokalisiert ist, mit den Worten Boveris noch immer als eine
Theorie bezeichnen: „die eine Reihe gewichtiger Tatsachen für
sich und bis jetzt noch keine einzige gegen sich hat“.
S6 Günther und Paula Hertwig:
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88 Günther und Paula Hertwig: Kreuzungsversuche etc.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel V.
Die Herstellung der Fig. 1—10 erfolgte so, dass von den Embryonen mikro-
photographische Aufnahmen angefertigt wurden, und auf den Kopien derselben
noch die feineren Details mit Tusche und Bleistift eingezeichnet wurden. —
Die Fig. 12—17 wurden nach überzeichneten Photogrammen von Schnitt-
präparaten angefertigt. — Die Fig. 11 und 18 wurden mit Hilfe des Abbe-
schen Zeichenapparates gezeichnet.
Die Fig. 1—4 sind 30 mal, die Fig. 5—11 sind 50 mal vergrössert.
Fig. 1. Bastardlarve von Gobius jozo 2 X Gobius capito d. 9 Tage alt.
Fig. 2. Reiner Gobius jozo-Embryo als Kontrolle zu Fig. 1, 9 Tage alt.
Fig. 3. Bastardlarve vop Gobius capito 2 X Gobius jozo d, 9 Tage alt.
Fig. 4. Zu Fig. 3 gehöriger Kontrollembryo einer reinen Gobius capito-
Zucht, 9 Tage alt.
Fig. 5. Bastardembryo von Crenilabrus pavo 2 x Smaris alcedo &,
2 Tage alt.
Fig. 6. Bastardembryo von Crenilabrus pavo @ x Box boops d, 2 Tage
alt. Dient gleichzeitig als Kontrolle zu Fig. 5, da sich der Bastard-
embryo bis auf die Pigmentbildung nicht von 2 Tage alten reinen
Urenilabrus pavo-Larven unterscheidet.
Fig. 7 und 8. Zwei Bastardembryonen von Crenilabrus pavo 2 X Smaris
alcedo &. 3 Tage alt.
Fig. 9. Zu Fig. 7 und 8 gehöriger Kontrollembryo einer reinen Crenilabrus
pavo-Zucht, 3 Tage alt.
Fig. 10. Unregelmässig geturchtes Bastardei von Crenilabrus pavo @ x
Smaris alcedo Z, 6°, Stunden nach der Befruchtung.
Fig. 11. Bastardembryo von Gobius jozo @ X Crenilabrus pavo &, 2 Tag alt.
Fig. 12. Schnitt durch die Keimscheibe eines Bastardeies von Crenilabrus
pavo 2 X Smaris alcedo d, 6° Stunden nach der Befruchtung.
Vergrösserung: 250 fach.
Fig. 13. Schnitt durch ein Ei der Crenilabrus pavo 2 x Smaris alcedo
Kreuzung zur Zeit der „Faltenkranz“-Bildung. 1 Stunde 10 Minuten
nach der Befruchtung. Vergrösserung: 250 fach.
Fig. 14. Doppelspindel (erste Furchungsspindel) aus einem Ei der Crenilabrus
pavo ® x Smaris alcedo & Kreuzung. 55 Miruten nach der Be-
fruchtung. 800 mal vergrössert.
Fig. 15 und 16. Pluripolare Mitosen aus Schnitten durch die Crenilabrus
pavo 2 x Smaris alcedo & Eier, 6°/ı Stunden nach der Befruchtung.
S00O mal vergrössert. -
Fig. 17. Schnitt durch die Blastula eines Crenilabrus pavo @ x Gobius
capito & Bastards, 24 Stunden alt. Vergrösserung: 800 fach.
Fig. 18. Drei Kerne aus einer Fig. 12 entsprechenden Keimscheibe, bei
Zeiss’ Linse D, Tubuslänge 160, Okular 4 in der Höhe des
Öbjekttisches gezeichnet. .
59
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei
von Ascaris megalocephala.
Von
Friedrich Meves in Kiel.
Hierzu Tafel VI und VII.
Untersuchungsmethode.
In einer früheren Arbeit (1911) habe ich das Verhalten
der Plastochondrien bei der Befruchtung des Ascariseies mit Hilfe
der Altmannschen Methode bis gegen den Ablauf der zweiten
Reifungsteilung verfolgt. Über diesen Zeitpunkt war ich damals
nicht hinausgegangen, weil das Interesse, welches ich an dem
(regenstand nahm, damit vorläufig erschöpft war und, weil es mir
nicht geglückt war, die späteren Entwicklungsstadien der Eier
auf die gleiche Weise wie die jüngeren gut zu fixieren.
In die Sicherheit und Zuverlässigkeit der zum Nachweis
der Plastosomen dienenden Methoden dürfen wir bekanntlich
grosses Vertrauen setzen, sobald es uns gelungen ist, das
Fixierungsmittel unmittelbar auf die Zelle einwirken zu lassen.
Wir kennen zahlreiche Fälle, in denen Körner oder Fäden,
welche in lebenden Zellen sichtbar sind, durch diese Methoden
naturgetreu dargestellt werden können. Daraus ergibt sich auf
dem Wege des Analogieschlusses, dass die gleichen Strukturen,
welche man auf gleiche Weise bei anderen Objekten erhält, bei
denen man sie intra vitam nicht wahrnehmen kann, ebenfalls
vital präformiert sein müssen.') Es ist nun aber bekannt, dass
!) Arnold (Anat. Anz., Bd. 43, 1913, S. 459 Anm.) spricht von meiner
„Vorstellung von der infallibeln Leistungsfähigkeit der Mitochondrienmethoden,
die einer Kontrolle durch andere Methoden nicht bedarf“. Ich wüsste aller-
dings nicht, was dies für Kontrollmethoden sein sollten. Die von Arnold
benutzten Methoden der Mazeration und der sogenannten vitalen Färbung
erscheinen mir für diesen Zweck jedenfalls ungeeignet. Über die
Mazerationsmethode brauche ich wohl keine Worte zu verlieren; was aber
die Methode der sogenannten vitalen Färbung anlangt, so behaupte ich auf
Grund meiner Erfahrungen, dass sie für die Untersuchung der Protoplasma-
struktur einstweilen nur mit der grössten Vorsicht zu verwenden ist. Die
Körnchen und kurzen körnigen Fädchen, welche man auf diese Weise
90 Friedrich Meves:
die Plastosomen bei grösseren Objekten nur in einer schmalen
peripheren Zone gut fixiert werden. welche am stärksten der
Einwirkung des Reagens ausgesetzt war. Bei den Ascariseiern
bildet die Schale, welche besonders vom Ende der zweiten
reifungsteilung an ausserordentlich resistent geworden ist, ein
Hindernis, welches dem Herandringen des Fixierungsmittels die
grössten Schwierigkeiten bereitet. Selbst wenn man die Eier
durch Zerzupfen in Altmannschem Gemisch isoliert hat, werden
sie von dem genannten Stadium an erst nach Ablauf einiger
Zeit abgetötet und kommen auch dann zunächst jedenfalls nur
mit einer ganz minimalen Menge des Reagens in Berührung.
Ich habe daher, schon in den Jahren 1910— 1911. ein zu-
erst von Artom (1908 in einer Mitteilung aus dem Würzburger
Zoologischen Institut) empfohlenes Verfahren angewandt, welches
gestattet, auch die dick beschalten Eier von Ascaris mit dem
Altmannschen Gemisch momentan zu fixieren. Es besteht darin.
die im Uterus enthaltenen lebenden Eier, nachdem sie das ge-
wünschte Stadium erreicht haben, mit einem Kohlensäure-
(refriermikrotom zu schneiden und sie dann in die Fixierungs-
tlüssigkeit zu bringen.
Durch die Kälte wird eine Schädigung der beschalten Eier
nicht bedingt. Boveri (1885, S. 14) hat schon darauf hin-
gewiesen, dass auf die reifenden, bei der Körpertemperatur des
Wirtes sich entwickelnden Eier die Abkühlung pathologisch wirkt,
dass dagegen „für die sich furchenden Eier, die zu dieser Zeit
den Körper des Wirtes in der Regel schon verlassen haben,
niedere Temperatur keine Schädlichkeit ist“. Artom hat be-
erhält, stellen nach meiner Überzeugung in der Mehrzahl der Fälle Aus-
scheidungen dar, welche die „vitalen Farbstoffe“ mit Bestandteilen des
Protoplasmas erzeugen (man vergleiche hierzu Meves: (resammelte Studien
an den roten Blutkörperchen der Amphibien, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 77,
1911, S. 497: ferner schon früher W. Pfeffer: Uber Aufnahme von Anilin-
farben in lebende Zellen, Untersuchungen aus dem Botanischen Institut
zu Tübingen, Bd. 2, Leipzig 1886—-1888 und verschiedene andere). Die so-
genannte vitale Färbung bedarf bei ihrer Anwendung auf das Studium der
Protoplasmastruktur in viel höherem Grade als die Plastosomenmethoden
der fortgesetzten Kontrolle durch das ungefärbte lebende Objekt. Dies
würde mein Standpunkt bleiben, selbst wenn er, wie Arnold (übrigens
unzutreffend) meint, „alle überraschen“ sollte, die sich ausser mir mit der
„Methode der vitalen Färbung“ in der genannten Anwendung beschäftigt
haben.
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 91
schalte Ascariseier, die er auf — 6° Ü abgekühlt hatte und .die
untersten auf dem Objekttisch angetrorenen Eier nach ‘dem
Zurückbringen in normale Temperatur sich ungestört weiter
entwickeln sehen.“
Für die Untersuchung kommen (Artom) nur solche Eier
in Betracht, bei denen die Schale ohne jede Deformation des
Inhalts durchschnitten oder auch nur angeschnitten wird. Nach
Artom ist es „nicht einmal nötig, dass ein wirkliches Loch
entsteht, sondern es scheint zu genügen, wenn nur die äussersten
Schichten der Schale, welche offenbar die allein widerstands-
fähigen sind, angeschnitten werden“. Dagegen sind wirklich zer-
schnittene Eier, wie Artom bereits konstatiert, „in ihren feineren
Strukturen sehr erheblich geschädigt“.
Artom empfiehlt daher, die Schnitte nicht zu dünn herzu-
stellen; eine Dicke von 30 « hat sich ihm am besten bewährt.
Da nun aber der Durchmesser der beschalten Eier nach meinen
Messungen!) ca. 70—75 u, die Schalendicke ca. 7 «, der Durch-
messer der protoplasmatischen Eikugel kurz vor Eintritt der
Furchung noch ca. 40 u beträgt, so ergibt sich daraus, dass, wenn
die Eikugel nicht angeschnitten werden soll. eine Schnittdicke von
30 «u noch viel zu gering ist. Ich habe daher meine Gefrier-
mikrotomschnitte meistens 60 u dick (teilweise sogar noch dicker)
hergestellt.
Das geschnittene Material wurde noch in gefrorenem Zu-
stand in das Altmannsche Gemisch übertragen, 24 Stunden
darin belassen und dann in der früher von mir beschriebenen
Weise (1911, S. 687) weiterbehandelt und in Paraffin eingebettet;
bei der Einbettung kamen wiederum Gelatinehülsen mit bestem
Erfolg zur Verwendung.
Die 4 «u dicken Paraffinschnitte wurden nach Rubaschkin
(1910) zuerst in eine !/ı proz. Lösung von Kalium hypermanganicum
und hinterher in ein Gemisch von gleichen Teilen einer 1proz.
Lösung von Oxalsäure und einer gleichfalls 1proz. Lösung von
Kalium sulfurosum hineingebracht, wobei der Aufenthalt in jeder
der beiden Flüssigkeiten, wie auch Levi (1912) empfiehlt. auf
!) Die Messungen habe ich an den Altmann-Präparaten vorgenommen,
welche ich für diese Arbeit hergestellt habe. Es war mir leider wegen
Mangels an Material in letzter Zeit nicht mehr möglich, die erhaltenen Zahlen,
wie ich beabsichtigt hatte, am lebenden Objekt zu kontrollieren.
92 Friedrich Meves:
ca. 4 Minuten bemessen wurde. Dann wurde nach der 1911,
S. 685— 689 angegebenen Vorschrift mit Säurefuchsin-Pikrinsäure
nach Altmann gefärbt.
Eigene Beobachtungen.
Wie ich früher (1911, S. 694 ft.) beschrieben habe, ziehen
sich die Plastochondrien des Ascariseies im Laufe der. ersten
wichtungsteilung zu einem dichten kugeligen Hof um das im
Eizentrum gelegene Spermium zusammen. Die männlichen Plasto-
chondrien wandern, nachdem sie sich zerlegt haben, aus dem
Sperminm aus und vermischen sich mit den weiblichen. Der
Protoplasmakörper des Spermiums besteht nunmehr ausschliesslich
aus „Grundsubstanz“.
Nachdem auch der zweite Richtungskörper ausgestossen ist.
beginnt der Spermakern in den bläschenförmigen Zustand über-
zugehen. wobei er aus der ihn umgebenden Grundsubstanzhülle
herausschlüpft. Gleichzeitig wandert er aus der Anhäufung von
Plastochondrien aus und kommt schliesslich unter der Zellober-
fläche zu liegen.) Ebendort ist der Eikern nach Ablauf der
zweiten Richtungsteilung (an einer dem zweiten Richtungskörper
benachbarten Stelle) entstanden. Die protoplasmatische Eikugel
hat bis zu diesem Zeitpunkt. besonders bei der Bildung der
inneren Perivitellinhülle, stark an Volumen verloren, so dass ihr
Durchmesser nur noch etwa zwei Drittel bis ein halb so gross wie
früher ist. Im Protoplasma sind an meinen Präparaten ausser
den Plastochondrien noch zweierlei Bestandteile, grössere helle
Vakuolen und Dotterkörperchen, erkennbar (Fig. 1).
Die Dotterkörperchen sind die corpuscules refringents von
VanbBeneden, das sind nach seiner Beschreibung (18853, S. 50)
Klümpchen von punktförmigen Granulis, die durch einen Kitt von
annähernd derselben Lichtbrechung wie die Granula selbst ver-
klebt werden. Nach Van Beneden werden diese corpuseules
refringents durch Osmiumsäure nicht geschwärzt. An den Präpa-
raten, welche ich für die vorliegende Arbeit hergestellt habe, ist
!, In den Präparaten, welche ich für meine erste Ascarisarbeit (1911)
benutzt habe, konnte ich nicht selten beobachten, dass der Spermakern seine
Wanderung schon früher (während der zweiten Richtungsteilung) antrat, noch
bevor er sich von seiner Grundsubstanzhülle getrennt hatte; anf solche Bilder
bezog sich meine frühere Schilderung (1911, 5. 699).
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 5
dagegen bei den meisten Eiern (in allen gezeichneten. mit Aus-
nahme von Fig. 4) eine Schwärzung eingetreten. Diese ist aller-
dings zuweilen nur sehr schwach. Ist sie ganz ausgeblieben, so kann
man von den in Rede stehenden Körperchen nichts wahrnehmen :
sie erscheinen dann infolge der Aufhellung durch den Kanadabalsam
als leere Bläschen nach Art der vorhin erwähnten Vakuolen.
In der Folge verliert nun die grosse zentrale Plastochondrien-
anhäufung mehr und mehr ihre deutliche Abgrenzung. Ihre
Körner verteilen sich ziemlich gleichmässig durch den ganzen
Zelleib (Fig. 2).
Auf einem weiteren Stadium beginnt dann im Zentrum der
Zelle von neuem eine kleine Körneransammlung hervorzutreten,
neben welcher die beiden Vorkerne zu liegen kommen (Fig. 3).
Diese Ansammlung streckt sich aber, bevor sie noch grössere
Dimensionen angenommen hat, hantelförmig in die Länge und
teilt sich in zwei kugelige Massen durch. Im Innern einer jeden
Kugel erkennt man nunmehr ein Zentralkörperchen oder ein
Zentrosom (Fig. 4). Zentrosomen und Plastochondrienkugeln
weichen immer weiter auseinander, wobei beide an Grösse zu-
nehmen und zwar die Plastochondrienkugeln dadurch, dass sich
neue Körnchen an ihrer Peripherie anlagern. Es bleiben aber
noch immer eine grosse Anzahl von Plastochondrien im Zelleib
verteilt (Fig. 5). Die Zentrosomen liegen auf diesem Stadium
gewöhnlich nicht genau im Zentrum der Plastochondrienkugeln.
sondern der Mitte zwischen ihnen, der zukünftigen Äquatorial-
ebene der Spindel, genähert. Die Vorkerne nehmen meistens die
in Fig. 5 abgebildete Lage ein, d. h. sie haben sich bis zur Be-
rührung genähert; die Verbindungslinie ihrer Mittelpunkte steht
zu derjenigen der Zentrosomen senkrecht.
Auf dem sich anschliessenden Stadium (Fig. 6) sind die
Membranen der beiden Vorkerne geschwunden. Die nächstfolgende
Fig. 7 zeigt die erste Furchungsspindel auf der Höhe der Aus-
bildung. Die Plastochondrienkugeln haben sich meistens noch
etwas, wenn auch nur wenig, vergrössert; dagegen haben sich in
der Regel zahlreichere Körnchen in ihrer Umgebung angesammelt.
Die von den Zentrosomen ausgehenden Strahlungen, welche
jedenfalls schon auf dem Stadium der Fig. 5 vorhanden sind,
lassen sich an den mit Altmannschem Gemisch fixierten Präpa-
raten nicht wahrnehmen. Trotzdem trage ich kein Bedenken, als
94 Friedrich Meves:
meine bestimmte Meinung auszusprechen, dass die Plastochondrien
zwischen diesen Strahlen gelegen sind, indem ich darauf ver-
weise, dass wir zahlreiche Fälle kennen, in denen die Plasto-
chondrien bezw. Plastokonten den Bereich der Polstrahlung über-
haupt gänzlich freilassen.')
Dass die Plastochondrien in nächster Umgebung der Zentro-
somen stärker angehäuft sind, beruht wohl darauf, dass sie einer
Anziehung von seiten der Zentrosomen unterliegen. Die Be-
zeichnung Attraktionssphäre, welche Van Beneden seinerzeit
(1883, S. 332) für die an den Spindelpolen liegenden Bildungen
vorgeschlagen hat, erscheint mir daher durchaus angebracht. Die
Plastochondrien sind besonders im Bereich der Attraktionssphären
mehr oder weniger deutlich radiär zu den Zentralkörperchen oder
Zentrosomen angeordnet, weil sie sich in bezug auf ihre Lagerung
nach dem Verlauf der Polstrahlen richten müssen.
Die Verteilung und Anordnung, welche die Plastochondrien
des Ascariseies auf dem Stadium der „Äquatorialplatte“ zeigen,
hat ein hübsches Analogon in derjenigen der Farbstoffkörner in
pigmentierten Epithelzellen der Salamanderlarve. Flemming
beobachtete schon 1582 (S. 199), dass: die in diesen Zellen ent-
haltenen Pigmentkörner bei der Teilung „zu zwei Gruppen zu-
sammengeschoben werden, die ungefähr zu den Polen zentriert
sind“; „nur ist es niemals die gesamte Pigmentkörnermasse,
welche in diese Gruppen zusammenrückt, es bleibt immer ein
Teil verstreut auch im Mittelteil der Zelle gelagert“.
Im Laufe der Metakinese beginnt nun das Zentrosom, wie
Kostanecki und Siedlecki, v. Erlanger, Boveri schon
früher beschrieben haben, sich zu einem Kegel umzuformen,
dessen Achse in die Richtung der Teilungsachse fällt (oberes
Zentrosom in Fig. 8): die Spitze des Kegels ist gegen den
Äquator gerichtet. Die Kegelachse verkürzt sich in der Folge,
und zwar immer stärker, so dass das Zentrosom schliesslich
Scheibenform annimmt (Fig. 9). Diese Abplattung des Zentrosoms
geht mit einer solchen der Attraktionssphäre einher.
(Gleichzeitig mit dieser Abplattung, kurz vordem oder während
das Ei sich durchschnürt, spielt sich im Zelleib folgende Er-
!) Auch im Ascarisei ist zur Zeit der Zelldurchschnürung (vergl. unten)
ein Teil der Polstrahlung, nämlich derjenige, welcher gegen die Pole der sich
teilenden Zelle gerichtet ist. von Plastochondrien fast völlig geräumt.
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete, 5
scheinung ab. Fast sämtliche Plastochondrien, soweit sie nicht
in den Attraktionssphären anscheinend fester verankert liegen,
die grösseren hellen Vakuolen und die Dotterkörperchen drängen
sich in der Zellmitte zu beiden Seiten der Äquatorialebene zu-
sammen, während die polaren Teile der Eizelle von den genannten
Bestandteilen fast völlig frei werden (Fig. 9). Die gleiche Ver-
teilung besteht anfangs auch noch in den Tochterzellen. in welchen
die Attraktionssphären sich wieder abkugeln (Fig. 10 und 11).
Fig. 12 zeigt zwei Tochterzellen, welche bereits von neuem
in Mitose eingetreten sind; die Anordnung der Plastochondrien
und sonstigen Zelleinschlüsse ist dieselbe wie auf den entsprechenden
Stadien der ersten Teilung.
Literatur.
Van Beneden, der Entdecker der Attraktionssphären, hat
(ebenso wie die Mehrzahl der bisherigen Untersucher) zur Fixierung
der dick beschalten Eier starke Säuren oder stark säurehaltige
Mittel angewandt. Er beschreibt 1553, S. 332, dass an den Spindel-
polen im Umkreis der Polkörperchen ein morphologisch distinkter
kugeliger Körper vorhanden sei, welcher homogener erscheint als
der umgebende Dotter und von einem Kreis achromatischer
Körner begrenzt wird, die mit dem im Zentrum gelegenen Pol-
körperchen durch sehr feine Fäden in Verbindung stehen. In der
Arbeit von Van Beneden und Neyt (1857, S. 264) wird eine
hellere Mark- und eine Rindenzone der Attraktionssphäre unter-
schieden. Im Bereich der Markzone, welche von einem Kreis von
gröberen Körnchen begrenzt wird, sind die radıären Fäden wenig
deutlich und wenig zahlreich. Die Fäden der Rindenzone kon-
vergieren nicht genau gegen das Zentrum der Sphäre, sondern
häufig gehen zwei oder mehrere von ihnen von einem der gröberen
Körnchen aus, welche an der Grenze zwischen Mark- und Rinden-
zone gelegen sind.
Ausser den hier beschriebenen Präparaten, in denen die
Plastochondrien offenbar verquollen oder gelöst gewesen sind.')
haben Van Beneden und Neyt noch andere in Händen gehabt,
an denen ein körniger Bau der Attraktionssphären zu beobachten
') Das Auftreten einer „Markzone“ (die an meinen Präparaten nur
sehr andeutungsweise vorhanden ist) beruht wohl auf einer Schrumpfung der
Zentralkörperchen.
96 Friedrich Meves:
war; jedoch glauben sie von diesem irrtümlicherweise, dass er
auf Reagentienwirkung beruht. Es hat sich nach ihnen um Eier
gehandelt, die mit reinem Eisessig abgetötet waren; jedoch dürften
die Eier meines Erachtens der Einwirkung desselben wohl nur ganz
kurze Zeit ausgesetzt gewesen sein. Die bezügliche Beschreibung
(1887, S. 267) lautet folgendermassen: „L’acide parait gonfler les
microsomes et resoudre les fibrilles en granulations qui n’etant
plus reliees entre elles, ne permettent plus de reconnaitre les
tibrilles dont elles proviennent. Tandis que le corpuscule central
des spheres attractives reste parfaitement distinct, les rayons qui
en partent deviennent indistinets. A la place de la sphere
attractive A structure rayonnee, se voit alors une masse uni-
formöment granuleuse, entourant le corpuscule central. Cette
masse, gräce A cet aspeet uniformement granuleux, se detache
nettement au milien du protoplasme vitellin qui presente un tout
autre aspect.“
Van Beneden und Neyt stellen weiter fest, dass die
Attraktionssphären gleichzeitig auftreten, und zwar zu einem
Zeitpunkt, wo die Vorkerne noch einen netzigen Bau zeigen
und noch weit voneinander entfernt sind; dass sie während des
ganzen Verlaufs der Zellteilung persistieren und sich im Beginn
der nächsten Teilung in zwei Tochtersphären teilen. Aus diesen
Befunden ziehen die belgischen Autoren (S. 279) folgenden Schluss:
„Nous sommes autorises A penser que la sphere attractive avec
son eorpuseule central eonstitue un organe permanent, non seule-
ment pour les premiers blastomeres, mais pour toute cellule;
qu’elle constitue un organe de la cellule au meme titre que le
noyau lui-m&me; que tout corpuscule central derive d’un corpus-
eule anterieur: que toute sphere procede d’une sphere anterieure,
et que la division de la sphere precede celle du noyau cellu-
laire.”
Diese Sätze haben bekanntlich in ihren wesentlichen Punkten
der weiteren Forschung keinen Stand gehalten. Aus den hier
mitgeteilten Beobachtungen geht ebenfalls hervor, dass die
Attraktionssphäre jedenfalls kein Organ bildet; ihre Körner be-
stehen zwar aus einer spezifischen Substanz, welche von einer
Zelle auf die andere übergeht, finden sich aber überall im Zelleib
verteilt. Von den Zentralkörperchen (den Zentrosomen Boveris)
habe ich 1902, S. 46-54, zeigen können. dass sie nicht als
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei etc. 97
„permanente Organe“ aufzufassen sind. Dies ist vielmehr eine
Bezeichnung, welche nur für die von ihnen umschlossenen
[oP)
Zentriolen Geltung haben kann.
Boveri (1585) hat in seiner Pikrinessigsäure ein Mittel
mit relativ geringem Essiggehalt zur Verfügung gehabt, welches
die Plastochondrien des Ascariseies unter Umständen recht gut
zu konservieren scheint. Mit Hilfe dieser Fixierungsmethode hat
er feststellen können, dass auf den Anfangsstadien der Teilung
in der Umgebung der Zentralkörperchen oder Zentrosomen dichte
Anhäufungen von Körnern vorhanden sind. Von den Körnern
hat er erkannt, dass sie aus einer spezifischen Substanz bestehen,
welche er als Archoplasma bezeichnet, und dass sie mit denjenigen
des Hofes, welcher während der Richtungskörperbildung das
Spermium umgibt, identisch sind. Den Ursprung der die Zentro-
somen umgebenden Körneranhäufungen, der „Archoplasmakugeln“,
leitet Boveri von diesem Hof in folgender Weise ab. Der Hof,
beschreibt er, kann von dem Moment, wo das Spermium die
Mitte desselben verlässt und gegen die Eioberfläche emporsteigt,
bis zum Beginn der ersten Furchungsteilung ein sehr verschiedenes
Verhalten zeigen. In einer Anzahl seiner Präparate sah Boveri
ihn bis zu diesem Zeitpunkt unverändert fortbestehen. In weit
zahlreicheren Fällen dagegen breiten sich seine Körner in dem
ganzen Eikörper aus, um sich hinterher gegen das Zentrum des
Eies wiederum zu einer kompakten Masse zusammenzuziehen.
Diese Eier sind dann von jenen anderen, in denen das Archo-
plasma die kompakte Form überhaupt nicht aufgegeben hatte,
nicht mehr zu unterscheiden. In der Mitte der Archoplasmamasse
konnte Boveri nunmehr ein oder zwei von einem hellen Hof
umgebene und durch stärkeres Lichtbrechungsvermögen ausge-
zeichnete Zentrosomen auffinden. Die weiteren Umbildungen lassen
sich nach Boveri mit kurzen Worten dahin zusammenfassen,
dass sich die beiden Zentrosomen immer mehr voneinander
entfernen, wobei das Archoplasma, in gleicher Richtung sich
streckend, zuerst Ei-, dann Hantelform annimmt und sich schliess-
lich zu zwei gleich grossen Kugeln, jede mit einem Zentrosom
im Mittelpunkt, durchschnürt.
Zu diesem Abschnitt der Boverischen Darstellung habe
ich zu bemerken, dass ich ebensowenig wie Herla (1895, S. 469)
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. 7
95 Friedrich Meves:
und v. Erlanger (1597, S. 341) ein Präparat gesehen habe, in
welchem die körnige Masse, welche das Spermium umgab, bis
zum Beginn der ersten Furchungsteilung unverändert fortbestand.
Ich finde vielmehr, dass die Plastochondrien sich zunächst stets
durch die ganze Zelle verbreiten. Ferner ist es stets nur ein
kleiner Teil von ihnen, welcher sich gleich darauf in der Um-
gebung des an meinen Präparaten nicht sichtbaren (vielleicht
noch ungeteilten, eventuell schon doppelten) Zytozentrums an-
sammelt.
Immerhin stimme ich also Boveri gegen Herla und
v. Erlanger darin bei, dass im Beginn der ersten Furchungs-
teilung eine Körneransammlung überhaupt auftritt: sie entspricht
jedoch keineswegs, wie man nach der Schilderung von Boveri
annehmen muss, dem ganzen Hof, welcher in der Umgebung des
Spermiums versammelt war. Selbst dann, wenn die beiden Körner-
kugeln (Attraktionssphären) das Maximum ihrer Ausbildung er-
reicht haben, ist eine jede von ihnen noch lange nicht der Hälfte
der Körnermasse gleich, welche das Spermium zur Zeit der
Richtungskörperbildung umgab; die Mehrzahl der Plastochondrien
sind vielmehr im Zelleib verstreut geblieben.
Während Boveri mit dem eben referierten Teil seiner
Beschreibung sowohl gegenüber Van Beneden als auch gegen-
über der Kritik, welche später von verschiedenen Seiten daran
geübt worden ist, in mehrfacher Beziehung recht hat, muss seine
weitere Darstellung, nach welcher die Körner der Archoplasma-
kugeln sich direkt in die von den Zentrosomen ausgehenden
Strahlen umwandeln, auch nach meiner Meinung als unzutretfend
bezeichnet werden. Nachdem die beiden Archoplasmakugeln aus-
einander gerückt sind, treten sie, wie Boveri schildert, „unter
beträchtlicher Veränderung ihrer Struktur“ in Tätigkeit. Die
ersten Anzeichen davon geben sich darin zu erkennen, dass die
einzelnen Körner, die sich bisher in keiner besonderen Weise
gruppieren liessen. nunmehr .eine deutlich radiäre Anordnung um
ihr Zentrosoma gewinnen. Die auf diese Weise entstandenen
Körnerradien gehen an ihren peripheren Enden in feine Fädchen
über, welche frei in die Zellsubstanz hinausragen und immer
mehr an Länge und Stärke zunehmen. Boveri (S. 79 und 80)
stellt sich vor, dass die in radialer Richtung aufeinander folgenden
Mikrosomen der ursprünglichen Kugel miteinander durch feine
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 99
Fibrillen in Verbindung treten, „wodurch ein kontinuierlicher
Faden entsteht, an dem jetzt die Körnchen als Anschwellungen
imponieren. Die Verlängerung des Fadens geschieht dadurch,
dass zuerst die peripher gelegenen Mikrosomen sich voneinander
entfernen, wobei der zwischen ihnen gelegene Fadenabschnitt an
Länge entsprechend gewinnt, während die Körner selbst, auf
deren Kosten dieses Wachstum sich vollzieht, immer mehr an
Volumen abnehmen und schliesslich vollkommen in den gleich-
mässig starken Faden aufgehen. Je weiter ein Radius in die
Zellsubstanz hinausreicht, um so mehr Mikrosomen werden zu
seiner Bildung in Mitleidenschaft gezogen, ja selbst die zentralsten
Körner können ... . . die fädige Metamorphose erfahren.“
Um diese seine Anschauung zu stützen, beruft sich Boveri
(S. 79) in erster Linie auf die Struktur der fädigen Radien,
welche diese Art ihrer Entstehung wahrscheinlich mache. „So-
lange die Fädchen noch kurz sind, zeigen sie sich von Strecke
zu Strecke deutlich zu Körnchen ganz von der Art der Archo-
plasmamikrosomen angeschwollen. Verfolgt man einen solchen
Faden zentralwärts, so ist die Grenze unmöglich anzugeben, wo
er in den körnigen Radius der kompakten Kugel übergeht.
Weiterhin ist die von den radialen Fädchen umgebene Körnchen-
kugel kleiner als die ursprüngliche Archoplasmamasse und ihr
Umfang tritt gegen jenen um so mehr zurück, je stärker das
fädige hadiensystem entwickelt und je weiter dasselbe in der
Zelle ausgebreitet ist.“
(regen diese von Boveri entwickelte Anschauung ist unter
anderem einzuwenden. erstens, dass die Attraktionssphären oder
Archoplasmakugeln sich im Laufe der Mitose nicht verkleinern
(vgl. auch Herla, Kostanecki und Siedlecki, v.Erlanger),
sondern eher an Grösse zunehmen; ferner, dass die Plastochon-
drien nicht in den Strahlen, sondern zwischen ihnen gelegen
sind. Wenn Boveri eine Verkleinerung der Archoplasmakugeln
beobachtet hat, so könnte dies, wie Herla (1595, S. 472 und 473)
meint. darauf beruhen. dass die Konservierung seiner Präparate
keine genügende gewesen ist. Ich selbst habe aber in meinen
nach Altmann fixierten und gefärbten Präparaten einige Fälle
gefunden, in denen die Plastochondrienkugeln auf dem Stadium
der „Aquatorialplatte“ tatsächlich nur sehr klein waren. Jedoch
schien mir die Gesamtzahl der in der Zelle vorhandenen Plasto-
1*
100 Friedrich Meves:
chondrien nicht verringert zu sein. Ich habe mir daher den
erwähnten Befund durch die Annahme zu erklären gesucht, dass
die Anziehung, welche die Zytozentren auf die Körner, ausüben,
vorübergehend nachgelassen habe.
Wenn mir demnach auch eine direkte Umwandlung der
Plastochondrien in die von den Zentrosomen ausgehenden Strahlen
ausgeschlossen erscheint, so will ich damit die Möglichkeit nicht
bestreiten, dass überhaupt eine genetische Beziehung irgendwelcher
Art zwischen Plastochondrien und Strahlen besteht. Ich habe
schon 1907 (S. 405). zu einer Zeit, wo ich von der Identität der
Archoplasmakörner des Ascariseies mit Plastochondrien noch nichts
wusste, die Vermutung ausgesprochen, dass die Strahlungen, welche
in ruhenden und sich teilenden Zellen von den Zytozentren aus-
gehen, sowie auch andere Fadenstrukturen, welche sich uns (wie
ich damals sagte) als „gewöhnliche Filarmasse“ darstellen, nur
eine andere Erscheinungsform der Chondriosomen (Plastosomen)
oder des Chondrioms seien. „Das Chondriom könnte sich in
gewöhnliche Filarmasse (und eventuell umgekehrt) umwandeln.“
„Dieser Gedanke“, schrieb ich, „scheint mir naheliegend, erstens,
weil aus dem Chondriom nachweislich Fasern hervorgehen, wie
z. B. die Nenrofibrillen, die die Färbungsreaktionen desselben
nieht mehr geben: zweitens, weil ich es für möglich halte, dass
in vielen Zellarten überhaupt alle Plasmastruktur des Ruhe-
zustandes durch das Chondriom repräsentiert wird“.
Schliesslich sei auch hier wieder (wie schon 1911, S. 702)
darauf hingewiesen, dass die Boverische Bezeichnung des Archo-
plasmas als einer je nach dem Entwicklungszustand körnigen oder
fädigen Substanz sich in einem anderen Sinne, als Boveri ihn
gemeint hat, aufrecht erhalten lässt: „insofern nämlich, als die-
selbe Materie, aus welcher die Körner in den Ovozyten geformt
sind. in den Zellen der Wachstumsperiode, wie schon L. und
R. Zoja (1891, 8. 246) angeben, lange, vielfach gewundene und
verschlungene Fäden bildet“. Es handelt sich hierbei um die in
der Plastosomenforschung wohlbekannte Erscheinung, dass die
plastosomatische Substanz bald in Form von Körnern (Plasto-
chondrien), bald in derjenigen von Fäden (Plastokonten) auftritt.
Herla. ein Schüler Van Benedens (1595), hat ebenso-
wenig wie ich jemals beobachtet, dass die körnige Masse, welche
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 101
das Spermium während der Richtungskörperbildung umgibt. bis
zum Auftreten der Attraktionssphären (Archoplasmakugeln) per-
sistiert. Er ist aber im Unrecht, wenn er gegenüber Boveri
bestreitet (S. 470 und 507), dass diese beiden Bildungen von einer
und derselben Substanz aufgebaut werden. Die Frage nach dem
Ursprung der Sphären betrachtet er als noch nicht gelöst. Er
beschreibt sie als morphologisch distinkte Bildungen, welche sich
gegen ihre Umgebung deutlich abgrenzen.
Die Anschauung Boveris, dass die Strahlungen sich auf
Kosten der Archoplasmakugeln bilden, lehnt er mit dem Hinweis
ab, dass die Sphären während des ganzen Verlaufes der Teilung
persistieren. „Nous estimons que si Boveri a vu les limites
de la sphere disparaitre au moment ou les radiations de l’aster
se montrent, cela est dü a la methode de preparation.“
soveri (1895) hält diesem und anderen Angriffen gegen-
über die Darstellung. welche er 1558 von der Metamorphose der
Archoplasmakugeln gegeben hatte, in sämtlichen Punkten auf-
recht. Er erklärt S. 39, dass er glaube, Schritt für Schritt den
Nachweis geführt zu haben, dass die radiären Systeme sich aus
den nicht radiär gebauten Körnerkugeln entwickeln und wieder
in solche zurückkehren. Während er aber 1555 noch der Meinung
zu sein scheint, dass die Archoplasmakugeln im Lauf der Mitose
an Grösse zwar beträchtlich verlieren, in der Regel aber doch
nicht restlos umgewandelt werden, spricht er sich 1895 dahin
aus, dass er niemals an dem „Aster“ etwas habe wahrnehmen
können, was die Abgrenzung einer sphere attractive, welche doch
seiner Archoplasmakugel genau entspricht, gerechtfertigt hätte.
Van Beneden habe 1884 die längst bekannten Asteren, die
vor allem von Mark 1881 für Limax in vorzüglicher Weise be-
schrieben worden seien, an höchst mangelhaften Präparaten von
Ascariseiern — wie seine Abbildungen auf Tafel XIX lehrten —
studiert, an Präparaten, wo die während der Karyokinese mächtigen
und weit ausgebreiteten Strahlenfiguren fast gänzlich unkenntlich
waren und nur der dichteste zentrale Teil derselben, in seiner
radialen Struktur gleichfalls stark verdorben, sich als ein grösserer
oder kleinerer, mehr oder weniger scharf begrenzter kugeliger
Fleck darstellte. Diesen verdorbenen Zentralteil des Aster habe
Van Beneden damals als „sphere attractive“ bezeichnet und
102 Friedrich Meves:
damit einen Gegensatz zwischen dem inneren und äusseren Bereich
der Strahlensonne statuiert. der in der Natur nicht begründet
sei. Zum Beweis hierfür beruft sich Boveri auf seine eigenen
Abbildungen, auf die Photographien bei Van Beneden und Neyt
und endlich auf die Bilder von Herla. wo überall auf dem Stadium
des Aster nicht das mindeste von einer abgegrenzten zentralen
Partie, die der sphere attractive entsprechen könnte, zu sehen sel.
>overi möchte daher die Bezeichnung Attraktionssphäre,
für deren Beibehaltung ich auf Grund meiner Befunde eintrete,
ganz beseitigen.
v. Erlanger, in bezug auf die Protoplasmastruktur ein
überzeugter Anhänger der Bütschlischen Wabenlehre, findet
(1896 und 1897) im Umkreis der Zentrosomen „nichts weiter als
ein dotteifreies wabiges Protoplasma“, dessen Alveolen nicht nur
vadial zu den Zentrosomen, sondern zugleich auch zu konzentrischen
Kreisen oder richtiger Kugelschalen angeordnet sind. Er ist der
Meinung (1897, S. 375), dass nur die Struktur, nicht aber die
Substanz dieses „Zentroplasmas“ eine spezifische sei und dass die
gesamte Astrosphäre inklusive ihrem zentralen Teil, der Sphäre,
sowie auch die Spindel selbst, aus der Umlagerung der Alveolen
des Protoplasmas hervorgehen.
Kostanecki und Siedlecki (1596) lassen, nach Unter-
suchungen an einem in verschiedener Weise fixierten Material, die
sphere attractive von Van Beneden auf folgende Weise zustande
kommen. Im Ascarisei macht sich nach ihnen während der Mitose
ein ganz prägnanter Unterschied geltend zwischen dem peripheren
Teil des Zelleibes, welcher von grossen Dottervakuolen durchsetzt
wird. und dem zentralen in der näheren Umgebung der Zentro-
somen, welcher frei davon ist und aus radiär um die Zentrosomen
angeordneten Protoplasmafäden besteht, zwischen denen zunächst
keine, dann nur kleine Dotterkörnchen Platz finden: die kleinen
Dotterkörnchen und die Strahlen setzen sich zwischen die grossen
Dottervakuolen fort. Eine Attraktionssphäre in dieser Form ist
nach den genannten Autoren nur dort möglich, wo grössere
Deutoplasmamassen vorhanden sind, die nach der Peripherie
interfilar verdrängt diesem Teile des Zelleibes ein modifiziertes
Aussehen verleihen und dadurch den zentralen bezw. mittleren
Teil besonders hervortreten lassen.
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 105
Demgegenüber ist zu sagen, dass das Bild der Attraktions-
sphäre in erster Linie nicht durch Verdrängung der „grösseren
Deutoplasmamassen“, sondern dadurch entsteht, dass sich die
spezifisch beschaftenen Plastochondrien im Umkreis der Zentro-
somen „interfilar* anhäufen. Die Plastochondrien treten in den
Figuren von Kostanecki und Siedlecki nur sehr undeutlich
hervor und werden irrtümlicherweise als „kleine Dotterkörnchen“
angesprochen.
Während und nach der Durchschnürung des Zelleibes sind.
wie ich oben beschrieben habe, sämtliche Plastochondrien, mit
Ausnahme derjenigen, welche die Attraktionssphäre aufbauen, die
hellen Vakuolen und die Dotterkörperchen zu beiden Seiten der
Äquatorialebene zusammengedrängt. Kostanecki und Sied-
lecki bilden auf den entsprechenden Stadien in ihren Fig. 31
und 35 „grosse Dottervakuolen*“ in der gleichen Lagerung ab.
Im Text (S. 242 und 243) wird dieser Befund folgendermassen
beschrieben: „An Eiern in toto, und zwar nur an diesen,
haben die beiden Teile der Tochterzellen, die einander zugekehrt
sind. ein anderes Aussehen als der obere Teil der Zelle, der das
Zentrosoma samt seiner protoplasmatischen Umgebung birgt. Er
ist an gefärbten Präparaten viel heller, weniger körnig und
weniger von Strahlen durchsetzt ..... Ubrigens können die
Bilder in einem und demselben Stadium sehr abweichen, was
mit der Fixierungsmethode zusammenhängt.“ „An gefärbten und
dünnen Schnitten lässt sich feststellen, dass der ganze Unter-
schied zwischen dem oberen und dem äquatorialen Teile der
‚Zelle wiederum nur durch das Verhalten der grossen Deuto-
plasmamassen hervorgerufen wird, dadurch nämlich, dass die
Vakuolen stets in die grösseren interfilaren Räume. also möglichst
weit von dem Zentralkörper als Mittelpunkt. verdrängt werden,
während um den Zentralkörper sich immer dichter die proto-
plasmatischen Strahlen gruppieren und nur höchstens für kleinere
Körnchen Raum lassen.“
Nach Carnoy und Lebrun (1897) sind die Zentral-
körperchen oder Zentrosomen des Ascariseies Nukleolen, welche
aus den Vorkernen ausgewandert sind. Diese beginnen unmittelbar
nach ihrem Austritt sich zu verkleinern, um schliesslich ganz zu
schwinden. Dabei tritt in ihrer Umgebung eine strahlige An-
104 Friedrich Meves:
ordnung der Protoplasmabalken auf und gleichzeitig erfüllt sich
der Zellsaft in ihrer Nachbarschaft in bestimmter Ausdehnung
mit zahlreichen winzigen Körnchen, welche zwischen den Strahlen
gelegen sind. Auf diese Weise bilden sich körnige Höfe, welche
den Attraktionssphären Van Benedens entsprechen. Die Körnchen
entstehen nach den belgischen Autoren dadurch, dass Nukleo-
albumine, welche aus den sich auflösenden Nukleolen bezw.
Polkörperchen frei werden, durch den Zellsaft des Eies gefällt
werden. Man sieht also, nach Carnov und Lebrun, dass
die Attraktionssphären nicht vor dem Austritt der Nukleolen
existieren können.
Boveri scheint auch noch 1901 daran festzuhalten, dass
die substantielle Identität derjenigen Zellenteile, welche er als
Archoplasma zusammenfasst, das ist also der Plastochondrien und
der von den Zentrosomen ausgehenden Strahlungen, nicht wider-
legt sei. „Nach Ablauf der Mitose“, sagt er, „schwinden die von
den Zentrosomen ausgehenden radialen Fäden mehr und mehr
und gehen in vielen Fällen vollständig verloren. Man findet
dann im Umkreis des Zentrosoms ein dicht körniges, vielleicht
wabiges Plasma, das sich in seinem ganzen Habitus und auch in
seinem Verhalten gegenüber gewissen Farbstofien von dem übrigen
Plasma sehr deutlich unterscheidet (Archoplasma). Diese An-
häufung wird in manchen Fällen sehr klein und unscheinbar,
indem ein grosser Teil der Astrosphärensubstanz sich im übrigen
Plasma verteilt oder sich in dieses verwandelt.“ Die neuen
Radien bilden sich, nachdem die Tochterzentrosomen sich eine
Strecke weit voneinander entfernt haben, „durch Neugruppierung
der Körnchen oder Knötchen zu radial auf die neuen Zentren
eingestellten Linien, die anfangs sehr spärlich, kurz und un-
deutlich sind. um sich mit der weiteren Entfernung der Zentro-
somen mehr und mehr auszuprägen“.
In der neuesten Zeit, in welcher die zelluläre Forschung
den Plastosomen ein starkes Interesse zuwendet, ist die Proto-
plasmastruktur des sich teilenden Ascariseies von Retzius und
Romeis untersucht worden.
Das Material, welches Retzius (1911) hierzu benutzt hat,
war „teils mit Sublimatlösung, teils mit Pikrinessigsäure, teils
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei etc. 105
mit Carnovschem Gemisch behandelt“.') Von dem auf letztere
Weise fixierten Material sagt Retzius, dass es „ganz ausge-
zeichnet schön“ war. Die Präparate, nach welchen Retzius
seine Abbildungen gezeichnet hat, sind nach der Figurenerklärung
grösstenteils mit dem Carnovschen, das ist also mit einem
sehr viel Säure enthaltenden Gemisch fixiert gewesen. Von diesem
möchte ich glauben, dass es wahrscheinlich längere Zeit ein-
gewirkt hat; denn während Carnoy und Lebrun bei An-
wendung desselben Reagens einen körnigen Bau der Attraktions-
sphären erhalten haben, ist in den Figuren von Retzius von
einem solchen nur in den wenigsten Fällen und nur andeutungs-
weise etwas zu sehen. Die Sphären erscheinen bei ihm der Haupt-
sache nach als mehr oder weniger scharf begrenzte rundliche
Flecke, die intensiver gefärbt sind als das umgebende Proto-
plasma. Die von Retzius abgebildeten Körnchen oder Mikro-
somen, welche die Balken seines „Fadengerüstes“ besetzt halten,
sind mit Plastochondrien sicher nicht identisch.
Romeis (1913) hat Embryonalstadien von Ascaris (ohne
die Eischalen vorher anzuschneiden) teils mit der von Golgi
zur Darstellung des Apparato reticulare angegebenen Flüssigkeit
(Acid. arsenicos. konz. wäss., 90° Alkohol und 20°/o Formalin
zu gleichen Teilen), teils mit der Bendaschen Modifikation des
!) Ich habe in meiner Phallusiaarbeit (1913) angegeben, dass das
Material, welches Retzius (1911) für seine Untersuchungen gebraucht
habe, ihm von OÖ. Zacharias-Plön überlassen und dass es mit einem
sehr viel Säure enthaltenden Gemisch fixiert worden sei. Hier liest ein
Versehen von mir vor, welches ich bedauree Retzius hat zwar von
O. Zacharias Material erhalten, dieses aber ebenso wie solches von
Boveri und mir für seine Zwecke nicht geeignet gefunden.
Das Material, welches Retzius verwendet hat, war vielmehr ein
solches, welches er selbst schon vor mehr als 20 Jahren in Sublimat fixiert
hatte; ferner hat er „ein schönes Ascarismaterial“ benutzt, welches E. Holm -
gren gesammelt hatte. Über die Konservierungsweise dieses letzteren
Materials macht Retzius, soweit ich sehe, keine Angaben; jedoch ist wohl
anzunehmen, dass das Carnoymaterial, von dem er spricht, sich hierbei
befunden hat.
Ich habe, nebenbei bemerkt, Retzius auf seineausdrückliche
Bitte um Sublimatmaterial nur eine einzige Portion Eier aus dem
obersten Uterusabschnitt. welchen ich in Sublimatlösung zerzupft hatte, über-
senden können.
106 Friedrich Meves:
Flemmingschen Gemisches bei einer Temperatur von 56°C
fixiert. Bei Anwendung dieser Methoden liessen sich nach ihm
in den beiden ersten Furchungszellen gekrümmte Plastokonten
und Plastochondrienreihen (neben Einzelkörnchen) auffinden.
Plastosomatische Ringe und Stäbchen, welche nach Held
und Romeis im ungefurchten Ei im Anschluss an die Aussaat der
männlichen Plastochondrien auftreten, habe ich früher (1913) für
Kunstprodukte erklärt.') Ebendafür möchte ich auch die Plasto-
konten halten, welche Romeis in den beiden ersten Furchungs-
zellen gefunden hat; jedenfalls fehlen sie in meinen Präparaten
gänzlich. Man kann übrigens auf den Gedanken kommen, dass
die plastosomatische Natur der von Romeis erwähnten Stäbchen
nicht einmal ganz sicher ist. Romeis sagt nämlich selbst S. 136:
„Bei der Feststellung von gekrümmten Stäbehen muss man mit
Vorsicht verfahren, wie ich aus Präparaten. in denen auch Fett-
körper eine ähnliche Form angenommen haben, gesehen habe.
Ähnliche Körperchen bildet Meves auf Taf. XXIN, Fig. 13— 15.
17 und 18 ab. Er hält sie für Überbleibsel der corpuseules
refringents.“
Auf die weiteren Details, die die Plastochondrien und das
Protoplasma der beiden ersten Blastomeren bieten, will Romeis
nicht eingehen, „da wir ja darüber noch eine ausführliche Ver-
ötfentlichung von seiten Helds zu erwarten haben“; dagegen
gibt er eine Schilderung der folgenden Stadien vom Vierzellen-
stadium an. „Die Plastosomen“, sagt er, „verhalten sich während
der ersten Furchungsteilungen hinsichtlich ihrer allgemeinen
Lagerung im Verlauf der Mitose folgendermassen: Beim Er-
scheinen der Zentrosomen räumen sie immer mehr den Bereich
der entstehenden Polradien. Infolgedessen treten die Felder der
Polstrahlungen als helle Flecke immer stärker hervor und wenn
dann die Aquatorialplatte ausgebildet ist, finden sich an den
beiden gegenüberliegenden Zellpolen nur mehr sehr spärliche
Plastochondrien, die Region der sogenannten Zugfasern
ist vollkommen frei davon. Dadurch wird die Hauptmasse der
Plastosomen auf die Seitenwände der sich teilenden Zelle ge-
schoben. Auch während der Metaphase bleiben die Verbindungs-
') Bei Besprechung der Romeisschen Abhandlung habe ich 1913.
S. 243 die Worte „und zwar schon früher als dieser“ (Zeile 2 von unten)
irrtümlicherweise in Anführungszeichen gesetzt.
Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei ete. 107
fasern in der ersten Zeit noch frei, allmählich aber dringen die
Körnchen immer mehr zwischen die neuentstandenen Kernhälften
ein. Wenn sich die beiden Tochterzellen durchgeschnürt haben,
liegt die Hauptmasse der Plastosomen in der Gegend der sich
berührenden neugebildeten Zellwände. Dann tritt allmählich wieder
eine gleichmässige Verteilung der Plastosomen innerhalb des Zell-
innern ein. Diese Bewegungen sind wohl auf Strömungen inner-
halb des Protoplasmas zurückzuführen.“
Ein Freiwerden der Polstrahlung von Plastochondrien, wie
es nach Romeis „beim Erscheinen der Zentrosomen“ eintritt,
habe ich an meinen Präparaten (auch in den Blastomeren) erst
kurz vor und während der Zelldurchschnürung beobachtet: es
geht auch hier mit einer entsprechenden Verlagerung der hellen
Vakuolen und Dotterkörperchen Hand in Hand. Nach Romeis
würde aber auch die nächste Umgebung der Zentrosomen in den
sich teilenden Furchungszellen von Plastochondrien gänzlich frei
sein; es würde demnach hier überhaupt keine Attraktionssphären
geben. Dieser Befund steht zu meinen eigenen Beobachtungen in
auffallendem und mir einstweilen unerklärlichem Gegensatz.
Schluss.
Anhäufungen von Plastochondrien in der nächsten Umgebung
der Zentrosomen oder Zentrosphären !), wie wir sie im Ei und
den Blastomeren von Ascaris antreffen. sind uns bei anderen
Tieren bisher nicht mit Sicherheit bekannt. Sie fehlen jedentalls
z. B. im Echinodermenei, welches ich 1912 unter Anwendung
der Altmannschen Methode untersucht habe (siehe auch
Boveri 1895).
Als sich die Kenntnis dieser Dinge noch in den Anfängen
befand, haben wir vielfach auch die kompakten Zentriolenhüllen,
welche in ruhenden (ewebszellen, besonders in männlichen
und weiblichen Geschlechtszellen, aber auch in Gewebszellen
anderer Art, z. B. in Leukozyten und Knorpelzellen, vorkommen,
!) Ich hatte 1902, S. 53 vorgeschlagen, den Ausdruck Zentrosom wegen
der vielen Konfusion, welche durch falschen Gebrauch desselben angerichtet
ist, ganz zu vermeiden und die Hüllen, von welchen die Zentriolen bei
einigen Zellarten, besonders Furchungszellen, während der Teilung umgeben
sind, mit einem von Strasburger gebildeten Ausdruck als Zentrosphären
zu bezeichnen.
