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Full text of "Archiv für mikroskopische Anatomie"

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ARCHIV 


für 


Mikroskopische Anatomie 


I. Abteilung 
für vergleichende und experimentelle 
Histologie und Entwicklungsgeschichte 
II. Abteilung 
für Zeugungs- und Vererbungsiehre 


herausgegeben 
von 


O. Hertwig und W. Waldeyer 


in Berlin 


Siebenundachizigster Band 
I. Abteilung 
Mit 5 Tafeln und 22 Textfiguren 


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BONN 
Verlag von Friedrich Cohen 


1916 


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Abteilung I. 


Erstes Heft. Ausgegeben am 12. Mai 1915. 


Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien. III. Mit- 
teilung. Von Dr. Paul Lang, Assistent des Biologischen 
Laboratoriums der Universität Bonn. Hierzu 9 Textfiguren . 

Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies von 
Filaria papillosa.. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu 
Tafel I-IV.. 


Zweites Heft. Ausgegeben am 12. Juli 1915. 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel (Mytilus edulis L.). 
Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu Tafel V. 


Viertes Heft. Ausgegeben am 20. Januar 1916. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung von halbkernigen 
Triton- und Fischembryonen. Von Paula Hertwig. (Aus 
dem Anatomisch-biologischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel 
VI—VIH und 13 Textfiguren . a 

Literarische Rundschau: Die Leistungen der Zeilen hei 1 Brtwieklung 
der Metazoen. Von Dr. Julius Schaxel, Jena 


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Seite 


47 


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Experimentelle und histologische Studien 
an Turbellarien. 


Ill. Mitteilung. 


Von 


Dr. Paul Lang 
Assistent des Biologischen Laboratoriums der Universität Bonn. 


Hierzu 9 Texttiguren. 


1. Fortgesetzte Untersuchung über den hetero- 
morphen Kopf der Planaria polychroa Schm. 
a) Ein „heteromorpher“ Kopf II. Ordnung. 

Eine wesentliche Frage, die für die Ergründung der Be- 
deutung des „heteromorphen“ Kopfes in Betracht kommt, ist 
diese: Verhält sich der „heteromorphe“ Kopf der Planarien genau 
so wie der normale Kopf, ist er diesem in jeder Beziehung gleich- 
wertig? Wie steht es insbesondere mit der Regeneration des 
„heteromorphen“ Kopfes? Wird er, wenn man ihn von dem alten 
Kopf abtrennt, einen Schwanz regenerieren, oder verhält er sich 
wie der normale Kopf und erzeugt wieder einen „heteromorphen“ 
Kopf? 

Das nicht leichte Experiment wurde im August und Sep- 
tember 1913 zu Wissen (Sieg) ausgeführt. Die Planarien (Planaria 
polychroa Schm.) stammten aus dem Botanischen Garten zu Bonn. 

Es folgen die aufgenommenen Protokolle im Auszug. 

19. August: 70 Planaria polychroa geköpft (Textfig. 1). 

27. August: Einige Köpfe haben feine „heteromorphe“ 
Augen: wir nennen sie kurz „heteromorphe Köpfe“. 

29. August: 7 heteromorphe Köpfe I. Ordnung werden in 
der Mitte zwischen den normalen und den heteromorphen Augen 
quer halbiert (Textfig. 2); dadurch entsteht je ein „normaler“ 
und ein „heteromorpher Kopf I. Ordnung“. 

30. August: Die heteromorphen Köpfe I. Ordnung bewegen 
sich in Richtung des Pfeiles (Fig. 3), also in umgekehrter Richtung 
wie der normale Kopf. Weitere „heteromorphe Köpfe“ werden 


quer halbiert. 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt. IL 1 


IND 


Paul Lang: 


31. August: Die heteromorphen Augen einiger heteromorpher 
Köpfe I. Ordnung sind grösser geworden: an der Schnittfläche, 
mit der dieser Kopf an den normalen Kopf anstiess, hat sich ein 
Regenerationskegel entwickelt, wie er gewöhnlich bei Regene- 
rationen an Planarien auftritt. 

Weitere heteromorphe Köpfe auer halbiert. Darunter ist 
ein Kopf, an dem überhaupt noch keine heteromorphen Augen 
zu sehen sind, der also nur die zwei normalen Augen besitzt. 

2. September: Alle heteromorphen Köpfe I. Ordnung be- 
wegen sich in der Richtung des Pfeiles (Fig. 3). Auch der hetero- 
morphe Kopf I. Ordnung, bei dem noch keine heteromorphen 
Augen entwickelt waren, der also überhaupt noch augenlos ist, 
bewegt sich schon in dieser Richtung. Die Köpfe haben alle an 
der Schnittfläche einen hegenerationskegel entwickelt. 

3. September: Die heteromorphen Augen sind grösser ge- 
worden und haben einen deutlichen hellen Hof entwickelt. 

5. September: Die Bewegungsrichtung der heteromorphen 
Köpfe I. Ordnung wird unbestimmter,. wie es sonst bei den ge- 
wöhnlichen heteromorphen Doppelköpfen der Fall ist. Die zum 
zweiten Male abgeschnittenen normalen Köpfe verhalten sich in 
derselben Weise wie nach der ersten Operation. 


1 2 6) 4 


Fig. 1—4. 


6. September: Einer der grösseren heteromorphen Köpfe 
I. Ordnung hat in dem hinteren Regenerat zwei Augen entwickelt; 
wir wollen sie „heteromorphe Augen II. Ordnung“ nennen (Fig. 4). 
Der Regenerationskegel vom 31. August hat sich zu einem Kopf 
entwickelt, den wir „heteromorpher Kopf II. Ordnung“ nennen 
(Fig. 4 oben). Unter dem Mikroskop kann man beobachten, dass 
der Kopf sich nach beiden Richtungen hin bewegt, wie die Pfeile 
andeuten. 

Der heteromorphe Kopf I. Ordnung verhält sich demnach 
in bezug auf die Regeneration in gleicher Weise wie der normale 


o 


Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien. 


Kopf. Wiederholen wir kurz den Tatbestand an Hand der Figuren 
1-4. Wird der Kopf einer Planarie dicht hinter den Augen 
abgeschnitten. so bewegt sich der abgeschnittene Kopf in der 
alten Richtung nach vorn (Fig. 1). Es bildet sich hinten an der 
Schnittfläche ein hegenerationskegel, der nach und nach grösser 
wird und sich zu einem Kopf. dem heteromorphen Kopf I. Ordnung, 
entwickelt. In diesem Kopf treten zwei Augen (bezw. noch zwei 
Nebenaugen), ein Gehirn (siehe unten) und Darmverästelungen 
auf (Fig. 2). Wird dieser heteromorphe Kopf I. Ordnung grösser, 
so macht sich neben der alten Bewegung des normalen Kopfes 
nach vorn (oberer Pfeil) noch eine Eigenbewegung des hetero- 
morphen Kopfes I. Ordnung nach hinten (unterer Pfeil) geltend. 
Je mehr der heteromorphe Kopf I. Ordnung wächst. um so be- 
deutsamer macht sich diese Eigenbewegung als Komponente der 
Gesamtbewegung des Doppelkopfes geltend. Während zunächst 
der abgeschnittene Kopf sehr schnell aus dem Greesichtsfelde des 
Mikroskopes verschwindet, wird es dem Doppelkopfe um so 
schwerer, sich vorwärts zu bewegen, je mehr der heteromorphe 
Kopf I. Ordnung wächst, bis sich schliesslich beide Komponenten 
die Wage halten. 

Schneidet man dann die beiden Köpfe durch einen (Quer- 
schnitt auseinander, so regeneriert der normale Kopf in der- 
selben Weise wie nach der ersten Operation, d. h. es bildet sich 
nach hinten ein heteromorpher Kopf I. Ordnung. 

Die andere Hälfte des Doppelkopfes, der heteromorphe Kopf 
I. Ordnung, bewegt sich sofort, nachdem er abgeschnitten worden 
ist, in umgekehrter Richtung (Fig. 3) wie der normale Kopf. Diese 
Tatsache ıst eigentlich der erste zwingende Beweis dafür, dass 
der heteromorphe Kopf I. Ordnung wirklich die umgekehrte 
Orientierung hat wie der normale Kopf. Bisher stützte sich diese 
Annahme wesentlich auf die Lage der heteromorphen Augen, die 
derjenigen der normalen Augen entgegengesetzt ist. 

Durch diese Tatsache wird aber auch zugleich die Theorie 
gestützt, die ich in der I. Mitteilung über den heteromorphen Kopf 
(Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 82, S. 257, 1913) angegeben habe. 
Dass der heteromorphe Kopf I. Ordnung die umgekehrte Richtung 
wie der normale Kopf einhält, erklärt sich lediglich dadurch, dass 
tür die Entwicklung dieses Kopfes kein anderer Platz als von 
der Schnittwunde nach hinten zu überhaupt übrige ist. Der so- 

1* 


4 Paul Lang: 


genannte heteromorphe Doppelkopf ist nichts anderes als eine 
Planarie mit einem Doppelkopf, wie sie zum Beispiel ent- 
steht, wenn man den Kopf eines Tieres in der Sagittalrichtung 
von vorn spaltet, oder wenn man an einer Seite des Kopfes einen 
schrägen Schnitt nach hinten führt. Beim „heteromorphen 
Doppelkopt“ fehlt eben der ganze übrige Körper der Planarie 
ausser dem Kopf. Der sogenannte heteromorphe Kopf würde 
nicht nach hinten, sondern wie bei einer doppelköpfigen Planarie 
nach vorn wachsen, wenn nach vorn Platz wäre. Im übrigen 
verweise ich auf die oben genannte Arbeit. 

Der verletzte heteromorphe Kopf I. Ordnung bekommt all- 
mählich einen Regenerationskegel an der Schnittfläche, also an 
der jetzigen hinteren, früheren vorderen Seite. In diesem Regene- 
rationskegel entwickeln sich nach einiger Zeit zwei Augen (Fig. 4), 
und zwar bekommen sie eine Orientierung. die derjenigen des 
heteromorphen Kopfes I. Ordnung gerade entgegengesetzt ist. Der 
Regenerationskegel bildet sich zu einem 3. Kopfe aus, dem hetero- 
morphen Kopf Il. Ordnung. Der normale Kopf der Planarie hat 
demnach einen heteromorphen Kopf, den heteromorphen Kopf 
I. Ordnung, entwickelt, dieser heteromorphe Kopf wiederum seiner- 
seits einen heteromorphen Kopf, den heteromorphen Kopf 
Il. Ordnung. 

Begreiflicherweise wird bei all diesen Entwicklungsprozessen 
die ganze lebendige Masse immer kleiner, weil sie ja keine 
Nahrung aufnehmen kann. Es ist nicht zu bezweifeln, . dass der 
Prozess der Entwicklung von immer mehr heteromorphen Köpfen 
unbegrenzt weiter gehen würde, wenn nicht die Kleinheit der zur 
Verfügung stehenden lebendigen Substanz die Operation unmöglich 
machte. 


b) Die Nebenaugen des heteromorphen Kopfes I. Ordnung. 


In einer früheren Arbeit habe ich festgestellt, dass die so- 
genannten Nebenaugen der Planaria polychroa Schm. keine ab- 
normen Gebilde sind, wie die meisten Forscher annahmen, sondern 
dass diese Art von Augen normal bei etwa der Hälfte der Tiere 
vorkommen. Es wurde besonders festgestellt, dass die Neben- 
augen nicht infolge von Verletzungen der zwei Hauptaugen durch 
Abspaltung oder Versprengung entstehen. Auch bei der Regene- 
ration eines Kopfes entstehen in etwa 50 Prozent neben den zwei 


Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien. ) 


Hauptaugen noch zwei Nebenaugen vollkommen unabhängig von 
den Hauptaugen. Diese von mir vertretene Ansicht, dass die 
Nebenaugen der Planarien keine zufälligen und abnormen Gebilde 
sind, wurde auch dadurch gestützt, dass diese Art von Augen 
auch im heteromorphen Kopf vorkommen. 

Das Auftreten von Nebenaugen im heteromorphen Kopf 
I. Ordnung habe ich nun noch weiter untersucht. Folgende 
Notizen seien mitgeteilt: 

Am 18. September 1913 wurde eine Planarie mit zwei Haupt- 
und zwei Nebenaugen geköpft. Der Kopf regenerierte nach hinten 
in gewohnter Weise einen heteromorphen Kopf I. Ordnung mit 
zwei Hauptaugen. Am 5. November 1913 waren ausserdem noch 
zwei Nebenaugen in diesem heteromorphen Kopf aufgetreten, so 
dass ein vollkommen symmetrischer Doppelkopf vorlag (Textfig. 5). 
Dadurch wird wieder die Gleichwertigkeit des heteromorphen 
Kopfes mit dem normalen Kopf dargetan. 


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Eine Planarie ohne Nebenaugen wurde geköpftt. Der Kopf 
entwickelte nach hinten einen heteromorphen Kopf I. Ordnung 
mit zwei Haupt- und zwei Nebenaugen. Dieser Fall zeigt Ver- 
schiedenes: Zunächst, dass die Bildung eines Organes im 
heteromorphen Kopf unabhängig war von dem ent- 
sprechenden Organ im normalen Kopf; denn hier waren 
die Nebenaugen im normalen Kopf ja gar nicht vorhanden. Er 
ist weiter ein Beleg dafür, dass die Nebenaugen eine normale 
Bildung sind und keine Missbildung. 

Ein anderer Fall ist noch erwähnenswert. Einer Planarie, 
die zwei Hauptaugen und ein grosses linkes Nebenauge hatte, 
wurde der Kopf abgeschnitten. Es entwickelte sich ein hetero- 
morpher Kopf mit zwei Hauptaugen und ebenfalls einem grossen 
linken Nebenauge, ein Fall, der dem vorigen gerade entgegen- 
gesetzt ist, insofern hier im heteromorphen Kopf gerade das 


6 Paul Lang: 


Organ gut entwickelt wurde, das auch im normalen Kopf vor- 
züglich vertreten war (Textfig. 6). 

Endlich noch ein Beispiel eines „überzähligen*“ Auges in 
einem heteromorphen Kopf. Der normale Kopf hatte ein rechtes 
Nebenauge. Im heteromorphen Kopf entwickelten sich keine 
Nebenaugen. Dagegen trat ein Auge hinter dem rechten hetero- 
morphen Hauptauge auf (Textfig. 7), eine Bildung, die ich auf 
zersprengte Augenteile der alten oder der heteromorphen Augen 
zurückführe. 

c) Drüsenkante, Aurikularorgan und Sinneszellen beim hetero- 
morphen Doppelkopf. 

Dass der heteromorphe Kopf dem alten Kopf in anatomischer 
Hinsicht völlig gleichwertig ist, dafür zeugt auch das Auftreten 
einer Drüsenkante, die derjenigen am alten Kopf gleich ist, sowie 
der Aurikularsinnesorgane. Textfig. S stellt einen Sagittalschnitt 
durch einen heteromorphen Doppelkopf dar. Der heteromorphe 
Kopf I. Ordnung dieses Doppelkopfes hatte zwei Augen. Einige 
Tage nach ihrem Auftreten begann auch die Entwicklung der 
Kopfdrüsen, und es bildeten sich zu beiden Seiten des Kopfes 
einige Zellen des Epithels zu Drüsenausführzellen um, so dass 
eine Drüsenkante auftrat, die derjenigen des alten Kopfes durch- 
aus entsprechend und symmetrisch war. 

Noch später trat an demselben heteromorphen Kopf auch 
das Aurikularsinnesorgan auf in Form von zwei schmalen, seichten 
Längsgruben. Sie hatten dasselbe Aussehen und die nämliche 


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Sagittalschnitt durch einen heteromorphen Doppelkopf. 
D — Darmäste in dem rechts gelegenen Augenpigment. 
nD = normale vordere Drüsenkante, nS — „neue“ Sinneszellen. 


h.D. = heteromorphe Drüsenkante, h.n.S. = heteromorphe „neue“ Sinneszellen. 


Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien. / 


Lage wie die Aurikularorgane beim normalen Kopf, wie ich sie 
an anderer Stelle angegeben habe (Zool. Anzeiger, 41. 12, 1912). 

Der in der Textfigur gegebene Sagittalschnitt zeigt ferner, 
dass im heteromorphen Kopf auch die von mir so genannten 
„neuen“ Sinneszellen auftreten, wie ich sie in einer früheren 
Mitteilung (Zeitschr. f. w. Zoologie, Bd. CV, S. 136) für die nor- 
male Planaria polychroa Schm. beschrieben habe. Diese Sinnes- 
zellen haben genau dasselbe Aussehen wie diejenigen im normalen 
Kopfe (wo sie auch in vorliegendem Falle vorkamen). Ihre Lage 
dagegen ist nicht dieselbe wie diejenige im normalen Kopf. Das 
ist auch kaum zu erwarten, da ja überhaupt Lage. ja sogar Vor- 
kommen dieser eigenartigen Zellen sehr unbestimmt und unregel- 
mässig ist. 

Durch diese hier angegebenen Beobachtungen 
sind sämtliche beim normalen Kopf vorkommenden 
Organe und Gebilde auch beim heteromorphen Kopf 
I. Ordnung nachgewiesen. Es ist damit wiederum 
dargetan. dass wir es im sogenannten hetero- 
morphen Kopf der Planarien mit einem regelrechten 
normalen Planarienkopf zu tun haben, wodurch die 
von uns früher entwickelte Ansicht über die Be- 
deutung des heteromorphen Kopfes weiter gestützt 
wird. 

d) Bemerkung über das Gehirn des heteromorphen Kopfes der 
Planaria polychroa Schm. 

Dem richtigen Verständnis des heteromorphen Kopfes der 
Planarien steht noch immer der Mangel einer genauen Dar- 
stellung des heteromorphen Gehirns entgegen. Es ist vor allen 
Dingen das heteromorphe Gehirn mit dem normalen Gehirn zu 
vergleichen. Natürlich müsste zunächst das letztere genau ge- 
kannt sein. Die Darstellung Micoletzkys vom Gehirn der 
Planaria polychroa Schm. ist nicht ausreichend. da er es nur 
nebenbei im Anschluss an eine genaue Beschreibung des Gehirns 
von Planaria alpina Dana behandelt hat. Ich hatte mir vorge- 
nommen, die Lücken auszufüllen und dann das heteromorphe 
Gehirn zu behandeln. Durch den Krieg wurde die Arbeit unter- 
brochen. Die bisher vorliegenden Zeichnungen will ich daher 
zurückhalten und nur folgendes bemerken: Im allgemeinen ist 
zwar die Darstellung Micoletzkys richtig; aber es geht doch 


8 Paul Lang: 


nicht an, in allen Punkten die Anatomie des Gehirns der Planaria 
polychroa auf das von Böhmig gegebene Schema des Planarien- 
gehirns zu beziehen. Insbesondere muss bemerkt werden, dass 
mehr als drei Commissuren vorhanden sind, ganz abgesehen von 
den hinter dem eigentlichen Gehirn vorhandenen zahlreichen 
Verbindungsbrücken. Ferner sind mehr „Sinnesnerven“ vor- 
handen, als Micoletzky angibt, entsprechend der grösseren 
Anzahl von „Sinnesgrübchen“, die unten dargestellt werden. 

Das heteromorphe Gehirn ist nicht stets ein genaues Abbild 
des normalen. Die Verschiedenheit hängt ab von der ver- 
schiedenen Art, in der der Operationsschnitt durch das normale 
Gehirn geführt wird. Dieses wird durch jeden Schnitt, der zur 
Entwicklung eines heteromorphen Kopfes führt, durchschnitten. 
Aus dem übrig bleibenden Stumpf wächst das heteromorphe Ge- 
hirn heraus. Es entsteht also nicht neu in dem jungen Regenerat, 
sondern stets im Anschluss an das alte Gehirn. Auf eine genaue 
Darstellung der Anatomie des alten und heteromorphen Gehirns, 
auch nur soweit ich sie bisher festgestellt habe, will ich einst- 
weilen verzichten, bis ich, wie ich hoffe, später Gelegenheit habe, 
die Untersuchung darüber zu Ende zu führen. 

e) Bemerkung über das Darmsystem des heteromorphen Kopfes 
der Planaria polychroa Schm. 

Vom heteromorphen Darm gilt Ähnliches wie vom hetero- 
morphen Gehirn. Auch er ist nicht ein genaues Abbild des alten 
Darmes. Das ist ja auch noch weniger zu erwarten wie beim 
(rehirn, weil die Operationsschnitte durch das alte Darmsystem 
noch verschiedener ausfallen wie beim Gehirn; denn was durch- 
schnitten wird, sind die vorderen Darmverzweigungen, und die 
sind schon bei den einzelnen Individuen sehr verschieden. 

Das Darmsystem eines typischen Doppelkopfes sei im 
Folgenden dargestellt. Der alte Darm besteht in der (Gegend 
des alten Gehirnstumpfes aus fünf in der Sagittalrichtung ver- 
laufenden Darmästen, die sich in der (regend des heteromorphen 
Gehirns zu drei Ästen vereinigen. Diese drei Äste sind nur 
durch ganz schmale Septen getrennt. Von ihnen aus entspringen 
nach hinten wieder fünf bis sieben dünnere Äste, die im hinteren 
regenerierten (Gewebe blind enden. Sie zeigen nach hinten ein 
genau gleiches Verhalten wie die Äste vor dem alten Gehirn. 
Insbesondere ist nichts davon zu sehen, dass sich hinter dem 


Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien. J 


heteromorphen Gehirn zwei Darmäste ausbilden, es laufen viel- 
mehr zunächst etwa sieben Äste nebeneinander her. Von diesen 
enden nacheinander zwei blind, dann wieder zwei und nochmals 
zwei, so dass schliesslich nur ein Ast übrig bleibt: dieser ver- 
läuft an einer Seite des Kopfes in sagittaler Richtung und endet 
gleichfalls blind. 


2. Über die „Sinnesgrübchen“ der Planaria 

polychroa Schm. 

Während nicht bei allen Individuen von Planaria polvchroa 
Schm. die von mir in einer früheren Mitteilung beschriebenen 
„neuen“ Sinneszellen vorkommen, finden sich stets die Aurikular- 
grübehen und die Sinnesgrübchen. 

Eine ausgewachsene, völlig normale Planarie wurde in eine 
lückenlose Serie von 5 u dicken Schnitten zerlegt. Jeder Schnitt 
wurde genau nach den „neuen“ Sinneszellen durchsucht; es fand 
sich keine einzige dieser Zellen. Die Verbreitung dieser Zellen 
bleibt somit noch zu erforschen, ebenso ihre Bedeutung. 

Ausser den besser bekannten, stets vorkommenden Aurikular- 
organen besitzen alle Tiere noch eine Anzahl weniger bekannter 
Grübchen. die wir „Sinnesgrübehen“ nennen wollen, da sie 
zweifellos die Bedeutung von Sinnesorganen haben. Micoletzky 
gibt an, dass sich jederseits am Kopf der Planaria polychroa Schm. 
drei (rübchen befinden, zu denen „Sinnesnerven“ hinführen, wie 
auch aus dem von ihm gegebenen Grehirnschema zu ersehen ist. 
(senauere Angaben macht er nicht. 

Ich habe eine Anzahl normaler Tiere speziell in bezug auf 
diese Organe hin untersucht. Die allgemeine Lage der Sinnes- 
grübchen wird am einfachsten ersichtlich aus Textfig. 9. Das 


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N) 
2 % 
D- 9 


Querschnitt durch eine Planaria polychroa Schm. in Höhe der Augen. 
0 — Augen, A — Aurikularorgan, D —= Drüsenkante, S —= Sinnesgrübchen. 


10 Paul Lane: 


vorliegende Exemplar besitzt jederseits zwölf Sinnesgrübchen. Sie 
stehen durch feine Nervenstränge mit dem Gehirn, bezw. dessen 
beiden verlängerten Stämmen in Verbindung. Diese Nerven verlaufen 
ungefähr parallel miteinander ins Gehirn ein, nur nach aussen ein 
wenig divergierend. Die Grübchen liegen auf der Bauchseite, 
beiderseits ausserhalb der Drüsenkante. in der Mitte zwischen 
Drüsenkante und äusserster Körperkante. Sie stehen in einer 
Reihe parallel der Drüsenkante. Die Reihe ist etwa 0,9 mm 
lang und reicht vom Ende der Aurikularorgane bis über die 
Augen hinaus nahe an das Vorderende des Tieres. Die beiden 
Reihen konvergieren gegen das Vorderende ein wenig. Der Ab- 
stand der Grübehen voneinander ist nicht überall der nämliche. 
Es wurden Abstände von 45, 54, 55, 65 und 105 u gemessen. 
Im Durchschnitt betrug der Abstand eines Grübchens vom andern 
65 «a. Vorn ist der Abstand etwas kleiner als hinten. Die 
Grübchen sind rund und haben einen Durchmesser von etwa 15 wm. 
Das Aussehen ist dasselbe wie das der Aurikularorgane; nur sind 
letztere etwas breiter und flacher. 

Nicht bei allen Individuen sind die Sinnesgrübchen so regel- 
mässig angeordnet, wie in Vorgehendem beschrieben. Zunächst 
kommt es vor, dass nicht alle Grübchen auf die zwei Reihen 
dicht ausserhalb der beiden Drüsenkanten verteilt sind, sondern 
dass eine Anzahl von Grübehen noch weiter nach aussen, Ja zum 
Teil sogar auf der Rückenseite des Tieres liegen. Sie finden 
sich, ebenfalls in zwei Reihen. je eine rechts und links, ange- 
ordnet, entweder genau auf den Kanten des Tieres oder etwas 
höher nach der Rückenseite zu. Auch die Zahl der Grübchen 
ist nicht immer die gleiche. Bei einem Exemplar zählte ich in 
den Reihen an der Ventralseite links neun, rechts sieben Grübchen. 
Dafür waren die Grübchen grösser als gewöhnlich: sie besassen zum 
Teil Durchmesser von 20 und 30 u. Auch waren sie nicht immer 
kreisrund. Einige zeichneten sich dadurch aus, dass sie aus zwei 
Teilen bestanden, als ob zwei Grübchen dicht nebeneinander lägen. 

Dem histologischen Aussehen nach unterscheiden sich die 
Sinnesgrübehen in nichts von den Anrikularorganen. 


3. Die Regeneration bei Polycelis nigra. 


Da meines Wissens das Regenerationsvermögen und die Art 
der Regeneration bei Polycelis nigra noch nieht untersucht worden 


Experimentelle und histologische Studien an Turbellarien. 11 


ist, habe ich im Winter 1913 in Essen (huhr) einige Versuche 
darüber angestellt, insbesondere mit Rücksicht auf den Kranz von 
kleinen Augen rings um das Vorderende dieses Tieres und zur 
Lösung der Frage. ob auch bei dieser Spezies ein „heteromorpher 
Kopf“ aufträte. 

Es zeigte sich, dass das Regenerationsvermögen der Polv- 
celis nigra im allgemeinen dasselbe ist wie bei Planaria polvchroa. 
Eine Anzahl Polycelis nigra werden derartig geköpft, dass etwa 
der dritte Teil der Augen im Hinterstück bleiben. Nachdem die 
Wunde geschlossen ist, bildet sich ein typischer Regenerations- 
kegel, zunächst unpigmentiert. In ihm treten in der zweiten 
Woche am Rande ganz feine schwarze Punkte, die Anlagen der 
Augen, auf und zwar zuerst an der Basis des Kegels. also an 
der Grenze des alten Teiles. Nach und nach erscheinen diese 
Punkte auch vorn: gleichzeitig werden die hinteren grösser. In 
dieser Weise wird der ganze hand des Regenerationskegels von 
diesen kleinen Punkten besetzt, die aber zunächst noch viel weiter 
auseinanderliegen als beim ausgewachsenen Tier, also weiter als 
im alten Teile. Inzwischen hat der Regenerationskegel die 
normale, eigenartig zugespitzte Gestalt der Spezies angenommen. 
Die Pigmentierung geht vom alten Teile aus strahlenförmig in 
das hegenerat. 

Histologisch geht die Regeneration genau so vor sich, wie 
bei Planaria polychroa. 

Die abgeschnittenen Köpfe regenerieren nach hinten einen 
hegenerationskegel, in dem nach etwa zwei Wochen eine Pharynx- 
anlage auftritt. Heteromorphe Doppelköpfe wurden in keinem 
Falle erzielt, obwohl die Köpfe sehr kurz abgeschnitten waren. 

Werden die Tiere hinter den Augen durchschnitten, so dass 
in den Hinterstücken keine Augen vorhanden sind, so regene- 
rieren die Hinterstücke Köpfe. in denen von hinten nach vorn 
Augen auftreten. In derselben Reihenfolge, in der sie auftreten. 
werden sie mit dem Gehirn durch Nerven verbunden. 


Geschrieben im November 1914 in den Schützengräben 
östlich Reims. 

Die Originalzeichnungen sind von Herrin stud. med. K. Hü- 
binger für den Druck umgezeichnet worden. 


Über Mitwirkung der Plastosomen bei der 
Befruchtung des Eies von Filaria papillosa. 
Von 


Friedrich Meves in Kiel. 


Hierzu Tafel I-IV. 


Einteilung. 

I. Einleitung . . . a le BET N | 
II. Material und Methode a a, .lS 
IIT. Die freien Spermien . . . ER 1 Se FE 
IV. Die unbefruchteten Eier ma hen utar klang ar Bei Ya Ve 
V. Das eben eingedrungene Spermium . .. 2 ERDE 
VI. Die Veränderungen am befruchteten Ei bis zur Bildung De beiden 

Vorkerne . . . RE A et 
VII. Der Beginn der ihrehiing IE ST U ARENA 
VEN ESChluss sta ER ee, Be 


I. Einleitung. 

Wenn Pfeffer in der zweiten Auflage seiner Pflanzen- 
physiologie aus dem Jahre 1897 (S. 46) schreibt, dass für das 
Dogma, nach welchem der Kern der alleinige Träger der Erbmasse 
sei, ein zwingender Beweis überhaupt nicht erbracht worden ist. 
so hat dieser Satz noch heute gerade so gut wie damals Gültig- 
keit. „Es ist übrigens ganz unverkennbar“, sagt Pfeffer an 
der zitierten Stelle weiter, „dass der Kern, welcher zuvor gar 
oft nebensächlich behandelt worden war, wesentlich durch die 
Beobachtung auffälliger formativer Vorgänge übermässig in den 
Vordergrund des Interesses und der Spekulation gerückt wurde. 
Die Degradation, welche der Kern nach der Entdeckung der 
Zentrosomen mehrfach erfuhr, indem er teilweise sogar nur zum 
dienenden Gliede herabgedrückt wurde, lehrt wiederum, in wie 
hohem Grade das Sichtbarwerden von Dingen die Deutung beein- 
flusst. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde es auch 
nicht an Theorien fehlen, welche dem Zytoplasma 
die Herrscherrolle zuweisen, wenn es fernerhin ge- 
lingen sollte, in diesem auffällige Gestaltungen zu 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Ries. 15 


erspähen, die sich sicherlich im Zytoplasma ab- 
spielen, in welchem sich ebenfalls. dies physio- 
logischen Einheiten selbsttätig vermehren.“ 

Solche „auffälligen Gestaltungen“ im Zytoplasma, 
welche meines Erachtens Vererbungsträger darstellen, haben wir in- 
zwischen in den von mir sogenannten Plastosomen ?) (früher 
Chondriosomen) genauer kennen gelernt; und ist es bereits in 
zwei Fällen, bei Ascaris (L. und R. Zoja,?) Meves, Romeis, 
Held) und Phallusia (Meves) gelungen, eine Beteiligung dieser 
Gebilde bei der Befruchtung nachzuweisen. Wir haben aber 
bisher niemals den Plastosomen die ganze Vererbung aufbürden 
wollen, sondern stets angenommen, dass Kern und Plastosomen 
zusammen dabei wirksam sind. 

Wenn zahlreiche Autoren an dem Vererbungsmonopol des 
Kerns festgehalten haben, solange eine Mitwirkung zytoplas- 
matischer Bestandteile des Spermiums bei der Befruchtung nicht 
direkt nachgewiesen war, so habe ich diesen Standpunkt völlig 
verstanden, wenn ich ihn auch schon vorher nicht geteilt habe. 
Dagegen habe ich die zahlreichen weiteren Hypothesen, mit 
welchen die OÖ. Hertwig-Strasburgersche Lehre später ver- 
quickt worden ist, meinerseits niemals als berechtigt anerkennen 
können. 

Zu diesen gehört zunächst die Van Beneden-Rabl- 
Boverische Individualitätshypothese der Chromosomen, d. i. die 
Lehre, dass die Chromosomen selbständige Individuen sind, 
welche ihre Selbständigkeit auch im ruhenden Kern 

!) Von mir gesperrt. 

°) Zu den Plastosomen gehören folgende Strukturelemente, von denen 
ich gezeigt habe, dass sie substantiell identisch sind: die Fila Flemmings 
von 1882, die Zytomikrosomen von v. Brunn und v. la Valette 
St. George, die Archoplasmakörner Boveris, die Bioblasten Altmanns, 
die Plastidulen der Gebrüder Zoja, die Mitochondrien Bendas etc. (vergl. 
Meves 1914,53 und 1915). 

*) Die Gebrüder L. und R. Zoja haben schon 1891 beschrieben, dass 
bei der Befruchtung von Ascaris die „Plastidulen“ des Spermiums sich mit 
denjenigen des Eies vermischen. Sie haben aber in theoretischer Hinsicht 
ihrem Befund keinen Wert beigelegt. Der eine der beiden Brüder, R. Zoja, 
hat 6 Jahre später (1897, S. 17) direkt ausgesprochen, dass das Protoplasma 


des Spermiums bei der Vererbung keine Rolle zu spielen und, auch bei 
Ascaris, vom Eikörper resorbiert zu werden scheine. 


14 Friedrich Meves: 


bewahren!) Ich habe schon bei mehreren Gelegenheiten (1907: 
1908.25; 1911,2) meinen Unglauben daran bekannt, welchen ich 
übrigens mit verschiedenen anderen Autoren, OÖ. Hertwig (1590), 
Flemming?) (1594), Jost (1904), Fick (1905— 1908), Nuss- 
baum (1906), v. Tellyesnicezky (1907), Della Valle (1909) 
u. a. teile. 

Nach Boveri wird man zu dieser Hypothese in erster 
Linie durch die Tatsache genötigt, dass bei der Zellteilung 
Chromosomen von konstanter Zahl und Grösse aus dem ruhenden 
Kern hervorgehen. Demgegenüber ist folgendes zu bemerken 
(vergl. Meves 1911,2 85.296): In den Spermatozyten zahlreicher 
wirbelloser Tiere, z. B. denjenigen der eupyrenen Generation von 
Paludina, bilden sich im Beginn der ersten Reifungsteilung aus 
der Masse der Plastochondrien Stäbe, Plastokonten, von be- 
stimmter Länge und sehr wahrscheinlich auch Zahl. In den 
Spermatiden derselben Zellgeneration von Paludina entstehen aus 
diesen Plastokonten vier gleichgrosse Kügelchen oder 
Bläschen, welche sich um die Ansatzstelle des Schwanzes herum 
dem Kern anlagern. In den Spermatozyten von Paludina, welche 
den oligopyrenen Spermien Entstehung geben, zerfallen die beiden 
Zentriolen im Beginn der ersten Reifungsteilung jedes in zwölf 
gleichgrosse Körner (Meves 1903). bei den angeführten Bei- 
spielen, denen sich leicht noch andere ähnliche anreihen liessen, 
handelt es sich um Bildungen, welche ebenso wie die Chromo- 
somen völlig selbständig sind und wie diese in konstanter Grösse 
und Zahl auftreten, von denen es aber ausgeschlossen ist, dass 
sie im individualisierten Zustand vorher existiert haben. Sie ent- 


!) Nach Boveri ist das Chromosom im Ruhekern nach Art eines 
Rhizopoden in ein Gerüstwerk übergegangen; im Beginn der Mitose zieht 
es sich wieder zusammen. 

?) Flemming hat sich, so viel ich weiss, öffentlich nur ein 
einziges Mal, an einer Stelle, die ich erst kürzlich aufgefunden habe, gegen 
die Individualitätshypothese ausgesprochen. In einem 1894 erschienenen 
Bericht über Morphologie der Zelle in Bd. 3 der Merkel-Bonnetschen 
Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte sagt er S. 111, Anm. 1, 
dass wir durch die Arbeiten Rückerts, Borns u. a. wüssten, dass bei 
manchen Ovarialeiern die Chromosomen schon während der Eireifung indi- 
vidualisiert angelegt werden und in diesem Zustand sehr lange bestehen 
können. „Allgemeine Geltung für die Eizelle“, fährt er fort, scheint dies 
nicht zu haben, geschweige denn für andere Zellarten.“ 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 15 


stehen vielmehr neu aus einem bestimmten. in der Zelle vorhandenen 
Material. Das Bedingtsein ihres Entstehens aber ist uns absolut 
dunkel. Das gleiche gilt meines Erachtens für die Chromo- 
somen. 

Auch von den weiteren Argumenten, welche Boveri zu- 
gunsten der Individualitätshypothese anführt, kann ich keinen 
als stichhaltig anerkennen (vergl. Meves, 1911.2). 

Die Individualitätshypothese macht für die Reifungsteilungen 
die weitere Annahme nötig, dass im Beginn derselben je zwei 
Chromosomen zusammentreten, erweist sich aber auch dadurch als 
unrichtig, dass die zahlreichen, im Glauben an die Individualitäts- 
hvpothese unternommenen Versuche. eine solche „Konjugation“ 
individualisierter Chromosomen zu erweisen, sämtlich gescheitert 
sind. Von allen Beobachtungen, welche als Beweis für eine 
Konjugation angeführt werden, lässt sich meines Erachtens un- 
schwer zeigen, dass sie irrtümlich gedeutet sind (vergl. Meves 
1907, 1908,2). Dass diesen Beobachtungen keine Beweiskraft inne- 
wohnt. geht auch für den Uneingeweihten daraus hervor, dass die 
Anhänger der Konjugation unter sich nicht einmal über die Art 
derselben, ob sie eine „endweise“ oder „parallele“ sei, einig sind. 

Boveri selbst hat übrigens neuerdings die Bildung der 
Chromosomen mit einer Vorstellung vereinbar gefunden. welche 
einem Verzicht auf die Individualitätshypothese gleichkommt 
(vergl. Meves 1911,2, S. 295). 

An die Individualitäts- und Konjugationshypothese schliessen 
sich noch verschiedene andere Chromosomenhypothesen an, welche 
sogar in noch höherem Maße anfechtbar sind, welche aber nichts- 
destoweniger zusammen mit den erstgenannten in zahlreichen 
Abhandlungen und sogar in Lehrbüchern als bewiesen ange- 
nommen werden und vielfach als Basis für weitgehende Speku- 
lationen dienen müssen. 

In der vorliegenden Arbeit habe ich ein weiteres Beispiel 
für eine Beteiligung der plastosomatischen Substanz des Spermiums 
bei der Befruchtung mitzuteilen. 


II. Material und Methode. 


Als ich im August des Jahres 1913 die Gastfreundschaft 
der schwedischen Zoologischen Station Kristineberg genoss, 
traf ich eines Tages im Aquarium Herrn Prof. L. Jägerskiöld 


16 Friedrich Meves: 


damit beschäftigt, eine grössere Anzahl Filarien (Filaria spiro- 
cauda Leidy), welche er soeben im rechten Herzen eines von 
ihm erbeuteten Seehundes (Phoca vitulina L.) aufgefunden hatte, 
zu konservieren. An einem mir freundlichst überlassenen Exemplar. 
welches sich als Weibchen erwies, untersuchte ich den Inhalt 
der Uterusschläuche in frischem Zustand und gewann dabei auf 
(Grund der Kleinheit, Dünnschaligkeit und Durchsichtigkeit der 
Eier den Eindruck, dass sie ein für zellulare Studien sehr ge- 
eignetes Objekt bilden müssten. Dadurch wurde der Wunsch in 
mir rege, den Befruchtungsvorgang bei Filaria mit Hilfe der 
Plastosomenmethoden zu untersuchen. Herr Prof. Jägerskiöld 
hielt einen Versuch zur Beschaffung von weiterem Material nicht 
für aussichtslos und erbot sich liebenswürdigerweise, mir dabei 
behülflich zu sein. Jedoch kam die von uns geplante Seehunds- 
jagd wegen schlechten Wetters, welches bis zu meiner Abreise 
von Kristineberg andauerte, nicht zur Ausführung. 