108 Friedrich Meves:
als Attraktionssphären oder Sphären bezeichnet. Diese Homo-
logisierung habe ich 1897, S. 313 auf Grund meiner Unter-
suchungen dieser (Gebilde als unzutreffend erkannt. Ich habe
daher zunächst für die Zentriolenhüllen in Hodenzellen die Be-
zeichnung Idiozom vorgeschlagen, welche ich dann später (1902,
>. 53), um die Zugehörigkeit der im Rede stehenden Hüllen zu
den Zentriolen schärfer zum Ausdruck zu bringen, durch
Centrotheca ersetzt habe. Wie notwendig es war, zwischen
Attraktionssphäre und Uentrotheca zu unterscheiden. hat mir die
vorliegende Studie von neuem gezeigt.
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI und VII.
Die Abbildungen der Taf. VI und VII sind mit Zeiss’ Apochromat
2 mm (Apertur 1,30 oder 1,40) und Kompensationsokular 12 unter Benutzung
des Abbeschen Zeichenapparates entworfen, wobei der Abstand der Zeichen-
ebene von der Ebene des Tisches 17!» cm betrug; sie betreffen Schnitte
durch beschalte Eier von Ascaris megalocephala, welche, nach dem An-
schneiden der Schalen, mit dem Altmannschen Gemisch fixiert und mit
Sänrefuchsin-Pikrinsäure nach Altmann gefärbt worden sind.
Tafel VI.
Fig. 1. Ei, kurze Zeit nach Ablauf der zweiten Richtungsteilung. Plasto-
chondrien noch in der Zellmitte zu einer einzigen Masse zusammen-
gezogen.
Fis. 2. Plastochondrien im Zelleib verstreut.
110 Fr. Meves: Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei etc.
Fig. 3.
Fig. 4
Rio,
Fig. 6.
Fig. 7
Fig. 8.
en 8
Fig. 10
io. cal:
Fig. 12
Im Zentrum der Zelle eine kleine Ansammlung von Plastochondrien,
neben welcher die beiden Vorkerne gelegen sind.
Die beiden Zentrosomen rücken, jedes von einer Plastochondrien-
anhäufung oder Attraktionssphäre umgeben, auseinander. Dotter-
körperchen (corpuscules refringents) nicht geschwärzt.
Zentrosomen und Attraktionssphären grösser geworden und weiter
voneinander entfernt.
Membranen der beiden Vorkerne geschwunden.
Aquatorialplatte.
Metakinese.
Tafel VII.
Beginnende Kernrekonstruktion und Zelleibsteilung. Zentrosomen
und Attraktionssphären stark abgeplattet. Fast sämtliche Plasto-
chondrien, soweit sie nicht die Sphäre aufbauen, die hellen Vakuolen
und Dotterkörperchen zu beiden Seiten der Äquatorialebene zu-
sammengedrängt.
Zwei Tochterzellen. Die Abplattung der Zentrosomen und Attrak-
tionssphären besteht noch fort. Die Verteilung der Plastochondrien,
hellen Vaknuolen und Dotterkörperchen ist dieselbe wie in Fig. 9.
Zwei Tochterzellen. Sphären wieder kugelig geworden. Zentro-
somen waren nicht mit Sicherheit erkennbar.
Die beiden Tochterzellen der ersten Teilung von neuem in Mitose
eingetreten.
111
Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien
iR
Von
Dr. Manfred Fraenkel, Charlottenburg.
Hierzu Tafel VIII und 6 Textfiguren.
Die Versuche, die ich in der zweiten Abteilung dieses Archivs
1912, Bd. 50, „Zum Nachweis der Vererbung erworbener Eigen-
schaften“ eröffentlicht habe, möchte ich heute durch folgende
Mitteilungen ergänzen.
Die jetzt vorgenommene Sektion der Tiere meiner drei
Serien hat sehr auffallende Befunde an den Ovarien ergeben.
Wie ich bereits in meiner Arbeit über das Karzinom !) und
in meinem Buche über die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie ?)
andeutete, verhalten sich die Einwirkungen der Röntgenstrahlen
bei erwachsenen und bei jungen Tieren ganz verschieden. und
ich führte damals folgendes aus:
Bestrahlte man ein junges und noch in der Entwicklung
begriffenes, unreifes Tier am Bauch mit Dosen von S X, die beim
entwickelten Tier nach meinem Versuch mit Sicherheit Schädigungen
derart erzielten, dass Schwangerschaft auf 5—6 Monate mindestens
ausgeschlossen ist, so wird das unentwickelte Tier vielleicht kleiner
bleiben, aber im Gegensatz dazu wird im Augenblick der Gesamt-
reife, also nach 5—6 Wochen, die Schwangerschaft prompt und
sicher erfolgen; Versuche, die ich oft und jedesmal mit Erfolg
einer herbeigeführten Gravidität gemacht habe. Die Schädigung
bestand also lediglich in allgemeinen Wachstumsstörungen, ge-
ringerer Grössenentwicklung, die bei sehr bedeutend gesteigerten
Dosen von fast 20 X natürlich besonders auffällig hervortraten.
Es blieb also das vor seiner Reifung bestrahlte Tier, was die
- Grössenverhältnisse anlangt, zurück. Desgleichen mögen seine Fort-
pflanzungsorgane parallel und proportional der allgemeinen Rleinheit
vielleicht auch kleiner geblieben sein, was ich nicht konstatieren
1) Zeitschrift für Röntgenkunde 1911, Bd. XII.
?) „Die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie: mit einem Ausblick auf
ihren künftigen Wert für soziale und sexuelle Fragen“, Verlag Schötz 1911.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. 8
112 Manfred Fraenkel:
konnte, in ihrer Tätigkeit waren sie jedoch nicht — im Gegen-
satz zu der starken Beeinflussung der Ovarien beim ausgewachsenen
Tier trotz gleicher Dosis — beeinträchtigt worden. Denn es trat,
wie gesagt, zur absolut normalen Zeit Schwangerschaft mit nor-
malem Verlauf ein, bei drei Versuchstieren wurden die. Tiere
sogar ausnahmsweise früh, nämlich schon in der 7. Woche nach
ihrer Geburt, gravide, denn sie kamen in der 17. Woche nieder.
Die gleiche Produktivität hinsichtlich ihrer Fortpflanzungsfähigkeit
war auch an zwei Meerschweinchenmännchen zu beobachten,
während die gleiche Dosis beim ausgereiften Tier bis 6 monatliche
Sterilität hervorrief. Wie sind nun diese Gegensätze zwischen
Bestrahlung bei ausgewachsenen und bei unreifen Tieren mit
diesen Folgeerscheinungen zu erklären und zu deuten ? Ich möchte
beinahe sagen, hier wurden die Zellen gar nicht beschädigt, sondern
nur gehemmt. Es scheint ein bisher noch nicht bekannter und
beschriebener, schwerwiegender Unterschied in dem Verhalten von
embrvonalen Zellen, die erst zur Ausreifung gelangen sollen. und
solchen Zellen zu bestehen, die im ausgereiften Organ ihrerseits
eine so ungeheuere proliferierende Tätigkeit ausüben, wie es die
Ovarial- und die Samenzellen tun und die wir auch als „embryonal“
bezeichnen. Denn dasselbe Bild wie bei unseren unreifen Tieren
sahen wir auch bei dem Verhalten der virginellen Milchdrüsen-
zellen. Nach dem Sistieren des schädigenden Agens können sie
ihre Tätigkeit wieder aufnehmen und sogar noch in gesteigertem
Maße, im (Gegensatz zur Dauerschädigung der Drüsen im er-
wachsenen Zustand.
Während die reifen Zellen in ihrer Produktivität geschädigt
werden, erleiden die embryonalen Zellen des unreifen Körpers,
vielleicht weil sie noch mit ihrer eigenen Entwicklung zu tun
haben, ein einfaches Sistieren, die ausgereiften Körperzellen dagegen
haben eine ganz andere Aufgabe, und in dieser werden sie von
den R-Strahlen geschädigt.
Was ergab nun die Sektion von unseren Tieren? Bei keinem
der drei Weibchen fand sich in den Uterushörnern (Taf. VII,
Fig. 1, 2 und 3) irgendein deutlicher Rest einer abgestorbenen
Frucht. — An dem Tochtertier fiel nur eine eigentümliche Ver-
diekung des rechten Uterushornes, bei dem kleinsten eine Auf-
treibung im rechten, unteren Drittel auf. Beim Aufschneiden
zeigten diese beiden Uterushörner im Gegensatz zu der anderen
Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. 118
Seite stärkere Faltungen der Mukosa und Verdickungen, aber
von irgendeinem Rest einer Frucht war nichts zu finden.
Dagegen fiel bei den Tieren eine exquisite Neigung zur
Fettsucht in Form direkter Fettansammlung auf. Sowohl bei
dem Bock wie bei den drei Weibchen jeder Serie war der gesamte
Darm mit seinen Zotten, sowie die Uterushörner bis nach oben,
zum Endpunkt, dem Sitz der Ovarien, in dicke Fettklumpen ein-
gehüllt. Besonders die Ovarien und parallel die beiden Hoden
zeigten eine fast vollkommene Einhüllung in Fettmassen. so dass
es direkt eine Fettkapsel wie bei den Nieren vortäuschte. Noch
niemals habe ich vorher beim Meerschweinchen ein derartig
pathologisches Bild gesehen. Noch deutlicher wurde diese Fett-
ansammlung, nachdem man vorsichtig den Uterus mit Hörnern
und Eierstöcken entfernt hatte.
Ich kann sagen, das Bild der ganzen Eingeweide war ein
so verworrenes mit diesen Fettklumpenansammlungen, dass die
Präparation nur sehr schwierig gelang. Nach dem Befunde stehe
ich nicht an, die Angaben meiner ersten Arbeit dahin zu rektifi-
zieren, dass die von mir als eventuelle Gravidität bezeichneten
Schwellungen, die man durch die Bauchdecke durchpalpieren
konnte, und die bald stärker, bald schwächer auftraten, in der
Hauptsache durch diese kolossalen Fettklumpenansammlungen
hervorgerufen worden sind. Die vollkommen in diese Fettmassen
eingebetteten Eierstöcke wurden aus diesen entfernt und zeigten
nun bei den Mutter- und Tochtertieren eine ganz deutlich hervor-
tretende, bei den Enkeltieren in geringerem Maße erkennbare
eystische Degeneration beider Ovarien (Taf. VIII, Fig. 1-3).
Entsprechend der längeren Lebensdauer und, wenn ich so sagen
soll. entsprechend der Körpergrösse, zeigten die drei Ovarien
absteigende Grössenverhältnisse, die sich am deutlichsten aus den
Abbildungen erkennen lassen. Die Abbildungen (Taf. VIIL, Fig. 4,
5 und 6) zeigen deutlich die eystische Degeneration der Ovarien. Das
grosse Ovarium (Fig. 4) besteht aus einem einzigen mit Flüssigkeit
angefüllten Sack, der prall gespannt ist und an der Oberfläche mit
kleinen, gleichfalls mit Flüssigkeit angefüllten Bläschen bedeckt
ist: und das gleiche Bild zeigen in geringerer Grösse die Ovarien
der beiden anderen Tiere (Fig. 5 und 6). Schon auf Druck fühlt
man deutlich, dass das ganze Organ nur eine dünne Hülle hat,
dass es sich also um eine ausgedehnte Cystendegeneration handelt.
8*
114 Manfred Fraenkel:
Dieser Befund weicht ganz erheblich von den sonst üblichen
bei Bestrahlung ausgewachsener Tiere ab, wie die beigegebenen
Kontrollabbildungen (Textfig. 1—6) zeigen. In all den Fällen, ın
Fig. 1. Meerschweincheneierstock nach Ausreifung bestrahlt. Die Follikel
sind durch starke Bindegewebshüllen scharf voneinander getrennt. Noch
vereinzelte Graafsche Follikel und einige reifende, aber in auffallend ge-
ringer Zahl. Dagegen eine Reihe grosser degenerierter Follikel. Links zwei
besonders grosse Follikel mit aufgetriebenen Zellen und hyalinen Schollen
gefüllt. Keimzelle nicht mehr vorhanden.
Fig.2. Gesamtzahl der Follikel überhaupt erheblich verringert Eine Reihe
grosser Follikel in Degeneration, ohne Keimzellen mit hyalinen Schollen und
gequollenen Follikelzellen ausgetüllt. Die Zellen schlecht färbbar. Starke
Bindegewebszüge teilen die Follikel in deutlich vorspringende weit von-
einander entfernt liegende Felder von eigentümlich in die Länge gezogener
Form. Die Bindegewebshüllen um die einzelnen Follikel sehr diek. Das
ganze Bild macht schon den Eindruck eines durch reichliche Bindegewebs-
entwicklung stark atrophierten Organs. i
it DA
vöntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. 115
denen seit den Halberstadtschen Untersuchungen die Ovarien
ausgereifter Tiere bestrahlt worden sind, haben sie das einheitliche
Bild einer parallel der Dosis mehr oder minder starken binde-
geweblichen Wucherung gezeigt. Nirgends war eine ceystische
Sg
Fig.3. Bindegewebsstränge noch verstärkt. Dadurch sind die einzelnen
Follikel noch mehr auseinandergedrängt und in richtige Inseln eingeteilt.
An Stelle der Follikel grosse Vakuole, zum Teil leer, zum Teil gefüllt mit
degenerierten Follikelzellen. An Stelle des Eies ein feinbalkiges Gewebe.
von degenerierten Follikelzellen umgeben. Kein reifer, kein Graafscher
Follikel mehr vorhanden.
a Fig. 6 b
Fig. 4—6. a — bestrahltes verkleinertes Meerschweinchenovarium vom aus-
gewachsenen Tiere. b — unbestrahltes verkleinertes Meerschweinchenovarium
vom ausgewachsenen Tiere
116 Manfred Fraenkel:
Degeneration in dieser Ausdehnung beobachtet und beschrieben
worden, sondern die Schädigung hielt sich immer in der Form
der Zerstörung von Follikeln, des Zerdrückens der Follikel durch
bindegewebliche Umwucherung, des Auseinandertreibens und
Zwischenwachsens von Bindegewebsmassen zwischen die immer
mehr auseinandergepressten. dem Untergange geweihten Follikel.
die schliesslich ganz verschwinden, wie meine Abbildungen (Text-
figuren 1— 6) zeigen.
Hier ist das Bild aber ein ganz anderes und erklärt voll-
kommen das Fehlschlagen jeder neuen Gravidität. trotz der
Versuche, wie ich sie in meiner ersten Arbeit geschildert habe;
es gestatten die Präparate vielleicht andererseits den Schluss,
dass es sich wahrscheinlich auch in diesem Sinne um eine Ver-
erbung zur eystischen Degeneration handelt, die mit
dem Lebensalter des betreffenden Tieres parallel sich abstuft, in
den ersten Fällen einen einzigen grossen Hohlsack (Taf. VIIL,
Fig. 4) darstellt, der weit über die Grösse eines normalen Meer-
schweinchenovarıums herausragt — die bei dem letzten Tiere
parallel seiner Jugend und Kleinheit in einem weit unter der
Norm zurückgebliebenen, aber auch eystisch degenerierten Ovarium
(Fig. 6) sich dokumentierte, wenn auch hier noch etwas Eierstock-
gewebe vorhanden ist, das jedoch keine ausgereiften Follikel mehr
aufweist. Dass auch die Uterushörner abfallende Grössen zeigten,
erkennt man deutlich an den Abbildungen (Taf. VIII, Fig. 1 —3).
Im ersten Falle, bei dem Muttertier, haben die Röntgen-
strahlen also keine bindegewebliche Wucherung angeregt, sondern
eine so tiefgehende Schädigung der Follikel hervorgerufen, dass
es zu einer weit um sich greifenden cystischen Entartung ge-
kommen ist, bei der nur in den allerersten Zeiten der Entwicklung
einige wenige Follikel überhaupt noch zur anscheinend normalen
Ausreifung gelangten. Diese waren zwar noch befruchtungsfähig:
es entstanden Junge. —
Aber der Stempel der Erkrankung war auch ihnen bereits
aufgedrückt.
Und so geben sie die Neigung. die Disposition zur Krank-
heit — den Keim derselben — als ein Dauergeschenk den Nach-
kommen mit auf den Weg. Die restierenden Follikel im mütter-
lichen Ovarium waren der Cystenbildung unrettbar verfallen.
Dieselben Erscheinungen stellten sich nun prompt bei der folgenden
a a
Röntgenstrahlenversuche an tierischen Ovarien. IT
unbestrahlten Generation ein, die es auf ihre Nachkommen weiter
überträgt, eine Befruchtung dieser letzten Generation gelingt
überhaupt nicht mehr.
Das Resume meiner an drei Tierreihen jetzt konstatierten
Versuche gestaltet sich also wie folgt:
r
I:
KM:
IN.
y:
MI.
VM.
MIR
Ein Tier wird am 4. Tage nach seiner Geburt einmal
bestrahlt, bleibt im Wachstum zurück. — Nach seiner
Ausreifungszeit wird es belegt, wirft in normaler Zeit
ein bis zwei Junge.
Die unbestrahlten Jungen bleiben im Wachstum noch
weiter zurück. Ausgereift werfen auch sie kleiner
bleibende Junge etc.
Diese letzteren sind und bleiben steril.
Es fällt auf, dass bei den ganzen Tierreihen weitere
Belegversuche der Weibchen missglücken, also mehrere
Graviditäten, wie sonst bei Meerschweinchen, nicht zu
beobachten und herbeizuführen sind.
Die ausgereiften Tiere sind abgestuft verkleinert.
Ein bei dem ersten Tier durch Bestrahlung erzeugter
Haardefekt am Kopf tritt bei allen Tieren der folgenden
Reihe an gleicher Stelle wieder auf: das Gleiche wieder-
holt sich in der neuen Versuchsreihe: Haardefekte am
Kopf und Rücken — durch Bestrahlung am Muttertier
hervorgerufen — treten bei den Tieren der folgenden
(senerationen an gleicher Stelle wieder auf.
Die Sektion ergibt bei allen Tieren starke Fettansammlung.
Ferner zeigte die Sektion — als Grund der im weiteren
Verlauf nach der ersten Gravidität zu beobachtenden auf-
fälligen Sterilität — evstische Degeneration der Ovarien,
die sich in den folgenden unbestrahlten Generationen
wiederholt.
115
Fig.
Fig.
IV
u
Manfred Fraenkel: Röntgenstrahlenversuche etc.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIL.
Eierstock eines Meerschweinchens, das 4 Tage alt total bestrahlt
wurde. nach der Ausreifung zweimal warf, dann aber nicht mehr
erfolgreich belegt werden konnte: Stark vergrössertes, cystisch
degeneriertes Ovarium dieses 2 Jahre alten Tieres.
Cystisch degenerierter vergrösserter Eierstock des unbestrahlten
Tochtertieres, das einmal warf, in der Grössenentwicklung zurückblieb.
Cystisch degenerierter Eierstock des unbestrahlten Enkeltieres, bei
dem ein Wurf nicht zu erzielen war, und das in der Entwicklung
stark zurückblieb.
Das mikroskopische Eierstockbild des Muttertieres zu Fig. 1. Aus-
gedehnte Cystenbildung. Ganz vereinzelt noch Follikel verstreut in
der Rinde.
Mikroskopisches Bild zu Fig.2. Mit reichlicher Cystenbildung, am
Rand noch zerstreut eine Reihe Follikel, deutlicher Ersatz der
Follikel durch kleine Uysten.
Mikroskopisches Bild zu Fig. 3. Zahlreiche grössere und kleinere
Cysten, daneben noch Follikel in allen Stadien der Reifung
1:9
Aus dem Laboratorium der L.und Th. Landauschen Frauenklinik. Berlin.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen
und der Säugetiere.
Von
Ludwig Pick.
Hierzu Tafel IX—XIII und 5 Textfieuren.
Teil T: Inhalt: Seite
Einleitung: Begriffsbestimmung und Einteilung des wahren Herm-
aphroditismus . SE RE en et El N ed
Teil IT:
a) Das untersuchte eigene Material beim Säugetier: Fünf Fälle von
Hermaphroditismus verus beim Schwein 4 140
b) Zusammenstellung der sicheren Fälle von Hermaphroditismus
verus beim Menschen nebst Bericht über die histologische Nach-
untersuchung des Falles Ernst Salen . .....2.2....163
PeilTlT:
Tabellarische Übersicht der in Teil IT berichteten Fälle von Herm-
SDRROIEISIHUSCVERUSER 4 u en ee Be lie)
Teil. IV:
Die morphologischen („phänomenologischen“) Gesetzmässigkeiten beim
Hermaphroditismus verus des Menschen und der Säuger . . . 178
Teil.NV:
Das Adenoma tubulare testiculare ovarii beim menschlichen Weibe 207
FalsVT:
Epikritische Betrachtungen zur Ätiologie des Hermaphroditismus
verus und seine Beziehungen zum Pseudohermaphroditismus.
Die praktischen Prinzipien der (Geschlechtsfestsetzung beim
Hermaphroditismus und die Kategorien der „Neutren“ beim
Nemesis Eh)
Berl VIL:
Allgemeine Zusammenfassung . » - » : 2.0... 2
I
Die Begriffsbestimmung und Einteilung des
Hermaphroditismus verus.
Hermaphroditismus bedeutet die Mischung entgegengesetzter
Geschlechtsmerkmale in einem Individuum. „Jedes System des
Hermaphroditismus muss also an die Umgrenzung und Einteilung
der Geschlechtscharaktere anknüpfen.
120 Ludwig Pick:
John Hunter und nach ihm Darwin haben zuerst den
primären Geschlechtscharakteren als sekundäre diejenigen soma-
tischen Kennzeichen gegenübergestellt. die mit dem Fortpflanzungs-
akt in keiner direkten Beziehung stehen. Die primären Geschlechts-
merkmale umfassen danach das Genitale als Ganzes; alle anderen
sind sekundäre.
Die alte Einteilung hat in der Folge mancherlei Kritik
und Änderung erfahren — ich nenne Brandt (7)'), Laurent-
Kurella (42), Ellis (13), neuerdings Poll (52a), Kammerer
(30) und Steinach (63). Sie ist durch die Abgrenzung primärer,
sekundärer und tertiärer Merkmale (Brandt, Laurent-
Kurella) erweitert, andererseits auch durch die Umwertung
des „Sekundären“ in kausalem und zeitlichem Sinne ihrer ur-
sprünglichen rein morphologisch-deskriptiven Absicht verlustig
gegangen.
Ich lege meinen Untersuchungen die von Poll (52a und b)
gegebene Einteilung der (reschlechtsmerkmale zugrunde, die auch
Tandler und Grosz (66) als die „derzeit beste“ benennen.
Sie unterscheidet die essentialen oder germinalen, allein
durch die gegensätzliche Verschiedenheit der Keimzellen ((rameten)
gegebenen Sexualmerkmale von den akzidentalen, stellt also
den gametischen Geschlechtsdifferenzen, die allein (Johannes
Müller) das Geschlecht des Individuums, ob männlich oder
weiblich, bestimmen, alle übrigen als somatische gegenüber.
Diese akzidentalen Merkmale gliedern sich wie folgt:
a) genitale subsidäre:
«) Interne:
pP) externe;
b) extragenitale:
«) interne;
P) externe.
Zu den genitalen subsidiären inneren Charakteren gehören
die Leitungswege nebst ihren akzessorischen Drüsen; zu den
äusseren die konjungalen Werkzeuge und die Brutapparate: zu
den extragenitalen inneren Merkmalen z. B. die Stimmorgane, die
psychischen Geschlechtsqualitäten: zu den extragenitalen äusseren
die Körperbedeckung, Behaarung, Färbung ete.
', Die Zahlen beziehen sich auf die Literaturübersicht am Schluss.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 1723
H.A.') als Mischung entgegengesetzter (reschlechtscharaktere
kann danach entweder die essentialen (germinalen) oder die akziden-
talen Charaktere einbeziehen oder natürlich auch gleichzeitig diese
wie jene.
Die Mischung der akzidentalen Geschlechtscharaktere be-
deutet den in der Weltliteratur viel erörterten, mit mehr als
tausend Fällen kasuistisch belegten falschen oder unechten H.A.
(H. A. spurius, Pseudohermaphroditismus oder Scheinzwittertum).
Hier besteht bei dem an sich geschlechtssicheren, also entweder
sicher männlichen oder sicher weiblichen Individuum ein grösserer
oder kleinerer gegengeschlechtlicher Komplex von akzidentalen
Merkmalen.
Demgegenüber ist nun allerdings eine reine, sozusagen
umschriebene Mischung der essentialen (reschlechtsmerkmale, d.h.
der beiderseitigen Gameten für die höheren Metazoen nicht
möglich. Die Existenz der Gameten ist hier an die durch die
Keimdrüsen (Gonaden)?) gegebenen und als Hoden und Ovarıum
makroskopisch und mikroskopisch geschlechtsspezifisch gebauten
Hilfsapparate gebunden, und die Mischung der (rameten in einem
Individuum bedeutet zugleich das Vorhandensein der beiderseitigen
Keimdrüsen. Da aber der gesamte Zellbestand der Keimdrüsen
ausschliesslich der Gameten den inneren genitalen subsidiären
Apparaten zurechnet, besteht in dem Vorhandensein von beiderlei
Keimdrüsen zugleich eine Mischung essentialer (gametischer) und
akzidentaler (somatischer) Charaktere.
Diese Tatsache ist von vornherein im Auge zu behalten.
wenn wir die Mischung essentialer Geschlechtscharaktere in einem
Individuum als echten, wahren Hermaphroditismus zu der Ver-
einigung gegengeschlechtlicher akzidentaler Charaktere bei einem
Individuum als Pseudohermaphroditismus in Gegensatz bringen,
und der wahre H.A. ist in diesem Sinne notwendig identisch mit
dem elandulären (H. A. bisexualis — biglandularis: z. B. bei
Krttı9al 82110).
Sofern der wahre H.A. gelegentlich bei den Vertretern einer
physiologisch getrenntgeschlechtlichen Spezies beobachtet wird, ist
!) Ich setze H.A. — Hermaphroditismus: Ps.H.A. — Pseudoherm-
aphroditismus.
?) „Gonade“ gilt einerseits als Bezeichnung des Hilfsapparates der
Gameten, findet aber andererseits auch für die Keimdrüse als Ganzes
Anwendung; vergl. z B. bei Tandler und Grosz (66). S. 2 bezw. S. 30, 75, 55.
122 Ludwig Pick:
er als sporadischer, pathologischer oder teratologischer, d.h. als
Missbildung charakterisiert gegenüber dem physiologischen oder
funktionellen, der für eine ganze Spezies die Norm darstellt.
Es ist bekannt und bei allen Erörterungen über den wahren
H.A. der Säuger und des Menschen in einer Art von Tradition
immer wiederholt worden, dass dieser wahre funktionelle H.A.
besonders verbreitet bei den Wirbellosen vorkommt — bei Gastro-
poden (Mollusken), Hirudineen, Plathelminthen ete. — und dass
wahrer H. A. — sei es physiologisch oder pathologisch — auch bei
den niederen Vertebraten. Cyklostomen, Fischen und Amphibien
existiert, ohne dass freilich gerade auf den hier sehr wesentlichen
Umstand der starken Unterschiede der Keimdrüsen bei diesem
physiologischen und pathologischen H. A. niederer Tiere genügend
hingewiesen wäre. Hier bestehen alle möglichen Varianten: räum-
lich vollkommen getrennte Keimdrüsen, oder Hoden und Ovarium
als „Ovotestis“ oder „Zwitterdrüse*, oder beiderlei Keimzellen in
einer Drüse vereinigt („Zwitterdrüse* im eigentlichen Sinne):
kontemporäre Reifung mit der Möglichkeit der Selbstbefruchtung
(Aseidien | Tunikaten |), alternierende — proterandrische oder proto-
gyne — Funktion je einer Keimdrüse oder auch Funktion nur
einer Keimdrüse bei dauernder Funktionslosigkeit der anderen
oder fehlende Funktion bei sonst gut ausgebildeten Apparaten
(Stephan’s [64] H. A. potentialis [s. potis| foecundus und sterilis).
Ich betone diese verschiedenen Kombinationen, weil sie das
Verfehlte der nicht selten erhobenen Forderung erweisen (vergl.
Finkenbrink [17], v. Rosthorn [56], Bucura[S], Bayer [2],
Menge [46]), für den wahren H.A. im allgemeinen und im be-
sonderen gerade für den der höheren Wirbeltiere getrennte und
funktionierende Keimdrüsen oder doch mindestens geschlechts-
reife Keimzellen beiderlei Geschlechts — neben ausgebildeten
männlichen und weiblichen Geschlechtsgängen — als unerlässlich
zu betrachten. Der Schwerpunkt der Definition des wahren
Hermaphroditismus liegt allein in der Mischung der germinalen
(seschlechtscharaktere, d. h. der Gameten, aber weder in der
besonderen Anordnung noch in der kontemporären Reifung oder
Funktion der Keimzellen.
Ja, auch hier ist noch eine Einschränkung oder, wenn man
will, eine Erweiterung der Definition notwendig, insofern nämlich
') Vergl. Kopsch und Szymonowicz (36) in Teil IV.
De
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 122
„Mischung der Gameten“ beim H. A. verus nicht notwendig die
Mischung der fertigen, befruchtungspotenten Keimzellen be-
deutet, sondern die heterosexuale Mischung auch durch geschlechts-
zellspezifische Vorstufen der fertigen Sexualzellen — durch
Gametogonien oder Gametozyten — gegeben sein kann.
Verschiedenheiten dieser Art sowohl wie auch der vorhergenannten
Kombinationen zeigen sich gerade in den Fällen des wahren H.A.
der Vertebraten.')
Bei den Mvxinoiden (Schleimaalen), die zu den Cyklostomen
zählen, funktioniert bei jungen Fischen der hintere Abschnitt der
hier unpaaren Gonade als Hoden, während der vordere Teil der
Keimdrüse sich als Ovarıum erweist. als solches aber erst später
in Funktion tritt. Mit dem Erreichen des Reifezustandes des
Ovarialanteils hört der Hodenabschnitt der Genitaldrüse zu
funktionieren auf. Hier besteht also H.A. verus in Form der
Proterandrie. Der vordere Abschnitt der Keimdrüsen der Gonade
ist eine weibliche Keimdrüse, auch indem Stadium, in dem
noch keine reifen Eizellen gebildet werden und lediglich Ovogonien
vorhanden sind, ebenso wie der Eierstock eines jungen menschlichen
Embryo dureh die hier ausschliesslich vorhandenen Ovogonien als
weibliche Keimdrüse unzweifelhaft charakterisiert ist.
Anders bei dem physiologischen H. A. der Teleostier-(Knochen-
fisch-)gattungen Serranus und Chrysophrys, die zu den Perciden
(Barschen) bezw. Sargiden (Brassen) gehören. Hier ist in die Wand des
Ovariums ein wohlbegrenzter Hoden eingelagert, und es ist ein Vas
deferens vorhanden (Wiedersheim [73], S. 601), das den ganzen
Ovarialkanal umschliesst. Für Serranus (S. seriba Ü., Schriftbarsch
oder Sägebarsch) behauptet ein so zuverlässiger Autor wie Cori(9)
noch ganz jüngst wieder die Selbstbefruchtung: bei Chrysophrvs
(Chr. aurata L., Goldbrasse) findet gegenseitige Befruchtung statt.)
!) Tourneux (68), vor ihm (1880) schon Mac Leod (zitiert bei
Tourneux), hatten neben dem funktionierenden Ovarium des weiblichen
Maulwurfs ein physiologisch funktionierendes Testikelrudiment mit Zwischen-
zellen festgestellt, also bei einem Säuger (Insektivoren) eine physiologische
Zwitterdrüse, deren weiblicher Anteil in Funktion war. Nach Tandler und
Grosz (8. 96 und 139) handelt es sich dabei lediglich um die im Maulwurfs-
ovarium mächtig entwickelte Glandula interstitialis, wie sie in ähnlicher
Massivität im Ovarium des Pferdes oder Esels zu finden ist.
>) Vergl. ferner bei Haempel (27) weitere Teleostierspezies mit
physiologischem wahren H.A.: Box salpa L, Goldstriemen: Sargus annu-
laris L., Geissbrasse: Pagellus erythrinus Ü., Rotbrasse; Pagellus mormyrus C.,
124 Ludwie Päück:
Ein wahrer H.A. existiert unter den anuren Amphibien !)
so stark gehäuft, dass er bei den Raniden fast physiologisch
erscheint (Tandler und Grosz [66], S. 79/50). Hier existieren
beim Frosch ausser männlichen und weiblichen Tieren noch so-
genannte intermediäre Formen oder Pflügersche Hermaphroditen
mit Zwitterdrüsen (Hoden und Ovarium vereinigt). die der Mehr-
zahl nach später zu männlichen, in geringer Zahl auch zu weib-
lichen Tieren werden. Für die Bufonen wiederum ist als ein
physiologischer Befund das Biddersche Organ’) bekannt,
das entweder am oberen Ende eines normal funktionierenden
Hodens Eier in verschiedenen Entwicklungsstadien führt oder
das umgekehrt (W. Waldever [70], S. 415 o.) neben einem
funktionierenden Ovarium zuweilen auch Spermien ausbildet. Im
sanzen also bei Uyklostomen, Fischen und gewissen Amphibien
ein wahrer Hermaphroditismus von gewiss wechselnder Morpho-
logie und Funktion !?)
Bei den Vögeln und den Säugetieren ist der wahre H.A.
lediglich als unbestreitbar pathologischer oder teratologischer
beobachtet und zwar als eine sicherlich sehr seltene Missbildung,
obschon er, wie unsere eigenen Befunde zeigen, wenigstens für
eine bestimmte Säugetierspezies in einem immerhin übersehbaren
Verhältnis zu finden ist.
Für den wahren H. A. der Vögel hat z.B. Poll (52a) in
einem auch aus anderem Grunde (vergl. unten) bemerkenswerten
Fall — Ovarium links, Hoden rechts bei Pvrrhula pyrrhula — die
gleichzeitige Existenz der männlichen und weiblichen Geschlechts-
zellen erwiesen. Dagegen ist dieser Nachweis bisher noch für
keinen Fall eines wahren H.A. der Säugetiere und des Menschen
Marmorbrasse. Andere Fischspezies zeigen inkonstanten oder gelegentlichen
wahren H.A.: Gadus morrhua L.. Dorsch; Scomber scomber L., Makrele:
Clupea harengus L., Hering; Lota vulgaris C., Rutte; Trutta fario L.,
Forelle; Uyprinus carpio L., Karpfen u.a.
1) Betreffs der Urodelen vergl. H. A. verus bei Triton (La Valette
St. George, zitiert bei Kermauner [33a], S. 335).
?) Dass (Kermauner |33b]|, S. 455 o.) der Ovotestis der Kröte „dem
indifferenten Zustand der Keimdrüse entspricht“, ist ebenso unrichtig, wie
dass (33a, 8. 335) er hier eine „entschieden pathologische Form“ darstellt.
>, H. A. effectivus successivus bei den Myxinoiden, effectivus autogamus
bei Serranus, reciprocus bei Chrysophrys, potentialis foecundus bei den
Raniden und Bufonen nach dem Stephanschen Schema. 2
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 125
erbracht), und darum wird es verständlich, wenn eine Reihe
von Autoren sich gegen die Anerkennung dieser Form mehr
oder weniger energisch sträubt.
Das Material des H.A. verus bei Mensch und Säugetier ist
zuletzt 1909 durch Ernst Sauerbeck (58) einer sehr kritischen
und eingehenden Sichtung unterzogen worden.
Sauerbeck, dem das besondere Verdienst zukommt, zuerst
systematisch auch den H.A. und insbesondere den wahren H.A.
der Säugetiere in einer für das Problem höchst förderlichen Art
verwertet und die Vorteile der vergleichenden Methode diesen
Fragen nutzbar gemacht zu haben, lässt schliesslich als sichere
Fälle, die allen Anforderungen genügen, für das Säugetier sieben
Beobachtungen einschliesslich einer eigenen gelten), sämtlich
beim Schwein, und für den Menschen zwei, die Beobachtungen
von Ernst Salen (57) und Simon (60). Dazu als „sehr wahr-
scheinliche“ für die Säuger drei?) (zwei Fälle beim Reh und
einen bei der Ziege) und für den Menschen fünf.*) In den
ersteren Ist die mikroskopische Untersuchung eine unzulängliche,
in den letzteren ist trotz mikroskopischer Untersuchung die Qualität
der (reschlechtsdrüsen (einer oder beider) wegen atvpischer. immer
wohl stark hypoplastischer Ausbildung nicht unbedingt sicher
(ee5..667).
Für den Menschen ist inzwischen noch ein sicherer, auch
mikroskopisch genau untersuchter Fall von Uffreduzzi(69a,b, ce)
und schliesslich ein Fall von Gudernatsch (23) beigebracht
worden, der freilich im Sinne von Sauerbeck eher zu den „sehr
wahrscheinlichen“ zählt.
Wenn ich von dieser letzteren Kategorie hier ganz absehe
und mich, zunächst unter Ausschluss des später genau zu be-
schreibenden Falles von Ernst Salen, lediglich an diesicheren
Fälle halte, so sind hier in der Tat in keinem Falle in Hoden
und Eierstock beiderlei (reschlechtszellen erwiesen.
!) Betreffs des Falles Pütz (53) siehe unten.
*) Beobachtungen von Garth (20), Fall 1 und 2, Kopsch und
SZymonowicz (66), Becker (3), Pütz (53), Reuter (55).
») Boas, Fall 1 und 2; Mayer: siehe Tabelle III, S. 672, Fall VIII
bis X bei Sauerbeck (58).
2,Blacker-Lawrence, Gast, Obolonski, Schmorl,
Zimmermann; siehe Tabelle III, S. 674, Fall IT—VI, 1.c. Gelegentlich
(1. e. S. 697, 698, 703 und 704) werden freilich auch die sehr wahrscheinlichen
Fälle zu den sicheren gezählt.
126 Ludwig Pick:
Während der Eierstock in allen diesen Beobachtungen })
Eizellen enthält, entweder Primordialfollikel oder auch weitere
Entwicklungsstadien der Primordialfollikel bis zu Corpora lutea,
sind (vergl. bei Sauerbeck, l.c., Tabelle VI) in den Kanälchen
des Hodens niemals Archispermiozyten oder Spermatogonien, ge-
schweige denn höhere Stadien der Spermiogenese zu finden.
Dabei sind (vergl. unten) unter diesen zehn Fällen Hoden
und Eierstock neunmal doppel- oder einseitig zu einer Zwitter-
drüse (Ovotestis) vereinigt; im Falle Reuter’s (55) fand sich
der Hoden rechts, das Ovarıum links.
Der Hoden in allen diesen Fällen entspricht in seinen histo-
logischen Qualitäten ganz dem gewöhnlichen Zustande des Hodens
beim H. A. spurius masculinus, und weiter gleichen diese Hoden
der wahren und falschen Hermaphroditen histologisch wieder voll-
kommen den Hoden des Kryptorchen, deren feineren Aufbau die
Untersuchungen von Langhans (41), Finotti (18), Felicet
et Branca (15), Spangaro (61) u.a. kennen gelehrt haben.
Dass diese Übereinstimmung, die sich auf alle histologischen
Details erstreckt, tatsächlich besteht, ist nach dem vorliegenden
Material für den Menschen wie für das Säugetier?) ganz ausser
Zweifel. Es bedarf dazu, wie ich gegenüber Kermauner (33b) aus-
drücklich bemerke, keiner neuen vergleichenden Untersuchungen.
Jedenfalls ist so die Bedeutung der Frage, ob die männliche
Keimdrüse auch beim Fehlen der germinalen Charaktere allein
dureh ihre somatischen Bestandteile als männliche charakterisiert
ist, eine das (Gebiet des H. A. überschreitende. weit allgemeinere,
entsprechend dem relativ häufigen Vorkommen des Kryptorchismus
bei Mensch und Säugern.
Was zunächst die Forderung der (Geschlechtsreife bezw.
Funktion der Keimdrüsen für die Anerkennung des Sexus und
im besonderen für die Anerkennung des doppelten (Geschlechts
der Keimdrüsen beim H.A. verus anlangt. so halte ich diese im
Prinzip für verfehlt. Das betont auch Sauerbeck (l. e., S. 340
') Betreffs der genauen morphologischen Einzelheiten vergl. Teil IV.
2) Vergl. beiSauerbeck (58), S. 865, Abs. 3, betr. des H. A. verus und
spurius beim Schwein; ferner S. 694, allgemein betr. der histologischen Uber-
einstimmung der Hoden bei H. A. verus, spurius und Kryptorchismus: ich
kann diese histologische Identität nach eigenem Material bestätigen; für die
Übereinstimmung bei Kryptorchen und Scheinzwittern vergl. neuerdings H of-
staetter (28), ferner Verfasser (5la).
—ı
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 12
und 690) in aller Schärfe. Ebenso entfällt mit der Ablehnung
dieser Forderung der weitere Schluss (Finkenbrink [17],
v. Rosthorn |56], Menge |46]), dass für den Menschen und
die Säugetiere, da getrennte und funktionierende Keimdrüsen
beiderlei Geschlechts nicht erwiesen seien, überhaupt nur von
Pseudohermaphroditismus gesprochen werden müsse.)
Wenn Menge bei der Diskussion des H. A. verus alle
Individuen, deren Keimdrüsen nicht funktionieren, wenn sie
sich auch morphologisch sonst irgendwie bezeichnen lassen. als
„geschlechtslos“ charakterisiert, so wäre dies. wie esSauerbeck
in ähnlichem Zusammenhang (l. e., S. 690) sehr richtig ausdrückt,
„logisch gleiehwertig mit der Forderung, keinen Menschen vor
Nachweis der Vater- oder Mutterschaft zu dem einen oder anderen
(seschlecht zu zählen“. Und es würde aus gleichem Grund das
kryptorchische, nicht hermaphroditische oder pseudohermaphro-
ditische, Individuum, dessen sonstige sekundäre, aceidentale
(seschlechtscharaktere im Sinne des Männlichen stets in aller
Vollkommenheit vorhanden sind, zu einem Neutrum, ein Schluss,
der kaum ernstlich diskutiert zu werden braucht.
Auch Kermauner (33b) hält die Forderung der Funktion
als Kriterium der bestimmten Sexualität der Keimdrüsen für zu
weitgehend, aber er verlangt doch immerhin für die Diagnose des
echten H.A. den Nachweis von Keimzellen beiderlei Geschlechts,
und es läuft schliesslich auch auf das Nämliche hinaus, wenn
Sauerbeck das einschichtige Epithel in den Samenkanälchen
des Hodens in seinem Fall von H. A. verus beim Schwein im
Sinne der französischen Autoren (Prenant. FelicetetBranca)
analog den häufigen Befunden im ektopischen Hoden als „sekundär
einheitlich“ auffasst, und ihn danach, „wenn auch nur implieite“,
alle wesentlichen Elemente der Keimdrüse, also auch die Samen-
zellen enthalten lässt, deren Produktion für eine spätere Lebens-
zeit des Tieres nicht auszuschliessen wäre.
Abgesehen davon, dass nach den neuen Ergebnissen der
Entwicklungsgeschichte diese besonders von den französischen
Forschern vertretene „unieistische* Auffassung der Spermiogenese
endgültig erledigt ist. hält aber Sauerbeck an anderer Stelle
=
') So auch Kitt (35), S. 110, der aber bei Anwesenheit der Genital-
drüsen zweierlei Geschlechts „im rein anatomischen Sinne“ die Bezeichnung
als Hermaphroditismus verus anerkennt.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.S4. Abt. II. g
128 Ludwig Pick:
mit Entschiedenheit den Standpunkt inne, dass man bei H.A.
nicht minder als bei normalen Individuen oder überhaupt nicht
hermaphroditischen Individuen auf eine männliche oder weibliche
Drüse zu erkennen hat, sobald ein histologisches Bild vorliegt,
das nur in der Entwicklung des einen Geschlechts existiert. Mit
anderen Worten: auch ohne die spezifischen Keimzellen wird das
(Geschlecht durch den organspezifischen Bau der Gonade sicher
bestimmt, also, worauf es für die Frage des wahren und falschen
H. A. hauptsächlich ankommt, auch ohne männliche Keimzellen
durch eine sonst charakteristische Keimdrüse das männliche
Geschlecht des Individuums oder bei gleichzeitig vorhandenem
Ovarium der H.A. verus.
Für diese eigentlich selbstverständliche Anschauung, die ich
in allen ihren Folgerungen vertrete, lässt sich. insbesondere auch
gegenüber den neuerlichen Ausführungen Kermauners, mehr
als ein Argument anführen.
Sicherlich treten die somatischen Zellkomplexe, die innerhalb
der Gonaden in den besonderen Dienst der Reifung und Generation
der Geschlechtszellen gestellt sind, schon dadurch in einen Gegensatz
zu allen anderen somatischen akzidentalen (reschlechtscharakteren.
Diesem Umstand trägt der allgemeine Sprachgebrauch insofern
Rechnung, als vielfach, so auch an anderer Stelle (52a) bei Poll,
nicht die Gameten,. sondern die Gonaden als primäre (essentiale)
Geschlechtsmerkmale in Gegensatz zu allen übrigen als sekundären
gebracht werden, und diese Auffassung ist so verbreitet, dass
Tandler und Grosz, ohne die Bedeutung der Keimzellen als
Träger der eigentlich primären Merkmale zu verkennen, sie für
ihre den biologischen Grundlagen der sekundären Geschlechts-
charaktere gewidmeten Untersuchungen ausdrücklich akzeptieren
(vergl. 1. c., S. 12 oben und S. 3, 130 und 135).
Die gegensätzliche Stellung des somatischen Keimdrüsen-
anteils gegenüber allen anderen akzidentalen Geschlechtsmerkmalen
tindet sich aber noch in einer anderen äusserst wichtigen Be-
ziehung, und es sind gerade die eben genannten Untersuchungen
von Tandler und Grosz, die sich mit diesen Verhältnissen
sehr wesentlich beschäftigen.
Die Keimdrüse besteht neben dem generativen Anteil, der die
Produktion bezw. Reifung der Gameten besorgt, aus einem inner-
sekretorischen Anteil, der interstitiellen Drüse, die im Hoden
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 129
durch die Leydigschen Zwischenzellen, im Ovarium durch den
gelben Körper und die den Leydigschen Zellen korrespondierenden,
bei den verschiedenen Tierspezies nicht gleichmässig entwickelten
/wischenzellen repräsentiert ist. Alle sekundären Geschlechts-
charaktere!) entstehen (vergl. Tandler und Grosz: auch
Steinach) phylogenetisch wie ontogenetisch unter dem schon
intrauterin tätigen Einfluss der von der interstitiellen Drüse ge-
lieferten geschlechtsspezifischen Keimdrüsen- oder Sexualhormone,
vielfach nieht ohne gleichzeitige Hormonwirkung seitens anderer
„komplementärer“ innersekretorischer Drüsen (Schilddrüse, Thymus,
Hypophyse, Glandula pinealis, Nebenniere). Sie sind, um es so
auszudrücken, physiologische Produkte der Harmonie der Hormone.)
Wie für den generativen somatischen Keimdrüsenteil durch
seine engen Beziehungen zur Produktion und Reifung der Keimzellen,
so besteht auch für den innersekretorischen Gonadenteil eine unbe-
streitbare Sonderstellung gegenüber allen anderen sekundären
somatischen Charakteren. Er ist im Verhältnis zu diesen von
überragender sexual-spezifischer Bedeutung, und da wenigstens
im allgemeinen gerade in den Hoden der Krvptorchen sowie der
Pseudohermaphroditen und wahren Hermaphroditen im Gegensatz
zu der Mangelhaftigkeit der generativen Bestandteile der inner-
sekretorische Abschnitt, d. h. der Zwischenzellenbestand mit dem
des normalen Hodens in der allgemeinen und speziellen Struktur
übereinstimmt, so besteht hier ein für die Entscheidung der
(seschlechtszugehörigkeit (Männlichkeit) durchaus wesentliches
Merkmal. Sind es nach Tandler und Grosz (l.c., S. 133
die Gonaden, die „als primäre (essentiale) Merkmale die Ge-
schlechtszugehörigkeit eines Individuums eindeutig bestimmen“,
') Nach Poll zum mindesten eine Anzahl der akzidentalen Charaktere,
nämlich die „versiblen*“.
Nach Tandler und Grosz ist in der Ontogenese die Abhängigkeit
von den Keimdrüsenhormonen für die phylogenetisch jüngsten Sexualcharaktere
am ausgeprägtesten.
?) Die von Plato und späteren Autoren vertretene Auffassung der
Zwischenzellen als Hilfsorgane der Spermiogenese wird von Tandler und
Grosz mit Rücksicht auf gewisse neue Befunde Goldmanns (Einwanderung
von Zwischenzellen in Samenkanälchen) als Nebenfunktion der Zwischenzellen
nicht unbedingt abgelehnt; wohl aber die Theorie Kyrles, nach der die
Leydigschen Zellen der Regeneration des Hodenparenchyms dienen sollen
(vergl. 66, S. 86, 90, 115, 116, 120, 121 und 122).
9*
130 Iuldiwele@Pälchk:
so ist damit neben die geschlechtsbestimmende Valenz der
(sameten die geschlechtsspezifische Bedeutung der Zwischen-
zellen — wenn auch nur in biologischem Sinne — gesetzt. Es
würden nach alledem Hoden aus typisch geordneten Samen-
kanälchen und Zwischenzellen auch ohne männliche Geschlechts-
zellen meines Erachtens als Hoden nicht zu bezweifeln sein.
Nun ist aber weiter der völlige Mangel von Geschlechts-
zellen in den Hoden der Kryptorchen und der Pseudoherma-
phroditen keineswegs eine undurchbrochene Regel. Einmal gibt
es hier, wenn auch selten, Fälle einer regelrechten Spermiogenese.
Sie ist von Garth!) z. B. in den retinierten Hoden eines Schweine-
kryptorchen gesehen (vergl. Sauerbeck [55]. S. 695 o.). und von
Merkel(47) in dem Falle eines männlichen 52 jährigen Pseudo-
hermaphroditen, wo bei der gleichzeitigen Anwesenheit von Scheide,
Uterus und Tuben die Hoden an der Stelle der Eierstöcke. also
innerhalb der Bauchhöhle, gelegen waren.?)
Und weiter ist insbesondere für den Hoden der menschlichen
Iirvptorchen, bei denen die Möglichkeit einer Untersuchung in
Altersserien gegeben ist, häufig genug entweder vollständige
Spermiogenese (von Uffreduzzi |69d]| neuerdings in 10°/o der
Kanälchen im retinierten Hoden: vergl. auch einen Fall bei Basso
[1]) oder mangelhafte Spermiogenese oder doch wenigstens, wie in
der jüngst von Tandler und Grosz untersuchten Serie, in den
Hoden kindlicher Kryptorchen ein Bestand an pathologisch ver-
änderten Urgeschlechtszellen oder >Spermatogonien festgestellt
worden.?) Also unvollkommene Spermatogenese oder zerfallende,
zugrunde gehende Ureier, aber doch immerhin männliche Ge-
schlechtszellen.
Erwägt man, dass z. B. in den Tandler und Groszschen
Präparaten zur Zeit der Pubertät in den kryptorchischen Hoden
diese Elemente spurlos verschwunden waren, so liegt darin ein
') Garth (l. e.) betont mit Recht die Notwendigkeit. in jedem einzelnen
dieser Fälle auch bei den wahren Hermaphroditen möglichst umfassende Unter-
suchungen der ganzen Hodensubstanz vorzunehmen: vergl. auch Simon (60),
S. 24, unter Bezugnahme auf die Feststellungen Finottis.
”, Vergl. auch Sauerbeck (S. 353 o.), der für die Ektopie der Hoden,
auch die der echten Zwitter, alle Übergänge vom Zustand der „sekundären
unification cellulaire“ bis zum normalen, geschlechtsreifen Hoden teststellt.
») Auch ich selbst habe bei gelegentlichen Untersuchungen in Leisten-
hoden Jugendlicher zweitellose Elemente der Geschlechtszellreihe gefunden.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 121
höchst bedeutsamer Hinweis darauf, dass auch in den „geschlechts-
zellosen“, sonst geschlechtsspezifisch gebauten Hoden der H. A.
und Ps. H. A. in früherer Zeit Geschlechtszellen vorhanden waren.
Es ist möglich, dass sich die geschlechtsspezifischen männlichen
Strukturen der Hodenkanälchen überhaupt nur bilden, wenn
wenigstens für eine kurze Phase der Ontogenese männliche Keim-
zellen gegenwärtig sind. Jedenfalls ist der Gedanke eines passagären
Bestehens von Keimzellen (oder beim Ps. H. A. andersgeschlecht-
lichen Keimdrüsengewebes). eines Unterschiedes dessen, was ge-
funden wird, von dem, was tatsächlich dagewesen ist, gelegentlich
der Erörterung dieser Fragen wiederholt zu finden. So bei Sauer-
beck (58, S. 350, 352, 831, S72 und 873), bei Kermauner (33b,
S. 457: auch 33e, S. 494) und neuerdings bei Gudernatsch
23,37269).
Aber selbst wenn wir alles Hypothetische ausschalten, machen
sicherlich die tatsächlichen Befunde zugrundegehender Ge-
schlechtszellen in jugendlichen krvptorchischen Hoden für diese
ganze Gruppe histologisch sonst vollkommen übereinstimmender
Keimdrüsen der Kryptorchen und der männlichen Pseudoherma-
nhroditen die nämlichen Vorgänge nicht unwahrscheinlich, und
die Abtrennung „mancher“, d.h. geschlechtszelloser Formen des
Kryptorchismus (Kermauner. 33b, S. 459) zu einer durchaus
künstlichen. Alle Individuen dieser Art sind danach auch von
diesem Gesichtspunkt aus durch Hoden ohne Keimzellen in ihrer
Männlichkeit genügend charakterisiert, und der „Kryptorch“
trägt seinen Namen mit ebenso gutem Recht, als im System des
Pseudohermaphroditismus vom weiblichen Scheinzwitter der männ-
liche geschieden wird, auch wenn sein Hoden keine männlichen
Geschlechtszellen anffinden lässt. Und mit nicht minderer Be-
rechtigung endlich ist der im kleinsten entsprechend gebaute
Anteil des Ovotestis wirklicher Hoden.
Eine besonders radikale Stellung nimmt gegenüber der
Auffassung dieser keimzellosen Hoden als wirkliche Hoden neuer-
dings Kermauner (33b)!) ein. Das Einzige, was in dem histo-
y 5) Kermauner, der an anderer Stelle (33a) die Zwitterdrüsen
(Ovotestis) der Säugetiere und des Menschen in der Zusammenstellung Sauer-
becks anerkennt, sie dort „vorläufig noch auf eine bisexuale Anlage der
Keimdrüsen zurückführt“ und „die Möglichkeit der Existenz hermaphrodi-
tischer Eier für diese Fälle zugibt*, hat diese Anschauung, wie er übrigens
selbst andeutet ($. 446), neuerdings seiner radikaleren Überzeugung geopfert.
132 b:u.d wii Barck:
logischen Bilde des Hodens der bisher bekannten Zwitterdrüsen !)
bei Mensch und Säugern an den Hoden erinnert, sind die Kanälchen,
und „Kanälchen allein beweisen noch keinen Hoden“. Der näm-
liche Zweifel bezüglich der „Hoden“-Natur gilt für die analog ge-
bauten, als männliche angesprochenen Keimdrüsen der männlichen
Pseudohermaphroditen und „mancher“ Kryptorchen. Kermauner
stützt sich hierbei auf folgende embrvologische Erwägung:
Ein Rete (= Markschläuche) wird in völlig homologer
Form im Hoden sowohl wie im Ovarium angelegt. Da „ein Teil
zum mindesten des ganzen Kanalsystems der Tubuli contorti vom
Rete abstammt“ und als „das natürlichste wohl anzunehmen ist,
dass nur Teile, welche deutliche Spermatogenese aufweisen, auf
die Keimstränge zurückgeführt werden dürfen“, die „anderen
aber auf das — vielleicht übermässig gewucherte — hRete“, so
sind alle diese hodenähnlichen Gebilde der Ovotestes, nicht
minder logischerweise die histologisch analogen der Pseudoherm-
aphroditen und gewisser Kryptorchen, lediglich adenomatöse Fehl-
bildungen seitens des ovariellen Rete (Adenoma retis |35b]
S. 459); sie sind Hodenimitationen, Scheinhoden (Pseudotestes),
die eine Scheinmännlichkeit der Keimdrüsen. eine Pseudoandrie,
vortäuschen.
Diesen Beweis halte ich in allen Punkten für misslungen.
Unhaltbar ist die Behauptung Kermauners, dass die Hoden
der Hermaphroditen (und Kryptorchen) allein durch die Kanälchen
an den Hoden erinnern. Die im histologischen Bilde oft so stark
vortretenden Zwischenzellen werden dabei vollkommen übersehen.
Unhaltbar ist der angenommene Unterschied der Embryogenese
der Geschlechtszellen führenden Tubuli eontorti von der Ent-
stehung der häufig ganz analog gebauten geschlechtszellosen
Kanälchen. Völlig unhaltbar ist auch die Annahme der (Genese
der Tubuli eontorti aus dem Rete. Über ihre Abstammung aus
den Keimsträngen bezw. dem Keimepithel besteht nach den neuen
Untersuchungen (vergl. W. Felix, 14) keinerlei Zweifel. Selbst die
Tubuli reeti entstammen nicht dem Reteblastem. sondern den
inneren Enden der Hodenstränge (vergl. ferner das Keibelsche
Schema, 32, S. 23, Fig. 8).
') Auch der Fall Reuters würde dabei inbegriffen sein, da der Bau
des Hodens sich von dem des männlichen Teils der Zwitterdrüsen nicht
unterscheidet.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc, 133
In dem nämlichen Sinne ist auch v. Rosthorns (56) Auf-
fassung der Zwitterdrüsen (Ovotestis) als glandulärer Pseudo-
hermaphroditismus strikt abzulehnen. Die „Zwitterdrüsen* der
Säuger und des Menschen enthalten neben dem Eierstocksteil
wirklichen Hoden, sie sind Beweisstücke eines wahren sexualen
Dimorphismus der Keimdrüsen und damit des wahren Herma-
phroditismus.
Ganz gewiss ist der H. A. verus dieser Form nicht nur von der
oft postulierten bisexuell-funktionellen, sondern auch von derjenigen,
zuerst charakterisierten Form verschieden, für die in den zum
Ovotestis vereinigten Gonaden zugleich eine Mischung der (rameten
überhaupt (resp. der Gametogonien oder (sametozyten) besteht.
Ebenso wie nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen
bei der Kombination eines Ovariums mit einem geschlechtszell-
losen Hoden die Ovula zur vollen Reife (eventuell Funktion ?) !)
gelangen können, wäre auch bei der Kombination geschlechts-
zellenführender Keimdrüsen die volle Ausreifung entweder im
Ovarıum oder im Hoden möglich.
Es würden sich danach für den wahren pathologischen oder
teratologischen H. A. der Säuger und des Menschen (unbeschadet
der Anordnung und Verteilung der Keimdrüsen im einzelnen)
a priori folgende Möglichkeiten ergeben.
1. Hoden und Eierstock mit beiderlei Gameten in voller
Geschlechtsreife ?) (Funktion).
II. Hoden und Eierstock mit beiderlei Gameten
1. mit Geschlechtsreife (Funktion) der Gameten einer
Keimdrüse
a) des Ovariums;
b) des Hodens;
2. Reifung der Gameten in keiner der beiden Drüsen.
III. Hoden ohne Keimzellen, Eierstock mit Keimzellen
1. reifend (funktionierend):;
2. nicht reifend.
!) Die Funktion eines Abschnittes der Zwitterdrüse (des Ovariums)
ist in den Fällen von H. A. verus an sich prinzipiell nicht in Abrede zu
stellen; so führte in dem Falle von Boas von H. A. lateralis beim Reh das
Tier ein Junges bei sich.
?) Hierher würde, falls die durch die sehr spärlichen Spermien des
Samens bewiesene Spermatogenese in den Hodenkanälchen mikroskopisch
hätte demonstriert werden können, der Fall Pütz zählen.
154 budwüerBick:
(Betretfs „Ovarium ohne Keimzellen“, Hoden mit Keimzellen
vergl. unten Anmerkung.)
Ich möchte entsprechend der speziellen Differenzierung des
generativen Keimdrüsenanteils in germinale und vegetative Ge-
schlechtszellen (Benda) die Gruppen I und llals wahren rein
serminalen (oder essentialen) Hermaphroditismus, die Gruppe Ill
als wahren vegetativ-germinalen') Hermaphroditismus
bezeichnen. Gruppe I würde in reinster Form dem funktionellen
wahren H. A. von Tandler und Grosz. Gruppe II. 2 und III,
dem morphologischen wahren H. A. dieser Autoren enter
Gruppe II, 1 und III, 1 mit einseitiger Reifung der Keimzellen
im Eierstock bezw. im Hoden und bloss morphologisch charak-
terisiertem Hoden bezw. Ovarium würden eine Intermediärstellung
zwischen dem funktionellen und dem morphologischen innehalten.
Jedenfalls bezeichnen bemerkenswerterweise auch Tandler und
und Grosz die Differenzen zwischen der funktionellen und morpho-
logischen Gruppe lediglich als graduelle.”)
Sowohl für den germinalen wie für den vegetativ-germinalen
H. A. wären die beiderlei (ronaden als getrennte Drüsen oder
vereinigte Ovotestis möglich, nach dem bekannten Schema von
Klebs als bilateraler H. A. oder als unilateraler H. A. bei
vorhandener. sei es männlicher oder weiblicher oder fehlender
Keimdrüse der anderen Seite oder aber als H. A. lateralis bei
männlicher der einen, weiblicher Keimdrüse der anderen Seite.
Sauerbeck hat alle diese Möglichkeiten der Anordnung und
', Würde man (vergl. Fall Gudernatsch |23], auch Kitt [35], S. 113 u.)
ein Ovarium ohne völlig sichere Keimzellen nur nach seinem charakteristischen
Bau Mark und Rinde mit Keimepithel und typischem Rindenstroma
oder mit Follikeln ohne Eizellen (Sauerbeck [58], S. 691) — in gleichem
Sinne wie einen lediglich aus gewundenen Kanälchen ohne Samenzellen be-
stehenden Hoden akzeptieren, so würde einmal sub III auch die Kombination
von Hoden mit männlichen Keimzellen und Ovarium ohne Keimzellen möglich
sein und ferner (Fall Gudernatsch) als eine dritte Form der wahre rein
vegetative Hermaphroditismus bestehen.
Der FallGudernatsch, dessen Präparate dem VIII. Internationalen
Zoologenkongress in Graz vorlagen, wird in der Tat durch A. Kohn-Prag,
Tandler und Grosz und, nach der Angabe von Gudernatsch, auch
von den Kongress-Mitgliedern als H. A. verus mit Ovotestis begutachtet.
>, Diese Formen des H. A. verus der Säuger und des Menschen würden
inStephans allgemeinem Schema des H. A. unter die Kategorien des H. A.
potentialis foecundus und sterilis bezw. rudimentarius glandularis entfallen.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 155
Verteilung der Gonaden in sein erweitertes Klebssches Schema
einbezogen (vergl. 1. c. S. 666, 670 und 691 nebst Tab. II) und
in seiner tabellarischen Analyse der einschlägigen Fälle von
Mensch und Tier zur Anwendung gebracht.!)
Wir erhalten danach im Sinne von Klebs-Sauerbeck
den H. A. verus als:
I. bilateralis
a) mit getrennten,
b) mit vereinigten Keimdrüsen.
II. unilateralis (dexter oder sinister)
a) mit getrennten,
b) mit vereinigten Keimdrüsen, dabei
«) mit vorhandener Keimdrüse der anderen Seite
(completus) als
«@) Hoden (masculinus),
»p) Eierstock (femininus):
5) mit fehlender Keimdrüse der anderen Seite (in-
completus).
III. lateralis (alternans bei Kitt)
a) männliche Keimdrüse rechts (masculinus dexter),
b) männliche Keimdrüse links (maseulinus sinister).
Jede einzelne Form dieses Zwittertums könnte in unserem
Sinne als ein rein germinaler oder als ein vegetativ-germinaler,
5) Eine kritische Besprechung der verschiedenen Schemata des H. A.
und Ps. H. A. liegt nicht in meiner Absicht. Sauerbeck vergleicht und
kritisiert die Modifikationsversuche, die Kaplan (1895), Benda (1895) und
Siegenbeck van Heukelom (1895) an dem von Sauerbeck selbst
beibehaltenen und erweiterten Klebsschen Schema des H. A. vornehmen.
Halban hat es durch die Berücksichtigung der sekundären und psychischen
Geschlechtsmerkmale erweitert; die „sekundären“ sind hier im Sinne Hunter -
Darwins die extragenitalen Charaktere unter Ausschluss der besonders
gestellten psychischen Eigenschaften; Kermauner hat die anatomische
Reduktion im Sinne Bendas noch verstärkt. Tandler und Grosz
schlagen vor, die von Poll angegebene Einteilung der Geschlechtsmerkmale
auf die Einteilung des H. A. zu übertragen.
Das bei diesen Reduktionen vortretende, auch von Sauerbeck (l. e.
S. 663, 831-832, 875-876) bekämpfte Prinzip, bestimmte Formen des H. A.,
namentlich den H. A. externus als „zufällige“ Missbildungen von besonderer.
sozusagen unspezifischer. eventuell grobmechanischer Atiologie (als „Pseudo-
Pseudohermaphroditismus“, 58, S. 832) vom Gebiet des H. A. abzutrennen,
ja, den Ps. H. A. vom wahren H. A. im gleichen Sinne ätiologisch abzulösen,
halte ich für falsch (vergl. darüber unten).
156 BudwierBück:
eventuell auch als ein rein vegetativer H. A. vorkommen, beim
H. A. verus unilateralis die eventuell vorhandene Keimdrüse der
Gegenseite dabei übrigens gleichfalls entweder Keimzellen führen
oder nicht und sie im ersteren Falle entweder ausreifen oder nicht
ausreifen lassen, — eine nicht geringe Fülle von Möglichkeiten,
die allerdings, wie alsbald zu zeigen ist, durch die Tatsachen
eine sehr wesentliche Einschränkung erfährt.
Und doch sind damit — wenigstens vom theoretischen Stand-
punkt aus — die für den wahren H. A. offenen Möglichkeiten noch
nicht einmal erschöpft.
Ich habe oben auf die sexualspezifische Bedeutung des inner-
sekretorischen Anteils der Keimdrüse. die spezifisch funktionierende
(Steinach) interstitielle Drüse des Hodens und des Eierstocks
verwiesen und auf den als solchen sichergestellten formativen
Einfluss der Keimdrüsenhormone zum mindesten auf einen Teil der
sekundären (reschlechtscharaktere. Wenn wirklich. wie Steinach
und mit ihm Tandler und Grosz annehmen, im differenzierten
Hoden weibliche und im differenzierten Ovarıum männliche
/wischenzellen („Pubertätszellen* nach Steinach) eingesprengt
sein könnten, so würde dem bisher allein bekannten und er-
örterten Keimdrüsen-Hermaphroditismus der generativen Anteile
ein solcher der innersekretorischen Anteile an die Seite gestellt
werden müssen. Er würde, den im übrigen geschlechtsspezifischen
Bau von Hoden und Ovarium vorausgesetzt, vielleicht noch am
ehesten als eine eigentümliche Form des wahren H. A. — als ein
Hermaphroditismus verus glandulo-interstitialis — zu gruppieren
sein. Und er würde sich von den Formen des rein generativen
H. A. verus nicht nur dadurch unterscheiden, dass hier die herm-
aphroditische Mischung in einer an sich einfachen, äusserlich nicht
veränderten und anscheinend typischen Keimdrüse vollzogen ist,
sondern vor allem dadurch, dass mit der Sicherstellung dieser
Form sich das physiologisch-kausale Moment in das bisher ge-
zwungenermassen rein deskriptiv gehaltene Schema des H. A.,
einführt. Zugleich würde nach den obengenannten Korrelationen
der interstitiellen Drüse des Hodens und Eierstocks zu den
„komplementären“ inneren Drüsen des Organismus die kausale
Störung über das Gebiet des glandulo - interstitiellen Herm-
aphroditismus der Keimdrüse mehr oder minder weit in das übrige
polvglanduläre System hinausgreifen. Es ist möglich, dass das.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 157
was wir heute in rein morphologischer Fassung als Pseudoherm-
aphroditismus bezeichnen, in dieser Form des glandulo-interstitiellen
Hermaphroditismus mehr oder weniger aufginge, und es ist
natürlich weiter auch möglich, dass dieser als eine weitere
Komplikation zu den Mischungen der rein generativen Keim-
drüsenanteile mehr oder weniger regelmässig hinzuträte.
Allerdings steht, was nicht zu vergessen ist, diese Form
des H. A. vor der Hand überhaupt nur auf dem Papier.') Das
erkennen auch Tandler und Grosz ausdrücklich an. Unsere
Kenntnisse über die morphologische Identifizierung der männ-
lichen und weiblichen interstitiellen Drüse und ihre physiologische
Wirkung im einzelnen sind bisher so mangelhafte, dass mit
einer ernsthaften Prüfung der Hypothese zurzeit noch nieht der
Anfang gemacht werden kann. So bleibt also als sichere Form
des wahren H. A. zunächst allein der H. A. der generativen Anteile
der Gonaden.
Prüfen wir die Klebs-Sauerbecksche schematische Anuf-
stellung, die gemäss unserer eigenen obigen Einteilung (germi-
naler, vegetativ-germinaler und rein vegetativer wahrer H. A.)
vervollständigt ist, an der Hand der tatsächlichen Befunde, so
ergibt sich nach dem bisherigen Material?) zunächst der Aus-
', Vergl. unseren Befund im äusserlich unveränderten Ovarium des
Falles V. Er betrifft in den äusserlich nicht veränderten Eierstock ver-
sprengte Zwischenzellen und Samenkanälchen, stellt also doch eigentlich nur
eine Abart des Ovotestis dar.
?) Vergl. die eingangs (den Fall Sal&n schliesse ich [vergl. S. 125] vor-
läufig aus) gegebene Aufzählung der Fälle von H.A. verus bei Mensch und
Säugern. Dabei möchte ich auf die von Kitt (35) neuerdings erwähnten
Fälle von Hermaphroditismus biglandularis s. bisexualis (= verus) hinweisen.
Kitt zitiert: H.A. alternans biglandularis (.früher lateralis genannt“) beim
Schwein (Gurlt, Pütz, Münchener Sammlung) und beim Kalb (Schlumpf.
Souli&, Münchener Sammlung); H. A. unilateralis (biglandularis) beim Stier
(Mascagni) und H.A. bilateralis (glandularis) beim Schaf (Seriba, Gurlt),
bei der Ziege (Gurlt, Guinard), beim Eselsfüllen (Hunter) und bei einer
hörnertragenden scheinbaren Rehgeiss (Kitt). Fig. 51 stellt das innere
Genitale bei einem H. A. biglandularis alternans des Kalbes dar; Fig. 52 das
Nämliche bei einem Schwein.
Kitt erwähnt ausdrücklich, dass Johne, Bonnet, Sticker und
er selbst auch histologische Feststellungen von bisexuellen Zwittern bei
Haustieren vorgenommen haben.
Weiter finden sich in der französischen Literatur Beobachtungen von
glandulärem H. A. bei Säugern, z. B. berichten Bouin und Ancel (6a, b)
138 Ludwig Pick:
fall der Gruppen la und Ila. Alle bisher bekannten sicheren
Fälle wahren Zwittertums mit doppelten Keimdrüsen zeigen diese
nicht getrennt. sondern. wie schon oben bemerkt, zur doppel-
oder einseitigen Zwitterdrüse vereinigt.
Weiter ergibt sich der vollkommene Ausfall der rein ger-
minalen Formen in unserem Sinne. In sämtlichen bisher bekannten
Fällen der Zwitterdrüsen, ebenso in den beiden sicheren Fällen
von H. A. verus lateralis (Reuter, Kingsburg) mit links-
seitigem Ovarıum und rechtsseitigem Hoden, ist der H. A. verus
em vegetativ-germinaler in dem Sinne, dass der Hoden keine Ge-
schlechtszellen, das Ovarium dagegen zweifellose Eizellen enthält.')
Es ist dies ein Punkt von prinzipieller Bedeutung, nicht
nur in rein morphologischem Betracht. Denn es ist, wie schon
vorher angedeutet. gar kein Zweifel: die immer von neuem auf-
tauchende Opposition gegen den H. A. verus beim Säuger und
wiederholt über solche. In der englischen bezw. amerikanischen Literatur
gibt neuerdings Kinesburg (34) eine Mitteilung vom H. A. verus lateralis
beim Schwein mit histologischer Untersuchung. Neunmonatliches Tier mit
äusserem männlichen Genitale. Normaler Penis. Am Perinaeum ein vulva-
ähnlicher Wulst (.ridge*). Vagina und Uterus vorhanden. Keine Vaginal-
anwendung. Linkes Uterushorn mit Tube, Fimbrie und kleinbohnengrossem
Eierstock; keine Spur von Hoden. Epididymis und Vas deferens auf dieser
Seite. Rechts typischer Hoden, 2.5 em lang, mit typischem Nebenhoden und
Vas deferens. Kein Ovarium. Rechte Tube blind am Nebenhodenkopf
endigend. Vom Ovarium wird das mittlere Drittel oder etwas mehr auf
Serienschnitten mikroskopisch untersucht. Normales Ovarialstroma. Follikel
(1 Graafscher) zum Teil mit Ovula; kein Hodengewebe links. Im rechts-
seitigen Hoden typische kryptorchische Struktur. Epithel einschichtig, vakuoli-
siert; zahlreiche typische Zwischenzellen.
Ein sicherer Fall von Ovotestis beim Schwein ist ferner im Göttinger
Pathologischen Institut seinerzeit unter Orth (laut gefl. persönlicher Mit-
teilung von Orth an mich) untersucht worden.
Ich habe es absichtlich unterlassen, die Sauerbecksche Zusammen-
stellung des wahren H. A. bei Säugern auf ihre Vollständiekeit zu prüfen
oder sie insbesondere noch durch den einen oder anderen der genannten Fälle
zu ergänzen. Ich sehe für die Frage darin keinen besonderen Nutzen mehr.
', Pütz sah in seinem schon wiederholt zitierten Fall bei einem H. A.
verus unilateralis dexter incompletus, d. h. bei rechtsseitiger Zwitterdrüse und
links überhaupt fehlender Drüse. neben reifen Eifollikeln im Ovarium Sperma-
tozoen im Sperma. Doch gelang der Nachweis irgendwelcher Zellen der samen-
bildenden Reihe bei der mikroskopischen Untersuchung des Hodens nicht.
Der Fall Gudernatsch entspricht unserer rein vegetativen Form
(vergl. oben S. 134).
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 139
beim Menschen begründet sich letzten Endes darin. dass die
gleichzeitige Existenz von Hoden und Eierstock mit ihren „un-
umgänglichen charakteristischen Bestandteilen, den Keimzellen
beiderlei Geschlechts“, bisher von niemandem gezeigt worden ist.
Daher die wiederholten Versuche — ich nenne hier Siegenbeck
van Heukelom und W. Nagel (48b) — alle Fälle von
„Hermaphroditismus verus beim Menschen“ in rücksichtsloser.
zum Teil übrigens gewiss berechtigter Kritik zu beseitigen. Daher
das Bestreben, die keimzellenlosen Hoden der Zwitterdrüsen zu
Fehlbildungen eines Eierstocksrete zu degradieren. Daher die
Bemühungen Kermauners, für die Genese des Hermaphroditismus
eine besondere doppeltgeschlechtliche Bildungstendenz überhaupt
zurückzuweisen und den gesamten Pseudohermaphroditismus als
eine rein lokale (Genitalmissbildung im mechanistischen Sinne —
aus einer zeitlichen Inkongruenz in der Entwicklung der Wolff-
schen und Müllerschen Gänge — zu begründen und ihn in
Annäherung an andere Genitalmissbildungen, wie die Cloaken-
missbildungen, seiner Eigenheit und Sonderstellung zu entkleiden.
Gibt es, so folgert Kermauner (33 b, S. 446), keine echten
Hermaphroditen, bei denen Hoden und Ovarium durch männliche
und weibliche Keimzellen charakterisiert werden, so muss auch
der Begriff des Pseudohermaphroditismus fallen.
Diese Folgerung ist falsch, weil die Prämisse nicht stimmt.
Es gibt in der Tat auch für den Menschen einen
wahren germinalen Hermaphroditiums, einen Herm-
aphroditisums. bei dem beide Geschlechtsdrüsen die spezi-
fischen Geschlechtszellen enthalten. Ich werde den
tatsächlichen Beweis dafür erbringen, und ich gebe im folgenden
eine eingehende, soviel als tunlich durch Abbildungen erläuterte
Beschreibung einer derartigen Beobachtung.
Ich lasse ihr aber zunächst eine Reihe von fünf eigenen Fällen
des wahren H. A. beim Säuger vorangehen, die ich selbst unter-
sucht habe. Sauerbeck hat die bis in das Kleinste gehende
Übereinstimmung des H. A. der Säuger, des Ps. H. A. wie des
wahren H. A., mit den Verhältnissen beim Menschen durch seine
schon oben genannten Unternehmungen in vergleichender Analyse
erwiesen und damit die ganze Lehre mit einem Schlage auf eine
weit breitere, gesichertere Grundlage gestellt. Insofern möchte ich
gerade die Darstellung meiner Befunde beim Säugetier mit den von
140 Ludwig Pick:
mir beim Menschen gemachten Feststellungen verbinden. Meine
Beobachtungen betreften, wie alle bisherigen sicheren Fälle von H. A.
verus beim Tier, das Schwein. Die relativ bedeutende Anzahl — fünf
Fälle gegenüber den sieben sicheren Sauerbecks aus der Gesamt-
literatur der letzten 27—2S Jahre — habe ich aus dem Material des
Berliner städtischen Schlachthofes in den Jahren 1910—1913 mit
der tatkräftigen und interessevollen Unterstützung des städtischen
Schlachthofarztes Herrn Dr. Max Schmey zusammengebracht.
Meine Beobachtungen schliessen sich an die von Sauerbeck
zusammengestellten von sicherem H. A. verus beim Schwein un-
mittelbar an. Ich will an der Hand der einzelnen Befunde prüfen, wie-
weit durch meine Ergebnisse die von Sauerbeck aus seinen Unter-
suchungen für den H. A. verus abgeleiteten „phänomenologischen
(resetze* sich bestätigen bezw. erweitern lassen. Zu dem nämlichen
Zweck gebe ich auch eine kurze Wiedergabe des älteren Simon-
schen Falles von H. A. verus beim Menschen und der beiden neuen
Fälle von Uffreduzzi (69a, b, c) und Gudernatsch (23).
Freilich kommen bei allen diesen Untersuchungen und Be-
funden des H. A. verus nicht allein die rein morphologischen
Detailfeststellungen in Frage. Die Bedeutung der positiven und
jetzt nicht mehr angreifbaren Begründung des wahren H. A. ist
eine weit umfassendere, ja, grundsätzliche für die Auffassung des
H. A. verus überhaupt.
Durch den sicheren Nachweis des H. A. verus, durch seine
gesetzmässige Kombination mit dem Ps. H. A. in seinen ver-
schiedenen Abarten ist die Einheitlichkeit des H. A. gewährleistet,
zunächst natürlich im rein anatomischen Sinne. Aber darin liegt
zugleich gewiss auch ein starker Hinweis auf eine gemeinsame
Ätiologie aller Formen des H. A., des wahren wie des falschen.
Wir werden auf diese Fragen nach der Darstellung der
tatsächlichen Befunde, die ich nun folgen lasse, einzugehen haben.
Weil I:
a) Fünf eigene Fälle von Hermaphroditismus verus
beim Schwein.
Sämtliche von mir untersuchten Tiere waren etwa S Monate
alt. Die Kontrollorgane wurden von gleich alten männlichen und
weiblichen normalen und kastrierten Schweinen, von sogenannten
„borgs“ bezw. „Nonnenschweinen“, untersucht.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 141
Fall l.
Das Tier hat nach dem mir gegebenen Bericht Auffälliges an seinem
äusseren Genitale, der Scheide und seiner Körperform nicht gezeigt. Der
Gesamteindruck des Tieres war ein weiblicher und ebenso wie der Befund
der inneren Organe ohne eine Abweichung.
Ich nehme diese Angabe einfach ad notam, da ich sie nicht habe nach-
prüfen können.
Ich erhielt den obersten Abschnitt der Scheide mitsamt dem Uterus, den
breiten Mutterbändern und den Anhängen in einem Stück Taf. XII, Fall 1).
Die oberste Scheide plus Uterusteil (ut) (Cervix und Corpus) war 9 cm lang.
Die Schnittfläche zeigt den Muskelschlauch der Scheide sehr kräftig
entwickelt; er ist etwas von vorn nach hinten abgeplattet, bei einem Quer-
durchmesser von 24 mm. Das Lumen ist mit normaler Schleimhaut aus-
gekleidet, stellt sich als ein querer Spalt dar. Zu beiden Seiten des Lumens
von Muskulatur umgeben, aber doch schon am Rand des Durchschnittes
erscheinen zwei deutliche Lumina (Gg) (Vasa deferentia..
Die Uterushörner (uh), die aus der Trennung des unpaaren Teiles an
normaler Stelle hervorgehen, sind kräftig entwickelt, je etwa 33 cm lang
und 2,5 cm dick. Die Dicke sinkt da. wo sie nach abwärts umbiegen, auf
2 cm. Schliesslich folgt unter besonderer Krümmung abgesetzt an jedem
Horn ein 1 cm langer, ”—S mm dicker, schnell verjüngter Endabschnitt.
Diesem Ende liegt jederseits ein Pol eines Körpers an, der seinem
ganzen Äusseren nach sofort als Hoden (h) imponiert. Er besitzt die Maße
links 4,5:4.5:3 cm, rechts 4,5:4:4 cm, ist, abgesehen von seiner Verkleinerung
gegen die Norm, von normaler Form; seine bläulich-graue Oberfläche ist von
nicht verdickter normaler Albuginea überzogen.
Jederseits liegt aber der dem Ende des Uterushorns genäherte Hodenpol
nicht frei, sondern wird von einer relativ flachen, kappenartigen Auflagerung (0)
umfasst, die überall ganz scharf abgesetzt ist. Sie besitzt links wie rechts
eine kleingebuckelte Oberfläche, die mit der glatten Aussenfläche der Hoden
stark kontrastiert, eine derbe Konsistenz und eine durchscheinende, opakgelbe
Farbe an manchen der kleinen Höcker. Die Maße dieser Auflagerung be-
tragen links: 1.9:1,0:0,8 cm; rechts: 3:2,3:0,5 cm.
Der Durchschnitt ergibt beiderseits eine exquisite „Zwitterdrüse“: die
kappenartigen Organe sind typische Ovarien. Das linke (vergl. auf Taf. IX:
Fall 1 [links] o und h) zeigt neben einem Corpus luteum einige erbsengrosse
zystische Follikel bezw. Follikelzysten mit klarem Inhalt; das rechte typische
kleinere und grössere Corpora lutea und einige kleinere zystische Follikel
bezw. Follikelzysten oder mehr grauliche solide Abschnitte.
Etwa dem mittleren Teil der Grenze gegen den Hoden entsprechend
besteht jederseits eine bedeutende Ansammlung kleiner weiter Blutgefässe,
die sogar etwas in die Hodensubstanz hinein einschneidet; sie entspricht
dem Eierstocksmark (vergl. Taf. IX m). Im übrigen zieht zwischen Hoden
und Eierstock als Fortsetzung der Albuginea testis eine feine weissliche
Membran die scharfe Grenze; sie ist auch unterhalb des Eierstocksmarks in
aller Schärfe vorhanden (vergl. Taf. IX).
142 Dbudwie&Puck:
Die Durchschnittsfläche des Hodens (in seiner grössten Dicke) ent-
spricht in ihrer bräunlichen Farbe der Norm. Auffällig ist nur der Mangel
einer irgendwie nennenswerten Septierung und vor allem das Fehlen eines
eigentlichen Hilus bezw. eines Corpus Highmori, obschon der Schnitt genau
gegen den Kopf des beiderseits sehr kräftigen Nebenhodens (Taf. XIII, Inh)
veführt ist. Dieser setzt etwa gegenüber dem aufgelagerten Eierstock an, bei
einem beiderseits sehr lockeren, frei beweglichen Verhältnis des Nebenhoden-
kopfes zum Hoden. Auf dem Durchschnitt des Nebenhodenkopfes besteht
schr exquisite Läppchenzeichnung. Die Hydatiden fehlen.
Die Länge des in seiner Form durchaus typischen, normal abgeplatteten,
ca. 1 em breiten Nebenhedens beträgt links etwa 14 em, rechts 16 em. Er
zieht mit gegen den Hoden gerichtetem scharfen Rand längs des Hodens
und dann im freien Rand des Ligamentum latum so herum, dass die Über-
gangsstelle in das Vas deferens jederseits etwa da liegt, wo die Uterushörner
in ihr kurzes, verjüngtes Endstück auslaufen (vergl. Taf. XIII. Das Vas
deferens (Gd) zieht dann in typischen Schlängelungen zwischen den Blättern
der zarten Ligamenta lata parallel zum Uterushorn jederseits gegen den
oberen Teil des unpaaren Gebärmutterabschnittes.
Dass es beiderseits auf der Schnittfläche der Scheide zutage tritt, ist
schon erwähnt.
Auf die Konvexität des rechten Nebenhodens tritt vom verjüngten
Ende des Uterushorns ein 6 cm langer, fast strieknadeldicker Strang mit
feinem Lumen über, der als Tube (rt) imponiert (vergl. auch unten die
mikroskopische Untersuchung). Er läuft blind ohne Ostium auf der Neben-
hodenoberfläche aus und ist der Furche zwischen Hoden und Ovarium un-
mittelbar benachbart. Links fehlt jede Andeutung eines solchen Stranges.
Mikroskopische Untersuchung.
Härtung in 1Oprozentigem Formalin; Paraftineinbettung: Färbungen:
Hämalaun-Eosin: van Gieson; ÖOrcein nach Unna-Tänzer: Elastin-
färbung nach Weigert (mit Karmin- und Parakarmin-Vorfärbung).
1. Es ergeben sich vollkommen normale Verhältnisse, die einer be-
sonderen Beschreibung nicht bedürfen: a) für das Vas deferens im (linken)
Ligamentum latum; b) für den Kopf des (linken) Nebenhadens. Die
Flimmern der hohen Zylinderzellen sind vielfach erhalten.
2. Ferner zeigt normale Verhältnisse ein querer Schnitt kurz vor dem
blinden Endstück des Üterushorns und durch den Anfangsteil des unmittelbar
daneben gelegenen Samenleiters; der Schnitt trifft beide Organe.
3. Schnitte einer Scheibe. die quer vom distalen Ende des Genital-
schlauches (der Scheide) abgetragen wird, erweisen das makroskopisch jeder-
seits sichtbare Lumen als Querschnitt des Vas deferens. Letzteres ist hier
leicht geschlängelt, so dass es auf einzelnen Schnitten zweimal in verschiedener
Richtung getroffen erscheint, aber frei von besonderen traubenförmigen Aus-
sackungen.
4. Querschnitte durch den rechten Nebenhoden und den feinen,
seiner Konvexität aufgelagerten Strang (Taf. XIII, rt) zeigen diesen als Tube.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 14:
Die Muskulatur ist gut entwickelt, die Mucosa ganz glatt, von Epithel ent-
blösst. Im Lumen abgestossene Epithelien, Kerne und Zerfallsprodukte.
5. Schnitte durch den Körper des linken Nebenhodens bestätigen auf
dieser Seite das vollkommene Fehlen der Tube.
6. Schnitte der rechten Zwitterdrüse. Eine grosse Scheibe, die
Eierstock und Hoden enthält, wird nach Formalinhärtung in Paraffın ein-
gebettet. Ausser den genannten Methoden Untersuchung von Gefrierschnitten
des Hodens mit Hämalaun-Sudanfärbung.
Hoden und Eierstock sind auch im mikroskopischen Präparat scharf
getrennt. Die trennende Bindegewebslage ist ziemlich derb und kernarm
(siehe Taf. IX, Fig. 1, ao und at).
Das Eierstocksstroma ist nur an wenigen Stellen das typische, derbe,
an kleinen Spindelzellen reiche. Meist ist es viel weniger kernreich, stellen-
weise lockerer, stellenweise straffer, vielfach mit reichen Beimengungen wirrer
Geflechte feiner elastischer Fasern versehen. Primärfollikel sind nur sehr ver-
einzelt aufzufinden. Dagegen sind Wachstums- (Fig. 1, wfei) und Reifestadien
der Primordialfollikel in geschlossener Reihe vorhanden, bis zur Bildung
grösserer und kleinerer, wiederum ganz typischer Corpora lutea (cl) Eine
Beschreibung dieser Formen erübrigt sich, da gegen die Norm auch nicht
die leiseste Abweichung besteht. Daneben findet sich zystische Degeneration
einzelner eiloser Follikel, einige Male mit kleinen papillären, von den Granulosa-
zellen überzogenen Erhebungen der Theca folliculi.
Besonders bemerkenswert ist. dass eine Anzahl von Entwicklungsstadien
der Follikel, auch grosse und grösste Formen, durch die mächtigen Corpora
lutea beiseite geschoben. erdrückt, abgeplattet und zum Schwund gebracht
werden.
An der schon makroskopisch gekennzeichneten Stelle des Markteils
(m auf Taf. IX) besteht eine starke Häufung weiter gewundener Arterien
und Venen Das kernarme Bindegewebsstroma umschliesst hier auch einige
atrophische Kanälchen, von einschichtigem niedrigen Zylinderepithel umsäumt
(atrophische Markstränge ?).
Der Hoden bietet an allen Stellen das nämliche Bild ohne irgendeine
Abweichung. Er ist durch überall nur schmale, einfach fibröse, lockere
Septen in unregelmässig konturierte, verschieden grosse Läppchen geteilt,
wie schon die Lupenvergrösserung deutlich demonstriert, aber ohne eine
besonders erkennbare Regelmässigkeit. Ein Corpus Highmori ist auch mikro-
skopisch nicht ersichtlich. Die einzelnen Lobuli bestehen lediglich aus
Zwischenzellen und Hodenkanälchen (zw und hk auf Fig. 1). Bindegewebe
ist innerhalb der Läppchen nur in zartester konzentrischer Lage mit platten
Kernen als Tunica der Samenkanälchen vorhanden; diese führt allerfeinste
elastische Fasern.
Die Zwischenzellen sind gross, von 16,5 „ mittlerem Durchmesser,
prononeiert polyedrisch, stark mit Eosin gefärbt, frei von Pigment, Kristallen
und, wie die Sudanbehandlung der Formalin-Gefrierschnitte beweist, auch
von Fett. Sie sind in die Maschen eines Netzes zarter Blutkapillaren ein-
gelagert.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 10
144 Ludwig Pick:
Die Samenkanälchen sind bei 105 „ mittlerem Durchmesser durchweg
lumenlos, solide oder doch nur mit Andeutungen eines Lumens versehen, in
den verschiedensten Richtungen getroffen, auch dichotomisch verbunden, von
polyedrischen Epithelien, die zur Tunica hin öfters mehr längliche pallisaden-
artige Form aufweisen, als einziger Zellart gefüllt. Die Kerne sind im
allgemeinen länglich, oft unregelmässig konturiert, diffus gefärbt.
Diese Epithelien sind bis auf die äussersten Lagen in ausserordentlich
reichem Maße scheinbar vakuolisiert, d.h. sie enthalten am Sudanpräparat
grosse, oft zellfüllende Fettropfen, die den Kern unter entsprechender Form-
änderung an die Wand drängen. So können eventuell Siegelringformen ent-
stehen. An den Hämalaun-Eosinpräparaten sieht das Lumen der Samen-
kanälchen allermeist geradezu siebförmig aus.
Das quantitative Verhältnis von Zwischenzellen und Samenkanälchen
innerhalb der Läppchen steht schätzungsweise wie 3:2, eher noch mehr zu-
gunsten der Zwischenzellen; jedenfalls sind diese in kolossalen Mengen vor-
handen. Die typische Albuginea (ca. 0,5 mm) an der Oberfläche des Hodens ist
ebenso wie die äusserste Stromalage des Ovariums von Keimepithel entblösst.
Fall II.
Für den zweiten Fall steht das ganze äussere und innere Genitale
vollständig zur Verfügung. Nur ist die Urethra mit der Harnblase durch
den üblichen „Schlächterschnitt“ abgetrennt, und dabei der Genitalschlauch
mit durchschnitten, so dass das Präparat in zwei getrennten Teilen vorliegt.
Ausser einer abnormen Bildung der
äusseren Scham bestanden nach Bericht
irgendwie äusserlich bemerkbare Miss-
bildungen nicht. Der Gesamteindruck
war ohne Auffälligkeiten der eines weib-
lichen Tieres. Auch die inneren Organe
waren abgesehen vom Urogenitalapparat
ohne Missbildung.
Das äussere Genitale (vergl. Text-
figur 1) macht einen verbildeten, aber im
ganzen doch weiblichen Eindruck. Die
7 cm langen Labien, schwärzlich grau pig-
mentiert und mit einigen starren Borsten
besetzt, bilden unter Verwachsung in
ihremunteren und mittleren Teil einrelativ
bedeutendes, dick vorspringendes Haut-
polster (Scrotumrudiment?). Zwischen
den nicht verwachsenen Teilen führt oben
eine rundliche Öffnung von 7 mm Durch-
messer in die Tiefe, und darüber liegt
frei ein über 4 cm langer, also im Vergleich
zur Norm stark hypertrophischer, klitorisähnlicher Körper, der nach unten
und links hakenförmig gekrümmt ist. In seinem oberen Umfang besteht
ein 1 cm tiefer Präputialsack.
Fig. 1.
u en ee a Eee
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 145
Der normale kleine kegel- oder zungenförmige Hautanhang am ventralen
Winkel der Vulva fehlt.
Von unten her ziehen zwei kaum zentimeterlange Hautfalten jeder-
seits mit freiem Rand von den Labien zur Unterfläche der Klitoris und
bilden hier ein ganz kurzes breites Frenulum.
Die genannte Öffnung entspricht dem Eingang in den Sinus urogenitalis,
der als ein über 15 em langer und fast 2 cm dieker zylindrischer Schlauch,
von gelblich grauer Schleimhaut ausgekleidet, dorsalwärts zieht. Der lichte
Durchmesser beträgt dem Eingang entsprechend 7 mm.
Auf dem Durchschnitt ist er unterhalb der glatten Mucosa von seinem
hintersten Abschnitt an rings von einer gelbrötlichen, stark vaskularisierten,
weichen, nach aussen durch eine dünne weissliche Kapsel scharf begrenzten
Masse — der Pars disseminata prostatae (siehe Taf. XI, Fig. 2) — mantel-
förmig umgeben, die unmittelbar bis an die Schleimhaut reicht, mit ihr in
ganzer Breite zusammenhängt. Sie ist ventral und an den Seiten mächtiger,
während sie dorsalwärts an Masse abnimmt. Die grösste Ausbildung er-
reicht sie ventralwärts mit fast 5 mm Dicke, etwa 10 cm vor der Sinus-
mündung, dann nimmt sie mündungswärts schnell an Dicke ab, und zwar
zuerst ventralwärts, so dass hier 8 cm vor dem Orificium ihre Kontinuität
bereits ca. 1 em unterbrochen ist. 6 cm vor der Sinusmündung ist sie nur
noch dorsalwärts als schmaler Saum erhalten und 3 cm vor der Sinusmündung
ganz verschwunden. In den mittleren Abschnitten des Sinus legen sich
ventralwärts rechts und links seitlich von der Mantelmasse die Muskelzüge
des Musculus urethralis an.
Über das Corpus prostatae ist nichts Sicheres auszusagen. Die grossen
Vestibulardrüsen fehlen.
Auf den Schlauch des Sinus urogenitalis unmittelbar aufgelagert, von
dichten Fettmassen umgeben, ist die Fortsetzung der Klitoris als solider,
anscheinend 11 cm langer, drehrunder Strang von 6 mm Durchmesser. In
Wirklichkeit ist er noch einige Zentimeter länger, da er auf der Dorsalfläche
des Sinusrohres S-förmig verläuft und ausserdem kurz hinter dem äusseren
Eingang in den Urogenitalsinus in scharf S-föürmiger Windung als knopt-
förmiger Vorsprung sich von rechts her in den Sinus vorwölbt.
Der hinterste Abschnitt des Klitorisstranges ist oben und seitlich von
Muskeln eingefasst. Beiderseits dicht neben ihm laufen etwas vor seiner
Mitte die in Form und Aussehen typischen bleistiftdieken runden Mutter-
bänder in das Fettgewebe der Labien aus.
Die Verbindung des Sinus urogenitalis mit der Scheide und Harnröhre
ist, wie schon erwähnt, durchtrennt. Durch die Schnitte des Schlächters ist
zugleich vom hintersten Sinusabschnitt ein Stück mit entfernt. Das Lage-
verhältnis der Scheide zum Sinus urogenitalis (ob unmittelbare Fortsetzung
des letzteren oder Eintritt in ihn „von hinten her“ [vergl. Sauerbeck,
S. 356 und 343]) und die Beschaffenheit ihrer Einmündung (ob verengt?),
ebenso wie die Einmündungsart der Vasa deferentia und der Prostatakörper
ist wegen dieser Kontinuitätstrennungen nicht sicher zu bestimmen.
Das Scheidenlumen, von vorn nach hinten abgeplattet, ist weit, misst
von rechts nach links 45 mm. Die Vaginalwand ist verdünnt, nur etwa
10*
146 Ludwig Pick:
3 mm dick (gegen 4-5 mm der Norm). An jeder Seite ist auf dem Durch-
schnitt in den verschiedenen Höhen der Scheidenwand und in symmetrischer
Anordnung je ein körniges Körperchen von etwa 2 mm Durchmesser zu
sehen („Pseudosamenblasen“) (Taf. XIII, Fall 2, pssa). Die Scheidenschleimhaut
ist graurot, rauh. —
Der Uterus mit seinen Hörnern (vergl. Taf. XIII) ist hier in eine
Pyometra kolossalsten Umfanges umgewandelt: sie enthielt etwa 15 Liter
graugelben, geruchlosen Eiters. Das rechte Horn ist weit über mannskopf-
gross, das linke kindskopfgross.
Das Endometrium stellt sich als eine typische pyogene Membran dar.
Das Perimetrium ist von fädigen und breiteren lamellösen Adhäsionen besetzt,
die Ligamenta lata sind grauweisslich verdickt und haben ihre natürliche
Transparenz zum grössten Teile eingebüsst. An ihrem unteren Rand sitzen
an der Abtrennungsfläche einige haselnussgrosse weiche Lymphdrüsen mit
gleichmässig graugelblicher trüber Schnittfläche. Der Sack des linken Uterus-
hornes hat nach Entleerung und faltigem Collaps einen Aussenkontur von
43 cm, der des rechten grösseren (uh) von 82 cm.
Scheide plus unpaarer (ut) Uterusteil messen bis zur Teilungsstelle
20 cm. Die weite Scheide geht in das mächtig erweiterte, etwa doppelt-
mannsfaustgrosse Cavum uteri allmählich über.
Eine Stenose oder ein Verschluss des erweiterten Genitalschlauches
ist am Präparat nicht ersichtlich. Er muss also an der vom Schlächter
durchtrennten Stelle, d. h. am untersten Ende der erweiterten und in ihrer
Wand verdünnten Scheide gesessen haben. Beide Uterushörner endigen unter
mächtiger keulenförmiger Auftreibung blind, Hier schliesst sich unmittelbar
die Keimdrüse an.
Sie besteht hier jederseits aus zwei scharf abgesetzten und in Kon-
sistenz und Aussehen verschiedenen Anteilen. Der eine derselben — links
4,5:4:3 em: rechts 4:3,5:2,8 em — erscheint ohne weiteres als typischer
Hoden (h) mit blaugrauer glatter Oberfläche : der andere — links 4+:2,5:1,2 cm,
rechts etwas grösser wie der Hoden — als Ovarium (0). Die Hoden sind, ab-
gesehen von ihrer Verkleinerung gegen die Norm, von gewöhnlicher Form,
aber gegen die aufliegenden Ovarien abgeplattet: die Oberfläche ist von
normaler Albuginea überzogen. Die Ovarien, besonders das rechte, sind
reich gebuckelt, teils durch opakgelbe Körper, teils durch vorspringende
transparente kleinere und grössere Zysten.
Auf dem geeen den Kopf des kräftigen Nebenhodens geführten Durch-
schnitt (vergl. Taf. IX, Fall 2 [rechts]) fällt an den Hoden (h) der Mangel der
regelmässigen Septierung des bräunlichen Parenchyms und das Fehlen des
Corpus Highmori auf. Der linke Eierstock (o) enthält auf dem Schnitt neben
einer Reihe bis erbsengrosser Corpora lutea einige über erbsengrosse glatt-
wandige zystische Follikel; der rechte (Taf. IX) ein halbes Dutzend bis
bohnengrosser gelber Körper (cl) und an der Peripherie an zwei diametralen
Stellen je eine walnussgrosse und eine klein-walnussgrosse Zyste mit glatter,
weisslich-grauer Innenfläche und klarem serösen Inhalt (fe).
Das Zwischengewebe an beiden Ovarien ist trüb grauweisslich. Eine
besonders reichliche Ansammlung, zumal am rechten Ovarium über der Mitte
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 147
der Grenzlinie gegen den Hoden hin, bildet eine ausgesprochene Mark-
schicht (m).
Als scharfe Grenze zwischen Hoden und Eierstock ist zwischen beiden
Organen, die Albuginea des Hodens fortgesetzt. Auf dem Durchschnitt
(Taf. IX) wird die breite kappenartige Umfassung des Hodens durch den
Eierstock besonders deutlich.
Der Kopf des Nebenhodens (vergl. Taf. XIII, ınmh) liegt wiederum
im Verhältnis zum Eierstock am Gegenpol des Hodens, mit diesem äusserst
locker verbunden. Der Nebenhoden selbst ist kräftig entwickelt, von normaler,
nur etwas platter Form und 1 em Breite, mit scharfem Rand gegen den Hoden
hin. Er zieht beiderseits im freien Rand des Ligamentum latum gegen das
verschlossene Ende der Uterushörner, ist rechts 10 cm lang, links auf nur
7 cm deutlich verfolebar, da er dann hier zwischen derbe grauweissliche binde-
gewebige Adhäsionsmembranen eingelagert ist. Hydatiden fehlen beiderseits.
Vom Ende des rechten Uterushornes bezw. des grossen Sackes aus ist
auf den rechten Nebenhoden, dann im scharfen freien Rand der Epididymis
unmittelbar neben dem Ovarium verlaufend, ein 7 cm langer lichtbräunlicher.
reichlich stricknadeldicker Strang fortgesetzt (rt |hys]). Er ist etwas trans-
parent, hat eine sehr dünne Wand und ein relativ weites Lumen. Links
ist dieser Strang (lt) weniger deutlich ausgesprochen. Irgendwie an das
Fimbrienende erinnernde Bildungen fehlen.
In der Nähe des Endes der Uterushörner liegt auch der Übergang
der Nebenhoden in die Samenleiter (Gd), die im Ligamentum latum gegen
den unpaaren Uteruskörper verlaufen, auf ihrem Wege dorthin aber sich
hier wegen der Verdiekung und Trübung der Ligamente schwerer ver-
folgen lassen.
Mikroskopische Untersuchung.
(Technik wie im vorigen Falle.)
l. Der Querschnitt eines der runden Mutterbänder und
.2. der Klitoris ist ohne Abweichung.
3. Eine Scheibe quer zur Längsrichtung des Sinus urogenitalis
(nach hinten von seiner Mitte entnommen |vergl. Fig. 2 auf Taf. XT]).
Das Epithel ist mehrschichtig, etwa nach Art des menschlichen Über-
gangsepithels angeordnet. Unter der Epitheldecke im mässig kernreichen
fibrösen Stroma eine verschieden mächtige kleinzellige Infiltration : strecken-
weise fehlt über dieser auch die Epitheldecke mehr oder weniger, eventuell
ganz. Die den Sinusschlauch umlagernde (für das blosse Auge gelbrötliche)
Prostatamasse (pdpr), die in diesem Bereich des Sinus (vergl. oben) ihre
grösste Entfaltung besitzt, besteht aus ziemlich locker aufgebauten, aber
dicht aneinander geschlossenen, verzweigten tubulösen Einzeldrüsen. Die
Tubuli führen ein einschichtiges niedrig-kubisches Epithel, das von den
Kernen fast ausgefüllt ist: die grösseren Ausführungsgänge haben eine mehr-
schichtige Epithelauskleidung. Das Drüsenstroma, das mit dem Schleimhaut-
stroma zusammenhängt, ist teils einfaches, ziemlich kernarmes Bindegewebe,
teils mehr locker, flüssigkeitsreicher, mit Hämalaun leicht bläulich tingiert.
Da und dort liegen kleinzellige Infiltrate zwischen den Tubulis.
148 Ludwig Pick:
Überall zwischen den grossen tubulösen Einzeldrüsen, namentlich aber
zwischen ihnen und der Schleimhautoberfläche, finden sich weite kavernöse
dünnwandige venöse Blutgefässe, oft in starker Häufung (ce).
Auch die hintersten Abschnitte des Sinus wurden untersucht, ‚mit den
geschilderten gleichenden Befunden.
Die äussere Umkapselung des Schlauches des Sinus urogenitalis wird
durch einen kräftigen Musculus urethralis (mur) gebildet. Nur fehlt an
diesem die physiologische dorsale Unterbrechung.
4. Querschnitt der Scheidenwand vor der Einmündung in den
Sinus urogenitalis.
Das geschichtete Plattenepithel ist bis auf geringe Reste verloren
gegangen. Die Oberfläche der freiliegenden Tunica propria der Schleimhaut
ist auf das dichteste von kleinen Rundzellen durchsetzt. An wenigen Stellen
senkt sich die Oberfläche in Form einer kurzen, aber weiten bauchigen
Tasche ein, die mit einschichtigem Epithel ausgekleidet ist. Dieses Epithel
besteht aus niedrig-zylindrischen Elementen, deren dunkel gefärbter Kern
die basalen zwei Drittel des Zelleibes einnimmt, während das innere gegen
das Lumen gerichtete Drittel gleichmässig trübes. stark mit Eosin gefärbtes
Plasma enthält.
Die beiden Körperchen, die auf dem Durchschnitt symmetrisch zu
beiden Seiten des Scheidenschlauches gelegen sind (Taf. XIII, pssa), haben eine
drüsig-traubige Zusammensetzung, links ausgesprochener als rechts. Jedes der
makroskopischen Granula besteht aus einer kleinen Anhäufung drüsiger, be-
sonders rechts stärker dilatierter Räume. Jedes Aggregat ist von einem dicken
Mantel einigermassen konzentrischen Bindegewebes umgeben, das, zugleich
in das Innere dringend, die einzelnen Kavitäten trennt. Sie besitzen eine
einschichtige Epithelauskleidung, die aber in ihrer besonderen Natur deswegen
an vielen Stellen sich schwer feststellen lässt, weil das Epithel sich hier von
der Unterlage losgelöst und im Inneren der Räume zu lockerer Masse zu-
sammengeballt hat. Dabei durchsetzen verschieden grosse unregelmässige
Ansammlungen kleiner Rundzellen und Eiterkörperchen das Stroma und
mischen sich im Innern der Räume mit den abgeschilferten Epithelien.
5. Linkes Vas deferens.
Das Vas deferens ist durch eine reichliche Ansammlung von Eiter-
körperchen und Rundzellen in einer schaumig - vakuolären Grundmasse
(Schleim?), die durch Eosin stark gefärbt ist, ausgedehnt. Das Epithel ist
erhalten, aber reduziert und abgeflacht, das subepitheliale Stroma der Mucosa
verdünnt, von gelapptkernigen eosinophilen Leukozyten durchsetzt. Die übrige
Wand ist frei.
6. Wand der Pyometra (Stück von der Konvexität des rechten
Hornes).
Das Oberflächenepithel und der Drüsenapparat des Endometriums ist
vollständig verloren gegangen. Das Stroma der Schleimhaut ist sehr locker,
ödematös, an der Oberfläche von einer granulierenden Lage eingenommen,
neben deren strotzenden Kapillaren kleine Extravasationen sichtbar werden.
Die Muskelwand ist frei.
7. Querschnitte aus der Kontinuität des rechten Nebenhodens.
nn 5
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 149
Die Struktur des Nebenhodens ist ohne Abweichung von der Norm,
der Flimmerbesatz des Epithels sehr gut konserviert.
Der Strang im freien Rand des Nebenhodens stellt sich als muskulöser,
von einem einschichtigen Epithel ausgekleideter Schlauch dar. Die niedrig-
zylindrischen Zellen sind von den länglichen kräftiz sefärbten Kernen fast
gefüllt, an der Oberfläche mit einem Cilienbesatz versehen. Es tolgt nach
aussen eine dünne fibröse Tunica propria von mittlerem Kernreichtum. dann
nach aussen zu nicht ganz regelmässig eine Ring- und schliesslich eine Längs-
muskellage mit dünner epithelloser Serosa. In der Lichtung hyaline, vakuolär-
schaumige Masse mit spärlich verstreuten freien kleinen runden Kernen. Im
ganzen also das Bild einer blasig aufgeweiteten Tube (Hydrosalpinx).