Mein Interesse für die Befruchtung des Filariaeies war auch 
nach meiner Rückkehr nach Kiel im September 1915 lebendig 
geblieben. Ich nahm daher die Schneidersche „Monographie 
der Nematoden“ zur Hand, um mich über das Vorkommen von 
Filarien zu orientieren, und fand darin eine in der Bauchhöhle 
des Pferdes lebende Filarie, Filaria papillosa R., bei welcher das 
Weibchen bis zu 110 mm lang wird, als „leicht zugängliches 
Objekt“ bezeichnet. Daraufhin setzte ich mich mit dem hiesigen 
Schlachthof in Verbindung, und gelang es mir, in der Zeit von 
Anfang Oktober 1913 bis Ende Juli 1914, also innerhalb von 
10 Monaten.!) 30—35 Exemplare von Filaria papillosa (in 7—8 
Lieferungen) zu bekommen. 

Die Auffindung der Würmer auf dem Schlachthof gestaltete 
sich folgendermaßen: Bei Ausführung der Schlachtung wird das 
getötete Pferd an den Hinterbeinen aufgehängt und hochgewunden 
und dann die Bauchhöhle durch einen Schnitt in der Mittellinie 
der Bauchwand eröffnet; darauf werden die Eingeweide aus- 
geräumt, wobei sie nach der hier in Kiel (und wohl auch anderswo) 
geübten Methode auf einer Karre aufgefangen werden. Vorhandene 
Filarien findet man zwischen den Eingeweiden oder am Boden 
der Karre umherkriechen. 


') Innerhalb dieser Zeit wurden in Kiel ca. 750 Pferde geschlachtet. 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Bies. 17 


Die aufgefundenen Würmer wurden in ein Thermophor 
gebracht, welches vorher (zur Erzeugung einer höheren Temperatur 
im Innern) mit warmem Wasser ausgespült und zur Hälfte mit 
warmem Pferdemist gefüllt wurde, und dann ohne irgendwelchen 
Verzug in das Anatomische Institut transportiert: sie kamen stets 
lebend (nach Versicherung des Schlachters in allen Fällen un- 
eefähr eine Stunde nach dem Tode des Wirts) in meine Hände. 

Sämtliche mir überbrachten Würmer waren Weibchen; ın 
einem Fall. in dem nur zwei Würmer gefunden waren, erwiesen 
sich diese später als unbefruchtet. 

Die weiblichen (Greschlechtsorgane von Filaria papillosa sind 
zweiteilig: die beiden Äste des Uterus gehen nach sehr langem 
Verlauf an ihrem hinteren Ende mit einem Absatz in die kurzen 
feinen Eileiter über, welche sich ihrerseits in die bis etwa 4 cm 
langen Ovarien fortsetzen. Filaria papillosa gehört zu den viviparen 
Nematoden. Der grösste Teil der Uterusschläuche ist mit ge- 
furchten Eiern und jungen Würmern gefüllt. Für das Studium 
der Befruchtung und ersten Furchung kommen nur die hintersten, 
3—4 cm langen Stücke der Uterusschläuche in Betracht. Um 
diese zu gewinnen, verfahre ich folgendermaßen. Ich bringe den 
Wurm in eine mit Wachs ausgegossene Schale, deren Boden mit 
warmer physiologischer Kochsalzlösung bedeckt ist, stecke Kopf- 
und Schwanzende fest, spalte. vom Kopfende anfangend, den 
Hautmuskelschlauch in ganzer Länge,') schlage die Spaltränder 
nach aussen um und fixiere sie mit Nadeln. Dann entwirre ich 
die Uterusschläuche, durchtrenne sie ca. 5—6 em vor dem Über- 
gang in die Eileiter und bringe die hinteren Abschnitte mit den 
Eileitern und Ovarien in die Fixierungstlüssigkeit hinein. 

Für die Fixierung habe ich zuerst Altmannsches Gemisch 
gebraucht, habe aber gefunden, dass es bei diesem Objekt eine 
nicht unerhebliche Schrumpfung hervorruft. Gute Resultate er- 
zielte ich dagegen mit der Flemmingschen Chromosmiumessig- 
säure, welche ich in der von mir 1908,1 für Plastosomenstudien 
empfohlenen Zusammensetzung anwandte; das auf diese Weise 
fixierte Material habe ich hinterher vielfach noch nach Benda 
nachbehandelt, indem ich es zunächst auf 24 Stunden in ein 
Gemisch von Holzessig und 1proz. Chromsäure und dann auf 


') Hierbei bediene ich mich eines Graefeschen gebogenen Zystotoms, 

- - - ei . v - ; 

wie es in der Augenheilkunde zur Spaltung der Linsenkapsel gebraucht wird. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt. II. 2 


15 Friedrich Meves: 


weitere 24 Stunden in eine 2proz. Lösung von Kalium bichromieum 
hineinbrachte. Von weiteren Fixierungsmitteln, welche zum Studium 
der Plastosomen gebraucht werden, habe ich noch die von Levi 
(1913) empfohlene Modifikation des Gemisches von Maximow 
geprüft, habe aber gefunden, dass sie bei den Filariaeiern nicht 
so gutes wie die modifizierte Flemmingsche Flüssigkeit leistet. 
Schliesslich habe ich noch einen allerdings nur kleinen Teil meines 
Materials (die hinteren Enden der Geschlechtsröhren von je 
zwei Würmern) mit Sublimat-Alkohol-Eisessig!) nach v. Lenhossek 
und mit Pikrinsäure-Formol-Eisessig?) nach Bouin fixiert. 

Nachdem die (eschlechtsröhren die erforderliche Weiter- 
behandlung durchgemacht hatten, wurden sie, vor der Übertragung 
in Xylol. in ca. 1 cm lange Stücke zerteilt: diese wurden zu 
mehreren in Paraffın eingebettet und der Länge nach in 4 «u oder 
5 « dicke Schnitte zerlegt. 

Zur Färbung des mit dem modifizierten Flemming schen 
(remisch fixierten Materials habe ich in erster Linie die Eisenhäma- 
toxylinmethode, meistens mit Vorbehandlung nach Rubaschkin, 
angewandt. Auch mit der Bendaschen Eisenalizarin-Kristall- 
violettfärbung habe ich eine Reihe von Versuchen angestellt; 
jedoch ist mir eine Darstellung der kleinen Eiplastochondrien 
auf diese Weise nicht gelungen. Ausserdem habe ich noch eine 
Anzahl Färbungen (s. u.) probiert, um die schwer nachweisbare 
Kernsubstanz des eingedrungenen Spermiums zu verfolgen; dies 
glückte mir an dem mit Sublimat-Alkohol-Eisessig behandelten 
Material mit Hülfe der Giemsaschen Azur-Eosinfärbung, welche 
ich nach der Vorschrift anwandte, die Giemsa selbst (Deutsche 
medizinische Wochenschrift, Jahrg. 36, 1910) für die Sehnitt- 
färbung gegeben hat. 


III. Die freien Spermien. (Fig. 1—10 und 39—48.) 


Die freien Spermien habe ich an Schnitten durch das oberste 
Uterusende studiert, welches in den meisten Fällen auf eine 
kleinere oder grössere Strecke (häufig auf nicht weniger als 
6—S mm) damit erfüllt ist. 

!) Konzentrierte wässerige Sublimatlösung 75 cem, Alkohol abs. 25 cem, 
Eisessig 5 cem. 

2) Gesättigte wässerige Pikrinsäurelösung 75 cem, Formol 25 cem, Eis- 
essig 9 CCM. 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 19 


Die Spermien sind rundliche oder länglich rundliche Zellen, 
welche an Insektenspermatiden erinnern, die auf einem frühen 
Stadium der Entwicklung (unmittelbar nach Ablauf der zweiten 
Reifungsteilung) stehen geblieben sind. Bei Fixierung mit 
Flemmingschem Gemisch und Färbung mit Safranin (Fig. 1—5) 
zeigen sie einen Zytoplasmaleib, welcher ausser der Kernsubstanz 
einen grossen, plastosomatischen „Nebenkern“ einschliesst, wie 
wir ıhn zuerst bei Insektenspermatiden kennen gelernt haben 
(vergl. Meves. 1900). Die Kernsubstanz liegt am vorderen Pol 
der Samenzelle in einer zytoplasmatischen Kappe, welche den 
gleichfalls vorn gelegenen Nebenkern bedeckt. Diese Kappe scheint 
resistenter zu sein als das Zytoplasma des Schwanzteils: denn 
während letzteres an dem mit Flemmingschem Gemisch fixierten 
Material nicht selten zertlossen erscheint, ist die Kopfkappe stets 
wohl erhalten. Die Kernsubstanz liegt nicht immer genau am 
vorderen Pol des Spermiums vor dem Nebenkern, sondern viel- 
fach an der Seite desselben, so dass sie bei stark gefärbtem 
Nebenkern von diesem völlig verdeckt wird. Sie bildet keinen 
einheitlichen Körper, sondern wird durch eine Gruppe kleiner 
Kügelchen repräsentiert, welche mitunter mehr oder weniger 
stark miteinander verbacken erscheinen, in den meisten Fällen 
aber völlig voneinander isoliert sind; man kann sie dann zählen 
und feststellen, dass bald fünf (Fig. 1, 4, 5), bald sechs (Fig. 2. 3) 
solcher Kügelchen vorhanden sind. 

Der gleiche interessante Befund in bezug auf die Kern- 
substanz ist von Mulsow (1911, 1912) bei den Spermien eines 
verwandten Nematoden, Aneyracanthus eystidicola, welcher in der 
Schwimmblase der Forelle lebt, erhoben worden. Mulsow kommt 
durch Untersuchung der Spermatogenese zu dem Resultat. dass 
die Kügelchen als die Chromosomen der zweiten Reifungsteilung 
aufzufassen sind, welche getrennt nebeneinander liegen bleiben. 
Von den sechs Chromosomen, welche bei der Hälfte der 
Spermien vorhanden sind, ist eines als Geschlechts- oder 
Heterochromosom aufzufassen. In den Prophasen der ersten 
Reifungsteilung zählt man sechs Chromosomen, von denen sich 
eines durch geringere Grösse auszeichnet. Dieses, das Hetero- 
chromosom, gelangt später ungeteilt in eine der Tochterzellen 
hinein. Dadurch entstehen zwei Spermatozyten zweiter Ordnung, 


von denen der eine fünf, der andere sechs Chromosomen auf- 
DES 


20 Friedrich Meves: 


weist. Bei der zweiten Reifungsteilung gehen dann aus den zwei 
Spermatozvten zweiter Ordnung vier Spermatiden hervor, von 
denen zwei je fünf und zwei je sechs Chromosomen besitzen. 
Während nun bei anderen Objekten die Chromosomen miteinander 
verklumpen, bleiben sie bei Aneyracanthus auch weiterhin einzeln 
nebeneinander liegen und sind noch an den fertigen Spermien 
zu zählen. Die Abbildungen, welche Mulsow gegeben hat, lassen 
es in der Tat gerechtfertigt erscheinen, die fünf bezw. sechs 
Chromatinkügelchen des Spermiums direkt als Chromosomen an- 
zusprechen; an und für sich würde ich mehr dazu geneigt haben. 
sie als Partialkernchen aufzufassen. 

Der Nebenkern (Plastochondrienkörper) des Filaria- 
spermiums stellt ein ziemlich voluminöses (rebilde dar, welches 
die ganze Breite des vorderen Spermienendes einnimmt. Er ist 
meistens entweder annähernd kugelig oder halbkugelig gestaltet; 
im letzteren Fall ist die konvexe Seite nach vorn gekehrt. Zu- 
weilen ist er schalenförmig (Fig. 10). Andere Male hat er mehr 
die Form eines kurzen Zylinders, dessen Längsachse mit der- 
jenigen der Zelle zusammenfällt (Fig. 9). An Präparaten, welche mit 
Flemmingschem Gemisch fixiert und mit Safranin gefärbt 
sind, ist er in bräunlichem Ton, etwas, aber nur wenig stärker 
als das Zytoplasma, gefärbt; im übrigen zeigt er ein homogenes Aus- 
sehen. Bei Anwendung der Eisenhämatoxylinmethode (Fig. 6— 10) 
nimmt er eine intensiv schwarze Färbung an, lässt aber bei 
genügender Ausziehung Strukturverhältnisse erkennen; und zwar 
erscheint er entweder vakuolisiert oder grobbalkig (Fig. 6. 7) 
oder er weist, und zwar in sehr vielen Fällen, eine körnige oder 
körnig-fädige Beschaffenheit auf (Fig. 5). 

In Fig. 39—48 habe ich schliesslich noch eine Anzahl Bilder 
zusammengestellt. wie man sie nach Fixierung mit Sublimat- 
Alkohol-Eisessig und Färbung mit Giemsalösung erhält. Sie 
sind untereinander recht verschieden. In einigen Präparaten 
treten in den Spermien nur die Chromatinkügelchen hervor, das 
ganze übrige Spermium dagegen ist gleichmässig rotviolett oder 
auch blauviolett gefärbt. In anderen Fällen dagegen zeigen sich 
verschiedene Teile des Spermiums verschieden tingiert; und zwar 
können abgesehen von den Chromatinkügelchen sowohl das Zyto- 
plasma des Schwanzteils und der Nebenkern als auch die vor 
dem Nebenkern gelegene zytoplasmatische Kappe, welche die 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 21 


Chromatinkügelchen einschliesst, eine besondere Färbung auf- 
weisen. 

Da anzunehmen ist, dass die Filariaspermien mit denjenigen 
von Aneyracanthus nicht nur in bezug auf ihre Chromatin- 
verhältnisse übereinstimmen, interessiert es, auch die übrige 
Schilderung zu vergleichen, welche Mulsow von den Ancyracanthus- 
spermien gegeben hat. Mulsow, dessen Beobachtungen sich aus- 
schliesslich auf das lebende Objekt und auf Totalpräparate der 
(reschlechtsorgane beziehen, welche aus den mit Sublimat-Alkohol- 
Eisessig fixierten Würmern unter der Lupe herauspräpariert, mit 
Boraxkarmin gefärbt, in Nelkenöl aufgehellt und entweder hierin 
oder in Kanadabalsam untersucht wurden, sagt, dass die fertigen 
Spermien von Ancyracanthus „Kugelform haben“ und dass sie 
„zum grössten Teil aus einem Glanzkörper bestehen, dem eine 
kleine Kappe von körnigem Protoplasma aufgelagert ist. In diesem 
Protoplasma liegen die Chromosomen —.“ Bei den Filariaspermien 
muss ich die Existenz eines Glanzkörpers, wie ihn Mulsow bei 
Ancyracanthus beschreibt, in Abrede stellen. Der Glanzkörper 
von Mulsow bei Ancyracanthus entspricht wahrscheinlich dem 
von mir sogenannten zytoplasmatischen Schwanzteil des Filaria- 
spermiums, die „Kappe von körnigem Protoplasma“ dagegen dem 
Nebenkern, von welchem Mulsow sonst gar nichts gesehen haben 
würde; die „Chromosomen“ sind dann aber nicht, wie Mulsow 
schreibt, in dem „körnigen Protoplasma“, sondern vor ihm oder 
an der Seite desselben gelegen. 


IV. Die unbefruchteten Eier und ihre Entwicklung. 
(Fig. 11—17.) 

Der Ovarialschlauch von Filaria ist, verglichen mit dem- 
jenigen von Ascaris, verhältnismässig kurz und bietet daher eine 
günstige Gelegenheit, welche ich nicht unbenutzt gelassen habe, 
um die Entwicklung der Eizellen zu studieren; jedoch habe ich 
mich dabei im wesentlichen auf eine Verfolgung ihrer plasto- 
somatischen Strukturen beschränkt. 

Das blinde Ende des Ovarialschlauchs ist dicht erfüllt von 
kleinen rundlichen Zellen, Oogonien, welche einen kugeligen Kern 
aufweisen, der durch den Besitz eines grossen Nukleolus aus- 
gezeichnet ist. Das Zytoplasma schliesst zahlreiche, gewundene, 
durch FEisenhämatoxylin nach Fixierung mit modifiziertem 


22 Friedrich Meves: 
Flemmingschem Gemisch schwarz färbbare Fäden, Plastokonten, 
ein, welche den Kern gleichmässig auf allen Seiten umgehen. 

Indem die Eizellen in die Wachstumsperiode übertreten, 
nehmen sie, grösser werdend, eine birnförmige Gestalt an 
(Fig. 11, 12). Benachbarte Eizellen hängen an den spitzen Enden, 
in welchen man häufig, besonders bei schon etwas stärker heran- 
gewachsenen Zellen, einen homogenen Körper erkennt (Fig. 13). 
untereinander zusammen. Die im Zytoplasma enthaltenen ge- 
wundenen Fäden wachsen gleichfalls und nehmen dabei nicht nur 
an Länge, sondern zunächst auch noch an Dicke zu; sehr bald 
aber (Fig. 13) wird eine Diekenabnahme an ihnen bemerkbar: 
die untere abgerundete Hälfte der birnförmigen Zelle wird 
meistens völlig von den Fäden erfüllt. 

Noch grösser werdend streben die Eizellen einer ellipsoi- 
dischen Gestalt zu (Fig. 14, 15, 16). Die homogenen Körper, 
welche früher das zugespitzte Ende der Zelle einnahmen (Fig. 135). 
werden dabei, indem dieses sich mehr und mehr abrundet, ins 
Innere des Zytoplasmas aufgenommen (Fig. 15, 16). Man kon- 
statiert nunmehr deutlich, dass sie sich ausserhalb der Zellen in 
einen Strang fortsetzen, welcher die gleiche Beschaffenheit wie 
sie selbst hat. Dieser Strang, eine sogenannte Rhachis, ist ver- 
ästelt; die Enden der Äste treten mit benachbarten Eizellen in 
Verbindung, indem sie sich ein Stück weit in die Zellen hinein- 
erstrecken: die in Fig. 15 und 16 gezeichneten „homogenen 
Körper“ sind selbst weiter nichts als solche Astenden. 

Die Dickenabnahme der Plastokonten, welche schon auf 
dem Stadium der Fig. 13 bemerkbar war, setzt sich durch die 
folgenden Teile der Wachstumsperiode bis kurz vor ihrem Ab- 
schluss weiter fort. Die geschlängelten Plastokonten werden feiner, 
zugleich aber immer zahlreicher; dabei bestreben sie sich, eine 
ungefähr parallele Anordnung zur Längsachse der Zelle anzu- 
nehmen. Auf dem Stadium der Fig. 15 wird das Zytoplasma des 
Oozyten der Länge nach von zahlreichen feinen geschlängelten 
Fäden dicht durchsetzt. In der Folge werden die Fäden noch 
feiner und beginnen dann sich in Körnchen zu zerlegen 
(Fig. 16). Wenn die Eier ihre definitive Grösse erreicht und sich 
von der Rhachis losgelöst haben (Fig. 17), sind sämtliche Fäden 
in kleine Körnchen zerfallen ; zwischen den Körnchen sind Vakuolen 
in der Grundsubstanz des Zytoplasmas aufgetreten. 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 23 


Der Kern geht im Lauf der Wachstumsperiode aus der 
runden in eine ovale Form über, um schliesslich wieder zur 
runden zurückzukehren. Den Veränderungen, die sich in seinem 
Innern abspielen, habe ich keine weitere Beachtung geschenkt. 

Ein in mancher Beziehung ähnliches Verhalten der Plasto- 
somen, wie ich es bei der Entwicklung des Filariaeies beobachtet 
habe, ist schon 1591 von den Gebrüdern Zoja bei einem anderen 
Nematoden. nämlich beim Pferdespulwurm, mit Hilfe der Alt- 
mannschen Methode festgestellt worden. 

Die „Plastidulen“, wie die beiden italienischen Autoren sagen, prä- 
sentieren sich bei Ascaris in den Zellen der Vermehrungsperiode als feine, 
mannigfach gewundene Fäden, welche das ganze Protoplasma erfüllen. In 
den Zellen der Wachstumszone haben sie die (Gestalt ziemlich langer Fäden, 
die in mannigfacher Weise gewunden und verflochten, im allgemeinen jedoch 
parallel der Hauptachse der Zelle angeordnet sind; bei starker Vergrösserung 
lassen sie sich häufig in Reihen sehr kleiner rundlicher Körner auflösen. 
Die Fäden sind zahlreicher in dem schmäleren, der Rhachis zugekehrten 
Teil. wo sie zugleich länger sind. Dann finden sie sich, nicht sehr reichlich, 
zwischen den spheres hyalines und corpuscules refringents, in weniger langen 
Reihen oder auch isoliert. Um den Kern herum sind sie leicht angehäuft; 
von ihm gehen Fäden in unregelmässig radiärer Richtung aus. Eine etwas 
reichere Zone kommt auch unter der ganzen Zelloberfläche zur Beobachtung. 
In etwas weiter herangewachsenen Eiern sind die Fäden weniger lang, die 
zerstreuten Granula reichlicher und die Anhäufung gegen die Rhachis zu 
geringer. Wenn die Eier sich ablösen, bemerkt man immer noch an dem- 
jenigen Ende, mit dem sie angeheftet waren, mehr zusammengruppierte 
Plastidulen, welche vorwiegend rund, nicht zu Fäden vereinigt und immer 
ziemlich klein sind. 

In Eiern, welche die elliptische Form angenommen haben, finden sich 
kleine runde Plastidulen, ziemlich viel reichlicher um die „Polplatte“ herum 
als im übrigen Ei; sie bilden hier häufig eine Anhäufung, von welcher 
strahlige Reihen ausgehen können; im übrigen Ei liegen kleine runde Plasti- 
dulen mehr verstreut zwischen den geformten Elementen; an der Peripherie 
sind sie reichlicher. 


Weitere Beobachtungen über die Plastosomen in den sich 
entwickelnden Oozyten von Ascaris stammen von Fräulein 
Schoonjans (1909), welcher die Zojasche Abhandlung, die ich 
1910 der Vergessenheit entrissen habe, unbekannt geblieben ist. 
Duesberg (1912, S. 716) und ich (1911,1, S. 702) haben die 
Angaben der Gebrüder Zoja bei gelegentlicher Nachprüfung 
bestätigt gefunden. Nachuntersuchungen am gleichen Objekt 
haben ferner Faur&-Fremiet (1913, S. 502) und Hirschler 
(1913, S. 375) vorgenommen. Letzterer findet in den Oozyten 


24 Friedrich Meves: 


ausschliesslich Körner (Plastochondrien): augenscheinlich hat er 
ein Material bearbeitet, dessen Fixierung zu wünschen übrig liess. 
Bei anderen Tieren als Nematoden sind Plastokonten 
in heranwachsenden Eizellen mehrfach beschrieben worden, z. B. 
von Bluntschli (1904) bei Ascidien (Cynthia), von Schaxel 
(1911) bei Echinodermen (Asterias und Holothuria), von Levi 
(1912) bei Amphibien (Geotriton). Tsukaguchi (1914) hat ın 
grösseren Oozyten einer Meduse (Aurelia) „ziemlich lange Fäden“ 
beobachtet, welche gegen Ende der Wachstumsperiode „Körnchen 
und kurzen Stäbehen“ Platz machen. Nach der Literaturzusammen- 
stellung, welche Duesberg (1912) gegeben hat. scheinen aber 
die Plastosomen der Eizellen auch während der Wachs- 
tumsperiode gewöhnlich Körnerform zu besitzen. 


V. Das eben eingedrungene Spermium. 
(Fig. 18, 19 und 49—51.) 


Die Spermien erfüllen, wie gesagt. das oberste Uterusende 
in verschieden grosser Ausdehnung, vermögen aber auch, wie 
ich mehrfach konstatiert habe, in den Eileiter einzutreten. 
Spermien, welche im Eindringen in die Eizelle begriffen waren. 
habe ich nicht mit Sicherheit beobachtet. Möglicherweise erfolgt 
die Kopulation meistens schon im Eileiter. 

Bei Fig. 18 und 19, denen Präparate zugrunde liegen, 
welche mit modifiziertem Flemmingschen (Gemisch fixiert und 
mit Eisenhämatoxylin gefärbt worden sind, handelt es sich um 
befruchtete Eizellen, welche isoliert mitten in der das oberste 
Uterusende erfüllenden Spermienmasse gelegen waren. Solche 
Zellen zeigen eine von der ellipsoidischen mehr oder minder 
stark abweichende, mit buckelförmigen Vortreibungen besetzte, 
unregelmässige Gestalt, die wahrscheinlich der Ausdruck einer 
amöboiden Bewegung ist, welche die Eizellen zur Zeit der 
Befruchtung oder kurz nach Eintritt derselben ausführen. Die 
Spermien sind in Fig. 15 und 19 bereits völlig in die Eizellen 
aufgenommen, aber noch unmittelbar unter der Eioberfläche 
liegen geblieben; ihre Form ist länglich, der Längsdurchmesser 
der Eioberfläche parallel gelegen. Eine Eihaut scheint sich 
bereits gebildet und über dem eingedrungenen Spermium in 
Form einer Blase abgehoben zu haben. 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 25 


Die Eizelle beginnt alsbald zu einer annähernd ellipsoidischen 
(restalt zurückzukehren; das Spermium bleibt zunächst noch 
unter der Zelloberfläche liegen, geht aber aus der in die Länge 
gestreckten Form in eine mehr rundliche über. Es wird nun- 
mehr in den meisten Fällen an einem Pol der Eizelle oder in 
der Nähe desselben gefunden; sein Eindringen muss also auch 
wohl hier erfolgt sein (Fig. 49--51, Fixierung mit Sublimat- 
Alkohol-Eisessig, Giemsafärbung). 

Von Bestandteilen des Spermiums erkennt man in den 
Figuren 18 und 19 den Nebenkern, umgeben von dem Plasma- 
körper des Spermiums. welcher sich seinerseits deutlich ' vom 
Eiplasma abgrenzt. Der plastosomatische Nebenkern bildet eine 
körnig-fädige Masse, welche durch Eisenhämatoxylin intensiv 
schwarz gefärbt ist. Dagegen erscheinen die kleinen Eiplasto- 
chondrien in Fig. 15 und 19 und ebenso in den folgenden Figuren 
nur noch in grauer Farbe, weil die zugrunde liegenden Präparate 
stärker differenziert sind als dasjenige, nach welchem Fig. 17 
gezeichnet ist: die Folge davon ist, dass die grösseren Körner 
des Nebenkerns, welche die Schwarzfärbung energisch festhalten, 
um so deutlicher hervortreten. 

Von den Uhromatinkügelchen der Samenzelle ist in Fig. 15 
und 19 (und auch in den folgenden Figuren 20—32 und in 
Fig. 34) nichts wahrzunehmen. Während sie an den freien Spermien 
ausserordentlich leicht darzustellen sind, hat mir ihr Nachweis 
innerhalb der Eizelle während der ganzen Zeit, welche bis zur 
Bildung der ersten Richtungsspindel verläuft, anfangs grosse 
Schwierigkeiten bereitet. Van Beneden hat bereits 1883, 
S. 179 von den Ascarisspermien angegeben, dass ihre Kerne sich 
nach dem Eintritt der Befruchtung viel weniger intensiv färben 
lassen als vorher. Dass aber die Kernsubstanz des eingedrungenen 
Spermiums eine so starke Abneigung gegen Farbstoffe zeigt. 
wie man es bei Filaria beobachtet, hätte ich nicht für möglich 
gehalten. 

Bei den mit Flemmingschem Gemisch fixierten Eiern 
habe ich die Chromatinkügelchen des aufgenommenen Spermiums 
nach Färbung mit Eisenhämatoxylin nur in ganz seltenen Fällen 
und auch dann fast immer nur zum Teil tingiert gefunden; 
Färbungen mit Hämalaun oder mit Anilinfarbstoffen wie Safranin, 
Methylenblau u. a. blieben sogar völlig resultatlos. 


26 Friedrich Meves: 

Ich ging dann zu dem Material über, welches ich mit 
Sublimat-Alkohol-Eisessig und mit Pikrinsäure - Formol- Eisessig 
behandelt hatte und färbte es zunächst mit Hämatoxylin und 
Karmin, dann mit Anilinfarbstoffen und (remischen von solchen. 
wie Ehrlich-Biondischer Lösung und Methylgrün - Pyronin 
nach Pappenheim. Auch hier war das Resultat mit Bezug auf 
die Chromatinkügelchen der eingedrungenen Samenzelle negativ: 
nur bei Anwendung der Methvlgrüngemische nahmen sie in 
Spermien, welche ihre Lage unter der Zelloberfläche bereits seit 
längerer Zeit aufgegeben hatten, einen leicht grünlichen Ton an. 

Einige der angewandten Färbungen ergaben jedoch in 
anderer Hinsicht ein interessantes Resultat, insofern als sie 
zeigten, dass der Plasmakörper des aufgenommenen Spermiums 
mit gewissen basischen Anilinfarbstoffen wie Methylenblau und 
Pyronin stark färbbar geworden ist. Zum Beispiel zeigten Präparate, 
die mit Flemmingschem Gemisch fixiert und mit Methylenblau- 
Fuchsin S simultan gefärbt waren, die Chromatinkügelchen der 
freien Spermien dunkelblau, die Plasmakörper der eingedrungenen 
heller, aber ebenfalls noch tiefblau gefärbt. An Schnitten von 
Sublimat - Alkohol - Eisessig - Material, welche einer Doppelfärbung 
mit Methylgrün-Pyronin unterworfen waren, erschienen erstere 
schön grün, letztere intensiv rot tingiert. Die Chromatinkügelchen 
der eingedrungenen Spermien aber waren in beiden Fällen 
völlig ungefärbt geblieben. 

Erst als ich dann die Giemsafärbung auf die mit 
Sublimat-Alkohol-Eisessig fixierten Eier anwandte, gelang es mir 
ausser einer starken Blaufärbung des Plasmakörpers der auf- 
genommenen Spermien eine sehr schöne und intensive Rotfärbung 
ihrer Chromatinkügelchen zu erzielen. Die Blaufärbung des 
Plasmakörpers ist allerdings zunächst so kräftig (Fig. 49), dass 
dadurch die in ihm eingeschlossenen Chromatinkügelchen meistens 
verdeckt werden. Sie beginnt aber gewöhnlich nach einigen 
Tagen zu verblassen und nunmehr treten die Chromatinkügelchen 
in dem eingedrungenen Spermium mit besonderer Deutlichkeit 
hervor (Fig. 50, 51). 

Der blau gefärbte Plasmakörper erscheint übrigens bei der 
Giemsafärbung in der Regel nicht homogen, sondern undeutlich 
körnig. Diese Erscheinung möchte ich auf das Auftreten einer 
besonderen Granulation zurückführen, von welcher ich auch an 


— 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 27 


Sublimat-Alkohol-Eisessig-Präparaten, die mit Eisenhämatoxylin 
tingiert worden waren, Andeutungen gesehen habe; es sind dies 
Körner, welche mit denjenigen des Nebenkerns auf keinen Fall 
identisch sind. 

Ansser den rot tingierten Chromatinkügelchen bleibt in 
dem abblassenden Spermienplasma noch ein kleiner rundlieher 
oder ovaler, stärker blau gefärbter Körper zurück (Fig. 50, 51), 
von welchem ich am freien Spermium nichts wahrgenommen habe: 
über seine Natur und seine weiteren Schicksale (er ist auch 
noch später, z. B. auf den Stadien der Figuren 53 und 55, nach- 
weisbar) vermag ich nichts auszusagen. 

Das Eiprotoplasma erscheint an den Giemsapräparaten 
gleich nach ihrer Anfertigung blauviolett gefärbt, nimmt aber 
nach einiger Zeit einen rotvioletten Ton an: es zeigt einen un- 
deutlich körnigen oder körnig-fädigen Bau, welchen ich in meinen 
Figuren nicht wiedergegeben habe. 


VI. Die Veränderungen am befruchteten Ei bis zur 
Bildung der beiden Vorkerne. (Fig. 20—34 und 52—74.) 


Bevor ich dazu übergehe, die weiteren Erscheinungen zu 
beschreiben, die sich an dem eingedrungenen Spermium abspielen, 
sei kurz erwähnt, dass der Eikern beim Herannahen der ersten 
Reifungsteilung die Mitte der Eizelle verlässt, sich an den einen, 
in meinen Figuren unteren Pol derselben begibt und hier die 
beiden Richtungsteilungen durchmacht, bei welchen die Chromo- 
somenzahl sechs beträgt. Ein Eingehen auf die Reifungsteilungen 
lag nicht im Plan meiner Arbeit. 

Am entgegengesetzten, in meinen Figuren oberen Pol der 
Eizelle oder in seiner Nähe tritt kurz vor Beginn der ersten 
Reifungsteilung eine eigentümliche Bildung auf; es differenziert 
sich hier unter der Zelloberfläche ein grösserer heller Bezirk 
von annähernd ovaler Form, welcher gegen das übrige Eizyto- 
plasma deutlich abgegrenzt ist (Fig. 27, 285: über die scheinbar 
abweichende Lage des hellen Bezirks in Fig. 26 siehe Anm. auf 
folgender Seite). Im Bereich dieses hellen Bezirks liegt direkt 
an der Zellobertläche ein linsenförmiger Körper von homogenem 
Aussehen, welcher sich in der Folge unter Verkürzung seines 
langen Durchmessers zu einem mehr rundlichen Gebilde um- 
wandelt: dieses löst sich vielfach, aber nicht immer, von der 


28 Friedrich Meves: 


Zellobertläche los und gerät mehr in das Innere des hellen 
Bezirks hinein (Fig. 30, 32— 34); nicht selten sieht man blasse 
Fäden von ihm innerhalb des hellen Bezirks nach verschiedenen 
Richtungen ausgehen (besonders an Eiern, welche mit Sublimat- 
Alkohol-Eisessig fixiert sind). Über die Entstehung und Bedeutung 
dieser gesamten Bildung vermag ich nichts auszusagen, möchte 
aber glauben, dass sie ihrer (Genese nach in Beziehung zu dem 
intrazellularen Teil des Rhachisstranges (Fig. 15, 16) zu bringen 
ist. Wo man, wie in den Fig. 29 und 31, nichts von ihr wahr- 
nimmt, könnte sie etwas seitlich vom Zellpol gelegen haben und 
weggeschnitten sein: es ist aber auch möglich, dass sie nicht 
konstant vorhanden ist. Gegen Ende der ersten Richtungsteilung 
rückt sie von dem Pol, an welchem sie bisher gelegen war, weg 
an die Seite der Eizelle, ohne aber ihre Lage an der Zellober- 
tläche aufzugeben (Fig. 65—67). Auffallender Weise werden von 
diesem Zeitpunkt an häufig zwei (Fig. 66) oder sogar drei solcher 
Bildungen an verschiedenen Stellen unter der Zelloberfläche auf- 
gefunden. Nach Ausstossung des zweiten Richtungskörpers ist 
in der Regel nichts mehr von ihnen wahrzunehmen. 

Das eingedrungene Spermium haben wir zu einem 
Zeitpunkt verlassen, wo es als eine rundliche Masse an der Zell- 
oberfläche gelegen war. Bald darauf trennt es sich von der Zell- 
oberfläche und lagert sich in der Längsachse der annähernd 
ellipsoidischen Zelle auf der einen Seite des Eikerns, zwischen 
diesem und demjenigen Pol der Eizelle, welcher dem Richtungs- 
körperpol entgegengesetzt ist.') 

An Präparaten, welche mit modifiziertem Flemming schen 
(Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt worden sind, 
erkennt man auf diesem Stadium (Fig. 20) den Nebenkern im 
Zentrum des Spermienplasmas als eine ungefähr kugelige Anhäufung 
intensiv schwarz tingierter Plastochondrien. Man sieht nun weiter, 
wie einzelne dieser Plastochondrien sich von der zentralen Ansamm- 


!) Der dem Richtungskörperpol entgegengesetzte ist derselbe, an 
welchem der eben besprochene „helle Bezirk“ auftritt. Das Spermium liegt 
also zwischen dem „hellen Bezirk“ und dem Kern. Eine Ausnahme bildet 
Fig. 26, in welcher der „helle Bezirk“ nnd das Spermium sich auf entgegen- 
gesetzten Seiten des Kerns finden. Diese Fig. 26 steht, verglichen mit den 
Figuren 20-25 und 27—36, wahrscheinlich auf dem Kopf: das Spermium 
hat ausnahmsweise seine Lage zwischen dem Richtungskörperpol und dem 
Kern genommen. 


‘Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 29 


lung ablösen und aus dem Spermienkörper heraus in das Ei- 
zytoplasma übertreten, innerhalb dessen sie zunächst durch ihre 
Grösse deutlich erkennbar bleiben. Infolge der immer stärker 
werdenden Auswanderung wird die Körneranhäufung im Spermien- 
körper zusehends kleiner, während die Anzahl der im Eizyto- 
plasma nachweisbaren grossen Plastochondrien immer mehr wächst 
(Fig. 21 ff.). In späterer Zeit (Fig. 25 ff.) nimmt man an den 
ausgewanderten Körnern vielfach Zerfallserscheinungen wahr; 
statt eines grösseren Korns findet man zwei oder drei oder vier 
kleinere. welche auf einem Haufen zusammenliegen. 

In den Figuren 28—31 und besonders in Fig. 32 ist der 
Spermienkörper bis auf wenige Körner ausgeräumt. Die Zahl der 
im Eiprotoplasma sichtbaren grossen Plastochondrien hat aber 
nicht mehr zugenommen, in Fig. 32 sogar entschieden ab- 
genommen. Der Grund könnte darin liegen, dass die Körner 
in der ganzen Eizelle verstreut sind und daher auf einem Schnitt 
nur zum Teil gesehen werden. Wahrscheinlicher ist mir aber, 
dass die meisten von ihnen schon in kleinere Körner zerlegt 
sind, welehe sich von Eiplastochondrien nicht mehr unterscheiden 
lassen. 

Nachdem sich die erste Richtungsspindel ausgebildet hat 
(Fig. 33, 34). ist der Zytoplasmakörper des Spermiums von Plasto- 
chondrien gänzlich frei geworden; auch im Eizytoplasma werden 
grössere Körner, welche man als noch unzerlegte männliche Plasto- 
chondrien ansprechen könnte, entweder nur vereinzelt (Fig. 33) 
oder überhaupt nicht mehr (Fig. 34) angetroffen. Zur Zeit der 
Ausstossung des ersten Richtungskörperchens ist das Zytoplasma 
der Eizelle jedenfalls ausschliesslich von kleinen Körnern durch- 
setzt, welche sämtlich das Kaliber der Eiplastochondrien besitzen. 

Muss man nun annehmen, dass die männlichen Plasto- 
chondrien nach ihrer Zerlegung im Eizytoplasma resorbiert worden 
sind? Ein Blick auf die Plastosomen der Eizelle, besonders der 
heranwachsenden (Fig. 11—16) genügt, um zu erkennen, dass 
diese Strukturen offenbar eine hervorragende Wichtigkeit be- 
sitzen; schon deshalb ist es wenig wahrscheinlich, dass die ent- 
sprechenden Strukturen des Spermiums dem Untergang bestimmt 
sein sollten. Wir wissen ferner, dass die Plastosomen mit den 
Fäden Flemmings von 1882 und den Granulis von Alt- 
mann (1890) identisch sind (Meves 1908, 1, 1910, 1914, 3, 


30 Friedrich Meves: 


1915), dass sie also ganz ursprüngliche Zytoplasmabestandteile 
darstellen. Wenn solche durch das Spermium in das Ei hinein- 
transportiert werden, so erscheint mir ausgeschlossen, dass sie 
dort spurlos verschwinden sollten. Zugunsten der letzteren An- 
nahme lässt sich kaum etwas anderes geltend machen, als dass 
eine Persistenz der männlichen Plastochondrien im Ei mit der 
Monopolstellung unvereinbar ist, welche dem Chromatin der 
Samenzelle noch von vielen Seiten bei der Übertragung erblicher 
Eigenschaften eingeräumt wird. 

Vergleicht man die Aussaat männlicher Plastochondrien., 
wie sie sich bei Filaria abspielt, mit dem gleichen Vorgang bei 
Ascaris (Meves 1911, 1), so ergeben sich folgende Unterschiede: 
Bei Ascaris wandern die männlichen Plastochondrien aus dem 
Spermienkörper erst aus, nachdem sie sich zerlegt haben: bei 
Filaria dagegen treten sie unzerlegt in das Eizytoplasma über 
und zerfallen erst hinterher. Das Spermium wird ferner im Ei 
des Pferdespulwurms zur Zeit, wo die männlichen Plastochondrien 
ausgesät werden, dicht von Eiplastochondrien umhüllt, welche 
sich von allen Seiten her im Umkreis desselben ansammeln: im 
Filariaei dagegen lassen die weiblichen Plastochondrien keine 
Lageveränderungen erkennen. 

Der aus zytoplasmatischer „Grundsubstanz“ bestehende 
Körper der Samenzelle wird im Filariaei besonders, nachdem 
die erste Reifungsteilung begonnen hat,') immer kleiner. Diese Ver- 
kleinerung ist zum Teil auf die Auswanderung der männlichen 
Plastochondrien zurückzuführen: daneben tritt aber eine wirkliche 
Abnahme der Grundsubstanz. wahrscheinlich durch Resorption, 
ein. An Präparaten, welche mit modifiziertem Flemmingschen 
(emisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt worden sind, 
kann man zu der Meinung kommen, dass der Plasmakörper des 
Spermiums nach Ablauf der ersten Reifungsteilung völlig ge- 
schwunden ist (Fig. 65 ff... Giemsafärbungen der mit Sublimat- 
Alkohol-Eisessig fixierten Eier zeigen aber, dass Teile davon noch 
längere Zeit persistieren können; man vergleiche Fig. 62, wo ein 
strangförmiger Rest am oberen Rand des männlichen Vorkerns er- 
halten ist. Wie ich schon früher mit Bezug auf das Ascarisspermium 
bemerkt habe (1911, I, S. 709), lässt sich die Möglichkeit nicht 

') Inden Prophasen derselben ist er häufig vorübergehend kugelschalen- 
förmig umgestaltet (vergl. Fig. 59). 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. al 


ausschliessen, dass von der Grundmasse des Spermienzytoplasmas 
Wirkungen irgendwelcher Art auf das Ei ausgehen. 

Als eine eigentümliche Erscheinung am Spermienzytoplasma 
ist noch das Auftreten einer hellen Vakuole zu erwähnen, welche 
gewöhnlich am Rande desselben gelegen und von einer Membran 
eingeschlossen ist (Fig. 23, 25—27, 29, 31): die letztere ist ın 
der Regel mit männlichen Plastochondrien besetzt. Wenn die 
erste Richtungsspindel sich ihrer Fertigstellung nähert, scheint 
die Vakuole sich vom Zytoplasma der Samenzelle loszulösen und, 
indem ihr bisher heller Inhalt sich trübt, in ein homogen aus- 
sehendes Kügelchen überzugehen, wie es z. B. in Fig. 33 ober- 
halb des (die Chromatinkügelchen einschliessenden) Zytoplasma- 
restes des Spermiums gelegen ist. Dieses Kügelchen kann noch 
längere Zeit persistieren. nicht nur während der Reifungs- 
teilungen (Fig. 65, 69), sondern auch noch auf dem Stadium der 
Vorkerne (Fig. 70—72) und sogar noch im Verlauf der ersten 
Furchungsteilung. 

Es erübrigt schliesslich, die Chromatinkügelchen des 
Spermiums in ihrem weiteren Verhalten zu verfolgen. In der 
eben eingedrungenen Samenzelle vermochte ich sie, wie gesagt, 
nur durch Giemsafärbung an meinem Sublimat-Alkohol- 
Eisessig-Material darzustellen und glückte mir eine scharfe 
Färbung derselben auch in der späteren Zeit bis zum Auftreten 
der ersten Richtungsspindel ausschliesslich auf diese Weise. 

Wie die Giemsapräparate zeigen, nehmen die Chromatin- 
kügelchen des Spermiums nach dem Eindringen desselben all- 
mählich an Grösse zu (Fig. 52 tf.). Dabei bleiben sie auch weiter- 
hin völlig voneinander isoliert, wenn sie auch mitunter so eng 
zusammen liegen, dass sie untereinander verbacken erscheinen. 
Zuweilen liegen sie sämtlich oder zum Teil ausserhalb des 
Spermienkörpers im Eizytoplasma:; hier vergrössern sie sich 
schneller, als wenn sie im Spermienkörper eingeschlossen bleiben 
(Fig. 53). 

Nachdem die erste Richtungsspindel die Höhe ihrer Aus- 
bildung erreicht hat, kann man die Chromatinkügelchen des 
Spermiums auch bei anderer als Giemsafärbung wahrnehmen: 
so z. B. in Präparaten, welche mit modifiziertem Flemming schen 
(remisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin tingiert sind; in diesen 
erscheinen sie allerdings zunächst gewöhnlich nur in ganz blassenı 


32 Friedrich Meves: 


Ton (Fig. 63, 64). Erst nach Ausstossung des ersten Richtungs- 
körpers werden sie auch auf die eben genannte Weise stärker 
färbbar (Fig. 65) und beginnen nunmehr Formveränderungen zu 
zeigen (Fig. 66): jedes einzelne zerfällt in zwei oder mehr kleinere 
Körner. Weiter bilden sie sich zu einem Samenkern um. der zunächst 
vielfach sehr unregelmässig gestaltet ist (Fig. 67, 69) und erst all- 
mählich Bläschenform annimmt (Fig. 72, 73). Häufig aber liegen die 
fünf oder sechs Chromatinkügelchen, welche den Samenkern bilden 
sollen, nicht sämtlich miteinander vereinigt, sondern sind auf 
zwei oder auch drei Häufchen vereinigt, welche durch Zwischen- 
räume voneinander getrennt sind (Fig. 68). Dann entsteht nicht 
ein einheitlicher Samenkern, sondern deren zwei (Fig. 70, 71) 
oder drei, welche heranwachsen und bis zur ersten Furchungs- 
teilung isoliert erhalten bleiben (Fig. 74). Die Bildung des 
männlichen Vorkerns beginnt gewöhnlich etwas früher als die 
des weiblichen. In dem ersteren ist bald gar keine 
chromatische Substanz mehr zu erkennen; dagegen bleiben in 
dem weiblichen Kern noch längere Zeit Chromatinklumpen sicht- 
bar, deren Anzahl derjenigen der Chromosomen entspricht (Fig. 
62, 72). 

Bei Ancyracanthus hat Mulsow von einer Abneigung der 
Uhromatinkügelchen des eingedrungenen Spermiums gegen Farb- 
stoffe nichts erwähnt. Bei einer Betrachtung seiner Figuren 
komme ich jedoch zu dem Ergebnis, dass die Sache hier wahr- 
scheinlich ebenso wie bei Filaria liegt. Mulsow bildet zwei 
Spermien ab, welche nach ihm im Eindringen begriffen sind. von 
denen das eine fünf, das andere sechs Chromatinkügelchen zeigt: 
dann aber führt er das männliche Chromatin innerhalb des Eies erst 
wieder vor, nachdem es sich zu einem grossen Samenkern umgebildet 
hat. Im Text heisst es: „Das (eingedrungene) Spermatozoon bleibt 
zunächst untätig im Protoplasma des Eies an einer beliebigen 
Stelle liegen. Während dieser Ruhe verklumpen die Chromosomen 
meistens miteinander, so dass ihre Zahl dann nicht mehr fest- 
zustellen ist.“ Hierzu ist zu bemerken, dass die Stelle, wo das 
Spermium sich lagert, im Filariaei wenigstens durchaus keine 
beliebige ist; auch kann von einer meistens erfolgenden Ver- 
klumpung der männlichen Chromatinkügelchen bei diesem Wurm 
nicht die Rede sein. 


© 
e8) 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 


VI. Der Beginn der Furchung. (Fig. 35 —38 und 75—-77.) 


Mit dem Herannahen der ersten Furchungsteilung treten in 

den beiden Vorkernen wieder Chromosomen auf (Fig. 75). Die 
Eizelle der Fig. 35 zeigt die erste Furchungsspindel auf der Höhe 
der Ausbildung. Hat man die in der Äquatorialebene der Spindel 
versammelten Chromosomen in Polansicht vor sich, so kann man 
feststellen, dass ihre Zahl bald elf (Fig. 76), bald zwölf (Fig. 77) 
beträgt. Nach den Ergebnissen neuerer Forschung würde sich die 
Eizelle im ersteren Fall zu einem Männchen, im letzteren zu 
einem Weibchen entwickelt haben. 
Im Zytoplasma ist in Fig. 35 gegen das zuletzt besprochene 
Stadium keine Veränderung eingetreten. Die Plastochondrien sind 
in der ganzen Zelle gleichmässig verteilt geblieben; von einer 
Anhäufung um die Zentrosomen, wie man sie im Ascarisei be- 
obachtet, ist keine Spur wahrzunehmen.!) 

Auf dem Zweizellenstadium der Fig. 36 sind die Vakuolen 
im Zytoplasma, von welchen übrigens an manchen Präparaten- 
serien auch vorher wenig oder gar nichts zu erkennen ist, völlig 
geschwunden. Dagegen sind eine Anzahl homogen aussehender 
Ballen sichtbar geworden, welche sich mit Eisenhämatoxylin 
schwarz färben lassen, den Farbstoff aber bei der Differenzierung 
ziemlich leicht wieder abgeben. Mitunter trifft man solche Ballen 
bereits in den Prophasen der ersten Furchungsteilung an; sie 
scheinen auf den späteren Stadien der Teilung wieder zu ver- 
schwinden, um dann nach Ablauf derselben von neuem auf- 
zutreten. 

Auf dem Stadium der Fig. 37, in welcher acht Blastomeren 
auf dem Schnitt getroffen sind, ist der Bau des Zytoplasmas 
der gleiche wie in Fig. 36. Gehen wir dagegen zu dem in 


') In einer früheren Arbeit (1914, 1) habe ich S. 107 gesagt, dass An- 
häufungen von Plastochondrien in der nächsten Umgebung der Zentrosomen, 
wie wir sie im Ei und in den Blastomeren von Ascaris antreffen, uns bei 
anderen Tieren bisher nicht mit Sicherheit bekannt seien. Dieser Satz 
bedarf der Berichtigung insofern, als Lams 1910 im Ei von Arion 
empiricorum im Umkreis der Zentrosomen analoge Plastochondrienanhäufungen 
beschrieben hat, welche hier zuweilen sehr regelmässig in Form zweier, durch 
eine homogene Zone getrennter Kugelschalen angeordnet sind (H. Lams, 
Recherches sur l’oeuf d’Arion empiricorum. (Accroissement, maturation, 
fecondation, segmentation). Me&moires in — 4° publies par la Classe des 
Sciences de l’Acad&mie Royale de Belgique, t. II, 1910.) 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt. II. 3 


34 Friedrich Meves: 


Fig. 35 abgebildeten, bereits weit vorgeschrittenen Furchungs- 
stadium über, so ist nunmehr das durch die Anwesenheit zahl- 
reicher kleiner Plastochondrien bedingte feinkörnige Aussehen 
des Zytoplasmas völlig verschwunden; auch von den eben be- 
schriebenen Ballen ist nichts mehr wahrzunehmen. Das Zyto- 
plasma der Furchungszellen bietet vielmehr auf diesem Stadium 
folgendes Bild: es besteht aus einer homogen aussehenden 
Grundsubstanz, in welcher einzelne dicke Plastokonten einge- 
bettet sind. 

Die Herausbildung dieser dicken Plastokonten habe ich nicht 
verfolgt: wie sie aber auch vor sich gegangen sein möge, die 
Annahme erscheint mir unabweisbar, dass nicht nur die Ei- 
plastochondrien, sondern auch die in der Eizelle ausgesäten und 
zerlegten männlichen Plastochondrien an der Entstehung der 
Plastokonten Anteil genommen haben. Männliche und weib- 
liche Plastochondrien müssen sich also zu einem 
Mischprodukt vereinigt haben. Dadurch erfüllen sie eine 
Forderung, welche Naegeli (1854) an die elterlichen Idioplasma- 
körper stellt: dass sie sich vereinigen, um ein neues Idio- 
plasma, dasjenige des Kindes, zu bilden. 

Naegeli, welcher das Idioplasma aus Strängen bestehen 
lässt, die sich ihrerseits aus parallelen Reihen von Micellen zu- 
sammensetzen, hat das Zustandekommen der Vereinigung zwischen 
männlichen und weiblichen Idioplasmakörpern vom theoretischen 
Standpunkt in eingehendster Weise erörtert. Er nimmt an, dass 
sie sich gegenseitig in derselben Weise wie Eizelle und Spermium 
anziehen und sich infolge davon aneinanderlegen. Weiter lösen 
sich entweder Micellen von dem einen idioplasmatischen System 
nach und nach ab und wandern in das andere hinüber; oder 
aber männliche und weibliche Idioplasmakörper bleiben intakt 
und „wirken bloss gegenseitig auf das Wachstum der einen 
und anderen so ein, dass dasselbe zu einer mittleren Bildung 
hinstrebt“. 

Auch de Vries (1889) und OÖ. Hertwig (1890) sind durch 
ihre Betrachtungen zu dem Ergebnis geführt worden, dass bei 
der Befruchtung eine „Durchdringung und Vermischung“ der 
Erbanlagen stattfindet. 

An meinen Präparaten von Ascaris habe ich 1911, 1 beob- 
achtet, dass die im Ei vorhandenen Plastochondrien nach 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 35 


Beendigung der ersten Reifungsteilung deutlich vergrössert er- 
schienen, und habe für möglich erklärt, dass diese Vergrösserung 
mit einer Kopulation zwischen männlichen und weiblichen Plasto- 
chondrien zusammenhängen könne, habe aber allerdings bemerken 
müssen, dass sie vielleicht auch auf Rechnung einer Quellung zu 
setzen sei. welche eingetreten sein könnte, weil das fixierende 
Reagens die auf diesen Stadien bereits stark verdickte Dotter- 
haut erst nach Ablauf einiger Zeit zu durchdringen vermag. Bei 
Filaria vollzieht sich die erste Vereinigung zwischen männlichen 
und weiblichen Plastochondrien möglicherweise erst im Lauf der 
Furchung. Bei Phallusia kann es nach meiner Darstellung (1913) 
jedenfalls nicht anders sein, da in der ungefurchten Eizelle die 
weiblichen Plastochondrien der Menge nach enorm überwiegen 
und vor Eintritt einer Vereinigung mit den entsprechenden 
männlichen Gebilden erst die vorhandene Ungleichheit durch 
Wachstum der letzteren beseitigt werden muss. 

Das, was sich demnach für das Zytoplasma als notwendige 
Annahme ergibt, dass sich eine Vereinigung seiner elterlichen 
Erbanlagen verschieden lange nach der Kopulation von Ei- und 
Samenzelle bis in die Zeit der Furchung hinein verschieben kann, 
steht mit Bezug auf den Kern, welcher nach Pfeffer (1897, 
S. 43) mit dem Zytoplasma in Symbiose!) lebt, schon lange fest, 
wenigstens für jeden, der nicht Anhänger der Chromosomen- 
individualität ist. Denn, während im Seeigelei Ei- und Samen- 
kern kurze Zeit nach dem Eindringen des Spermiums miteinander 
verschmelzen (0. Hertwig, 1875), kann nach den Beobachtungen 
Van Benedens (1855) im Ei des Pferdespulwurms eine Ver- 
mischung des väterlichen und mütterlichen Chromatins ja frühestens 
nach Ablauf der ersten Furchungsteilung stattfinden: im be- 
fruchteten Copepodenei bleiben die elterlichen Idioplasmakörper 
des Kerns sogar während der ganzen ersten Entwicklung ge- 
trennt (Rückert, 1895 und Haecker, 1896). 

Meine zuerst 1908 ausgesprochene Forderung, dass die 
männlichen und weiblichen Plastochondrien sich bei der Be- 


!) Diese Anschauung wird auffallenderweise auch von einem der über- 
zeugtesten Anhänger der OÖ. Hertwig-Strasburgerschen Vererbungs- 
lehre, nämlich von Boveri (1904, S. 90), akzeptiert; auffallenderweise: 
denn die beiden in Symbiose lebenden Organismen vererben doch jeder seine 
Eigenschaften selbständig und nicht der eine diejenigen des anderen mit. 

3*+ 


36 Friedrich Meves: 


fruchtung vereinigen müssen, ist mehrfach auf Ablehnung ge- 
stossen. Demgegenüber möchte ich hier noch zunächst darauf 
hinweisen, dass auch Strasburger 1877 (S. 509) vorübergehend 
gegenüber O. Hertwig den Satz verteidigt hat, dass nicht bloss 
die Zellkerne, sondern überhaupt die gleichwertigen Teile der 
kopulierenden Zellen sich im Geschlechtsakt vereinigen und dass 
hierin das Wesen der Befruchtung bestehe. Von besonderem 
Interesse aber war mir der folgende literarische Fund, welchen 
ich kürzlich gemacht habe. Delage hat in seinem 1895 er- 
schienenen Werke L’heredite bei einer Besprechung der Alt- 
mannschen Granulalehre geprüft, was Altmann selbst unter- 
lassen hatte, wie die „Bioblasten“ sich zu dem Vererbungsproblem 
stellen, und dabei schon damals eine Vereinigung zwischen 
väterlichen und mütterlichen Körnern gefordert; er schreibt 
S. 503 folgendes: 

„Altmannn apres etre arrive & cette conclusion que ses bioblastes 
sont les facteurs des propri6tes de l’organisme, s’arröte brusque- 
ment sans chercher & voir si des facteurs ainsi constitu6s permettent d’ex- 
pliquer les phenomönes biologiques. Il se contente de presenter sous une 
forme concrete les units hypothetiques des autres auteurs; de dire aSpencer 
a Haeckel, ä& Darwin, ä Naegeli, ä de Vries, & Hertwig, ä 
Wiesner, ete.: Voila vos unit6es physiologiques,vos plastidules, 
vos gemmules, vos micelles, vos pangenes, vos idioblastes, vos 
plasomes, etc.; ils ne sont point ce que vous avez imagine, ce ne sont 
que de petits appareils doues de proprietes chimiques definies. — ÜCela 
est fort bien, mais il faudrait montrer qu’ ainsi constitues ils conservent 
les proprietes gräce auxquelles ces particules hypothetiques expliquaient 
plus ou moins les ph@enomenes de la vie. Altmann ne saurait prötendre 
avoir si rigoureusement d“montre que les granules sont les facteurs des 
proprietes organiques quwil soit dispense de s’inquieter des consequences 
de sa conelusion. IJl devait done montrer comment ses bioblastes s’accom- 
moderaient avec les problömes de l’heredite, de l’ontogenese, de la varia- 
tion, de l’adaption, ete. Il s’est borne a tracer quelques lineaments de la 
phylogenese primitive. Ce n’est point assez, car il ya dans l’application des 
bioblastes A certains problömes des diffieultes tres graves.“ 


In einer Anmerkung zu letzterem Satz heisst es: 

„Le nombre de leurs varietes doit &tre tres considerable dans un 
organisme complique. Leur taille cependant n’est jamais tr&s petite 
puisqu’elle reste toujours dans les limites de la visibilite. 

On comprendrait A la rigueur que le nombre necessaire puisse trouver 
place dans l’oeuf. Mais dans le spermatozoide, cette difficult€ se complique 
d’une autre. C’est surtout, on peut dire c’est exclusivement, dans le cyto- 
plasma que l’on trouve des granules. Ceux du noyau sont fortement douteux 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 37 


et Altmann lui-möme en parle avec beaucoup moins d’assurance que de 
ceux du corps cellulaire. Or le spermatozoide est presque entierement forme 
de substance nucleaire. La portion eytoplasmique, que peut-etre il renferme 
en lui, est de volume si minime qu’elle ne pourrait donner asile qu’a des 
particules de taille extr&mement inferieure ä celle des granules, partant in- 
visibles, et par suite hypothetiques, ce qui leur öte le prineipal merite des 
granules. 

Mais admettons que les bioblastes ultramieroscopiques, admis par une 
induction fondee sur les bioblastes visibles, puissent donner au spermatozoide 
les proprietes n@cessaires. Admettons que ces bioblastes spermatiques ultra- 
microscopiques grossissent ensuite dans l’aeuf fecond@ et deviennent des 
granules ordinaires. 

Le protoplasma de l’embryon contiendra done deux bioblastes de 
chaque esp&ce, un paternel et un maternel, qui pourraient, a la rigueur, ex- 
pliquer la forme mixte des caracteres exprim6es. Mais il est &vident que le 
nombre des bioblastes ne saurait doubler ainsi a chaque generation et qu’un 
phenomene de reduction doit se produire sous une forme quelquonque La 
division reductriee ne peut l’expliquer, car elle ne pourrait qu’eliminer une 
moitic des bioblastes paternels et maternels, et il arriverait certainement 
que ceux de la m@me sorte se trouveraient souvent expulses des deux cötds 
Aa la fois et manqueraient dans le produit. On ne peut qu’imaginer, 
apres la f&econdation, une fusion de deux bioblastesen un.) 
Or Altmann n’a jamais signal de phenomene de ce genre et sl l’ad- 
mettait ce ne pourrait &tre qu’hypothetiquement. L’idee quiil se fait de la 
nature des bioblastes n’est pas conciliable avec cette hypothese. Deux sphe- 
rules formees seulement de substance chimique peuvent se fusionner lors- 
qu’elles sont petites et grossir ensuite seulement autant qu’eüt fait une 
seule. Mais les bioblastes sont, d’apres lui, des sortes de cristaux organiques, 
en tout cas des agregats doues d’une structure qui intervient dans leurs 
proprietes. En ce cas, ils ne peuvent que se juxtaposer, et, au bout d’un 
nombre suffisant de generations, il n’y a plus place pour le grand nombre 
qui doit se trouver dans un seul granule ... 

Admettons qu’ Altmann ou quelqgue autre soit en &tat de repondre 
a toutes ces objections, il est &vident qu’il ne saurait le faire sans faire 
intervenir des hypotheses et c'est la seulement ce que nous voulons d&montrer 
pour le moment.“ 


Ich möchte zu diesen Ausführungen bemerken, dass die 
Bioblasten des Spermiums ja durchaus nicht, wie Delage damals 
(1595) annahm, ultramikroskopisch sind. Ich halte es ferner 
nicht für nötig, mit Delage die Existenz verschiedener Arten 
von Bioblasten anzunehmen. Die Hypothesen, deren wir für unsere 
Anschauung bedürfen, nach welcher die Bioblasten (Plastochondrien 
bezw. Plastosomen) Vererbungsträger darstellen, werden uns teil- 


!, Von mir gesperrt. 


33 Friedrich Meves: 


weise durch die Naegelische Idioplasmatheorie an die Hand ge- 
geben (vergl. Meves, 1908, 1). 

In den ersten Blastomeren sich furchender Eier hat man bisher, so 
viel ich weiss, stets (ebenso wie bei Filaria) Körner, Plastochondrien, ge- 
funden; in den Embryonalzellen dagegen sind jedenfalls bei Wirbeltieren 
Fäden vorhanden. Bei Amphibien (Triton) wurde eine Umwandlung der 
Körner in ausserordentlich dünne schlanke Fäden von Duesberg (1910, 2) 
schon in den Zellen der Gastrula beobachtet. Beim Kaninchen dagegen 
erfolgt. ebenfalls nach Duesberg (1910, 1), die Bildung von Fäden erst 
verhältnismässig spät, am vierten bis fünften Tage der Entwicklung; noch 
später nach Rubaschkin (1910) beim Meerschweinchen; während Levi 
neuerdings (1914) bei der Fledermaus konstatiert hat, dass die Plasto- 
chondrien noch im Laufe der Furchung (vom 22—30-Zellenstadium an) in 
Plastokonten übergehen. Levi erklärt, dass „die Verschiedenheiten 
in der Form der Chondriosomen in den frühen Stadien der 
Ein wieklunge. er sicher von grosser Bedeutung sind.“ 


VIII. Schluss. 


Die vorliegende Untersuchung bildet eine weitere Stütze 
für meine Anschauung. nach welcher die plastosomatischen Be- 
standteile des Spermiums bei der Übertragung der erblichen 
Eigenschaften beteiligt sind. 

Der Umstand, dass eine Auswanderung von Plastosomen 
aus dem Spermium in das Fizytoplasma sich bereits innerhalb 
verhältnismässig kurzer Zeit in zwei Fällen, bei Ascaris und 
Filaria, direkt hat nachweisen lassen, bestärkt mich in der Über- 
zeugung, dass die Befunde am Säugetier- und Seeigelei, welche 
meiner eben genannten Auffassung auf den ersten Blick zu 
widersprechen scheinen. sich ihr in der schon früher vermuteten 
Weise ebenfalls fügen werden. 

Bei Säugetieren ist die von Van der Stricht (1909) und 
Lams (1910) entdeckte Tatsache, dass der Spermienschwanz, 
dessen Mittel- oder Verbindungsstück mit einer Plastochondrien- 
hülle versehen ist, in die eine der beiden ersten Blastomeren über- 
geht, kürzlich auch von Levi (1914) bestätigt worden. Van der 
Strieht, Lams und Henneguy (Diskussion zu dem Vortrag 
von Lams, 1910) hatten an diesen Befund die Hypothese ge- 
knüpft, welcher auch Levi (1914) nicht widerspricht, dass die- 
jenige Blastomere, welche den Spermienschwanz erhält, den 
eigentlichen Embryo. die andere den sogenannten Trophoblasten 
(im Sinne von Hubrecht) bildet. Sobotta hat diesen Schluss 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. a, 


zunächst (1913,1, S. 16) als „sehr voreilig“ bezeichnet, hat aber 
noch im selben Jahre (1913, 2) seinerseits ebenfalls eine Ungleich- 
wertigkeit der beiden ersten Blastomeren angenommen, ın 
demselben Sinne. dass die eine Blastomere den Embryo, die 
andere den Trophoblasten oder das „ausserembryonale Material“ 
bildet, um eine Hypothese über die Entstehung eineiiger Zwillinge 
des Menschen und der Polvembryonie bei den Gürteltieren darauf 
aufzubauen. 

Beim Seeigelei habe ich kürzlich (1914.2) zeigen können, 
dass das plastosomatische Mittelstück des Samenfadens, welches 
bei der ersten Furchungsteilung in eine der beiden Blastomeren 
übergeht (Meves, 1912), auch im weiteren Verlauf der Furchung 
erhalten bleibt; ich habe in einer grossen Anzahl von Keimen 
verschiedenen Alters bis zum 32-Zellenstadium inkl. Mittelstücke 
aufgefunden, welche in ihrer Form völlig unverändert waren. 
Die Vermutung, welche ich im Anschluss an diese Beobachtungen 
ausgesprochen habe. basiert auf der Tatsache, dass der junge 
Seeigel aus dem sogenannten Pluteus nicht direkt oder durch 
weitere Umwandlung, sondern als ein Neugebilde aus einer 
Ektodermeinstülpung, der sogenannten Seeigelanlage oder Seeigel- 
scheibe, entsteht, wobei zahlreiche Teile des Larvenkörpers, 
welche zu dem neuen Bau nicht benutzt werden, zu Grunde 
gehen. Und zwar glaube ich annehmen zu dürfen, dass die 
Substanz des Mittelstücks in die Zellen der „Seeigelanlage“ 
übergeht, aus welcher sich, soviel ich aus der Literatur zu ent- 
nehmen vermag, sämtliche oder fast sämtliche Teile des jungen 
Seeigels mit Ausnahme des Darms (oder eines Teils desselben) 
und der Vasoperitonealblasen bilden. Die Zellen der zuletzt 
genannten Organe würden demnach allerdings keine männlichen 
Plastosomen erhalten; die Möglichkeit aber, dass fast der ganze 
übrige Leib des jungen Seeigels durch das Mittelstück des Samen- 
fadens väterliche Eigenschaften ererbt, bleibt bestehen. Die 
spätere Metamorphose des Seeigels ist übrigens ganz ausser- 
ordentlich kompliziert und trotz verschiedener auf diesen Punkt 
gerichteter ausgezeichneter Untersuchungen noch keineswegs 
genügend aufgeklärt. 

Die Tatsache, welche sich demnach aus den Befunden am 
Säugetier- und Seeigelei zu ergeben scheint, dass die männliche 
plastosomatische Substanz nicht an vergängliche embryonale 


40 Friedrich Meves: 


Bildungen verschwendet, sondern für das definitive Tier auf- 
gespart wird, würde nur geeignet sein, unsere Wertschätzung 
der Plastosomen in ihrer Eigenschaft als Vererbungsträger zu 
steigern. 


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Derselbe, 1913: Über das Verhalten des plastosomatischen Bestandteiles des 
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Arch. f. mikr. Anat., Bd. 82, Abt. 2. 

Derselbe, 1914, 1: Die Plastochondrien in dem sich teilenden Ei von Ascaris 
megalocephala. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 84, Abt. 2. 

Derselbe, 1914, 2: Verfolgung des Mittelstückes des Echinidenspermiums 
durch die ersten Zellgenerationen des befruchteten Eies. Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. 85, Abt. 2. 


42 Friedrich Meves: 


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Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Eies. 43 


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tazione di libera docenza. Bolletino scientifico, anno 15—20, Pavia. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—-IV. 


Die Abbildungen der Tafel I—IV sind, nach Schnitten durch die 


hintersten Enden der weiblichen Geschlechtsröhren von Filaria papillosa R., 
mit Zeiss’ Apochromat 1,5 mm und Kompensationsokular 12 unter Be- 
nutzung des Abbeschen Zeichenapparates entworfen, wobei der Abstand 
der Zeichenebene von der Ebene des Tisches 17!/» cm betrug 


Fig. 


Tafel 1. 


. 1-25. Sämtlich nach Präparaten, welche mit modifiziertem Flem- 


mingschem Gemisch fixiert sind. 


‚ 1-10. Freie Spermien aus dem obersten Abschnitt des Uterus. 
. 1-5. Färbung mit Safranin. Chromatinkügelchen rot, Nebenkern etwas 


stärker bräunlich gefärbt als das Uytoplasma. In Fig. 2 und 3 
sind sechs, in Fig. 1, 4, 5 fünf Chromatinkügelchen zählbar. Von 
den fünf Kügelchen in Fig. 5 ist eines deutlich grösser als die 
übrigen, setzt sich also wohl aus zweien zusammen. 

6-10. Färbung mit Eisenhämatoxylin. Nebenkern intensiv schwarz 
gefärbt. Die gleichfalls schwarz gefärbten Chromatinkügelchen 
sind in Fig. 6 durch den Nebenkern verdeckt, in den Figuren 7 10 
dagegen sichtbar, aber mehr oder weniger untereinander verklumpt. 


. 11-26. Färbung mit Eisenhämatoxylin. 
. 11-17. Verschiedene Entwicklungsstadien von Oozyten. Text S. 21—23. 
+. 18-26. Befruchtete Eizellen. Eiplastochondrien infolge stärkerer Diffe- 


renzierung nicht mehr schwarz wie in Fig. 17. sondern nur noch 
grau gefärbt. 


g. 18, 19. Spermium eben eingedrungen, unmittelbar unter der Zellober- 


fläche gelegen. Text S. 24—25, 


. 20—26. Das Spermium liegt zwischen dem Eikern und dem in den 


Figuren oberen Pol der Eizelle. Auswanderung der männlichen 
Plastochondrien. Text S. 27—29. 


Uber die Vakuole,. welche sich in Fig. 23, 25 und 26 am Rand des Spermiums 


findet, :s. Text S. 31. 


44 Friedrich Meves: 


Tafel II. 


Sämtliche Figuren nach Präparaten, welche mit modifiziertem Flem- 
mingschen Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt worden sind. 
Fig. 27—35. Weitere Entwicklungsstadien befruchteter Eizellen. 

Fig. 27—31. Die Auswanderung der männlichen Plastochondrien aus dem 
Spermienkörper nimmt ihren Fortgang. 

Von Fig. 28 an: Beginn der ersten Reifungsteilung. Der Eikern ver- 
lässt den Eimittelpunkt und begibt sich an den in den Figuren unteren 
Pol der Zelle. Fig. 31 Eikern verkleinert. Fig. 32 Membran des Eikerns 
geschwunden, Uhromosomen zu einem Haufen versammelt. Fig. 33, 34 Erste 
Richtungsspindel auf der Höhe der Ausbildung. Fig. 33 Erste Richtungs- 
spindel in Seitenansicht. Fig. 34 Chromosomen der ersten Richtungsspindel 
in Polansicht. 

In Fig. 32 sind im Eieytoplasma noch ca. 15, in Fig. 33 noch ca. 
8 Körner vorhanden, welche etwas grösser und stärker gefärbt als die 
übrigen sind. 

Fig. 34. Das Eicytoplasma ist ausschliesslich von kleinen Körnern von der 
Grösse und Färbbarkeit der Eiplastochondrien durchsetzt. 

Fig. 35. Erste Furchungsspindel auf der Höhe der Ausbildung. Beschaffen- 
heit des Oytoplasmas wie in Fig. 34. Am unteren Pol der Zelle 
die beiden Richtungskörper. 

Die in den Figuren 27, 29 und 31 am Rande des Spermienkörpers 
gelegene Vakuole ist im Text S. 31 besprochen: ebendort das Kügelchen, 
welches in Fig. 33 oberhalb des Spermienkörpers liegt: in letzterem vier 
Chromatinkügelchen. 

Mit Bezug auf den grossen, annähernd ovalen, hellen Bezirk (mit 
darin eingeschlossenem Körperchen), welchen man in Fig. 27, 28, 30, 32—34 
am obern Pol der Eizelle wahrnimmt, vergl. Text S. 27—28, über den 
gleichen Bezirk in Fig. 26, siehe Text 5.28, Anm. 

Fig. 36. Zweizellenstadium. Das Cytoplasma enthält ausser den Plastochon- 
drien grau gefärbte Ballen von homogenem Aussehen. 

Fig. 37. Furchungsstadium, acht Zellen auf dem Schnitt getroffen. Beschaffen- 
heit des Cytoplasmas wie in Fig. 36. 

Fig. 38. Stark vorgerücktes Furchungsstadium, ca. 70 Zellen auf dem Schnitt 
getroffen. Ihr Cytoplasma enthält dicke Plastokonten, welche in 
einer homogen aussehenden Grundsubstanz eingebettet sind. 


pafel LIT. 


Sämtliche Figuren nach Präparaten, welche mit Sublimat-Alkohol-Eis- 
essig fixiert und mit Giemsalösung gefärbt worden sind. 

Fig. 39-48. Freie Spermien aus dem obersten Abschnitt des Uterus. 

Fig. 39-42. Das ganze Spermium mit Ausnahme der Chromatinkügelchen 
ist in Fig. 39-41 rotviolett, in Fig. 42 blauviolett gefärbt. Man 
zählt in Fig. 39 und 42 sechs, in Fig. 41 fünf, in Fig. 40 dagegen 
nur vier Chromatinkügelchen; von den letzteren sind wahrscheinlich 
mindestens zwei verklumpt. 


Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des Ries. 45 


Fig. 43. Kopfkappe rotviolett, das übrige Spermium mit Ausnahme der 
(fünf) Chromatinkügelchen blauviolett gefärbt. 

Fig. 44. Kopfkappe rotviolett, Nebenkern und Schwanzteil des Spermiums 
blauviolett gefärbt. Chromatinkügelchen (fünf?) verbacken. 

Fig. 45. Kopfkappe und Schwanzteil des Spermiums rotviolett, Nebenkern 
bläulich gefärbt. Man zählt vier Chromatinkügelchen. 

Fig. 46—48. Kopfkappe rotviolett, Nebenkern bläulich, Schwanzteil des 
Spermiums blauviolett gefärbt. In Fig. 46 sind sechs, in Fig. 47 
und 48 je fünf Chromatinkügelchen zählbar. In Fig. 48 erscheint 
die Kopfkappe zu einer Spitze ausgezogen; wahrscheinlich handelt 
es sich bei dieser Spitze um ein Kunstprodukt. 

Fig. 49—62. : Befruchtete Eizellen. 

Fig. 49-51. Spermium eben eingedrungen, unmittelbar unter der Zellober- 
fläche gelegen. In Fig. 49 sind die Chromatinkügelchen des Sper- 
miums bis auf eines durch die intensive Blaufärbung des Spermien- 
cytoplasmas verdeckt. In Fig. 50 und 51 ist die Blaufärbung 
verblasst; die Chromatinkügelchen, in Fig. 50 fünf, in Fig. 51 
sechs, sind deutlich sichtbar geworden. In Fig. 50 und 51 nimmt 
man ausserdem noch in dem abgeblassten Spermiencytoplasma ein 
stärker blau gefärbtes Körperchen unbekannter Natur wahr. 

Fig. 52—58. Spätere Stadien befruchteter Eizellen, vor Beginn der ersten 
Reifungsteilung. Das Spermium hat seine oberflächliche Lage auf- 
gegeben und seinen Platz zwischen dem Eikern und dem in den 
Figuren oberen Pol der Eizelle eingenommen. In Fig. 52, 53, 55 
und 56 ist die Blaufärbung des Spermiencytoplasmas abgeblasst, 
in Fig. 54, 57 und 58 dagegen erhalten. Fig. 52—56 zeigen das 
(srösserwerden der Chromatinkügelchen. In Fig. 52—-55 zählt man 
sechs, in Fig. 56 fünf oder sechs, in Fig. 57 drei untereinander 
verbackene, in Fig. 58 vier Uhromatinkügelchen. 

Fig. 59. Eikern im Beginn der ersten Reifungsteilung. Spermienkörper- 
schalenförmig umgestaltet, auf dem optischen Schnitt: fünf Chro- 
matinkügelchen. 

Fig. 60. Membran des Eikerns geschwunden, Chromosomen der ersten Rich- 
tungsspindel. Im Eicytoplasma zwei stärker gefärbte rundliche 
Flecke, deren ich im Text keine Erwähnung getan habe: Natur 
derselben mir unbekannt. Im Spermienkörper drei Chromatin- 
kügelchen sichtbar. 

Fig. 61. Eizelle kurz vor Ausstossung des ersten Richtungskörpers. Rest 
des Spermiencytoplasmas mit fünf Chromatinkügelchen. 

Fig. 62. Beide Richtungskörper ausgestossen. Männlicher und weiblicher 
Vorkern. In letzterem vier Chromatinklumpen:; am oberen Rand 
des ersteren ein strangförmiger Rest des Spermiencytoplasmas. 


Tafel IV. 
Sämtliche Figuren nach Präparaten, welche mit modifiziertem Flem- 
mingschen Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt worden sind. 
Die Strukturverhältnisse des Eicytoplasmas sind nicht wiedergegeben. 


46 


Friedrich Meves: Mitwirkung der Plastosomen usw. 


65— 77. Spätere Entwicklungsstadien befruchteter Eizellen, 


g. 63 und 64. Erste Richtungsspindel: Chromosomen derselben in Fig. 63 


wenig, in Fig. 64 weiter auseinandergewichen. Chromatinkügel- 
chen des Spermiums blass gefärbt. 
65—68. Erster Richtungskörper ausgestossen. 


. 65. Uhromatinkügelchen des Spermiums stärker färbbar geworden. 

. 66. Chromatinkügelchen des Spermiums zum Teil zerschnürt. 

. 67. Kleiner männlicher Vorkern von unregelmässiger Form. 

g. 685. Chromatinkügelchen des Spermiums auf drei Häufchen verteilt, 


welche durch Zwischenräume voneinander getrennt sind. 


g. 69—74. Beide Richtungskörperchen gebildet. 
. 69. Männlicher Vorkern grösser als in Fig. 67, aber noch unregel- 


mässig in der Form. Die im Ei zurückgebliebenen Ohromosomen 
der zweiten Richtungsteilung haben sich noch nicht zum weib- 
lichen Vorkern umgebildet. 

“0. Zwei männliche und ein weiblicher Vorkern. 

71. Ebenso: die Vorkerne etwas grösser geworden. 

72, 73. Je ein männlicher und weiblicher Vorkern: in letzterem sind 
in Fig. 72 die Chromosomen der zweiten Richtungsteilung noch 
in Form von Chromatinklumpen erhalten. 

4. Zwei männliche (oben) und ein weiblicher Vorkern (unten). 

5. In den Vorkernen sind wieder Chromosomen aufgetreten. 

76, 77. Die Chromosomen der ersten Furchungsspindel in Polansicht: 

man zählt in Fig. 76 elf, in Fig. 77 zwölf Chromosomen. 
Über die annähernd ovalen, hellen Bezirke (mit darin eingeschlossenen 


Körperchen), welche man in Fig. 63 und 64 am oberen Pol, in Fig. 65—67 
an den Seiten der Eizelle (in Fig. 66 in doppelter Zahl) wahrnimmt, s. Text 
S. 28; bezüglich des homogen aussehenden Kügelchens, welches in Fig. 65 in 
der Nachbarschaft der Chromatinkügelchen des Spermiums, in Fig. 691 
in der Nähe des männlichen Vorkerns. in Fig. 72 links vom weiblichen gelegen 
ist, ist Text S. 31 zu vergleichen. 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel 
(Mytilus edulis L.). 