8. Querschnitt aus der Kontinuität des linken Nebenhodens.
Linker Nebenhoden wie rechts. Der hier makroskopisch wenig aus-
gesprochene Strang erweist sich als rein muskulös, ohne Lumen, also als
„lumenlose Tube“.
9. Rechtsseitige Zwitterdrüse.
Die für die Untersuchung abgetragene Scheibe umfasst das ganze
Ovarium und die ganze Breite des angrenzenden Hodens: anderes Hoden-
gewebe wird von der Nähe des linken Nebenhodenkopfes entnommen.
Die Oberfläche des Eierstocks und Hodens ist frei von Keimepithel.
Die Albuginea des Hodens ist etwa 350 „ dick und schiebt sich in direkter
Fortsetzung als Septum zwischen beide Organe.
Entsprechend dem makroskopischen Verhalten (Taf. IX, Fall 2) wird
die Hauptmasse des Eierstocks von den gelben Körpern und von den Zysten
eingenommen. Erstere sind vollkommen typisch gebaut: eines der auf den
Schnitten zur Untersuchung gelangenden ist zystisch, der homogen geronnene
Inhalt hier von verschieden zahlreichen Lagen der Luteinzellen umgeben.
Die grossen Zysten sind epithellos. Ihre Begrenzung wird von etwas
dichteren und stärker gefärbten Bindegewebslagen gebildet.
Das Stroma des Eierstocks ist allerwärts derb-fibrös. kern- und gefäss-
arm, nirgends dem normalen Typus des klein-, dicht- und spindelzelligen
Gewebes entsprechend. Primordialfollikel sind nur ganz vereinzelt und wenig
deutlich zu finden, des öfteren weitere Entwicklungsstadien, aber meist durch
Kompression seitens der benachbarten gelben Körper oder der grossen Zysten
deformiert, atrophisch. Durch die noch erhaltene Eizelle sind sie indessen
auch bei starker Abplattung und Verzerrung stets leicht festzustellen.
Der makroskopisch charakterisierte Markteil (Taf. IX, m) ist frei von
Parenchym, enthält nur grosse weite Blutgefässe. —
Der Hoden ist mikroskopisch durch schmale bindegewebige Septen
in Läppchen abgeteilt, allerdings in wenig regelmässiger Art und ohne
ersichtliche Bildung eines Corpus Highmori. Das Bindegewebe der Septen
ist bald straffer, bald lockerer und enthält oft schmale, kürzere oder längere
Züge von Zwischenzellen. Diese sind hier zum Teil kleiner als im ersten
Falle, von 11 « mittlerem Durchmesser, die grösseren Formen gleichfalls
polyedrisch, sämtlich frei von Pigment und Kristallen, an den Sudan-
präparaten auch von Fett.
150 Ludwig Pick:
Auch hier bestehen die Lobuli wieder lediglich aus Zwischenzellen
und Tubulis. Bindegewebe ist nur unmittelbar um die Tubuli in Form einer
ausserordentlich dünnen Tunica vorhanden, die mit zartesten elastischen
Fasern durchmischt ist Ihrer Quantität nach halten sich innerhalb der
Läppchen Tubuli und Zwischenzellen etwa die Wage. Letztere gleichen
denen der Interlobulärsepten. Sie sind von einem zarten Netz von Blut-
kapillaren durchzogen.
Die bei einem mittleren Durchmesser von 230 „ gleichmässig kalibrierten
Tubuli. in den verschiedensten Richtungen getroffen, zeigen mannigfache
Windungen. zuweilen auf längerer Strecke in der Ebene des Schnittes. Sie
liegen nur selten unter vollkommener Reduktion des Stromas aneinander,
fast stets schieben sich zwischen sie mehr oder minder reichliche Lagen von
Zwischenzellen. Ganz gleichmässig und in allen Teilen des Hodens sind sie
von einer einfachen Epithelzellenlage mittlerer Höhe als einziger Zellart
auseekleidet, und ganz gleichmässig sind diese Epithelzellen an den Balsam-
präparaten so stark und unregelmässig vakuolisiert, dass die ganze Epithel-
lage ohne deutliche gegenseitige Begrenzung der Zellindividuen vollkommen
durchsichtig schaumig erscheint. Die Sudanfärbung zeigt in den den Vakuolen
entsprechenden Zellabschnitten zwar auch ziemlich reichlich kleinere und
grössere Fettropfen, aber zugleich auch eine feinkörnige Masse, die nicht die
Sudanreaktion gibt. Die Kerne von mittlerem Chromatinreichtum, rundlich
oder länglich, finden sich an die Zellperipherie, überwiegend an die Zellbasis,
gedrängt und so allermeist unmittelbar der Tunica der Kanälchen aufgelagert,
dabei dann vielfach ganz abgeplattet.
Im Lumen der Kanälchen liegt nicht selten feinfädige, vakuoläre, mit
Hämalaun blaugefärbte Masse, die auch mit dem Epithel direkt verbunden
sein kann.
Fall 3.
Der äussere Eindruck des Tieres war vom weiblichen nicht irgendwie
auffällig abweichend.
Das Genitale ist in zwei Stücken entfernt. Das eine Stück umfasst den
Uterus nebst den Tuben und die Keimdrüsen (Taf. XIII, Fall 5): das zweite
Stück umfasst das äussere Genitale nebst dem daran ansetzenden Stück des
Urogenitalsinus. Wiederum sind beide durch den Schlächterschnitt, der Urethra
und Blase entfernt hat. an der Stelle der Urethraleinmündung voneinander
getrennt. Ausserdem ist auch die Scheide nebst dem distalsten Stück des
Sinus vom Uterus abgeschnitten und entfernt. So lässt sich über das Ein-
mündungsverhältnis der Scheide in den Urogenitalsinus (ob von hinten her?)
und die Art der Mündungsstelle (verengt?) auch in diesem Falle, wie in
Fall 2. nichts Sicheres aussagen; desgleichen nicht über die Mündung der
Vasa deferentia und über das Corpus prostatae.
Uterushals und -körper bis zur Trennung des Körpers in die Hörner
(ut) sind 16 cm lang. Das von vorn nach hinten abgeplattete Organ misst
von rechts nach links fast 5 em, besitzt ein deutlich aufgeweitetes (avum.
Die Hörner (uh) sind beiderseits vollkommen symmetrisch, bis zum Übergang
in die Tuben je 45 em lang, sehr stark entwickelt, mächtig gewulstet, nur
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. or
wenig abgeplattet. von 3 bis über 4 em Dicke. Ihr Lumen ist etwas auf-
geweitet, führt schleimigen Inhalt; die Schleimhaut ist graurötlich, 7-8 mm
dick, sehr weich.
Jedes der Uterushörner geht über in eine links (lt [hys]) 12 und rechts
(rt) 11 cm weit verfolebare Tube, die ohne Tubentrichter jederseits blind an
der Keimdrüse endigt.
Letztere ist nun jederseits von auffälligster Beschaffenheit, Rechts
findet sich ein 6:4,5:4,25 cm messender ziemlich ‚derber Hoden (h), von
glatter Albuginea überzogen, und diesem aufsitzend, unter furchenartiger Ab-
setzung, ein 5,6 :3,3:3 cm messender, dem Eierstock gleichender Körper (0).
Dabei sind Hoden und Eierstock so verbunden, dass sie in der Richtung
ihrer grössten Durchmesser aneinander gelagert sind. Die Oberfläche des
Eierstocks ist glatt, nur ein wenig flach gebuckelt.
Auf dem Durchschnitt im grössten Durchmesser ergibt sich (vergl.
Fall 3 [rechts] auf Taf. IX): das hellbräunliche Hodengewebe (h) ist durch un-
regelmässig sich verzweigende Bindegewebsstränge in verschieden grosse
Läppchen geteilt. die sich ohne besondere Regelmässigkeit um ein eben
angedeutetes Corpus Highmori (cH) gruppieren.. Der Eierstock (o) enthält auf
der nämlichen Schnitttläche etwa ein halbes Dutzend gelber Körper (cl) und
dabei einige überbohnengrosse, zum Teil aneinander gerückte zystische
Follikel (fl) mit blasser, glatter Innenfläche und zum Teil gallertig geronnenem
Inhalt. Auch an den gelben Körpern ist gelegentlich das Zentrum zystisch,
mit gallertiger, klar geronnener Masse gefüllt. Mit einem zentralzystischen
Corpus luteum wölbt sich der Eierstock etwas in die Hodensubstanz hinein.
Eine besondere Markzone ist nicht abgesetzt.
Die Grenzlinie zwischen Eierstock und Hoden ist im übrigen eine
vollkommen scharfe, so zwar, dass stellenweise in der grauweisslichen Grenz-
linie noch die Albuginea des Hodens einerseits, die feste grauweissliche Ober-
flächenschicht des Eierstocks andererseits sichtbar ist (vergl. Taf. IX).
Die vorher erwähnte rechte Tube (Taf. XIII, rt) zieht als stopfnadeldicker
Strang zum Ovarium. Sie liegt im freien Rand des Ligamentum latum, aber
neben ihr, ihr aufs dichteste angeschlossen, zieht mit ihr parallel der kräftige
Nebenhoden (rmh), und zwar grenzt sie unmittelbar an seinen scharfen Rand.
Der rechte Nebenhoden (rnlı) entspringt vom Hoden etwa dem Ovarium
gegenüber mit freibeweglichem Kopf und zieht in 14 cm Länge und 18 mm
Körperbreite (mit der Tube) im freien Rand des Ligamentum latum mit seinem
Schwanz bis vor die Stelle, wo das Uterushorn in die Tube übergeht, dann
weiter als Vas deferens (Gd) durch die Substanz des Ligamentum latum
bis zur Einsenkung in das Corpus uteri.
Beide Ligamanta lata sind ebenso wie der seröse Öberflächenbezug
der Uterushörner und des unpaaren Uterusteiles diffus- verdickt, nicht sehr
durchsichtig, jedoch genügend transparent, um das Vas deferens verfolgen
zu lassen.
Die Verhältnisse der anderen Seite liegen im ganzen analog. Auch
hier ist Hoden und Eierstock zu einer Drüse vereinigt in gleicher Situation
vorhanden. Hodenmaße: 5,5 : 3,7 : 4 cm; Eierstocksmahe: 4,2: 3,2:4 cm.
Auch hier sind die beiden Organe durch eine Einschnürung gegeneinander
152 Ludwig Pick:
abgesetzt und in der Richtung der grössten Durchmesser aneinander gelagert.
Nur ist der Eierstocksteil hier nicht solide, sondern zystisch transparent, mit
einem kleineren, von aussen betrachtet, anscheinend ebenfalls zystischen Anteil.
Auf dem Durchschnitt ist der Hoden mehr unregelmässig, ohne An-
deutung eines Mediastinum testis, in Läppchen geteilt. -
Der grössere zystische Teil des Eierstocks erweist sich als ein ein-
facher, mit klarer Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, in den von der dem
Hoden zugekehrten Basis her ein gelber Körper hineinragt. Die Zystenwand
ist derb fibrös, an der dem Hoden zugekehrten Seite bis 1 mm dick. die
Innenfläche glatt. Der Kontur der Zyste baucht sich ein wenig in die Masse
des Hodens ein. Die scharfe Trennungsschicht zwischen Hoden und Eier-
stock wird durch die Albuginea testis einerseits, andererseits durch die derb-
fibröse Zystenwand selbst gebildet.
Der übrige, kleinere Teil des Eierstocks besteht aus einer flachen,
etwa haselnussgrossen Zyste mit klarem Inhalt und einigen unbedentenderen
bis erbsengrossen Hohlräumen, so dass auf dieser Seite keine eigentliche
solide Eierstocksmasse vorhanden ist. Kein Markteil.
Nebenhoden und Tube sind links in gleicher Anordnung wie auf der
anderen Seite vorhanden. Nur ist der Nebenhoden hier noch länger als rechts,
im ganzen fast 19 cm lang, wobei er alsbald hinter dem Ansatz seines Kopfes
V-förmig abgeknickt ist (vergl. Taf. XIII).
Die Tube (lt [hys]), im freien Rand des breiten Mutterbandes, ist hier
leicht aufgetrieben, transparent, an ihrem Anfang fast federkieldick, dann
alsbald nur mehr stricknadeldick, aber an dem keulenförmig geschlossenen
Ende wieder etwas stärker anschwellend. Sie läuft auch hier wieder mit
dem Nebenhoden eng verbunden, liegt auch hier an seinem scharfen Rand
und zieht zum Eierstock, ihm eine kurze Strecke anliegend und in der
Furche zwischen Hoden und Ovarium blind endigend.
Das Vas deferens verhält sich links wie das rechtsseitige.
Auf beiden Uterushörnern sind ziemlich zahlreiche feine Adhäsions-
reste zu sehen.
’ Hydatiden sind beiderseits nicht vorhanden.
Dem unteren Teil der rechten seitlichen Uervixwand aufgelagert er-
scheint in 3,5 em Länge, fast 2 em Breite und wenigen Millimetern Dicke
ein platter Körper (Tat. XIII, rpssa), auf dem Durchschnitt von etwas
körniger Beschaffenheit (vergl. unten mikroskopische Untersuchung). Links
fehlt eine ähnliche Bildung. Der rechtsseitige Körper liegt genau in der
Längsrichtung des Vas deterens.
An dem zweiten Teil des Grenitale ist zunächst ein 10 cm langes
Stück des Sinus urogenitalis erhalten, als ein im ganzen zylindrisches Rohr,
das unter der glatten Mucosa von einer graugelblichen, ventral 5 mm dicken,
dorsal und seitlich etwas dünneren weichen Schicht umkleidet ist und als
Mantel um diese eine zirkuläre Schicht Muskulatur besitzt. Der Durchmesser
des Rohres ist hinten an der Schnittfläche 15 mm, verjüngt sich aber distal-
wärts; das Lumen hat im Mittel etwa 5 mm Durchmesser. Drüsenkörner,
die den grossen Vorhofsdrüsen entsprechen könnten, sind makroskopisch
nicht vorhanden. Dem distalen Ende des Sinus urogenitalis dorsal aufgelagert
tn
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 155
findet sich die ausserordentlich mächtig entwickelte und kräftig geschlängelte
Klitoris mit starken Schwellkörpern. Sie hat bis zu ihrem Ende eine Länge,
soweit die Windungen eine exakte Massbestimmung zulassen, von etwa 17 em!
Die den Schamlippen entsprechenden Hautfalten fehlen vollkommen.
Dagegen ist der Vulvateil der Klitoris in einen über 5 cm langen, zeige-
fingerdieken drehrunden penisähnlichen Körper verwandelt, der frei vor-
ragt und an der unteren Fläche seines abgerundeten Endes die Mündung
des Sinus urogenitalis trägt.
Man kann sich nach den Durchschnitten durch den Körper (Textfig. 2)
seine Entstehung etwa so vorstellen, dass unter Verlängerung und Verdickung
der Klitoris selbst das mächtig hypertro-
i ne : E r
phierende Präputium (pr) und die relativ P
atrophischen Labien (zl) sich rings um die
Klitoris (el) zusammenschlossen, wobei Prü- & ——— cl
putium und Klitoris wenigstens zum Teil ver-
wuchsen (a), d.h. der Präputialsack partiell
obliterierte. So wurde eine mit „kutaner z/ 5 ug
Schleimhaut“ ausgekleidete Fortsetzung oder Fig. 2.
Verlängerung des Sinus urogenitalis (sug\
entlang der Unterfläche der Klitoris gebildet, und die äussere Mündung
dieses fortgesetzten Sinus urogenitalis entspricht gleichsam dem Introitus
einer verkümmerten Schamspalte.
Die Schleimhaut des Sinus urogenitalis dieses ganzen Teiles ist im
Vergleich zu der des erstgenannten Abschnittes dünn, kaum millimeterdick,
von rötlicher Beschaftenheit.
Im ganzen also eine starke Hypertrophie der Klitoris und ihres
Präputiums mit einer an die Bildung des Penis anklingenden ventralen
Abschlussbildung, die eine entsprechende Verlängerung des Sinus urogenitalis
bewirkt. Allerdings fehlt dabei jede Spur des für die Gestaltung des normalen
Penis wesentlichen Corpus cavernosum urethrae.
Mikroskopische Untersuchung.
(Technik wie vorher.)
1. Rechtes und linkes Uterushorn. Das Endometrium ist ausser-
ordentlich ödematös, nur in den dem Myometrium benachbarten Lagen etwas
weniger von Flüssigkeit durchtränkt. Dabei sind die kleinen Blutgefässe,
Arterien, Kapillaren und Venen vielfach erweitert und zum Teil strotzend gefüllt.
2. Der im Verfolg des rechten Samenleiters der seitlichen rechten
Cervixwand aufgelagerte Körper ist drüsigen Baues. Die einzelnen
Körner entsprechen lobulären Aggregaten reich verzweigter Tubuli. die von
einem mässig hohen Epithel in einfacher Schicht mit basal stehenden
rundlichen Kernen ausgekleidet sind. Im Lumen der Tubuli feinkörnige
Gerinnungen und mehr oder minder zahlreiche Lymphozyten. Das Stroma
zwischen den Läppchen wird von einem lockeren Bindegewebe mittleren
Kernreichtums geliefert, das sich innerhalb der Läppchen um die Drüsen-
bildungen mehr konzentrisch und von dichterer Beschaffenheit anordnet.
154 LudwieBick:
In dem korrespondierenden Abschnitt der linken Cervixwand ist auch
mikroskopisch keine Andeutung dieser Formationen enthalten.
3. Schnitt in der Querrichtung der Pars pelvina urethrae. Die
Innenauskleidung liefert ein Übergangsepithel. Die Drüsen der Prostata-
mantelmasse besitzen hier im Vergleich zu Fall II eine noch dichtere und
reichlichere Verzweigung. Wiederum ist die Prostata ventral stärker ent-
wickelt als dorsal und auf beiden Seiten. In den grösseren Ausführungs-
gängen mehrschichtiges Epithel. Das wenig kernreiche Stroma zwischen
den Drüsen, besonders aber die Schicht zwischen Drüsen und Schleimhaut-
oberfläche führt zum Teil dicht gehäufte, weite und strotzend gefüllte,
venöse Bluträume. Der Urethralmuskel schliesst auch hier dorsal ohne
Unterbrechung ab.
4. Rechter Nebenhodenkopf normal, Flimmern deutlich.
5. Rechter Nebenhodenkörper plus Tube. Ersterer ist normal,
die Epithelien haben deutliche Flimmern.
Die Tube hat eine gut ausgesprochene wesentlich zirkuläre Muskulatur.
Ihre Schleimhautoberfläche ist ganz glatt, faltenlos. Das einschichtige
Epithel ist in continuo erhalten, ziemlich niedrig, der Zelleib vom Kern gefüllt.
6. Linker Nebenhodenkopf wie rechts.
1. Linker Nebenhodenkörperplus Tube. Corpus epididymidis
normal. Tube aufgeweitet mit stark abgeplattetem Epithel, sonst wie rechts.
8. Rechtes und linkes Vas deferens ohne Abweichune.
., Rechtsseitige Zwitterdrüse. Aus dem Ovarium und dem
Hoden wird je eine Scheibe entnommen, und zwar wird vom Ovarium ein
möglichst solider Abschnitt gewählt.
a) Ovarium. Das Keimepithel der Oberfläche fehlt. Das Stroma
ist nirgends typisch dicht- und spindelzellig, sondern locker, faserreich, von
höchstens mittlerem Kerngehait. Primordialfollikel zu finden gelingt auf
keinem der untersuchten Schnitte. Dagegen sind Wachstums- und Reifungs-
stadien der Eifollikel, wenn auch nur in relativ geringer Zahl, vorhanden.
Die Corpora lutea sind auch mikroskopisch typisch.
b) Die Albuginea des Hodens (ca. 300 „ dick) entbehrt gleichfalls des
Keimepithels. Die fibrösen Septen zwischen den Hodenläppchen sind relativ
dünn, meist von Zwischenzellen erfüllt, die auch in grosser Masse innerhalb
der Lobuli zu finden sind. Ihr Verhältnis zu den Hodenkanälchen ist etwa
1:1; sie messen im Mittel 19 „, sind polyedrisch geformt, frei von Fett (Sudan-
präparate!), von Pigment oder Kristallen in ihrem Zytoplasma. Ihre Kerne
sind oft exzentrisch gelagert, rundlich, ziemlich hell, ohne deutliches Kern-
körperchen, ihre Anhäufungen von einem Netz zarter Blutkapillaren durchzogen.
Die Samenkanälchen, bei einem mittleren Durchmesser von 150 „ in
allen möglichen Richtungen getroffen, sind in typischer Form gewunden.
Die äusserst zarte Tunica propria wird von dünnen spindligen Zellen in ein-
oder zweifacher Lage, mit mehr oder weniger deutlich sichtbarer feinster
tibrös-elastischer Beimengung gebildet.
Ihr Epithel ist allerwärts einschichtig, aber dabei so stark von gross-
blasigen durchsichtigen Vakuolen durchsetzt, dass schaumige Masse das
ganze Samenkanälchen vollkommen erfüllt und zentrale Lumina überhaupt
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Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 155
nicht vorhanden sind. Die Vakuolen sind, wie die Sudanfärbung zeigt, durch
grosse Fettropfen erfüllt. Die ziemlich hellen, einen Nukleolus führenden
rundlichen Epithelkerne liegen bei nur gelegentlicher und unerheblicher Ab-
plattung in einfacher dichter Reihe unmittelbar auf der Tunica propria.
Hier beginnt zugleich sofort die schaumige Auflösung des Zelleibes, so dass
getrennte Epithelindividuen nicht existieren. Gelegentlich, aber nicht häufig.
sind auch Kerne oder Kernreste in das Lumen hinein vorgeschoben und in
den Vakuolen oder den Vakuolensepten zu finden.
Andersartige Zellelemente als die beschriebenen sind in den Samen-
kanälchen nicht vorhanden.
10. Linksseitige Zwitterdrüse.
a) Ovarium. Hier wird die grosse Zyste untersucht. Das Keim-
epithel fehlt. Die Zystenwand besteht aus parallel-faserigem, ziemlich kern-
armen Bindegewebe ohne Innenauskleidung:; sie enthält keine sonstigen
eingeschlossenen epithelialen Elemente. j
b) Hoden. Der Befund stimmt mit dem des anderseitigen vollkommen
überein.
Fall IV.
Der äussere Eindruck des Tieres war ein weiblicher, der der äusseren
Genitalien ein entschieden männlicher. Ob ein Scrotum vorhanden gewesen
ist, ist nicht angegeben bezw. aus dem Präparat nicht mehr ersichtlich.
Anscheinend ist früher die rechtsseitige Kastration ausgeführt worden.
Harnröhre und -blase sind hier mit dem Genitale des Tieres im
Zusammenhang belassen; das ganze Genitale wird mir in einem Stück zur
Untersuchung eingeliefert (vergl. Taf. XIII, Fall 4); nur das rechte Uterus-
horn liegt gesondert bei.
Der Harnblasenkörper (hb) ist entleert, 12 cm lang; es folgt ein einer
weiblichen Harnröhre gleichender über 5 cm langer Teil (wur), an den sich
dann erst in 13 cm Länge die typische
Pars pelvina einer männlichen Harnröhre
anschliesst (ppl —= bst mit ur in Textfig. 3).
Ein deutlicher Prostatakörper ist
auf dem Dorsum des (männlichen) Harn-
röhrenanfanges mit blossem Auge nicht
sicher festzustellen (wird mikroskopisch
nicht verfolgt). Dagegen ist die Pars
disseminata der Prostata gut ausgebildet,
ventral (5 mm) stärker als dorsal und
seitlich entwickelt, sonst von gewöhn-
lichem Verhalten, vom Musculus urethralis
umgeben. Der Durchmesser der kräftigen
Pars pelvina urethrae beträgt 2 em.
Der Bulbus urethrae (bl) ist aus-
gesprochen. Von den bulbourethralen
Drüsen ist die linke vorhanden (lCdr), von etwa 3 cm Länge und 12 mm
Breite; die rechte ist — wohl bei der Herausnahme der Organe durch den
Schlächter — abgeschnitten.
156 Ludwig Pick:
Das Penisstück der Harnröhre (pst) ist 30 cm lang, vergleichsweise
ebenso kräftig wie das eines kastrierten Ebers. Eine starke Abweichung
gegenüber dem letzteren zeigt aber der Präputialteil. Die Vorhaut (pr) ist
ausserordentlich hypertrophisch, fast elephantiastisch und zwar besonders
dorsal und seitlich, anscheinend zum grossen Teil mit dem Penis (a und psp)
verwachsen. Der Präputialbeutel (Nabelbeutel) fehlt.
An diese sicherlich männlichen Genitalwege schliesst sich nun proximal-
wärts vom Beginn der Pars pelvina urethrae (vergl. Taf. XIII) Scheide, Uterus-
hals und Uteruskörper (ut) an, und zwar in sehr ausgesprochener Art so,
dass die Scheide von der als gestrecktes Rohr mit der Harnblase eine natür-
liche Einheit bildenden Urethra (wur — ppl) nach hinten abzweigt. Die
Vaginalmündung ist sehr eng.
Im distalen Teil der Scheide, beiderseits der seitlichen Vorderwand
eng aufliegend, „Pseudosamenblasen“ (pssa). etwas über 5 cm lang, 1 cm
breit und 3—4 mm dick, also etwa von der Grösse der Samenblasen kastrierter
Eber. Sie reichen mit ihrem unteren Pol bis an die Einmündung der Vagina
in die Pars pelvina urethrae. (Auf eine mikroskopische Darstellung ihrer
Mündungsverhältnisse wird im Interesse der Erhaltung des Präparates ver-
zichtet.)
Scheide plus Uterushals und -körper sind im ganzen 25 cm lang. Das
Lumen scheint normal. Die grösste Breite der abgeplatteten Teile beträgt
2,5 cm. Das rechte Uterushorn (ruh) ist abgeschnitten, das linke (luh) in
36 em Länge vorhanden, kräftig, abgeplattet, von 25 mm grösster Breite.
Das sich verjüngende Ende dieses Uterushornes läuft blind aus. Es fehlt
für das blosse Auge jede Andeutung einer Tube (vergl. aber mikroskopische
Untersuchung).
Im breiten Mutterband an der physiologischen Stelle des Eierstocks
liegt wiederum eine exquisite Zwitterdrüse.
Sie besteht aus zwei annähernd gleich grossen, durch eine Schnürfurche
voneinander abgegrenzten Segmenten, bei im ganzen 8 cm grösster Breite,
> cm grösster Länge und über 3 cm Dicke. Dabei überwiegt der Längen-
durchmesser des Ovariums (0) mit 50 mm den des Hodens (h) mit 42 mm.
Der zum Uterushorn gekehrte Teil entspricht dem Eierstock, der andere
dem Hoden.
Der Hoden ist von glatter Albuginea überzogen, der Eierstock aus
kleinerhsen- bis doppeltbohnengrossen, blasig-transparenten Zystchen traubig
zusammengesetzt. Die meist sehr schmalen Septen zwischen den Zystehen
stellen die einzigen soliden Anteile der Drüse dar.
Auf dem Durchschnitt (vergl. Fall IV [links] auf Taf. IN) besteht das
Hodenparenchym (h) aus einer grossen Zahl unregelmässiger Läppchen. Ein
Corpus Hishmori fehlt vollkommen. Die einzelnen Zystchen des Eierstocks (0)
sind mit klarer (nach der Härtung in 10 proz. Formalin gallertig geronnener)
Masse gefüllt und mit glatter Innenfläche versehen.
Ein Markteil (m) ist angedeutet in Form eines ca. 2 mm langen und
ca. 1 cm breiten derben, soliden Streifens.
Die Grenze der beiden Organe ist eine absolut scharfe. Die Albuginea
testis überzieht auch die zum Eierstock gewendete Hodenoberfläche. Dabei
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc 157
sitzt der (vergl. oben) in der Länge etwas überwiegende Eierstock dem Hoden
kappenartig auf. Nur gegen den Ansatz am Mesovarium hin schiebt sich
zwischen beide ein dichtes, auf dem Durchschnitt über 1 cm breites Konvolut
von Blutgefässen.
Der Nebenhoden (Taf. XIII, Inh), der mit frei beweglichem Kopf am
Hoden etwa gegenüber dem Ovarium (keine Hydatide!) ansitzt, ist 6—7 cm
lang, aber ganz ausserordentlich (über 4 em!) breit, dabei entsprechend platt.
Das Vas deferens (Gd) läuft geschlängelt in über 6 cm Länge im freien
Rand des Ligamentum latum und biegt an dem Ende des Uterushorns
zwischen die ziemlich transparenten Blätter des Ligamentum latum um. Hier
ist es leicht bis zum Eintritt in das Corpus uteri verfolgbar.
Das rechte, abgetrennt vorliegende Uterushorn ist 10 cm lang, in
breite Verwachsungsmembranen eingehüllt.
Tube und Keimdrüse der rechten Seite fehlen. Der Befund entspricht
der trüher auf der rechten Seite ausgeführten Kastration.
Mikroskopische Untersuchung.
(Technik wie vorher.)
1. Endometrium Kleine Blutgefässe des Endometrium vielfach
strotzend gefüllt. Im Stroma häufig ödematöse Auflockerung, Auseinander-
drängung von Zellen und Fibrillen durch homogen geronnene Flüssigkeit.
Nur unmittelbar unter der Oberfläche ist meist an der physiologischen Dicht-
zelliekeit des Stromas nichts geändert.
2. Linker Nebenhoden ohne Abweichung.
3. Linkes Vas deferens im freien Rand des Ligamentum latum.
Neben den an sich der Norm entsprechenden Windungen des Samenleiters
findet sich an den senkrecht zum freien Rand des Ligamentum latum ge-
führten Schnitten unmittelbar unter der Serosa ein quer getroffenes 'Tuben-
rohr. Es war (vergl. oben) mit dem blossen Auge nicht festzustellen. Das
Lumen erscheint sternförmig. die Epithelauskleidung wie in der Norm; das
Schleimhautstroma und die Muskelhaut sind sehr kräftig ausgesprochen.
An einer zweiten nahe dem Übergang in den Nebenhoden entnommenen
Stelle fehlt es. Die Stelle der genauen Endigung des Tubenrohres kann,
da sonst das ganze Vas deferens im Mesometriumrand in Serie hätte ge-
schnitten werden müssen, nicht genauer angegeben werden. Sicher ist es,
wie die entnommenen Stücke beweisen, kürzer als 5 cm.
4. Linkes Vas deferens im Ligamentum latum ohne Abweichung.
5. Scheide und aufgelagerte linke Pseudosamenblase.
Die Scheidenschleimhaut und Muskelhaut ist ohne besonderen Befund.
Die drüsigen, reich verzweigten Räume der Pseudosamenblase sind von
einem einschichtigen, ziemlich hohen, pallisadenförmigen Zylinderepithel aus-
gekleidet. Die Kerne stehen basal, der nach dem Lumen gekehrte Abschnitt
des Zytoplasmas ist (durch Hämalaun) bläulich gefärbt. Im Zentrum der
Räume dichte Anhäufungen von zelligem Detritus.. An manchen Stellen
sind auch die auskleidenden Epithelien in den Zerfall einbezogen.
Das Stroma liefert fibröses Bindegewebe von mittlerem Zell- und Blut-
gefässreichtum.
158 Ludwig Pick:
6. Pars pelvina urethrae. Das mikroskopische Bild des Quer-
schnittes gleicht vollkommen dem oben beschriebenen Querschnitt des Sinus
urogenitalis in Fall III. Im besonderen fehlen auch die weiten. strotzend
gefüllten venösen Bluträume — namentlich in der Schicht zwischen der Pars
disseminata prostatae und der Oberfläche nicht.
Der Musculus urethralis ist auch hier dorsalwärts nicht unterbrochen
und sogar dorsal von besonderer Mächtiekeit.
7. Zwitterdrüse. Es wird aus ihrer Kontinuität ein Hoden und
Eierstock umfassendes Stück ausgeschnitten.
a) ÖOvarium. Das Keimepithel fehlt. Das Eierstocksstroma ist teil-
weise, namentlich an der Oberfläche, ziemlich reich an kleinen Spindelzellen
und so einigermassen dem physiologischen entsprechend. Im übrigen ist es
weit mehr fibrös, von mittlerem Kernreichtum.
Neben den makroskopischen Zysten, die bei einer vielschichtigen
Epithelauskleidung sich sämtlich als zystisch gewordene Graafsche Follikel
erweisen, finden sich wachsende und Graafsche Follikel mit typischen Ovula
in grosser Zahl. oft Dutzende auf einem Schnitt. Dagegen werden Primordial-
follikel und Gorpora lutea in dem untersuchten Stück vermisst.
b) Hoden. Das Keimepithel ist verloren gegangen, die Albuginea ist
zart, 150 u dick.
Die Bindegewebssepten zwischen den unregelmässigen Läppchen des
Hodenparenchyms sind einfach fibrös, stellenweise sogar auffallend kernarm.
Einlagerungen kleinerer Stränge und Inseln von Zwischenzellen in ihnen
sind spärlich. Innerhalb der Läppchen sind letztere ziemlich reich entwickelt.
In ihrer Masse erreichen sie schätzungsweise nicht ganz die Masse der
Hodenkanälchen. Sie sind von polyedrischer Form, der rundliche, ziemlich
dunkle Kern liegt meist exzentrisch. Ihr mittlerer Durchmesser ist 15 «;
der Zelleib zeigt weder Pigment noch Kristalle oder (Sudanpräparate!) Fett.
Ihre Anhäufungen sind von zarten Blutkapillaren durchzogen.
Die Samenkanälchen sind von typischer geknäuelter Form und besitzen
einen mittleren Durchmesser von 180 u.
Die 'Tunica propria besteht aus einer einfachen oder doppelten Lage
dunkler spindliger Kerne mit zuweilen sichtbarer Beigabe feiner fibröser und
elastischer Fasern. Die zellige Auskleidung ist nur insofern deutlich, als
sich unmittelbar auf der Tunica propria eine einfache Lage oft platter und
dann in ihrer Verlaufsrichtung der Tunica paralleler Kerne ausbreitet. Sie
sind hell, mehr bläschenförmig, die Nukleolen wenig deutlich. Ihre Lage
ist aber nicht immer kontinuierlich, und jedenfalls ist nirgends ein deutlicher
Plasmaleib oder gar eine Schicht abgegrenzter Zellindividuen vorhanden.
Vielmehr ist das ganze Lumen der Kanälchen von einem grossblasigen
Schaum erfüllt. Ferner iagern in den Septen der runden Vakuolen zahlreiche
rundliche bläsenförmige Kerne, oder Kerne liegen innerhalb der Vakuolen
und sind unter entsprechender Abplattung entweder gegen ihre Peripherie
geschoben oder in die Peripherie eingefügt, so dass der Eindruck der Siegelring-
zellen entsteht. So wird es auch schwer, mit Sicherheit festzustellen, ob
hier eine ursprüngliche Ein- oder Mehrschichtigkeit des Epithels im Hoden-
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 159
kanälchen vorliegt. Wie die Sudanfärbung lehrt, entsprechen den Vakuolen
grosse eingelagerte Fettropfen.
Keine Geschlechtszellen in irgendwelchen Stadien.
Fall V.
Das Präparat stammt von einem ca. 8 Monate alten, in seinem Äusseren
vom weiblichen Typus nicht abweichenden Schwein. Das innere und äussere
Genitale ist hier zusammenhängend entfernt (Taf. XIII, Fall 5 zeigt den
inneren Teil des “enitale). Die Blase nebst Harnröhre ist abgeschnitten.
Die Ansatzstelle der Harnröhre (um) klafft als weites Loch. Der Gesamt-
eindruck des inneren Genitale ist zunächst ein zweifellos weiblicher: es
besteht ein kräftig ausgebildeter zweihörniger Uterus (ut) mit gut ent-
wickeltem Körper und Hals nebst stark entwickelter Scheide (va). Nur
mündet diese mit einer auffallend engen Öffnung in einen langen und dicken
Sinus urogenitalis (sug). Ob dieser, wie beim Schwein die Regel, die un-
mittelbare Fortsetzung der Scheide bildet oder die der Harnröhre, ist, da
letztere abgetrennt ist, nicht sicher zu sagen.
Corpus plus Cervix uteri plus Scheide sind 32 cm lang, der Sinus
urogenitalis bis zu seiner Ausmündung 14 cm. Das Corpus uteri und die
Scheide, beide von vorn nach hinten abgeplattet, messen fast 35 mm von
rechts nach links.
Zu beiden Seiten der Scheide, auf ihrer Vorderwand, liegen zwei etwa
12 cm lange, bis (rechts) 2 cm breite und über 1 cm dicke körniggelappte
ziemlich derbe Körper (pssa), die sich nach unten hin verjüngen und sich
in die Wand des Anfanges des Sinus urogenitalis hinein einsenken (ihre
bezw. die Mündungsverhältnisse der Vasa deferentia werden nicht mikro-
skopisch untersucht). Ihr Durchschnitt zeigt dicht gestellte, mit zähem
Schleim gefüllte bis über linsengrosse, etwas eckige Höhlen.
Der Durchschnitt von Scheide und unpaarem Uterusteil zeigt keine
Abweichung.
Ein makroskopisches Corpus prostatae fehlt (keine mikroskopische
Untersuchung). Der Sinus urogenitalis misst auf dem Durchschnitt 2,5 cm
von rechts nach links, 2 cm von vorn nach hinten, ist also wie Vagina und
Uterus von vorn nach hinten abgeplattet. Er besitzt ein enges Lumen, das
von einer graugelblichen, über 1 cm dieken und sehr reich vaskularisierten
weichen Schicht unter der glatten Schleimhaut gleichmässig umkleidet ist.
Die Aussenschicht bildet eine gleichmässige Muskellage.
Die beiden Hörner des Uterus sind kräftig ausgebildet. aber von
ungleicher Entwicklung. Das linke (Ih) ist bei weitem stärker, länger sowohl
wie dicker, als das rechte (rh). Es ist bis zu seinem verjüngten Ende, an
seinem äusseren Umfange gemessen, fast 40 cm lang und, bei gleicher Ab-
plattung von vorn nach hinten wie der unpaare Uterusteil, bis 22 mm dick.
Das rechte Horn ist 23 cm lang und bis 14 mm dick. Seine Windungen
sind weniger ergiebig als die linksseitigen.
Dieselben quantitativen Verschiedenheiten zeigen Schleimhaut und
Muskelhaut auf dem Durchschnitt der Hörner. Der Oberflächenbezug ist
beiderseits diffus verdickt und durch zahlreiche feine Adhäsionsreste rauh,
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 11
160 Ludwig Pick:
Das linke kräftigere Horn des Uterus läuft in einen nur kurzen, 6 cm
langen und etwas dünnen Eileiter (t) aus, dessen an sich ziemlich weites
Infundibulum verschlossen erscheint. Die daneben gelegene linke Keimdrüse
ist ein an sich typisch aussehendes Ovarium (o). Die Bursa ovarii ist ziemlich
gut ausgesprochen.
Der Eierstock ist klein, 2,5:2,5:1cm lang. An der Oberfläche ist er
flach und ziemlich grob gebuckelt. Der Durchschnitt wird zum grössten Teil
von vollkommen typischen gelben Körpern besetzt. Daneben finden sich einige
erbsengrosse, glattwandige, mit klarer oder blutiger Flüssigkeit gefüllte
Follikel. Auf der medialen Seite erscheint die Kapsel (Albuginea) auf dem
Durchschnitt zu einem 1—2 mm breiten Streifen verdickt, in dem dunkle
Quer- und Längsschnitte feinster Blutgefässe sichtbar werden.
Das Ligamentum latum ist diffus verdickt, namentlich gegen das
Uterushorn hin, und lässt vom Parovarium oder Gartnerschen Gang nichts
durchscheinen. Medialwärts vom Ovarium steht ein kurzer Rest des linken
Ligamentum teres (Ir).
Auf der rechten Seite ist von einer Tube oder einem Tubenostium
nichts vorhanden. Das verjüngte Uterushorn endet hier ziemlich spitz.
Hier wird die Keimdrüse repräsentiert durch einen mit Nebenhoden
und Vas deferens ausgestatteten Hoden (h). Er liest im Ligamentum latum
genau da. wo auf der anderen Seite das Ovarium sich befindet. Der Hoden
misst 5,6:4,7:4,5 cm, ist von glatter Albuginea überzogen und fällt auf
dem Durchschnitt durch den Mangel eines Corpus Highmori und einer regel-
mässigen Septierung auf. Unregelmässig ziehende Bindegewebsstränge dünnen
Kalibers grenzen grössere und kleinere ganz unregelmässige Läppchen ab.
Der Nebenhoden (nh) ist nicht auffällig hypertrophisch, sitzt locker, frei
beweglich am distalen Hodenpol, liest in S cm Länge mit scharfem Rand
dem Hoden an, zieht auf weitere 8 cm im freien Rand des Mesometrium
und geht dann unter mächtiger Aufknäuelung zu einem über walnussgrossen
Konvolut (w) in das Vas deferens über. Dieser Wulst liegt genau kaudal-
wärts von dem zugespitzten blinden Ende des Uterushorns. Lateral neben
dem Wulst setzt das in 3,5 cm Länge erhaltene Gubernaculum testis (gH) an,
und von ersterem aus zieht das Vas deferens (Gd) in etwa 153—15 mm Abstand
von der mesometrischen Kante des Uterushorns, in dem auch hier verdickten
Mesometrium leicht verfolgbar, bis zu seiner Einsenkung in den Uterus.
Hydatiden sind weder links noch rechts nachweisbar. —
Das äussere Genitale (betreffs des Sinus urogenitalis vergl. oben) zeigt
am Präparat Teile der Labien und am ventralen Winkel der Vulva einen
stark ausgebildeten kegelförmigen Hautanhang. Die Klitoris ist, wie die
Präparation nach hinten ergibt, über 8 cm lang, geschlängelt und tritt mit
einer fast zentimeterlangen Spitze aus einem kleinen, in ihrem dorsalen
Umfang ausgebildeten Präputialsack heraus. Sie krümmt sich dabei mit
dem freien Ende nach rechts und ist hier durch eine kleine Hautbrücke mit
der Aussenfäche des Präputialsackes verbunden.
Ventralwärts von der Klitoris liegt der sehr enge Eingang in den
Sinus urogenitalis. Die präparatorische Darstellung grosser Vorhofsdrüsen
&elingt nicht.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 161
Mikroskopische Untersuchung.
(Technik wie vorher.)
1. Ein Unterschied in der mikroskopischen Ausbildung des
rechten männlichen und des linken weiblichen Uterushorns, insbesondere
des Endometriums, ist nicht erweislich, Das Endometrium ist hier wie dort
mässig injiziert, das Stroma ödematös.
2. Der rechtsseitige Hoden (vergl. Taf. IX, Fig. 3). Das Keimepithel
fehlt. Die Tunica albuginea ist 80 z dick. Die fibrösen Septen der unregel-
mässigen Lobuli sind fast total von Zwischenzellen erfüllt, so dass die
Scheidewände nahezu völlig verdeckt sind. Auch innerhalb der Läppchen
ist die Masse der Zwischenzellen (zw) eine ausserordentliche, die der Hoden-
kanälchen (hk) (etwa im Verhältnis 3:2) überwiegende.
Sie sind im Mittel 19 « gross, polyedrisch, reichlich von zarten Blut-
kapillaren (ble) durchzogen, im übrigen von der nämlichen Beschaffenheit wie
in den vorbeschriebenen Fällen.
Die Hodenkanälchen, in den verschiedensten Richtungen getroffen, be-
sitzen einen mittleren Durchmesser von 145 „ und eine Tunica propria (mpr)
aus einer einfachen Lage zarter Spindelzellen, mit ganz unerheblichem
faserigen elastisch-fibrösen Anteil.
Es folgt unmittelbar dieser Tunica aufgelagert eine einfache Schicht
rundlicher oder etwas eckiger, mehr bläschenförmiger Kerne, von mittlerem
Chromatinreichtum und ohne deutliche Kernkörperchen. Das (durch Häm-
alaun) grauliche, etwas trübe Protoplasma erfährt alsbald eine gross-vakuoläre
Auflösung, so dass grossblasiger Schaum das ganze Lumen der Kanälchen
(vergl. Taf. IX, Fig. 3) vollkommen erfüllt. Eine gegenseitige Abgrenzung
von Einzelzellen ist nicht möglich.
Die Kerne auf der Tunica propria werden bei der Vakuolenbildung
zuweilen abgeplattet. Sie liegen dann innerhalb der Vakuole an die Peripherie
gepresst oder in die Peripherie unter Bildung einer Siegelringzellform ein-
geschaltet.
Eine andere Zellart ist in den Kanälchen nicht vorhanden. Überhaupt
sind auch mehr zentral in der Schaummasse gelegene Kerne selten. Wie
die Sudanfärbung zeigt, entsprechen die Vakuolen grossen Fettropfen. In
einem der schaumerfüllten Kanälchen zentral ein grosses, konzentrisch ge-
schichtetes Kalkkörperchen.
Auf keinem der zahlreichen untersuchten Schnitte dieser Seite ist
etwas von ovariellem Gewebe zu finden.
3. Der linksseitige Eierstock. Die untersuchte Scheibe stammt
aus der ganzen Dicke des Organs.
Das Keimepithel der Oberfläche ist teilweise erhalten. Das Stroma
ist einfach fibrös, ziemlich zellarm, aber relativ gut vaskularisiert. In sämt-
lichen Schnitten des untersuchten Stückes (das übrige Ovarium ist am
makroskopischen Präparat konserviert) finden sich wesentlich typische Corpora
lutea, keine sicheren Primordialfollikel oder Reifungsstadien. Nur gelegentlich
erscheint ein Graafscher blutgefüllter Follikel.
11*
162 Ludwig Pick:
Dagegen bietet sich (Taf. XI, Fig. 4 und Taf. X, Fig. 5) in der leicht
fihrös verdiekten medialen Oberflächenzone des Organs — indem parallel zur
äusseren Oberfläche streichenden fibrösen Bindegewebe (str) zwischen Keim-
epithel (ke) einerseits und Peripherie der vorgeschobenen gelben Körper (el)
andererseits — ein höchst auffallender und überraschender Befund.
Hier sind kleine Gruppen von Kanälchen oder auch isolierte
Kanälchen (vhk und vhK‘) eingesprengt, die in ihrem Aufbau voll-
kommen identisch sind mit den Hodenkanälchen der rechts-
eitigen Keimdrüse. Sie besitzen die nämliche zarte spindelzellige
Tunica propria (hbroelastica), die nämliche Auskleidung mit einschichtigem
Epithel, die an der Yunica lagernden bläschenförmigen, gelegentlich ab-
geplatteten Kerne, die schaumige Auflösung des durch Hämalaun graulich
getönten Zytoplasmas und die (meist vollkommene) vakuoläre Füllung des
Lumens. Das grösste der gefundenen Kanälchen (Taf. X, Fig. 5, vhk) liegt,
wie auch andere, in der Längsrichtung der Bindegewebszüge (str), ist deutlich
gewunden und auf weiter Strecke verfolgbar. Es misst auf dem Durchschnitt
im Mittel 140
Daneben sind auch kleinere und kleinste Kanälchen dieser Art zu
treffen, gelegentlich ganz isoliert, und des öfteren kleine, noch solide Epithel-
stränge mit durchsichtigen Epithelien. Indem diese mit wachsendem Durch-
messer des Stranges sich alsbald vakuolisieren und wandständig ordnen,
führen die Bildungen zu den als Hodenkanälchen eindeutig charakterisierten
erstgenannten Formen über.
Die typischen Hodenkanälchenformen sind stets von ebenso typischen
Zwischenzellen (zw) in kleineren und grösseren Zügen begleitet. Wo letztere
in der Nachbarschaft von Corpus luteum-Gewebe liegen, ist leicht ersichtlich,
dass hier die männlichen Zwischenzellen die volle Grösse der Luteinzellen
nicht ganz erreichen und sich zumeist bei weitem stärker mit Eosin färben.
Bemerkenswerterweise erstrecken sich diese verschiedenen Formationen
(Kanälchen und Zwischenzellen) auch in die fibrösen Septen der gelben Körper
zentripetal weit in das Ovarium hinein, so dass hier eine wirkliche
Durchmischung der im sich wohlbegrenzten gelben Körper einerseits und
der testikulären Gewebe andererseits erfolgt.
4. Die linke Tube zeigt, abgesehen von ihrem geringeren Durch-
messer gegen die Norm, normalen Bau, kein begleitendes Rudiment eines
Nebenhodens oder Vas deferens.
5. Nebenhoden und
6. Vas deferens der rechten Seite sind ohne Abweichung. Eine
Tube ist auch mikroskopisch rechterseits nicht erweislich.
7. Querschnitt durch den Sinus urogenitalis. Die Ausbreitung
der Pars disseminata prostatae um den Kanal ist hier ventral, seitlich und
dorsal ohne quantitativen Unterschied, die Prostatamasse sehr bedeutend.
Der Bau entspricht im übrigen, auch betreffs der weiten venösen Blut-
räume, den vorigen Fällen.
Der Musculus urethralis umfasst auch hier das Dorsum des Sinus
ohne Unterbrechung.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 165
8. Die Pseudosamenblasen (rechts und links) zeigen, entsprechend
dem makroskopischen Befund, eine reichliche Schleimproduktion und Schleim-
anhäufung. Das Epithel ist zylindrisch mit basal gestellten Kernen und klarem
Zelleib, bei stärkerer Aufweitung der Drüsenräume entsprechend niedriger.
b) Die anatomisch untersuchten sicheren
Fälle des Hermaphroditismus verus beim Menschen.
I. Fall W. Simon (60).
20 jähriges Individuum mit ausgesprochenem Mannesbewusstsein. Schon
frühzeitig starke Entwicklung der Brüste, links stärker als rechts, die seit
3 Jahren bisweilen vorübergehend anschwellen: zugleich — später nicht mehr
in zeitlicher Gebundenheit — mehrtägige unbedeutende Blutungen aus dem
Genitale. Auch in der Klinik wurde eine eintägige geringe Blutung aus
dem Genitale, bei leichten Kreuzschmerzen, beobachtet. Seit einigen Jahren
dann und wann, meist unter geschlechtlicher Erregung, deren Mittelpunkt
stets ein weibliches Wesen ist, und unter Erektion des Geschlechtsgliedes
Absang von weisslich-schleimiger Flüssigkeit. ° Spermien wurden in dem
gelegentlich untersuchten Schleim, der vor dem Genitale lag, nicht nach-
gewiesen.
Das Individuum sucht die Klinik auf in dem sehnlichen Wunsche,
auch seinen Körper so umgestaltet zu sehen, dass jeder ihn als männlichen
anerkennen müsse.
Körpergrösse 155 em: Die Formen sind gut gerundet. Ganz geringer
Bartanflug auf der Oberlippe. Kehlkopf wenig prominent. Basaler Umfang
des Brustkorbes überragt den Beckenumfang nicht. Becken breit und flach.
Schamhaargrenze etwas oberhalb des Schambeinrandes horizontal abschneidend.
Sehr deutliche Michaelissche Raute.
An der Symphyse ist ein penisartiger Körper (4 cm lang, 6,5 cm
Umfang) angeheftet, mit Präputium und mit etwa haselnussgrosser Glans
(vergl. 1. c. Taf. II. Nach unten setzen sich zwei wulstige, stark behaarte
Hautfalten an, die hinten durch eine breite Kommissur vereinigt sind;
zwischen ihnen ein Orificium, entweder die äussere Mündung der weiblichen
Urethra oder eines Canalis urogenitalis. Eine Entscheidung kann nicht
getroffen werden. (Andeutung kleiner Labien ?)
Vor der Öffnung des rechten Leistenkanals ein über kirschgrosser, etwas
länglicher reponierbarer Körper mit glatter Oberfläche und von solider mittel-
fester Konsistenz. Uterus (per reetum in Narkose) nicht fühlbar. Links im
Becken über einem walzenförmigen bleistiftdicken ein etwa kastaniengrossar,
leicht höckeriger Körper, dessen Konsistenz etwa der eines Ovariums bezw.
Hodens entspricht.
Im ganzen sind im Bau des Körpers männliche und weibliche Typen
miteinander innig gemischt, wenn auch das weibliche Element bis zu einem
gewissen Grade vorherrscht. Am Genitale selbst scheint der männliche
Typus zu überwiegen.
Das Individuum willigt in die zwecks Geschlechtsbestimmung vor-
geschlagene Probeexzision aus dem vor dem rechten Leistenkanal gelegenen
164 Ludwig Pick:
als Keimdrüse angesprochenen Körper ein. Bei der Operation (l. c. Taf. IT)
erweist sich der gefühlte Körper als etwas über kirschgross, eiförmig, von
der Konsistenz etwa eines normalen Hodens, bei glatter spiegelnder Ober-
fläche und hellgelbbräunlicher Farbe. An dem einen Pol setzt sich ohne
eine erkennbare Organgrenze ein etwa erbsengrosser, mehr weisser und
derberer Knoten an. Ausserdem findet sich eine 7 cm lange Tube mit
Ostium, von etwa Zweistreichholz-Dicke, befestigt an einer dünnen, fleder-
mausflügelartigen Peritoneallamelle (Ligamentum latum). In dieser fast
unmittelbar unter dem distalen Tubenende ein Parovarium, etwa ein Drittel
so lang als die Tube. Die Keimdrüse ist an der Peritoneallamelle fixiert.
Ausserdem in letzterer ein Vas deferens und 1 cm von der Keimdrüse
entfernt und ganz getrennt von ihr eine etwa halberbsengrosse, höckerige,
gelblichweisse Epididymis.
Von der Keimdrüse werden aus beiden Teilen zwei kleine Keile
exzidiert. Auf dem Schnitt Hodenteil gelblich, zart gekörnt, der neben-
gelegene Knoten (Eierstocksteil) derb, grauweiss, streifig.
Tube und Parovarium wird abgetragen: auch aus dem neben dem Vas
deferens gelegenen Körper (Epididymis) wird ein kleines Stück ausgeschnitten.
Parovarium (l.c. Taf. I, Fig. 5) und Epididymis (Fig. 6) werden durch mikro-
skopische Untersuchung identifiziert. Für die Keimdrüse ergibt sich:
1. Eierstocksteil: stark ausgebildete Albuginea mit zum Teil
erhaltenem Keimepithel. Ovarialrindenstroma mit Primordialfollikeln ohne
weitere Entwicklungsstadien (Fig. 1 und 2).
2. Hodenteil (Fig. 5 und 4): lockeres; schr zartes Bindegewebs-
stroma mit Zwischenzellen, meist in kleinen Häufchen und Zügen (Reinkesche
Kristalle im Zwischenzellplasma).
Die Bilder der Hodenkanälchen gleichen vollkommen den von Felizet
und Branca für den Leistenhoden Erwachsener aufgestellten Typen a und b,
den „cellules de Sertoli ä protoplasma commun* und den „formations colum-
naires ou coniques implantdes perpendiculairement ou obliquement sur la
paroi propre“.