Von 
Friedrich Meves in Kiel. 


Hierzu Tafel V. 

Die Auffassung von dem Wesen der Befruchtung hat auch 
nach Entdeckung der „Samenkörperchen“ (1677) gemäss dem 
jeweiligen Zustand der wissenschaftlichen Erkenntnis stark ge- 
wechselt. Nachdem die Theorie Leeuwenhooks, welcher die 
Samenkörperchen als die präexistierenden Keime ansah, sich 
als irrtümlich herausgestellt hatte, wurden sie lange Zeit von den 
„berühmtesten und, was mehr sagt, den berechtigten Autoritäten“ 
für parasitische Infusorien des Samens gehalten. „Nur 
dadurch“, sagt Hensen 1385, S. 739, „dass trotz allen Glaubens 
an jene Autoritäten das Studium der Natur fortgesetzt wurde, 
sind wir weiter gekommen, denn die Natur fährt fort, ihre 
unwandelbaren Tatsachen zu geben, vor denen die 
Irrtümer jeder Autorität zerstäuben“. Kölliker (1841) 
war der erste, der die Lehre von der selbständigen tierischen 
Natur der „Spermatozoiden“ mit Entschiedenheit bekämpfte und 
zeigte, dass sie Produkte des väterlichen Organismus sind. Schon 
vorher war durch Spallanzani (1785) und Prevost und 
Dumas (1824) auf experimentellem Wege nachgewiesen worden, 
dass die Samenkörperchen zum Zweck der Befruchtung mit den 
Eiern in unmittelbare Berührung kommen müssen. Man sah sie 
dann auch (um 1850) den Eizellen äusserlich anhängen, später 
aber verloren gehen. Die Frage nach ihrer Wirkungsweise be- 
antwortete man damals der Hauptsache nach folgendermaßen: 
Nach einer Ansicht sollten sie sich auflösen und ihre Substanz 
der Dottermasse zumischen; die Befruchtung sollte also durch 
von aussen eindringende gelöste Stoffe erfolgen. Eine andere 
Anschauung, welche von Bischoff unter dem Einfluss der 
Liebigschen Lehre von den Kontaktwirkungen aufgestellt und 
z. B. von Leuckart akzeptiert wurde, lautete dahin, dass es 
sich bei der Befruchtung um die Mitteilung einer inneren 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt. II. 4 


48 Friedrich Meves: 


Molekularbewegung handle, die in dem einen Körper, dem 
Spermatozoiden, bereits vorhanden, auf das zu derselben Form 
der Bewegung sehr geneigte Ei übergehe.!) 

Später wurden von verschiedenen Seiten Beobachtungen 
publiziert, nach welchen die Spermatozoiden in die Eizellen ein- 
dringen. Die theoretische Auffassung der Befruchtung änderte sich 
aber erst, als OÖ. Hertwig 1875 beim Seeigel fand, dass der Kopf 
des eingedrungenen Samenfadens sich zu einem Kern, dem Samen- 
kern, umwandelt und dass der letztere mit dem weiblichen oder 
Eikern kopuliert. O. Hertwig stellte daraufhin den Satz auf, 
dass „die Befruchtung auf der Verschmelzung von geschlecht- 
lich differenzierten Zellkernen beruht“. Hensen (1881, S. 126) 
bezeichnete diese Auffassung insofern als eine glückliche, als sie 
unsere Kenntnisse von dem Befruchtungsvorgang vertiefe, „indem 
sie zu den bisher nur in Betracht gezogenen chemischen und 
physikalischen Momenten noch hinzufüge das für die Lebens- 
erscheinungen (und die Vererbung) so bedeutsame morphologische 
Moment, dass nämlich die Materie in bestimmter Formung mit- 
wirkt“. Van Beneden erbrachte sodann 1883 bei Ascaris den 
Nachweis, dass die Chromosomen der ersten Furchungsspindel 
zur einen Hälfte vom Eikern, zur anderen Hälfte vom Samen- 
kern abstammen. Das Chromatin steht sich also im Ei- und 
Samenkern äquivalent gegenüber und wird auf die aus dem be- 
fruchteten Ei hervorgehenden Zellen in gleicher Weise verteilt. 
Hierzu kommt, dass es vor der Befruchtung eine Massenreduktion 
erfährt. Auf Grund dieser Tatsachen gelangte die OÖ. Hertwig- 
Strasburgersche Lehre zur Herrschaft, dass das Chromatin 
als der alleinige Träger der erblichen Eigenschaften anzu- 
sehen sei. 

/war wurde von Anfang an von den verschiedensten Autoren 
immer wieder darauf hingewiesen, dass das Spermium auch noch 
eine wenn auch nur sehr geringe Menge von Protoplasma mit- 
bringt, welches zu vernachlässigen kein Grund vorliege Die 
Anhänger der nuklearen Vererbungstheorie konnten sich jedoch 
bis vor kurzem mit Recht darauf berufen, dass diesen Hinweisen, 
soweit sie von deskriptiver Seite kamen, keine positiven Beob- 
v7  ı) Für weiteres und die Literatur bis 1853 verweise ich auf den 
Artikel von Leuckart: „Zeugung“ in Wagners Handwörterbuch der 
Physiologie, Bd. 4. 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. 49 


achtungen zugrunde lägen; die Ergebnisse der experimentellen 
Forschung aber, welche zu dem Kernmonopol der Vererbung in 
Widerspruch stehen, wurden von ihnen nicht als beweiskräftig 
anerkannt (vergl. Meves 1908, S. 823). 

In den letzten Jahren ist es nun aber mit Hilfe neuerer tech- 
nischer Methoden gelungen, den Nachweis zu führen, dass bei 
der Befruchtung spezifische protoplasmatische Bestandteile, die 
Plastosomen, welche dem Ei und Spermium gemeinsam sind, 
von dem letzteren in das Eiprotoplasma übertreten. Angesichts 
der grossen Bedeutung, welche diesen Elementen für das zellulare 
Leben zugesprochen werden muss, ist es nicht anders glaublich, 
als dass sie bei der Übertragung erblicher Eigenschaften mit- 
wirken. Die Lehre, nach welcher der Kern der alleinige Ver- 
erbungsträger ist, kann daher heute nicht mehr aufrecht erhalten 
werden. 

Eine Aussaat männlicher Plastosomen im Eiprotoplasma ist 
bei Nematoden, bei welchen der Befruchtungsvorgang der Beob- 
achtung besonders leicht zugänglich ist, bereits in zwei Fällen, 
bei Ascaris (L. und R. Zoja, Meves, Romeis, Held) und 
Filaria (Meves), nachgewiesen worden. Bei einer Ascidie, 
Phallusia, konnte ich ferner an der röhrenförmigen plastosomati- 
schen Scheide, welche bei diesem Tier den Kopf des Spermiums 
umgibt, bei der Befruchtung interessante Veränderungen wahr- 
nehmen; ich fand, dass der Kopf sich auf einem späteren Stadium 
dieser Scheide entledigt hat, ohne dass es mir jedoch gelang, 
über ihr Schicksal etwas Bestimmtes festzustellen. Bei den grossen 
Schwierigkeiten der Untersuchung wird man sich überhaupt in 
vielen Fällen mit, der Konstatierung begnügen müssen, dass bei 
der Befruchtung männliche plastosomatische Substanz mit dem 
Spermium in das Ei eingeführt wird. Über diesen Nachweis bin 
ich auch bei der vorliegenden Untersuchung, welche sich mit 
dem Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel (Mytilus edulis L.) 
beschäftigt, nicht hinausgelangt. 


Material und Methode. 


Die reifen Geschlechtsprodukte werden bei den Muscheln 
ebenso wie z. B. bei Echinodermen ins Wasser abgegeben. Wenn 
man in der geeigneten Jahreszeit eine Anzahl Miesmuscheln in 
Gläsern mit Seewasser isoliert, kann man, wie schon O, Hertwig 

4* 


50 Friedrich Meves: 


(1877) mitteilt, bei einigen derselben die Entleerung ihrer 
Geschlechtsdrüsen in den nächsten Stunden beobachten und dann 
die künstliche Befruchtung ausführen. Auf diese Weise konnte 
ich mir in Kiel in der Zeit von Ende April bis Anfang Juni ohne 
grosse Schwierigkeit Material verschaffen. 

Von den verschiedenen, zum Studium der Plastosomen ge- 
eigneten Methoden, welche ich für die Untersuchung in An- 
wendung gebracht habe, hat mir die Altmannsche die besten 
Resultate gegeben, so dass ich mich schliesslich auf diese be- 
schränkt habe. Der Färbung habe ich, wie auch früher, der 
Empfehlung von Rubaschkin folgend, eine Beizung nach 
Lustgarten-Pal vorausgehen lassen. Nachdem der Kopf des 
Samenfadens tiefer in das Ei eingedrungen ist, wird seine Auf- 
findung durch zahlreiche im Ei vorhandene Fett- oder Dotter- 
kügelchen erschwert, welche durch die in dem Altmannschen 
Gemisch enthaltene Osmiumsäure geschwärzt worden sind. Es 
empfiehlt sich daher, wenn andere als die allerersten Befruchtungs- 
stadien zur Untersuchung kommen sollen, die aufgeklebten Schnitte 
zunächst für 6—8 Stunden in Terpentin aufzustellen, welches die 
osmierten Kügelchen in Lösung bringt. Man kann sich den Nach- 
weis des Spermienkopfes ferner dadurch erleichtern, dass man 
der Plastosomenfärbung mit Säurefuchsin-Pikrinsäure eine Kern- 
färbung mit Hämalaun vorausschickt. Zu diesem Zweck 
habe ich die Schnitte, nachdem ich sie zunächst nach Lust- 
garten-Pal gebeizt (eventuell auch noch vorher mit Terpentin 
behandelt) hatte, für ca. 12 Stunden in eine Hämalaunlösung 
nach P. Mayer hineingebracht, welche im Verhältnis 1:3 mit 
destilliertem Wasser verdünnt war. 


Die Spermien. 


Zu den überaus zahlreichen Spermienformen, deren genaue 
Kenntnis wir G. Retzius verdanken, gehören auch diejenigen von 
Mytiius. Ich habe zu seiner Schilderung (1904, S. 22) nur weniges 
hinzuzusetzen. 

„Der Kopf“, sagt Retzius, „ist beinahe kuglig und im 
ganzen nicht gross, aber an seinem Vorderende findet sich ein 
mit breiter, von der Kopfsubstanz scharf abgesetzter Basis ver- 
sehenes, nach vorn hin weit hervorragendes und stark zuge- 


. 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. 5l 


spitztes Perforatorium, welches stärker lichtbrechend, glänzender 
als die Kopfsubstanz ist“. 

Die Abweichungen, welche der eigentliche Kopf von der 
Kugelform aufweist, bestehen nach meinen Beobachtungen darin, 
dass er etwas länger als breit und an seinem hinteren Umfang 
abgeplattet ist. Das Perforatorium ist in einigen meiner Präparate, 
welche nach der Altmannschen Methode hergestellt sind, durch 
und durch rot gefärbt. In anderen Präparaten hat es sich infolge 
stärkerer Differenzierung in seiner Achse aufgehellt; es erscheint 
also röhrenförmig. Die Wand der Röhre zeigt sich an der Basis 
etwas verdickt; diese verdickte Stelle hält bei noch weiterer 
Differenzierung den Farbstoff am längsten fest. An der Spitze 
des Perforatoriums vermag ich eine leichte knopfförmige Ver- 
dickung wahrzunehmen. 

Am hinteren Umfang des Kopfes sieht man, wie Retzius 
geschildert hat, in der Seitenansicht zwei oder auch drei Kügelchen 
(siehe meine Fig. 1 a—d), welche sich (Retzius) durch 
Behandlung mit Osmiumsäure und Fuchsin (mit nachfolgendem 
Einlegen in essigsaures Kali) intensiv rot färben lassen. Hat 
man den Spermienkopf in der Ansicht von hinten vor sich 
(Fig. 1 e—f), so erkennt man, dass im ganzen fünf solcher 
Kügelchen vorhanden sind, welche um den Ansatz des Schwanzes 
herum in einem regelmässigen Fünfeck liegen. Ich selbst erhielt 
sie bei Anwendung der Altmannschen Methode ebenfalls 
intensiv rot gefärbt; sie geben aber den Farbstoff bei diesem 
Verfahren sehr leicht wieder ab und erscheinen dann ganz durch- 
sichtig und hell. Retzius hat ähnliche Kügelchen, deren Anzahl 
bald 4, bald 5. bald 8 beträgt, noch bei zahlreichen anderen 
Mollusken (Lamellibranchiern) und besonders bei Würmern 
(Polychaeten) aufgefunden. 

Was nun die Deutung dieser Kügelchen anlangt, so sind 
sie bereits von Retzius (1904) als Homologa des Nebenkerns 
von v. la Valette St. George, des „Mitochondrienkörpers“ von 
mir (1900) angesprochen worden. Dass diese Deutung zu- 
treffend ist, ergibt sich in erster Linie aus den spermatogeneti- 
schen Beobachtungen, welche M. v. Brunn (1884) und ich (1900) 
bei Paludina gemacht haben. In denjenigen Spermatiden von 
Paludina, aus welchen die eupyrenen Spermien entstehen, liegen, 
wie v. Brunn gezeigt hat, an der Hinterseite des sich ent- 


92 Friedrich Meves: 


wickelnden Kopfes vier Kügelchen, welche „die Ecken eines 
winzigen Quadrats bilden, aus dessen Mitte der (Schwanz)faden 
hervortritt“. Bei Paludina persistieren sie nicht als solche, sondern 
schliessen sich im Lauf der Entwicklung eng an den Schwanz- 
faden an (wobei sie sich mit ihren Wänden aneinander legen 
und verschmelzen) und strecken sich dann zu immer dünner 
werdenden Röhren in die Länge. Schliesslich sind sie in eine 
zylindrische, auf dem Querschnitt viergeteilte Umhüllung des so- 
genannten Mittelstücks des Schwanzfadens umgewandelt. Von 
diesen Kügelchen habe ich (1900) zeigen können, dass sie 
Deriyate von Mitochondrien oder Plastochondrien und also 
Homologa des „Nebenkerns“ bei Insekten sind, welcher nach 
meiner Feststellung gleichfalls plastosomatischer Natur ist. 
Die Kügelchen bei Mytilus sind nun zweifellos mit denjenigen 
bei Paludina identisch und können daher, wie es von Seiten 
Retzius’ geschieht, in ihrer Gesamtheit als „Nebenkernorgan“ 
bezeichnet werden. 

Von dem Schwanz der Mytilusspermien sagt Retzius, dass 
er verhältnismässig kurz und mit einem Endstück versehen ist, 
„welches doppelt so lang ist als der eigentliche Kopf und auch 
länger als dieser zusammen mit seinem Perforatorium“. 


Die reifen Eier. 


O0. Hertwig, welcher 1877 bei Mytilus den Vorgang der 
Richtungskörperbildung studiert hat, beschreibt, dass die frisch 
gelegten Eier sich auf dem Stadium der ersten Ricbtungsspindel 
befinden und dass sie von einer „festen, doppelt konturierten 
und glatt aufliegenden Membran“ umschlossen werden. Von dem 
Protoplasma der Eier sagt er, dass es im lebenden Zustand 
„durch kleine glänzende Körnchen in hohem Grade getrübt“ er-' 
scheint. Schnitte von Eiern, welche nach der Altmannschen 
Methode behandelt worden sind, zeigen nun, dass zwei ver- 
schiedene Sorten von Körnchen existieren (Fig. 2). Ein Teil der 
Körnchen werden durch Osmiumsäure geschwärzt, stellen also 
Fett- oder Dotterkügelchen dar. Die übrigen erweisen sich durch 
ihre Färbungsreaktionen als Plastochondrien ; sie besitzen meistens 
in einem und demselben Ei ein etwas verschiedenes Kaliber; die 
grössten erreichen beinahe die Grösse der Dotterkügelchen. 
Dotterkügelchen und Plastochondrien finden sich im allgemeinen 


ot 
= 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. 


bunt durcheinander gemengt: jedoch bildet die eine oder andere 
Sorte von Kügelchen vielfach besondere Anhäufungen. 

Schon OÖ. Hertwig hat ferner im Mytilusei ein „von der 
übrigen Dottersubstanz verschiedenes“ kugeliges Gebilde wahr- 
genommen, „das in der Grösse von 3 « zu 5 « variiert.“ „Man 
kann schwanken“, sagt O. Hertwig, „ob es ein besonders be- 
schaffenes Dotterelement oder ein aus Kernsubstanz bestehender 
Teil ist. Da indessen das Kügelchen einige Zeit nach der Be- 
fruchtung verschwunden ist und die Befunde auffallend an die 
bei Asteracanthion und Nephelis erhaltenen erinnern, so glaube 
ich mich für das letztere entscheiden zu müssen.“ ©. Hertwig, 
welcher ausschliesslich Totalpräparate von Mytiluseiern unter- 
sucht hat, nahm an, dass es sich um einen „in beständiger Ab- 
nahme begriffenen kugelförmigen Rest des Keimflecks“ handelt. 
Bei Schnittuntersuchung kann man nun aber leicht feststellen. 
dass vielmehr die erste der beiden Alternativen, zwischen welchen 
0. Hertwig geschwankt hat, zutrefiend ist: es handelt sich 
um ein „besonders beschaffenes Dotterelement“, und zwar um 
einen sogenannten „Dotterkern“, wie wir ihn zuerst im Spinnenei 
besonders durch Balbiani kennen gelernt haben, bestehend 
aus einem zentralen protoplasmatischen Körperchen, welches in 
der Regel Plastochondrien und mitunter daneben auch noch Dotter- 
kügelchen einschliesst, und umgebenden konzentrischen Lamellen, 
welche, dachziegelartig zusammengefügt, eine kugelige Kapsel 
bilden. Es kommt jedoch in zahlreichen Fällen vor, dass die 
Kapsel das zentrale Kügelchen nur einseitig umgibt, indem die 
konzentrischen Lamellen auf eine Seite desselben beschränkt sind 
(Fig. 2). 

Auffallend ist, dass im Mytilusei nicht selten mehrere solcher 
Dotterkerne vorkommen. OÖ. Hertwig erwähnt schon. dass das 
von ihm aufgefundene Gebilde „zuweilen auch in zwei Hälften 
geteilt auftritt“. Ich selbst habe einigemal drei und in einem 
Fall sogar vier solcher Dotterkerne gezählt. 


Die Befruchtung. 


Bei einer Portion Eier, welche ich 2!/g Minuten nach der 
Besamung fixiert hatte, waren die Spermienköpfe zum Teil noch im 
Eindringen begriffen (Fig. 5), zum Teil aber schon völlig einge- 
drungen, jedoch noch unmittelbar unter der Eimembran gelegen 


54 Friedrich Meves: 


(Fig. 4). Die Eimembran weist an der Eintrittsstelle des Spermiums 
ein rundes, scharf umgrenztes Loch auf, welches etwas weiter ist, 
als für den Durchtritt des Kopfes notwendig erscheint. Die Ränder 
des Loches sind in den meisten Fällen etwas nach aussen umge- 
bogen. Merkwürdig ist, dass das Perforatorium nicht nur bei 
den völlig aufgenommenen Köpfen, sondern auch schon bei den 
noch im Eintritt begriffenen spurlos geschwunden ist; seine Sub- 
stanz muss sich also sehr rasch auflösen. Dagegen sind am 
hinteren Umfang des durch Hämalaun blau gefärbten Kopfes in 
Seitenansicht zwei oder drei Kügelchen des „Nebenkernorgans“ 
deutlich zu erkennen. 

Indem der Kopf mit dem ihm anhaftenden Nebenkernorgan 
tiefer in das Ei eindringt, kommt er zwischen den geschwärzten 
Dotterkügelchen und Eiplastochondrien zu liegen und wird nun 
besonders durch die ersteren den Blicken entzogen. Um ihn 
auffinden zu können, empfiehlt es sich, wie gesagt, die ge- 
schwärzten Kügelchen vorher durch Behandlung der Schnitte 
mit Terpentin zu entfernen, wie dies bei Fig. 5—8 geschehen ist. 
Fig. 5 und 6 sind nach Eiern gezeichnet, welche 4'/» Minuten 
nach Zusatz des Spermas fixiert worden sind. In Fig. 5 und 8 
hat sich von der Oberfläche der doppelt konturierten Eimembran 
eine „Dotterhaut“ abgehoben; in Fig. 6 und 7 ist sie entweder 
noch nicht gebildet oder liegt der Eimembran noch so dicht an, 
dass sie nicht zu erkennen ist. 

Der eingedrungene Kopf führt weiterhin eine Drehung aus, 
wie sie schon bei zahlreichen Tieren beobachtet wurde, in der 
Weise, dass er das vordere Ende gegen die Peripherie, das hintere 
gegen den Mittelpunkt des Eies kehrt: Fig. 7 und 8, nach Eiern, 
welche 6 Minuten nach der Befruchtung fixiert sind. In Fig.” 
liegt der Kopf genau rechts vom Eintrittsloch, aus welchem der 
Schwanzfaden hervorragt. Bei Fig. 8 ist das Eintrittsloch nicht 
auf dem Schnitt getroffen. In letzterer Figur haben die Kügelchen 
des „Nebenkernorgans“ sich bereits von der Hinterseite des 
Spermienkopfes abgelöst. Nachdem sie sich weiter von ihm ent- 
fernt haben, besteht keine Möglichkeit mehr, sie von gleichgrossen 
Eiplastochondrien zu unterscheiden. Damit ist der weiteren Ver- 
folgung der männlichen plastosomatischen Substanz (wenigstens 
mit Hilfe der von mir angewandten Methode) im Mytilusei ein 
Ziel gesetzt. 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. 59 


Immerhin ist es gelungen, an einem neuen Objekt den 
Nachweis zu erbringen, dass ausser dem Kern auch die Plasto- 
somen der Samenzelle als geformte Elemente in das Ei ein- 
treten. Dass sie dies allgemein tun, lässt sich allerdings, wie 
Duesberg (1912, S. 841) bereits bemerkt hat, überhaupt nicht 
im mindesten bezweifeln. Zunächst konnte überall, wo die Bildung 
des Spermiums mit den geeigneten Methoden untersucht wurde, 
gezeigt werden, dass sämtliche Plastosomen der Spermatide da- 
bei Verwendung finden. Wir wissen ferner, dass in zahlreichen 
Fällen die ganzen Spermien einschliesslich des Schwanzes in 
das Ei aufgenommen werden.!) „Andererseits“, sagt Duesberg, 
„zeigen die Untersuchungen über den Aufbau des reifen Sper- 
matozoids, dass es in vielen Fällen genügt, wenn ein sehr kleiner 
Teil des Schwanzes in das Ei eindringt und in einigen Fällen 
dieses Eindringen [des Schwanzes| gar nicht nötig ist, um die 
Plastosomen des Spermatozoids in das Ei zu bringen.“ 

Es kann allerdings zunächst befremden, dass die Plasto- 
somen des Spermiums denjenigen des Eies in vielen Fällen z. B. 
bei Mytilus und Phallusia so ausserordentlich an Masse nach- 
stehen ?); aber ein Argument gegen ihre Mitwirkung bei der 
Vererbung lässt sich, wie ich schon mehrfach bemerkt habe, 
daraus nicht herleiten.?) Die Stammzellen des Spermiums und 
der Eizelle, die Spermatogonien und Oogonien, sind bei vielen 
Tieren nicht nur an Grösse, sondern auch in bezug auf den Bau 


1) Man kann es heute sogar für wahrscheinlich halten, dass alle An- 
gaben, nach welchen Schwanzteile abgeworfen werden, auf Irrtum beruhen. 

?) Bei Ascaris und Filaria ist dies weniger der Fall. 

3) Man vergleiche auch W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie, II. Aufl. 
1897, Bd. 1, 8.46: „Da mit dem Samenfaden (wie es scheint, in allen Fällen) 
bei der Befruchtung der Eizelle auch Zytoplasma zugeführt wird, so kann 
schon dieserhalb aus den bezüglichen Erfahrungen die Alleinherrschaft des 
Kerns mit Recht nicht gefolgert werden .... “ Weiter heisst es 8. 47: 
„In diesen Fragen ist aus der relativ ansehnlichen Grösse des Kernes in 
embryonalen Zellen ein entscheidendes Argument nicht abzuleiten, so be- 
achtenswert und bedeutungsvoll diese Tatsache auch ist. Denn von der 
Körpermasse hängt doch nicht die Bedeutung eines Menschen im Gemein- 
wesen ab, und die Bakterien demonstrieren sehr schön, wie eine winzige 
lebendige Masse, indem sie zu intensiver Vermehrung befähigt ist, die ge- 
waltigsten Leistungen zu vollbringen und selbst die grössten Organismen 
zu vernichten vermag. Zudem können gewaltige Reizerfolge durch unglaublich 
geringe Mengen ausgelöst werden.“ 


56 Friedrich Meves: 


von Kern und Zytoplasma einander so völlig gleich, dass sie 
sich überhaupt nicht unterscheiden lassen. Die Oogonie pflegt 
mit ihrem Übertritt in die Wachstumsperiode eine gewaltige 
Vergrösserung zu erfahren, an welcher nicht nur das Zytoplasma, 
sondern auch der Kern Teil hat, so dass das „Keimbläschen“ 
den Kern der homologen männlichen Zelle, des Spermatozyten 
erster Ordnung, in vielen Fällen um das hundertfache und mehr 
übertrifft. Nichtsdestoweniger erweisen sich die Kerne der 
beiden kopulierenden Geschlechtszellen als „äquivalent“. Was nun 
die Plastosomen anlangt, so könnte die im frisch besamten Ei 
vorhandene Ungleichheit in der Zahl der männlichen und weib- 
lichen Plastosomen durch ein starkes Wachstum der ersteren‘ be- 
seitigt werden. Dabei ist zu betonen, dass ein solcher Ausgleich 
sich keineswegs bis zum Beginn der ersten Furchung (Auftreten 
der Zelleibsteilung) zu vollziehen braucht: in den Furchungszellen 
ist noch Zeit genug dafür. Die Befruchtung vollendet sich meines 
Erachtens vielfach erst im Lauf der Keimbildung. 

Solange man glauben durfte, dass sämtliche erblichen Eigen- 
schaften im Kern vereinigt sind, war die Annahme notwendig, 
dass sie von diesem auf das Zytoplasma übertragen werden. 
Wenn bei Kreuzung einer rot und einer weiss blühenden Pflanze 
die Blumen des Bastards eine intermediäre blassrote Färbung auf- 
weisen, so mussten wir uns früher vorstellen (De Vries 1889), 
dass die Chromatophoren ihre Eigenschaften vom Kern mitge- 
teilt bekommen haben. Man zog zur Erklärung eine dynamische 
oder enzymatische Wirkung des Kerns auf das Zytoplasma heran 
oder grift zu der Hypothese, dass die im Kern enthaltenen stoff- 
lichen Träger der erblichen Anlagen (Pangene, De Vries) vom 
Kern an das Zytoplasma abgegeben werden. Mit der Erkenntnis, 
dass neben dem Kern auch die Plastosomen bei der Befruchtung 
mitwirken, sind alle diese Annahmen überflüssig geworden. Die 
Plastosomen sind die Vererbungsträger des Zytoplasmas; sie 
stellen nach der Anschauung, welche ich mir von 1907 an auf 
Grund meiner Beobachtungen gebildet habe, eine primitive (in- 
differente, neutrale) Substanz dar, welche sich selbst im Lauf 
der Öntogenese in die verschiedensten Differenzierungen um- 
wandelt, wobei sie die elterlichen Eigenschaften in die Er- 
scheinung treten lässt. Wenn in dem oben angeführten Beispiel 
die Blüten der Bastardpflanze blassrot sind, so erklärt sich dies 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. DM 


meiner Meinung nach daher, dass im Lauf der Befruchtung 
männliche und weibliche Plastosomen sich miteinander vereinigt 
haben und dass die Chromatophoren der Pflanzen, wie neuere 
Untersuchungen gezeigt haben, (ebenso wie die Pigmentkörner 
der Tiere) Umwandlungsprodukte von Plastosomen sind.) 

In einer früheren Arbeit (1908) habe ich die Frage unter- 
sucht, inwieweit auf die Plastosomen die Vorstellung passt, welche 
Naegeli sich von der äusseren Erscheinung und der Struktur 
seines Idioplasmas gebildet hat, und bin zu dem Resultat ge- 
langt, dass die Plastosomen eine geeignete Grundlage für die 
Naegelische Theorie innerhalb des Zytoplasmas abgeben. 
Jedoch fand ich, dass die Anschauungen, welche von Naegeli 
mit Bezug auf die spezifische Wirksamkeit des Idioplasmas 
entwickelt worden sind, durch meine Beobachtungen über 
das Verhalten der Plastosomen bei der „Entfaltung der 
Anlagen“ keine Bestätigung erhalten. Ich kam nämlich zu dem 
Ergebnis, dass die verschiedenen Differenzierungsprodukte der 
Zellen nicht, wie es die Theorie Naegelis verlangen würde, 
durch Einwirkung der Plastosomen (bezw. der den Plasto- 
somen innewohnenden Molekularkräfte) auf das umgebende Zyto- 
plasma hervorgebracht werden; sie entstehen vielmehr nach 
meiner Ansicht, wie ich schon eben bemerkt habe, aus den 
Plastosomen selbst auf dem Wege direkter Metamor- 
phose, welche nach den verschiedensten Richtungen vor 
sich geht. 

In dieser Beziehung stimmt mit meiner Auffassung in viel 
höherem Grade die Lehre überein, zu welcher Galton durch 
das Studium der Erblichkeitsgesetze geführt worden ist. 
Johannsen, dessen „Elementen der exakten Erblichkeitslehre “ 


') Nach Strasburger (1908) soll ja allerdings bei der Befruchtung 
der Phanerogamen ein „nackter Spermakern“ in das Ei hineinschlüpfen ; ein 
Erguss von zytoplasmatischem Pollenschlauchinhalt in das Ei ist nach 
Strasburger in keinem Fall bisher beobachtet worden. Ich habe aber 
hierzu schon 1908, S. 859 folgendes bemerkt: „Da das Zytoplasma des 
Pollenschlauchs den Spermakern, wie Strasburger selbst (1908, S. 40) sagt, 
an seinen Bestimmungsort befördert, so lässt es sich meines Erachtens nicht 
ausschliessen, dass etwas davon mit in das Ei hineingelangt. Ferner ist aber 
die Möglichkeit nicht abzuweisen, dass schon ein einziges winziges Mito- 
chondrium genügen könnte, um die Eigenschaften des väterlichen Zytoplasmas 
auf dasjenige des Eies zu übertragen.“ 


> We BERND rpm am Treten! SE RATE SEHE ET 


58 Friedrich Meves: 


(erste deutsche Ausgabe 1909, S. 478 u. folg.) ich meine Kenntnis 
dieser Theorie verdanke, gibt davon folgende Darstellung. Galton 
(1875), führt er aus, nennt dasjenige im befruchteten Ei, was für 
die Vererbungserscheinungen massgebend ist, den Stirp (aus dem 
lateinischen stirps, Stamm), ein Wort, welches sich auch durch 
die häufig benutzten Ausdrücke Idioplasma (Naegeli 1854) und 
Keimplasma (Weismann 1885) ersetzen lässt. Er denkt sich, 
dass die Sexualzellen (und ebenso die embryonalen Gewebe) reich 
an Stirp sind und dass dieser in den Sexualzellen direkt von 
der einen Generation zur folgenden weitergeführt wird, ohne in 
den speziellen persönlichen Entwicklungsgang des einzelnen 
Individuums hineingezogen zu werden, während die speziali- 
sierten Körperzellen im Lauf ihrer Entwicklung 
das ihnen überlieferte „Keimplasma“ grösstenteils 
„verbrauchen.“'!) Die Sexualzellen der nacheinander folgenden 
Generationen bilden ein Kontinuum, eine Fortsetzungsreihe; und 
es ist sehr deutlich, dass dadurch der Stirp das eigentlich 
bleibende, das eigentlich „feste“ der betreffenden Rasse bildet. 
„Die individuellen Körper, die Einzelpersonen, sind — mit einem 
nicht ganz adäquaten Bild übrigens — vergänglichen Blättern 
oder Trieben an einem unsichtbaren Wurzelstock ähnlich; der 
„Wurzelstock“ wird von den Blättern und Trieben ernährt, diese 
aber manifestieren nur, was im „Wurzelstock“* gegeben ist — 
aber in höchst wechselnder Art je nach den Schwankungen der 
Lebenslagefaktoren“. 

Diese Lehre kann nach Johannsen (1909, S. 480) in ein- 
fachster Weise durch folgendes Schema illustriert werden: 


M N 0 RB 
| | 


Ss 


„Hier bezeichnen die Buchstaben M—P vier Generationen 
von Individuen, während s den Stirp (das Keimplasma) der Gameten 
bezeichnet, welcher alle Generationen zur einheitlichen Entwick- 
lungsreihe verbindet. Die langen Striche des Schemas deuten 
das Freiwerden, das Ausscheiden von Gameten, z. B. eines Eies, 
an; die kurzen Striche bezeichnen die Entwicklung des betreffenden 
Individuums aus der grundlegenden Zygote.“ 


1) Man vergleiche hierzu Johannsen, Elemente der exakten Erb- 
lichkeitslehre, zweite deutsche Ausgabe, 1913, S. 408. 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. 59 


Weiter (S. 4387) unternimmt es Johannsen, das Galton- 
sche Schema an die Mendelsche Regel zu adaptieren, wobei er 
die beiden zur Kreuzung verwendeten rassenreinen Individuen 
(die „homozygotischen P-Formen“) mit AA und aa bezeichnet; 
das Schema z. B. der AA-Form würde dann folgendermaßen aus- 
zuführen sein: 


M N 0 P 

| | | 
ER a EEE 

\A \A) A) ai 


Das obere A bezeichnet die „genotypische“ Beschaffenheit 
der Eizelle, das untere diejenige der Samenzelle. Hier sind beide 
genotypisch gleich und könnten darum auch mit s (wie vorher) 
markiert werden. 

„Die Berücksichtigung der „Personen“, M, N usw., ist nun 
offenbar hier unnötig und macht das Schema für den weiteren 
Gebrauch nur schwerfällig. Halten wir uns allein an die geno- 
typische Beschaffenheit der Gameten bezw. der Zygoten, dann 
können wir hier gleich das derart vereinfachte Schema der beiden 
P-Formen sowie des Bastardes beider darstellen. Mit G1—G4 
sind die betreffenden vier (Generationen markiert“: 


Gi G: @3 G4 
2 ee A\ [A\ ATS ERBIES: 
\A) A) \A/ 4A 
\ la\ \ 
nn 
IA\ [A \ [A \ Er 
a IA} \A) 
FR | [A \ en ee 
BP 
a ae ae Tre 
[a\ [a\ 'a\ ar 
\ a / \a, | a) 


Dieses Bastardschema ist, wie Johannsen sagt, „nichts 
als eine graphische Transskription des einfachen Mendelschen 


60 Friedrich Meves: 


Spaltungsschemas bei Selbstbefruchtung des Bastards Fı.“ Um 
das Verhalten der Nachkommenschaft eines solchen Bastards zu 
erklären, hat Mendel bekanntlich die Hypothese aufgestellt, 
dass die in Fı zusammengebrachten Gene oder Erbeinheiten bei 
der Bildung der Sexualzellen wieder getrennt würden 
oder mit anderen Worten, dass jeder Bastard der Fı-Generation 
zweierlei Arten von Sexualzellen (zweierlei männliche und zweierlei 
weibliche) bilde. Die zytologische Grundlage der Spaltungsprozesse 
glaubt man vielfach in der sogenannten „Reduktionsteilung“ ge- 
funden zu haben, welche Weismann, ohne Kenntnis des 
Mendelschen Vererbungsmodus, von theoretischen Erwägungen 
aus postuliert hatte. Ich darf dazu bemerken, dass ich schon 
1902 konstatiert habe (vergl. auch Meves 1896), dass eine solche 
Reduktionsteilung als allgemeines Vorkommnis nicht existiert. 
Meine weiteren Untersuchungen, zusammen mit der Konfusion, 
welche bezüglich des „Reduktionsproblems“ in der zytologischen 
Literatur von Anfang an geherrscht und immer stärker um sich 
gegriffen hat, haben die Überzeugung in mir immer mehr be- 
festigt, dass die Weismannsche Reduktionsteilung das Phantasie- 
produkt bleiben wird, als welches sie entstanden ist. 

Ferner scheint es mir aber keineswegs erforderlich, anzu- 
nehmen, dass die Spaltung und Neukombination der Gene oder 
Erbeinheiten schon bei der Bildung der Sexualzellen der Fı- 
Generation vor sich geht. Vielmehr möchte ich mit Naegeli 
(1884, S. 208) glauben, dass diese Erscheinungen in erster Linie 
von dem Verhalten der bei der Selbstbefruchtung des 
Bastards Fı (bezw. bei der Befruchtung innerhalb 
der Fı-Generation) zusammenkommenden Idio- 
plasmen abhängig sind. 


Literaturverzeichnis. 


Balbiani, E.G., 1879: Lecons sur la generation des Vertebres. Paris. 

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körper von Paludina vivipara. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 23. 

Duesberg, J., 1912: Plastosomen, „apparato reticolare interno“ und 
Chromidialapparat. Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch.. Bd. 20. 

Held, H., 1912: Über den Vorgang der Befruchtung bei Ascaris megalo- 
cephala. Ber. d. Kgl. sächs. Ges. d. Wiss., math.-phys. Kl. und Verhandl. 
d. anat. Ges. auf d. 26. Vers. in München. | 


Über den Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. 61 


Hensen, V., 1881: Physiologie der Zeugung. Handbuch der Physiologie, 
Bd. 6, II. Teil. 

Derselbe, 1885: Die Grundlagen der Vererbung nach dem gegenwärtigen 
Wissenskreis. Landwirtschaftl. Jahrb., Bd. 14. 

Hertwig, OÖ, 1875: Beiträge zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und 
Teilung des tierischen Eies. I. Abh. Morpholog. Jahrb., Bd. 1. 
Derselbe, 1877: Beiträge zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Teilung 

des tierischen Ries. Dritter Teil. Morpholog. Jahrb., Bd. 4. 

Meves, Fr., 1896: Über die Entwicklung der männlichen Geschlechtszeilen 
von Salamandra maculosa. Arch. f. mikr. Anat,, Bd. 48, 1897. 

Derselbe, 1900: Über den von v. la Valette St. George entdeckten 
Nebenkern (Mitochondrienkörper) der Samenzellen. Arch. f. mikr. Anat., 
Bd. 56. 

Derselbe, 1902: Über oligopyrene und apyrene Spermien und über ihre Ent- 
stehung, nach Beobachtungen an Paludina und Pygaera. Arch. f. mikr. 
Anat., Bd. 61. 

Derselbe, 1907: Über Mitochondrien bezw. Chondriokenten in den Zellen 
junger Embryonen. Anat. Anz., Bd. 31. 

Derselbe, 1908: Die Chondriosomen als Träger erblicher Anlagen. Cyto- 
logische Studien am Hühnerembryo. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 72. 

Derselbe, 1911: Über die Beteiligung der Plastochondrien an der Befruchtung 
des Eies von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76. 

Derselbe, 1913: Über das Verhalten des plastosomatischen Bestandteiles des 
Spermiums bei der Befruchtung des Eies von Phallusia mammilata. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 82, Abt. 2. 

Derselbe, 1915: Über Mitwirkung der Plastosomen bei der Befruchtung des 
Eies von Filaria papillosa. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 87, Abt. 2. 

v. Naegeli, C., 1884: Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungs- 
lehre. 

Retzius, G., 1904: Biologische Untersuchungen, N. F., Bd. 11. 

Romeis, B, 1912: Beobachtungen über Degenerationserscheinungen von 
Chondriosomen. Nach Untersuchungen an nicht zur Befruchtung ge- 
langten Spermien von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat., 
Bd. 80, Abt. 2. 

Strasburger, E. 1908: Chromosomenzahlen, Plasmastrukturen, Ver- 
erbungsträger und Reduktionsteilung. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 44. 

Van Beneden, E., 1883: Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecon- 
dation et la division cellulaire. Archives de Biologie, vol. 4. 

De Vries, H., 1889: Intrazellulare Pangenesis. Jena. 

7oja, L. und R., 1891: Intorno ai plastiduli fuesinifoli (bioblasti dell’ Alt- 
mann). Mem. Ist. Lomb. Sec. Lett., Milano, vol. 16. 


62 Friedrich Meves: Befruchtungsvorgang bei der Miesmuschel. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. 


Die Abbildungen der Tafel V sind mit Zeiss’ Apochromat 2 mm 
(Apertur 1,40) und Kompensationsokular 12 unter Benutzung des Abbeschen 
Zeichenapparates bei Projektion auf Objekttischhöhe gezeichnet; und zwar 
sämtlich nach Präparaten, welche mit Altmannschem Gemisch fixiert und 
mit Hämalaun und Fuchsin-Pikrinsäure gefärbt worden sind. 


Fig. 1 a—d. Spermien von Mytilus in Seitenansicht. Näheres siehe Text. 

Fig. 1e. Ansicht des Spermienkopfes mit den fünf Kügelchen des Neben- 
kernorgans von hinten. 

Fig. 1f. Die fünf Kügelchen des Nebenkernorgans von hinten gesehen, mit 
einem nach unten links ziehenden Stück des Schwanzfadens. 

Fig. 2. Reifes Mytilusei, Dotterkügelchen geschwärzt, Plastochondrien rot 
gefärbt. Richtungsspindel und „Dotterkern“. Näheres siehe Text. 

Fig.3—8. Teile von Schnitten durch befruchtete Mytiluseier. Bei Fig. 5—8 
sind die geschwärzten Dotterkügelchen durch Terpentin weggelöst. 

Fig. 3 und 4: 2!/» Min., Fig.5 und 6: 4!/» Min., Fig. 7 und 8: 6 Min. nach 
der Besamung fixiert. Im übrigen siehe Text. 


Aus dem Anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung 


von halbkernigen Triton- und Fischembryonen. 
Von 
Paula Hertwig. 


Hierzu Tafel VI-VIII und 13 Textfiguren. 


Inhalt. Seite 

Einleitung. . . - a 
I. Teil: Über die Enbneklaung adiurahereahlier Trtonkier et Be- 

Kruchtungsmitinormalem’ Sameny32.1 1.042: .3789. 22.2 a RI Teen 


A. Experimenteller Teil. 
a) Erste Versuchsreihe. Bestrahlungder Eier während5 Minuten 69 
b) Zweite Versuchsreihe. Bestrahlung der Eier während 10 


BALORMITUDENE ee TD 
c) Dritte Versuchsreihe. Bestrahlung der Eier während 18 

und 20B Nanntendt WERT Ben ee 
d) Vierte Versuchsreihe. Bestrahlung der Eier während 25 

und2 Sr Minuten wre sw an ne el areeg een seese C 


e) Fünfte Versuchsreihe. Bestrahlung der Eier von Triton 
taeniatus während 18 Minuten und en derselben 


mit Samen von Triton eristatus . . . . 79 
B. Mikroskopische Untersuchung der on am Bent a ven- 
systemaatr. . 80 
C. BE enlane En Beste) der. nern Veh 
ERDEDDISSEHg RE ee 182) 
D. Kernuntersuchungen. 
a) Chromosomenzählungen . . . . 85 


b) Messungen der Kerngrössen. 2 lm. en and 
diploider Kerne verhalten sich bei Amphibienlarven wie1:2 87 
E. Die Entwicklungsweise hemikaryotischer Larven und Unter- 


suchung der Larve Fig.35. ..... Bahnen hair le: 
F. Untersuchung der frühzeitig a ernenden en a: 101 

II. Teil: Über die Entwicklung von Fischeiern, die mit adrambeseaklen 
Samentbetrochtei wurdenrse LT a NR as 10 

A. Beschreibung der Experimente. 

a)lVorversucher ser a oa Bulls 
b) Radiumexperiment und So neh RT ERE 2 107 

c) Befruchtung von Crenilabrus-Eiern mit ale 
Gobius-Samen . . . BL TSIOS 
B. Zytologische ne von a weiekteillen er ee 0) 


C. Zytologische Untersuchung polysperm befruchteter Eier... . 112 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 87. Abt. I. 5 


64 Paula Hertwie: 


Einleitung. 


In den letzten Jahren wurden aus dem Anatomisch-bio- 
logischen Institut zu Berlin eine Reihe von Arbeiten veröffent- 
licht. die sich mit der Einwirkung von Radium und Mesothorium 
auf tierische Zellen, insbesondere auf die Keimzellen verschiedener 
Tierarten (Amphibien, Fischen, Echinodermen) befassten. Da die 
Resultate dieser Arbeiten ein Licht auf zahlreiche biologische 
Fragen werfen, so z. B. auch einen wichtigen Beitrag zu dem 
Problem der Vererbung liefern, darf dieses neue Forschungsgebiet 
Anspruch auf besonderes Interesse erheben, zumal da weitere 
Untersuchungen auf den beschrittenen Wegen noch reiche Aus- 
beute verheissen. 

Nachdem 0. Hertwig im Frühjahr 1909 durch einige 
Vorversuche an Frosch- und Axolotllarven, die auf verschiedenen 
embryonalen Stadien als Morulae, Blastulae, Gastrulae, sowie als 
junge Embryonen der Einwirkung von Radium ausgesetzt wurden, 
festgestellt hatte, dass durch die Bestrahlung eine deutliche Be- 
einflussung der embryonalen Entwicklung hervorgerufen werden 
konnte, brachte er im darauf folgenden Sommer die Experimente 
in Beziehung zu dem Problem der Vererbung. Von der Voraus- 
setzung ausgehend, dass Ei und Samenfaden als Träger gleicher 
Idioplasmamengen gleichwertig auch schon frühe embryonale 
Stadien beeinflussen, vermutete er, dass eine Schädigung der 
Samenfäden einen störenden Einfluss auf die Entwicklung des mit 
bestrahltem Sperma befruchteten Eies haben müsste. Um diese 
Hypothese durch das Experiment zu stützen, bestrahlte O. Hertwig 
die Spermatozoen verschiedener Seeigelarten mit Radium und, da 
es sich herausstellte, dass selbst eine Einwirkungsdauer von 20 
Stunden die Beweglichkeit der Spermien nicht erheblich herab- 
setzte, befruchtete er mit dem so behandelten Samen normale 
Eier. Der Erfolg entsprach den Erwartungen, die Eier schlugen 
eine abnorme Entwicklung ein, als ob sie selbst unmittelbar ge- 
schädigt worden wären, und gingen, je nach der Einwirkungs- 
dauer des Radiums auf die Spermatozoen, früher oder später 
zugrunde. Es wird also der Samenfaden „durch die Radium- 
bestrahlung in irgend einer Weise in seiner Konstitution nicht 
unerheblich verändert. Durch die Befruchtung wird sein Neu- 
erwerb auch auf das Ei übertragen.“ (0. Hertwig.) 


ar 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 65 


Es handelte sich nun noch um die Feststellung: Welcher 
Bestandteil des Samenfadens ist der Träger der neu erworbenen 
Eigenschaft? Es lag nahe, das Chromatin als diejenige Substanz 
anzusehen, die in erster Linie durch die Radiumstrahlen verändert 
wird, einmal. da die Kernsubstanz den hauptsächlichsten Bestand- 
teil der Samenfäden bildet und dann auch, weil die Beweglichkeit 
der Spermatozoen, eine Funktion des Plasma, durch die Radium- 
einwirkung fast vollständig unbeeinflusst geblieben war. Mit der 
Lösung dieser Frage beschäftigen sich zwei Arbeiten. Bei der 
zytologischen Untersuchung von mit Radium bestrahlten Ascaris- 
Eiern konnte ich eine direkte Veränderung des Chromatins fest- 
stellen, die Bestrahlung führte zu Störungen in der Uhromosomen- 
bildung, und bei besonderer Intensität der Radiumeinwirkung 
gingen die Kerne unter den Erscheinungen des Chromatinzerfalls 
zugrunde. Plasma und Zentrosomen hingegen liessen keine 
Anomalien erkennen. — Eingehender noch untersuchte G. Hert- 
wig diese Frage in seiner Arbeit über „das Schicksal des mit 
hadıum bestrahlten Spermachromatins im Seeigelei.“ Es gelang 
ihm, zytologisch nachzuweisen, dass die schlechte Entwicklung der 
Seeigellarven allein auf den Einfluss des geschädigten Sperma- 
chromatins zurückzuführen ist. Dieses „Radiumchromatin“ hat die 
Fähigkeit, Chromosomen zu bilden, verloren und verursacht die 
pathologischen Teilungen des gesunden Eikerns, mit dem es 
spätestens während der Zweiteilung verschmilzt. 

Neue Gesichtspunkte tauchten auf, als im Frühjahr 1910 
G. und O. Hertwig die Radiumversuche auf die Geschlechts- 
produkte von Amphibien (Rana fusca) ausdehnten. Die Ergeb- 
nisse dieser Experimente sind in den Abhandlungen: „Die Radium- 
krankheit tierischer Keimzellen“ (0. Hertwig) und „Radium- 
bestrahlung unbefruchteter Froscheier und ihre Entwicklung nach 
Befruchtung mit normalem Samen“ (G. Hertwig) niedergelegt. 
Beide Arbeiten bestätigten die schon bei den Seeigeln gemachten 
Erfahrungen, dass die durch Bestrahlung erworbene Radium- 
krankheit der einen Kern-Komponente, sei es der männlichen 
oder der weiblichen, auf den gesamten Kopulationskern über- 
tragen wird. Bei diesen Versuchen trat aber noch eine Erscheinung 
auf, die bei oberflächlicher Betrachtung die ganzen bisher ge- 
wonnenen Resultate in Frage zu stellen schien. Während bei 


kürzeren Bestrahlungszeiten, und zwar sowohl bei Bestrahlung 
Hr 


66 Paula Hertwig: 


der Eier als der Samenfäden, die Entwicklungsschädigung pro- 
portional der Einwirkungsdauer des Radiums ist, ändert sich von 
einem bestimmten Zeitpunkt ab das Verhältnis. Wir haben jetzt 
eine merkwürdige Erscheinung: je länger wir die eine Gamete 
der Radiumwirkung aussetzen, desto besser verläuft die Ent- 
wicklung der Zygote. 

G. Hertwig stellt dieses Ergebnis in Form einer Kurve 
dar, die graphisch veranschaulicht, welches Durchschnittsalter die 
Embryonen bei Eibestrahlung von 5 Minuten, einer Viertelstunde 
oder 2 Stunden erreichen. Die Zeitdauer der Bestrahlung ist 
dabei als Abseisse, das Alter der Larven als Ordinate genommen. 
Die Kurve zerfällt in einen absteigenden und einen aufsteigenden 
Teil. Ihren tiefsten Punkt, der einem Durchschnittsalter von 
4 Tagen entspricht, erreicht sie bei einer Bestrahlungsdauer von 
30 Minuten. Der aufsteigende Ast zeigt an, dass bei verlängerter 
Radiumwirkung das Alter der Embryonen proportional der Be- 
strahlung wächst. Es erreichen z. B. 1 Stunde bestrahlte Eier 
das Durchschnittsalter von 8 Tagen. — Eine ähnliche Kurve 
erhält man, wenn man auf der Abscisse die Zeitdauer der Be- 
strahlung von Samenfäden einträgt und auf der Ordinate die 
Lebensalter der Embryonen, die sich aus Eiern, welche mit be- 
strahltem Samen befruchtet wurden, entwickelten. Der Tiefpunkt 
dieser Kurve liegt bei OÖ. Hertwigs Versuchen bei einer Be- 
strahlung von ca. 1 Stunde. 

Um diese merkwürdige Tatsache zu erklären, nahmen die 
Autoren an, dass die Schädigung des Ei- oder Samenkerns stets 
proportional der Bestrahlungsdauer wächst. Während nun aber 
geringfügig geschädigtes Uhromatin noch die Fähigkeit zur Ver- 
mehrung besitzt und somit alle embryonalen Zellen mit erkranktem 
Chromatin infiziert, wird die Kernsubstanz bei längerer Bestrahlung 
mehr und mehr vermehrungsunfähig. Infolgedessen beteiligt sich 
der geschädigte Halbkern überhaupt nicht mehr an den mitotischen 
Vorgängen, er wird ausgeschaltet. Die Entwicklung wird also 
im extremsten Fall allein von dem gesunden männlichen, resp. 
weiblichen Kern geleitet. Diese Entwicklungsart bezeichnet 
O0. Hertwig, wenn sie allein vom Eikern verursacht wird, als 
eine experimentell parthenogenetische; G. Hertwig spricht von 
einer merogonen oder arrhenokaryotischen Entwicklung seiner 
entkernten Eier. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 67 


Diese Hypothese bedurfte zu ihrer Bestätigung und Er- 
weiterung erneuter Untersuchungen. Es galt, die Experimente 
auf neue Versuchsobjekte auszudehnen und die gewonnenen Resul- 
tate nachzuprüfen. Dieser Aufgabe unterzog sich K. Opper- 
mann, indem er einen Parallelversuch zu OÖ. Hertwigs Frosch- 
untersuchung bei Fischen ausführte. 

In seiner Arbeit: „Die Entwicklung von Forelleneiern nach 
Befruchtung mit radiumbestrahlten Samenfäden“ bestätigte er das 
(resetz der Kurvenbildung und versuchte ferner, die haploide 
Natur der Forellenembryonen durch Kernmessungen festzustellen. — 
Gleichzeitig gelang es mir, einen zytologischen Beweis für die 
Ausschaltungs-Theorie des intensiv bestrahlten Spermakerns zu 
bringen, indem ich das Verhalten des Radiumchromatins im 
Froschei während der ersten Teilungen verfolgte. Ich fand das 
tadiumehromatin vermehrungsunfähig als Klumpen oder Bläschen 
abseits vom mütterlichen Furchungskern liegen, dessen normale 
Teilung in keiner Weise beeinflusst wurde — ein Resultat, das 
im wesentlichen von Oppermann durch spätere Untersuchung 
an Forelleneiern bestätigt wurde. 

Einen weiteren Ausbau und zugleich einen experimentellen 
Beweis fand die Theorie in der Arbeit G. Hertwigs: „Partheno- 
genesis bei Wirbeltieren, hervorgerufen durch artfremden radium- 
bestrahlten Samen.“ Nach Pflüger und Born sterben die 
Kreuzungsprodukte von Bufo vulgaris 2 X Rana fusca & , sowie von 
Rana eseulenta 2 X Rana fusca $ nach normaler Zweiteilung und 
Furchung auf dem Keimblasenstadium ab. G. Hertwig bestätigt 
durch Kontrollversuche diese Resultate und erklärt die schlechte 
Entwicklung der Bastarde aus der Entstehung einer disharmonischen 
Idioplasmaverbindung, die durch die Kopulation zweier artfremder 
Kerne zustande kommt. Er bestrahlte nun die Spermatozoen von 
Rana fusca 4'/s Stunden mit Mesothorium und erreichte hierdurch, 
dass sich die Larven über das Keimblasenstadium hinaus zu kleinen 
Embryonen entwickelten: denn „die Ursache zu der Erkrankung, 
die Vereinigung der beiden Bastardidioplasmen zu einer dis- 
harmonischen Verbindung, ist ja bei den Radiumexperimenten 
durch die frühzeitige Elimination des artfremden radiumkranken 
Spermachromatins beseitigt.“ Er bezeichnet die Entwicklung dieser 
„falschen Bastarde“, da nur der haploide Eikern sie leitet, als 
eine haploid parthenogenetische und stützt diese Behauptung 


68 Paula Hertwig: 


durch Kernmessungen, die die reduzierte Chromatinmenge der 
Kerne der Radiumlarven dartun. 

Einen zwingenden Beweis für die haploide Natur der Larven, 
die mit intensiv radiumbestrahltem Samen befruchtet worden 
waren, führte Oscar Hertwig, indem er seine Froschexperi- 
mente bei Tritonen wiederholte und an diesem Material, das 
einer zytologischen Untersuchung besser zugänglich ist, durch 
Kernmessung und Zählung der Chromosomen die halbe Zahl der- 
selben mit absoluter Sicherheit feststellen konnte. 

Trotz der nun schon recht ansehnlichen Zahl von Arbeiten, 
die sich mit der Bestätigung und dem weiteren Ausbau der eben 
dargestellten Ergebnisse befassen, stehen doch noch immer einige 
Fragen offen, deren Beantwortung zur Sicherstellung der bisherigen 
Resultate erforderlich ist. 

Hierzu gehört der exakte Nachweis, dass Eier durch Radium- 
bestrahlung vollkommen entkernt werden können, dass also Larven, 
die sich aus solchen Eiern nach Befruchtung mit gesundem Sperma 
entwickeln, hemikaryotisch sind. — Die vorliegende Aufgabe soll 
in dieser Arbeit durch Untersuchung von Tritonlarven gelöst 
werden, demselben Objekt, an dem O0. Hertwig die haploide 
Beschaffenheit der Kerne seiner „Radiumlarven“ durch Ausschaltung 
der Samenkernes hervorrief. 

Im zweiten Teil meiner Abhandlung will ich noch einen 
Beitrag zu einem interessanten (Gebiet der Radiumexperimente 
geben, dessen Erforschung noch manche Resultate verspricht, 
nämlich eine Darstellung von kombinierten Radium- und Kreuzungs- 
versuchen hei Fischen. 


I. Teil. 
Über die Entwicklung radiumbestrahlter Tritoneier 
nach Befruchtung mit normalem Samen. 


Die Versuche wurden im Mai und Juni 1914 ausgeführt. 
Die frisch eingefangenen Weibchen wurden getötet, die Eier aus 
den Ovidukten herauspräpariert und unter möglichster Schonung in 
einer Gruppe von 10—12 Stück auf einen Objektträger angeordnet 
und in der feuchten Kammer der Bestrahlung ausgesetzt. Der 
Abstand zwischen dem Objektträger und der Kapsel, die mit 
Mesothorium in der Stärke von 51 Miligramm reinem Radıum- 
bromid gefüllt war, betrug etwa 3 mm. Es wurde sorgfältig 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 64 


darauf geachtet, dass die Eier sich genau unter dem Mesothorium- 
präparat befanden, und ich darf wohl sicher annehmen, dass alle 
Eier gleichmässig der Einwirkung der Strahlen ausgesetzt waren. 
In dieselbe feuchte Kammer stellte ich für die gleiche Dauer eine 
Anzahl frei präparierter unbefruchteter Eier, die mir zu einer 
Kontrollzucht dienen sollten, um festzustellen, ob nicht etwa die 
Eier schon allein durch längeres Liegen in ihrer Entwicklung 
ungünstig beeinflusst würden. Die Zeitdauer der Bestrahlung 
schwankte zwischen 5 Minuten und !/s Stunde. Nach Ablauf 
dieser Zeit wurden Versuchs- und Kontrolleier nacheinander durch 
Bespritzen mit ziemlich konzentrierter, den vasa deferentia ent- 
nommener Samenflüssigkeit befruchtet und zur weiteren Entwick- 
lung ins Wasser gebracht. 

Da immer nur eine kleine Zahl von Eiern auf einmal be- 
strahlt werden konnte, musste jeder Versuch mehrmals wiederholt 
werden. Leider gelingt die künstliche Befruchtung nie bei allen 
Eiern, und so verringert sich auch aus diesem Grunde die Zahl 
der sich entwickelnden Embryonen um ein beträchtliches, ein 
Nachteil, der durch sorgfältige Beobachtung und Durcharbeitung 
des vorhandenen Materials ausgeglichen werden musste. 

Zwecks mikroskopischer Untersuchung wurden die Embryonen 
kurz vor ihrem Absterben in Zenkerscher Flüssigkeit oder in 
einem Pikrin-Essig-Sublimat-Gemisch fixiert. Zur Färbung der 
Schnitte verwandte ich Boraxkarmin-Pikrinsäure oder Magentarot, 
Pikroindigkarmin. 


A. Experimenteller Teil. 

a) Erste Versuchsreihe. Bestrahlungsdauer 5 Minuten. 
Der Versuch (Nr. C) wurde am 5. Juni ausgeführt. Nach- 
dem die Eier nach der vorher angegebenen Methode während 
5 Minuten im Abstand von 4 mm der Einwirkung von Meso- 
thorium ausgesetzt waren, befruchtete ich sie mit normalem 
Sperma. Die erste Teilung wurde um 1 Uhr nachts beobachtet. 
Von den 10 bestrahlten Eiern hatten sich nur 4 normal zwei- 
geteilt und waren um 5 Uhr 10 Minuten in 4, resp. S Embryonal- 
zellen zerlegt, während die Kontrollen zu dieser Zeit schon aus 
Ss und 16 Zellen bestanden. 3 andere bestrahlte Eier boten un- 

regelmässige Furchungen dar und starben auch frühzeitig ab. 


70 Paula Hertwig: 


Es blieben daher zur weiteren Aufzucht nur die zuerst 
erwähnten vier Eier übrig. Beachtenswert ist die Verzögerung 
der ersten Teilungen, die bei Ö. Hert wigs Versuchen an Triton- 
eiern ebenfalls zu bemerken war. Am 19. Juni hatten sich die 
Kontrolleier zu kleinen gestreckten Embryonen entwickelt, die 
bereits einen Flossensaum, vier deutliche Kiemenfäden und den 
dahinter sitzenden Kopftentakel, sowie Augen mit einer kleinen 
Linse besitzen (Fig. 8, Taf. VI). Die vier Versuchseier hingegen 
entwickelten sich sehr ungleichmässig, doch blieben sie alle hinter 
der Kontrolle zurück. Der am meisten verkümmerte Embryo 
wurde in Zenker fixiert und ist in Fig. 9, Taf. VI dargestellt. 
Er besitzt einen sehr kleinen Kopf, die Augen fehlen vollkommen, 
drei kurze Kiemenfäden, ein sehr schmaler Flossensaum sind aus- 
gebildet. Von den sonst in diesem Alter bereits deutlich hervor- 
tretenden vier Pigmentreihen sind nur die beiden Rückenlinien 
erkennbar. Auch ist der Embryo nur etwa zwei Drittel so lang 
wie die Kontrolle. Die mikroskopische Untersuchung zeigte noch 
deutlicher den pathologischen Charakter des Embryos. Zwar hat 
sich in Hirn und Medulla ein feiner Schleier von Nervenfibrillen 
gebildet. doch sind noch alle Zellen mit Dotterplättchen reichlich 
gefüllt. Die Ausstülpung des Prosencephalon zu den Augen- 
bläschen ist unterblieben, die Anlage der Kiemenbogen rudimentär, 
der Herzschlauch, der bei der Kontrolle bereits Blutkörperchen 
enthält. fehlt vollkommen. Zahlreiche degenerierende Kerne, die 
in das Lumen des Nervenrohres ausgestossen werden, bestätigen 
die Annahme, dass der Embryo kurz vor dem Absterben stand. 

Am 22. Juni schien mir ein zweiter Embryo in der Ent- 
wicklung keine Fortschritte mehr zu machen, und ich tötete ihn 
daher mit Pikrin-Essig-Sublimat ab. Fig. 10, Taf. VI, zeigt, dass 
er erheblich besser entwickelt ist, als wie Fig. 9, ein Unterschied, 
den man sicherlich nicht allein auf die Altersdifferenz von 3 Tagen 
zurückführen kann. Trotzdem zeigt er im Vergleich mit der Kontrolle 
(Fig. 22) deutliche pathologische Charaktere. Vor allen Dingen 
bemerkt man die Kleinheit der Augen, eine Auftreibung der Herz- 
und Bauchgegend, sowie eine Abbiegung des Schwanzes. Schnitt- 
serien zeigen besonders eine zurückgebliebene Linsenanlage. Da 
frontale Längsschnitte angefertigt wurden, ist auch eine spärliche 
Entwieklung der Muskelfasern und ihre lockere, unregelmässige 
Anordnung in den Rückensegmenten deutlich zu erkennen. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 71 


Zu einem zwar etwas verkürzten, doch gestreckten Embryo 
mit nur leichter Bauchwassersucht war ein am nächsten Tag 
fixiertes Tier entwickelt. Er ähnelte im wesentlichen der eben 
beschriebenen Fig. 10. Aus diesem Grunde verzichte ich auf eine 
Abbildung. 

Am 1. Juli wurde schliesslich der letzte der vier Embryonen 
dieses Versuches abgetötet. Er erreichte das Alter von 22 Tagen 
und hatte bereits die Eihüllen selbständig verlassen. Er unter- 
scheidet sich äusserlich von den Kontrolltieren (vergl. Fig. 33, 
Taf. VI, mit Fig. 34) hauptsächlich durch seine geringere Grösse 
und erscheint überhaupt nur in der Entwicklung etwas zurück- 
geblieben zu sein. Nur das verbreiterte Kopfende, der etwas 
verdickte Leib, machen einen leicht pathologischen Eindruck. Die in 
Fig. 34 gegebene Abbildung erinnert sehr an die von O. Hertwig 
auf Taf. I, Fig. 31 dargestellte 27 Tage alte Larve. Diese ent- 
wickelte sich aus einem Tritonei, das mit stark bestrahlten 
(2!'; Stunden zwischen zwei Mesothoriumkapseln) Samenfäden von 
Salamandra maculata bastardiert worden war. Diese Larve be- 
zeichnete O0. Hertwig als eine experimentell parthenogenetische, 
da sie, wie er nachweisen konnte, nur die haploide Chromo- 
somenzahl besass. Die Vermutung lag nahe, dass auch Fig. 34 
eine derartige Haploid-Larve ist, eine Vermutung, die, wie ich 
in der weiteren Untersuchung ausführen werde, sich auch be- 
stätigte. 

Embryonen, deren äussere Körperformen so gut ausgebildet 
sind, weisen auch in ihrer inneren Organentwicklung meist nur 
eine Verzögerung, aber keine oder nur geringfügige pathologische 
Veränderungen auf. Diese Erfahrung bestätigt auch unser Embryo. 
Um das Gehirn ist bereits das knorpelige Primordialkranium ge- 
bildet, die Retinaschicht des Auges weist bereits eine Differen- 
zierung in Nervenfibrillen und Körnerschichten auf, das Ohr- 
bläschen hat sich in Sacculus und Utrieulus geschieden, das Herz 
mit Blutkörperchen ist angelegt. Zwar ist die Organdifferenzierung 
in allen diesen Punkten nicht so weit fortgeschritten wie bei der 
Kontrolle, deren Knorpel z. B. schon zu verknöchern beginnt, 
doch würde der Embryo einen fast normalen Eindruck machen, 
wenn nicht die Kleinheit fast aller Organe auffiele und das Auf- 
treten von degenerierenden Kernen und Zellen anzeigte, dass wir 
es mit keinem lebensfähigen Individuum zu tun haben. 


—I 
[66) 


Paula Hertwig: 


Noch zweimal wurden Versuche mit einer Bestrahlungs- 
dauer von 5 Minuten angesetzt, der eine am 20. Mai (Nr. IV). 
der andere am 13, Juni (Nr.K). Leider war bei beiden Experimenten 
das Befruchtungsresultat ein recht ungünstiges. Da noch dazu 
Eier, die sich geteilt hatten, in den ersten drei Tagen bereits 
abstarben. blieb jedesmal nur ein Embryo übrig, den ich in beiden 
Versuchen am 7. Tage nach der Befruchtung fixierte. Für dieses 
schlechte Versuchsresultat ist wohl zum Teil das FEimaterial 
verantwortlich zu machen, da sich auch bei der Kontrolle nur 
eine geringere Anzahl von Eiern normal entwickelte. Immerhin 
ist der Unterschied zwischen Kontroll- und Versuchstieren deutlich. 
Erstere lassen eine Gliederung in Kopf-, Rumpf- und Schwanz- 
anlage erkennen, etwa wie Fig. 7 in der bereits vorhin angeführten 
Arbeit von OÖ. Hertwig. 

Die beiden bestrahlten Eier hingegen befinden sich noch 
auf dem Stadium der (Gastrulation. Die Schnittserien liefern 
ähnliche Bilder, wie sie O. Hertwig in den Fig. 1—3, Taf. II 
seiner Tritonarbeit dargestellt hat. Eine nur undeutlich ausgeprägte 
Anlage der Medullarplatte ist zu erkennen, die bei dem einen 
Embryo verdoppelt zu sein scheint. In der Gastrulahöhle befinden 
sich einige kugelige Zellen, die Dotterplättchen und einen meist 
pyknotischen Kern enthalten. Das die Wandungen. der Keimblase 
bildende Zell- und Kernmaterial ist jedoch noch vorwiegend 
gesund, wie auch zahlreiche Mitosen anzeigen. 


b) Zweite Versuchsreihe. 
Bestrahlungsdauer von 10 und 15 Minuten. 


Ein einziges Mal, am 8. Mai, bestrahlte ich eine Portion 
Eier während 10 Minuten (Nr. I). Nur ein einziger Embryo 
entwickelte sich und wurde am 12. Mai konserviert. Bei der 
Betrachtung mit der Lupe war die erste Anlage der Medullarwülste 
zu erkennen, während die Kontrollen schon einen deutlich 
abgegliederten Kopf mit den Augenanlagen, sowie einen Schwanz- 
höcker zeigten. Die mikroskopische Untersuchung ergab ähnliche 
Bilder wie bei den vorhin erwähnten 5 Minuten bestrahlten 7 Tage 
alten Objekten. 

Bei zwei Versuchen mit einer Bestrahlungsdauer von 
15 Minuten, die beide am 12, Juni ausgeführt wurden (Nr. @& 
und H), war das Entwicklungsresultat nicht erheblich günstiger. 


o 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw l 


An fixiertem Material lieferten sie mir einen 6 Tage alten und 
drei 7 Tage alte Embryonen. Diese vier Larven sind sich sehr 
ähnlich. Sie sind halb so gross wie die Kontrollen, man erkennt 
an ihnen Kopf und Schwanzhöcker. An Schnittserien durch dieselben 
findet man häufig eine Verdoppelung des Medullarrohrs, etwa wie 
bei Fig.5, Taf. VII. Nur in der Kopfgegend ist das Hirnrohr 
stets einfach, lässt aber durch einen verdoppelten Ventrikel 
seinen Ursprung aus zwei getrennten Anlagen noch deutlich 
erkennen. Zahlreiche degenerierende Kerne vervollständigen den 
pathologischen Eindruck, den man von diesen Larven erhält. 
Dass jedoch aus Eiern, die 15 Minuten mit Mesothorium 
bestrahlt wurden, Embryonen entstehen können, die sich in ihrer 
Entwicklung mehr den normalen Kontrollen anschliessen, lehrte 
mich ein Versuch vom 8. Mai (Nr.Il). Die zwei ältesten Embryonen 
dieser Serie. die am 22. Mai in Pikrin-Essig-Sublimat eingelegt 
wurden, sind mit einer gleich alten Kontrolle auf Taf. VI, Fig. 14 
und 15 abgebildet worden. Die beiden Embryonen hatten, ım 
Gegensatz zur Kontrolle, Fig. 13, am Tage der Fixierung noch 
nicht die Eihüllen verlassen, auf welchen Umstand die Krümmung 
des Schwanzes zurückzuführen ist. Aber abgesehen von diesem 
verspäteten Ausschlüpfen und der damit verbundenen Beeinflussung 
der äusseren Körperform, zeigen die beiden Mesothoriumembryonen 
bei näherer Betrachtung verschiedene pathologische Merkmale. 
Während sich bei der Kontrolle die Augen mit einer grossen 
Cornea deutlich hervorwölben, lassen Fig. 14 und 15 nicht die 
geringste Augenanlage erkennen. Schnitte durch die Augengegend 
der Kontrolle und einer Mesothoriumlarve sind in den Fig. 
und 9, Taf. VII, dargestellt. Der Querschnitt durch die Kontroll- 
larve ist fast doppelt so breit wie durch den Versuchsembryo. 
Die Grössendifterenz ist hauptsächlich auf die Ausbildung der 
Augen zurückzuführen. Bei der Kontrolle sind sie etwa viermal 
grösser, die Retina ist in Körnerschicht, Nervenfibrillen, Stäbchen 
und Zapfen differenziert. Sie besitzen eine grosse Linse, die dem 
Mesothoriumembryo vollkommen fehlt. Der in Fig. 9 abgebildete 
Schnitt trifft auf der rechten Seite etwa die Mitte des Auges, 
wie wir an dem median getroffenen Augenblasenstiel erkennen. 
Auf der linken Seite haben wir mehr den Anschnitt des Augen- 
bechers. Auf beiden Seiten fehlt, wie schon hervorgehoben, jede 
Spur einer Linsenanlage. Im Zusammenhang damit ist auch die 


14 Paula Hertwig: 


Ausbildung der Cornea unterblieben. Ich hebe das Fehlen der 
Linse bei diesem Embryo besonders hervor, da ich bei allen 
anderen Larven mit verkümmerten Augen stets eine kleine Linse 
fand, wie auck O. und G. Hertwig das Fehlen derselben noch 
nicht beobachtet haben. 


c) Dritte Versuchsreihe. 
Bestrahlungsdauer von 18 und 20 Minuten. 


G. Hertwig gibt in seiner Arbeit: „Radiumbestrahlung 
unbefruchteter Froscheier und ihre Entwicklung nach Befruchtung 
mit normalem Samen“ an, dass er die Froscheier während zwei 
Stunden der Einwirkung von Radiumpräparaten (Radium II = 5,3 mg 
und Radium III —= 2,0 mg) ausgesetzt hatte, und dass es ihm 
gelang, nach Befruchtung mit normalem Samen aus diesen Eiern 
Ss Tage alte Embryonen zu ziehen. Auf diesen Erfahrungen 
fussend, bestrahlte ich zu mehreren Malen Tritoneier während 
18 und 20 Minuten, Versuche, deren Ergebnis ich hier an der 
Hand der Protokolle darstellen will. 

Von der ersten Serie (Nr. B), die am 9. Juni um 6 Uhr 50 Min. 
nach einer Bestrahlungsdauer von 18 Minuten befruchtet wurde, 
entwickelten sich neun Eier, deren Teilungen bereits gegenüber 
den Kontrollen verzögert waren, 

Am 7. Tage nach der Befruchtung mussten zwei Embryonen 
abgetötet werden, die in ihrer Entwicklung erheblich zurück- 
geblieben waren. Sie sind in Fig. 6 und 7 dargestellt. Ein Vergleich 
mit einer gleich alten Kontrolle Fig. 5 zeigt deutlich ihren 
pathologischen Charakter. Schnitte lieferten mir ähnliche Bilder 
wie die 7 Tage alten Embryonen der Versuche K und J. Die 
noch lebenden Larven wurden im Alter von 13 Tagen fixiert. Sie 
sind von ungleicher Grösse und zeigen schon hierdurch ihren 
anormalen Charakter im Vergleich zu den Kontrollzuchten, deren 
Larven alle gleich gross sind. Von den Mesothoriumlarven ist 
die grösste in Fig. 23 dargestellt. Sie ist fast ebenso lang wie 
die Kontrolle Fig. 22 und besitzt im Gegensatz zu den anderen 
Mesothoriumlarven einen Flossensaum. Augen, Kiemen, Ex- 
tremitätenknospen sind nur wenig schlechter als wie bei dem 
normalen Tier ausgebildet. Der Bauch ist durch Wassersucht 
sehr aufgetrieben, was der ganzen Larve ein etwas unförmliches 
Aussehen verleiht. In ihrer inneren Organisation erwies sich 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 75 


Fig.23 als fast normal. Hirn und Augen sind ebensoweit wie 
bei der Kontrolle differenziert; wir finden ein knorpeliges 
Primordialkranium, und in der Kiemenregion beginnt sogar bereits 
die Verknöcherung. Einzig durch die riesig aufgetriebene Bauch- 
gegend, durch eine Armut des Herzschlauches an Blutkörperchen, 
sowie durch eine schlechtere Entwicklung der Rumpfmuskulatur 
unterscheidet sich diese Larve von der Kontrolle. Weniger gut 
sind die anderen Larven dieses Versuches ausgebildet. Zwei von 
ihnen sind schlanke Tiere, die auch annähernd die normale 
(srösse erreichen. Die drei anderen, von denen eine in Fig. 24 
dargestellt ist, sind erheblich kürzer mit kleinem abgebogenem 
Schwanz, kurzen Kiemenfäden und äusserlich nicht erkennbaren 
Augen. Dementsprechend ist auch ihre innere Organisation wenig 
fortgeschritten. Die Augen mit ihren Linsen sind auffallend klein. 
Hirn und Medulla zeigen pathologische Bildungen, das Herz fehlt 
vollkommen. Extremitätenknospen sind noch nicht hervorgesprosst, 
zwei von ihnen leiden an Wassersucht in der Herzgegend. 

Bei einem am 12. Juni ausgeführten Versuch (Nr. F) mit 
einer Bestrahlungsdauer von 20 Minuten gelang es mir, sechs 
Embryonen zu züchten. Der eine erreichte nur das Alter von 
4 Tagen und hat das Stadium der Gastrulation noch nicht über- 
schritten,. Zwischen den beiden Urmundlippen ragt ein abnorm 
grosser Dotterpfropf hervor. Das Innere der Keimblasenhöhle ist 
erfüllt mit einer Unzahl verschieden grosser Zellen, die eine 
kugelige (restalt angenommen haben und meist auch einen 
chromatinarmen oder pyknotischen Kern besitzen. Diese Kugel- 
zellen befinden sich zweifelsohne schon seit längerer Zeit in der 
Keimblasenhöhle. Denn sie haben sich polar differenziert, das 
Plasma hat sich im oberen Drittel gesammelt, die schwereren 
Dotterplättehen nehmen den unteren Teil der Zelle ein. Die 
Wand der Gastrula wird nur an einigen Stellen von einer festen 
Grenzschicht von zu einem Epithel vereinigten Zellen gebildet. 
Die kugeligen Dotterzellen grenzen häufig frei an die Dotterhaut 
und geben so der Oberfläche ein höckeriges Aussehen. 

Nicht sehr viel weiter ist die Entwicklung bei einem 7 Tage 
alten Embryo fortgeschritten. Zwei Querschnitte durch denselben 
sind auf Taf. VII, Fig.5 und 6, abgebildet, um die Verdoppelung 
des Medullarrohrs zu zeigen, eine Erscheinung, die ich später 
noch im Zusammenhang behandeln werde. — Zu kleinen Embryonen 


76 Paula Hertwie: 


mit Flossensaum, Augen und kurzen Kiemenfäden haben sich 
Fig. 29 und Fig. 11—12 entwickelt, von denen besonders der 
10 Tage alte Embryo Fig. 29 interessant ist. Er fällt durch einen 
sehr dicken Kopf auf, besonders im Vergleich mit der schlanken 
Kontrolle Fig. 23. Die mikroskopischen Befunde dazu illustrieren 
Fig.3 und 4, Taf. VII. Fig. 4 stellt einen Schnitt durch das 
Prosencephalon in der (regend der Augenblasenstiele dar. Wir 
erkennen, dass die auffallende Vergrösserung des Kopfes nicht 
etwa von einer Geschwulst, wie sie OÖ. Hertwig öfters bei mit 
vadium bestrahlten Amphibienlarven gefunden hat, herrührt, 
sondern durch eine ungeheure Vergrösserung des Ventrikels 
bedingt ist. Wir können diese Missbildung als einen Hydrocephalus 
internus bezeichnen. Diese Wassersucht hat noch eine interessante 
Erscheinung zur Folge. Das Zellmaterial des Prosencephalon 
reicht nicht zur Begrenzung des abnorm grossen Ventrikels aus. 
Infolgedessen werden seine Wandungen in der unteren Hälfte 
von den Blättern des Augenbechers gebildet. Es wird also bei 
dieser pathologischen Form ein Hirnteil, der sich bei normaler 
Entwicklung durch die Differenzierung zum Augenbecher von 
seinem Mutterboden ganz abtrennt, in diesen wieder zur Begrenzung 
mit hineingezogen. 

Einige Schnitte weiter nach hinten sehen wir auf Fig. 3 
die Medulla in der Ohrgegend getroffen. Auch der 4. Ventrikel 
ist sehr stark vergrössert. Da infolgedessen das Medullarrohr 
ungewöhnlich viel Raum beansprucht, wirkt diese Missbildung 
entwicklungshemmend auf andere Organe. So sind z. B. die Hör- 
bläschen auffallend klein, wie unsere Abbildung zeigt, auf der 
das linke genau median getroffen ist. 

Die weitere Durchmusterung der Schnittserie zeigt, dass 
nach dem hinteren Ende des Embryos die Erweiterung des 
Medullarkanals allmählich abnimmt, bis er etwa in der Gegend 
der Vornierenanlage seine gewöhnliche Gestalt und Grösse 
erreicht. — Weitere erwähnenswerte Entwicklungsanomalien zeigt 
dieser Embryo nicht, nur sind die einzelnen Organe kleiner nnd 
weniger weit differenziert als wie bei der Kontrolle. Wir finden 
noch keinen Knorpel, weder um das Gehirn noch in den Kiemen- 
bögen, die Extremitätenknospen sind noch nicht angelegt, die 
Blutbildung hat noch nicht stattgefunden. 