Die Wand der Hodenkanälchen ist teils die typische fibrös-elastische
Membran, meist aber zeigt diese hyaline Degeneration, so dass das Lumen
stellenweise fast völlig erdrückt ist. Dem Epithel fehlen „alle Zeichen der
Spermatogenese*.
Das ganze Bild „entspricht einer Hodenpartie im Ruhestadium, zu-
gleich mit schweren degenerativen Veränderungen‘.
Doch stammt das exzidierte Stück aus der den Hilus entgegengesetzt
gelegenen Konvexität der Drüse. Da die von dem Rete testis entfernten
Partien im Leistenhoden der Regel nach in ihrer Entwicklung am meisten
zurückgeblieben sind und am frühesten regressive Veränderungen erleiden
(Finotti), so möchte Simon in seinem Befunde einen sicheren Beweis
für die Funktionslosigkeit des Hodens nicht sehen.
II. Fall O. Uffreduzzi (69a, b und c).
Uffreduzzi machte seine Beobachtung, die von ihm erschöpfend in
mehreren Publikationen behandelt ist, an einem 7jährigen, als Mädchen er-
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 165
zogenen Kind, bei dem im Spiel mit seinen Altersgenossen mehr knabenhafte
Neigungen aufgefallen waren. Bei dem Kind bestanden doppelseitige äussere
(schräge) Leistenhernien, die auf einer Seite zweimal zu Inkarzerations-
erscheinungen geführt hatten. Die Eltern wünschten eine Radikaloperation
dieser Seite und gleichzeitig eine Feststellung des ihnen fraglichen Geschlechts.
So kam das Kind in die Hände des Arztes.
Der allgemeine äussere Eindruck, besonders auch der des Gesichts
des Kindes, war ein weiblicher. Das Haupthaar ist lang. der Fettansatz
reichlich, und die Formen sind so gerundet, dass die Muskelkonturen aller-
wärts verdeckt sind. Brüste nicht entwickelt, Becken ohne Besonderheit.
Das äussere Genitale zeigt ein 3—4 cm langes penisartiges undurch-
bohrtes Gebilde, etwas darunter die auffallend weite Mündung der Urethra —
also im ganzen einen Zustand von Hypospadie:; ferner zwei nicht verwachsene
Serotalhälften, in denen jederseits ein kleines hartes, bewegliches und empfind-
liches Körperchen gefühlt wurde; letztere werden als Leistenhoden ange-
sprochen. Die Untersuchung (auch per rectum) ergab Fehlen von Vagina,
Uterus, Prostata. So wurde ein Pseudohermaphroditismus masculinus. eine
Hypospadie mit Kryptorchismus angenommen. Bei der Herniotomie (auf
welcher Seite ist nicht angegeben) fand sich im Bruchsack Hoden. Neben-
hoden und Vas deferens, in einen Samenstrang übergehend, der durch den
Leistenkanal zieht. Am oberen Pol des Hodens ein weisslicher Körper,
ähnlich einer Verdickung der Albuginea, mit einer an den Nebenhoden ge-
löteten Zyste von 1,5 mm Durchmesser. Alle diese Gebilde wurden exstirpiert.
Der Hoden besitzt eine typische Albuginea und ein Stroma aus kern-
armem Bindegewebe; er ist in typischer Weise lobuliert (Läppchen von
0,2—0,5 mm Durchmesser). Die Auskleidung der mit tibrös - elastischer
Membran versehenen Hodenkanälchen (bei einem Durchmesser von 33—A0 x)
bilden plasmatisch verschmolzene Sertolizellen (ein „follikuläres Synzytium“)
bei radiärer Stellung der länglichovalen, gut gefärbten, in einfacher Lage
vorhandenen Kerne. Archispermiozyten fehlen. Die Kerne mit je einem
Nukleolus lagern nahe der Membrana propria. Die plasmatische Substanz
ist gekörnt. Ein Lumen in den Kanälchen fehlt.
Gut ausgebildetes, obschon etwas rudimentäres Rete testis in dem an
die Epididymis grenzenden Teil. Das relativ reichliche kernarme Binde-
gewebsstroma ist frei vonZwischenzellen. Die Drüse ist „vollkommen
identisch mit einem kindlichen Hoden von leicht zurückgebliebener Ent-
wicklung in der Periode der zellulären Unitikation (follikuläres Synzytium)“
bezw. „mit einem kindlichen retinierten Hoden“.
Gegen den oberen Hodenpol wird das Bindegewebe allmählich dichter
(„poco a poco piü duro“), kernreicher und enthält typische Primordial-
follikel (von 35—40 u Durchmesser) mit Primordialeiern und Follikelepithel,
das an einigen Stellen unter kubischer Umformung Stadien einer Weiter-
entwicklung bietet.
Die nach dem Nebenhoden gelegene Zyste ist ein typischer Graafscher
Follikel mit Eizelle (vergl. 69c, Fig. 3 und 4).
Neben der Epididymis, durch lockeres Bindegewebe dieser angeschlossen,
liegt eine Tube mit typischem Infundibulum und einer Fimbria ovarica, die
166 Ludwig Pick:
zum Eierstock zieht. Das distale Tubenende endet blind, etwas unterhalb
des Schwanzes der Epididymis, und zwar nicht mehr mit dem Nebenhoden
verbunden, sondern frei flottierend im Leistenkanal. Ein Parovarium fehlt.
Ill. Fall J. F. Gudernatsch (23).
Eine 40jährige Köchin sucht das Krankenhaus auf, um einen Tumor
der rechten Leistengegend operieren zu lassen. Im linken Leistenkanal ein
ähnlicher, etwas kleinerer Tumor, der nicht entfernt wurde.
Äusseres Genitale weiblich, aber ausserordentlich starke Klitoris-
hypertrophie. Uterus nicht fühlbar. Um die Urethra ein prostataähnlicher
Körper, doch will Verfasser sich mangels mikroskopischer Untersuchung
nicht bestimmt entscheiden. Behaarung des Körpers von weiblichem Typus.
Becken geräumig. Umentwickelte Brüste. Kehlkopf äusserlich von männ-
lichem Typus. Die Patientin fühlte sich als Weib und hatte stets als solches
gegolten. Menstruation war nie vorhanden gewesen. Geschlechtsverkehr
hatte niemals stattgefunden: die Libido fehlte.
Die exstirpierte Geschwulst präsentierte sich als Testikel mit Epididymis,
von den Maben 6:5:5 cm.
(Die Präparate wurden in New-York von James Ewing, in Prag von
Prof. A. Kohn und von den Mitgliedern des VIII. Internationalen Zoologen-
kongresses in Graz begutachtet und als Ovotestis anerkannt; vergl. oben S. 134.)
1. Hodenteil. Sehr starke Tunica albuginea. Das Hodengewebe
zeigt an den meisten Stellen (nicht überall) die „typische hyaline* Degene-
ration der Samenkanälchenmembranen des Säugetierhodens bei Retentio
inguinalis. Der mittlere Durchmesser der Tubuli contorti ist weit geringer
als normal. Das auskleidende Epithel besteht aus einer einfachen Schicht
von Sertolizellen. Keine Spermatogenese bezw. Zelltypen dieser Reihe
(there are no indications of spermatogonia, spermatids or spermatozoa). Die
Sertolizellen zeigen verschiedene Stadien der Degeneration, entsprechend
den Befunden Finottis.
Durch zentralwärts vordrängende hyaline Degeneration der inneren
Schichten der Tunica propria der Samenkanälchen erfolgt oft unter völligem
Zugrundegehen der Epithelien vollkommene Obliteration. Die noch erhaltenen
bindegewebigen Teile der Membrana propria führen gleichzeitig elastische
Fasern.
Es besteht eine ausserordentlich starke Vermehrung der Zwischen-
zellen, so dass die Samenkanälchen stellenweise auseinandergedrängt werden.
Dabei erscheinen die Zwischenzellen, zwischen denen Bindegewebsfasern nur
sehr spärlich zu sehen sind, von „normaler Beschaffenheit“. Reinkesche
Kristalle enthalten sie nicht. Die Zwischenzellen liegen entweder in kleinen
unregelmässigen Gruppen oder schmalen Strängen, oft aber in bedeutenden
dichten Haufen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um die in
kryptorchischen Hoden gewöhnliche Vermehrung.
Rete testis, Vasa 'efferentia, Nebenhoden und Vas deferens sind vor-
handen. Im Lumen der Nebenhodenkanälchen zelliger Detritus, feingranulierte
Massen und zahlreiche Konkremente. Das Epithel des Nebenhodenkopfes ist
stellenweise stark degeneriert. Es ist zum Teil gleichmässig, niedrig kubisch,
iR
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 167
zum Teil von gewöhnlicher Anordnung, d. h. von normalem Wechsel der
kubischen und zylindrischen Zellen. Für die Kanälchen mit flacher Zell-
auskleidung betont der Verfasser die Ähnlichkeit mit der Parovarialstruktur.
Die Zusammensetzung des Ductus epididymidis ist normal. Das Vas deferens
besitzt eine sehr dicke Muskulatur.
2. Eierstocksteil. Der weibliche Anteil der Keimdrüse ist
repräsentiert durch ein rudimentäres Ovarium in der Form eines kleinen
3:2:2 mm messenden Knotens. Es liegt (vergl. Taf. I, Fig. 1) in einer
kleinen zystischen Kavität der Tunica, zwischen dem Hoden und Neben-
hodenkopf. Das Stroma des Körperchens ist das typische spindelzellige des
Eierstocks, eine Rinden- und Markschicht lassen sich unterscheiden. In der
Rindenschicht ist das Bindegewebe dicht und zellreich und führt nur un-
bedeutende Blutgefässe. Die Zellen liegen in Strängen oder Wirbeln. In
der Marksubstanz ist das Bindegewebe weniger zellreich und führt grosse
geschlängelte Blutgefässe. An der Oberfläche eine einfache Schicht kubischen
bis zylindrischen Epithels (vergl. 1. c. Fig. 5, 6 und 7 auf Taf. III). In dieser
Zellschicht sind einzelne Elemente grösser, die Kerne bedeutender und rundlich,
chromatinärmer als die der Nachbarzellen. Sehr wahrscheinlich sind diese
Elemente Primordialeier, obschon eine bestimmte histologische Diagnose sich
nicht stellen lässt (a definit diagnosis cannot be made. However the decision
that the body is ovarian in structure is sufficiently warranted by the typical
stroma with its surface epithelium). Ebenso fehlt vollständig die Bildung
von Primordialfollikeln oder weiteren Entwicklungsstadien. Verfasser ver-
weist auf die Analogie dieses Befundes mit der Tatsache (l. c.. 8. 272 u.),
dass bei allen Fällen von Hermaphroditismus (wahrem oder falschem) der
epitheliale Teil des Eierstocks eine Unterentwicklung zeigt.
IV. Fall Ernst Salen (57).
Über den Fall von Ernst Salcn (Stockholm) ist zum erstenmal auf der
zweiten Tagung der Deutschen Pathologischen Gesellschaft in München 1899
(durch Ernst Ziegler) berichtet worden. Ich gebe diesen Bericht hier
zunächst wörtlich wieder:
„Augusta Persdotter, 43 Jahre, unverheiratet. Monatliche Regel
seit dem 17. Jahre. Passive Coitusversuche schmerzhaft; keine aktiven.
Weiblicher Habitus. Klitoris penisähnlich, beinahe 5 cm lang, mit
haselnussgrosser Glans. Labia majora und minora normal entwickelt. In
das Vestibulum münden die Urethra und die Vagina aus, die letztere aus
einem feinen Gange, in welchen eine Sonde 8 cm weit hineingeführt werden
kann, bestehend. Im November 1898 Laparotomie: Exstirpation eines zystischen
mannskopfgrossen kurzgestielten Myoms plus Kastration.
Der Uterus war etwas vergrössert, mit mehreren kleinen Myomen
besetzt. Beiderseits fand man die Tube und die Ligamente normal und an
dem gewöhnlichen Platze des Oyariums eine Geschlechtsdrüse. Von der
Klinik den 5. Januar 1899 gesund entlassen.
Die Untersuchung der Geschlechtsdrüsen ergab linkerseits
ein ziemlich kleines höckeriges Ovarium mit Graafschen Follikeln und
Eiern; rechterseits eine Zwitterdrüse, deren eine Hälfte Eierstocks-
165 Lwdwig’Pick:
gewebe, deren andere Hodengewebe zeigte. Der Ovarialteil ist grob-
höckerig, von gelber Farbe und derber Konsistenz und zeigt bei der mikro-
skopischen Untersuchung Graafsche Follikel und ganz typische Eizellen
in einem spindelzellreichen Stroma eingebettet.
Der Hodenteil ist eben, von ziemlich weicher Konsistenz, mit weiss-
slänzender Tunica albuginea. Das Parenchym ist locker, von braun-
srauer Farbe und von weissen Bindegewebssepta durchzogen; mikroskopisch
zeigt es Tubuli seminiferi, die in einem lockeren, von grösseren und
kleineren Anhäufungen fett- und pigmentreicher Zwischenzellen durch-
setzten Bindegewebsstroma liegen. Die Tubuli sind stark geschlängelt, von
beinahe gleicher Weite. Ihre Membranae propriae sind grösstenteils
verdiekt, sehr reich an konzentrisch angeordneten elastischen Fasern.
Das Epithel besteht aus Follikelzellen und Sertolischen Zellen. Nirgends
Spermatogonien oder andere Samenzellen.
Die Struktur zeigt im wanzen eine auffallende Ähnlichkeit mit der-
jenigen des ektopischen Hodens nach der Pubertät.“
Diese Mitteilung — die erste eines sicheren Falles von H. A. verus
beim Menschen — ist sehr kurz gehalten und durch Abbildungen nicht unter-
stützt, Mängel, die, wenn auch dem Fall die Beweiskraft allerwärts zugestanden
wird, doch gelegentlich nicht ohne Berechtigung hervorgehoben werden (vergl.
z.B.Sauerbeck, S. 340). Sal&ens auch mir gegenüber vor etwa 11 Jahren
geäusserte Absicht, eine genaue Darstellung des Falles zu geben, wurde
durch seinen allzu frühen Tod zunichte. Seine Präparate, Photographien
und seine mit grosser Kunst und Sorgfalt angetertigten Zeichnungen über-
nahm aus der Hand von Dr. Sal&ns Gattin, Frau Dr. Siene Salen, jetzt
Frauenärztin in Stockholm, Salens Freund, Herr Prof. Ulrich Quensel,
Direktor des Pathologischen Instituts der Universität Upsala.
Ich hatte noch bei Lebzeiten Sal&@ns von ihm selbst eine Anzahl von
Schnitten, mit denen das Wesentliche seiner Mitteilung zu belegen war,
erhalten und diese der Sammlung der Landauschen Klinik einverleibt.
Diese Schnitte sind gelesentlich auch bereits von mir selbst und später von
Herın Theodor Landau (40) in der Berliner Medizinischen Gesellschaft
vorgelegt worden.
Mit der Zeit hatte dieses kostbare Material nun allerdings von seinem
Demonstrationswert so gut wie alles verloren, weil die mit Thionin oder
nach van Gieson gefärbten Schnitte vollständig ausgeblasst waren. Ich
musste daher an eine Umfärbung bezw. Nachfärbung der Schnitte (mit
Hämalaun, Hämalaun-Eosin, van Gieson, Karmin und Weiwerts Elastica-
färbung) gehen, die erfreulicherweise vollkommen gelang.
Zugleich stiess ich aber bei der Nachuntersuchung dieser neugefärbten
Schnitte auf Befunde, von denen Sal&n nach dem eben zitierten Text seiner
damaligen Mitteilung ausdrücklich bemerkt, dass er sie nicht getroften
habe. Sie bedeuteten für den Fall eine gewichtige Ergänzung, für die ganze
Frage des H. A. verus eine grundsätzliche Erweiterung.
Es musste unter diesen Umständen von ganz besonderem Werte sein,
auch das übrige Material des Falles nach diesen weiteren Gesichtspunkten
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 169
zu untersuchen, und so begrüsste ich mit grosser Freude das rückhaltlose
und liebenswürdige Entgegenkommen von Frau Dr. Sal@n und Herrn Kollegen
Quensel, die mir das gesamte anatomische Material des Falles, alle Schnitte
sowohl wie die noch vorhandenen Zelloidinblöcke, nebst sämtlichen Sal&nschen
Zeichnungen und (zum Teil stereoskopischen) Photographien, auch den Nega-
tiven, in die Hände legten. Beiden zolle ich für ihre ganz besondere Freund-
lichkeit auch an dieser Stelle herzlichen Dank.
Die von Ernst Sal@n angefertigten Zeichnungen sind auf Taf. X (Fig. S
und 9), Taf. XI (Fig. 11) und Taf. XII (Fig. 6, 7 und 10) reproduziert. Die
Textfig. 4 und 5 sind Zeichnungen, die nach den damaligen photographischen
Aufnahmen Sal&ns jetzt hergestellt sind; Fig. 12 auf Taf. XI ist unter
Anlehnung an eine Originalzeichnung Sal@ns angefertigt.
Die Schnitte, die bis auf wenige gleichfalls mehr oder minder aus-
gefahlt waren, habe ich wiederum nach- bezw. umgefärbt. Die Härtung
des Materials war in Formalin geschehen, die Einbettung in Zelloidin bezw.
Paraffin erfolgt. Kleine Stückchen der Hodensubstanz waren auch in
Flemmingscher Flüssigkeit fixiert. Von Färbungen wurden von mir an-
gewendet: Hämalaun, Hämalaun-Eosin, Hämalaun-van Gieson, Eisen-
hämatoxylin nach Heidenhain und Hansen, Eisenhämatoxylin-van
Gieson nach Weigert, Weigerts Elastikafärbung mit Karmingegen-
färbung, Orcein nach Unna-Tänzer.
Salen nennt den Habitus der Augusta P. weiblich. Die
Brüste sind in der Tat gut entwickelt. Doch spielt (Fie. 4) der
grobe Schnitt des Gesichts und der gegenüber der weiblichen
sanften Rundung mehr eckige Kontur der Schultern und oberen
Extremitäten sowie die grobe Form der Hände entschieden in
das Männliche hinüber.
Vom Genitale liegen mir drei photographische Original-
Aufnahmen vor. Ich habe zur Reproduktion Fig. 5 gewählt.
weil die Hypertrophie der Clitoris und ihrer Glans, andererseits
die Norm der grossen und kleinen Labien, darauf ausgezeichnet
zum Ausdruck kommt. Weiblich ist auch die gut sichtbare
horizontale Begrenzung der Behaarung des Mons veneris nach
oben hin. Am After treten Hämorrhoidealknoten hervor.
Fig. 6 auf Taf. XII zeigt die durch die Kastration gewonnenen
Geschlechtsdrüsen im frischen Zustand gemäss der Salen schen
Originalzeichnung.
Die grösste Länge der rechtsseitigen Zwitterdrüse (rot) ist
mit 4, die grösste Breite mit 2,5, die geringste Breite mit 2,
die grösste Dicke mit 1, die kleinste mit 0,5 cm angegeben.
Die beiden auf Fig. 6, Taf. XII, oben gelegenen Figuren stellen die
/witterdrüse mit gleichgrossem Eierstocks- und Hodenteil, von
170 Ludwie Pick:
den beiden Seiten betrachtet, dar. An der rechts gelegenen ist
auch die Abtragungsstelle vom Ligamentum latum deutlich.
Die groben Höcker des gelbgefärbten (in der Konsistenz
derben) Eierstocksteils treten (Fig. 6. oben rechts) deutlich hervor.
Auch die weissglänzende Albuginea des (ziemlich weichen) glatten
Hodenteils ist auf dieser Figur deutlich.
Auf der (Gegenfläche des Ovotestis (Fig. 6, oben links) besitzt
der Ovarialteil kleinere Höcker, die Albuginea ungleichmässige
Dicke, so dass grauweissliche Streifungen auf der grösstenteils
mehr braungrauen Oberfläche entstanden sind.
Auf dem etwas über die Mittellinie hinausgeführten Durch-
schnitt (Taf. XI, Fig. 6, drot) ist der Ovarialteil gegen den Hoden-
teil scharf abgesetzt. Ersterer erscheint wiederum ausgesprochen
gelb. letzterer braungrau (locker).
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 1e03
Im Eierstocksteil liegen drei zystische Follikel und ein
Corpus candicans. Eine besondere Markzone ist nicht vorhanden.
Der Hodenteil besitzt für das blosse Auge, wie eben erwähnt,
eine scharfe grauweissliche Abgrenzungslinie gegen den Eierstocks-
teil hin (Fortsetzung der Albuginea ?), und namentlich in der Nähe
dieser Linie, aber auch in den anderen Abschnitten des Parenchyms
erauweissliche, gegen den (in der Fig. 6, drot, unteren) freien Pol
hin etwas regelmässiger radiär angeordnete Bindegewebsseptula.
Fie. 5.
Gleichzeitig lehrt aber auch der Durchschnitt, dass unterhalb der
Albuginea des Hodens die Eierstockssubstanz, zum mindesten auf
einer Seite, noch über die Mitte des Organs hinaus auf den
Hodenteil hinüberzieht. Denn es erscheint auf dem abgebildeten
Durchschnitt (drot) — ebenso auch (Fig. 7) auf den durch die
ganze Dicke des Organs geführten mikroskopischen Schnitten —
unten links eine kleine, die Hodensubstanz einbuchtende, um-
172 EudwielPick:
schriebene gelblich-weissliche Gewebsmasse, die von Salen in
den den Figuren beigegebenen Notizen ausdrücklich als Ovarial-
substanz bezeichnet ist.
Das linke ziemlich kleine Ovarium ist (auf der Original-
zeichnung; vergl. Taf. XI. Fig. 6) 27 mm lang und 13—14 mm
breit. Salens Angaben bedürfen zu diesem Punkte weder in
makroskopischer noch in mikroskopischer Richtung — es ergaben
sich für die Eierstocksstruktur typische Befunde (Primordialfollikel
bis zu Graafschen Follikeln reifend) — einer Ergänzung.
Die mikroskopischen Übersichtsschnitte (Taf. XIL, Fig. 7) ent-
sprechen dem auf Taf. XII, Fig. 6 unten links (drot) dargestellten
Durchschnitt. Im Hodenteil (h) wird die in dem genannten
Bezirk augedeutete septierte Anordnung der Hodenkanälchen (hk)
noch deutlicher; andererseits wird der makroskopische Befund
insofern etwas korrigiert, als die (bis 215 « dicke) Albuginea (at)
sich als solche keineswegs zwischen Hoden und Eierstocksteil
als Grenzmembran einschiebt.
Letzterer (o) liefert in allen seinen Abschnitten, auch in
dem sich über den Hodenteil schiebenden Ausläufer (0°), ein dem
Alter der Trägerin vollkommen entsprechendes normales Bild,
nur fehlt ein Markteil auch bei mikroskopischer Betrachtung
ganz. Das Keimepithel ist nicht selten erhalten, besonders in
den flacheren Nischen und tieferen Buchten zwischen den Höckern
der Oberfläche. Stellenweise ist eine schmale, ziemlich hyaline
Albuginea deutlich. Das Stroma ist durchweg das typische klein-
und spindelzellige der normalen Eierstocksrinde (Taf. X, Fig. S
und 9 ostr bezw. str). Primordialfollikel sind nur noch spärlich
vorhanden, daneben alle Stadien des Wachstums bis zum Graaf-
schen Follikel (Fig. S, Grf und Fig. 9). Das auf der Schnittfläche
(Fig. 6, drot) getroffene Corpus luteum (Fig. 7, cl) ist von gewöhn-
licher Zusammensetzung, noch ziemlich frisch; das geronnene Blut
im Zentrum ist in einer schmalen peripherischen Zone organisiert.
Typische Corpora candicantia und fibrosa (narbige Stellen im
Stroma) fehlen nicht. Daneben sind in grösster Häufung grössere
und kleinere Komplexe wellig-hyaliner Bänder (Fig. 8, atıf) als
Produkte der physiologischen Follikelatresie in das Stroma ein-
gesprengt. Dicht unter der Oberfläche finden sich vereinzelte
(wohl vom Keimepithel herzuleitende), mit einschichtigem Epithel
ausgekleidete kleine Zystchen.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 113
Die grossen, auf dem Durchschnitt getroffenen Follikelzysten
(vergl. auch Fig. 7, fe und fe‘) haben, wie gewöhnlich, eine Aus-
kleidung mehrschichtigen Granulosaepithels. Die Blutgefässe im
Eierstocksgewebe, besonders die kleinen Arterien, zeigen nicht
selten, auch bei Blastikafärbung, mehr oder weniger hyaline
Wandungen.
Der Übergang des Eierstocksteils in den Hodenteil ist ent-
sprechend dem makroskopischen Eindruck ein unvermittelter
(NAT Eiee 7a Tat, Fig: 8).
Das spindelzellreiche Stroma des Ovariums (Fig. 8, ostr) wird
unmittelbar abgelöst durch das bedeutend zell- bezw. kernärmere
Stroma des Hodens. Dieses (Fig. 5, hstr; auch Taf. XII, Fig. 10 str’
nebst Taf. XI, Fig. 11 und Fig. 12, str) wird dargestellt durch ein
lockeres fibrilläres, zu einem grossen Teil leicht hyalin erscheinendes
(mit Eosin stark getöntes) Bindegewebe von höchstens mittlerem
Kernreichtum; es führt kleine normal strukturierte Arterien und
Venen (Fig. 12, blg). Allerdings ist die Grenzlinie zwischen Hoden
und Eierstocksstroma nicht allerwärts eine Iinienscharfe, vielmehr
greifen beide auf manchen Strecken zahnartig ineinander.
In einem grossen Teil der unmittelbar an den Eierstock
grenzenden Hodenzone breitet sich flach ein relativ reich ent-
wickeltes, gegenüber der Norm freilich etwas rudimentäres Rete
testis aus (Fig. 7 und Fig. 10, rt).
Hierbei sind einzelne Kanälchen des Rete bis an das spindel-
zellige Ovarialstroma unmittelbar herangeschoben oder sogar schon
von ihm umschlossen. Ebenso einzelne der gleich zu beschreiben-
den Hodenkanälchen, die sich unmittelbar an das Rete schliessen.
Ausserdem ist in dem Bereich des Rete das Bindegewebsstroma
an sich weniger locker, faser- (nicht zell-) reicher, so dass ein
gewisser (regensatz zu dem mehr lockeren Stroma zwischen den
Hodenkanälchen besteht (Fig. 10, str und str’).
Eine Steigerung der in gewissen Hodenabschnitten vor-
handenen makroskopischen Septierung (vergl. auch das Übersichts-
bild Taf. XII, Fig. 7) in Form einer irgendwie mikroskopisch
deutlicheren, sei es regelmässigen oder unregelmässigen Läppchen-
form, ist nicht vorhanden, auch nicht in dem vom Rete testis
ganz entfernten Hodenabschnitt.
Die einzelnen Hodenkanälchen (Fig. Ss, 10 und 11, hk) sind
bald durch geringere, bald durch reichlichere Stromamasse von-
174 Ludwig Pick:
einander getrennt, die in ihrer (resamtquantität die Gesamtmasse
der Hodenkanälchen sicherlich übertrifft (vergl. Fig. 7). An der
Oberfläche ist das Stroma zu einer typischen kräftigen Albuginea
(Fig. 11, at) verdickt. Das Kaliber der stark gewundenen
Kanälchen schwankt in nicht sehr erheblichen Grenzen. Es be-
trägt im Mittel 125 «, die kleinsten Formen messen 90 u. die
grössten 165 « im Durchmesser.
Die zellige Auskleidung bietet ziemliche Variationen,
doch lassen sich leicht dabei drei Typen (Fig. 12) unterscheiden :')
}. Kanälchen mit völliger Füllung des Lumens (t!) durch
srösstenteils plasmodial verschmolzene Elemente. Nur da und dort
werden äusserst zarte Zellgrenzen sichtbar. Das, was von Zyto-
plasma erkennbar ist, ist durchsichtig, nur leicht feinkörnig trübe.
Die Kerne sind kugelig oder doch rundlich, ziemlich hell, mit
deutlichen Kernkörperchen versehen. Solide Formationen dieser
Art sind durchaus in der Minderzahl. Zuweilen ist die plasmodiale
Masse auch von grösseren oder kleineren Vakuolen durchbrochen.
2. Ganz überwiegend sind die Kanälchen von mehreren bis
vielen epithelialen zelligen Lagen ausgekleidet (Fig. 12,t°, auch
hk in Fig. 8 oder Fig. 11). Die Kerne sind die nämlichen wie
bei dem sub 1 geschilderten Typus. Ebenso sind die Zelleiber,
wie das Zytoplasma dort, durchsichtig. Ihr Kontur ist sehr un-
regelmässig; die Zellindividuen sind nicht gerade selten wenig
deutlich getrennt. Von diesen zuweilen kegelförmig vorspringenden
Elementen aus führen feine netzförmige Fortsätze in das Lumen
hinein, und durch den Zusammenfluss dieser Fortsätze entsteht
ein das Lumen kreuz und quer oft (aber keineswegs immer) voll-
kommen durchsetzendes grossblasiges oder schaumiges Netzwerk,
wobei sich auch einzelne Kerne zentralwärts vorschieben.
Es kann diese die Lichtung füllende Vakuolenmasse so
überwiegen, dass nur mehr eine einzige Zell- bezw. Kernreihe
in der Peripherie des Kanälchens übrig ist.
3. Wiederum der Zahl nach zurücktretend sind Formen (t °),
deren Auskleidung durch lange hohe schmale Zylinderzellen mit
stärker gefärbtem Protoplasma und basalen Kernen in emfacher
. Lage gebildet wird. Sie sind um ein zentrales Lumen radiär
!) Für die Beschreibung werden zweckmässig reine Querschnitte der
Kanälchen gewählt, um alle Trugbilder, die betreffs der zelligen Füllung der
Lumina bei Oberflächenschnitten entstehen könnten, auszuschliessen.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 175
gruppiert. Auch diese Elemente erscheinen mehr oder minder ver-
schmolzen — eventuell wiederum auch vakuolisiert —, und das Lumen
kann durch ihren zentripetalen Zusammenschluss aufgehoben sein:
Die Membrana propria der Hodenkanälchen ist durchweg
gut ausgesprochen. Zu einem kleinen Teil besteht sie aus feinen
konzentrischen collagenen Faserlagen mit ziemlich kräftig ge-
färbten spindeligen Kernen und leicht darstellbaren sehr reich-
lichen elastischen konzentrisch geordneten Beimengungen. Aber
meist zeigt sie insofern Veränderungen, als ihre innerste Schicht
zu einem zunächst zarten, dann breiteren, ganz fein gefaserten
hyalinen Band aufquillt. Das Band ist meist frei von Zellen
bezw. Kernen, auch von elastischen Fasern, und mit Eosin sehr
lebhaft gefärbt (Fig. 10, mpr).
Die zentripetal vordrängende hyaline Umwandlung der Mem-
brana propria führt zur spaltförmigen Einengung des Lumens,
dann zum Schwund der Epithelauskleidung und schliesslich zur
völligen Obliteration des Hodenkanälchens, dessen Kontur peri-
pherisch meist noch durch erhaltene spindelige Kerne und zarte
elastisch-konzentrische Fasern um das auf dem Querschnitt wellig
gewulstete breite hyaline Band angedeutet ist.
Sowohl die genannten epithelialen Typen in der Auskleidung
der Kanälchen wie die verschiedenen Degenerationsstadien der
Membrana propria sind in der reeellosesten Art kombiniert und
dabei durch vielerlei morphologische Zwischenformen verbunden.
Ebenso regellos ist das im ganzen ziemlich häufige, wenn
auch keineswegs vorstechende Auftreten von Zwischenzellen
(Fig. 11, zw). Sie sind entweder frei im Stroma oder öfter an
einzelne oder gruppierte Hodenkanälchen gebunden in stark
wechselnder Anordnung, bald in grösseren, bald in kleineren
Komplexen, bald zu kleinsten Inselchen vereinigt, zu finden. Die
einzelnen Elemente sind polyedrisch und führen den runden,
mässig hellen, mit Kernkörperchen versehenen Kern meist zentral.
Das Plasma ist entweder sehr reichlich und hat äusserst zahl-
reiche feinste bräunliche Pigmentgranula, an den Flemming-
Präparaten auch durch Osmiumsänre geschwärzte kleinere und
grössere Fettröpfehen, eingelagert. Oder — diese Bilder über-
wiegen — der Zelleib ist unbedeutend. und die Kerne sind dicht
aneinandergerückt. Zuweilen sind innerhalb der Zwischenzell-
massen feine verzweigte Blutkapillaren deutlich.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. Il. 12
176 Ludwig Pick:
In den zellig gefüllten Hodenkanälchen sowohl wie in den
mit Liehtungen versehenen. in den Kanälchen des obigen Typus 1
und 2, findet sich nun aber noch eine weitere Zellform, die
ganz besondere Hervorhebung verdient (Taf. IX, Fig. 13a, b).!)
Es erscheinen ganz distinkte grosse, kugelige, auffallend helle
Zellen (gz), die durch die besondere Transparenz ihres Protoplasmas
sich gegen ihre Nachbarelemente stark abheben. Ihr rundlicher
Kern ist gleichfalls heller als die meist dunklen Nachbarkerne.
Er liegt zentral und führt ein rundes Kernkörperchen.
(ranz besonders auffällig aber ist das syntopische Verhältnis
der Nachbarzellen bezw. ihrer Kerne zu diesen hellen kugeligen
Zellen: die Nachbarelemente schmiegen sich um ihre Peripherie (kfz)
und umgeben sie nicht selten mehr oder minder kontinuierlich.
So kommen förmlich follikelähnliche Anordnungen zustande, in
denen eine grosse helle zentrale kugelige Zelle — ganz ähnlich
dem Primordialtollikel im Eierstock — von einer Hüllzellanlage
abgeplatteter Epithelien umgeben ist. Bilder dieser Art sind
nicht gerade häufig, aber doch fast auf allen Schnitten zu finden.
Nicht selten ferner sind die grossen kugeligen Elemente in ein
und demselben (uerschnitt in grösserer Zahl, gelegentlich sogar
gehäuft (Fig. 13a, b), zu treffen.
Teils
Tabellarische Übersicht der von mir untersuchten
bezw. wiedergegebenen Fälle.
Ich gebe im folgenden eine tabellarische Übersicht der von
mir nen untersuchten Fälle (fünf Tierfälle; Fall Salen) und
sämtlicher übrigen Fälle von sicherem Hermaphroditismus verus
beim Menschen, also des älteren Falles von Simon sowohl, wie
auch der neuen von Uffreduzziund Gudernatsch, nach dem
Muster der von Sauerbeck erdachten tabellarischen Synopsis.
Ich habe versucht, in den Kolumnen der Tabelle möglichst
das zusammenzufassen, was Sauerbeck in seiner Tabelle III
(„sichere und sehr wahrscheinliche Fälle von H. A. verus bei Tier
und Mensch“), Tabelle VI („Beschaffenheit der Geschlechtsdrüse
bei H. A. verus“) und Tabelle VII („Zustand der tubulären und
konjugalen Geschlechtsteile beiderlei (reschlechts bei H. A. verus“)
‘') Auch hier werden, um Trugbilder auszuschalten, lediglich Quer-
schnitte beschrieben.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. ET
anatomisch analysiert, und ich habe mich darum in der Auf-
stellung der Rubriken auch möglichst genau an die von Sauer-
beck aufgestellten Reihen gehalten. So mag meine Tabelle als
eine unmittelbare Fortsetzung der mühevollen Sauerbeck schen
Zusammenstellung vielleicht von einigem Nutzen sein.
Die Fälle Simon und Salen finden sich auch bei Sauer-
beck. Ich habe sie, zumal meine Nachuntersuchung im Falle
Salen die obigen prinzipiell bedeutungsvollen Ergänzungen auf-
deckte, der gerade für den Menschen von mir erstrebten Voll-
ständigkeit wegen hier nochmals eingestellt. Sauerbeck (S. 833)
rechnet gegenüber anderen Autoren!) allgemein Vagina und Pro-
stata zu den inneren Sexualorganen, den Sinus urogenitalis des
weiblichen Schweines — mit Recht — zu den äusseren (S. 365).
Er zählt auch den stark männlichen (vergl. unten) Sinus urogenitalis
des hermaphroditischen Schweins, bei Pseudohermaphroditismus wie
bei echtem Hermaphroditismus, zu den äusseren (reschlechtsorganen.
und hier entspricht der Sinus urogenitalis durchaus der Pars pelvina
der männlichen Urethra. Nun besitzt aber dieser wie jener unterhalb
seiner Schleimhaut eine vollkommene Umkleidung durch die Pars
disseminata prostatae, und so entsteht für die Sauerbecksche
Auffassung der Widerspruch, dass ein äusseres Sexualorgan — der
Sinus urogenitalis bezw. die Pars pelvina urethrae — in einer be-
stimmten Schicht seiner Wand zugleich ein inneres ist, oder aber
man müsste die Konzession machen, den kleinen Prostatakörper
des Schweins, der dorsal und seitlich vom Anfang der Pars pelvina
urethrae liest, zu den inneren, die innerhalb der Harnröhren-
(bezw. Sinus urogenitalis-)wand liegende Pars disseminata prostatae
zu den äusseren (reschlechtsorganen zu zählen.
Ich selbst rechne mit den genannten Autoren die Prostata
zu den äusseren Organen, habe sie aber, um mit den Unter-
abteilungen der Sauerbeckschen Tabelle die Übereinstimmung
zu erhalten, auch in meiner Tabelle unter der Rubrik der inneren
Organe belassen.
Lediglich aus praktischen Gründen sind in diese Kolumne
auch die bulbourethralen Drüsen (Cowperschen bezw. grossen
vestibularen) eingestellt.
) Feldmaier, Schönfeld, Brühl: vergl. auch Orth (50) und
Fibiger (16) bei E. Kaufmann (31a), S. 906.
178 Ludwig Pick:
Biel IV;
Die „phänomenologischen Gesetze“
beim Hermaphroditismus verus der Säugetiere und
des Menschen.
I. Die seschlechtsdrüsen beim Hermaphroditismus verus.
Die erste nicht anzuzweifelnde Beobachtung eines H. A. verus
(H. A. verus lateralis masculinus dexter beim Säugetier [Schwein |)
stammt aus dem Jahre 1855 (Reuter). Der erste unbedingt
sichere Fall beim Menschen ist der von Ernst Salen (57) im
Jahre 1599 berichtete.
Die sonstigen sicheren Fälle beim Säugetier sind bei Sauer-
beck (55) eingehend verwertet und tabellarisch zusammengestellt
(vergl. Tabelle II, II, VI, VII), die beim Menschen von mir
sämtlich wiedergegeben (vergl. oben Teil I und die Tabelle, Teil III).
Mit meinen neuen fünf Beobachtungen verfügen wir nun-
mehr über mindestens zwölf unbedingt gesicherte Fälle beim
Säugetier, und falls der Fall Gudernatsch (23) mitgezählt
wird, über vier sichere Fälle beim Menschen.
Die zwölf sicheren Fälle beim Säugetier sind ausnahmslos
beim Schwein beobachtet.')
Ich möchte diese auffallende Tatsache sowohl gegenüber der
geringen Zahl der Fälle beim Menschen wie gegenüber dem Fehlen
sicherer Fälle bei anderen Säugern wesentlich durch äussere
Gründe erklären. Gegenüber den Millionen-Schlachtungen und der
Millionen-Fleischbeschau an Schweinen, wie sie in den Schlacht-
häusern der Großstädte tagaus tagein geübt wird, verschwindet
die (Gesamtzahl der menschlichen Obduktionen, und auch die
Schlachtzahl anderer Säuger kann damit keinen Vergleich aus-
halten.?)
!, Die „sehr wahrscheinlichen Fälle“ betreffen zweimal das Reh (Boas)
und einmal die Ziege (Mayer), die sicheren und sehr wahrscheinlichen Fälle
zusammengenommen also insgesamt Haustiere der Huftiergruppe (Sauer-
beck, S. 692 und 868).
Auch die am besten und allein genügend beschriebenen Fälle von
Ps. H. A. der Säuger sind bemerkenswerterweise beim Schwein beobachtet
vergl. Sauerbeck, Tabeile XIV und S. 864).
°) Auf dem Berliner städtischen Schlachthofe wurden 1912 geschlachtet:
1526 000 Schweine gegenüber 998403 Schafen, 248883 Rindern (Bullen,
Ochsen, Kühen, Jungrindern und Kälbern).
—— — - em
männliche weibliche - : Spezielles;
=, ei RB,
Neben- | Vas ) Samen = einer © IL dos I
Genitale I
Cowpersche
din defi blası ie " | N |
a u > au) > Drüsen Her 5 Verha f Bi:
EONEERUENE Ka : I; Di zZ
Hoden: 45:45:30. (Keine m
Ovarium; 19:10:8. Ovarium: 3022345. 1 Pseudo- handen: A
Hoden: Kein Corpus Highmori. Keine makroskopischen Bäppchen. Hoden- 16c \ samen- Hörner | vor- SET |
kanälchen ohne Lumen. Epithel vielschichtig, Keine Geschlechtsze) # r L sym- | ‚handen. I
Kolossale Zwischenzellmasse“ am obersten
Ovarium: Mark und Rinde Spärliche Primärfollikel Alle Reifestadien. Scheiden-
Gelbe Körper. Kleine Follikelzysten. e7) abschnitt |
Zwitterdrüse: Zwitterdrüs } R
Hoden: 45:40:30, Hoden: 40:35:28, \ Pars disse | ge
Ovarinm: 40 0. Ovarium etwas grösser als der Hoden. de a ALTEN 1. Iumen- | Klitoris- f n
= oder seits pustatae ; f [ Hermaplıro-
Io ‚Hoden: Kein Corpus High! Unregelmässige Läppclen. Hodenkanälchen lünger; L| vor Peendor ae Lg 5 a Je | handen: h Br Ei, .) weiblicher San am |
| mit Lumen. Epithel einschichtig. Keine Geschlechtszellen Schr starke |, 10cm | handen, am a el a inx | Kolossale | unten; n Wurf. En ar erde
Zwischenzellmasse, 3 Ä N p: ra, jr weiten: nus Uro- |
kräftig. e !owper- 'yometra. I
Ovarium: Mark und Rinde. Primärfollikel wenig deutlich. Alle Reifestadien. SUR Li) ae Kan gonitalis. Wllnteralle.
| Gelbe Körper. Rechts Follikelzysten. - [5° r aueen: | | sämtliche
| Zwitterdrüse: Zwitterdrüse: Da j] I TE | Se 1 Tiere |—
Hoden: 55:37:40, | Hoden: 60:45:42, | | a Er Hörner penisartige en)
= » 2: riuelb - minata ca. 8 Mon.
Ovarium: 42:32:40. Ovarium: 56:33:30. oem | Rechts ak 1. Hydro-| S- ER kt KRlitoris A en
3 Hoden: Rechtes Corpus Highmori angedeutet, Unregelmässige Läppchen |. j4 cm 4 vor- | Pseudo- | orhnnden: Lig salpinx metrisch, | Janden gesprochen Keen Säle ditismus
Hodenkanälchen olıne Lumen. Epithel einschichtig. Keine Geschlechtszellen. kekttig, | handen. samen- Bang er] 12 0m; | un | abge- männlich. perforatus) ; lichen ra
Sehr starke Zwischenzellmasse. blase, ae eniteen)e ählien,) Mnnlicher
j ji Cowper- leichte schnitten)/noch weiblich.| —. Typus bilnteralis.
Ovarlum: Markteil nicht ausgesprochen. Keine Primärfollikel. Reifestadien. EEE, | Rydko- RE at.
Gelbe Körper. Im linken Ovarium Follikelzysten, | | " metra. | [ genttelie. IN seheng
| A nn vn | e T Pars disse- ZT Re u Zu z Ef)
[oden: 42:40:30, Keine Drüse (Kastration!) 2 | j bis | | F =
De Sr } Il B7em,) | yor- | Beider- minata ch E 1. Horn tritt von 30 cm langer Hermaphro
ST ferttetene) er Nee prostatae | I, MSTENS| kräftig; hinten in Penis; hyper-\ | ditismus
Hoden: Kein Corpns Highmori. Unregelmässige Läppchen. Hodenkanälchen breit; o "vorhanden; | r. I DOM | mhypos.| Sin | | verus uni- od)
4 } ze Läpp ro Tpsendo- Mingavor hypo- den Sinus Annlich, | trophisches | j
ohne bumen, Einf)schiehtiges Epithel, Keine Geschlechtszelen. Reichliche | 0 | (uetm: ausm Oowpersche(nKastre-/ungn plastisch urogeni- | MENlch” | prapumium; | bilatarslia
. ? Zwischenzellmasse. ‚Kastra- tlon‘) | blasen Drüse links | tion!) 7.0 (Seite der talis; Präputial- ) (frühere
Ovarium: polyzystisch-traubig. Keine Primärfollikel, Sehr zahlreiche tion!) | vorhanden, ' (Kastra- Kastra- | Mündung beutel fehlt ‚Kastration
Reifestadien. Keine Corpora luten. Murkteil angedentet. ‚ob rechts? | tion!) tion! sehr eng; ler r. Seite).
_——— h a 2. Eau NE. Be EEE
Be 005 Hoden: 58:47:55. B l Beider- Pars disse- | vor; | Klitorisspitze| Hermaphra-
i y N = i | | © = 3
ua en en Kein Corpus Highmori. Unregelmässige Sin 1.0, seits ae EN 1.8 ae “ Rn n SENDSUNTHELE ditism. verus
5 | ö er nn n 0) a Se er H a] | Düppehen. Hudenkanälchen ohne Lumen, rail | ERSChE en Ir Iahbefer 2 \ aa metrisch;) handen ; welblicher trophisch ; unilateralis
reichlie) ümentlich in der Perip herie | Kpithol einschichtig. Keine Geschlechts- 5 ü ee ; keine loggen.) 1 0 1 Horn Mündung Wurf, | männlicher completus
verstreute Hodenkanälchen (vergl. rechte sollen. Kolossala Zwinokenzellmnehe Iyper- | Hasen ] Cowper- 0; bei weitem ganz eng.) Sinus uro- masenlinus
Keimdrüse) nebst Zwischenzellen. | “ [trophisch. | | schen Drüsen. \ stärker, | genitalis. | | sinister.
ı 1 |
Zwitterdrüse I | | | fi f 7
(durch Kastration bei abdominaler Myom- | | ! 1 |
6 ektomie entfernt) RE ne
han Hoden + Ovarium: 4:2 25:05-1. | BEDBBEEL, Rlitoris STERN
n Hoden: relativ reich entwickeltes Rete | mit _ | | hyper- Hrk aıs Hermapmvo-
1899; kleinen | uls feiner trophisch a UE
48 führige - a4 testis; partielle Septierung; ein- bis viel- | | Dit | ERICH |'eckige Kontur'j elemns
Sant Ovarium ca. 27:13 14. } schichtiges. oft plasmodiales Epithel mit] 1 al 1. « | uhen au Myomen ı 8 cm | penisähnlich, > I der Schultern | Yerus uni-
NR | Enthätt Bier und Graafsche Follikel.| Geschlechtszellen; Kanälchen mit und) * r a TOR) ELLI EERILDEN Ile men ENT
si \ ohne Lumen; Stroma vermehrt; Zwischen- | a LER arme Extremitäten; | Completus
- I Se a | 17, Jabr | handen. haselnuss- | & ame, femininus
nnkarz zellen in mässiger Menge vorhanden. An Passive Coitus-
cht, | chen eventuell Obliteration. | | rogel- | grosser EN dexter,
ar | värfollikelin allen weiteren | | müssig Glans |
Ovarium dem Alter entsprechend | | | | mensir):
N | normal, doch ohne Markteil. | | | |
| | Zwitterdrüse: > =”: u a Se vere: EN
| in rechtsseitiger Inguinalhernie; Prob: ' gut werundete
exzision aus Hoden- und Bierstocksteil | | Formen. Kehl-
bei inguinaler Herniotomie; Hodenteil N kopf wenig vor-
etwas über kirschgross; Eierstocksteil peniserotale | ' ragend; beider-
r etwa erbsengross | | Hypospadie?| | seits starke
2 Ovarium: Primärfollikel in typischem) auf der Seite der | | | oder An- AR GEN
Rindenstroma. Keine weiteren Stadien, /Zwitterdrüse (rechts) auf der Seite per Acukung: j, nal Hermaphro-
ä „ hori: ab- I aies,
Nicht bekannt Hoden: Stroma von sehr wechselnder) vorhanden; Neben- | der Zwitterdrüse | roctum | une nehr kleiner |Wna weibliche DENT Al 1 ditismus
Reichlichkeit mit Zwischenzellhäufchen| hoden pucril; vom | (rechts) vorhanden; nicht zu männlich. | Labien und | Charaktere | 1 vos hamhanrf NerÜB bi-
) | und -zügen: Kanälchen mit mehrschicht. | Huden getrennt; links nicht bekannt. | fühlen | Vorhanden- | ig | grenze, Men- | oder unilate-
viduum. | Bil Bi Zain: ZURNERcN; viel- links nicht bekannt. | sein eines | gemischt nee Blutung, Falls dexter
1 ach kein Lumen; stellenweise Vakuolc | Canalis uro- Mannesbewusst-|
oder Wandepithel mir strahligen ana- enaine: sein. Erektion u |
stomosierenden Protoplasmnansläufern. | Abgang von
Membrana proprin meist hyalin; eventl. | ! |schleim. Flüss
Lumen fast obliteriert. Alle Zeichen von | } | keit b. anfd. Wei
r P I gericht. geschl. |
|: Spermatogenese fehlen | 2 |
> — A ee u 22192. BE = = nn Erregung |
h Seite der Zwitterdrüse nicht angegeben: Zustand der andersseitigen Keimdrüse | . lauges Haupt- |
8 nicht bekannt | haar; reichlicher
Uffre- | Zwitterdrise auf der Seite Prostota suf.dar Salto I por peniscrotale | Fettansatz; | Hermaphro-
duzzi | in Inguinalhernie; durch Herniotomie entfernt; Muße nicht angegeben der Zwitterdrüse em ar Zeittaräten Iereokum | Hypospadie: | gerundete ) ditismus
1910; otwas rudimentäres Rete testis; typische Läppchen; kein Lumen der rechts) vorhanden, beiau |trachte) zarliandan: |niehk aa Ser männlich in jeder weiblich. | Formen; bel | verus uni-
? Jahre | Ichen Sertolizellen plasmodial verschmulzen in einfacher Schicht, links nicht bekannt. fühlen links nicht Dekanat, fühlen Serotalhälfte! dem als Mädchen! oder
alt ie Geschlechtszellen. Keine Zwischenzellen. Stroma vermehrt | ein Hoden erzogenen Kind! bilateralis
Ovarium: Prin und Graatsche Fullikel | mehr knaben- \
— A E > ee er ee | ee 4 l hafte Neigungen,
| witterdrüse: | 5 7 — =; —-
bei inguinaler Herniotomie entfernt, | | | jchaurung und
j Haden: 0:0) | |Beckan weiblich;
Guder-| Hoden: Rete testis vorhanden. Bin- en aut der Seite | | | unentwickelt, | Hermapbro-
natsch schichtiges Epithel (Sertolizellen) in d Selen Broslatır or Zwitterdrüse | Picht zu Weibos- ditismus
1910: | Nicht bekannt a en! u AED] der Zwitterdrüse ähnlicher | der Zwitterdeüse | onen | vor- A A a
Hodenkanälchen Keine Geschlechts-) = (rechts) nicht weiblich Klitoris- ihlich bewusstsein; ) verus bi
40 Jahre | zollen. Dorch ihyallns/Degeneration darf Era nanden, Körper (#) | \orhanden: links Me men-| handen. | "ET" a 1 Libido; nie) uuler
alte | Meibrana propkla/eventuell vollkomnane lin "or pekannt, fahlbar. | "nicht bekannt. | Serulert) | [Nee suche | unilterli
„Köchin“. | Obliteration. Sehr viele Zwischenzellen. | Angeblich bei | dexter
\ Ovarium: Mark und Rinde unterschieden. | | | a
aber nur Stroma „Primerdialeier (2) t Haaren .
im Keimepithel‘“,
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Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 179
Es wäre festzustellen, ob bei gleicher systematischer Durchsicht.
wie sie für mich Herr Schmey an etwa einer halben Million Schweinen
in den letzten drei Jahren übte, auch bei anderen Tierspezies wahre
Hermaphroditen in gleicher Zahl ausfindig zu machen sind.
Dazu kommt gegenüber den Autopsieen beim Menschen,
dass es beim Schwein durchweg jugendliche, weder durch senile
Schrumpfung, noch durch anderweitige pathologische Zustände
veränderte Geschlechtsdrüsen sind, die zur Beschau kommen.
Wir fanden unsere fünf Fälle von wahrem H. A. neben einer
diese Zahl übersteigenden Anzahl von Fällen des Ps. H. A. bei
der Beschau von annähernd 500000 Tieren. Es käme also mit
Einbeziehung aller Fehlerquellen und der Berücksichtigung etwa
uns entgangener Fälle auf 50—100 000 Schweine ein wahrer,
makroskopisch ohne weiteres deutlicher Hermaphrodit und sicher-
lich mehr als ein Pseudohermaphrodit. Keine überwältigende
Zahl, aber doch immerhin ein Hinweis, dass systematische Beob-
achtungen hier zum Ziele führen.
Unerlässlich ist bei den pseudohermaphroditischen Ver-
bildungen der Säuger und des Menschen zum Ausschluss einer
echt-hermaphroditischen — wenigstens vom theoretischen Stand-
punkte aus — die mikroskopische Gesamtuntersuchung der
Keimdrüsen, nachdem der Fall Sauerbecks und unser Fall V
beim Schwein (Hodenkanälchenversprengung in das Ovarium) ge-
lehrt haben, dass der gegengeschlechtliche Einschlag in
der Geschlechtsdrüse ausserordentlich unbedeutend,
ja, für das blosse Auge unsichtbar sein kann (vergl. auch
für die menschliche Keimdrüse bei Gudernatsch). Im Falle
Sauerbecks war das etwa /s : i mm messende Ovarıum (l. c.,
Fig. S) in die Substanz der Tunica albuginea des rechten Hodens
an ‘einer dem blossen Auge kaum zugänglichen Stelle in einen
Rezessus zwischen dem Hoden und einem Abzess in der lumen-
losen Tube eingelagert. In unserem Faile waren die Hoden-
kanälchen neben Hodenzwischenzellen in dem äusserlich durchaus
typischen Ovarium des zunächst als „klassisch“ imponierenden
H. A. verus lateralis ein vollkommen unerwarteter mikroskopischer
Befund! Auch das höchst unbedeutende, 3:2 :2 mm messende
Ovarium im Falle Gudernatsch lag in einer kleinen zystischen
Kavität der Hodentunica zwischen Hoden und Nebenhodenkopf
versteckt und wurde erst durch das Mikroskop entdeckt.