Zwei Embryonen desselben Versuches im Alter von 11 Tagen 


| 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 7 


sind in ihrer Entwicklung nicht erheblich weiter fortgeschritten. 
Sie sind auf Taf. VI in Fig. 11 und 12 dargestellt. Der eine 
(Fig. 12) zeichnet sich durch die wassersüchtige Auftreibung der 
Herzgegend aus. Er zeigt ausserdem eine Verdoppelung des 
Medullarrohres, die nach Schnitten in Fig. 11 und 13, Taf. VII, 
dargestellt ist und auf deren vermutliche Entstehung ich später 
noch zu sprechen komme. 

Am besten entwickelte sich die 13 Tage alte Larve, Taf. VI, 
Fig. 30. Zum Vergleich mag die gleichalte Kontrolle Fig. 22 
dienen. Wie schon bei anderen Mesothoriumlarven beobachtet 
wurde, ist auch diese kürzer wie die Kontrolle und leicht 
gekrümmt. Ihre innere Organisation ist normal, doch ist, wie 
gewöhnlich bei den Mesothoriumlarven, die Differenzierung der 
einzelnen Organe weniger weit als wie bei der Kontrolle fort- 
geschritten. 

d) Vierte Versuchsreihe. 
Bestrahlungsdauer von 25 und 30 Minuten. 

Nachdem ich durch die eben beschriebenen Versuche fest- 
gestellt hatte, dass die Tritoneier einer Bestrahlung von 20 Minuten 
ausgesetzt werden konnten, ohne entwicklungsunfähig zu werden, 
schritt ich zu einer Erhöhung der Bestrahlungszeit auf 25 und 
30 Minuten. 

Von dem einen am 12. Juni angestellten Versuch (Versuch- 
nummer E) entwickelten sich drei Eier, von denen zwei am 
16. Juni in Zenkerscher Flüssigkeit fixiert wurden. Diese 
zeigten einen riesigen noch nicht vollständig abgegrenzten Dotter- 
pfropf, wie er als pathologische Bildung bei gestörter Entwicklung 
der Amphibieneier häufig gefunden wird. 

Ich verweise auf die Beschreibung derartiger Monstrositäten 
in der Abhandlung „Die Radiumkrankheit tierischer Keimzellen“ 
von OÖ. Hertwig, und auf seine Abbildungen Taf, I, Fig. 1—10. 
Die Oberfläche der beiden Eier ist mit Faltungen und Wülsten 
besetzt, die, wie Schnitte lehren, von Epidermiszellen gebildet 
werden, die als Höcker oder Leisten vorspringen. (Vergl. 
OÖ. Hertwig, Taf.IV, Fig. 1, 5—6.) — Der dritte Embryo 
erreichte ein Alter von 15 Tagen und ist in Fig. 32, Taf. VI, mit 
Kontrolle (Fig. 31) dargestellt. Es ist eine der am besten 
entwickelten Mesothoriumlarven, die in der Entwicklung zwar 
etwas zurückgeblieben zu sein scheint, im übrigen aber einen 


18 Paula Hertwig: 


normalen Eindruck macht. Bei der mikroskopischen Untersuchung 
erkennen wir jedoch, dass sie sich abgesehen von der weniger 
weiten Organdifferenzierung auch noch durch zahlreiche pyknotische 
Kerne, die besonders in Hirn und Medulla zu finden sind, von 
der Kontrolle unterscheidet. Hierdurch wird die Annahme, dass 
die Larve bei längerer Lebensdauer den Entwicklungsunterschied 
ausgeglichen hätte, hinfällig. Die absterbenden Kerne zeigen an, 
dass wir es mit keiner entwicklungsfähigen Larve zu tun haben. 

Nach einer Bestrahlungsdauer von "/a Stunde (Nr. III und IV) 
entwickelten sich nebst einigen früh absterbenden stark patho- 
logischen Formen vier Larven. Zwei 17 Tage alte (Fig. 17 und 18, 
Kontrolle Fig. 19) und zwei, die das Alter von 19 Tagen erreichten. 

Von den beiden 17 Tage alten Larven fällt die eine (Fig. 18) 
durch ihre starke Bauchwassersucht auf. Der Leib ist zu einer 
riesigen Trommel aufgetrieben, deren Breite fast der Länge der 
Larve entspricht. Verkleinerte und verspätete Anlage der Organe, 
Missbildungen in Nachhirn und Rückenmark, wie ich sie schon 
häufig bei der Schilderung der Mesothoriumlarven erwähnte, 
vervollständigen das Entwicklungsbild. 

Zeigen die oben beschriebenen Larven eine oftenbar patho- 
logische Ausbildung infolge der langen Mesothoriumbestrahlung, 
so haben wir in den zwei 19 Tage alten Larven (Versuchs- 
nummer VI), die sich aus Eiern entwickelten, welche ebenfalls 
!/s Stunde der Einwirkung der Strahlen ausgesetzt waren, zwei 
gut ausgebildete Tiere, Die eine ist in Fig. 25 mit einer Kontrolle 
(Fig. 26) abgebildet, die zweite ist der ersten in jeder Beziehung 
ähnlich. Sie haben sich nicht schlechter entwickelt wie etwa 
die 22 Tage alte Larve Fig. 34 aus dem 5 Minuten-Versuch, 
oder wie Fig. 30 (13 Tage alt), die sich aus einem 18 Minuten 
bestrahlten Ei entwickelte. 

Fig. 2, Taf. VII stellt einen Längsschnitt durch die Larve, 
Fig. 11 einen solchen durch die gleichalte Kontrolle Fig. 26 dar. 
Die meisten Organe, z.B. Hirn, Medulla, Augen mit Linsen sind 
bei der Mesothoriumlarve erheblich kleiner als wie bei der Kontrolle 
und auch dementsprechend weniger weit differenziert. Dies ist 
besonders deutlich an der Ausbildung der Retinaschichten des 
Auges zu erkennen. Doch fehlt auch bei Fig. 2 noch fast voll- 
ständig das knorpelige Primordialkranium ebenso wie die Ausbildung 
mehrerer Kiemenbögen. Die Hörbläschen dagegen übertrefien an 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 79 


Grösse bei weitem diejenigen der Kontrolle. Ihre Ausdehnung 
verursacht sogar eine Deformation des Kopfes. Während normaler- 
weise die grösste Breitenausdehnung in der Augengegend 
anzutreffen ist, liegt diese bei Fig. 2 in der Ohrgegend. Diese 
starke Vergrösserung des Ohrbläschens zeigt auch wieder, dass 
die Radiumembryonen zu wassersüchtigen Erkrankungen neigen, 
Diese tritt meist als Wassersucht in der Bauch- oder Herzgegend, 
wie bei Fig. 12, 15, 20 und 23, Taf. VI, seltener als Hydrocephalie 
(Fig. 29) oder als Wassersucht der Ohrbläschen zutage. 

Schon mehrmals habe ich die pathologische Ausbildung der 
Rumpfmuskulatur bei den Mesothoriumlarven erwähnt. Auch bei 
Fig. 2, Taf. VII, sind die Muskelsegmente nur undeutlich vonein- 
ander abgegrenzt. Die einzelnen Muskelprimitivbündel sind von 
reichlich entwickeltem Bindegewebe umgeben, liegen daher locker 
nebeneinander und beanspruchen mehr Raum wie bei der Kon- 
trolle Fig. 1. 

e) Fünfte Versuchsreihe. 
Bestrahlung der Eier von Triton taeniatus während 18 Minuten 
und Befruchtung derselben mit Samen von Triton cristatus. 

Am Schluss des experimentellen Teiles möchte ich noch einen 
Versuch anführen, den ich am 17. Juni ausführte. Ich verwendete 
zur Befruchtung der 18 Minuten bestrahlten Eier nicht, wie bei 
den anderen Versuchen, die Spermatozoen von Triton taeniatus, 
sondern die Samenflüssigkeit des grossen Wassermolches Triton 
eristatus. Die Bastarde Triton taeniatus 9 X Triton ceristatus & 
entwickeln sich zu normalen kleinen Mischlingen, die sich während 
der ersten Embryonalperiode nicht von einfachen Triton taeniatus- 
Embryonen unterscheiden. 

Bei meinem Versuch hatten sich 11 Stunden nach der 
Befruchtung sechs Eier 8 und 16 geteilt. Von diesen starb das eine 
in den ersten Tagen ab, von den fünf anderen entwickelte sich 
von Anfang an ein Embryo bedeutend besser wie die übrigen. 
Er hielt dasselbe Tempo wie die Kontrollen ein. Am 17. Juni 
wurden zwei Embryonen in Zenker scher Flüssigkeit fixiert, die 
etwa dem 7 Tage alten Embryo aus dem 18 Minuten-Versuch 
(Nr. B) entsprachen. Fig. 7, Taf. VII, stellt einen Durchschnitt 
durch die Rückengegend des einen Embryos dar. Die Chorda 
ist normal entwickelt, aber an Stelle des Medullarrohres sind zwei 


Zellhaufen angelegt, die einen Spalt zwischen sich lassen und von 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.87. Abt. II. 6 


s0 Paula Hertwig: 

denen jeder für sich allein einen kleinen Hohlraum einschliesst. 
Es ist hier als Folge einer gestörten Gastrulation — ich beobachtete 
häufig einen abnorm grossen Dotterpfropf — die Verwachsung 
des äusseren Keimblattes in der Urmundnaht nicht erfolgt. Wir 
finden daher eine verdoppelte Anlage des Medullarrohres, die ich 
bei älteren Embryonen ebenfalls häufig beobachtete. 

/ wei weitere Embryonen wurden 10 und 11 Tage alt 
(Fig. 27, dazu gehörige Kontrolle Fig. S, Taf. VI). Auch diese 
beiden sind pathologisch entwickelt, namentlich in betreff der Aus- 
bildung des Zentralnervensystems und der Augen. 

Es blieb also nach Ablauf von 11 Tagen nur noch der eine 
Embryo übrig, der sich, wie vorhin erwähnt, von Anfang an 
normal entwickelte. Er wurde im Alter von 20 Tagen konserviert, 
da ich glaubte, ihn nicht weiter züchten zu können. Diese Larve 
(Fig. 35) ist nun im Gegensatz zu allen anderen, die sich aus 
bestrahlten Eiern entwickelten, ebenso gross und ebenso weit ent- 
wickelt wie die Kontrollarven. Auch ihre innere Organisation ist in 
nichts hinter den Kontrollen zurückgeblieben. Die einzig anormale 
Erscheinung besteht, wie Fig. 35 zeigt, in einer leichten Krümmung, 
die aber auch zuweilen bei Kontrollarven auftritt. Es ist die 
einzige von allen Larven, die ich aus bestrahlten Eiern züchtete, 
der man ihre Abstammung aus einem bestrahlten Ei nicht 
ansieht. Alle anderen, auch die bestentwickelten, sind durch 
Zwergwuchs und zurückgebliebene Organdifterenzierung von den 
Kontrollen leicht zu unterscheiden. 


B. Mikroskopische Untersuchung der Missbildungen 
am Zentralnervensystem. 


Von den abnormen Befunden, welche die mikroskopische 
Untersuchung ergab und die ich bereits in den vorangegangenen 
Abschnitten beschrieben habe, möchte ich eine Erscheinung noch 
einmal im Zusammenhang besprechen. Es handelt sich um eine 
Missbildung des Zentralnervensystems, die in ähnlicher Weise 
bereits von O. Hertwig beschrieben wurde und die wegen der 
Häufigkeit ihres Auftretens Anspruch auf besondere Beachtung 
erheben kann. 

Die Fig. 11 und 12 geben uns ein Bild des Zentralnerven- 
systems, wie es bei einer grossen Anzahl von sonst fast normal 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. Sl 


entwickelten Embryonen in der Gegend der Medulla oblongata 
und an ihrem Übergang in das Rückenmark zu finden ist. Die 
Decke des Nervenrohres, die normalerweise nur von einer ein- 
fachen Lage von Ependymzellen gebildet wird, besteht hier aus 
mehreren Schichten von Nervenzellen, so dass sie die gleiche 
Dicke wie die Seitenwandungen erreicht. Dorsalwärts hat sich 
sogar, ebenso wie an den Seiten, eine feine Schicht von Nerven- 
fibrillen gebildet. Infolge dieser Verdickung der Decke ist der 
Ventrikel nicht einfach spaltförmig, sondern er hat eine Y-fürmige 
(Gestalt angenommen. Bei den meisten Embryonen schwindet nach 
einigen Schnitten die Verdickung der Medullardecke, und es sind 
keine anderen pathologischen Veränderungen im Zentralnerven- 
system zu erkennen. Glücklicherweise geben uns zwei Embryonen 
(Nr. F* und III), nach denen die Fig. 10—13 angefertigt sind, 
näheren Aufschluss über die Entstehung dieser Missbildung. 

Bei der Durchmusterung einer Schnittserie durch den 
Embryo J* sehen wir, dass das Nervenrohr dicht hinter der 
Orbitalregion vollständig in zwei Hälften getrennt ist. Jede 
derselben enthält einen eigenen Ventrikel, wie auf Fig. 10 zu 
sehen ist. Die beiden Medullaranlagen sind durch embryonales 
Bindegewebe vollkommen getrennt. In den nächsten Schnitten 
wird diese trennende Schicht schmaler, bis sich schliesslich die 
beiden Anlagen in der Medianebene berühren. Die inneren 
Seitenwandungen eines jeden Rohres verdünnen sich und reissen 
ein, so dass die beiden ursprünglich getrennten Hohlräume zu 
einem gemeinsamen Ventrikel zusammenfliessen. Dieses Stadium 
ist auf Fig. 13 abgebildet. Der Schnitt lässt noch ziemlich deutlich 
(die Entstehung des Medullarrohres aus zwei getrennten Anlagen 
erkennen: an der Stelle. wo die Verschmelzung der beiden 
Ventrikel stattgefunden hat, sind noch abgelöste Zellinseln zu 
finden, die auf das Einreissen der trennenden Zellschichten 
hinweisen. Auch die Differenzierung von Nervenfibrillen an der 
Dorsalseite der Medulla zeigt an, dass die jetzige Decke ursprünglich 
die Seitenwandungen bildete. Ähnliche Verhältnisse zeigt Fig.11. 
Wir sehen, dass die jetzt seitlich gelegenen Dorsalwände der 
beiden getrennten Medullaranlagen wie bei normalen Embryonen 
aus einer einfachen Lage von Ependymzellen gebildet sind uud 
dass die Zellen der inneren Seitenwände die normale Begrenzung 


des jetzt einheitlichen Ventrikels bilden. 
6* 


82 Paula Hertwig: 


Durch diese an zwei Embryonen erhaltenen Befunde lassen 
sich also Missbildungen, wie sie in Fig. 12 abgebildet sind. leicht 
als eine in Rückbildung begriftene Verdoppelung des Zentral- 
nervensystem deuten, eine Erklärung, die OÖ. Hertwig ebenfalls 
den auf Taf. VII, Fig. 4—6 zusammengestellten Medullarrohr- 
Missbildungen zugrunde legt. 

Eine weitere Stütze dieser Annahme finden wir in Fig.5—17. 
Fig. 7 stellt einen Schnitt durch den S Tage alten Embryo A! 
dar. Die Chorda ist in der Mitte deutlich zu erkennen. Rechts 
und links oben befinden sich zwei zellige Anlagen, die je einen 
kleinen Hohlraum einschliessen. Man sieht unschwer, dass wir es 
mit zwei Medullarrohr-Anlagen zu tun haben, die durch einen 
breiten Spalt. in dem einige Zellen locker zerstreut liegen, 
getrennt sind. Die beiden Anlagen sind wohl auf eine infolge 
mangelhaften Urmundschlusses verzögerte Verwachsung des 
äusseren Keimblattes zurückzuführen. — Bei dem etwas älteren 
Embryo F?! erkennen wir auf Fig. 5 wiederum eine Verdoppelung 
des Nervenrohres: die beiden Teile liegen bereits dicht neben- 
einander, doch sind die Ventrikel noch vollkommen voneinander 
durch eine dicke Schicht von Nervenzellen getrennt. Einige 
Schnitte weiter erfolgt (Fig. 6) aber bereits die Vereinigung der 
beiden Hohlräume durch Einreissen der trennenden Scheidewand. 
In diesen beiden Abbildungen sind also die Verhältnisse bei einem 
jungen Embryo genau dieselben wie bei den Embryonen Fig. 10 — 13. 


C. Zusammenfassung der Versuchsresultate. 


Überblieken wir nun noch einmal die Ergebnisse aller 
Experimente, so fällt uns auf, dass zwischen den Zuchten der 
5 Minuten-Versuche und den Eiern, die 20 Minuten oder sogar 
!/, Stunde bestrahlt wurden, kein nennenswerter Unterschied 
besteht. Bei allen Versuchen hat sich ein Teil der Eier sehr 
schlecht entwickelt, indem er bereits pathologisch gastrulierte 
und bald abstarb. Ein anderer Teil dagegen hat das Alter von 
13, 17, 19 oder sogar von 22 Tagen erreicht. Es entwickelten 
sich so z. B. bei einem Versuch mit 5 Minuten Bestrahlungsdauer 
vier Larven, die ich am 10., 13., 14. und 22. Tage konservierte. 
Da die Larven immer erst dann abgetötet wurden, wenn sich 
deutliche Erkrankungserscheinungen zeigten, sie also dicht vor 
dem Absterben standen, können wir diese Zahlen zur Berechnung 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 33 


der durchschnittlichen Lebensdauer benutzen. Sie erreichten also 
ein tresamtalter von 59 Tagen. Es fällt daher auf eine Larve eine 
Lebenszeit von 14,75 Tagen. Vergleichen wir hiermit das Durch- 
schnittsalter der Larven, die aus 18 Minuten bestrahlten Eiern 
entstanden. Bei dem Versuch am 9. Juni entwickelten sich sieben 
Eier im Gesamtalter von 85 Tagen, mithin beträgt das Durch- 
schnittsalter pro Larve 12,14 Tage. Nach einer Bestrahlung von 
!/s Stunde erlangten die Tiere ein Durchschnittsalter von 
17,67 Tagen. — Diese Zahlen illustrieren auf das Deutlichste 
meine vorhin gemachte Bemerkung: Eine Bestrahlungsdauer von 
'/& Stunde beeinflusst die Entwicklung der Eier nicht anders als 
wie eine solche von 5 Minuten. 

‘ Dieses Versuchsergebnis stimmt nun nieht überein mit den 
Resultaten, die O. und G. Hertwig bei ihren Amphibien- 
Experimenten erhielten, Resultate, die ich in der Einleitung als 
das „Gesetz der Kurvenbildung* beschrieben habe. Ich zitiere 
hier nochmals G. Hertwigs Zusammenfassung seiner Versuchs- 
ergebnisse in der Arbeit: „Radiumbestrahlung unbefruchteter 
Froscheier“. Er schreibt: „Wenn unbefruchtete Eier mit Radium 
bestrahlt und dann mit normalem Samen befruchtet werden, so 
wächst zuerst die Schädigung der Embryonen mit der Dauer 
der Bestrahlung, nimmt aber alsdann bei noch längerer 
Bestrahlung ab und zwar wieder entsprechend der Dauer der 
Bestrahlung“. Dieses Ergebnis wird, wie schon anfangs erwähnt, 
auf eine mehr und mehr vollkommene Ausschaltung des mütter- 
lichen Chromatins zurückgeführt. 

Da ich in meinen Versuchen eine Kurvenbildung nicht 
konstatieren kann, bleiben nur zwei Annahmen möglich. Entweder 
habe ich mit einer Bestrahlungsdauer von '/2 Stunde noch nicht 
die maximale Schädigung, die eine vollkommene Ausschaltung des 
Eikerns hervorruft, erreicht, oder aber der weibliche Kern ist 
bei einer Mesothoriumwirkung von 5 Minuten bereits vermehrungs- 
unfähig geworden. Die erstere Annahme wird gestützt durch 
einen Vergleich mit den Bestrahlungszeiten, die 0. Hertwig 
anwandte, um den Spermakern vermehrungsunfähig zu machen. 
Er konnte erst bei einem einstündigen Versuch ein Ansteigen 
der Kurve, d.h. eine bessere Durchschnittsentwicklung feststellen. — 
Wichtigere Gründe dagegen sprechen für die zweite Annahme. 
So die Beobachtung G. Hertwigs, dass die Schädigung des 


54 Paula Hertwige: 


Eikerns pro Zeiteinheit grösser sei als die des Samenkerns. 
Diese Erscheinung fand er sehr begreiflich, da das Eichromatin, 
welches sich zur Zeit der Bestrahlung im Spindelstadium befindet, 
dem Radium eine grössere Angriffsfläche bietet, als wie die auf 
einen kleinen Raum konzentrierte Kernsubstanz des Samenfadens. 

Es liesse sich dann der Unterschied zwischen meinen und 
G. Hertwigs Eibestrahlungen aus der Anwendung verschieden 
starker Radiumpräparate erklären. — Nehmen wir also eine 
maximale Schädigung des Eikerns zum mindesten bei den best- 
entwickelten Embryonen auch bei den Versuchen mit kurzer 
Bestrahlungsdauer an, so müssten die Larven, da die Entwicklung 
nur von dem männlichen Halbkern geleitet wird, hemikaryotisch sein. 

Wie unterscheiden sich nun solche halbkernigen Embryonen 
von solchen mit diploider Chromosomenzahl? Über diese Frage 
geben uns die Beobachtungen an den bisher gezüchteten haploiden 
Amphibien und Fischlarven Aufschluss. Das Charakteristikum 
aller dieser Embryonen besteht in ihrem „Zwergenwuchs“, d.h. 
bei nur gering verzögerter Organdifferenzierung sind die haploiden 
Embryonen erheblich, etwa um ein Viertel bis ein Drittel, kürzer 
als wie die normalen Kontrollen. Ähnliche Proportionen ergeben 
sich auch beim Vergleich einzelner Organe. — Ferner sind diese 
haploiden Tiere nicht lebensfähig; viele sterben schon innerhalb 
der Eihüllen ab, andere, die noch ausschlüpfen, zeichnen sich 
durch langsame, matte Bewegungen aus, liegen häufig unbeweglich 
auf einer Seite auf dem Grunde des Gefässes und erkranken oft 
an Wassersucht. Man sieht, dass diese Beschreibung durchaus 
auch auf die von mir gezüchteten Larven anwendbar ist. Als 
einzige Ausnahme erwähne ich den Embryo A* (Fig. 35). dessen 
Kernverhältnisse eine besondere Besprechung erfordern. Zur 
weiteren Illustration des Gesagten diene ein Vergleich meiner 
Figuren mit den Abbildungen, die OÖ. Hertwig auf Taf. I 
und II in seiner Tritonarbeit gibt. Hierbei ist Folgendes zu 
berücksichtigen: Die Versuche O0, Hertwigs wurden Ende April 
und Anfang Mai ausgeführt, die Entwicklung der Embryonen 
fand also bei niedrigeren Temperaturen statt als wie bei meinen 
Anfang Juni begonnenen Versuchen. Die Folge davon ist eine 
langsamere Entwicklung von ©. Hertwigs Embryonen. Es 
entspricht etwa die Abbildung einer 27 Tage alten Kontrollarve, 
Taf.I, Fig. 27, meiner 22 Tage alten Fig. 33. Eine zu dieser 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 59 


Kontrolle gehörige und, wie er nachwies, haploide Radiumlarve 
stellt OÖ. Hertwig in Fig. 26 dar. Diese ähnelt nun in auffallender 
Weise meiner Larve Fig. 34, die sich aus einem 5 Minuten 
bestrahlten Ei entwickelte. Die Länge beider Larven ist genau 
dieselbe, der Flossensaum, die Extremitätenknospen sind ungefähr 
gleich weit entwickelt. Eben denselben Vergleich kann man 
zwischen Fig. 33—33 O. Hertwigs und Fig. 25, 26 meiner 
Arbeit durchführen und anderen mehr. 

Sprechen nun schon wichtige Gründe dafür, dass meine 
besser entwickelten Mesothoriumlarven haploid, arrhenokaryotisch 
sind, so kann der exakte Beweis doch nur durch Unter- 
suchung der Kernverhältnisse gebracht werden, ebenso wie 
hierdurch allein ein Aufschluss über die Natur der früh 
absterbenden stark pathologischen Larven gegeben werden kann. 
Bei diesen Untersuchungen habe ich auf den Nachweis des 
ausgeschalteten Radiumchromatins bei den ersten Teilungen wegen 
der Knappheit des Materials verzichten müssen. Ich habe mich 
also nur mit dem Studium der Kerne bei schon älteren Larven 
befasst, deren haploide Natur ich durch Feststellung der 
Chromosomenzahl und durch Messungen an den ruhenden Kernen 
festzustellen suchte. 


D. Kernuntersuchungen. 
a) Chromosomenzählungen. 

Dem Beispiele O0. Hertwigs folgend, benutzte ich zur 
Chromosomenzählung in erster Linie die Kernteilungsfiguren der 
Epithelzellen aus dem Flossensaum der jungen Larven. Diese 
gewähren den Vorteil, dass man die Untersuchung an Total- 
präparaten ausführen kann und nicht befürchten muss, dass etwa 
nur ein Teil der Mitose im Schnitt enthalten ist. — Bereits die 
10 Tage alten Mesothoriumlarven hatten einen kleinen Flossen- 
saum, der sich natürlich, wie meine Abbildungen zeigen, mit 
zunehmendem Alter immer besser entwickelte, so dass man an 
den ältesten Embryonen die besten Studien machen kann. Die 
Präparate wurden auf die Weise hergestellt, dass den in Zenker 
oder Pikrin-Essig-Sublimat fixierten Embryonen mit einer Scheere 
die Schwanzenden kurz vor der Aftermündung abgeschnitten 
wurden. Gefärbt wurde mit Böhmers Hämatoxylin und falls 
nötig, in stark verdünnter Salzsäure differenziert und mit Ammoniak- 


sb Paula Hertwie: 

wasser neutralisiert, wodurch die Kerne wieder eine tiefblaue 
Färbung annahmen. Nach Entwässerung und Aufhellung wurden 
die Schwänze in Kanadabalsam eingeschlossen. 

In sämtlichen Flossensäumen sowohl der Mesothoriumlarven 
als auch der Kontrollen konnte ich zahlreiche Kernteilungsfiguren 
der Epithelzellen auffinden, und der Unterschied zwischen den 
normalen Mitosen und denjenigen der Versuchsembryonen ist auf 
den ersten Blick deutlich. Bei sämtlichen Mitosen der 
Mesothoriumschwänze ist es ein Leichtes zu 
erkennen, dass die normale Zahl von 24 Chromo- 
somen nichterreicht wird. Bei Zählungen unter Anwendung 
von starken Vergrösserungen (Zeiss Öl-Immersion !/ı2, Compens.- 
Okular 5) konnte man nur im Ungewissen sein, ob 10, 11, 12 
oder 13 Chromosomen vorhanden waren. Diese Unsicherheit in 
Bezug auf die Bestimmung der exakten Chromosomenzahl erklärt 
sich leicht aus der langen gewundenen Gestalt der Kernsegmente, 
die sich bei ungünstiger Lagerung häufig kreuzen und gegenseitig 
decken. So ist man für eine absolut sichere Bestimmung auf die 
genauere Untersuchung einer geringeren Zahl günstig gelegener 
Muttersterne angewiesen, deren Auffindung eine recht genaue 
Durchmusterung der Flossensäume verlangt. Immerhin konnte 
ich in den meisten Präparaten solche günstigen Mitosen finden 
und die Anzahl der Kernsegmente mit Gewissheit auf zwölf 
bestimmen. 

Zwei der übersichtlichsten Muttersterne sind in Fig. 14 
und 15 bei tausendfacher Vergrösserung wiedergegeben. Die 
Abbildungen Fig. 14 und 15 sind nach photographischen Auf- 
nahmen reproduziert, die ich bei der Firma Leitz anfertigen 
liess. Die Chromosomen von Fig. 15 sind alle in einer Ebene 
angeordnet und geben daher ein besonders übersichtliches Bild, 
das zur Ergänzung kaum der in Fig. 15a reproduzierten Zeichnung 
bedarf, die ich auf der photographischen Grundlage anfertigte. 
Nicht ganz so gut für die Anfertigung einer Photographie war 
Fig. 14 geeignet. Hier muss die Zeichnung manche Einzelheit, 
die bei der Einstellung auf eine einzige optische Ebene verloren 
geht, ergänzen. Die Chromosomen beider Muttersterne sind 
gerade in der Längsspaltung begriffen, an den Enden weichen 
die Tochterchromosomen bereits häufig auseinander. — Die 
Kernsegmente sind, wie es bereits Meves bei Kernteilungsfiguren 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 857 


«des Erdsalamanders durch sorgfältige Messungen feststellte. nicht 
alle von der gleichen Grösse. In beiden Mitosen fallen zwei 
Chromesome durch ihre besondere Kürze auf. 


b) Messungen der Kerngrössen bei Mesothorium- und 
Kontrollarven. 

Als zweites Mittel, die haploide Natur der Mesothorium- 
larven nachzuweisen, bediente ich mich eines Vergleiches der 
Kerngrössen bei Mesothorium- und Kontrollarven. Der erste, der 
auf die Beziehung von Chromosomenzahl und Kerngrösse auf- 
merksam machte, war Boveri, der bei haploiden Seeigellarven, 
die sich aus einem befruchteten, kernlosen Eifragment entwickelten, 
eine Grössendifferenz der Kerne dieser Larven und der normalen 
Kontrollen feststellte. Er konstatierte, dass sich die Oberflächen 
der Kerne wie 1:2 verhielten. Andere Autoren, wie Baltzer, 
Godlewski, Herbst und Kupelwieser bestätigten die 
Befunde Boveris am Seeigelmaterial. Auf andere Tierklassen 
und auf botanische Objekte ausgedehnt, wurde in weiteren 
Untersuchungen festgestellt, dass meistens das Verhältnis 1:2 
nicht den Kernoberflächen. sondern den Volumina entspricht. 
Diese Regel wurde von Gerassimow für Spirogyra, von 
El. und Em. Marchal für di- und tetraploide Mose, von 
Gates bei Oenathera gigas, von Tischler bei Musa-Rassen 
festgestellt und ebenfalls durch die Untersuchungen über die 
Kerngrössen di- und haploider Amphibienlarven von 0. und 
G. Hertwig bestätigt. Die Volumina der Kerne von partheno- 
genetischen und normalen Kontrollarven verhielten sich wie 1:2: 
nur bei den Epithelzellen des Flossensaumes errechnete G. Hertwig 
das Oberflächenverhältnis wie 1:2. Auf diese Angabe 
werde ich später noch zu sprechen kommen. 

Meine Messungen wurden an Kernzeichnungen gemacht, die 
ich mit Hilfe des Leitzschen Zeichenapparates bei tausendfacher 
Vergrösserung ausführte. Zur Vermeidung von Fehlerquellen 
wurden folgende Vorsichtsmassregeln beachtet: 

Es wurden nur die Kerne von Larven miteinander ver- 
elichen, die dasselbe Alter hatten. Die zum Vergleich kommenden 
Mesothorium- und Kontrollarven waren auf genau dieselbe Weise 
vorbereitet und in gleich dicke (10 «) Schnitte zerlegt. Die 
Messungen wurden an beiden Objekten unmittelbar nacheinander, 


38 Paula Hertwig: 

also bei absolut gleicher Einstellung des Apparates vorgenommen. 
Gezeichnet wurden etwa 15—20 Kerne, alsdann ihr grösster und 
kleinster Durchmesser auf eine gerade Linie mittels des Zirkels 
übertragen. Die Länge dieser Linie entspricht dem zweifachen 
Durchmesser aller Kerne. Aus dieser (Grösse lässt sich dann leicht 
der mittlere Wert für den Radius eines einzelnen Kerns errechnen. 
Das Verhältnis der 2. und 3. Potenzen der Radien ergibt dann 
die Beziehungen der Oberflächen und Volumina. 

Im Folgenden will ich nun in Tabellenform die Grössen 
angeben, die ich bei den Messungen der verschiedenen Kerne 
einer grösseren Anzahl von Larven erhielt. Es bedeutet hierbei: 
r— mittlerer Radius der Mesothoriumlarvenkerne, rCo = mittlerer 
Radius der Kontrollkerne. Die wiedergegebenen Zahlen müssen 
durch 1000 dividiert werden, um die wirklichen Grössen zu erhalten. 


Tabelle I. 
Kerne der Medulla in der Gegend des Ohrbläschens. 


Ken Era | in: F Co: T.r-Co4 7 re =; 

Bestrahlung | | nummer | | | | 
Z | 5Min. |10Tg.| C! |5,47|4,48/29,92/20,07| 163,70 | 89,83 
PES 18Min. | 13 Tg..BUTb | 5,53| 4,30/30,58) 18,49! 169,00 | 81,37 
PES 18 Min. |13 Te. Ba) 5,53) 4,40 30,58 19,18| 169,00 85,74 
z |20 Min.| 7Tg. FT |5,50| 4,37 30,26|19,10| 166,50 | 83,47 
PES 20 Min. |13 Te.| FV |5,43| 4,10 29,48| 16,81 160,10 | 68,93 
z |25 Min.|is Tg.) E? | 4,90) 3,80/24,01|14,44| 117,64 | 54,87 
PES 30 Min. |17 Tg.| IIl’a 5,40 4,20 29,16 17,64 160,82 | 74,68 
PES |30 Min. | 17 Tg. III'b | 5,50 4,20 30,26) 17,64 166,40 | 74,68 
7 30 Min. |19 Te. III? |4,65 3,52 21,13 12,39| 98,28 | 43,60 
z |30 Min. |19 Tg.| VI |5,31| 4,23/28,20| 17,89| 149,72 | 75,68 
z 18Min E Te.| A® | 5,07! 4,23|25,70 17,88) 130,30 | 75,68 

| X 1651,46 |808,53 


Wir erkennen aus dieser Tabelle, dass sich die Kernradien 
in der 3ten Potenz bei allen elf Embryonen annähernd gleich 1 
verhalten, in einem Fall (F!') wird dieses Verhältnis mit 166,50 


und 83,47 fast genau erreicht. 


.9) 


Dass die Zahlen in den übrigen 


Fällen nicht genau der Theorie entsprechen, darf uns nicht 
dass die Kerngrössen der 


wundernehmen, 


denn 


wir wissen, 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 8% 


normalen Individuen ebenfalls innerhalb gewisser Grenzen 
schwanken, zumal wenn die Eier, wie bei unseren Versuchen, 
von verschiedenen Weibchen stammen. So differieren die Werte 
für rCo zwischen 5,07 und 5,53.'!) Desgleichen die Werte für r 
zwischen 4,10 und 4,48. Es besitzen also die einzelnen Individuen 
verschieden grosse Kerne. Trifft nun eine Kontrolle mit auffallend 
grossen Kernen, wie z. B. Nr. S, mit einer Radiumlarve mit kleinen 
Kernen zusammen, so verschiebt sich das Verhältnis zu ungunsten 
des Versuchsembryos. Ebenso häufig wird natürlich das umgekehrte 
Verhältnis der Fall sein, und wir müssten schliesslich, wenn wir 
von einer grossen Anzahl von Embryonen die Kern-Volumina 
berechnen und dann den Mittelwert nehmen, das exakte Ver- 
hältnis 1:2 erhalten. Aus diesem Grunde habe ich am Schluss 
der Tabellen die Summen r?Co und r? gebildet und erhalte aus 
diesen durch Division mit 11 die Durchschnittswerte 150,1 für 
r?Co und 73,52 für r?, also Zahlen, die als befriedigend angesehen 
werden können. 

In den Textfiguren la und 1b sind einige Zeichnungen wieder- 
gegeben, die den Grössenunterschied sehr gut veranschaulichen. 


200 08 


In der 2. Tabelle gebe ich die Maße der Leberzellenkerne 
wieder, deren Grösse ich bei drei Larven untersuchte. 


Tabelle II. Kerne der Leberzellen. 


Fixierungs- Zeit der Ver- 
flüssigkeit | Bestrahlung me | 


| 
Ater | suchs- ro) r Ze Te T>Co er’ 


Z |25 Min. |18 Tg.| E” |4,98| 3,87| 24,79] 14,97| 123,5| 57,95 


Z 30 Min. |19 Tg.| II? |5,12| 4,15|26,22) 17,22] 134,3| 71,45 
Z |30 Min. |19 Tg.) VI |5,53| 4,57|30,58!20,ss| 169,0] 95,43 


!, Ich sehe bei dieser Angabe von den Zahlen für Nr.6 und Nr.9 ab, 
da zwischen diesen beiden und den übrigen Messungen längere Zeit verstrich 
und eine erneute Einstellung des Apparates nötig wurde. 


90 Paula Hertwig: 


Auch bei den Leberzellenkernen ist also das Verhältnis 
von:T7%Co.; 7°? fast genau’ —='2:1. 

Aus einem Vergleich von Tabelle I und II erkennen wir, 
dass die Leberzellenkerne etwas grösser sind wie diejenigen der 
Nervenzellen. Dies ist ein typisches Verhalten, denn dieser 
Unterschied tritt sowohl bei den Kontrollen als auch bei den 
Mesothoriumlarven deutlich hervor. Abbildungen der Leberzellen- 
kerne sind in den Textfiguren 2a und 2b gegeben und zwar von 
der Larve III?. 


Neben den Kernen der Nerven- und Leberzellen sind die 
Extremitätenknospenkerne zu Messungen sehr geeignet, da sie 
eine regelmässig kugelige Gestalt besitzen. Leider konnte ich 
diese Messung nur bei wenigen Objekten ausführen. da meistens 
zu der Zeit, in der bei den Mesothoriumlarven die Extremitäten- 
knospen hervorsprossen, die Gliedmaßen der Kontrolle schon in 
Knorpel und Bindegewebe differenziert sind. Die vergleichbaren 
(Grössen sind in folgender Tabelle zusammengestellt. 


Tabelle II. 
Kerne von Zellen aus den Extremitätenknospen. 


RR ä ı Ver- | 
ee ann] Alter MaIB: | PWONFIT RS Co Te S r? 
PES 18 Min. |13 Tg. BITh | 6,05| 4,77| 36,61|22,75|221,5| 108,50 
PES 18 Min. 13 Tg. Bla 6,05) 4,81/36,61 23,13) 221,5) 111,30 
PES 20 Min. |13 Tg., FY | 5,58| 4,47 30,42) 19,98|169,7| 89,32 
Z 30 Min. 19 Tg. VI | 5,58) 4,77\34,23|22,75| 203,0) 108,50 
X 815,7 417,62 


Hieraus wurden die Durchschnittswerte r?Co — 203,9 und 
r? — 104,4 berechnet, die also wieder im Verhältnis 2:1 stehen. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 31 


Fig. 3 stellt die Extremitätenknospenkerne dar. 

Das eben von den Kernen von Tabelle III Gesagte gilt 
auch von Knorpelzellenkernen. Auch diese eignen sich vorzüglich 
für Messungen. 


Fig. 3a. Kieraib: 
Tabelle IV. 
Kerne der Knorpelzellen. 


ER EREREREN Ver 
Fixierungs- Zeit der | a N ea 

ae | Aller | suchs- !rCo| r |r°Co| ı 7260. 7 
flüssigkeit ı Bestrahlung | a 


Z 25 Min.\18 Tg.) E” |4,90| 3,87|24,01|14,97| 1r7,7|57,95 
Z _\30 Min.|19 Tg. III |\4,78| 3,57) 22,84| 12,75| 109,1|45,57 
Z |830 Min. |19 Tg.) VI |5,03| 4,30|25,30| 18,49! 127,3| 79,50 


Hieraus folgt das Verhältnis von r?Co zu r? = 2:1. 
Einige Abbildungen der Knorpelzellenkerne sind in Textfigur 4 
gegeben. 


9) @) 
666 © 


Fig. 4a. Fig. 4b. 


Kerne der roten Blutkörperchen. 

Auch die Kerne der roten Blutkörperchen sind bei den 
vadıumlarven deutlich kleiner wie diejenigen der Kontrollen. Da 
sie jedoch nicht kugelförmig, sondern von stark abgeplatteter 
Gestalt sind, verzichte ich aus weiter unten angegebenen Gründen 
auf die Berechnung der Volumina. 