N
[0 6)
Ludwig Pick:
(Gemäss dem Klebs-Sauerbeckschen Schema stellen sich
(die fünf neuen Fälle beim Schwein dreimal als H. A. verus bilateralis
dar. einmal (unser Fall V) als H.A. verus unilateralis completus
masculinus dexter. d.h. Sitz der Zwitterdrüse rechts, Keimdrüse
der anderen Seite (und zwar als Hoden vorhanden), einmal (unser
Fall IV) als H. A. verus unilateralis sinister oder bilateralis, ohne
die Möglichkeit, sicher zu entscheiden, da die rechtsseitige Keim-
drüse früher durch Kastration entfernt war, ähnlich dem Falle
Garth (20) LI.
Unter den menschlichen Fällen, auch den von Simon mit-
eingerechnet, ist der von Salen der einzige, in dem der Zustand
des gesamten Genitale bekannt und die beiderseitigen Keim-
drüsen anatomisch untersucht sind, zugleich auch der einzige, der
Übersichtsbilder über die ganze Zwitterdrüse eines Erwachsenen
liefert. Bei Simon liegen lediglich aus dem Hoden und Eier-
stocksteil der Zwitterdrüse intra operationem exzidierte kleine
Probestückehen vor; bei Uffreduzzi und Gudernatsch nur
je eine durch die imguinale Herniotomie entfernte Zwitterdrüse;
Uffreduzzi gibt (l. e.. Taf. V, Fig. 1) Übersichtsbilder der Zwitter-
drüse des siebenjährigen Individuums. Darum ist in dem Klebs-
Sauerbeckschen Schema allein der Fall Sal&en sicher zu
rubrizieren und zwar als H. A. verus unilateralis completus femi-
ninus dexter (Zwitterdrüse rechts, Ovarium links), während für die
übrigen drei Fälle vom Menschen die Entscheidung, ob H. A. verus
bilateralis oder unilateralis. wiederum nicht zu treffen ist.
Sicherlich erscheint auch nach unserem neuen Material beim
Schwein der H. A. bilateralis gegenüber dem unilateralis
und lateralis als die häufigste Form. Er ist vielleicht
noch häufiger, wenn bei unilateralen oder lateralen Formen die
mikroskopische Gesamtuntersuchung der anscheinend einfachen
(reschlechtsdrüse durchgeführt wird.')
', Für die im folgenden gegebene Prüfung der „phänomenologischen
Gesetze“ des neuen Materials gegenüber den Schlüssen Sauerbecks sehe
ich von den entzündlichen Befunden der einzelnen Fälle als akzidenteller
Natur von vornherein ab (vergl.: In unserem Fall II die kolossale rechts weit
über mannskopfgrosse, links kindskopfgrosse Pyometra nebst der rechtsseitigen
Hydrosalpinx und den perimetritischen Adhäsionen, die chronisch-entzündliche
Verdickung der Mesometrien, die Entzündungsbefunde an Scheide, Sinus
urogenitalis nebst Prostata, Pseudosamenblasen und Vas deferens. Im Falle III
die Hydrometra mit perimetritischen Adhäsionen, Odem des Endometriums,
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 181
Das von Sauerbeck stark unterstrichene Gesetz, dass
Hoden und Ovarium auf derselben Seite eines
Zwitters, beim H. A. verus bilateralis wie unilateralis, stets
zu einer Zwitterdrüse (Ovotestis)!) verbunden sind,
wird auch durch unser Material bekräftigt. Sie liegt bei den
Tieren (auch im Fall Sal&en) stets an der physiologischen Stelle
des Eierstocks, sonst beim Menschen (Simon, Uffreduzzi,
(sudernatsch) eventuell in einer Leistenhernie.
Es existiert auch jetzt nicht ein einziger sicherer Fall von
uni- oder bilateralem H. A. verus der Säuger oder des Menschen
mit getrennten Drüsen.?)
die chronisch-entzündliche Verdiekung der Ligamenta lata, den Entzündungs-
befund der linken Pseudosamenblase. Im Fall IV die starken Verwachsungen
um das rudimentäre rechte Uterushorn (nach Kastration), das hyperämische
und ödematöse Endometrium. Im Fall V der nämliche Befund am Endo-
metrium; ferner perimetritische Adhäsionen und chronisch-entzündliche Ver-
dickung der Ligamenta lata, besonders des linken.
Ähnliche Befunde sah Sauerbeck in seinem Fall (eingedickte Abszesse
in der Wand der lumenlosen Tuben).
Es ist schwer, hier in ätiologischer Richtung sich bestimmter zu
äussern. Tatsache ist, dass ähnliche Befunde chronischer evtl. eitriger Ent-
zündungen des Genitale bei Schweinen des Berliner Schlachthofes (ca. Smonat-
lichen Tieren) auch sonst gelegentlich gefunden werden.
!) Kopsch und Szymonowicz bemängeln diese Anwendung des
Begriffes der Zwitterdrüse (Övotestis) für die, wenn auch vereinigten, aber
doch räumlich getrennten Keimdrüsen; der Begriff habe nur da Geltung, wo
beiderlei Gameten in einundderselben Keimdrüse vereinigt seien, wie z. B.
bei Helix pomatia; vergl. auch Kermauner, S. 455.
Ich ziehe es mit Kermauner vor, den in dem beanstandeten Sinne bereits
eingeführten Begriff, um Verwirrungen zu vermeiden, nicht wieder umzuprägen.
Irrig ist mit Rücksicht auf den sichergestellten H. A. verus lateralis
Reuters bei einem 2monatlichen Schwein und den neuen Fallvon Kingsburg
die Annahme von Tandler und Grosz wie von Kermauner, dass alle
bei Säugern bisher beobachteten Fälle von H. A. verus Zwitterdrüsen aufweisen.
?) So erscheint die Schilderung Kitts (35, S. 112 und 113) der ge-
trennten Drüsen bei H. A. verus uni- und bilateralis bedenklich: vergl. auch
die bei Sauerbeck (S. 670) aufgezählten Verwechselungsmöglichkeiten:
zystische Einkapselungen des Tubenexgdes oder Marcehandsche Nebennieren
im Ligamentum latum wurden als Hoden (Vrolik, Heppner), Tumoren,
wahrscheinlich Lipome, die den Hoden aufsassen, als Ovarien gedeutet. Auch
in Sauerbecks Fall waren durch die eingedickten Abszesse in den Tuben-
enden (S. 345) und durch eine kleine Lymphdrüse im Gefäßstrang des linken
Nebenhodens (S. 344) zunächst neben den Hoden Eierstocksrudimente vor-
getäuscht.
182 Ludwig Pick:
Die auch äusserlich stets angedeutete scharfe,
oft furchenartig bewirkte Trennung des Hoden- und
Eierstocksteiles in der Zwitterdrüse geschieht beim Schwein
durch die Albuginea des Hodens. die sich zwischen Hoden und
Eierstock fortsetzt. Gelegentlich (rechte Zwitterdrüse unseres
Falles III; vergl. auch Taf. IX) wird neben dieser auch die
Albuginea ovarii als parallele Grenzmembran auf dem Durch-
schnitt sichtbar.
Beim Menschen (keine Angabe bei Gudernatsch und
Simon) geht das eine Mal das kernarme Bindegewebsstroma des
Hodens allmählich („poco a poco“, Uffreduzzi) in das kern-
reichere des Hodens über; das andere Mal (bei Salen), ist die
Trennung zwar im allgemeinen und besonders für das blosse
Auge eine scharfe. Doch ist Hoden- und Eierstocksstroma teil-
weise zahnartig ineinander verschränkt, und Kanälchen des Rete
testis oder gar Hodenkanälchen sind gelegentlich von Eierstocks-
stroma umschlossen.
Das „kappenartige Aufsitzen“ des Eierstocks-
teils auf dem Hoden — in der Richtung des grössten Durch-
messers beider Drüsen — erleidet in dem Fall beim Schwein
dann eine gewisse Modifikation, wenn, wie in unserem Falle III,
Follikelzysten oder dergleichen Formen im Eierstock die Substanz
des Organs gegen den Hodenteil vorbauchen. Sie schaffen dann
im Gegenteil an der Hodenobertläche eine Kavität: in Fall II sind
die Hoden durch den bedeutenden Eierstocksteil offensichtlich an
der Grenze abgeplattet (vergl. Taf. IX).
Bei Sal&en und Simon ist die kappenartige Bedeckung des
Hodens durch den Eierstock wiederum deutlich, einigermassen
auch bei Uffreduzzi.
Kopsch und Szymonowicz (36) betonen zutreffend für
die Fälle bei den Säugetieren (Schweinen), dass der Eierstock
stets „tubenwärts“ gelegen sei').
!) Vergl. unseren Fall I: rechte Tube unmittelbar neben der Furche
zwischen Tube und Ovarium: Fall II: beide Tuben unmittelbar neben dem
Ovarium: Fall III: rechte Tube zieht zum Ovarium, endet, ihm anliegend,
in der Furche zwischen Hoden und Ovarium; Fall IV: bei nur mikroskopisch
nachweisbarer Tube Ovarium zum Uterushornende hin gelegen.
Bei Uffreduzzi schickt die neben der Epididymis lagernde Tube ihre
Fimbrie zum Ovarium; bei Sal&n fehlt eine besondere Angabe; bei Simon
scheint die Syntopie von Tube und Eierstock in Ordnung (l. c., Taf. II).
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 183
(ranz besonders bemerkenswert ist aber die weitere gesetz-
mässige Tatsache der kranialen Lage des Eierstocks-
teils, der dorsalen Lage des Hodenteils in der
Zwitterdrüse. Wie bei dem proterandrischen H. A. verus der
niedersten Wirbeltiere, der Mvxinoiden (Zyklostomen), der vordere
Abschnitt der Keimdrüse als Ovarium, der hintere als Hoden
funktioniert, so erscheint in der ganzen Wirbeltierreihe als Bett
der einwandernden Keimzellen für die weiblichen der kraniale,
für die männlichen der dorsale Abschnitt des Keimepithels be-
stimmt. Wandern also zugleich männliche und weibliche Sexual-
zellen ein, so wird die prospektive Potenz der beiden Keimepithel-
bezirke der Keimleiste in Anspruch genommen: es entsteht
kranial das Ovarium und, unmittelbar benachbart dorsal, der
Hoden. In diesem Sinne ist der Hinweis von Kopsch und
Szymonowicz, dass aus der (idio- und syntopischen) Beschaffen-
heit der Zwitterdrüse des Säugetieres (des Schweines) physio-
logischerweise auf räumlich getrennte Anlagen für Hoden und
Eierstock geschlossen werden müsse, wie ich glaube, gerecht-
fertigt.
Der Satz Sauerbecks, dass in den Fällen mit Zwitter-
drüsen stets der Hoden nach der Masse überwiegt, erleidet eine
mehrfache Einschränkung. Einmal insoweit, als der Eierstocksteil
der Zwitterdrüse, wenn reichlich gelbe Körper nebst Graafschen
Follikeln und vor allem auch Follikelzysten') zur Ausbildung
kommen, den an sich nicht unbedeutenden Hodenteil an Grösse
erreicht (Fall Salen), ja, vielleicht übertrifft (vergl. in unserem
Fall II rechte Zwitterdrüse, im Fall IV linke Zwitterdrüse, in der
der Ovarialteil durch reichliche Follikelzystenentwicklung förmlich
traubig erscheint).”) Wie bier, kann auch sonst die solide Masse
des Eierstocks durch umfängliche Follikelzystenentwicklung eine
völlige Reduktion erfahren (linke Zwitterdrüse des Falles III).
') Sie sind, wie in der rechten Zwitterdrüse von Fall II, in der linken
von Fall III, teils epithellos; teils von mehreren Schichten der Granulosa-
zellen ausgekleidet, wie in der Zwitterdrüse von Fall IV und in der rechten
Zwitterdrüse von Fall I; hier bestehen zugleich kleine papilläre Erhebungen
der Theca follieuli.
>) Vergl. einen ähnlichen Befund im Ovarium bei Kitt, l.c., S. 111,
Fig. 52: H. A. alternans vom Schwein; rechts Hoden, links traubiger, gross-
blasiger Eierstock.
Unsere eigenen Befunde bilden eine förmliche Grössenskala.
154 Ludwig Pick:
Dann aber zweitens auch insofern, als, wie im Fall \,
in einem äusserlich unveränderten Eierstock Hodenkanälchen
nebst Zwischenzellen eingesprengt sein können. Es ist dabei
gewiss bemerkenswert, dass diese Einsprengung sich nicht auf
den Bezirk der makroskopisch leicht verdichteten Albuginea des
Eierstocksteils beschränkt. Vielmehr sind Hodenkanälchen und
/wischenzellen auch in das Organ hinein zentripetal zwischen
die gelben Körper weit vorgeschoben. So besteht hier also eine
wirkliche Durehmischung von Eierstocks- und
Hodensubstanz.')
Im Vergleich zur Norm, ?) (vergl. unsere Fälle II und IV)
tritt die absolute Grösse des Eierstocksteils der Zwitterdrüse des
Schweines eventuell nur unerheblich zurück. Andere Male aber
finden sich mikroskopische Dimensionen (Sauerbeck).
3eim Menschen bleibt der Eierstocksteil an Grösse hinter
dem normalen Ovarıum. So bei Sal&en und Simon (etwa
erbsengross) und vor allen Dingen bei Gudernatsch mit
den Maßen 3:2:2 mm. Bei Uffreduzzi fehlt eine be-
stimmte Maßangabe (notabene auch die Angabe der Seite der
Exstirpation).
Für die besonderen histologischen (Qualitäten von Hoden
und Ovarium vertreten Tandler und Grosz die Meinung, dass
in keinem Falle einer der beiden Anteile der Zwitterdrüsen auch
nur annähernd normal ist. Das ist mit Rücksicht auf den Fall
Salens nicht aufrecht zu halten. Denn wenn man vom Mangel
der physiologisch ja unerheblichen Marksubstanz absieht, ent-
spricht der ovarielle Teil des Ovotestis hier auch im Kleinsten einem
normalen Eierstock einer 43 jährigen noch menstruierten Frau. Alle
Stadien vom Primordialfollikel bis zum Corpus luteum und Corpus
candicans sind in lückenloser Reihe und genügender Zahl vorhanden.
') Dass dieser Befund von der bisher hypothetischen männlichen
blossen Zwischenzelleinsprengung in das Ovarium prinzipiell verschieden ist,
ist schon oben (Teil I, S. 137) bemerkt.
?) Nach Ellenberger-Baum (12) ist das normale Ovarium der
Sau ca. 5cm lang, unregelmässig höckerig und öfter durch die vielen vor-
springenden Follikel brombeerartig.
In zahlreichen meinen Ausführungen zugrundeliegenden Angaben über
die normalen anatomischen Befunde des Schweines bin ich diesem aus-
gezeichneten Werk gefolgt.
») Betr, der Grösse des Hodenteils vergleiche unten S. 188.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 185
Aber in den übrigen Fällen bleibt in der Tat die
histologische Ausbildung der beiden Keimdrüsen-
teile hinter der Norm zurück oder weicht überhaupt von
ihr ab. Immerhin ist hierbei der Eierstock offenkundig
bevorzugt. Er enthält seine spezifischen Geschlechts-
zellen, und sie können zu voller Reife gelangen. In unseren Fällen
vom Schwein sehen wir typische Primordialtollikel in Fall I und Il.
Wachstumsstadien bezw. Graafsche Follikel in sämtlichen Fällen
und ebenso in den Fällen I, II, III und \V gelbe Körper. Ihre
Entwicklung und Zahl ist eine sehr reiche, während Primordial-
follikel, auch wo man sie findet, ebenso wie die Stadien ihrer
Fortentwicklung, gewöhnlich äusserst sparsam verteilt sind. Nur
das polyzystisch-traubige Ovarium des Falles IV überrascht beim
Fehlen von Primordialfollikeln und gelben Körpern durch die auf-
fallende Massenhaftigkeit der Wachstumsstadien und der Graaf-
schen Follikel. Corpora candicantia oder fibrosa fehlen überall,
wohl deshalb, weil die eben geschlechtsreif gewordenen Tiere
gerade in dieser Zeit zur Schlachtung kamen.
Die sehr kräftigen und zahlreichen Corpora lutea in dem
Falle I und II deformieren und erdrücken die Wachstumsstadien
der Primärfollikel und die Graafschen Follikel, die in der
Nachbarschaft liegen: ein augenfälliger Beweis für die biologische
Minderwertigkeit des Parenchyms dieser Ovarien, die augen-
scheinlich der Sklerose und Atrophie zusteuern.
Die Zwitterdrüse des Menschen, abgesehen vom Fall Salen,
zeigt bei Simon lediglich Primordialfollikel, bei dem siebenjährigen
Kind im Fall Uffreduzzi Primordialfollikel und einen Graafschen
Follikel; bei Gudernatsch fehlen epitheliale Anteile überhaupt.
In seinen sonstigen Strukturen bietet der Eierstock nicht
selten eine Differenzierung in einen Rinden- und
einen meist unbedeutenden, aber durch kräftige Blutgefässe aus-
gezeichneten Markteil (beim Schwein in Fall I, Fall II: an-
gedeutet in Fall IV; vergl. auch in dem Miniaturovarıum bei
Sauerbeck). Er kann an der Hoden-Eierstocksgrenze etwas
in die Hodensubstanz einschneiden (vergl. Taf. IX, Fall I [links]):
gelegentlich (rechte Zwitterdrüse das Falles I) schliesst er einige
rudimentäre „Markstränge“ ein.
Unter den Fällen beim Menschen ist er nur bei Guder-
natsch ausgesprochen. Hier bildet er zugleich einen der wichtigen
1S6 Ludwig Pick:
morphologischen Charaktere des keine sicheren epithelialen
Elemente (Follikel bezw. Eizellen) enthaltenden Organs.
Abweichend gegen die Norm ist der Ersatz des typischen
dicht- und spindelzelligen physiologischen Rindenstromas in dem
Eierstocksteil unserer Schweinezwitterdrüsen durch ein weit kern-
ärmeres fibröses Gewebe. Nur in Fall IV sind einigermassen
normale Stromaabschnitte neben den einfach fibrösen vorhanden.
Beim Menschen findet sich diese Abweichung in den bisherigen
Fällen nicht.
Über das Ovarium auf der Gegenseite einer Zwitter-
drüse (H. A. verus unilateralis completus femininus) gibt bisher
allein der Fall Sal&n Aufschluss. Der linke Eierstock war hier
ziemlich klein, höckerig, maß 27:13—14 mm, und enthielt
mikroskopisch Primordialfollikel und Graafsche Follikel. Er
war also nur wenig grösser als der vollkommen normale Eier-
stocksanteil der rechtsseitigen Zwitterdrüse.
Die übrigen Fälle von H. A. verus unilateralis completus
(beim Tier) sind masculine, so der Fall Sauerbecks und unser
Fall V. Bei Garth Fall II und in unserem Fall IV ist neben einer
Zwitterdrüse die andersseitige Keimdrüse durch Kastration entfernt.
Bei H. A. verus lateralis (masculinus dexter) im Fall
Reuter III enthält der bohnenförmige kleine Eierstock (5:3 mm)
ausser Strängen und Ballen mit Eizellen noch Primordialfollikel.
In dem neuen Fall von Kingsburg (vergl. Teil I, S. 138)
war das Ovarium kleinbohnengross; hier waren in angeblich
normalem Ovarialstroma (s. dagg. 0.) wachsende Follikel mit Ei-
zellen, auch ein Graafscher Follikel zu finden.
(segenüber den genannten regelmässigen Befunden der weib-
lichen Geschlechtszellen, sei es in den Primärfollikeln oder in
weiteren Wachstumsstadien der Follikel, sei es in Form der gelben
Körper als sicheres Zeichen der Ovulation im Eierstocksteil des
Ovotestis, ist weder in den von Sauerbeck verwerteten Fällen
noch in unseren Fällen I—V von H. A. verus beim Schwein der
Nachweis männlicher Gameten bezw. irgendwelcher Zellformen der
Spermiogenese gelungen; auch nicht im Hoden bei H. A. verus
unilateralis completus masculinus (Fall Sauerbeck, unser Fall \)
oder lateralis (Reuter, Fall III).
Im Fall Pütz (H. A. verus unilateralis incompletus dexter)
mit sehr spärlichen Spermien in dem Sekret des Hodens scheiterte
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 157
eleichfalls der histologische Nachweis der Spermiogenese im Hoden-
teil der rechtsseitigen Zwitterdrüse (vergl. oben, Teil I). Auch
im Fall Simon „fehlen alle Zeichen der Spermiogenese* (S. 24).
Uffreduzzi beschreibt bei dem 7 jährigen Kind lediglich Sertoli-
zellen in den Hodenkanälchen, und Salen stellt an den Schluss
seiner damaligen Beschreibung den Satz: „Nirgends Spermato-
gonien oder andere Samenzellen“. Es sind danach alle bisher
beschriebenen Fälle von H. A. verus solche unserer
vegetativ-germinalen Form (vergl. in meinem Schema [Teil I,
S. 133] die Gruppe III), d. h. eines H. A. verus mit Hoden ohne
Keimzellen, Ovarium mit Keimzellen, die entweder (1.) zur Reife
oder (2.) nicht zur weiteren Entwicklung gelangen.
Diese Regel’wird zum erstenmal durch die Be-
funde durchbrochen, die mir die Nachuntersuchung
des Falles Salen ergab. Die Bilder, die hier in dem Hoden-
abschnitt des Ovotestis neben dem normalen Ovarialteil in
einem Teil der Hodenkanälchen nicht einmal allzu selten zu
Gesicht kommen, zeigen in eindeutiger Art die typischen
Formen männlicher Sexualzellen vor Beginn der
Spermatogonienwucherung: grosse kugelige, durchsichtige
Elemente mit zentralem hellem Kern und Nukleolus, von den
Sertolizellen follikelartig umfasst.!) Ich verweise auf meine Be-
schreibung und die Abbildungen (Taf. IN, Fig. 13a und b). Bleibt
also auch der Satz Sauerbecks bestehen, dass in keinem
Falle von H. A. verus bei Mensch und Säugetier beide Drüsen
normal befunden werden, so kann jedenfalls (vergl. in meinem
Schema [S. 133] II, 1, a) der Hermaphroditismus verus
doch, zunächst beim Menschen, auch rein germinal sein,
mit ausreifenden Geschlechtszellen im Eierstock,
nicht ausreifenden im Hoden. Ob die männlichen Zellen
hier Archispermiozyten oder Spermatogonien entsprechen, ist nicht
zu entscheiden, sicherlich gegenüber dem Prinzipiellen des Er-
scheinens männlicher (eschlechtszellen im Hodenabschnitt der
/witterdrüse überhaupt auch unerheblich. „Jedenfalls sind sie
Gametogonien im weiteren Sinne. So ist der rein germinale
Hermaphroditismus verus, wie er für die Vögel bereits
!) Die Deutung dieser Zellen als Formen der männlichen Geschlechts-
zellreihe vertreten auch die Herren Ü. Benda, O.Hertwig und H. Poll,
denen meine Befunde vorgelegen haben. (Verfasser.)
155 Ludwig Pick:
feststeht, nun auch für die Säugetiere gesichert, und —
ich erinnere an meine Ausführungen im einleitenden Teil (S. 130
und 131) — an sich vielleicht nur deswegen nicht häufiger fest-
zustellen, weil der frühzeitige Untergang männlicher Geschlechts-
zellen in dem Hodenteil der Zwitterdrüsen des H. A. verus die
ursprünglich rein germinale Form in die germinal-vegetative
überführt.
Weiter ıst damit die Forderung derjenigen, die, wie
kermauner, die Konzession eines H. A. verus an den Nach-
weis der Keimzellen beiderlei Geschlechts knüpfen (S. 454), erfüllt.
Ich hebe das ausdrücklich hervor, obschon ich diesen Standpunkt
der Autoren in der Definition des wahren H. A. nicht teile.
Auf die Bedeutung unseres Befundes für die alllgemeine
(renese des H. A. und Psendo H. A. komme ich im Schlussteil zurück.
Stets sind in unseren Fällen!) die Hoden in den Zwitter-
drüsen der hermaphroditischen Tiere kleiner als die in der Norm
sehr grossen bei einem gleichaltrigen Eber. Betrefts der Einzel-
masse darf ich auf meine Protokolle und die Tabelle hinweisen.
Gelegentlich besteht sehr starke Hypoplasie (vergl. bei Sauer-
beek: nach Fig. 3 |'/g natürlicher Grösse] ist der rechte Hoden
haselnussgross), oder der Hodenanteil der Zwitterdrüse ist (unser
Fall V) ein lediglich mikroskopischer.
Auch bei menschlichem H. A. verus ist im Falle Salens
der Hoden des Ovotestis gegenüber einem normalen verkleinert.
Bei Simon ist er etwas über kirschgross (S. 20): bei Uffreduzzi
ist die (srösse des Hodenteiles nicht angegeben: bei Gudernatsch
wird der Hoden mit 6:5:5 cm bemessen, das wäre allerdings
gegenüber dem mit höchstens 5,5 : 3,5 .:2,4°) em angegebenen
Normalmass eine Vergrösserung.
Der Hoden der Gegenseite bei H. A. unilateralis completus
masculinus ist beim Schwein ebenfalls verkleinert, eventuell er-
heblich (etwas über haselnussgross [nieht „ca. normal“, wie auf
Tabelle III, S. 672 notiert| auf der linken Seite in Sauerbecks
Fall), weniger in unserem Fall V; bei H. A. lateralis wiederum
stärker:i(bei! Reuter U 23271,7 23,7 em)
') Vergl. dagegen auf Tabelle III die Angabe über „etwa normal
grosse“ Hoden in Fall I, V und VI.
>) Vergl. Rauber-Kopsch, Anatomie des Menschen, VI. Autlage,
1907, S. 265.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 159
Im inneren Bau der Hoden ist an den Zwitterdrüsen
des Schweines in unseren Fällen der häufige Mangel des
Mediastinum testis (Corpus Highmori, Rete testis) auffallend,
das in der Norm bei diesem Tier am Nebenhodenrand des Hodens
sich als ein kräftiger Längsstrang in die Masse der Keimdrüse
einsenkt. Es fehlt auch ım rechtsseitigen Hoden unseres H. A.
verus unilateralis maseulinus; bei Reuter in seinem Falle von
H. A. verus lateralis masculinus dexter, ebenso auch in den Zwitter-
drüsen bei Pütz und Garth Il, ist es vorhanden. Ich fand eine
Andeutung davon nur im Hodenteil der rechtsseitigen Zwitter-
drüse unseres Falles III. Ebenso fehlt in unseren Fällen überall
die regelmässige Läppehenzeichnung, gelegentlich (unser Fall I)
eine deutliche makroskopische Läppehenbildung überhaupt.
In den Fällen beim Menschen ist dagegen bei Salen,
Uffreduzzi und Gudernatsch jedesmal ein Rete testis.
wenn auch bis zu einem gewissen Grade rudimentär, vorhanden.
bei Simon war die Probeexzision an der dem Hilus entgegen-
gesetzt gelegenen Konvexität der Drüse gemacht.
Lobuli nebst Andeutungen einer etwas regelmässigeren
Septierung finden sich in gewissen Abschnitten des Hodens der
/witterdrüse bei Salen; auch Uffreduzzi sah deutliche Lobu-
lierung des Hodens in Form 0,2—0,5 mm grosser Läppehen. Bei
Simon und Gudernatsch fehlen Angaben.
Ein weiterer Gegensatz zwischen Mensch und Tier
besteht hinsichtlich der Ausbildung des fibrösen
Stromas im Hoden. Bei Uffreduzzi ist es übernormal,
übertrifft auch bei Sal&en, vielfach unter gleichzeitiger leicht-
hyaliner Umwandlung, an Quantität die Masse der Hodenkanälchen
und ist bei Simon von sehr wechselnder Menge, so dass es,
wenigstens zum Teil, zwischen den Samenkanälchen sehr reichlich
vorhanden ist: jedenfalls ist es „entschieden vermehrt“ (S. 24 0.).
Für die Hoden der Zwitterdrüsen beim Schwein
und den rechtsseitigen Hoden unseres H. A. verus unilateralis
habe ich eine solche Stromavermehrung nicht fest-
stellen können. Auch unter den sicheren Fällen Sauerbecks
ist sie nur im Falle Becker (H. A. bilateralis, Tabelle VI) notiert.
Dagegen sind in meinen Fällen vom Schwein ausnahmslos
reiche Mengen von Zwischenzellen (Leydigsche oder Henlesche
Zellen) vorhanden (vergl. dazu die Befunde auf Tabelle VI von
190 Ludwig Pick:
Sauerbeck, Becker und Reuter), in Fall II. III und V auch
in den dünnen fibrösen Septen der Hodenläppchen so reichlich,
dass die Grenzen zwischen diesen verschwimmen. Die Zwischen-
zellmasse ist so bedeutend, dass sie etwa im Verhältnis 3:2 die
Masse der Samenkanälchen in Fall I und V übertriftt, sie im
Verhältnis 1:1 in Fall II und III erreicht und im Fall IV ihr
jedenfalls kaum nachsteht.!)
Ein ähnliches Verhältnis findet sich unter den Fällen beim
Menschen nur bei Gudernatsch. wo das Stroma zwischen den
Kanälchen durch ausserordentlich reichliche Zwischenzellansamm-
lungen substituiert ist und durch diese die Kanälchen „stellen-
weise auseinander gedrängt werden“. Bei Salen und Simon
(vergl. die Abbildungen, Taf. I, Fig. 3 und 4) sind Zwischen-
zellen vorhanden (fett- und pigmenthaltig, zum Teil auch von
unbedeutenderem Volumen bei Salen: Reinkesche Kristalloide
in ihnen bei Simon), wenn auch keineswegs in hervorstechender
Reichliehkeit. Bei Uffreduzzi fehlen sie.
Da auch Sauerbeck für seinen Fall von H. A. verus uni-
lateralis beim Schwein ausdrücklich betont, dass er Zwischen-
zellen nicht finden konnte, so folgt danach für den Hoden
des H. A. verus bei Mensch und Tier, dass Zwischen-
zellen allermeist vorhanden sind, nicht selten in
allergrösster Masse, dass sie aber auch vollkommen
tehlen können.
Es bleiben die Hodenkanälchen der Zwitterdrüsen. Sie
entsprechen in ihrer allgemeinen Form und Grösse, auch in der
zarten, Spindelzellen führenden, elastisch-fibrösen Membrana propria
in unseren Fällen vom Tier, ebenso wie im andersseitigen Hoden
bei H. A. verus unilateralis, der Norm.
Bei Gudernatsch ist ihr mittlerer Durchmesser weit
geringer als der normale; bei dem 7jährigen Kind im Falle
. Uffreduzzis beträgt er 35—50 u, im Falle Sal&ens im Mittel
125 «: im Falle Simons fehlt eine Angabe. Die äussere Form ist
auch bei den menschlichen Fällen allerwärts die typische, ebenso die
Membrana propria bei Salen, Simon und Gudernatsch typisch.
bei Uffreduzzi wird sie ohne nähere Beschreibung erwähnt.
') Sudanophile Tropfen, Pigment oder Kristalloide habe ich in allen
fünf Fällen vermisst. Näheres über das Verhalten der Zwischenzellen in
kryptorchischen Hoden ete. bei L. Pick (dla). ;
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 191
Dass bis auf den Fall Salen alle Elemente der Geschlechtszell-
reihe fehlen, ist schon hervorgehoben. Die Follikelzellen andererseits
(Bendas vegetative Geschlechtszellen, Auxiliär- oder Fusszellen,
Merkels Stützzellen, Sertolizellen) wiederholen — einschliess-
lich auch des Falles Salen — genau diejenigen Formationen
innerhalb der Hodenkanälchen, die für die Atrophie des mensch-
lichen und tierischen ektopischen Hodens, speziell des Leisten-
hodens, namentlich durch die Arbeiten von Langhans (41),
Bmotti le)eRelizetvet' Branca.(15), Spangaror(6h)
beim Menschen, von Regaud et Policard (54), Bouin et
Ancel (6) beim Säugetier und insbesondere beim Schwein uns
geläufig geworden sind. Die Hoden des wahren Hermaphroditen
teilen diese Eigenschaft zugleich auch mit den Hoden des Pseudo-
hermaphroditen.')
Man vergleiche die Gruppierung der Sertolizellen, wie sie
Felicet et Branca an den Kanälchen des ektopischen mensch-
lichen Hodens beschreiben: a) Cellules de Sertoli a protoplasma
commun (15, Fig. I, S. 351); masse pleine et opaque vivement
coloree, souvent „creusee de vacuoles dont la taille et la form
nont Tien de fixe“; 'b) (Fig. 2, Taf. VII und Fig. 9, Tai! X).
Cellules de Sertoli a formations columnaires ou coniques implantees
perpendiculairement ou obliquement sur la paroi propre; il est
de regle de le voir s’unir pas des expansions filamenteuses on
lamellaires: de telles anastomoses sont surtout frequentes au pour-
tour de la lumiere des canalieules: ec) Cellules sertoliennes &
protoplasma nettement individualise (Fig. 5, Taf. VIII).
Alle diese Formen finden sich in den Hodenkanälchen bei
Salen, Simon, Uffreduzziund Gudernatsch. Insbesondere
sah ich im Falle Salen Bilder aller drei Typen.
In”den Hoden’ des H. A. verus beim Schwein
herrscht, wie schon Sauerbeck findet, die Einschichtig-
keit der Sertollizellen vor: das entspricht wiederum den
Befunden beim männlichen Ps. H. A. des Schweines (Sauer-
beck. S. S65) oder denen des kryptorchischen Schweinehodens.
') Vergl. meine eingehenden Ausführungen zu dieser Frage an anderer
Stelle (dla); auch oben Teil I.
Übrigens besteht diese Übereinstimmung auch für die hypoplastische
Entwieklung der Ovarien bei H. A. verus und Ps. H. A.; siehe dazu auch
Sauerbeck (58), S. 868/69.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.$4. Abt.Il. 13
192 Ludwie Pick:
Dabei findet sich zugleich undeutliche Begrenzung bezw. plas-
modiale Verschmelzung der Einzelindividuen, stärkste schaumige
Auflösung des Zytoplasmas mit kreuz und quer verbundenen, ins
Lumen gerichteten anastomosierenden Fortsätzen der Zelleiber.
So erscheint die Lichtung der Hodenkanälchen mehr oder weniger
ausgefüllt (das Lumen war nur in unserem Falle II deutlich)
durch eine vakuolisierte, grossblasig-schaumige Masse, während
unmittelbar an die Membrana propria eine einfache Reihe von
Kernen. nicht selten unter entsprechender Abplattung (vergl.
unsere Fälle Il, III; auch Sauerbeck, S. 348 oben) heran-
gedrängt ist. Andere Male ist die Einschichtigkeit weniger deut-
lich (Fall IV) oder das Epithel vielschichtig (Fall D. Jede
Vakuole ist ganz (Fall I, II, IV, V) oder doch zum Teil (Fall I)
erfüllt von einem grossen sudanophilen Tropfen („fettige Degene-
ration“ der Autoren).!)
Zu dem den Kryptorchen, Pseudohermaphroditen und Herm-
aphroditen gemeinsamen Bilde der Hodenatrophie passt ausser
dieser Übereinstimmung der Follikelzellformationen die schon
genannte, hauptsächlich in den Fällen beim Menschen ausge-
sprochene Vermehrung des Stromas, die gleichfalls beim Menschen
deutliche Reduktion des Durchmessers der Hodenkanälchen und
die eventuelle Vermehrung der Zwischenzellen. Unerlässlich ist,
wie ich seinerzeit gegenüber Finotti festgestellt habe, letztere
auch im kryptorchischen Hoden nicht; im Hoden des H. A. verus
können, wie schon hervorgehoben, Zwischenzellen gelegentlich
sogar ganz fehlen.
Weiter gehört zum Komplex der jenen Zuständen gemein-
samen Befunde die hyaline Degeneration der Membrana
propria der Hodenkanälchen, die gesetzmässig in den
innersten Lagen beginnt und, zentrifugal wie zentripetal fort-
schreitend, zur Aufhebung des Lumens wie zum Untergang der
tibrös-elastischen Hülle der Hodenkanälchen führt. Alle die ge-
nügend bekannten Stadien dieses Vorganges sind in den Fällen
von Salen, Simon und Gudernatsch festgestellt, fehlen
aber auffälligerweise sowohl in unseren fünf Fällen beim Schwein,
!, Verel. dazu Sauerbeck, ].c.. S. 348 und 693, der die Vakuolen
durch „Plasmaverzweigungen“ entstehen lässt. Diese Deutung der Hohlräume
als blosse Folge der Plasmaverzweigung scheint mir mit Rücksicht auf den
regelmässigen Einschluss der fettigen Tropfen bedenklich.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 193
wie auch in allen sicheren Fällen Sauerbecks. Andeutungen
scheinen nur bei Pütz bestanden zu haben.
Überhaupt ist für jeden einzelnen Fall beim Schwein, im
Gegensatz z. B. zum Fall Salens, das histologische Bild der
Hodenkanälchen von einer ausserordentlichen Gleichförmigkeit.
Ein Kanälchen ähnelt in seiner Gesamtstruktur völlig dem anderen,
mit einer Ausnahme, nämlich der in den Eierstock versprengten
Hodenkanälchen unseres Falles V. Hier finden sich neben den —
wie im andersseitigen Hoden beschaftenen — Kanälchen mit ein-
schichtigem vakuolisierten Epithel und der Füllung des Lumens
durch grossblasigen epithelzelligen Schaum auch solide epitheliale
Stränge (nebst Zwischenzellen) geringeren und selbst kleinsten
Kalibers, die durch allmähliche Vakuolisierung und Umordnung
erst jene grösseren hervorgehen lassen.
Die anatomisch - histologische Kongruenz der Hoden beim
H. A. verus des Menschen und der Säuger mit den Hoden der
Pseudohermaphroditen und der Kryptorchen bei allen Formen
der Retention (in der Bauchhöhle, im Leistenkanal) wird von
den Autoren gebührend hervorgehoben: so von Sauerbeck
(S. 694), von Salen, der den „ektopischen Hoden nach der
Pubertät“ zum. Vergleich heranzieht, von Simon und von
Uffreduzzi, die auf die Übereinstimmung mit dem gewöhn-
lichen Leistenhoden Erwachsener bezw. einem kindlichen retinierten
Hoden hinweisen. Gudernatsch vergleicht seinen Befund mit
dem des Säugetierhodens bei Retentio inguinalis. Da gelegentlich
auch in den Hoden der Kryptorchen oder der Pseudohermaphroditen
Spermiogenese gefunden wird, so passt der jetzt von uns gelieferte
Nachweis der (reschlechtszellen im Hodenteil der Zwitterdrüse
durchaus in den Rahmen der sonstigen Übereinstimmung, ja, er
bringt sie völlig zum Abschluss.
Auch mit dem infantilen oder puerilen Hoden, dem „un-
reifen normalen Hoden“ (Sauerbeck, S. 545) oder den „ruhenden
Hoden vor der Pubertät“ (Sauerbeck, S. 693) werden. die
Bilder speziell beim H. A. verus verglichen. Das trifit allein inso-
fern zu, als auch beim Kind plasmodiale, das Lumen füllende Ver-
bände von Sertolizellen, die von Vakuolen durchbrochen werden,
vor der Pubertät in den Hodenkanälchen »vorhanden sind. Diese
3ilder pueriler Stadien erhalten sich, wie Finotti speziell für
den kryptorchischen Hoden gezeigt hat, gesetzmässig in den vom
13*
194 Ludwig Pick:
Rete testis entfernten Partien. Ich habe (vergl. S. 210) das Giesetz
seinerzeit auch für den Hoden des Pseudohermaphroditen bestätigt
und gleichzeitig die Persistenz deutlicher kindlicher Läppchen-
zeichnung in diesem Hodenabschnitt bei einem Pseudohermaphro-
diten gezeigt, während sie selbst im ektopischen Hoden nach
Felizet-Branca mit der Pubertät gewöhnlich verschwindet.
Ähnliche Bilder eines vakuolisierten Plasmodiums waren —
neben anderen — auch bei Sal&n vorhanden, wohl auch bei Simon.
Aber von einer generellen Übereinstimmung
mit den infantilen Stadien des normalen Hodens
und Ovariums ist, wie Sauerbeck selbst mit Recht ausführt,
in den Zwitterdrüsen beim H.A.verus gar keine Rede.
Die zahlreichen Unterschiede sind leicht herzuzählen: für den kind-
lichen normalen Eierstock der grosse Reichtum an epithelialen
Formen, die Vollständigkeit der Skala der Follikelentwicklung, die
nur ganz ausnahmsweise auch bei H. A. verus (Fall Salen) vor-
handen sein kann; für den jugendlichen normalen Hoden vor der
Pubertät die Archispermiozyten bezw. Spermatogonien zwischen
den plasmodial verschmolzenen Sertolizellen, die Konstanz der
Zwischenzellen, das völlige Zurücktreten des Bindegewebes und das
Fehlen jeglicher Veränderung der Membrana propria. natürlich auch
von „Sklerose des Bindegewebes und hyaliner Gefässdegeneration“
(Sauerbeck, S. 693 und 694). Insbesondere gibt es Sertolizellen
in einfacher Lage, wie in den Hoden des H. A. verus beim Schwein,
oder des Menschen (Gudernatsch). zumal besonders in Form
gegeneinander begrenzter hoher Zylinderzellen, wie im Falle
Salens, in jugendlichen Hodenkanälchen nicht. Diese Anordnungen
sind keineswegs etwa eine typische infantile Evolutionsform, sondern
ganzim Gegenteil eine der Hodenatrophie, ser es
beim Kryptorchismus oder beim Pseudohermaphroditismus oder
beim wahren Hermaphroditismus sozusagen spezifische Invo-
lutionsform der Hodenkanälchen.!)
II. Die Ausführungswege beim Hermaphroditsmus verus.
Sauerbeck vertritt im allgemeinen den Standpunkt des
„gestaltenden“, „wachstumsfördernden“, „wachstumshemmenden
') Gelegentlich wird, ausschliesslich eine einfache Schicht radiär
geordneter hoher schmaler zylindrischer Sertolizellen jm Hoden kindlicher
Pseudohermaphroditen getroffen, wie im Fall Hengges bei einem 1”,+ jährigen
Pseudohermaphroditen: vergl. darüber bei L. Pick, 5la.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 135
oder -unterdrückenden“ Einflusses der Geschlechtsdrüsen auf alle
anderen sexualen Charaktere, insbesondere auch auf die genitalen
subsidiären Apparate. Ich halte, worauf ich im Schlussteil zurück-
komme. die vielerörterte Frage der Korrelationen noch nicht für
genügend spruchreif, um hier einen bestimmten Standpunkt ein-
zunehmen. Natürlich verlieren dadurch die von Sauerbeck in
mühseliger Vergleichung festgestellten anatomischen Korrelationen
nichts von ihrer rein morphologischen Bedeutung.
An den Anfang dieser Beziehungen stellt Sauerbeck die
strenge Abhängigkeit des Nebenhodens und der
Samenleiter von der Anwesenheit des Hodens. In
der Tat gibt es keinen in der Reihe unserer Fälle beim Tier,
in dem nicht mit dem Hoden der Zwitterdrüse ein typischer
Nebenhoden und ein ebenso typischer Samenleiter verbunden wäre.
Die normale, ja, üppige Ausbildung des Nebenhodens in den
sicheren Fällen des H. A. beim Schwein, die Sauerbeck hervor-
hebt, kehrt auch in unserem Material wieder (Fall I, auch Fall II
und Ill). Auffallend ist in Fall IV die ganz hervorragende Breite
des Nebenhodenkörpers bis über 4 cm!
Ganz im Sinne dieser morphologischen Korrelation fehlt
ein Nebenhoden auch nur in Andeutungen neben dem Ovarium
des Falles V, in dem die Hodensubstanz lediglich in Form mikro-
skopischer Einsprengung enthalten ist.
Die Nebenhodenkopfverbindung am Hoden ist,
wie beim normalen Schwein, in unseren Fällen stets eine äusserst
lockere. Sauerbecks Tabelle III notiert auch für den Fall
veuter einen „locker anliegenden“ Nebenhoden. Ich erwähne
diesen Punkt besonders, weil der Zustand doch wohl abzutrennen
ist von dem, was Ströbe für einen Fall von Ps. H. A. beim
Menschen beschreibt. Er sah hier nicht nur eine Lockerung der
Verbindung, sondern eine fast völlige Abtrennung des Hodens
vom Nebenhoden. Es hingen nur vier Vasa efferentia testis mit
den Nebenhodenkanälchen zusammen.')
!), Ströbe (65) hat für diese Trennung eine in seinem Fall zwischen
Hoden und Nebenhoden durchziehende relativ gut entwickelte Tube bezw.
die mangelhafte Rückbildung des hierhin physiologisch umgelagerten Müller-
schen Ganges verantwortlich gemacht. Diese Feststellung ist von Merkel
mit guten Gründen bestritten worden.
Nach Sauerbeck ist beim Schwein, dem echt- wie dem pseudoherm-
aphroditischen, die Lagerung der Tube zwischen Hoden und Nebenhoden meist
196 Ludwig Pick:
Immerhin könnte hier, beim H. A. verus des Schweines,
eine besondere Lockerung der Hoden-Nebenhoden-Verbindung be-
stehen als eine mit dem Defekt des Corpus Hiehmori Hand
in Hand gehende Folge der ausgebliebenen oder mangelhaften
Urogenitalverbindung, d.h. der Verbindung von Geschlechtsteil
der Urniere mit der Keimdrüse. Ich habe im Interesse der Er-
haltung meiner Präparate auf die eingehendere mikroskopische
Untersuchung dieses Punktes verzichtet.
Durch die Lage und Befestigung des Hodens am Meso-
metrium, sei es der Zwitterdrüse oder des Hodens auf der Hoden-
seite bei H. A. verus unilateralis completus masculinus im Falle V,
entstehen beim Schwein eigentümliche topische Ver-
hältnisse des Nebenhodens und Samenleiters.
Regelmässig findet sich in unseren Fällen der Nebenhoden-
ansatz im Verhältnis zum Ovarium am Gegenpol des
Hodens, also dem Eierstock gegenüber. Dann zieht der Neben-
hoden, mit scharfem Rand gegen den Hoden, entweder — eventuell
mit der Tube (vergl. unten) — im freien Rand des Ligea-
mentum latum zum Ende des Uterushorns, um hier in das
Vas deferens überzugehen, oder, wie in Fall IV, der Übergang
des Nebenhodens in den Samenleiter erfolgt bei geringerer Länge
des ersteren (6—7 em) schon früher, und im freien Rand
des Mutterbandes liegt (mit der Tube) das Vas deferens.
In Fall V (vergl. Taf. XIII, w) biegt das Vas deferens dicht unter
dem Ende des zugespitzten, auch mikroskopisch tubenlosen rechten
Uterushorns mit einer mächtigen wulstförmigen, überwalnussgrossen
Aufknäuelung zwischen die Blätter des Mesometrium um: unmittel-
bar lateral neben dem Wulst setzt das Gubernaculum testis an.
Der Verlauf der Samenleiter in den Mesometrien bis zur
Einmündung in den Uterus ist der gewöhnliche des Wolffschen
(sartnerschen) Ganges beim weiblichen Tier.
Weit unregelmässiger und variabler sind die Verhältnisse
in den Fällen beim Menschen, ganz abgesehen davon, dass ausser
im Fall Salen die Befunde ja nur einseitig und unvollständig,
vom Innern der Inguinalhernie etwa bis zum Leistenkanal hin
erhoben werden konnten. Im Fall Salen fehlen Nebenhoden
recht deutlich. Ich sah (vergl. unten) die Tube wohl dem Nebenhoden an-
geschlossen, aber nicht eigentlich zwischen Hoden und Nebenhoden (vergl.
auch oben S. 182 betreffs der Lageverbältnisse der Tube zum Ovarium).
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. KIT
und Samenleiter auf der Seite der Zwitterdrüse ganz, während
das Rete testis ausgebildet ist: die Tuben und breiten Mutter-
bänder waren beiderseits normal. Bei Simon sind Nebenhoden
und Vas deferens rudimentär vorhanden, aber ohne Verbindung
mit dem Hodenteil — übrigens (Taf. II) ohne dass etwa im
Sinne der Ströbeschen Hypothese die Tube sich zwischen Neben-
hoden und Keimdrüse gelagert hätte; sie liegt hier im Gegenteil
ganz auf der Gegenseite des Hodens. Das Vas deferens. läuft
in dem breiten Ligament, an dem der Ovotestis sitzt, „in die
Bauchhöhle hinein“ (S. 20). In Uffreduzzis Fall wiederum
schliesst sich an das etwas rudimentäre Rete testis eine wohl-
gebildete Epididymis und ein Vas deferens „in den Samenstrang
übergehend“, der in den Leistenkanal zieht. Gudernatsch
protokolliert lediglich, dass, wie das Rete testis, auch die Vasa
efferentia, Nebenhoden und Vas deferens vorhanden waren.
Eine sehr interessante Bildung sind die auch von den
früheren Autoren (vergl. Tabelle III bei Sauerbeck) bei H. A.
verus des Schweines beobachteten und in ihrer Bedentung bereits
durch Sauerbeck gewürdigten „Pseudosamenblasen“, die
die hier so gut wie regelmässig fehlenden oder sonst rudimentären
Samenblasen bei diesem Tier ersetzen (S. 569). Sind in der
Norm beim weiblichen Schwein die Gartnerschen Gänge in der
Scheidenwand nur selten zu finden, so persistieren sie bei Herm-
aphroditismus verus — ganz genau so auch beim männlichen Pseudo-
hermaphroditen (Tabelle XIII und S. 864) — nieht nur, sondern
bilden fast regelmässig in die seitlichen Teile der Scheidenwand
oder die seitlichen Abschnitte ihrer Vorderwand (Fall IV und V)
eingelagerte, mehr oder weniger kräftige, körnig gelappte, ziemlich
derbe drüsige Ausstülpungen, die in ihrem Bau den normalen Samen-
blasen des Ebers vollkommen entsprechen können, mit ihrem distalen
Pol übrigens auch bis ganz dicht an das Ende des Vas deferens heran-
reichen (Fall IV). Ich vermisste sie nur im Fall I, wo aber doch
die Vasa deferentia selbst in der Scheidenwand nachweisbar waren.
Zwei Punkte sind dabei besonders bemerkenswert:
1. dass sie fast ausnahmslos (nach Sauerbeck sogar aus-
nahmslos), auch bei H. A. verus lateralis (Fall Reuter), sym-
metrisch vorhanden sind (die linksseitige fehlte in unserem
Fall III, wenigstens im unteren Teil der Cervix, als symmetrische
Bildung zur vorhandenen rechtsseitigen):
198 Ludwig Pick:
2. dass sie als eine in den Verlauf des Vas deferens ein-
seschaltete') gleichsam ampulläre Formation vollkommen
aus dem physiologischen Rahmen des Tieres heraus-
treten. Denn die Samenblasen des Ebers sind am distalen Ende
des Samenleiters gestielt aufsitzende Körper, die distalwärts
auf den Endabschnitt der Harnblase, auf den Blasenhals, sowie
auf und neben den Anfang der Harnröhre gelagert sind. Um-
gekehrt strecken sich die Pseudosamenblasen in der Scheide von
der Stelle ihrer Einmündung aus mit dem Vas deferens selbst
proximalwärts, d.h. uterinwärts. Und ferner gibt es eine
Ampulle am Vas deferens des Ebers überhaupt nicht.
So sind die Pseudosamenblasen, wie Sauerbeck (S. 695)
ausführt, die einzige Abnormität beim H. A. des Schweines, die
nicht auf blosse Hemmung einer normalen Anlage oder auf Aus-
bildung einer solchen über das normale Maß zurückzuführen ist,
vielmehr eine wirkliche Umbildung, eine Richtungsänderung der
plastischen Kraft bedeutet. ihre Ausbildung an sich schwankt
in bedeutenden Grenzen. Sie können fast die volle Grösse der
beim Eber ausserordentlich voluminösen Samenblasen erreichen
(Fall V: 12:2: über 1 cm) und ziehen dann weit hinauf mit
ihrem proximalen Pol bis auf die Cervix uteri (in Fall III 3,5 cm
weit). Ihr Durchschnitt mit den schleimgefüllten Höhlen weicht
dann unter Umständen nicht von dem der physiologischen Samen-
blasen ab (Fall V). Andere Male bleiben sie unbedeutender
(Fall IV: 5:1:0,5—0,4 cm), etwa vom nämlichen Umfang wie
beim kastrierten Eber, oder sie sind rudimentär. Sie erscheinen
in solchen Fällen auf dem Durchschnitt als körnige Körperchen
(in Fall II von ca. 2 mm Durchmesser).
Die Mündung des Vas deferens im Urogenitalsinus bezw. der
Pars pelvina urethrae kann (Sauerbeck, S. 697) gelegentlich
obiiterieren. Ich habe im Interesse der Erhaltung der Präparate
(Fall IV und V) diese mehr nebensächliche Frage nicht verfolgt.
Betretfs der Prostata vergl. nächsten Abschnitt. —
Für die weiblichen Leitungswege sei zunächst der
Satz Sauerbecks von der Selbständigkeit des Ostium
') Über den proximalen Teil des linken Wolffschen Ganges kann
ich in unserem Fall V wegen der entzündlichen Verdiekung des linken
Ligamentum latum nichts Sicheres aussagen; auch nicht über das Par-
ovarium.
a 2
Uber den wahren Herimaphroditismus des Menschen ete. 199
tubae bestätigt, das auch in unseren Fällen vom Tier niemals
vorhanden ist, wo eine Zwitterdrüse sitzt — mit der einen Ein-
schränkung, dass es bei der lediglich mikroskopischen Einlagerung
des Hodengewebes in den Eierstock im Fall V nicht fehlt. Ob der
Verschluss an ihm hier eine Missbildung bedeutet oder auf die
konkurrierende chronisch-entzündliche Veränderung des Becken-
bauchfelles zu beziehen ist, bleibe dahingestellt: wahrscheinlicher
ist mir ersteres.
Wieder besteht hier ein Gegensatz zu den menschlichen
Fällen. Das Tubenostium ist normal trotz des relativ grossen
Hodens (nebst Geschlechtszellen) bei Salen: so auch bei Simon
und bei Uffreduzzi. Und ebenso findet sich hier am Tuben-
rohr selbst nur bei Simon eine Abweichung in Form einer
Hvpoplasie (bei etwa 7 em Länge von Zweistreichholz-Dicke),
während solche in den Fällen beim Schwein die Regel sind.