Ich zeichnete Blutzellen aus dem Herzen der Embryonen 
und zwar nicht nur die Kerne der Ervthrozyten, sondern auch 


g2 Paula Hertwig: 


die ganzen Blutkörperchen, nach Möglichkeit solche auswählend, 
die ganz im Schnitte enthalten waren. Zwei zusammenliegende 
Gruppen der roten Blutkörperchen sind in Textfigur 5a und 5b 
wiedergegeben. Sie lassen deutlich erkennen, dass die „Kern- 
plasmarelation“ gewahrt wurde, denn die roten Blutzellen der 
Mesothoriumlarven sind, den Kernen entsprechend, erheblich 
kleiner als diejenigen 

© | an der Kontrollen. Fig. 5b 
/) ii D Vergleichen wir 
= nochmals die Zahlen 
sämtlicher Tabellen, so 

IR ) finden wir, dass das 
u Verhältnis r?Co.7 — 
2:1 bei allen Larven 
fast genau eingehalten 
wird. Kommen 


Abweichungen 
von dieser Pro- 
A! portion vor, so 


sind diesenur zum 


/ geringeren Teil in 
Ungenauigkeiten 
der Messungen zu 


Fig. 5b. suchen. Sie sind 

in der verschie- 

denen Kerngrösse, die den einzelnen Individuen eigen ist, 

begründet. Zum Beweis mögen die hier nochmals zusammen- 

gestellten Werte, die ich bei den Larven VI und Co VI erhielt, 
dienen. 


Fig. 5a. 


Tabelle V. 
Kerngrössen der Larve VI. 
| 2 | Extremitäten- 
Medulla Leber Knorpe onen 
Tr ee 4,57 4,3 | 4,77 
rCo 3,31 DB 5.03.04 5,85 
r3 75,68 | 95,48 79,50 108,5 
r3 Co 11979. ,|0169 127,30 203,5 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 95 


Bei allen vier Messungen ist 2r? > als r?Co. Vergleicht 
man die Werte von rV! mit denen der auf den Tabellen angegebenen 
sonstigen Zahlen, so sieht man, dass rY! in allen Fällen eine 
höhere Zahl entspricht als wie die r--Werte der übrigen Mesothorium- 
larven. Die Larve VI hat also relativ grosse Kerne, die Kontrolle 
hingegen besitzt, wie die Tabellen ebenfalls lehren, Kerne von 
Durchschnittsgrösse. Infolgedessen fällt das Verhältnis von 
ı?: Cor? zugunsten von r? aus. — Vielleicht ist in dem Umstand, 
dass wir es bei Larve VI mit einem Tier mit besonders grossen 
Kernen zu tun haben, auch die Erklärung für die relativ gute 
Entwicklung zu suchen. Wie Fig. 25 lehrt, gehört sie zu den am 
besten ausgebildeten Larven. 

Bisher wurden bei den Messungen nur Kerne berücksichtigt, 
die annähernd kugelige Gestalt besassen. Ich will jetzt noch die 
Maße von den Kernen der embryonalen quergestreiften Muskulatur 
geben. Sie besitzen etwa die Gestalt eines Ellipsoids mit der 
Rotation um die grösste Achse, und ihr Volumenverhältnis lässt 

T rk. ver 
\C0  Gork®. Gorsr 
den kleinen, r&" den grossen Radius bezeichnet. 

Es wurden die Kerne von Muskelsegmenten aus Frontal- 
schnitten durch die Embryonen gezeichnet. Diese veranschaulichen, 
wie Textfigur 6a und 6b zeigen, ebenfalls auf das deutlichste die 
Grössenunterschiede zwischen den Kernen normaler und haploider 
Embryonen. 


sich aus der Formel: berechnen, wobei rE& 


Fig. 6b. 


34 Paula Hertwig: 


Tabelle VI. 
Kerne der embryonalen Muskelzellen. 


el j Ver- | 
Fixierungs- | Zeit der k ‚gr ange | pl Mal 
fnsnlokeit | Bestrahlung | er >| aREhe-  SreLOEr 


2.418 Mn- As Tat U | 7,35) 10,730 
PES 18Min. | 13 Tg.;):BTa.| 8,2. 11,23.) 3,7... 453 
PES 18Min. 13 Tg.| BI | 8,53 | 11.23 | 3,63 | 4,53 


24,08. | 33,23 |11,00 |12,83 


Aus den am Schluss der Tabelle gebildeten Summen sind 
durch Division mit 3 die Durchschnittswerte für r#®" und rK zu 
berechnen. Es ergibt sich: 


Kontrollarve Mesothoriumlarve 
752, 1.1403 rer 8 NL 
KL 094,98 5 


GLEN OT 
FON 79099023: 

Wir haben nun bisher gefunden, dass Kerne, die bei 
diploiden Larven kugelförmig sind, dieselbe (Gestalt auch bei 
haploiden Larven besitzen, oder anders ausgedrückt, bei kugel- 
föürmigen Kernen verkürzen sich die Radien im gleichen Ver- 
hältnis. Von dieser Tatsache, die allen Messungen zu Grunde 
gelegt wurde, kann man sich leicht an Längs- und (Querschnitten 
überzeugen. Wie verhalten sich nun aber diejenigen Kerne, deren 
Durchmesser, wie z. B. bei den Muskelzellen, verschieden gross 
sind? Um deren Verkürzungsverhältnis zu ermitteln, sind die 


Es verhält sieh also 


Kl gr 
1 l 4 An 
Proportionen Cork und Co yar Aufzustellen. Nach meiner Tabelle 
or [0 
ergibt sich D 1 
= ——— 
Cork! 1.17 
el 


Corse 7 1,38: 

Aus diesen Zahlen ist zu ersehen: die in Folge von Chromo- 
somenreduktion auftretende Verkleinerung ellipsoider Kerne erfolgt 
in erster Linie durch Verkürzung der längsten Achse, in weit 
geringerem Maße durch eine solche des kleineren Durchmessers. 

Um nicht allein bei der Begründung dieses Satzes auf 
meine eigenen Messungen angewiesen zu sein, stellte ich dieselben 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 35 


Proportionen für die von OÖ. Hertwig gemessenen Muskelkerne 
mit Hilfe seiner Tabellen auf. Ich erhielt 


ET a9 ee 


Or 7-496 WE Cor= 719357149 


Auch Gerassimows Messungen an den ellipsoiden 
Spirogyra-Kernen bestätigen meine Beobachtung. Die grössten 
Durchmesser gewöhnlicher und primär vergrösserter Kerne ver- 
halten sich, an der Hand der Tabelle I aus der 1904 erschienenen 
Abhandlung berechnet, wie 1:1,33, die kleinsten Durchmesser 
wie 1:1,13. Diese Zahlen zeigen ebenfalls, dass sich die längeren 
Durchmesser stärker verkürzen als wie die kleineren. 


Aus diesem Satze folgt nun aber, dass es zur Berechnung 
der Oberflächen oder Volumina von ellipsoiden oder abgeplatteten 
Kernen nicht genügt, zwei Durchmesser zu kennen, sondern 
dass vielmehr die drei Hauptradien zu berücksichtigen sind, 
wenn man gültige Resultate erhalten will. Den Fehler, den 
3. Radius nicht ermittelt zu haben, beging G. Hertwig bei 
seinen Messungen der Epithelzellenkerne von Krötenlarven. 
Hieraus erklärt sich seine Angabe, dass bei den Epithelzellen- 
kernen sich die Oberflächen — und nicht wie bei allen übrigen 
Kernen der Amphibienlaren die Volumina — wie 1:2 verhalten. 


Durch das Verhalten der Muskelkerne auf diese mögliche 
Fehlerquelle aufmerksam gemacht, wiederholte ich G. Hertwigs 
Messungen an dem von ihm benutzten Material. Ich zeichnete 
aber nicht nur die Kerne der Epithelzellen bei Totalpräparaten, 
sondern auch bei Querschnitten durch dieselben Larven, von denen 
das Flossensaumepithel stammte. Meine Erwartungen bestätigten 
sich. Die Epithelzellen- 


kerne besitzen eine v En 
stark abgeplattete Ge- IQ Sam) 
stalt, etwa die Form N) D % N Ca 


eines sehr niedrigen Ver 
Zylinders oder die eines > e Ne 
Ellipsoids mit Rotation Fig. 7a. Fig. 7b. 


um die kleinste Achse. 
Zeichnungen nach Totalpräparaten geben eine Flächenbetrachtung, 
Zeichnungen nach Querschnitten eine Profilansicht der Kerne (Text- 


figur 7a und 7b). 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.87. Abt. II. 7 


96 Paula Hertwig: 


Wenn ich wieder die Bezeichnungen rk! und r8" benutze, 


so ist 121 — 3,85 Cors!'=. 5,72 
ee er, Gortl.-—==1],85 
und die Proportionen re! 3,85 1 
Cor= "5723 1,49 
EEE LTT. KEN Mi 
CorEuee 5 7205 


Die Volumenverkleinerung der abgeplatteten Epithelzellen- 
kerne erfolgte also ebenfalls fast ausschliesslich durch Verkürzung 
der beiden grösseren Durchmesser, wie die in Textfig. 7a und 7b 
gegebenen Kernzeichnungen ebenfalls anschaulich bestätigen. — 
Berechnet man nun das Volumverhältnis der diploiden und haploiden 
Kerne unter Berücksichtigung des kleinen Durchmessers, so 

Vi I a BD Bo 
CoV. .(Co.re" . Cor&! 7 .(5,73)2. 1,85 2,6053 
innerhalb der Fehlergrenze wie 1:2. Ebenso erhalte ich, wenn 
ich meine Werte für rK! und Cor! zur Richtigstellung von 

TS TE 
CoV., loess 


also 


verhält sich 


G. Hertwigs Messungsresultaten benutze: 


14,33 
99,60° 

Das Resultat der Kernmessung können wir also dahin 
zusammenfassen. dass bei Amphibienlarven stets die Kernvolumina 
von haploiden Larven zu denjenigen von diploiden Embryonen 
sich wie 1:2 verhalten. 

Nach Aufklärung dieses Irrtums besteht also nur noch für 
Seeigellarven die Ansicht, dass die Chromosomenzahl durch eine 
Beziehung der Kernoberflächen und nicht der Volumina aus- 
zudrücken ist. Dieses von Boveri aufgestellte, von Baltzer., 
Kupelwieser, Erdmann und anderen mehr bestätigte Ver- 
hältnis wird von Boveri auch in seiner 1914 erschienenen 
Abhandlung gegenüber den Ergebnissen Hinderers aufrecht 
erhalten. Dieser errechnete für hemi- und amphikaryotische 
Ei- und Blastulakerne das Verhältnis der Volumina = 1:2. 
Boveri sieht sein Messungsresultat in Übereinstimmung mit 
der Annahme, dass ein jedes Chromosom bestrebt ist, einen 
bestimmten, seiner Grösse entsprechenden Teil der Kernmembran 


mit Beschlag zu belegen. 


also ebenfalls fast genau = 1:2. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 97 


Es ist selbstverständlich, dass meine bei Amphibien 
gewonnenen Resultate keine Entscheidung in der Streitfrage 
zwischen Boveri und Hinderer geben können. Es ist jedoch 
zu beachten, dass wohl alle Kernmessungen bei Seeigellarven an 
Totalpräparaten ausgeführt wurden. Der Tiefendurchmesser der 
Kerne scheint mir, soweit aus den nicht immer genauen Angaben 
hervorgeht, nicht berücksichtigt worden zu sein. Zwar berechnen 
Baltzer die Oberflächen, Köhler die Volumina von Pluteus- 
kernen nach der Formel für ein Rotationsellipsoid, die Auffassung 
der Kerne als Kugel oder Ellipsoid scheint sich jedoch nur auf 
die Gleichheit oder Ungleichheit derjenigen Durchmesser zu 
beziehen, die bei einer Flächenbetrachtung der Kerne messbar 
sind. Die einzigen Zeichnungen, die über die hier aufgeworfene 
Frage in Beziehung zu bringen sind, gibt Boveri in den Zellen- 
studien, Heft V, Taf. I, Fig. le und 2c. Er bildet je einen 
optischen Schnitt durch die Scheitelwand eines amphi- und eines 
hemikaryotischen Pluteus ab. Nach dieser Zeichnung scheinen die 
Kerne kugelförmige Gestalt zu haben und Boveris Berechnungs- 
weise zu bestätigen. Doch lässt sich wohl, da nur zwei resp. vier 
Kerne abgebildet sind, kein sicherer Schluss ziehen, auch deutet 
das von Boveri berechnete Verhalten der Zellvolumina auf ein 
anderes Verhältnis hin. — Er stellt fest, dass das äussere Epithel 
von diploiden und haploiden Larven die gleiche Dicke besitzt. 
Die vorhin erwähnten Figuren sind zur Illustration dieses Ver- 
hältnisses gegeben. Daraus schliesst er, „dass die geometrische 
Form homologer Zellen je nach dem Chromatingehalt und der 
davon abhängigen Zellgrösse eine verschiedene ist. In der Richtung 
der Zellachse haben die Zellen gleiches Maß, die transversalen 
Durchmesser sind je nach der Zellgrösse verschieden“. Diese 
Zellen zeigen also dasselbe Verhalten wie die von mir gemessenen 
Kerne der Muskel- und Epithelzellen von Amphibienlarven. Es 
wäre doch wohl auch möglich, dass die Kerne in den Wänden 
der Echinuslarven denselben Verkürzungsverhältnissen gehorchten 
wie die Zellen, zu denen sie gehören. 


In Hinsicht auf diese Betrachtungen und die von Hinderer 
nach Schnittpräparaten berechneten Resultate scheint mir eine 
nochmalige Prüfung der Kerngrössen von Echinidenlarven 
wünschenswert. 


98 Paula Hertwig: 


E. Die Entwicklungsweise hemikaryotischer Larven 
und Kernuntersuchung der Larve Fig. 35. 


Mit Hilfe der Chromosomenzählungen und der Kernmessungen 
ist es mir, wie ich eben ausgeführt habe, gelungen, die Frage, 
die am Beginn des vorigen Abschnittes gestellt wurde, zu lösen. 
Ich habe nachgewiesen, dass alle Embryonen, die das Alter von 
7 Tagen und mehr erreichten, haploide Kerne besitzen, gleichviel. 
ob die Eier, aus denen sie sich entwickelten, 5 Minuten oder 
länger mit Mesothorium bestrahlt worden waren. Ich bezeichne 
daher die Entwicklung dieser Embryonen nach Boveri als eine 
arrhenokaryotische oder, da man ein entkerntes Fi auch als 
Teilstück eines gesunden Eies auffassen kann, als eine „merogone*, 
Ein Vergleich meiner Abbildungen mit den von O. Hertwig 
als haploid-parthenogenetisch bezeichneten Larven lehrt, dass die 
Entwicklung dieser beiden Typen, der haploid männlichen und 
haploid weiblichen Embryonen, im wesentlichen gleich verläuft, 
dass also, wie schon G. Hertwig hervorgehoben hat, Plasma 
und Dotter des Eies wenig oder fast gar nicht von Mesothorium- 
strahlen geschädigt wird. Möglich, dass eine stärkere Neigung 
meiner Embryonen, an Wassersucht zu erkranken — O0. Hertwig 
hebt besonders hervor, dass er bei Tritonen das Auftreten von 
Wassersucht kaum beobachtete —, auf eine geringere Widerstands- 
fähigkeit des bestrahlten Eiplasmas schliessen lässt. 

Ich kann ferner die bisher bei den Radiumversuchen gemachte 
Beobachtung bestätigen, dass Larven mit haploiden Kernen 
lebensunfähig sind. Was die Erklärung dieser Tatsache betrifft, 
schliesse ich mich der Anschauung G. Hertwigs an, dass sich 
„die pathologischen Störungen mit Notwendigkeit aus dem Miss- 
verhältnis erklären, das zwischen der verringerten Wachstums- 
energie der Embryonalzellen infolge ihrer reduzierten Kern- und 
Plasmamenge und dem im Ei vorhandenen Dottermaterial besteht“. 
Diese Hypothese hat seither noch eine Stütze durch unsere 
Beobachtung über die Entwicklung von Fischbastarden erhalten. 
Wir konnten feststellen, dass in einigen Fällen nicht die Dis- 
harmonie der durch die Bastardierung entstandenen Idioplasma- 
verbindung die Entwicklung der Kreuzungsprodukte hemmte, 
sondern allein das Missverhältnis zwischen Dotter und Bastard- 
embryo. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 33 


Wie ich bereits hervorhob, besitzt eine einzige Larve, die 
in Fig. 35 abgebildet ist und sich aus einem 18 Minuten bestrahlten 
Ei entwickelte, nicht die Merkmale eines haploiden Embryos. 
Grösse und Entwicklungsgrad unterscheiden sich nicht von den 
egleichalten Tieren der Kontrollzuchten. Als die Ursache dieser 
guten Entwicklung konnte ich feststellen, dass diese Larve einen 
diploiden Kernapparat besitzt. Die Grössen der Radien der 
Medullakerne bei Embryo A? und Co sind r=5, rlo = 4,9, 


‘ 


mithin verhalten sich die Volumina wie — oder wie 1:1. 


117,25 
Wie ist nun die Entstehung dieses Embryos zu erklären? Von 
vornherein ist die Annahme eines Versuchsfehlers von der Hand 
zu weisen. Mag es allenfalls noch möglich sein, dass bei Befruchtung 
von Eiern mit radiumbestrahltem Samen trotz aller Vorsichts- 
maßregeln ein oder das andere Ei mit normalen Spermatozoen 
in Berührung kommt. ein unbefruchtetes, Ei kann unmöglich 
durch einen Versuchsfehler unter die bestrahlten Eier gekommen 
sein. Auch die Annahme, dass ein Ei überhaupt nicht von den 
Mesothoriumstrahlen getroffen worden sei, ist der Versuchs- 
anordnung nach als ausgeschlossen zu betrachten. Die Eier 
lagen innerhalb eines Ringes auf einem kleinen Bezirk zusammen, 
so dass sie unbedingt gleichmässig der Mesothoriumwirkung 
ausgesetzt waren. — Da es nun durch diese und frühere Arbeiten 
als bewiesen anzusehen ist, dass der Eikern durch eine Bestrahlung 
von 18 Minuten vermehrungsunfähig wird, muss sich der diploide 
Kern dieses Embryos nur aus väterlichen Kernbestandteilen 
zusammensetzen. Wir müssen also eine Verdoppelung der väter- 
lichen Chromosomenzahl annehmen. Da die Kerne sämtlicher 
Organe von gleicher Grösse sind, ist es das Wahrscheinlichste, 
dass diese Verdoppelung vor der ersten Teilung stattgefunden hat. 

Eine derartige Verdoppelung der haploiden Chromosomenzahl 
scheint, wenn auch selten, so doch in mehreren schon beobachteten 
Fällen aufgetreten zu sein. 

In einem Versuch O. Hertwigs, den er in der „Radium- 
krankheit tierischer Keimzellen“ S. 68 ausführlich beschreibt, 
bestrablte er Samenflüssigkeit während 6 Stunden 40 Minuten 
(zugleich von oben und unten mit den Radiumpräparaten I und II). 
Aus den mit diesen Spermatozoen befruchteten Eiern entwickelten 
sich neben pathologischen und kurzlebigen Zwerglarven drei 


100 Paula Hertwie: 


Embryonen, die sich in nichts von den Kontrolltieren unter- 
schieden. Auf Tafel III, Fig. 10 ist einer dieser Embryonen 
abgebildet, einige andere Larven desselben Versuches sind in 
Fig. 7—9 dargestellt. Sämtliche Tiere dieses Versuches bezeichnet 
0. Hertwig als „parthenogenetische Larven“, da sie ohne 
Beteiligung des väterlichen Chromatins allein aus dem Eikern 
ihren Ursprung genommen haben. Während nun aber die Larven 
Fig. 7—9 hemikaryotisch sind, haben die Kerne der drei Radium- 
embryonen, deren Entwicklung wie diejenige der Kontrollen verlief, 
normale Grösse, wie G. Hertwig durch bisher nicht veröffentlichte 
Messungen nachwies. — Auch in diesem Falle scheint mir das 
Auftreten von normalen Kernen wie bei meinem Embryo nur 
durch Verdoppelung des väterlichen Chromatins vor der ersten 
Teilung zu erklären zu sein. 

Noch ein anderer derartiger Fall ist in der Literatur bisher 
beschrieben worden. Brachet berichtet darüber in seiner 1913 
erschienenen Arbeit „Etudes sur les localisations germinales et 
leur potentialit& r&elle dans l’oeuf parthenogendtique*. Brachet 
regte. wie Bataillon und Henneguy, Froscheier zur partheno- 
genetischen Entwicklung durch Anstich mit einer feinen Nadel 
an. Von den sich teilenden Eiern gastrulierte nur ein Teil: von 
diesen entwickelte sich nur eine geringere Anzahl zu kleinen, 
früh absterbenden Larven, und nur ganz wenige „bien peu ont 
pu, jusqu’ici, commencer leur m&tamorphose“. Diese Beschreibung 
Brachets stimmt nun durchaus mit unseren Beobachtungen 
überein. Die Mehrzahl der parthenogenetischen Larven ist nicht 
lebensfähig, nur ganz vereinzelte Ausnahmen entwickeln sich 
normal. Glücklicherweise hat Brachet eine dieser Ausnahmen 
auf ihre Chromosomenzahl untersucht. Es ist der einzige Embryo 
von einem Versuch. bei dem 180 Eier angestochen wurden und 
27 sich weiter entwickelten, der das Alter von 15 Tagen erreichte. 
Er unterscheidet sich nicht nur von den anderen Versuchslarven 
dadurch, dass er ein höheres Alter erreicht. sondern auch durch 
den normalen Verlauf der Entwicklung. „Peut-etre, comme 
Henneguy l’a constate, etait-il un peu plus petit que les 
temoins, mais je ne pourrais l’affirmer.“ 

Als Resultat der histologischen Untersuchung versichert 
Brachet, dass er ihm in anatomischer und histologischer Hinsicht 
absolut normal erschien. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 101 


Bei diesem Embryo versuchte nun Brachet an Schnitt- 
präparaten die Chromosomenzahl zu bestimmen. Er berichtet 
darüber: „Je suis arrive a douter que le nombre des chromosomes 
soit le möme dans toutes les cellules, mais il est certain que dans 
des nombreus cas il est de beaucoup superieur a 12. J’ai vu des 
plaques &quatoriales et des spiremes composes d’au moins 20 segments 
chromatiques.“ — Brachet vermag dieses Resultat nicht in 
Einklang mit den Chromosomenzählungen Bataillons zu bringen, 
der bei seinen ebenfalls durch die Anstichsmethode erzeugten 
parthenogenetischen Embryonen nur zwölf Chromosomen fest- 
stellen konnte. 

Nach den Resultaten der Radiumarbeiten scheint mir die 
Erklärung dieser beiden sich widersprechenden Angaben möglich 
zu sein. — Die Mehrzahl der Larven, die sich parthenogenetisch 
entwickeln, sind hemikaryotisch. Diese Embryonen sind infolge 
ihres haploiden Kernapparates lebensunfähig. Bei einer sehr 
geringen Anzahl findet eine Verdoppelung der Chromosomenzahl, 
eventuell durch Monasterbildung, statt. Diese Embryonen besitzen 
also diploide Kerne und entwickeln sich normal wie die Kontrollen. 
Diese Hypothese wird von G. Hertwig durch Untersuchungen, 
die noch nicht veröffentlicht sind, in völlig einwandfreier Weise 
bestätigt werden. 

Es mag von Interesse sein, darauf hinzuweisen, dass auch 
Delage im Gegensatz zu Wilson, Morgan u.a. bei 
Seeigeln eine Regulation auf die normale Chromosomenzahl nach- 
gewiesen zu haben glaubt. Möglich, dass auch hier dieselben Ver- 
hältnisse wie bei den Amphibien vorliegen. 


F. Untersuchung der frühzeitig absterbenden 
Embryonen. 


Es bleibt nun noch die Frage zu erledigen, auf welchen 
Ursachen das frühe Absterben und die schlechte Entwicklung 
von einem Teil der Eier eines jeden Versuches beruht. Auch 
hier sind wieder zwei Annahmen möglich. Es wäre denkbar, dass 
bei manchen Eiern keine vollkommene Ausschaltung des Radium- 
chromatins stattgefunden hat, dass es noch vermehrungsfähig 
geblieben ist und dadurch die Entwicklung schädlich beeinflusst. 
Bei dieser Erklärungsweise müssten wir eine ungleiche Empfind- 
lichkeit der Eikerne gegen die Mesothoriumwirkung annehmen, 


102 Paula Hertwiege: 


da es der Versuchsanordnung nach als unwahrscheinlich anzusehen 
ist, dass die einzelnen Eier mit ungleicher Intensität von den 
Strahlen getroffen wurden. Oder aber der Eikern ist auch in 
diesen Fällen ausgeschaltet. Die pathologische Entwicklung liesse 
sich dann erklären, entweder durch eine besondere Empfindlichkeit 
mancher Eier gegenüber den Schädigungen der haploiden 
Entwicklung, eine Empfindlichkeit, die z. B. in Überreife des 
Eimaterials zu suchen wäre. Es wäre aber auch möglich, dass 
die ersten Teilungen des Samenkerns unregelmässig erfolgten. 
Eine Störung der Mitosen durch das vermehrungsunfähige, nach 
den bisherigen Erfahrungen verklumpte Eichromatin ist durchaus 
möglich, wie z. B. die Abbildungen Oppermanns erkennen 
lassen. Sie zeigen, wie das klumpige Radiumchromatin, wenn es 
in der Nähe der Spindel lagert, die Strahlung derselben beeinflusst. 
Die Tatsache, dass ich öfters sich unregelmässig furchende Eier 
beobachtete, unterstützt diese Annahme. 

Eine sichere Entscheidung in diesen Fragen könnte nur eine 
Untersuchung der Eier während der ersten Entwicklungsstadien 
geben. Da diese wegen der Knappheit des Materials leider nicht 
möglich war, muss die Frage ungelöst bleiben, denn auch eine 
Untersuchung der Kernverhältnisse bei den Morulae, Gastrulae 
und sehr jungen Embryonen gibt nicht den gewünschten Auf- 
schluss. Die beiden Mittel, die ich anwendete, um die haploide 
Natur älterer Embryonen festzustellen, Kernmessungen und 
Chromosomenzählungen, versagen bei den frühen Entwicklungs- 
stadien. Die Kerne sind sehr ungleich gross, dazu häufig von 
unregelmässiger (restalt, so dass an Volumenbestimmung nicht zu 
denken ist. Die Feststellung der Chromosomenzahl stösst eben- 
falls auf grosse Schwierigkeiten. Denn erstens ist man auf 
Zählungen an Schnittpräparaten angewiesen, was immer sehr 
misslich ist, da man nur sehr wenige Mitosen findet, von denen 
anzunehmen ist, dass sie ganz im Schnitt enthalten sind. Dazu 
macht der Dotterreichtum der Zellen, die Länge der Schleifen, 
die Bilder noch unübersichtlicher. Angesichts dieser Schwierig- 
keiten ist es wohl begreiflich, dass ich zu keinem endgültigen 
Resultat gekommen bin. Ich kann nur mit Bestimmtheit an- 
geben, dass bei einigen Embryonen Mitosen zu finden sind, deren 
Chromosomenzahl weit unter 24 ist. Meine Zählung ergab 11 
bis 12 Kernsegmente. Solche Kernteilungsfiguren fand ich in den 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 103 


Embryonen B” (Bestrahlungsdauer 18 Minuten, Alter 7 Tage) 
und E’a (Bestrahlungsdauer 25 Minuten, Alter 4 Tage). Ob nun 
aber sämtliche Mitosen dieser Embryonen haploid sind oder zum 
Teil eine grössere Chromosomenzahl enthalten, vermag ich nicht 
zu sagen. Bei der 7 Tage alten Larve IV (5 Minuten bestrahlt) 
und bei dem ebenfalls 7 Tage alten 15 Minuten bestrahlten 
Embryo H J” schienen mir die Kernteilungsfiguren eine ungleiche 
Anzahl von Chromosomen zu besitzen. Bei einigen Mitosen waren 
die zahlreichen (über 12) Kernsegmente anormal, anscheinend um 
mehrere Strahlungszentren gruppiert. 


Fie. 5. 


Auf ungleichen Chromatingehalt lässt sich auch aus dem 
Bild der ruhenden Kerne schliessen. Es wurden Radiumembryonen 
im Alter von 6 Tagen untersucht. Kerne aus dem Medullarrohr 
sind in Textfig. 8 dargestellt. Sie sind ungleich gross und zeigen 
häufig eine gelappte Form, als ob sie aus mehreren Karyomeren 
zusammengesetzt wären. Manchmal findet man auch Riesenkerne, 
drei bis vier zusammenliegende Bläschen, die miteinander ver- 
schmolzen sind. Die Kerne normaler Kontrollen zeigen auf 
gleichem Entwicklungsstadium nie derartige Verhältnisse, sondern 
sind kugelförmig mit glatter Oberfläche. Anormal grosse, lappige 
Kerne beobachteten mein Bruder und ich auch bei Fischbastarden 
und zwar bei solchen, deren erste Teilungen unregelmässig unter 
Auftreten von pluripolaren Mitosen verliefen. 

Angesichts dieser Befunde möchte ich der Hypothese, dass 
die pathologische Entwicklung wenigstens bei einem Teil der Eier 
auf Unregelmässigkeiten der karyokinetischen Vorgänge während 
der ersten Teilungen zurückzuführen ist, den Vorzug geben. 
Beobachtete pathologische Furchungen und einige Erscheinungen 
an den Kernen älterer Larven sprechen für diese Annahme. 


104 Paula Hertwig: 


Il. Teil. 
Über die Entwicklung von Fischeiern, die mit radium- 
bestrahltem Samen befruchtet wurden. 


Die Versuche führte ich zusammen mit meinem Bruder im 
Frühjahr 1913 gelegentlich eines Aufenthaltes an der zoologischen 
Station zu Neapel aus. Das Untersuchungsmaterial wurde mir 
von meinem Bruder zur Bearbeitung überlassen. Es wurden die 
(reschlechtsprodukte von Gobius capito, Gobius jozo und Creni- 
labrus pavo benutzt. Nähere Angaben über dieses Versuchs- 
material, sowie über die Befruchtungs- und Konservierungs- 
methoden haben mein Bruder und ich bereits in einer 1914 
erschienenen Arbeit „Kreuzungsversuche an Knochenfischen“ ge- 
macht, so dass ich hier auf den bezüglichen Abschnitt verweisen 
kann. 

Zur Bestrahlung diente dasselbe Mesothoriumpräparat wie 
bei den Tritonversuchen. 

Den Experimenten liegt ein von G. Hertwig in seiner 
Abhandlung „Parthenogenesis bei Wirbeltieren“ geäusserter (re- 
danke zugrunde. Er meint, dass Radiumexperimente wohl ge- 
eignet sind, näheren Aufschluss über die Ursachen zu geben, die 
eine gute oder schlechte Entwicklung von Bastarden bedingen. 

Ehe ich daher zur Beschreibung der Radiumexperimente 
übergehe, will ich eine kurze Übersicht über die Resultate der 
Kreuzungsversuche an Knochenfischen geben, die mein Bruder 
und ich in unserer 1914 erschienenen Abhandlung veröffentlicht 
haben. — Bei allen Kreuzungen, die wir ausführten, erhielten 
wir, auch bei Bastardierungen nahe verwandter Arten, keine 
lebensfähigen Mischlinge. Das frühe Absterben der artfremden 
Bastarde, die meistens, wie z. B. die Crenilabrus pavo 2 Gobius 
j]ozo 8 Embryonen bereits vor der Gastrulation zugrunde gingen, 
sahen wir in einer durch den Befruchtungsakt entstandenen „dis- 
harmonischen Idioplasmaverbindung“ begründet. Die Disharmonie 
beruht auf der verschiedenen materiellen Beschaffenheit der 
mütterlichen und väterlichen Kernsubstanzen; die nicht miteinander 
harmonierenden Entwicklungstendenzen verursachen das Absterben 
der Bastarde. Diese Annahme suchten wir durch zytologische 
Untersuchungen zu stützen. Eine zweite Möglichkeit, die Richtig- 
keit der Hypothese zu prüfen, haben wir nun im Radiumexperi_ 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 105 


ment. Wird durch Bestrahlung die eine Komponente des Bastard- 
kernes, z. B. die männliche, geschädigt, so werden die Entwicklungs- 
tendenzen des gesunden Eikerns einen grösseren Einfluss gewinnen. 
Beteiligt sich schliesslich der Samenkern infolge von lang an- 
dauernder Bestrahlung gar nicht mehr an der Entwicklung, so 
wird dieselbe allein vom Eikern geleitet, und wir erhalten „partheno- 
genetische“ Larven mit rein mütterlichen Kernen. Es muss also, 
wenn unsere Hypothese zu Recht besteht, die Bestrahlung des 
Samens die Lebensdauer der Bastarde proportional der hadium- 
wirkung verlängern. 

Soll uns nun in diesem Fall das Radiumexperiment einen 
Beweis für die bei der Bastardierung aufgetretene Disharmonie 
der Idioplasmen liefern, so werden wir in einem zweiten Beispiel 
ebenfalls durch ein Radiumexperiment zu beweisen versuchen, 
dass es auch lebensunfähige Bastarde gibt, deren frühes Absterben 
nicht in einer idioplasmatischen Disharmonie begründet ist. 

Bei den Kreuzungen Gobius jozo @ X Gobius capito & und 
Gobius capito @ X Gobius jozo & erhielten wir kleine Larven, die 
in dem ersten Fall als schwächliche, wenn vielleicht auch lebens- 
fähige Embryonen aus den Hüllen schlüpften. Bei der reziproken 
Kreuzung starben die Bastardembryonen nach anfänglich guter, 
ja der Kontrolle gegenüber beschleunigter Entwicklung am 9. bis 
11. Tage ab. 17 Tage bevor die Kontrolltiere die Eihülle verliessen. 
Wir erklärten diese Erscheinung durch die Annahme, dass bei 
der Bastardierung zweier so nah verwandter Spezies die ent- 
stehende Idioplasmaverbindung nur einen geringen Grad von Dis- 
harmonie besitzt und eine gute Entwicklung der Kreuzungs- 
produkte durchaus ermöglicht. Erst im weiteren Verlauf des 
embryonalen Lebens traten Störungen auf, deren Ursache wir ın 
dem Missverhältnis zwischen der Dottermenge, die der weiblichen 
Art zukommt. und dem Bastardembryo sahen. 

Ein Radiumexperiment muss hier nun ganz anders wirken 
als bei den vorhin erwähnten artfremden Kreuzungen. Dort ver- 
stärkt die Radiumbestrahlung die schon bestehende, entwieklungs- 
hemmende Disharmonie. Diese Summierung, die schon von einer 
kurzen Bestrahlung hervorgerufen wird, führt zur Ausschaltung 
des männlichen Kerns und zur Parthenogenese, die besser ver- 
läuft wie die Bastardentwicklung. — Durch die Kreuzung der 
beiden Gobiusarten entsteht aber unserer Annahme nach keine 


106 Paula Hertwig: 


idioplasmatische Disharmonie. Diese wird vielmehr erst durch 
die Befruchtung mit radiumbestahltem Samen hervorgerufen. 
Nach unseren bisherigen Erfahrungen wird sich ein geringer Grad 
der Disharmonie in einer verschlechterten Entwicklung der Radium- 
bastarde bemerkbar machen und erst eine Verstärkung derselben 
durch längere Bestrahlung zur Ausschaltung der männlichen Kern- 
bestandteile, d. h. zur Parthenogenese. führen. 


A. Beschreibung der Experimente. 
a) Vorversuche. 

Vor der Kombination von Kreuzungs- und Radiumexperiment 
wurden einige Versuche mit Samenbestrahlung und normaler 
Befruchtung ausgeführt, um festzustellen, ob die bisher bei den 
Bestrahlungsversuchen gemachten Erfahrungen auch auf die 
(reschlechtsprodukte von (Gobiiden und COrenilabrus ihre Anwendung 
finden können. Zu diesem Zweck wurden die Spermatozoen von 
Gobius j0zo, die sich dadurch auszeichnen, dass sie im Meer- 
wasser ihre Beweglichkeit während mehrerer Stunden beibehalten, 
in einigen Versuchsreihen mit Mesothorium bestrahlt. Die Ein- 
wirkungszeiten betrugen 10 Minuten, 2°/ı Stunden und 4'/ı Stunden. 

Die Eier, die mit 10 Minuten bestrahlten Spermatozoen 
befruchtet wurden, teilten sich normal wie die Kontrollen. Aber 
schon 2 Tage später zeigten sich Störungen, viele Eier gastrulierten 
nicht normal, nur etwa ein Drittel hatte Embryonen geliefert, 
die aber zum Teil pathologisch aussahen. Am nächsten Tage 
zeigten viele Tiere Zeichen des Zerfalls, und auch noch die besten 
der kleinen Embryonen unterschieden sich erheblich von den 
langgestreckten Kontrolltieren. Nach 4 Tagen waren alle Radium- 
larven abgestorben. 

Etwas besser entwickelten sich die Embryonen des 2?/4-Stunden- 
Versuches. Nebst vielen frühzeitig absterbenden Larven befanden 
sich einige Tiere in den Zuchten, die eine deutlichere Gliederung 
in Kopf und Schwanz zeigten, aber gegenüber den Kontrollen 
stark pathologisch erschienen und 6 Tage nach der Befruchtung 
abstarben. — Dasselbe Resultat hatten die Versuche mit 4/4 Stunden 
Bestrahlungsdauer. Auch hier starben die Embryonen am 6. Tage 
der Entwicklung ab. — Da die Versuche mit 2°/ı und 4!/ı Stunden 
tadıumwirkung dasselbe Resultat ergaben, ist anzunehmen, dass 
bereits nach 2°/ı Stunden das Spermachromatin so stark geschädigt 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 107 


ist, dass es von der Entwicklung ausgeschaltet wird. Die das Alter 
von 6 Tagen erreichenden Embryonen wären also thelykaryotische 
Larven, deren geringe Lebensfähigkeit auf ihre halbkernige 
Beschaffenheit zurückzuführen ist. 


b) Radiumexperiment und Gobiusbastarde. 


Nach dieser Übersicht über die Resultate der Vorversuche, 
die in vollkommener Übereinstimmung mit den bisherigen 
Erfahrungen stehen, gehe ich zur Besprechung der Bastardierungs- 
versuche über, und zwar will ich zuerst die Ergebnisse schildern, 
die die Verbindung von Radiumversuch und Kreuzung der beiden 
Gobiiden, G. capito und G. jozo, ergaben. 

Am 22. März wurde der Samen von Gobius jozo 15 Minuten 
mit Radium bestrahlt und alsdann zur Befruchtung normaler 
G. ecapito-Eier verwandt. Gleichzeitig wurden Eier von G. capito 
mit normalem Samen von G. jozo und eine 3. Partie mit @. capito- 
Spermatozoen besamt. Am 4. Tage nach der Befruchtung hatten 
sich die Bastarde und Kontrollen zu kurzen Embryonen, an denen 
die Augenanlage bereits zu erkennen war, entwickelt, die Radium- 
larven hingegen hatten erst den Dotter umwachsen und liessen 
noch keinen Kopf und Schwanzhöcker erkennen. Am nächsten 
Tage war ein Teil der Eier bereits zerfallen, einige stark missbildete 
Embryonen lebten noch bis zum 28. März. Die Bastarde und 
Kontrollen waren zu langgestreckten Embryonen mit pigmentierten 
Augen geworden. Ein Stillstand der Entwicklung und baldiges 
Absterben der Bastarde erfolgte erst am 30. und 31. März, wie 
wir in der Bastardierungsarbeit beschrieben haben, also zu einem 
Zeitpunkt, an dem die Radiumembryonen bereits abgestorben waren. 

Bei der reziproken Kreuzung Gobius jozo 9 X Gobius capito & 
wurde der Samen von Gobius capito während 2/4 Stunden bestrahlt. 
Die mit diesen Spermatozoen befruchteten Eier teilten sich normal. 
2 Tage später, als die Eier der Kontroll- und Bastardzuchten zu 
kleinen Embryonen mit Kopf- und Schwanzhöcker sich entwickelt 
hatten, zeigten die Radiumtiere deutliche Merkmale einer 
Schädigung. Kopf und Schwanzhöcker war nirgends zu erkennen. 
Am 4. Tage nach der Befruchtung hatten sich nebst vielen 
Missbildungen einige Embryonen so weit entwickelt, dass man 
den Kopf und einen kleinen Schwanz erkennen konnte, aber auch 
diese zeigten Spuren des Zerfall, Am nächsten Tage war kein 


108 Paula Hertwig: 


x 


einziger Embryo mehr am Leben. Die unbestrahlten Bastarde 
entwickelten sich zu kleinen, die Eihüllen zwar verlassenden, aber 
im Vergleich zu den Kontrollen schwächlichen Individuen. 