Beim Schwein zeigt (Sauerbeck, S. 700) die Tube eine
Tendenz zur Verkümmerung. wo männliches Drüsengewebe vor-
handen ist. Sie ist durchweg schwächer als die des Ostinms und
stärker da, wo ein Hoden allein vorhanden ist, als neben einer
/,witterdrüse. Beim H. A. verus lateralis ist die Tube auf der Seite
des Ovariums normal, auf der Seite des Hodens fehlt sie ganz.
Die normalen Tuben des Schweines sind unverhältnismässig
lang und messen 15-30 cm.') In der Tat verschwinden dagegen
die Maße des Tubenrohres in unseren fünf Fällen. Das Maximum
erreichen die Tuben des Falles III links mit 12 cm, rechts mit
ll em. Für die anderen Fälle beträgt die Maximallänge 7 cm.
In Fall IV ist die Tube für die makroskopische Betrachtung
unsichtbar, im Fall II links ein lumenloser, rein muskulärer
Strang, im Fall I links auch in mikroskopischen Spuren nicht
vorhanden,?) ebenso nicht in Fall V beim H. A. verus unilateralis
maseulinus auf der Seite des Hodens. Dabei ist das Tubenrohr
im Vergleich zur Norm dünner und zarter, soweit nicht bei einer
durch chronische Entzündung bedingten Hydrosalpinx (rechte Tube
Fall II, linke Tube Fall III) das Lumen ein wenig stärker auf-
geweitet ist.
!, Hier steht bei Sauerbeck (S. 344 oben) eine irrige Angabe:
Tuben des Schweines normal. „einige Zentimeter“ lang.
:, Noch Benda (4) glaubte, dass bei H. A. verus eine Geschlechts-
drüse ohne zugehörigen Ausführungsgang nicht existieren könne.
200 Ludwig Pick:
Der makroskopischen Hypoplasie entspricht die mikro-
skopische Faltenlosigkeit der Schleimhaut, auch da. wo keine
Hvdrosalpinx besteht. Nur die linke Tube in Fall IV, abgesehen
von dem normalen Tubenrohr in Fall V, besitzt ein sternförmiges
Lumen.
Die physiologische Lage im freien Rand des Mesometrium teilt
der Eileiter in den Fällen beim Schwein mit dem Nebenhoden (vergl.
oben). Sie liegt unmittelbar neben ihm (Fall III) oder auf seiner
IKonvexität (Fall I und II) unmittelbar subserös und tritt dann
weiterhin eventuell auf seinen scharfen Rand (Fall II rechte Tube.
Fall III beide Tuben) über. In Fall IV ist sie, subserös gelegen,
dem Vas deferens angeschlossen, das hier den freien Rand des
Ligamentum latum einnimmt. Wo die Tube insbesondere in ihrem
Verhältnis zum Eierstock endet, ist oben (S. 152) bereits ausgeführt.
bemerkenswert ist die Angabe Uffreduzzis. dass die in
seinem Fall der Epididymis durch lockeres Bindegewebe ange-
schlossene Tube blind etwas unterhalb des Schwanzes der Epidi-
dymis endet und zwar nicht mehr mit dem Nebenhoden verbunden,
sondern frei tlottierend im Leistenkanal. Das Parovarium fehlt
hier. Bei Simon war es anscheinend sogar recht kräftig aus-
gebildet und zwar neben einer Epididymis.') Uffreduzzı und
Salen geben zu diesem Punkt nichts Besonderes an. (Bezüglich
des Parovariums in unserem Fall V vergl. S. 198 Anm.)
Nun der Uterus! Auch wenn man von den rein akzidental
bedingten Veränderungen absieht — man erinnere sich der enormen
Pvometra in unserem Fall II und der leichten Hydrometra in
Fall III — ist das Organ bei den Tieren gewöhnlich recht
kräftig, ja, nach Sauerbeck unter Umständen, wie der Neben-
hoden. übernormal. Die starke Asvmmetrie der beiden Hörner in
Fall IV — linkes Horn 36 cm, rechtes Horn 10 em — entfällt
auf die rechtsseitige Atrophie als Folge der früheren Kastration
dieser Seite. Die Asymmetrie in Fall V — linkes Horn 40 cm,
rechtes Horn 23 em — entspricht dem Verhalten beim H. A.
verus lateralis des Schweines, während sonst beim H. A. verus
unilateralis (in den zwei sicheren Fällen von Sauerbeck und
Pütz) Symmetrie gefunden wurde. In der Tat steht freilich bei
der Winziekeit der Hodeneinsprengung im Ovarıum anatomisch
unser Fall V dem H. A. lateralis morphologisch sehr nahe.
!) Vergl. dazu auch Simon, 8.26 und L. Pick (dla).
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 201
Sauerbeck beobachtete (S. 344) in seinem Fall, dass die
Teilung des unpaaren (rebärmutterabschnittes in die Hörner 4 cm
nach vorn vom Scheitel erfolgt. Der Fundus (vergl. auch Fig. 3a)
überragte dadurch kuppelförmig die Teilungsstelle. Ich habe in
meinen Fällen ähnliches nicht gesehen.
Für den menschlichen Uterus steht dem Befund des durch
die Mvome leicht vergrösserten Uteruskörpers im Fall Salen
bei H. A. verus unilateralis das klinische Fehlen in den drei
übrigen Fällen gegenüber. Aus dem einen von Sauerbeck
notierten Fall von Uterusdefekt beim wahren H. A. des Menschen
sind jetzt schon drei geworden !
Für die Beurteilung der Ausbildung der Scheide auch
des unpaaren (sebärmutterteiles — beim Schwein sind unter
unseren Fällen am meisten massgebend Fall IV und \V. wo das
gesamte innere und äussere (renitale in continuo vorliegt. Scheide
plus Uterus kommen bei 25 em Gesamtlänge in Fall IV der Norm
sehr nahe und erreichen sie in Fall V mit 32 cm. Ellenberger-
Baum geben für das normale erwachsene Tier die Länge von
Cervix plus Corpus uteri mit ca. 20 cm, für die Scheide mit
ca. 10—12 em an.!)
Die Mündung in den Sinus urogenitalis ist in
beiden Fällen, besonders in Fall IV, stark verengt, entsprechend
der auch von Sauerbeck in seinem Fall und von anderen
Autoren (vergl. Tabelle III, Fall I. III und IV) festgestellten
schlitzartig engen Kommunikation an dieser Stelle. Sonst ist
aber die Vagina in den sicheren Fällen beim Tier allgemein
in Gestalt und Grösse normal.
Für den Menschen bestehen grössere Differenzen.
Im Fall Gudernatsch erscheint sie normal. sie fehlt in den
Fällen Simon und Uffreduzzi, während sie bei Salen als
feiner S cm langer Gang besteht. —
Als Anhang sei bemerkt, dass ich in keinem meiner
Fälle gestielte oder ungestielte Hydatiden zu Gesicht
bekommen habe. Da das proximale Ende des Müllerschen
(Ganges regelmässig (Ostinmlosigkeit der Tuben!) atrophiert. so
wird das wenigstens für die gestielten Hydatiden verständlich.
In Fall V, wo auf der Seite des Ovariums nebst eingesprengten
> ') Fall II zeigt einige kleine tubulös-bauchige Scheidendrüschen, wie
sie auch beim sonst normalen Schwein gelegentlich vorkommen.
2302 Ludwig Pick:
Hodenkanälchen das Infundibulum vorhanden war, war es — wohl
gleichfalls durch Missbildung (vergl. oben) — geschlossen.
III. Die äusseren Geschlechtsorgane.
Hierher zähle ich. wie oben (S. 177) begründet. mit Orth (50),
Fibiger (16), E. Kaufmann (3la) auch die Prostata.
Sauerbeck resümiert sich zu diesem Kapitel dahin, dass die
konjugalen Geschlechtsteile nie rein das Gepräge des einen oder
des anderen Geschlechts tragen, wie es bei P’seudohermaphroditen
vorkommt, sondern vielmehr von gemischtem Charakter sind, und
zwar Ist beim Tier (Schwein) in den sicheren Fällen der weibliche
Typus der vorherrschende. „in sieben Fällen ohne Ausnahme“.
Dieser Satz bedarf einer prinzipiellen Einschränkung in
zweierlei Riehtung. Einmal kann die „Mischung“ eine so un-
bedeutende sein. dass ein fast reiner Typus herauskommt, dann
aber kann auch in einem sicheren Falle gerade der männliche
Typus zweifellos überwiegen. So zeigt unser Fall IV, wenn man
von dem Ersatz der Samenblasen durch die Psendosamenblasen
absieht und die Hypertrophie des partiell mit dem Penis ver-
wachsenen ') Präputiums und das Fehlen des Präputialbeutels als
gewiss mehr nebensächliche Defekte gelten lässt, männliche Ver-
hältnisse: eine kräftige 15 cm lange Pars pelvina der Harnröhre
und ein 50 em langes Penisstück,. das sicherlich an das
eines Kastraten heranreicht.
Ich möchte nach meinem Material?) die allgemeine Regel
so fassen, dass beim H. A. verus des Schweines der innere
(proximale) Teil des äusseren Genitale stets ausge-
sprochen männliche Merkmale aufweist, dass dagegen das
(distale) äusserlich sichtbare Genitale von gemischtem
Charakterist, oft mehr weiblich, gelegentlich durch-
ausmännlich und zuweilen ohne ausgesprochen männ-
lichen oder weiblichen Charakter (Fall II). Zu den
ausgesprochen männlichen Zeichen der proximalen Teile der
äusseren (renitale sind zu zählen:
l. Die männliche Ausbildung des Sinus uro-
genitalis (vergl. auch Sauerbeck, S. 869). Misst der
') Verschmelzungen von Penis und Präputium kommen bei Kastraten
‚oft vor.
?) Im Fall I liegt das äussere Genitale nicht vor.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 203
männliche Sinus urogenitalis, der zur Vagina der Länge nach
wie 5:1 steht, bei einer normalen Länge der Vagina von 10 bis
12 cm in maximo 4 cm, so finden wir hier Längen von 15, 10, 13
und 14 em (in Fall II, III, IV und V) bei einem Diekendurch-
messer bezw. von 20, 18, 20 und 25:20 mm, also die Längen-
und Dickenmaße der relativ sehr langen Pars pelvina einer
normalen männlichen Urethra.
2. Es fehlt zwar für das blosse Auge stets (auch in Fall IV)
das der Regel nach beim Schwein ja ohnehin nicht bedeutende
spangenförmige Corpus prostatae.') Aber um so mächtiger
ist die den Sinus mantelförmig umlagernde Schicht der Pars
disseminata prostatae, in Fall \ sogar rings gleichmässig
von über 1 em Dieke. Sonst ist sie bei 5 mm Dicke in unseren
Fällen (auch in Fall IV) ventral stets mächtiger als dorsal und
seitlich.
3. Die Fälle II, III und \ besitzen an ihrem männlichen
Sinus urogenitalis nach aussen von der Pars disseminata prostatae
die nämliche männliche Muskelumkleidung durch den
Musculus urethralis, wie die Pars pelvina urethrae des Falles IV
oder die normale Pars pelvina urethrae (vergl. auch Sauerbeck,
S. 357 zu Fig. 5). Ich betone, dass für alle meine Fälle die
physiologische?) dorsale umschriebene Unterbrechung des Urethral-
muskels durch eine Platte straffen Bindegewebes fehlt. Es ist im
(Gegenteil gerade in Fall IV der dorsale Abschnitt des Urethral-
muskels von besonderer Fülle.
4. Sämtliche Fälle (IL, III, IV und V) besitzen am Sinus
urogenitalis bezw. der Pars pelvina urethrae einen ausgesprochenen
Schwellkörper, der vorwiegend zwischen Schleimhautobertläche
und Pars disseminata prostatae eingeschoben ist.”)
!, Es fehlt auch bei normalen Ferkeln ganz
?) Vergl. Ellenberger-Baum (13), S. 551, Fig. 649 und S. 554.
3), Sauerbeck notiert auf dem Querschnitt des vordersten Abschnittes
des Sinus urogenitalis in seinem Fall (S. 342 nebst S. 357, Fig. 5) im Bereiche
oder doch in der Nähe der Symphyse links und rechts im diehten Binde-
gewebe Drüsen von acinösem Typus; die Träubehengruppen ziemlich weit
getrennt. Er lässt ihre Deutung als Rudimente der Cowperschen Drüsen
gegenüber der distal an Quantität und Ausbildung zurücktretenden Prostata
(vergl. dazu auch unseren Fall II) unentschieden, reklamiert sie aber S. 356
als männliches Merkmal. Meines Erachtens würden sie in dieser Form eher
den weiblichen grossen Vorhofsdrüsen — sie bestehen beim Schwein aus
204 Ludwig Pick:
5. Ein von Sauerbeck (8. 343, 356, Fig. 3a) mit Recht
gewürdigtes syntopisches Merkmal von besonderem Interesse ist
das männliche Verhältnis der Urethra zum Sinus
urogenitalis, oder wenn man es umgekehrt ausdrücken will,
das Fehlen des normalen topischen Verhältnisses der Vagina zum
Sinus urogenitalis. Nicht die Scheide und der Sinus, wie beim
normalen Weibchen, sondern die Harnröhre und der Sinus bilden
als anatomische Einheit ein gestrecktes Rohr, dem die Scheide
von hinten ansitzt, wie eine „Raupe einem Ästchen“. Dieses
akzessorische Verhältnis der Scheide zum Canalis urogenitalis
kann so ausgesprochen sein, dass, wie bei Sauerbeck, an der
Stelle des Herantrittes die Scheide nach vorn und distal hin noch
einen besonderen kurzen Blindsack formt (Sauerbeck, Fig. 3a).
Auch Reuter ist diese Einmündung der Vagina „von hinten her“
bereits aufgefallen.
Für unsere Fälle II, III und V ist über das besondere
Urethralverhältnis des Sinus nichts Sicheres auszusagen. Denn es
ist hier jedesmal, wie wegen der besonderen Verwertung im
Handel üblich, die Harnblase abgeschnitten, in Fall II und UI
ausserdem noch der Urogenitalschlauch gerade an dieser Stelle
durchtrennt. Dafür ist das männliche Urethralverhältnis aber
ausserordentlich deutlich in dem allerdings auch sonst weitaus am
meisten männlich gestalteten Falle IV. Es wird hier um so
markanter, als in diesem Falle der der männlichen Pars pelvina
durchaus entsprechende Urethralabschnitt nicht — wie normal —
aus dem Blasenhals hervorgeht. sondern aus einer exquisiten
weiblichen Harnröhre von 5 em Länge. Es ist hier gewisser-
massen eine weibliche auf eine männliche Harnröhre
aufgepfropft, und es entsteht aus dieser Verbindung ein ein-
heitliches gestrecktes Rohr. So zeigt sich die Mischung der
gegengeschlechtlichen Charaktere hier in einer höchst sonder-
baren Form!
einzelnen wenig bedeutenden Drüsengruppen — entsprechen, als den männ-
lichen Bulbourethraldrüsen. Diese in der Norm ganz besonders grossen
Körper sind bei den Kastraten klein und an unserem Material in rudimentärer
Form, aber doch deutlich, im Fall IV wenigstens links vorhanden. Die
rechtsseitige Drüse mag hier durch den Schlächterschnitt entfernt worden
sein. In allen anderen Fällen fehlten, wenigstens für das blosse Auge, die
grossen Vorhofsdrüsen bezw. Bulbourethraldrüsen. Auch über die Bulbi
vestibuli kann ich nichts aussagen.
Wer N ar
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 205
Für das äusserlich sichtbare Genitale ist der männ-
liche Habitus des Falles IV bereits oben gewürdigt. In Fall II
ist der allgemeine Eindruck weiblich, mehr noch in Fall V, wo bei
Vorhandensein des normalen kleinen kegelförmigen Hautanhanges
am ventralen Winkel des Wurfes die etwas vergrösserte Spitze der
Klitoris durch eine kleine Hautbrücke mit der Aussenfläche des Präpu-
tialsackes verwachsen ist und der Introitus des Sinus sehr eng ist.
In Fall Il ist durch die Verwachsung der Labien in ihrem distalen
und mittleren Teil zu einer polsterartigen Verdickung ein Anklang
an die Skrotalbildung entstanden, die Klitoris im ganzen (über
15 em Länge gegen höchstens S cm der Norm) wie mit ihrem freien
Ende (über 4 em Länge gegen 3—4 mm der Norm) hypertrophisch ;
auch fehlt der normale zungenförmige Hautanhang der Vulva.
Die auffallendste Eigentümlichkeit zeigt Fall III: die Ver-
wandlung des freien Teiles der im ganzen kolossal hyper-
trophischen, ca. 17 cm langen Klitoris in einen zeigetinger-
dicken, über 5 em langen penisähnlichen Körper, der den
Sinus urogenitalis unter vollständigem ventralen Abschluss
bis an seine Spitze führt. Die Genese des Körpers (vergl.
das Protokoll in Teil II nebst Textfig. 2) — durch Hypertrophie
der Klitoris und besonders mächtige Hypertrophie des Präputiums
einerseits. durch ventrale Abschlussbildung der an sich atrophischen
Labien andererseits — ist vollkommen klar. Ebenso deutlich der
Unterschied gegenüber einem normalen Penis. Denn abgesehen
von dem Längenverhältnis fehlt sowohl die physiologische Ver-
schmelzung diese freiragenden „Rute“ mit der Bauchwand, wie
das Corpus cavernosum urethrae.
In der Hvpertrophie des Präputiums und der partiellen Ver-
wachsung der Vorhaut und Klitoris erinnert der Fall an die Befunde
am Ende des Penis in Fall IV. Einen „verkümmerten Penis“ bei
H. A. verus erwähnt Reuter, eine „penisähnliche Klitoris“
Becker: bei dem pseudohermaphroditischen Schwein ist sogar
meist (dreimal unter vier Fällen) der rudimentäre Penis oder die
penisartige Klitoris angegeben; doch ist diese, wie auch Sauerbeck
anmerkt. vom Penistypus „immerhin noch recht erheblich entfernt “.')
') Verel. auch die Angaben Kitt’s (35) über den anal abgebogenen.
einer vererösserten Klitoris ähnlichen Genitalhöcker bei H. A. verus bilateralis
(glandularis), S. 113, und über ein ähnliches Verhältnis beim Ps. H. A. der
Säugetiere, S. 114.
206 Ludwig Pick:
Es bleiben die Verhältnisse der konjugalen Wege beim
Menschen. Bei Salen sind die grossen und kleinen Labien
normal, die Klitoris hypertrophisch. Bei Simon und Uffreduzzi
besteht das Bild der peniscrotalen Hvpospadie. Gudernatsch
notiert ein weibliches äusseres (Grenitale, aber ausserordentlich
starke Rlitorishypertrophie. Die Regellosigkeit. die hier zum Aus-
druck gelangt, hebt auch Sauerbeck (S. S69) hervor: ein
anderes Mal spricht er (S. 703) von einer „stärkeren Potenz der
männlichen Komponente“. Man mag sie in einer anscheinend
regelmässigen Clitorishypertrophie auch bei sonst weiblicher Vulva
in diesen Fällen bekräftigt sehen. Eine Prostata ist in keinem
der Fälle erwiesen; Gudernatsch fühlte zwar einen „prostata-
ähnlichen Körper“, will sich jedoch nieht bestimmt entscheiden.
Für die akzidentalen extragenitalen Geschlechts-
charaktere kann ich in unseren Fällen vom Schwein Angaben
nicht machen. Das ist durch den Grossbetrieb des Berliner
Schlachthofes bedingt. Die Zusammengehörigkeit der gelegent-
lich der Beschau entdeckten hermaphroditischen Sexnalorgane
mit dem übrigen Tier ist hier allermeist mit genügender Sicher-
heit nicht mehr festzustellen.
In: allgemeinen werden diese Befunde auch eher für den
Menschen bemerkt, da ja hier der Regel nach gerade die sexuell
abnorme äussere Konstitution des Individuums auf eine eventuelle
Anomalie des Genitale hinleitet. Sauerbeck fasst die morpho-
logische Korrelation zwischen extragenitalen Charakteren und den
konjugalen Organen beim H. A. verus so, dass der Typus der
ersteren dem der letzteren in weitgehendem Maße entspricht. dass
er beim Tier mehr weiblich. beim Menschen (8. 704) „etwas stärker
männlich“ bezw. (S. 569) „schwankend” sei. Vielleicht erweisen
sich auch beim Tier (Schwein) bei genauerer Betrachtung — ent-
sprechend dem mehr wechselnden Verhalten der konjugalen Teile
(vergl. S. 202 und 205) — diese Verhältnisse der extragenitalen
accidentalen Charaktere gleichfalls als mehr unregelmässig und
schwankend. Für den Menschen bestätigt sich dies bereits, wenn
man neben die von Sauerbeck (S. 704) charakterisierten Fälle
Sal&ens und Simons die neuen von Uffreduzzi und
(sudernatsch stellt. Bei Salen: allgemeiner weiblicher
Habitus; Menstruation seit dem 17. Jahre; Neigungen weiblich.
d. h. auf Männer gerichtet, Coitus als Weib versucht. Bei
N
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 207
Simon: allgemeiner Habitus mehr weiblich, jedoch beide Typen
innig vermischt; Behaarung ausser leichtem Schnurrbartantlug
weiblich ; Brüste weiblich, besonders links: Menstruation (?) und
Ejakulation vorhanden: männliche Neigungen. Bei Uffreduzzi:
langes Haupthaar, reichlicher Fettansatz, gerundete Formen: bei
dem als Mädchen erzogenen Kind mehr knabenhafte Neigungen.
Bei Gudernatsch: Behaarung und, Becken weiblich, Kehlkopf
männlich, Brüste unentwickelt: Weibesbewusstsein, keine Libido.
Sicherlich eine ziemlich bunte gesetzlose Reihe!
Es zeigt sich in diesen Richtungen besonders der Nachteil
der doch sicherlich sowohl für den H. A. verus des Menschen
wie der Tiere noch kleinen Zahlen. Mancherlei Differenzen, wie
sie in den „Korrelationen“ beim Menschen auf der einen, beim
Tier auf der anderen Seite, wie auch im besonderen zwischen
den Ableitungen aus Sauerbecks Material und aus dem, was
mir zur Verfügung ist. verschiedentlich bestehen. werden an
grösseren genügend beobachteten und untersuchten Reihen sich
aufklären und ausgleichen müssen. Mancherlei anscheinende
„Regeln“ werden sich erweitern, oder umgekehrt anscheinend
unregelmässige Befunde sich in mehr bestimmte Regeln fassen
lassen. Sprechende Beispiele dafür sind die Verschiebungen der
Sauerbeckschen morphologischen (resetzmässigkeiten durch
unsere neuen Befunde an den Keimdrüsen der wahren Herm-
aphroditen und am äusseren Genitale des Schweines beim Herm-
aphroditismus verus dieses Tieres.
Bei VE
Das testiculäre tubuläre Adenom des menschlichen
Eierstocks.
Der Abschnitt behandelt eine eigenartige (reschwulstbildung
des menschlichen Eierstocks, die zum Hermaphroditismus verus
und zwar zur germinal-vegetativen Form in einer sehr nahen
Beziehung steht. Sie stellt ein reines tubuläres Adenom
testikulsren «Ursprungs im EBierstockr des Weibes
dar (Adenoma tubulare testieulare ovarii oder Adenoma testiculi
ovotestis). Ich habe sie bereits bei früherer Gelegenheit ') be-
en Läpick, 5la und b; vergl. auch dort die Mikrophotogramme
Fig. 1, 2, 4 und die Abbildungen auf Taf. V, Fig. 1-5. Fig. 4 und Fig. 1
und 3 1. e. entspricht unserer Fig. 14 und 15 auf Taf. X.
Archiv f.mikr. Anat. Bd.$4. Abt. II. 14
208 Era devaro@peike
schrieben und in ihrer Deutung und Genese des Näheren begründet.
Auf diese eingehende Darstellung nehme ich hier Bezug.
Ich komme auf sie an dieser Stelle zurück, weil die Er-
gebnisse meiner Untersuchungen speziell beim H. A. verus des
Schweines für meine damalige Hypothese über die (Grenese der
Neubildung nunmehr eine sehr reale Basis erhalten haben. Als
anatomische Grundlage für, das testikuläre Adenoma ovarii habe
ich damals einen kleinen Komplex in den Eierstock versprengter
rudimentärer Hodenkanälchen nebst Zwischenzellen vermutet.
Dieser Vorstellung schienen die seinerzeit bekannten Fälle von
Salen und Simon, nicht minder die später von Sauerbeck
zusammengestellten Fälle von H. A. verus beim Tier insofern zu
widersprechen, als in der Zwitterdrüse gesetzmässig gerade der
Hodenteil überwog, ja. der Eierstock gelegentlich zu mikro-
skopischer Dimension zusammenschrumpfte.
Dass aber nichtsdestoweniger auch eine lediglich mikro-
skopisch festzustellende Verlagerung von Hodenkanälchen und
/wischenzellen in einen äusserlich unveränderten typischen Eier-
stock tatsächlich vorkommt —- wenn auch zunächst nur beim
Säugetier in einem scheinbaren Falle von lateralem H. A. verus —,
habe ich durch unseren Fall V erwiesen. Ja, es ist hier eine
förmliche Durchmischung der versprengten Hodensubstanz mit
dem Eierstocksgewebe erfolgt.
Ich schliesse meine damalige Beobachtung (unter ent-
sprechender Kürzung) hier zunächst an.
Der Tumor stammte von einer 24 jährigen verheirateten
Frau Z., die seit ihrem 16. Jahre immer normal menstruiert
gewesen war, einmal abortiert und zweimal normal geboren hatte.
An dieser Frau war nichts zu finden, weder am Genitale,
noch an ihrem äusseren oder ihrem psychischen Verhalten, das
nicht einem rein weiblichen Habitus entsprochen hätte. Seit
einigen Monaten bestanden ununterbrochen Gebärmutterblutungen
und Unterleibsschmerzen, besonders auf der rechten Seite. Hier
wurde eine über hühnereigrosse Eierstocksgeschwulst gefühlt und
per laparotomiam entfernt. Die rechte Tube und die links-
seitigen Anhänge — am Ovarium wurden einige kleine Zysten
eröffnet — waren normal. Die Oberfläche des abgetragenen
Ovariums (5,5 :4:3,3) hat makroskopisch das gewöhnliche Aus-
sehen und die Beschaffenheit des Eierstocks. Aber wie der
Rz}
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 209
Durchschnitt in der Längsrichtung zeigt. ist die Ovarialsubstanz
nur die stellenweise äusserst dünne Schale für eine 4:3:4 cm
messende ellipsoide auffallend aussehende Geschwulst. Sie liegt
in der ovarialen Schale exzentrisch, nach dem einen Pol hin ver-
schoben (vergl. 5la, Taf. V, Fig. 4). Diese organfremde derbere
Einlagerung ist auf dem Schnitt hellgelb wie Butter, opak, aus-
gesprochen lobuliert, mit miliaren bis linsengrossen Läppchen,
deren Buttergelb sich stark abhebt gegen das helle Weisslich-
grau der interlobulären Bindegewebssepten. Das Zentrum der
Neubildung war im Umfang einer kleinen Kirsche sulzig er-
weicht. Ausserordentlich merkwürdig und überraschend ist nun
das mikroskopische Bild (Taf. X, Fig. 15). Alle Läppchen besassen
ganz gleichmässig. ohne irgend eine Abweichung, die Struktur
allerreinster einfacher tubulärer Adenome. Diese
Adenome waren aus langen gestreckten oder sanft gebogenen
oder auch verschieden stark gewundenen, selbst schleifen- oder
ösenartigen, drehrunden Kanälchen (t) zusammengesetzt, deren
ganz gleichmässiges Kaliber einen Durchmesser von 35 u besass
oder höchstens um ein weniges darüber oder darunter mass. Die
gestreckten Formen ziehen öfter bündelartig parallel: andere Male
sind sie dichotomisch geteilt, ganz selten auch ein wenig zystisch
aufgeweitet, bis zu Hohlräumchen von höchstens 250 «u Durchmesser.
Alle diese Schläuche waren ausgekleidet von einem aus-
nahmslos einschichtigen Zylinderepithel von 15 u Höhe, dessen
helle Elemente sich nicht deutlich gegeneinander begrenzten.
Die Kerne waren länglich. fein granuliert, kräftig gefärbt, das
Zytoplasma frei von Glykogen, Fett oder Pigment, das opake
(ielb der Geschwulst war also eine Eigenfarbe.
Das Stroma (str) innerhalb der Läppehen war von grosser
Spärlichkeit. Einige Tubuli besassen feinste elastische Hüllen.
Zuweilen fanden sich im Stroma der Läppchen, wo es ein wenig
reichlicher war, stark auffallende kleine Gruppen und Züge grosser
epitheloider Zellen mit feinkörnigem Plasma, bläschenförmigen
runden Kernen und scharfen Nukleolen. Fett oder Pigment ent-
hielten auch diese nicht. Sie traten neben den nicht besonders
reichlichen spindeligen dunklen Kernen der Bindegewebszellen
sehr markant hervor.
Die Schale von Kierstocksgewebe, die dieses merkwürdige
Adenom umgab, enthielt nicht sehr zahlreiche, aber sonst normale
14*
2310 Ludwig Pick:
Eierstocksfollikel und verschiedene Stadien weiterer Entwicklung
wie der Follikelatresie: dazu einige kleine Follikelzysten.
Für dieses in seiner (Genese vor der Hand nicht zu er-
klärende Adenom fand ich die richtige Deutung durch die histo-
logische Untersuchung der Hoden eines männlichen Pseudoherm-
aphroditen, der in Berlin als „Schneiderin* gelebt hatte und in
der weiland E. v. Bergmannschen Klinik wenige Tage nach der
Exstirpation des Gasserschen Ganglions zugrunde gegangen war.')
Der allgemeine äussere Eindruck war bis auf einige fast
l cm lange Schnurrbarthaare, lange Haare an beiden Unter-
schenkeln und kleine männliche Mamma der linken Seite ein
weiblicher. Die Menstruation war nie vorhanden gewesen. Die
Klitoris war hypertrophisch, die kleinen Labien fehlten. die Vagina
war kurz, der Hvmen vorhanden. Der Uterus bestand als rudi-
mentärer Uterus didelphys, die Tuben fehlten. Die Hoden lagen
vor dem inneren Leistenring: ihnen sass ein rudimentärer Neben-
hoden auf; vom Vas deferens war ein rudimentärer distaler Ab-
schnitt jederseits neben der Scheide zu finden. Im ganzen also
ein Pseudohermaphroditismus masculinus externus
und internus (completus).
Die Hoden waren mässig atrophisch und in beiden Testikeln,
besonders im linken, fanden sich zu Dutzenden bis bohnengrosse
opak-buttergelbe Knoten von länglich-runder, ellipsoider oder
kugeliger Form. von denen die grösseren sich leicht enukleieren
liessen.
Die mikroskopische Untersuchung der Hoden ergab, wie bei
den Testikeln der Pseudohermaphroditen die Regel, die typischen
Befunde der Atrophie des kryptorchischen Hodens in analoger
Art, wie ich sie oben (Teil I und IV) bereits eingehend besprochen
habe. Im besonderen fand sich (vergl. S. 193 und 194) das von
Finotti für den atrophischen Leistenhoden — mit seinen in den
verschiedenen Höhenabschnitten des Organs verschiedenen Epithel-
befunden — aufgestellte (Gesetz bestätigt, dass sich der puerile
Charakter des Hodenparenchyms am ausgesprochensten in dem
(regenabschnitt des Rete testis. also entfernt vom Hilus, erhält:
selbst die kindliche Läppehenzeichnung war in dieser Hodenpartie
hier noch bestehen geblieben. Der Zellbefund der Hodenkanälchen
im einzelnen entsprach ganz demjenigen, den ich für den Hodenteil
') Vergl. dazu den Bericht E. Ungers, I. e.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 211
der Zwitterdrüse im Falle Sal&n oben eingehend beschrieben
habe. nur dass bei diesem Pseudohermaphroditen Elemente der
(reschlechtszellreihe ganz und gar fehlten.
Ausserdem ergab sich eine ganz ausserordentliche Proliferation
der Zwischenzellen in reichlichen durch feine Kapillaren vaskulari-
sierten umschriebenen Gruppen oder diffusen Anhäufungen. Die
Wucherung war so intensiv, dass die Zwischenzellen an Quantität
der Masse der Hodenkanälchen mindestens gleichkamen oder sie
sogar übertrafen. Dabei ging mit der Intensität der Zwischen-
zellproliferation Hand in Hand eine Reduktion des Zellumfanges,
der Verlust von Fett und Pigment: die spezifischen Leistungen
des Zytoplasmas schwanden in gleichem Schritt mit der Lebhaftige-
keit der zelligen Wucherung.
Unter den verschiedenen Formationen der Sertolizellen
innerhalb der Hodenkanälchen ist nun hier die der gegeneinander
begrenzten Zylinderzellen (1. c., Taf. V, Fig. 3), die das Kanälchen
in einfacher Lage auskleiden, von besonderer Bedeutung. Denn
die Epithelien der Hodenkanälchen dieser Art lassen, wie ohne
Schwierigkeit und vollkommen eindeutig zu zeigen war, die eigen-
tümlichen buttergelben Geschwulstknoten hervorgehen.
Letztere erwiesen sich (Taf. X, Fig. 14) als ganz reine
einfache tubuläre Adenome von äusserst zierlichem und
vollkommen gleichmässigem Bau. Sie bestanden aus regelmässigen
drehrunden, langen Schläuchen (t) von ganz gleichmässigem Kaliber
und 35 « Durchmesser. Sie liefen teils gestreckt parallel, an der
Knotenperipherie ausgesprochen radiär (vergl. das Mikrophoto-
gramm 5lb, in Fig. 1) oder schlängelten sich in verschieden
starken Windungen. Nur selten fanden sich kleine unbedeutende
zystische Aufweitungen bis höchstens 125 4, des öfteren auch
diehotomische Teilungen.
Die Auskleidung der Schläuche bestand aus einer einfachen
Schicht heller durchsichtiger, nicht deutlich gegeneinander be-
srenzter Zylinderzellen von 15 « Höhe, mit länglichen, sehr fein
granulierten und nicht sehr kräftig gefärbten Kernen.
Die Entwicklung dieser Adenome aus den Hodenkanälchen
der genannten Kategorie vollzieht sich in ganz typischer Art.
Zunächst stehen die Schläuche des Adenoms mit den Samen-
kanälehen noch in Zusammenhang. haben ohne jede Ausnahme
genau die nämliche fibrös-elastische Tunica wie die
212 Ludwie-Pick:
umgebendenHodenkanälchen und sind untereinander durch
reichliches Bindegewebe getrennt. Dann löst sich mit dem Wachstum
des Adenomknötchens dieser Zusammenhang. Das Adenom erhält
eine distinkte Bindegewebskapsel und durch regelmässige Septierung
im Innern einen exquisit läppchenartigen Bau. wobei innerhalb der
Läppchen selbst das Stroma (str) sich auf das Äusserste reduziert
und die elastische Tunica der Schläuche fast regelmässig verloren
geht. In den grössten Knoten ist sie nur noch an wenigen
Stellen in zartester Ausbildung um die Tubuli erhalten.
Fett oder Pigment wird in den Epithelzellen nicht abgelagert.
Das eigentümliche makroskopisch so augenfällige Buttergelb der
Adenome entspricht also einer Parenchvmeigenfarbe.
Diese von mir in diesem Falle gefundenen rein fubulären
Adenome der Sertolizellen wurden in der Folge als eine Neu-
bildung spezifischer Morphologie nicht nur in den Hoden männ-
licher Pseudohermaphroditen (E.Kaufmann [3la]. Gerbis [21|)
bestätigt, sondern auch in den ektopischen Hoden überhaupt
(Lecene et CUhevassu [43]) beschrieben, ein weiteres die
völlige Übereinstimmung der Hoden der Pseudohermaphroditen
und Kryptorchen ergänzendes Moment. Vor allem lassen auch
die weiteren Autoren die Abstammung der Schläuche der Adenome
von den Sertolizellen der Hodenkanälchen ausser jedem Zweifel.)
Ich selbst habe die eigenartigen Adenome in eine Linie gestellt
etwa mit den Adenomen in anderen atrophisch-eirrhotischen Organen,
wie den Adenomen der cirrhotischen Leber. der schrumpfenden
Brustdrüse, der Schrumpfnieren, wo sie gleichfalls aus den
Parenchymzellen ihren Ursprung nehmen. Für das tubuläre Adenom
des Eierstocks hat später Schikele (50) ein Pendant zu meinem
Fall bekannt gegeben, sich im übrigen dabei meiner Auffassung
und Deutung rückhaltlos angeschlossen. Zweifellos ist diese
ovarielle Neubildungsform ein Typus.
Es sind nun diese eigenartigen tubulären, knotig in den
Eierstock eingelagerten buttergelben Adenome makroskopisch und
mikroskopisch ein bis in das kleinste getreues Abbild
der reinen tubulären Adenome des ektopischen und
', Vergl. z.B. bei E. Kaufmann (31b) betr. der reinen tubulären
Adenome des Hodens: „ihre Entwicklung aus Sertolischen Zellen prä-
existierender Samenkanälchen konnte sicher nachgewiesen werden“.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 213
pseudohermaphroditischen Hodens, nur ins Grössere und
Voluminösere übersetzt.
Wie die grössten der gelben Hodenadenome ist auch das
tubuläre Eierstocksadenom knotig, scharf umschrieben, von butter-
gelbem Durchschnitt und lobulärem Aufbau, der hier bei den
umfänglicheren Dimensionen der Neubildung auch dem blossen
Auge sehr deutlich ist.
In den mikroskopischen Präparaten der Hoden- und Eierstocks-
adenome gibt es überhaupt keine Verschiedenheiten. Das Kaliber
der langen gewundenen Kanälchen ist hier wie dort 35 u, bei
unerheblichsten Schwankungen. Das stets einschichtige Epithel ist
hier wie dort 15 « hoch und besitzt beide Male das nämliche
helle Plasma mit meist scharfer Grenze gegen das Lumen, un-
scharfer gegen die Nachbarzellen. auch dieselben basalständigen
feingranulierten hellen Kerne. Glvykogen-, Fett- und Pigment-
einlagerungen fehlen. Das makroskopische Gelb ist hier wie dort
Eigenfarbe des Parenchyms. Auch Zysten fehlen: beide Tumoren
sind tubuläre Adenome von idealer Reinheit. Dabei ist das Stroma
ausgesprochen fibrös zwischen den Läppchen, innerhalb der Läppcehen
fast auf ein blosses Kapillarnetz reduziert. Die mikroskopischen
Bilder (vergl. 5La, Taf. V, Fig. 1 und 5; 51b, Fig. 4 und unsere
Taf. X, Fig. 14 und 15) decken sich bis zu völliger Identität.
Es ist nun vollkommen sicher:
1. dass dieses reine tubuläre Eierstocksadenom durchaus
aus dem Rahmen aller sonst bekannten epithelialen Eier-
stocksneubildungen heraustritt. Ich verweise in dieser Be-
ziehung auf meine sehr eingehende Differentialdiagnose an
anderer Stelle;
. dass in keiner einzigen Phase der Organogenese desOvariums
jemals ein Stadium langer, drehrunder, gleichmässig kali-
brierter, gewundener Schläuche existiert:
dass diese Schläuche nicht nur ihr physiologisches Vorbild
in den Kanälchen des Hodens besitzen, sondern
4. dass dieses ovarielle Adenom das getreueste Pendant eines
reinen tubulären Hodenadenoms ist, dessen testikulär-
epithelialer Ursprung — aus den Sertolizellen der Hoden-
kanälchen — über allem Zweifel ist.
Die Analogie wird noch stärker dadurch, dass diese Ge-
schwulstform auch für den Hoden etwas höchst Ungewöhnliches
DD
os
AE: Dudw iesPpirek:
ist und dass sonst die adenomatösen und adeno-zystomatösen
Neubildungen an Hoden und Eierstock einander so unähnlieh wie
möglich sind.
Danach bleibt nur ein Schluss: auch diese reinen
tubulären Eierstocksadenome sind testikuläre, sie
sind Adenome eines kleinsten versprengten atrophischen Hoden-
teils im Eierstock. Dieser Schluss ist meines Erachtens voll-
kommen zwingend. Er liegt genau in der Richtung, in der wir,
sicherlich mit Recht, bei ungewöhnlichen. an sich gleichartigen
Tumoren in Hoden und Ovarium, wie z. B. bei den Teratomen,
die gleiche Anlage voraussetzen.
Die Umdeutung, die Kermauner (33b) wie für den
geschlechtszellosen Hodenteil der Zwitterdrüse, so auch für die
tubulären Adenome des Hodens und des Ovariums als Rete-
adenome (aus „einigen verirrten Reteschläuchen“) unternimmt '),
ist ebenso unrichtig. wie etwa eine Ableitung dieser ovariellen
Adenome aus den „Marksträngen“ im Sinne von Bayer (2). Dieser
Versuch entspricht wiederum lediglich der unberechtigten grund-
', Kyrle (35) berichtet ganz neuerdings über die experimentelle
Erzeugung eines haselnussgrossen Adenoms des Rete testis beim Hund, Der
Hauptsache nach baut sich der Knoten aus derbfaserigem Bindegewebe auf,
in welches ganz unregelmässige Kanälchen eingelagert sind. Letztere zeigen
grosse Polymorphie (siehe Fig. 1 und 2). Bald stösst man auf umfangreiche
kueelig geformte Hohlräume, die mit stellenweise vielschichtigem Epithel
auseekleidet sind, bald wieder auf schmale gangartig aussehende Formationen,
die bezüglich ihres Epithels ein gleiches Verhalten zeigen wie die grossen
Hohlräume. Neben diesen Bildungen finden sich ferner in Spalten und Lücken
des Bindegewebes zahlreiche kleine und grössere Epithelverbände. die häufig
Lumenbildung erkennen lassen und so den Eindruck rudimentärer Kanälchen
hervorrufen, kurz, ein Bild grosser Regellosigkeit.
Mag dieses Adenom sich nun vom Rete herleiten, oder, was ich nicht
für ausgeschlossen halte, doch von den Hodenkanälchen, jedenfalls ist es in
allem das Widerspiel der in jedem Belang so regelmässig strukturierten
reinen tubulären Hodenadenome.
Der unmittelbare Übergang der Adenomschläuche in das Rete beweist
die Genese aus diesem ebensowenig „absolut sicher“, wie das scharfe Abgesetzt-
sein des Knotens gegen die erhaltene Hodensubstanz. Denn mit dem Rete
könnten die Adenomschläuche auch zusammenhängen, wenn sie von Hoden-
kanälchen in unmittelbarer Retenähe ausgehen. und dass eine Bindegewebs-
kapsel nicht gegen die Herkunft aus Hodenkanälchen spricht, zeigen unsere
Befunde. Die Abkapselung der Hodenadenome unserer Kategorie erfolgt pari
passı mit dem Wachstum des Adenomknotens! |
sr
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 21%
-
sätzlichen Ablehnung des H. A. verus für den Menschen. Wichtige
Tatsachen werden’ dabei vernachlässigt oder über-
sehen. So die vollkommen gesicherte Genese der Schläuche
der tubulären Hodenadenome aus den Hodenkanälchen; ich ver-
weise dabei besonders auch auf die fibrös-elastische Tunica der
Schläuche der kleinsten Adenomknötchen. die erst in den grösseren
Knoten verloren geht. Ferner der von mir erhobene Befund
von Zwischenzellen zwischen den Schläuchen des tubulären
Eierstocksadenoms.
Dieser Ring schliesst sich auf das Vollkommenste durch
unseren Nachweis der Verlagerung nicht nur von Hodenkanälchen,
sondern auch von Zwischenzellen in einen sonst normalen Eier-
stock. Die „verirrten Reteschläuche“ sind, von anderem abgesehen,
vollkommen hypothetisch, die verlagerten Hodenkanälchen
im Ovarıum dagegen nunmehr tatsächlich erwiesen.
In diesem Punkt liegt natürlich die nahe Beziehung dieser
Eierstocksneubildung zum Hermaphroditismus verus. Dass sie
als eine besondere eigenartige Form eines germinal-vegetativen
(ovartell-testikulären) Hermaphroditismus zu gelten hat, als eine
völlige Konsumption des echt hermaphroditischen Hodenanteils einer
weiblichen Keimdrüse durch Aufgehen in einer organspezifischen
Neubildung. steht dabei nicht einmal in erster Linie.)
Das prinzipiell Wichtige ist vielmehr darin gegeben, dass
ihre anatomische Grundlage als kleinste andersgeschlechtliche, im
wahren Sinne des Wortes heterogone Einsprengung in die Keim-
drüse bei dem sonst in seinem Sexnalcharakter völlig normalen
und einheitlichen (weiblichen) Individuum eine morphologisch
höchst bemerkenswerte Abweichung von der Norm darstellt. Diese
unbedeutende einzige heterosexuelle Missbildung des Genitale
sowohl wie des Körpers überhanpt. dieser kleine Fehler des reinen
Typus. wird erst offenbar durch sein Aufgehen in Geschwulst-
bildung, und es mag wohl sein, dass umgekehrt kleinste hetero-
gone Keime dieser Art in Hoden oder Ovarium doch vielleicht
häufiger sind (vergl. L. Landau [39], Poll [52e]), auch wohl
') Sie inauguriert zugleich die Gruppe der Fälle von Keimdrüsen-
geschwülsten bei menschlichem H. A. verus (vergl. bei L. Pick, 5la), und
ferner beschliesst sie die durch diese Tumorform schon vervollständigte Über-
einstimmung des ektopischen und pseudohermaphroditischen Hodens auch für
die wahren Hermaphroditen.
216 Ludwie Pick:
früher oder später im Sinne Sauerbecks atrophisch-resorptiv
inbemerkt zugrunde gehen.
Nach der Sicherstellung des Hermaphroditismus verus auch
für den Menschen kommt es in erster Linie darauf an, ein Ver-
ständnis für die Beziehung des wahren menschlichen Hermaphro-
ditismus zum normalen Menschen zu gewinnen, und gerade ın
dieser Richtung hilft das Adenoma testienlare ovarii im Sinne
unserer Auffassung ein Stück vorwärts.
Teil VI.
Epikritische Betrachtungen über Hermaphroditismus
und Pseudohermaphroditismus. — Die praktischen
Prinzipien der Geschlechtsfestsetzung bei Herm-
aphroditen; die Arten der „Neutren“.
Wir kommen zu der Verwertung unseres Materials für die
Frage der „kausalen“ (esetzmässigkeiten und Zusammenhänge.
d.h. zu der Frage der Ätiologie des H. A. im weitesten Sinne.
Sie ist auf das engste verknüpft mit den Fragen der normalen
(Geschlechtsbestimmung, der Präexistenz der akzidentalen (Ge-
schlechtsmerkmale und ihrer Korrelation zu den Keimdrüsen.
Alle diese Probleme sind zurzeit, wie bekannt, in lebhafter
Erörterung.') Sie werden verschieden. ja, vielfach völlig wider-
sprechend beantwortet.
Nun sind es gerade die Befunde beim H..A. gewesen, die in
diese Diskussionen oft genug hineingezogen worden sind. sei es,
dass sie als besondere Belege und Beweisstücke eine Theorie
„begründen“, sei es, dass sie umgekehrt durch eine bestimmte
Theorie „erklärt“ werden sollten. Bemerkenswerterweise erfolgt
hierbei ihre Verwertung des öfteren in durchaus gegenteiligem Sinne.
Während z. B. Herbst (26) für seine Anschauung, dass
die weibliche Keimdrüse die Entwicklung des äusseren Genitale
zum männlichen Typus verhindere, bestimmte Fälle von Ps. H. A.
bei Mensch und Tier heranzieht, führt Halban (24) gerade den
Ps. H.A. gegen die Meinung an, dass die Keimdrüse einen
hemmenden Einfluss auf das Genitale des anderen (Geschlechts
ausübe. Die strenge Korrelation der gesamten akzidentalen
(seschleehtscharaktere mit dem links gelegenen Ovarium des be-
') Vergl. die Diskussion der Anschauungen von Herbst, Halban,
Poll, Biedl und Kammerer bei Tandler und Grosz (66), 8. 41—46.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. AUT
kannten Buchfinkenzwitters von Koller-Weber (71), die in
genauer Seitenrichtigkeit die Medianlinie haarscharf innehält und
übrigens auch für die beiden Fälle von Tichomirow-Lorenz
(67) und von Heinroeth-Poll (52a) beim (Gimpel besteht,
wird, wie Tandler und Grosz betonen. dazu verwendet,
die vollkommene Unabhängigkeit aller (Geschlechtsmerkmale von
den Keimdrüsen zu beweisen.!) Sauerbeck wiederum rechnet
!) Bei sicherem H. A. lateralis der Säugetiere (Fälle von Reuter
und Kingsburg) ist ausser einer bestimmten Korrelation der Leitungswege
(stärkere Ausbildung der männlichen auf der Seite des Hodens, der weib-
lichen auf der Seite des Ovariums) betreffs der übrigen akzidentalen Charaktere
nichts bekannt. Ed. Gottschalk (22) berichtet neuerdings über ein
26 jähriges, mit Hypertrichosis faciei behaftetes menschliches Individuum, bei
dem die rechte Körperhälfte männliche, die linke weibliche Charaktere aufwies.
Bart rechts stärker als links; robuste männliche Gesichts- und Thoraxhälfte
rechts, mehr weiblich anmutende links: Mamma rechts fehlend, links in An-
deutung vorhanden; rechts männliche, links weibliche Beckenhälfte im
Röntgenogramm (l. e., Fig. 6, Taf. 28). Am Genitale Penis, Vagina: grosse
und kleine Labien, rechts nur rudimentär:; kein Uterus. Im rechten Leisten-
kanal ein über taubeneigrosser Hoden zu fühlen. Medial vom linken Leisten-
ring ein bohnengrosser Körper, „vielleicht das dislozierte linke Ovarium*. Die
Beobachtung ist eine rein klinische. So steht für den Menschen ein
sicherer Fall von H.A. lateralis noch aus. —
Lilienfeld (44) hat schon vor 50 Jahren, ebenso in neuerer Zeit
Nagel (48a). vermutet, dass die physiologische Rückbildung des ganzen
rechtsseitigen Grenitalsystems bei den Vögeln sich in Fällen von H.A. bei
den Säugern äussern könnte in einer Tendenz zu quantitativ asymmetrischer
Ausbildung, insbesondere aber in einem Vorwieeen des weiblichen Charakters
auf der linken Körperseite.
Sauerbeck hat die Annahme einer solchen Gesetzmässigkeit an
seinem Material von H. A. verus mit negativem Erfolg (S. 694) geprüft.
Immerhin sitzt das Ovarium bei Reuter (H. A. verus lateralis) links;
rechts allerdings in den beiden „sehr wahrscheinlichen“ H. A. verus lateralis-
Fällen von Boas. Es sitzt links auch in unserem eigenartigen Falle V von
überwiegendem Ovarialteil bei einer Zwitterdrüse und ferner links in dem
Fall von H. A. verus unilateralis completus femininus beim Menschen (Salen).
Der H.A. verus unilateralis completus masculinus des Schweines im Falle
Sauerbeck ist allerdings wiederum ein dexter, d. h. hier sitzt der Hoden
auf der linken Seite. Immerhin verdienen auch von diesem Gesichtspunkt aus
die tatsächlichen Verhältnisse der genitalen und extragenitalen Charaktere
beim H.A. verus der Säuger weiterhin Beachtung. —
Halbseitenzwitter in der Art. wie sie bei den Vögeln beschrieben sind —
der von Kuschakewitsch (37) bei einem 3 Monate alten Fröschlein be-
obachtete zeigte keine extragenitalen Differenzen der beiderseitigen Körper-
hälften — sind unter den Arthropoden. den Bienen, Ameisen, Käfern und
218 LudwseiPick:
ohne Einschränkung für die Formung der Genitalcharaktere mit
dem „typenbestimmenden Einfluss“ der Geschlechtsdrüse und mit
segengeschlechtlichem Drüsengewebe als „Agens der Zwitter-
bildung“.
Ich brauche auf diese speziellen Fragen in ihrer Beziehung
zum H. A. des näheren deswegen nicht einzugehen, weil ich voll-
kommen den Standpunkt Tandler und Grosz’ (66, S. S2 und 83)
teile, dass der H. A. verus wie der Pseudo-H. A. als ausge-
sprochene Missbildungen kaum geeignet sind, für die Frage der
normalen Korrelationen von Geschlechtsmerkmalen und Keim-
drüsen geeignetes Beweismaterial zu liefern. Ist es doch unver-
kennbar. in erster Linie gerade die bekannte regel- und gesetz-
lose Durchmischung der akzidentalen Geschlechtsmerkmale in
ihrer ausserordentlichen Fülle von Kombinationen. die, sofern
die Befunde des H. A. in die Erörterung der physiologischen
Korrelationen hineingezogen werden, ganz notwendig zu wider-
sprechenden Auffassungen führen muss.
Vielleicht könnte hier eine Vertiefung unserer Kenntnisse
von dem bisher hypothetischen H. A. der innersekretorischen
insbesondere den Lepidopteren (M. Standfuss [62]) nicht allzu selten und
gerade bei den Schmetterlingen neben den sonstigen verschiedenen Charakteren
der männlichen und der weiblichen Körperhälfte durch die verschiedene Art
der Flügel nach Schnitt, Äderung und Farbe sehr auffällig. Für diese
Schmetterlingshalbseitenzwitter haben die eingehenden Untersuchungen Karl
Wenkes (72) über das Verhalten der äusseren und inneren Anatomie
solcher Tiere gelehrt. dass die Topographie ihrer äusseren Geschlechts-
merkmale hier zwar im grossen und ganzen jener der inneren Sexualorgane
entspricht, aber doch nicht in allen Fällen. So war z. B. der Ärgynnis
paphia-Zwitter Wenkes, der nach dem Charakter der Flügel links männlich,
rechts weiblich war, seinem inneren Genitale nach ein verkümmertes Weibchen.
Das ist ein partieller (weiblicher) Halbseitenzwitter, im Gegensatz zum
totalen, der die Keimdrüse mit einbezieht: wenn man will, en Halb-
seitenpseudozwitter. Ich sehe von einem Erklärungsversuch auch
bei diesen Missbildungen vollkommen ab. Aber ich nenne die Befunde, weil
z.B. v. Neugebauer (49, S. 57 und 58) auch für die menschlichen
Psendohermaphroditen, d. h. also für Fälle gleichartiger Keimdrüsen auf
beiden Seiten, hervorhebt, dass manche Autoren hier eine verschieden-
zeschlechtliche Entwicklung der beiden Körperhälften, der beiden Gesichts-
hälften oder der Brüste oder männliche Behaarung der einen, weibliche
der anderen Gesichtshälfte erkannt haben. Die tatsächlichen Belege (l. e.,
Tabelle NCIT, für einen solchen Hemipsendohermaphroditismus des Menschen
sind allerdings bisher etwas mager. Auch hier mehr Ausblicke als Einblicke!
Pe 55
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. Pl:
Teile der Keimdrüsen in Verbindung mit der verschiedenartigen
Versibilität der Geschlechtscharaktere wenigstens bis zu einem
gewissen Grade aufklären. unter Berücksichtigung der Tatsache,
dass beim H. A. in manchen Fällen — speziell beim H. A. verus —
die innersekretorischen Apparate (als Ausdruck der Missbildung).,
sei es im Hoden (Uffreduzzi), sei es im Ovarium (Guder-
natsch), sei es in beiden (Fall Sauerbeck), ganz fehlen.
In grösserer Übereinstimmung (Herbst, Meixner,
v. Neugebauer, Sauerbeck, Poll, Bied]|) wird der wahre
H. A. für die Annahme der „bisexuellen Anlage der Keimdrüse*“
verwertet, wie sie im Prinzip zuerst von Waldeyer (70b),
später von Egli (11), Janosik (29) u. a. vertreten wurde.
Diese Hypothese der anatomischen Bisexualität, die übrigens
meines Erachtens die Annahme einer geschlechtlichen Deter-
minierung im Moment der Befruchtung keineswegs ausschliessen
würde !). findet ihren eifrigsten Vertreter wohl in Sauerbeck.
Sie ist für ihn wegen der beim H. A. verus der Säuger und des
Menschen am Ovotestis zu erhebenden Befunde. wegen der regel-
mässig wiederkehrenden unbedingten räumlichen Trennung von
Hoden und Ovarium, ein „kaum zu umgehendes Postulat“, sei
es, dass die physiologische Keimdrüsenanlage in einem mehr vorn,
kranial (Ovarium) und einem mehr kaudal gelegenen Abschnitt
(Hoden) oder in zwei übereinander gelegenen Schüben der Keim-
epithelwucherung, deren erster den Hoden, deren zweiter den
Eierstock liefert, gegeben sei (S. 665 und 666).
Es würde diese Vorstellung, ihre prinzipielle Richtigkeit
vorausgesetzt, durch die neueren Ergebnisse der Entwicklungs-
geschichte dahin zu spezifizieren sein. dass (vergl. S. 153) die für
die Ausbildung der männlichen und weiblichen (ronade im engeren
Sinne bestimmten, „prospektiv potenten“ Abschnitte der Keimleiste
in topischer Gesetzmässigkeit räumlich getrennt sind und von den
1), Die anatomische Bisexualität oder der genetisch-physiologische
H. A. der Keimdrüse ist an sich nicht notwendig Zeichen sexual-biologischer
Indifferenz. d.h. unbestimmten Geschlechts, sondern bei bereits bestimmtem
Geschlecht eventuell phylogenetisch begründetes Erbmerkmal (vergl. auch
Sauerbecks .zwittrige Stammform der Säugetiere“, S. 832). Ebenso darf
auch umgekehrt die anatomisch indifferente (bezw. indifferent erscheinende)
Anlage der Keimdrüsen im Embryo mit bereits determiniertem Geschlecht
nicht, weil sie anatomisch indifferent ist, als eine hermaphroditische be-
zeichnet werden: vergl. dazu auch Tandler und Grosz (66), S. 5, SO und 82.
220 Ludwig Pick:
auch beim Menschen (vergl. bei Fuss |19]) auf besonderer „Keim-
bahn“ entstehenden und einwandernden Keimzellen die weiblichen
mehr kranial. die männlichen in einem unmittelbar angrenzenden,
aber mehr kaudalen Bezirk sich ansiedeln (vergl. auch Teil IV).
Auf diese Folgerung der physiologisch-bisexuellen Anlage
der Keimdrüse baut Sauerbeck, unter Voraussetzung einer
„zwittrigen Stammform der Säugetiere“ in Phylo- und Ontogenie !),
als „Hypothese der Wahl“ seine Auffassung des H. A. verus als
einer atavistischen Bildungshemmung (S. 571, 572 und 576). Er
erklärt (S. 573) den Pseudo-H. A. entweder als abortive Form
des echten H. A. auf Rechnung einer ursprünglich mehr als
normalen Ausbildung von beiderlei Drüsengewebe, die später
durch Unterdrückung des einen Teils zu einer eingeschlechtlichen
wurde oder — bei der von ihm grundsätzlich angenommenen
„trpusbestimmenden“ Korrelation von Keimdrüse und sekundären
(reschlechtsmerkmalen — durch eine ungenügende Ausbildung eines
eingeschlechtlichen, bei Pseudo-H. A. tatsächlich meist hypoplasti-
schen Drüsenapparates. So ist für Sauerbeck zugleich der
H. A. im allgemeinen. in allen seinen Formen, das Produkt
einer Bildungshemmung, die sich von den gewöhnlichen Bildungs-
hemmungen wesentlich nicht mehr unterscheidet (S. 875).
Natürlich steht und fällt diese Theorie insbesondere für
den H. A. verus, wie ohne weiteres ersichtlich, mit der Annahme
der physiologischen bisexuellen Keimdrüsenanlage. Wird nach
Sauerbeck durch die tatsächlichen Befunde beim H. A. verus
der Säugetiere und des Menschen diese Voraussetzung eigentlich
unumgänglich, so vertreten nichtsdestoweniger Tandler und
(rosz gerade den Gegenstandpunkt und zwar nicht nur in dieser
besonderen Frage, sondern auch in der Auffassung der Genese des
H. A. im allgemeinen. Nach Tandler und Grosz (S. 78 und S1) ist
der H. A. nicht die ursprüngliche Form der Geschlechtsverteilung,
die (eschlechtstrennung nicht der sekundäre phylogenetische Vor-
gang. Vielmehr gehört umgekehrt der Heterosexualismus zu den
primitiven Eigenschaften der Metazoen, und der physiologische
H. A. ist die sekundäre Erwerbung.’) So kann der teratologische
H. A. keine atavistisch begründete Bildungshemmung bedeuten.
‘, Eventuell auch unter Voraussetzung der seinerzeit von Benda
ausführlich vertretenen weiblichen Stammform der Säuger.
?) Vergl. auch Waldeyer (70a), S. 417.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. |
Wird als Stütze für die Annahme der physiologischen herm-
aphroditischen Anlage des Embryo regelmässig das gleichzeitige
Vorhandensein des Wolffschen und des Müllerschen Ganges,
d. h. also der männlichen und weiblichen Leitungswege ange-
führt, so ist, wie dies übrigens vor Tandler und Grosz im
ähnlichen Sinne seinerzeit schon Benda begründet hat, diese
Homodynamie nur eine scheinbare.') Der Wolffsche Gang ist
als Exkretionsgang des ursprünglichen Harnapparates ganz natürlich
bei beiden Geschlechtern angelegt. Der Müllersche Gang, viel-
leicht hervorgegangen aus den Pori abdominales, also Genitalgang
zer &£o/nw, ist ursprünglich Ausführungsgang der Geschlechts-
produkte, für die männlichen sowohl wie für die weiblichen. In
der Phylogenese geht nun aber der Wolffsche Gang durch
Funktionswechsel in den Dienst der späteren (seschlechtsdrüse
über. Er fungiert mit dem Auftreten des Ureters und der
Nachniere sogar ausschliesslich als männlicher Leitungsweg.
Tritt der durch diesen Funktionswechsel des Wolffschen Ganges
beim männlichen Individuum für dieses überflüssig gewordene
\Müllersche Gang doch immer wieder beim männlichen Embryo
auf, so wird damit lediglich seine hohe phylogenetische Bedeutung,
nicht aber die physiologisch-bisexuelle Anlage des Embryo bezeugt.
Dementsprechend ist auch die Struktur der Keimdrüse des
spätestens bei der Befruchtung des Eies geschlechtlich bestimmten
Embryos vom Ausgang der Embryogenese an eine alternativ ver-
schiedene (S. 5). Das Stadium der histologischen Indifierenz der
Keimdrüsen, fälschlicherweise oft als das „hermaphroditische* be-
zeichnet (vergl. S. 219 Anmerkung), deckt sich nicht mit einem
biologisch indifterenten. Es verkürzt sich in gleichem Schritt mit
der Verfeinerungsmöglichkeit unserer Untersuchungsmittel. So
ist der sporadische (pathologische) H. A. keineswegs die Persistenz
einer normalen, etwa atavistisch begründeten, embryonalen Bildung,
sondern lediglich eine Missbildung primae formationis,?) in deren
nähere Entstehung zurzeit kein Einblick möglich ist.?)
ı) Vergl. (66), 8. 13%.
>) Vergl. auch bei Sauerbeck, S. 871: das zweite Geschlecht bei
H. A. verus als pathologisches Akzessorium, als eine Art Inclusio foetalis;
v. Hansemann (25), S. 277, charakterisiert allgemein den H. A. der höheren
Tiere als eine „partielle Doppelmissbildung“.
3) Im besonderen wird die Theorie Halbans (24), nach der für die
Keimdrüse wie für die gesamten übrigen Genitalcharaktere das Geschlecht
[68]
|}
IND
Ludwig Pick:
Ich glaube, dass in der Tat keine Handhabe besteht. im
Moment eine irgendwie sichere Entscheidung zwischen diesen
völlig widersprechenden Theorien zu finden.
Fassen wir mit Tandler und Gross den H. A. verus als
eine von phylogenetischen Beziehungen völlig losgelöste Missbildung
auf, so würden unsere Befunde im Falle Sal&n bedeuten, dass
diese Missbildung bereits die Geschlechtsdetermination treffen kann.
Aber es bleibt schon völlig unklar, warum bei einem Vorgang
dieser Art das eine Mal eine Zwitterdrüse auf beiden Seiten. das
andere Mal nur auf einer Seite, ein drittes Mal ein Hoden auf
der einen Seite, auf der anderen ein Eierstock zustande kommt.
Weiter wird für die allgemeine theoretische Auffassung des
H. A. als Gemischt-Geschlechtlichkeit es nötig sein, die jeweiligen
bisher ohne Bedenken als heterologe. d.h. heterosexuelle,. be-
anspruchten (reschlechtscharaktere in jedem Falle auf ihre Zu-
gehörigkeit zu den „Systemmerkmalen* von Tandler und Grosz
zu prüfen. Nach diesen Autoren, denen sich auch Kammerer
anschliesst. entstehen die (Greschlechtsmerkmale allgemein nicht
auf dem Wege geschlechtlicher Zuchtwahl als Nova, sondern aus
einer allmählichen phylogenetischen Umwandlung der Ordnungs-,
Gattungs- und Speziesmerkmale: diese die Stellung des Individuums
im zoologischen System bestimmenden Merkmale sind eben die
Svstemmerkmale (S. S3, 154 und 139).
Das wichtigste Beweisstück für diese These bilden die von
Tandler und Grosz eingehend untersuchten Ergebnisse der
Kastration!) bei männlichen und weiblichen Individuen, durch
die an Stelle der schwindenden heterosexuellen Charaktere die
gleichsam konvergenten asexuellen Speziestormen (am Becken, am
Horn des Rindes ete.) zum Vorschein gebracht werden. So würde
es sich auch bei vielen Erscheinungen des H. A. und Ps. H. A.
nicht um die Persistenz oder um die Ausbildung heterosexueller
Merkmale. sondern um Missbildungen im Sinne der Persistenz
einzelner Klassen-, Ordnungs- und Speziesmerkmale handeln.
bereits im Ei. zum mindesten im befruchteten Ei bestimmt ist und der H. A.
durch ursächlich unbekannte Störungen des physiologischen Geschlechts-
impulses zuwege kommen soll, als „ebenso einfach wie unzureichend“ ab-
eelehnt.
', Vergleiche auch die Bedeutung der Bastardierungsversuche bei
Kammerer (50).
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 223
Diese Anschauung wird um so mehr auf ihre tatsächliche Be-
rechtigung zu erproben sein, als ja gerade Tandler und Grosz,
wie Steinach, auch einen H. A. der interstitiellen Sexualdrüse
für möglich halten. also gerade derjenigen Anteile der Gonaden,
die in spezifischer Weise die Sexualcharaktere in ihrer Ausbildung
fördern, die des anderen Geschlechts hemmen (Steinach). Dass
andererseits die innere Sexualdrüse in manchen Fällen, z. B. bei
H. A. verus, ganz fehlt, habe ich oben erwähnt.
Stehen danach eigentlich alle Fragen, die über den blossen
Begriff einer Missbildung als solcher hinausgehen, in der Genese
und theoretischen Beurteilung des pathologischen H. A. auf einem
bisher unsicheren und schwankenden Boden, so muss um so nach-
drücklicher auf eine schon oben gestreifte Tatsache allge-
meiner Bedeutung hingewiesen werden, die sich aus der
anatomischen Erforschung des H. A. der Säuger und des Menschen
und insbesondere aus der nunmehr unzweifelhaften Sicherstellung
des H. A. verus für Säuger und Mensch in aller Deutlichkeit ergibt.
Ich möchte sie als die anatomische Reihenbildung des
pathologischen Hermaphroditismus charakterisieren.
Stellen wir die gut untersuchten gesicherten Fälle des H. A.
verus beim Säugetier und Menschen neben die Fälle von Ps. H. A..
so erhalten wir für die genitale Missbildung im engeren Sinne
eine lückenlose morphologische Reihe. Sie leitet einerseits von
der Norm zu den leichtesten Graden des H. A. verus hinüber,
in denen die andersgeschlechtliehe Keimdrüse als unbedeutendes.
„verstecktes“, unter Umständen lediglich mikroskopisches Ein-
sprengsel erscheint. Sie führt von hier zu den schweren voll-
kommenen Formen des wahren Hermaphroditismus mit bisexneller
Ausbildung der Keimdrüsen und der hiermit gesetzmässig kom-
binierten hermaphroditischen Mischung des gesamten genitalen
Subsidiärapparates bis zu dem Gipfel der Reihe, den der Herm-
aphroditismus verus mit germinalen Greschlechtszellen in der
männlichen und weiblichen Keimdrüse (Fall Sal&en) einnimmt.
Von diesem dann unmittelbar zu den Formen des schwersten
vollkommenen Pseudohermaphroditismus, die bei einfachen
Geschlechtsdrüsen in allem Übrigen anatomisch das genaue Spiegel-
bild der schwersten Art des wahren Hermaphroditismus sind, um
schliesslich von diesen in verschiedenen Abstufungen über die Fälle
von Hypospadie und Klitorishypertrophie zur Norm abzuklingen.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 15
224 Ludwig Pick:
Im Besonderen ist, wie dies Sauerbeck gezeigt hat, der
H. A. verus der Säugetiere (des Schweines), bei dem der Grössen-
index des ovariellen Anteils der Keimdrüse in allen Abstufungen
schwankt. mit dem kompletten männlichen Ps. H. A. des Schweines
von einer „geradezu verblüfftenden Ähnlichkeit“, die sich sogar
auf besonders auffällige Abweichungen, wie die Pseudosamen-
bläschen der Samenleiter. erstreckt.') Und auch für den Menschen
gehen die anatomischen Befunde beim H. A. verus und dem
Ps. H.A. insofern parallel, als die Anomalien der subsidiären äusseren
und inneren Teile hier wie dort in verschiedener Intensität und
Kombination zu treffen sind. Man erhält mit anderen Worten die
Formen des Ps. H. A. aus denen des H. A. verus durch einfache
Subtraktion der zwitterigen Anteile der Keimdrüsen.
Ferner: es erscheint eine nicht geringe Zahl „zweifelhafter“
Fälle von H. A. verus bei Mensch und Tier — sie sind in der
Sauerbeckschen Synopsis”) und Kritik eingehend gewürdigt —,
in denen Hypoplasie,. Atrophie oder Atypie einer der beiden Ge-
schlechtsdrüsen eine sichere Beurteilung erschwert oder unmöglich
macht. Sie sind morphologisch unsichere Grenzformen von H. A.
verus und Ps. H. A., ebenso wie der männliche oder weibliche
Ps. H. A. durch Hypoplasie oder atypische Struktur der Keim-
drüsen in ihren verschiedenen Graden zum neutrum genus
Virchows mit undefinierbaren Keimdrüsen hinüberführt.?)
Es lassen sich, wenn man will. auch diese Fälle, die un-
detinierbare Geschlechtsdrüsen, eventuell neben einer charak-
teristischen, mit hermaphroditischen alkzidentalen Charakteren
kombinieren. in einer der ersten gleichsam parallelen Reihe
nebeneinander stellen. Oder man kann sie, wie eben angedeutet, zu
einem Teil als wahrscheinliche Übergangsformen des H. A. verus
und Ps. H. A. in die erste Reihe einschalten, zum anderen Teil als
Übergänge des Ps. H. A. nicht zur Norm, sondern zur anatomisch
echten Asexualität als einen Abzweig an jene Reihe anfügen.
Die verschiedenen Glieder dieser Reihe schliessen sich über-
dies noch viel dichter, wenn man, was ohne besondere Bedenken
!, Vergl. bei Sauerbeck, S. 697/95, 864, 869, 870 und Tabelle XIU.
>, l. e. Tabelle IV und V, Zweitelhafte Fälle von Hermaphroditismus
verus beim Tier bezw. beim Menschen; vgl. auch die menschlichen Fälle III— VII
der Tabelle Ill.
Von diesem leiten dann wieder alle Stadien bis zu völliger Anorchidie
oder Anovarie (vergl. dazu Kermauner |33c]).
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 225
geschehen kann, als richtig unterstellt, dass genaueste und voll-
kommenste mikroskopische Untersuchung der Geschlechtsdrüsen
insbesondere beim männlichen Ps. H. A. noch viel häufiger ovarielle
Einsprengsel aufdecken würde,!) oder wenn man die bereits oben
gestreifte Annahme zulässt, dass in manchen (vielen ? allen ?) Fällen
von Ps. H. A. in gewissen frühen Perioden auch heterosexuelles
Keimdrüsengewebe vorhanden war und erst durch spätere Rück-
bildungsprozesse verschwand.
Wie dem auch sei, die geschlossene anatomische Reihe des H.A.
weist darauf, dass wir in den Formen des H. A. verus und Ps. H. A.
lediglich verschieden geartete Grade der nämlichen Abweichung
von der Norm zu sehen haben, dass sie alle Produkte einer wie
auch immer beschaffenen und begründeten, aber in ihrem Wesen
einheitlichen, nur verschieden abgestuften Missbildung, einer
wenigstens im rein objektiven Sinn „hermaphroditischen“ Bildungs-
tendenz darstellen. Sie erreicht ihren unzweifelhaften Ausdruck
und Höhepunkt in der Produktion bisexueller Keimdrüsen mit
spezifischen männlichen und weiblichen Geschlechtszellen.
Irgend eine (regensätzlichkeit zwischen H. A. verus und
Ps. H. A. aufzustellen, den H. A. verus von dem Ps. H. A. irgend-
wie abzuscheiden, diesen, zumal ohne Rücksicht auf das Verhalten
der extragenitalen, sei es nun echt heterosexuellen oder der
„Speziesform“ entsprechenden Sexualcharaktere ?), als lokale,
mechanisch begründete Missbildung der (renitalorgane zu be-
anspruchen (Kermauner), erscheint mir bei dieser Lage der
Dinge undiskutabel.”)
') So sind auch wohl die verschiedenen Formen des H. A. verus bilateralis,
unilateralis oder lateralis durch geschlossene Übergänge verbunden. Unser
Fall V demonstriert in diesem Sinn aufs Schönste den anatomischen Übergang
des H. A. verus lateralis zum H. A verus unilateralis.
?) Auch wenn sie (Kermauner [33b|, S. 459 und 460) „wahrscheinlich
von der Hypophyse oder Zirbeldrüse mindestens ebensosehr beeinflusst werden
können, wie von der Keimdrüse“. können sie doch für die Theorie der Genese
des H. A. nicht einfach unberücksichtigt bleiben.
3) Vergl. auch v. Neugebauer (8.57), der, wie Virchow, jede Erklärung
des H. A. aus einer lokalen (mechanischen) Entwicklungsanomalie der Urogenital-
organe energisch ablehnt. Der H. A. ist überdies oft Teilerscheinung einer allge-
meinen Missbildung, die weit über das eigentliche genitale Gebiet hinausgreift
und ein Multiplum von Organen und Organsystemen umfassen kann (siehe bei
v. Neugebauer, Tabelle V,Koincidenz des H. A. mit anderen Missbildungen [49],
S. 660663); das weist auf eine allgemeine „zentrale“ Störung der Anlage.
15*
2.26 Ludwig Pick:
Es mag sein, dass die Abgrenzung speziell der auf die
äusseren Genitalien beschränkten hermaphroditischen Missbildungen
gegenüber den „zufällig“ aus rein lokalen Gründen (amniotischen
Verwachsungen oder dergl.) entstandenen Spalt- oder Hemmungs-
bildungen am Genitale, dem „Pseudo-Pseudohermaphroditismus“ ').
unter Umständen auf Schwierigkeiten stösst. Und es sei gewiss
zugegeben, dass das Verhalten der akzidentalen extragenitalen
Charaktere. das ja, wenigstens wohl zu einem Teil, in letzter
Linie auf die besondere. morphologisch vor der Hand nicht weiter
zu präzisierende innersekretorische Artung der Gonaden zurück-
zuführen ist und von den oben entwickelten Gesichtspunkten aus
noch weiter festzustellen sein wird, bei den einzelnen Gliedern
der Reihe keineswegs immer in genau der nämlichen Form wieder-
kehrt. Jedenfalls aber möchte ich mit Sanerbeck auch im
ätiologischen Sinne an der Wesenseinheit aller hermaphroditischen
Formen nicht zweifeln. Allen anatomischen und ätiologischen
Separationsversuchen auf diesem (Gebiet scheint mir, wie die
Dinge jetzt liegen, ein für allemal ein Riegel vorgeschoben.
Als eine besonders interessante Tatsache, die in der Richtung
dieser Anschauung liegt, ist schliesslich auch die Beobachtung
Reuter’s (55) zu nennen. Das Tier (ein 2 Monate altes Schwein),
bei dem Reuter einen H. A. verus lateralis feststellte, stammte
aus einem Wnrf mit zwei Psendohermaphroditen. Auch diese
beiden Tiere hat Reuter genau untersucht. Dasselbe Muttertier
warf später noch einen dritten Pseudohermaphroditen.
Im Falle Sauerbecks von H.A. verus unilateralis sollen
„ähnliche Missbildungen* bei Abkömmlingen desselben Muttertieres
schon früher vorgekommen sein.?) —
!iı Sauerbeck (58!, S. 664 und 832.
?) Siehe auch bei Gudernatsch: angebliche Missbildung am äusseren
(renitale der Schwester des wahren Hermaphroditen.
Dass beim Menschen bisher der Beweis für die Vererbung herm-
aphroditischer Eigenschaften fehlt, wie Gudernatsch meint, ist nicht
zutreffend; vergl. u.a. die von Sauerbeck, 8. 87-71, zitierten Arbeiten
von Brühl und Kaplan und die Angaben v. Neugebauers in Tabelle
UNXVII, 8.689: Ps.H. A. in verschiedenen Formen bei verschiedenen (rene-
rationen und besonders bei Geschwistern: auch bei Zwillingen.
H.Diefenbach (10) veröffentlicht neuerdings den Stammbaum einer
Familie mit „familiärem H.A.“: er beschreibt Zwittertum innerhalb zweier
aufeinander folgender Generationen.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 227
Ich will nicht schliessen, ohne wenigstens kurz die prak-
tische Seite der Frage des wahren H. A. beim Menschen be-
sprochen zu haben.!) Sie ist identisch mit der Frage der Fest-
stellung und Bestimmung des Geschlechts in diesen Fällen, seı
es, dass wie bei Salen und Gudernatsch der Zufall —- wie ge-
wöhnlich in Gestalt einer Operation — die Kenntnis der zwittrigen
Geschlechtsdrüsen verwickelt, sei es, dass wie in den beiden
anderen Fällen von Simon und UÜffreduzzi der ausgesprochene
Haupt- (Simon) oder Nebenzweck (Uffreduzzi) der Operation
(Herniotomie) die definitive (Geschlechtsbestimmung bildet. Diese
Fälle repräsentieren zugleich die vorkommenden anatomischen drei
Hauptmöglichkeiten: 1. H. A. verus germinativus, Hoden und
Ovarium mit spezifischen männlichen und weiblichen Geschlechts-
zellen (Fall Salen): 2. H. A. verus germino-vegetativus, Ovarıum
mit Geschlechtszellen, Hoden ohne Geschlechtszellen (Fall Simon
5}
und Fall Uffreduzzi); 3. sofern man diesen nach der Qualität
des Ovariums anerkennen will, H. A. verus vegetativus, Hoden
und Ovarium ohne sichere Geschlechtszellen. bei Gudernatseh.
Im Fall Sal&n bestand bei dem seit dem 17. Jahre regel-
mässig menstruierten Individuum ausgesprochen weibliches Bewusst-
sein; es hatte passive Coitusversuche unternommen. Umgekehrt
fühlte sich das Individuum im Fall Simon durchaus als Mann
und besass einen auf Frauen gerichteten Geschlechtstrieb. Bei
der innigen Mischung der akzidentalen Geschlechtscharaktere war
der weibliche Typus vorwiegend. Angeblich bestand auch eine
Menstruation. Auch bei Uffreduzzi wurden bei dem 7 jährigen
als Mädchen erzogenen Kinde knabenhafte Neigungen beobachtet.
Im FallGudernatsch wiederum war weder bei dem Individuum
selbst, noch bei seiner Umgebung je ein Zweifel an seiner Weib-
lichkeit aufgetaucht.
Ich will die rein ethische Frage, ob der Arzt verpflichtet
ist, wo er durch den Zufall einer aus anderer Indikation vor-
genommenen ÖOperation von einer bisher verborgenen Anders-
artigkeit der Keimdrüse im Sinne des H. A. Kenntnis erhält, diese
H. Poll (52c) betont, dass Zwittrigkeit in gewissem Maße eine
familiäre Eigentümlichkeit ist und durch Generationen vererbt erscheint. Das
Studium des familiären H.A. kann einer der wichtigsten Schlüssel zu dem
Verständnis der Geschlechtsbildung beim Menschen werden.
1) Vergl. L. Pick (öla und le).
225 Ludwig Pick:
Tatsache dem Patienten oder seiner verantwortlichen Umgebung
mitzuteilen. hier ausschalten. Sie ist oft erörtert und verschieden
beantwortet worden. Vielmehr sei angenommen, dass, sei es aus
pädagogischen, politischen oder rechtlichen (Gründen, eine be-
stimmte Entscheidung gefordert wird und für diesen Zweck die
Freilegung der Geschlechtsdrüsen, Probeexzision und anatomische
Untersuchung gestattet ist.
Man erinnere sich, dass Individuen, deren Keimdrüsen durch
hypoplastische oder atypische Bildung oder durch senile oder
entzündliche Atrophie oder primäre oder sekundäre Geschwulst-
bildungen in ihrer geschlechtsspezifischen Beschaffenheit unkenntlich
geworden sind, im Sinne Virchowsals Neutren (neutrum genus) an-
gesprochen!) werden müssen. Ich habe hier, je nach der besonderen
Ätiologie des Keimdrüsenschwundes, von einem primären oder
sekundären (asexuellen) Neutrum gesprochen, die primäre der sekun-
dären anatomischen Neutralität gegenübergestellt (L. Pick |5la]).
Die Zahl solcher Individuen, die natürlich weder männliche
noch weibliche Pseudohermaphroditen sind — die Keimdrüse ent-
spricht eben keinem bestimmten Sexus —, unter den sei es per
operationem oder nach der Obduktion anatomisch (bezw. mikro-
skopisch) untersuchten Fällen ist gemäss der v. Neugebauerschen
Zusammenstellung übrigens eine „erstaunlich grosse“.
Den anatomischen asexuellen Neutren dieser Gruppe
würden als klinische Neutren oder Neutren im rein prak-
tischen Sinne diejenigen in ihrem Sexus zweifelhaften zeugungs-
unfähigen Individuen gegenüberstehen. die den ihnen vom Gut-
achter vorgeschlagenen Eingriff zur Feststellung ihres Geschlechts
!) Im nämlichen Sinne selbstverständlich auch Individuen bei natürlicher
Kastration, d. h. völliger Anorchidie oder Anovarie. Sie repräsentieren in
Verbindung mit den Zuständen der hypoplastischen oder atypischen, ana-
tomisch uncharakteristischen Keimdrüsen die echte Asexualität.
Die 1. e. von mir aufgeworfene Frage, wieweit bei uncharakteristischeı
Struktur der Keimdrüse oder bei völligem Fehlen (das auch bei Säugetieren
und Vögeln vorkommt: verel. Kermauner) das übrige Genitale samt den
extragenitalen Charakteren rein männlich oder weiblich gefunden werden
könnte, ist, soweit ich sche, noch immer unerlediet. Für die Klassifikation
der keimdrüsenlosen Individuen als Neutren bin ich übrigens seiner-
zeit genau zum nämlichen Schluss gelangt, den Kermauner neuerdings
zieht (l. e.. S. 488 und 494). Kermauner zitiert meine entsprechenden
Angaben nicht.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 22)
ablehnen, bei der allermeist tatsächlich vorhandenen Unmöglichkeit,
nach den rein klinischen Befunden (Abtastung der Keimdrüsen,
C'remasterreflex. Molimina menstrualia, selbst Menstruation) ') bei
einem Hermaphroditen die Art der Keimdrüse irgendwie sicher zu
bestimmen. Sie können an sich sowohl Pseudohermaphroditen.
wie echte Hermaphroditen. wie anatomische Neutren sein.
Diesen anatomischen und klinischen Neutren treten nun die
wahren Hermaphroditen als eine dritte Kategorie der Neutren
zur Seite. Wenn, wie im Fall Salen, die eine der vorhandenen
Keimdrüsen sicher die Geschlechtszellen zur Reifung bringt bezw.
funktioniert — wir finden hier im Eierstocksteil der Zwitterdrüse
alle Entwicklungsstadien der Primärfollikel bis zur vollkommenen
Follikelreifung und Corpora lutea — oder wenn bei H. A. verus
unilateralis wenigstens die Drüse der anderen Seite oder bei
H. A. verus lateralis eine der beiden Drüsen die Geschlechtszellen
reifen lässt bezw. funktioniert (der Regel nach das Ovarium), so
mag vom praktischen Gesichtspunkte aus und dem praktischen
Zwecke entsprechend daraus die Geschlechtszugehörigkeit abge-
leitet werden.
Wie aber, wenn bei einseitig gefundener Zwitterdrüse und un-
bekannter Art der andersseitigen Geschlechtsdrüse keiner der beiden
an sich charakteristischen Zwitterdrüsenanteile Geschlechtszellen zur
zteife bringt (Fall Simon und Gudernatsch: Fall Üffreduzzi bei
7jährigem Kind)? Dann besteht ein anatomisches bisexuelles
Neutrum?) oder ein Neutrum im rein logischen Sinne.)
!) Der seinerzeit berühmte, auch von Virchow demonstrierte Pseudo-
hermaphrodit KatharinaHohmann war nach dem Zeugnis von v. Franque,
v.Scanzoni, v. Recklinghausen und v. Köllicker regelmässig men-
struiert, nichtsdestoweniger aber ein Mann, der einen Sohn zeugte; vorher
waren im Sperma wiederholt, auch durch Virchow, Spermien nachgewiesen
worden; vergl. bei v. Neugebauer (49), S. 565—571.
Unter den rein klinischen Zeichen ist allein der Nachweis von Sperma
absolut beweisend.
?) Siehe auch bei Uffreduzzi (69a); ebenso natürlich, falls auch
auf der anderen Seite eine Zwitterdrüse ohne Geschlechtszellreifung gefunden
wird oder bei H A. unilateralis oder lateralis Geschlechtszellreifung auf
beiden Seiten fehlt.
°) Kermauner hat (33b) als Ersatz für die Bezeichnung Hermaphro-
ditismus verus und Pseudohermaphroditismus, auch für „manche Kryptorchen“,
sowohl im klinischen wie im anatomischen Sinne die Bezeichnung „Sexus
anceps“ befürwortet. Sein Schluss: Da es einen Hermaphroditismus verus (scil.
230 Ludwig Pick:
Wird bei den anatomischen Neutren für die Geschlechts-
bestimmung zu wenig charakteristisches Keimdrüsengewebe ge-
funden, so finden wir davon hier zuviel! Und so ist es nicht
verwunderlich, wenn in der Beschreibung des Falles Simon,
in dem das Individuum die Klinik aufsucht in dem sehnlichen
Wunsche. seinen Körper so umgestaltet zu sehen, dass jeder es
als Mann anerkennen müsse. zwar der Befund der Zwitterdrüse —
tunktionsunfähiger Hoden, nicht funktionierendes Ovarium —
genau beschrieben, aber eine schliessliche Angabe über die
(seschlechtsentscheidung vergeblich gesucht wird. Es gibt in der
Tat keine Überlegung und kein Mittel, diesen Zwiespalt der
Natur, sei es beim asexuellen oder bisexuellen anatomischen
beim Menschen) nicht gibt, braucht auch der gewiss nicht schöne Name des
Pseudohermaphroditismus nicht beibehalten zu werden, fällt ohne weiteres,
da, wie oben gezeigt, die Voraussetzung unhaltbar ist. Auch die Trennung
der Kryptorchen. je nach dem Vorhandensein oder Fehlen von Sexualzellen in
dem sonst geschlechtsspezitisch gebauten Hoden, in männliche und geschlechts-
lose Individuen ist (vergl. oben) unbedingt abzulehnen.
Bei der Prüfung an der Hand der Tatsachen sagt die Bezeichnung
„Sexus anceps“ gegenüber dem alten Virchow schen „Neutrum genus“ nichts
Neues. Zwar könnte „Sexus anceps“ für die Benennung des „klinisch-
praktischen neutrum genus“ gesetzt werden, denn ein Individuum dieser Art
braucht sich nicht notwendig anatomisch als ein asexuelles oder bisexuelles
Neutrum zu erweisen, sondern kann je nach der Art der Keimdrüse als
männlich oder weiblich befunden werden. Aber dann wäre auch wieder die
klinische Bezeichnung als „Sexus anceps* eine unzutreffende, und anderer-
seits weist der Begriff des „klinisch-praktischen Neutrums“ gerade auf die
Möglichkeit einer Korrektur durch die anatomische Untersuchung hin, er-
scheint also in dieser Richtung sicherlich präzis genug.
Bei anatomischer Geschlechtsunsicherheit der Keimdrüse bedeutet
„Sexus anceps androformis*“ oder „gynoformis“ nicht mehr als, je nach dem Vor-
wiegen der akzidentalen Charaktere, mannähnliches oder weibähnliches Neutrum
genus, und bei der Geschlechtssicherheit der Individuen hat die von
Kermauner befürwortete Bezeichnung als Pseudandrie bei männlichem
äusseren Genitale bezw. umgekehrt als Pseudothelia externa, interna oder
completa keinerlei Vorzug vor Pseudohermaphroditismus femininus externus
bezw. Pseudohermaphroditismus masculinus externus, internus und completus.
Gegen die an sich sehr treffenden Bezeichnungen Pseudandrie (Pseudarrhenie)
und Pseudothelie (Benda) für den Pseudohermaphroditismus femininus
externus und masculinus externus soll damit Nichts gesagt sein.
Vollends aber liegt kein Grund vor, bei Probeexzisionen aus der Keim-
drüse, speziell auch aus dem Hoden „mancher Kryptorchen‘“, nur bei Anwesen-
heit von Keimzellen die Männlichkeit anzuerkennen. Die Gründe, die wegen
diese Auffassung sprechen, habe ich oben (Abschnitt T) eingehend entwickelt.
= Sn :
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 251
Neutrum genus, zu lösen, und nur die Seltenheit dieser Vor-
kommnisse vermag hier den oftenkundigen Mangel unserer prak-
tischen ärztlichen Kunst einigermassen auszugleichen.
Teil’ VIE
Allgemeine Zusammenfassung der Ergebnisse.')
F.
Der pathologische (sporadische oder teratologische) Herm-
aphroditismus verus der Säuger und des Menschen bedeutet die
Kombination männlicher und weiblicher Geschlechtsdrüsen (Gonaden)
in einunddemselben Individuum. Er ist in diesem Sinne identisch
mit dem glandulären. Dabei ist weder die räumliche Trennung
der Gonaden noch die gleichzeitige Funktion bezw. Reife der
männlichen und weiblichen Keimzellen noch überhaupt das Vor-
kommen der Gameten beiderlei Art bezw. ihrer geschlechts-
spezifischen Vorstufen (Gametogonien, (rametozyten) unerlässlich.
Es genügt die charakteristische organspezifische Struktur der Keim-
drüsen. Neben einem Eizellen führenden Eierstock (über die bisher
bekannten sicheren Fälle bei Säugetier und Mensch vergl. These IV)
muss also ein Hoden auch dann als solcher gelten. wenn er ledig-
lich aus Hodenkanälchen und Zwischenzellen besteht.
Das Nämliche eilt für die mit den männlichen Keimdrüsen
des Hermaphroditismus verus vollkommen übereinstimmenden
Keimdrüsen des männlichen Pseudohermaphroditismus und des
Kryptorchen.
1.
Die Tatsachen, dass gelegentlich im retinierten Hoden des
Pseudohermaphroditen wie im Hoden des Krvptorchen bei Mensch
und Säugetier vollkommene Spermatogenese oder im Hoden kind-
licher Kryptorchen (eventuell degenerierende) männliche Greschlechts-
zellen angetroffen werden, lassen auf einen ursprünglichen, später
schwindenden Bestand an Keimzellen auch in den keimzellosen
Hoden der Pseudohermaphroditen und Kryptorchen schliessen. Sie
zeigen schon von diesem Gesichtspunkte aus die Unhaltbarkeit
der Auffassung (z. B. bei Kermauner) sonst durchaus charakte-
ristischer, aber keine Keimzellen führender Hoden als sexuell
indifferenter (rebilde.
5 ı) Für die Ergebnisse der morphologischen Gesetzmässigkeiten beim
Hermaphroditismus verus der Säuger und des Menschen verweise ich auf
die durch Sperrdruck hervorgehobenen Sätze des Teiles IV.
[865]
©»
185)
Ludwie Pick:
a0
Der wahre Hermaphroditismus des Menschen und der Säuge-
tiere ist als ein rein germinaler (essentialer) bei doppelten Gameten
(reifen Keimzellen, Gametogonien, (ametozyten), als vegetativ-
germinaler (Hoden ohne, Ovarium mit germinalen Geschlechts-
zellen oder umgekehrt) oder auch als rein vegetativer möglich,
sofern neben einem keimzellenlosen Hoden auch eine Keimdrüse mit
Mark und Rinde, charakteristischem ovariellen Rindenstroma und
Keimepithel bei fraglichen germinalen (Geschlechtszellen (Fall
(sudernatsch) als Ovarinm anerkannt wird. Die Unterschiede
zwischen diesen Formen sind lediglich graduelle.
Die (Greschlechtsspezitität des innersekretorischen Anteils der
Keimdrüse in Verbindung mit seiner Bedeutung für die Aus-
bildung mindestens eines Teiles der akzidentalen extragenitalen
(reschlechtsmerkmale weist gegenüber den genannten drei Formen
des Hermaphroditismus verus des generativen Keimdrüsenabschnitts
auf die Möglichkeit eines Hermaphroditismus der innersekre-
torischen Sexualdrüsenanteile: Hoden mit weiblicher, . Ovarıum
mit männlicher interstitieller Drüse (Steinach. Tandler und
(17082). Diese vor der Hand rein theoretische besondere Form
eines Hermaphroditismus (verus ?) würde über das bisherige rein
deskriptiv gehaltene System des Hermaphroditismus in kausal-
funktionellem Sinne hinausgreifen, der Pseudohermaphroditismus
möglicherweise mehr oder weniger in ihr aufgehen können.
IV.
Die bisher bekannten sicheren Fälle von Hermaphroditismus
verus des Säugetiers (des Schweines ; vergl. bei Sauerbeck 6 Fälle
nebst einem eigenen: dazu unsere neuen 5 Fälle) und die sicheren
Fälle (Simon und Uffreduzzi) von Hermaphroditismus verus des
Menschen gehören sämtlich zu der vegetativ-germinalen Form (betr.
des vegetativen Hermaphroditismus verus im Falle Gudernatsch
vergl. These III).
Die gleichzeitige Kombination der männlichen und weib-
lichen Keimdrüse auf derselben Seite eines Zwitters stellt sich
ausnahmslos in Form des Ovotestis dar, entweder doppelseitig als
Hermaphroditismus verus bilateralis oder einseitig als Herm-
aphroditismus verus unilateralis, oder es findet sich Hoden der
einen. Ovarium der anderen Seite: Hermaphroditismus verus
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 233
lateralis. Für das Schwein ist unter den drei Formen der Herm-
aphroditismus verus bilateralis am häufigsten. Das Ovarium, das
stets Fizellen führt. kann zu voller Reife gelangen: der Hoden
enthält keine Geschlechtszellen (vergl. auch These ]).
Aus allerkleinsten heterosexuellen, männlichen Einsprengungen
des (menschlichen) Eierstocksstromas können bei sonst normalem
Genitale und überhaupt ausschliesslich weiblichen akzidentalen
Sexualcharakteren reine tubuläre Adenome hervorgehen (Verf.).
Sie decken sich bis in die allerfeinsten Details mit reinen tubu-
lären Adenomen, die in den atrophischen (menschlichen) Hoden
bei Pseudohermaphroditismus oder bei Ektopia testis vorkommen
und, wie unzweifelhaft festgestellt ist (Verf, E. Kaufmann),
von Samenkanälchen ihren Ursprung nehmen.
Erstere sind demgemäss testikuläre Adenome des
Ovariums und gehören zum (rebiet des Hermaphroditismus verus
im Allgemeinen, zum Gebiet der Geschwulstbildungen der Keim-
drüsen bei Hermaphroditismus im Besonderen.
V.
Es gibt, wie unsere obigen histologischen Untersuchungen
des Falles Salen erweisen, für den Menschen auch einen germi-
nalen wahren Hermaphroditismus. Er besteht hier als Herm-
aphroditismus verus unilateralis: das Ovarıum des rechtsseitigen
Ovotestis ist zu voller Reife (Funktion?) gelangt: in den Kanälchen
des Hodenteils finden sich stellenweise zweifellose männliche
Geschlechtszellen (Archispermiozyten bezw. Spermatogonien ent-
sprechende Formen).
VI
Für die (renese des teratologischen Hermaphroditismus verus
und des Pseudohermaphroditismus der Säuger und des Menschen
stehen die Theorien zur Zeit sich unvermittelt gegenüber. So
wird der Hermaphroditismus verus einerseits als atavistische
Bildungshemmung (Sauerbeck) charakterisiert, der Pseudo-
hermaphroditismus eventuell als ursprünglicher Hermaphroditismus
mit späterem Schwund des andersgeschlechtlichen Drüsengewebes.
Andererseits wird Hermaphroditismus verus wie Pseudohermaphro-
ditismus, unter ausdrücklicher Ablehnung des physiologischen
Hermaphroditismus als primitive Sexualform der Metazoen. als
eine Missbildung primae formationis völlig unbestimmter Ent-
DD
u
ro
Ludwig Pick:
stehung (Tandler und Grosz) aufgefasst. Oder es wird der
Pseudohermaphroditismus von dem in seiner Existenz bezweifelten
oder geleugneten wahren Hermaphroditismus vollkommen ab-
getrennt und als rein lokal-mechanisch entstehende Genitalmiss-
bildung beansprucht (Kermauner).
DieseTrennung, wie überhaupt jede gegensätzliche Gruppierung
von teratologischem Hermaphroditismus und Pseudohermaphroditis-
mus ist ungerechtfertigt mit Rücksicht auf die pathologisch-ana-
tomischen Ergebnisse. Es besteht für die genitale Abweichung
eine lückenlose morphologische Reihe, die von der Norm über
den Hermaphroditismus verus und den Pseudohermaphroditismus
wieder zur Norm abklingt und alle morphologischen Zwischenstufen
bei Säugetier und Mensch vollkommen geschlossen darstellt. So
erscheinen alle Abarten des Hermaphroditismus verus und Pseudo-
hermaphroditismus als Produkte einer wie auch immer gearteten
und begründeten, aber in ihrem Wesen einheitlichen, lediglich
verschieden abgestuften Missbildung (vergl. auch Sauerbeck).
Für die ätiologische Zusammengehörigkeit der echten Herm-
aphroditen und der Pseudohermaphroditen spricht auch die ge-
legentliche Kombination derartiger Individuen in einunddemselben
Wurf eines Muttertieres (beim Schwein beobachtet von Reuter).
v1.
Die Festsetzung der (Greschlechtszugehörigkeit eines Indi-
viduums bei anatomisch gesichertem Hermaphroditismus verus
kann, falls einer der beiden Anteile der Zwitterdrüse (Ovarıum
im Fall Salen) oder bei H. A. verus unilateralis wenigstens die
(reschlechtsdrüse der anderen Seite oder bei H. A. verus lateralis
eine der beiden Keimdrüsen funktioniert oder (Geschlechtszellen
zur heifung bringt, vom praktischen Gesichtspunkte aus nach
dieser Keimdrüse erfolgen. Sind beide Anteile einer Zwitter-
drüse beim Erwachsenen (Simon, Gudernatsch) oder beim Kind
(Uffreduzzi) ausser Funktion bezw. ohne reife Sexualzellen und
ist der Zustand der andersseitigen (reschlechtsdrüse nicht bekannt,
so fehlt jede Handhabe für die Bestimmung des Geschlechts.
Neben Individuen, deren Keimdrüsen primär durch Hypoplasie
oder Atypie oder sekundär durch Atrophie oder (Geschwulstbildung
unkenntlich wurden, den anatomischen asexuellen Neutren im Sinne
Virehows, und neben denjenigen (spermalosen) Pseudohermaphro-
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete. 233
diten und echten Hermaphroditen, bei denen mangels anatomischer
Kenntnis der Keimdrüsenbeschaffenheit das Geschlecht unbestimmt
bleiben muss, den praktisch-klinischen Neutren, stellen die Individuen
mit doppelten Keimdrüsen ohne reifende bezw. funktionierende Sexual-
zellen die dritte Gruppe, die anatomischen bisexuellen Neutren. dar.
Die von Kermauner vorgeschlagene Bezeichnung „Sexus
anceps“ für den Hermaphroditismus verus, den Pseudoherm-
aphroditismus und für manche Kryptorchen entbehrt der theore-
tischen Berechtigung. In praktischer Beziehung leistet sie nicht
mehr als die alte von Virchow eingeführte Benennung
„neutrum genus“.
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40.
41.
49.
Uber den wahren Hermaphroditismus des Menschen ete 23%
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Sk
or
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68.
69.
=]
IV
. arte 920
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Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX— XII.
Tafel IX.
Makroskopische (verkleinerte) ') Darstellung der Durchschnitte durch die
Zwitterdrüsen von Fall I (linksseitig), Fall II (rechtsseitig), Fall III (rechts-
seitig), Fall IV (linksseitig).
0 — ÖOvarium. fl = Follikel.
m — Markteil des Ovariums. cl = Corpora lutea.
h —= Hoden. fe —= Follikelzyste.
cH = Corpus Highmori.
!) Betr. der Originalmabe vergl. Text in Teil II.
Archiv f. mikr. Anat. Bd.84. Abt. II. 16
240
Fig. 1.
Fig. 3
Fig. 13
Hose)
Fig. 8
Fig. 9
Ludwig Pick:
Grenzgebiet von Ovarium und Hoden der Zwitterdrüse des Falles I.
Färbung mit Hämalaun-Eosin. Leitz, Ok.1, Obj. 3.
cl = Corpus luteum.
ao — Albuginea ovarii.
wfei —= wachsender Follikel mit Eizellen.
at — Albuginea testis.
zw — Zwischenzellen.
hk = Hodenkanälchen.
Hodenkanälchen (rechts) des Falles V. Hämalaun-Eosin. Leitz,
0k73.05722:
hk = Hodenkanälchen.
mpr — Membrana propria.
zw — Zwischenzellen.
ble — Blutkapillaren.
Aus dem Hodenteil der Zwitterdrüse des Falles Ernst Salen.
Hodenkanälchen mit Geschlechtszellen, nach einem vom Verfasser
mit Hämalaun-Eosin umgefärbten (vorher mit Thionin gefärbten)
Originalpräparat von Ernst Salen.
a) Längsschnitt \ a
x { ß > der Hodenkanälchen.
b) Querschnitt
kfz — Kerne der Follikelzellen.
gz — Geschlechtszellen.
str — Stroma.
Tafel X.
Rindenteil des Ovariums (links) des Falles V. Hämalaun-Eosin.
Leitz, Ok.1, Obj. 3 (aus Fig. 4 auf Taf. XI bei stärkerer Ver-
grösserung).
ke —= Keimepithel.
str = Stroma.
blg — Blutgefässe.
vhk — versprengtes Hodenkanälchen.
zw — Zwischenzellen.
Grenze von Ovarium und Hoden der Zwitterdrüse des Falles Ernst
Sal&n. Originalzeichnung von Ernst Salen. Hartnack,
Ok. 3, Obj. 4.
hk —= Hodenkanälchen.
hstr — Hodenstroma.
Grf = Graafsches Follikel.
atr — atresierender Follikel.
ostr — ÖOvarialstroma.
Ein typischer Graafscher Follikel aus dem Ovarialteil (o‘) der
Zwitterdrüse des Falles Ernst Saldn. Originalzeichnung von
Ernst Sale&en. Hartnack, Ok. 2, Obj.7.
ov — Ovulum.
mgr — Membrana granulosa.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
14.
138
12.
6.
Über den wahren Hermaphroditismus des Menschen etc. 241
str — Eierstocksstroma.
bvfl — beginnende Verflüssigung
der Membrana granulosa.
Aus einem tubulären Adenom des Hodens bei Pseudohermaphro-
ditismus masculinus completus (Fall Unger-Pick). Hämalaun-
Eosin. Leitz, Ok.1, Obj. 3.
t — gewundene drehrunde Kanälchen.
str — Stroma.
Vollkommenste Identität mit Fig. 15.
er
n
Adenoma testiculare ovarii des Falles Barbara Z. (L. Pick).
Hämalaun-Eosin, Ok. 1, Obj.3. t und str wie in Fig. 14.
Vollkommenste Identität mit Fig. 14.
Tafel XI.
Querschnitt des Sinus urogenitalis des Falles II. Hämalaun-Eosin.
Vergrösserung fast 6fach.
pdpr — Pars disseminata prostatae.
cc — Bluträume der Corpora cavernosa.
mur — Urethralmuskel.
Rindenteil des Ovariums (links) des Falles V. Hämalaun-Eosin.
Tre1t2,0& 1, 0bj. 1.
el — Corpus luteum.
vhk und vhk' — versprengte Hodenkanälchen.
ble — Blutgefässe.
str — Stroma.
Hodenteil der Zwitterdrüse des Falles Ernst Sal@n. Original-
zeichnung von Ernst Sal&n. Hartnack, Ok. 2, Obj. 4.
at — Albuginea testis.
hk —= Hodenkanälchen.
zw — Zwischenzellen.
str — Stroma.
Hodenteil der Zwitterdrüse des Falles Ernst Sal&n. Hartnack,
Ok. 3, Obj. 4. Nach einer Originalzeichnung von Ernst Sal6n.
tı — Typus 1 der Hodenkanälchen (Plasmodium).
t: — Typus 2 der Hodenkanälchen (starke Vakuolisierung).
ts — Typus 3 der Hodenkanälchen: hochzylindrische (zum Teil
gut getrennte) Elemente.
str = Stroma.
blg = Blutgefässe.
Tafel XII.
Ovotestis des Falles Ernst Salen. Originalzeichnung in natür-
licher Grösse nach dem frischen Präparat von Ernst Salen.
rot — rechtsseitiger Ovotestis von beiden Flächen gesehen.
drot — rechtsseitiger Ovotestis im Durchschnitt.
lo — linksseitiges etwas atrophisches Ovarium.
16*
242 Ludwig Pick: Über den wahren Hermaphroditismus ete.
Fig. 7. Durchschnitt durch die Zwitterdrüse des Falles Ernst Salen.
Hämalaun-Eosin. Vergrösserung etwas mehr als 4fach. Original-
zeichnung von Ernst Salen.
o und 0‘ — Ovarialteil.
h — Hodenteil.
at — Albuginea testis.
hk — Hodenkanälchen:; angedeutete Septierung.
rt = Rete testis.
fe und fe‘ = Follikelzysten.
cl = ziemlich frisches Corpus luteum.
Fig. 10. Rete testis und angrenzende Hodenkanälchen aus dem Hodenteil
der Zwitterdrüse des Falles Ernst Sal&n. van Gieson. „Mittlere
Vergrösserung, Ok. 3, Obj. 4.“ Originalzeichnung von Ernst Salen.
rt — Rete testis.
str — faserreiches Stroma.
hk — Hodenkanälchen.
mpr —= Membrana propria in hyaliner Umwandlung.
str‘ — mehr lockeres Stroma.
Tafel XII.
Halbschematische Darstellung des inneren Genitale unserer Fälle IV (vergl.
Teil II) von Hermaphroditismus verus beim Schwein. Es bedeuten:
ut — Uterus. t.— Tube.
uh — Uterushorn. rt —= rechte Tube.
ruh — rechtes Uterushorn. lt = linke Tube.
luh — linkes Uterushorn. hys — Hydrosalpinx.
pym — Pyometra. pssa — Pscudosamenblasen.
va — Vagina. ıpssa — rechte Pseudosamenblase.
h = Hoden. sh — Gubernaculum Hunteri,
o — ÖOvarium. Ir = Ligamentum rotundum.
nh — Nebenhoden. hb — Harnblase.
ınh — rechter Nebenhoden. wur —= weibliche Urethra.
Inh — linker Nebenhoden. ppl = Pars pelvina urethrae.
Gd — Vas deferens. um —= Urethralmündune.
w = Wulst am Vas deferens. sug — Sinus urogenitalis.
Für das Maß der Verkleinerung gegenüber dem Original vergl. die im
Text (Teil II) allerwärts gegebenen Originalmaße.
Bezüglich der Textfig. 1, 2 und 3 vergl. die Buchstabenerklärung im
Text; sie geben halbschematische bezw. schematische Darstellungen der
anatomischen Befunde am Genitale unserer eigenen Fälle II—-IV von Herm-
aphroditismus verus beim Schwein.
Die Textfig. 4 und 5 sind zeichnerische Kopien Ernst Sal&nscher
Originalaufnahmen des echten Zwitters Augusta P.
Fig. 4 gibt eine Photographie des Oberkörpers, Fig. 5 die Photographie
des äusseren (enitale.
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Archiv Fmikroskop. Anatomie Bd. LXXXV, Abt.
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