Das Ergebnis der Versuche, welches mit den auf S. 106 
gestellten Forderungen übereinstimmt, lässt sich dahin zusammen- 
fassen, dass erst die Bestrahlung eine Disharmonie der Idioplasmen 
hervorruft, die bei den mit unbestrahltem Samen befruchteten 
Bastarden nicht besteht, denn letztere zeigen zu dem Zeitpunkt, 
da das Absterben der Radiummischlinge erfolgt, keinerlei 
Störungen in der Entwicklung. Diese treten vielmehr erst einige 
Tage später auf und haben ihren Grund wahrscheinlich in derselben 
Ursache, die das frühe Absterben der haploiden Embryonen 
veranlasst, nämlich in dem Missverhältnis zwischen Dotter und 
Bastard- oder Haploidembryo. 


c) Befruchtung von Crenilabrus-Eiern mit radiumbestrahltem 
Gobius-Samen. 

Bei der Kreuzung Crenilabrus pavo $ X Gobius jozo & 
entwickeln sich, wie mein Bruder und ich in den „Kreuzungs- 
versuchen an Knochenfischen“ beschrieben haben, keine Embryonen 
mehr, sondern die Eier sterben 24—48 Stunden nach der 
Befruchtung auf dem Blastulastadium ab. Dei den Radium- 
versuchen wurde der Gobiussamen teils 15 Minuten, teils länger, 
bis zu 4!/» Stunden, der Strahlenwirkung ausgesetzt. Bereits die 
Eier, die mit 15 Minuten bestrahltem Samen befruchtet wurden, 
entwickelten sich etwas besser wie die reinen Bastarde. Die 
Gastrulation fand statt, und die Embryonen erreichten das Alter 
von 3 Tagen. Der Umstand, dass die Entwicklungstendenzen des 
weiblichen Kerns durch die Schädigung des Spermachromatins 
die Oberhand erhalten haben, macht sich also bereits bei einer 
Radiumbestrahlung von 15 Minuten deutlich bemerkbar. Eine 
längere Bestrahlung der Spermatozoen erhöhte, den Erwartungen 
entsprechend, die Lebensfähigkeit der Embryonen. Denn die 
Ursache zu der Erkrankung, die Vereinigung der beiden Bastard- 
idioplasmen zu einer disharmonischen Verbindung, wird ja bei 
den Radiumexperimenten durch frühzeitige Elimination des 
Spermachromatins beseitigt. Es gelang, nach Befruchtung mit 
9!/, Stunden bestrahlten Spermatozoen einige kleine Embryonen 
zu züchten, die etwa der von List gelieferten Abbildung (Fig. 27) 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 109 


entsprechen. Sie sind 5 Tage alt geworden, haben zu zwei Dritteln 
den Dotter umwachsen und lassen, wenn auch undeutlich, Augen 
und Ursegmente erkennen. Die normal befruchteten Kontrollen 
sind weit besser entwickelt. Kopf und Schwanz berühren sich 
bereits, sie ähneln dem von List in Fig. 31 abgebildeten Embryo. 

Ein Alter von S Tagen erreichten die Embryonen, die sich 
aus den Zuchten der 3!/a Stunden- und 4!/s Stunden-Versuche 
entwickelten. Da die längere Bestrahlungsdauer keine Verbesserung 
der Entwicklung mehr zur Folge hat, ist anzunehmen, dass bereits 
eine Radiumwirkung von 3!/ı Stunde eine vollkommene Aus- 
schaltung des Spermachromatins zur Folge hat und dass daher 
schon die Entwicklung der Embryonen dieses Versuches eine 
„parthenogenetische“ ist. 

Zwei derartige Embryonen mit den dazu gehörigen Kontrollen 
sind in Fig. 1—4, Taf. VI abgebildet. Fig. 2 stellt einen 6 Tage 
alten Embryo dar, der sich aus einem Ei, das mit 4!/s Stunden 
bestrahltem Samen befruchtet wurde, entwickelte. Das Schwanzende 
hat noch nicht den Kopf erreicht; Pigmentablagerung ist zu 
erkennen. Am lebenden Objekt war die Augenanlage bemerkbar, 
auch konnte man eine Herzpulsation beobachten, die jedoch im 
Vergleich mit der in Fig. 1 abgebildeten Kontrolle verlangsamt 
war. Ich zählte 75 Schläge in der Minute, bei den Kontrollen 
dagegen 84. — Der 1 Tag ältere Embryo Fig. 4 hat keine 
erheblichen Fortschritte gemacht. Die Pigmentierung, die auch 
in den Augen begonnen hat, ist etwas deutlicher geworden, 
andere Unterschiede sind nicht zu bemerken. Eine gleich alte 
Kontrolle ist in Fig. 3 dargestellt, um den Unterschied zwischen 
normalen und Versuchstieren deutlich zu veranschaulichen. Eine 
bessere Ausbildung zeigten auch die 8 Tage alten Embryonen 
in keiner Beziehung, und nach 9 Tagen waren sämtliche Versuchs- 
tiere abgestorben. 


Fig. 9. 


110 Paula Hertwig: 


Den 6 Tage alten Embryo Fig.2 benutzte ich zu Kern- 
messungen. Ich zeichnete bei 1500 facher Vergrösserung Kerne 
der Nervenzellen des Rückenmarks. Textfig. 9, und fand, dass 
sich die Radien verhielten wie 3,2:2,53. Hieraus folgt das 

N TETIRPIN 
ann ar 
bestätigt also auf das beste die Annahme, dass die Embryonen 
der Radiumversuche haploid sind, ihre Entwicklung also nur vom 
Eikern geleitet wurde. Dass diese hemikaryotischen Larven nur 
das Alter von 8 Tagen erreichen, ist wieder ein Beweis, dass 
eine normale Entwicklung mit haploidem Kernapparat eine 
Unmöglichkeit ist. 


Verhältnis der Kernvolumina Diese Messung 


B. Zytologische Untersuchung von zweigeteilten 
Eiern. 


Die in der vorliegenden Arbeit oft erwähnte Ausschaltung 
des Spermachromatins aus der Entwicklung, die durch Radium- 
bestrahlung und dadurch herbeigeführte Vermehrungsunfähigkeit 
des Samenkerns verursacht wird, wurde bisher bei zwei Tierarten 
zytologisch beobachtet. In zwei- und viergeteilten Froscheiern, 
die mit intensiv bestrahltem Samen befruchtet worden waren, 
fand ich in der Nähe der bläschenförmigen Kerne Chromatin- 
klumpen, die nur von dem erkrankten Spermachromatin abstammen 
konnten. Dieses „Radiumchromatin“ beeinflusste in keiner Hinsicht 
die von dem Eikern geleitete Entwicklung der Froschembryonen. 
Ähnliche Verhältnisse fand Oppermann bei Forelleneiern, nur 
dass bei seinem Material die Spermakerne teilweise durch die 
Bestrahlung nicht ganz vermehrungsunfähig geworden waren und 
daher in einigen Fällen störend die Teilungen des mütterlichen 
Chromatins beeinflussten. 

Es schien mir wünschenswert, diese Untersuchungen an 
neuen Objekten zu wiederholen. Zu diesem Zweck fixierte ich 
zweigeteilte Urenilabruseier, die mit 4!/s Stunden bestrahltem 
Gobiussamen befruchtet waren, die also demselben Versuch an- 
gehören, dem die Embryonen Fig. 2 und 4, Taf. VI, entstammen. 
Die Eier wurden 1'/az Stunden nach der Befruchtung fixiert, zu 
einer Zeit, in der, wie bei den Kontrollen, die erste Furchung die 
Eier durchschnürte. — Die mikroskopische Untersuchung zeigte, 
dass sich die Kerne sämtlicher Eier zu dieser Zeit bereits in 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 111 


Vorbereitung zur Vierteilung befanden. Ich fand also in jedem 
Ei zwei einander parallele Mitosen. Die Chromosomen dieser 
Kernteilungsfiguren sind zur AÄquatorialplatte angeordnet und 
zeigen keinerlei pathologische Veränderungen. In der Nähe dieser 
Mitosen liegt stets ein mit Kernfarbstoffen intensiv sich färbender 
Körper, zweifelsohne der durch Radiumbestrahlung geschädigte 
Spermakern. Dieses Radiumchromatin, das eine verklumpte, etwas 
gestreckte Form angenommen hat, liegt meistens seitlich von 
der Spindel noch im Bereich der Strahlungen (Fig. 1—3, Taf. VIII), 
doch stets so. dass die normale Verteilung der Chromosomen auf 
die Tochterblastomeren nicht beeinflusst wird. In einigen Fällen 
wird vielleicht eine kleine Krümmung der Spindel durch das 
Radiumehromatin veranlasst, wie z. B. bei Fig. 3. Manchmal finden 
wir auch das Spermachromatin in der Verlängerung der Spindel- 
achse, eine Lage, in der es noch weniger die Teilung stören 
kann (Fig. 2). 

Ich konnte das Radiumchromatin bei einem Teil der Eier 
nur in der einen Eihälfte auffinden, so bei den Eiern Fig. 1 
und 4. In anderen Fällen war es ziemlich gleichmässig auf beide 
Blastomeren verteilt, wie in Fig. 5. Hier ist es zu einem langen 
Strang ausgezogen, der in der Mitte stark verdünnt, an den 
beiden Enden kolbenförmig angeschwollen ist. Ähnliche Abbildungen 
habe ich bereits bei der Untersuchung des Froscheies gegeben, 
wie auch Oppermann von den Forellen (Fig. 5, Taf. XII). 

Ich versuchte auch an der Hand meiner Präparate die Zahl 
der an der Mitose beteiligten Chromosomen zu bestimmen, doch 
stiess diese Untersuchung wegen der ausserordentlichen Kleinheit 
der Kernsegmente auf grosse Schwierigkeiten. Nur bei einem 
einzigen Ei, bei dem die Schnitte senkrecht zur Spindelachse 
geführt waren, ist es möglich, eine annähernde Übersicht über 
die Chromosomenzahl zu bekommen. In beiden Blastomeren dieses 
Eies ist die Äquatorialplatte vollständig im Schnitte enthalten. 
Das Radiumehromatin ist nur in der einen Eihälfte vorhanden 
und liegt hier in der Nähe des Muttersternes, wie Fig. 4 zeigt. 
Die Ghromosomenzahl beträgt zehn oder zwölf. In der anderen 
Blastomere desselben Eies zählte ich 12—14 Chromosomen. 
Leider ist die normale Chromosomenzahl der Urenilabriden 
unbekannt, an meinen Kontrollpräparaten war eine Zählung voll- 


kommen unmöglich, doch ist anzunehmen, dass die Chromosomenzahl 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 87. Abt. II. 8 


142 Paula Hertwig: 


wie bei anderen Teleostiern, z. B. Salmo, sich auf 24 beläuft. 
Wenn meine Zählungen auch keinen Anspruch auf absolute 
Genauigkeit machen können, so scheint mir doch eine Verminderung 
auf dem Stadium der Zweiteilung bewiesen zu sein. 


C. Zytologische Untersuchung polysperm 
befruchteter Eier. 


In den „Kreuzungsversuchen an Knochenfischen“ wurde 
erwähnt, dass bei der Befruchtung von Urenilabrus-Eiern mit 
Gobius-Samen ein kleiner Prozentsatz der Eier sich simultan in 
drei und vier Blastomeren teilt, eine Erscheinung, die nach 
analogen Beobachtungen auf Polyspermie zurückzuführen ist. — 
Polyspermie wurde bei normaler Befruchtung meines Wissens nach 
bei Teleostiern nie beobachtet. Bastardierung hingegen scheint 
sie zu begünstigen, denn auch Moenkhaus erhielt bei der 
Kreuzung Menidia notata $ X Fundulus heteroclitus $ disperme 
Befruchtung bei 50 Prozent der Eier. 

Auch bei dem Radiumversuch, dem die eben beschriebenen 
normal zweigeteilten Eier entstammen, zerfielen mehrere Eier 
simultan in drei oder vier Blastomeren. Diese wurden in Zenker 
fixiert und zur zytologischen Untersuchung in Schnitte zerlegt. 
Die Textfig. 1O—12 erläutern die Resultate dieser Untersuchung. 


Fig. 10. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 115 


Die Abbildungen sind etwas schematisiert, indem Kerne und 
Radiumehromatin. die sich in verschiedenen Sehnitten befinden, 
in einer Ebene gezeichnet sind. Textfig. 10 stellt ein simultan 
viergeteiltes Ei dar. Drei Blastomeren enthalten Mitosen mit 


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Fig. 12 


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114 Paula Hertwig: 


Chromosomen, in der vierten fehlen die letzteren. obgleich zwei 
Zentrosomen vorhanden sind. Auf die zwei sich gegenüberliegenden 
Eiviertel ist das Radiumchromatin ziemlich gleichmässig verteilt. 
Zwei dreigeteilte Eier sind in den Textfig. 11 und 12 
abgebildet. Bei Fig. 11 enthält jedes Eidrittel eine Spindel, von 
denen die eine ohne Chromosomen ist. In dieser Blastomere 
befindet sich auch Radiumehromatin, dessen eines Ende bläschen- 
förmig verdickt und von Strahlung umgeben ist. Diese Spindel 
und das Radiumehromatin liegen nicht in derselben Ebene. — 
Das Ei Fig. 12 besitzt zwei Spindeln mit und zwei ohne 
Chromosomen. Es befinden sich also in der einen Blastomere 
eine chromatinhaltige und eine chromatinfreie Spindel. In diesem 
Eidrittel liegt auch der grösste Teil des Radiumehromatins. Die 
chromosomenhaltigen Spindeln liegen in einer Ebene, Radium- 
chromatin und chromatinlose Spindeln in einer zweiten. 
Boveri unterscheidet in seinen Untersuchungen dispermer 
Seeigeleier verschiedene Typen der Dispermie, je nach der Art, 
nach der sich die Kopulation, der Vorkern und die erste Teilung 
vollzieht. Am häufigsten beobachtete er bei Seeigeln den „ebenen 
Tetraster“. In diesem Fall verschmelzen beide eingedrungenen 
Samenkerne mit dem Eikern, es bildet sich eine tetrazentrische 
Mitose, und das Ei teilt sich simultan in vier Blastomeren. Einen 
solchen Teilungsvorgang nimmt Moenkhaus auch für seine 
polyspermen Fischeier an. Ich glaube, dass auch die Teilung des 
Eies Fig. 10 auf ähnliche Weise zu erklären ist, nur dass die 
Chromosomen, die nur halb so zahlreich sind als wie bei normaler 
Befruchtung, ungleichmässig auf den Tetraster verteilt wurden 
und zwar so, dass zwei Spindeln ganz chromatinfrei geblieben sind. 


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Fig. 13b. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 115 


Ich gebe das Schema Textfig. 13a zur Erläuterung der 
Kernverhältnisse vor der ersten Teilung. Ich nehme an, dass sich 
vier Strahlungen gebildet haben. Zwei benachbarte Spindeln 
enthalten die vom Eikern gelieferten Chromosomen, während sich 
das Radiumehromatin als vermehrungsunfähiger Klumpen in der 
Mitte des Eies befindet. Die Teilung erfolgt dann senkrecht zu 
den Spindelachsen (Schema Textfig. 13b), und es werden drei 
Blastomeren kernhaltig, die vierte bleibt chromatinfrei. Das 
Radiumehromatin hingegen wird durch die Einschnürung der 
Teilebenen passiv auf zwei gegenüberliegende Zellen verteilt. 

Anders ist die Dreiteilung der beiden anderen Eier zu 
erklären. Es werden wohl disperme Eier sein, in denen sich 
„Spermaspindeln“ gebildet haben. Nach Boveri verschmilzt 
bisweilen nur der eine Spermakern mit dem Eikern, der zweite 
bleibt isoliert im Dotter und bildet unabhängig vom Kopulationskern 
eine Spindel mit nur männlichen Chromosomen. Es erfolgt dann 
bei Dispermie eine Teilung in zwei Blastomeren. Dieser Doppel- 
spindeltypus findet sich relativ selten beim Seeigel, tritt jedoch 
konstant bei Polyspermie von Froscheiern auf, wie Herlant 
durch ausgedehnte Untersuchungen feststellte. Dieser Forscher 
beobachtete auch trisperme Eier, bei denen ebenfalls nur ein 
Samenkern kopulierte, die beiden anderen jedoch „Spermaspindeln“ 
bildeten und eine Simultanteilung des Eies in drei Blastomeren 
hervorriefen. — Nehmen wir nun an, dass sich bei den Eiern 
Fig. 11 und 12 eine Mitose mit gesundem Eichromatin und zwei 
Spermaspindeln, die also nur „Radiumchromatin“ enthalten, 
zebildet haben. Ein solches Ei würde in drei Blastomeren zerfallen. 
Von diesen werden zwei kernhaltig sein, da sie die Tochter- 
chromosomen der gesunden Eispindel enthalten, die dritte 
Blastomere wird kernlos sein, aber mit mehreren Zentrosomen. 
Meine beiden Eier erfüllen diese Bedingungen, zwei Blastomeren 
besitzen etwa gleiche Chromatinmenge, die dritte enthält eine 
Spindel ohne Chromosomen. Das Radiumcehromatin könnte theoretisch 
auf alle drei Blastomeren verteilt sein, wir wissen aber schon von 
den zweigeteilten Eiern, dass es häufig nur in der einen Blastomere 
zu finden ist. Das Auftreten von doppelten Strahlungen in einem 
Eidrittel wäre auch auf diese Weise zu erklären, da ja jeder 
Eiteil zwei Zentrosomen erhalten hat. 

Die Beobachtungen an polyspermen Fischeiern veranlassen 


116 Paula Hertwig: 


mich, noch einige Worte über die Bezeichnung der Radium- 
embryonen als „parthenogenetische“ Larven zu sagen. God- 
lewski wendet sich in der „Physiologie der Zeugung* gegen 
diese von O. und G. Hertwig gebrauchte Benennung. Er sagt. 
dass die „Feststellung der Chromatinelimination dazu nicht aus- 
reicht, die Bedeutung des Spermatozoons dem Anstich mit einer 
Platin- oder Glasnadel gleichzusetzen.“ Die Samenfäden ent- 
halten noch andere Bestandteile ausser dem Uhromatin, und es 
ist „bisher nicht nachgewiesen, dass diese nicht nicht vor dem 
Zugrundegehen eine entwicklungserregende Tätigkeit entfalten.“ 
Die polyspermen Fischeier zeigen nun. dass die radiumbestrahlten 
Spermatozoen, deren entwicklungserregende Tätigkeit übrigens 
nie bestritten wurde, die Embryogenese störend beeinflussen 
können, wenn auch ihr Chromatin vermehrungsunfähig geworden 
ist. Die unregelmässig drei- und viergeteilten Eier sind sicherlich 
einem frühen Absterben verfallen. Wir gehen wohl nicht fehl, 
wenn wir in diesen Ausnahmefällen dem Spermazentrosom einen 
bestimmenden Einfluss zuschreiben. Man kann also die Ent- 
wicklung der Radiumlarven sicher nicht als „parthenogenetisch“ 
bezeichnen, wenn man dies unvereinbar hält mit einer nur die 
Entwicklung anregenden Tätigkeit der Spermatozoen. 

Ich habe nun trotzdem diese Bezeichnung beibehalten und 
zwar aus folgendem Grunde: Durch die Benennung „partheno- 
genetischer Embryo“ soll ausgedrückt werden, dass die Embryonen 
sich ohne Anteilnahme des väterlichen Erbgutes entwickelt haben. 
Diese Definition bezeichnet das Wesentliche des Vorgangs, den 
wir „Parthenogenese“ nennen: denn eine Entwicklung nur mit der 
mütterlichen Erbmasse ist auch das Charakteristische sowohl der 
natürlichen als auch der experimentellen Parthenogenese von 
Loeb, Bataillon u. a., gleichviel ob diese als eine „somatische* 
oder „generative* zu bezeichnen ist. Dem gegenüber ist die 
Entwicklungserregung, die auf die verschiedenste Weise hervor- 
gerufen werden kann, von untergeordneter Bedeutung. Dass aber 
den radiumbestrahlten Spermatozoen keine andere Tätigkeit als 
nur eine die Entwicklung auslösende zukommt, halte ich für ein- 
wandsfrei bewiesen. Der eigentliche Zweck der Befruchtung, die 
Vereinigung der mütterlichen und väterlichen Idioplasmen, wird 
bei unseren Radiumversuchen nicht erreicht, da das Sperma- 
chromatin von der Entwicklung ausgeschaltet ist. Die Kernsub- 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 117 


stanz betrachte ich aber mit OÖ. Hertwig und Strassburger 
als den Hauptträger der Vererbung, eine Theorie, die auch durch 
die vorliegende Arbeit neue Stützpunkte gefunden hat. 


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Biol. Zentralbl., Bd. 7, 1887. 

Derselbe: Zur Entwicklungsgeschichte der Knochenfische (Labriden). Arb. 
a. d. zool. Inst. zu Graz, 2. Bd., Nr. 1, 1887. 

Marchal. El. und Em.: Aposporie et sexualit& chez les mousses. III. Bulletin 
de l’Acad. royale de Belgique, 1911. 

Meves, Fr.: CUhromosomenlängen bei Salamandra nebst Bemerkungen zur 
Individualitätstheorie der Chromosomen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 77, 
Abt. II, 1911. 

Moenkhaus, W. J.: The development of the Hybrids between Fundulus 
heteroclitus and Menidia notata with especial reference to the behavior 
of the maternal and paternal chromatin. American. Journal of Ana- 
tomy, Bd. 3, 1904. 

Oppermann, K.: Die Entwicklung von Forelleneiern nach Befruchtung 
mit radiumbestrahlten Samenfäden. I. Teil. Arch. f. mikr. Anat,., 
Bd. 83, Abt. II, 1913. 

Derselbe: Desgleichen, II. Teil. Ebenda. 

Pflüger, E.: Die Bastardzeugung bei den Batrachiern. Pflügers Archiv 
f. d. ges. Physiol., Bd. XXIX, 1882. 

Tischler: Untersuchungen über die Entwicklung des Bananenpollens. 1. 
Arch. f. Zellforsch.. bd. V, 1910. 


Erklärung der Abbildungen auf den Tafeln VI—VIII. 


Über die Herstellung der Abbildungen auf Tafel VI und VII ist zu 
bemerken, dass von den Embryonen und den Durchschnitten zuerst mikro- 
photographische Aufnahmen gemacht und auf den Kopien derselben noch das 
feinere Detail mit Tusche und Bleistift eingezeichnet wurde. Die Figuren 
auf Tafel VIII wurden mit Hilfe des Abbeschen Zeichenapparates in der 
Höhe des ÖObjekttisches gezeichnet. 


Tafel VI. 

Die Fig. 1—4 sind 5Ö0mal, die Fig. 5—7 12mal, die übrigen Smal 
vergrössert. 

Die in den Fig. 1—4 abgebildeten Embryonen gehören dem Versuch 
mit den Geschlechtsprodukten von Crenilabrus pavo und Gobius jozo an. 

Die in den Fig. 6—7, 9—12, 14—18, 20, 23—25, 27, 29—32, 34—35 
abgebildeten Embryonen haben sich aus Tritoneiern entwickelt, die vor der 
Befruchtung mit normalem Samen, mit Mesothorium bestrahlt wurden. 

Die Embryonen Fig. 5, 8, 13, 19, 21—22, 26, 28, 31 und 33 sind 
normale Tritonembryonen. 


DV 


ig. 28. 


Paula Hertwig: 


Normaler, 6 Tage alter Embryo von Ürenilabrus pavo. 
Orenilabrus-Embryo, der sich aus einem Ei entwickelte, das mit 
Samen von Gobius jozo befruchtet wurde. Die Spermatozoen 
wurden vor der Verwendung während 4!/» Stunden mit Mesothorium 
bestrahlt. Alter: 6 Tage. 


Normaler, 7 Tage alter Örenilabrus-Embryo. 

Crenilabrus-Embryo aus demselben Versuch wie Fig. 2. Alter 
7 Tage. 

7 Tage alter normaler Tritonembryo. Dient als Kontrolle zu 
Fig. 6— 1. 


. 7. Zwei Tritonembryonen, die sich aus Eiern entwickelten, die 


18 Minuten vor der Befruchtung bestrahlt wurden. Alter: 7 Tage. 
Versuchsnummer B?. 

11 Tage alte normale Tritonlarve. Dient als Kontrolle zu Fig. 9, 
11,27: 

10 Tage alter Tritonembryo, der sich aus einem 5 Minuten be- 
strahlten Ei entwickelte. Versuchsnummer C!. 

Ein 13 Tage alter Embryo desselben Versuches. Hierzu Kontrolle 
Fig. 22. Versuchsnummer (2. 


u. 12. Tritonembryonen, die sich aus 20 Minuten bestrahlten Eiern 


entwickelten. Alter: 11 Tage. Hierzu Kontrolle Fig. 8. Versuchs- 
nummer F*. 


Normale Tritonlarve. Alter: 14 Tage. Kontrolle zu Fig. 14—15. 


. 14 u. 15. Zwei Embryonen, die sich aus 15 Minuten bestrahlten Eiern 


entwickelten. Alter: 14 Tage. Versuchsnummer II. 
Entwickelte sich aus einem 18 Minuten bestrahlten Ei. Alter: 
9 Tage. Versuchsnummer D. 


. 17 u. 18. Die beiden Embryonen entwickelten sich aus 30 Minuten mit 


Mesothorium bestrahlten Eiern. Alter: 17 Tage. Versuchsnummer III. 
Zu Fig. 17 und 18 gehörige normale Kontrollarve. 

Der Embryo entwickelte sich aus einem 20 Minuten bestrahlten 
Ei. Alter: 17 Tage. Versuchsnummer V. 

Dazu gehörige gleichalte normale Kontrollarve. 

13 Tage alte normale Kontrollarve, zu den Fig. 23—24 und 10, 
30 gehörig. 


und 24. Zwei Larven, die sich aus 18 Minuten bestrahlten Eiern 


entwickelten. Alter: 13 Tage. Versuchsnummer BI. Gehören 
zu demselben Versuch wie Fig. 6—7. 

19 Tage alte Larve, die sich aus einem 30 Minuten bestrahlten 
Ei entwickelte. Versuchsnummer VI. 

Dazu gehörige normale Kontrollarve. 

Embryo, der sich aus einem 18 Minuten bestrahlten Ei von Triton 
taeniatus entwickelte, das mit Samen von Triton cristatus be- 
fruchtet wurde. Alter: 11 Tage. Versuchsnummer A°. Hierzu 
gehört als Kontrolle Fig. 8. 

10 Tage alter normaler Embryo, als Kontrolle zu Fig. 29. 


Fig. 


29. 


. 80. 


Bl, 
13. 


Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung usw. 121 


Der Embryo entwickelte sich aus einem 18 Minuten bestrahlten 
Ei. Alter: 11 Tage. Gehört zu demselben Versuch wie Fig. 11. 
Versuchsnummer F*. 
Embryo aus demselben Versuch, 13 Tage alt. Hierzu Kontrolle 
Fig. 22. Versuchsnummer F°. 

18 Tage alte normale Kontrollarve, zu Fig. 32 gehörig. 

Larve, die sich aus einem 25 Minuten bestrahlten Ei entwickelte. 
Alter: 18 Tage. Versuchsnummer E’. 

22 Tage alte normale Larve, dient als Kontrolle zu Fig. 34. 

Die Larve gehört demselben Versuch wie Fig. 9 und 10 an. Be- 
strahlungsdauer: 5 Minuten. Alter: 22 Tage. Versuchsnummer CIV. 
20 Tage alte Larve, aus demselben Versuch wie Fig. 27. Bestrahlungs- 
dauer 18 Minuten. Versuchsnummer At. 


Tafel VII 


Frontalschnitt durch den Kopf und Rumpf einer 19 Tage alten 
normalen Tritonlarve. Vergr. 35 mal. 

Desgleichen durch eine 19 Tage alte Larve, die sich aus einem Ej 
entwickelte, das vor der Befruchtung 30 Minuten mit Mesothorium 
bestrahlt wurde. Versuchsnummer III. Vergr. 43 mal. 
Querschnitt durch den auf Tafel I Fig. 29 abgebildeten Embryo. 
Der Schnitt trifft die Ohrgegend. Vergr. 50 mal. 

Querschnitt durch die Augengegend desselben Embryos. Vergrösse- 
rung 50 mal. 

Querschnitt durch den vorderen Teil der Medulla eines 7 Tage 
alten Tritonembryos. Das Ei wurde vor der Befruchtung 20 
Minuten mit Mesothorium bestrahlt. Versuchsnummer F’”. Ver- 
grösserung 100 mal. 

Querschnitt durch denselben Embryo, einige Schnitte weiter nach 
hinten. Vergr. 100 mal. 

Querschnitt durch ein 8 Tage altes Tritonei. Der Schnitt zeigt 
eine Verdoppelung der Medulla. Das Ei wurde vor der Befruchtung 
während 18 Minuten bestrahlt. Versuchsnummer A'. Vergr. 100 mal. 
Querschnitt durch eine 14 Tage alte normale Tritonlarve. Dient 
als Kontrolle zu Fig. 9. Vergr. 50 mal. 

Querschnitt durch den in Fig. 14 Taf. VI abgebildeten Embryo; der 
Schnitt trifft die Augengegend. Vergr. 50 mal. 

Schnitt durch das Kopfende von dem auf Taf. VI Fig. 11 abgebildeten 
Embryo. Versuchsnummer F*. Vergr. 7O mal. 

Schnitt durch die Ohrgegend von dem auf Taf. VI Fig. 17 abgebildeten 
Embryo Ill. Vergr. 100mal. 

Schnitt durch das Rückenmark desselben Embryos. Vergr. 100 mal. 
Schnitt durch die Öhrgegend von Embryo F*. Der Schnitt ist 
einige Schnitte weiter nach hinten geführt als der in Fig. 10 ab- 
gebildete. — Die Schnittserien Fig. 10—13 zeigen eine Trennung 
der Medulla und des Anfangs des Rückenmarks in zwei Hälften. 


122 Paula Hertwig: Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung. 


Fig. 14 u. 15. Unveränderte Photographien zweier Muttersterne bei 1000- 
facher Vergrösserung von Epidermiszellen der Schwanzflosse. Die 
mit Hämatoxylin gefärbten Totalpräparate entstammen einer 13 Tage 
alten Radiumlarve BHI (Fig. 14) und einer 18 Tage alten Radium- 
larve E” (siehe Fig. 32 Taf. VI). Erstere entwickelte sich aus einem 
18 Minuten, letztere aus einem 25 Minuten bestrahlten Ei. 

Fig. 14a u. 15a wurden erhalten, indem die einzelnen Ühromosomen auf 
Grund des genaueren Studiums der Kanadabalsampräparate genauer 
ausgezeichnet und mit Tusche übermalt wurden, worauf auf 
chemischem Wege das photographische Bild entfernt wurde. 


Tafel VIII. 


Die Figuren wurden nach Schnitten durch Crenilabruseier gezeichnet. 
Die Eier wurden mit Samen von Gobius jozo befruchtet, der vorher 4!/ı Stunden 
mit Mesothorium bestrahlt worden war. Sie wurden 1 Stunde 35 Minuten 
nach der Befruchtung in Zenkerscher Flüssigkeit fixiert. Die Eier sind be- 
reits zweigeteilt, jede Blastomere enthält die zweite Furchungsspindel. 


Fig. 1—3. Die Schnitte gehen parallel zur Spindelachse. Der durch die Be- 
strahlung beschädigte Spermakern befindet sich nur in einer Blasto- 
mere. Vergr. 550 mal. 

Fig. 4. Der Schnitt ist senkrecht zur Spindelachse geführt. Der Mutter- 
stern mit ungefähr 12 Chromosomen und daneben liegendem Radium- 
chromatin ist dargestellt. Vergr. 650 mal. 

Fig. 5. Zweigeteiltes Ei in Vorbereitung zur Vierteilung. In beiden 
Blastomeren befindet sich lang ausgezogenes Radiumchromatin. 
Vergr. 270 mal. 


Literarische Rundschau. 


Die Leistungen der Zellen bei der Entwicklung der Metazoen. Von Dr. Julius 
Schaxel, Privatdozenten für Zoologie an der Universität Jena. VII, 336 
Seiten gr. 8°, 49 Abbildungen. Jena, G. Fischer, 1915. 

Mit der vorliegenden Veröffentlichung ist weder eine lehrbuchartige 
noch eine referierende Darstellung aller den Gegenstand betreffenden Tat- 
sachen und Probleme beabsichtigt, sondern der Verfasser berichtet lediglich 
über die Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen, die zu den Fragen der 
allgemeinen Biologie in Beziehung gebracht werden. 


Der theoretischen Verwertung der ermittelten Tatsachen geht eine 
methodologische Erörterung der Üytomorphologie voraus, deren Beschränkung 
auf bestimmte Forschungsmittel Grenzen des Erreichbaren bedingen. Die 
Methode der Cytomorphologie besteht darin, durch Vergleichung 
sukzessiv fixierter Phasen Prozesse zu ermitteln. Sie ist Morphologie, soweit 
sie Formgebilde vergleicht, und Physiologie, sobald sie dadurch Vorgänge 
verfolgt. In Bezug auf die Biochemie nimmt sie eine vermittelnde Stellung 
ein, indem sie deren Ergebnisse dem Rahmen der Zellvorgänge einordnet. 
also dem Chemischen biologischen Sinn verleiht. Auf die aus dieser Grenz- 
stellung sich ergebenden Prinzipien wird aufmerksam gemacht. 


Die Eibildung wird unter der besonderen Berücksichtigung der- 
jenigen Momente untersucht, die zu den Entwicklungsvorgängen in Beziehung 
stehen. 

Lassen wir das Zusammenwirken der in Kern und Zelleib lokalisierten 
Substanzen maßgebend sein, so ergibt sich folgendes Schema für den Gang 
der Eibildung: In der Oozyte erster Ordnung nehmen die Vorgänge im Kern 
ihren Anfang (intrachromatische Prozesse, Nukleolenbildung, Chromatin- 
anreicherung), greifen auf den Zelleib über (Chromatinemission) und erfahren 
hier ihre Fortsetzung. Dieser letzte und längste Abschnitt der sogenannten 
Wachstumsphase ist gekennzeichnet durch den Parallelismus der Vorgänge 
in Kern und Zelleib. Im Keimbläschen vollzieht sich die Rekonstruktion 
der chromosomatischen Lagerung, womit der Kern wieder teilungsfähig wird. 
Im Zelleib kommt es gleichzeitig zur Ausbildung der an der späteren Ent- 
wicklung Anteil nehmenden Substanzen. Die Eibildungszelle wird in den 
Zustand der Vorreife gebracht, von dem sie durch die Ausreifungsvorgänge 
in den Zustand des reifen Eies übergeführt wird. 

Bereits die vorreife Oozyte lässt in aller Deutlichkeit eine bestimmte 
Konstitution erkennen. Mit diesem neutralen Ausdruck umschreiben wir die 
Tatsache, dass die Zelle weder isotrop ist, noch eine für die folgenden 
Ereignisse unwesentliche Anisotropie aufweist, sondern dass differente Kompo- 
nenten in bestimmter räumlicher Zuordnung sie zusammensetzen. Sie ist 
weder eine gleichartige Masse, noch ein Gemisch beliebig verteilter Stoffe, 


124 Literarische Rundschau : 


sondern besitzt einen mit der Tierart wechselnden typischen Bau, in dem 
jeder Bestandteil seinen nur ihm zukommenden Ort einnimmt. 

Die heteropolar konstituierte Oozyte enthält bereits alle von seiten 
des Eies an der Entwicklung teilnehmenden Substanzen. Ihre Konstitution 
ist aber nicht die endgültige, sondern erweist sich als das determinierende, 
d. h. die Art des Folgegeschehens bestimmende Vorstadium der im reifen Ei 
herrschenden Verhältnisse. Die Richtungskörperbildung führt das Keim- 
bläschen in den weiblichen Vorkern von halbem typischen Chromatinbestand 
über. Die nach Ort und Zeit gesetzmässig verlaufenden Ausreifungs- 
umlagerungen ordnen den Inhalt der Zelle zu der für das reife Ei typischen 
Konstitution um. 

Die Determination der Ausreifung der Eizelle begreift zugleich die an 
bestimmter Stelle (Besamungsregion) und zu bestimmter Zeit (Besamungs- 
optimum) erfolgende Aufnahme eines Spermatozoons (Besamung) und die 
Vereinigung der Vorkerne (Befruchtung) in sich. Der Besamung kommt 
daher nur die Bedeutung eines auslösenden Realisationsfaktors zu, indem das 
von der weiblichen Zelle mit dem männlichen Vorkern aufgenommene Sperma- 
plasma als Entwicklungserreger wirkt, d. h. den Fortgang der auf einem 
bestimmten Stadium gehemmten, nach eigener Determination geschehenden 
Entwicklung ermöglicht. Als ein substantieller Beitrag zu dem Aufbau des 
Keimes darf das bei der Besamung in das Ei gebrachte Spermaplasma nicht 
betrachtet werden, da es weder in seiner ursprünglichen Beschaffenheit noch 
in irgendwelchen Derivaten sich weiterhin bemerkbar macht. Dauernd erhalten 
bleibt von dem Spermatozoon im Ei nur der männliche Vorkern, der durch 
ooplasmatische Strömungen dem weiblichen Vorkern genähert und mit diesem 
in bestimmter Weise zusammengelagert wird. Die vereinigten Halbkerne 
gehen ohne substantielle Mischung die erste Teilung gemeinsam ein. 


Die Furchung besteht in der Aufteilung des Eies, durch die an 
die Stelle des typisch konstituierten Eies das typisch geordnete Zellenaggregat 
tritt. Sie ist dem Zusammenwirken der Zellbestandteile nach reines Teilungs- 
geschehen. Die Determination der ersten Teilung ist in der Konstitution des 
Eies, die jeder weiteren in der der teilungsbereiten Blastomeren gegeben. 
Die Konstitution jeder Blastomere ergibt sich primär aus der vom Ei über- 
nommenen Substanzlokalisation, die sekundär ihre Besonderheit durch die 
Nachbarschaftswirkungen erhält. Indem die Einzeldeterminationen von Zell- 
teilung zu Zellteilurg in sukzessiven Akten zustandekommen, stellt sich die 
Furchung als die Resultante der Einzelereignisse dar. Infolgedessen sind 
typische Stadien nur bei typischem Ausgang und typischen Vorstadien möglich. 
Es wird ausführlich an der Hand eigens zu diesem Zweck angestellter Ex- 
perimente gezeigt, dass man den typischen Furchungsmodus einer Art nicht 
ändern und doch eine typische Endbildung erhalten kann, sondern jede atypische 
Entwicklung endet mit einer atypischen Bildung. Die isolierten Keimteile 
ergeben nicht durchaus, sondern nur dann typisch proportionierte Ganz- 
bildungen, wenn sie selbst in allen Proportionen typisch konstituiert sind. 
Die typisch proportionierten Einheitsbildungen aus mehr als einem Ei haben 
die Zusammenfügung typisch konstituierter Eier zu einem proportionierten 


Die Leistungen der Zellen bei der Entwicklung der Metazoen. 125 


Stadium der typischen Entwicklung zur Voraussetzung. Die Möglichkeiten 
an typischen Effekten sind in der jeweiligen typischen Entwicklung gegeben 
und erkennbar. 

Die Zurückführung der typisch-differenten Furchungsmodi der Arten 
auf die typisch-differenten Eikonstitutionen und die zugleich gewonnene 
Kennzeichnung der Furchung als Resultante aus Einzelereignissen erweist 
prinzipiell die Auflösbarkeit der Faktorenkomplexe in Einzelfaktoren. Die 
Analysis der Faktoren der Teilungsakte geschieht durch die Erforschung der 
Leistungen der Zelle. Das während der Furchung vor sich gehende Zusammen- 
wirken der Zellbestandteile wird in der besonderen Bewirkung der Teilbar- 
keit, der Veranlassung der Teilung, der Teilungsweise, der Bestimmung der 
Teilung nach Zeit, Ort, Richtung und Grösse, endlich der Gestalt der Zellen 
als Keimkonstituenten und des Zellverbandes im Keime untersucht. 

Die Betrachtung der Furchung als durch die Konstitution des Eies 
und der Blastomeren in sukzessiven Akten determinierte Aufteilung lehnt 
zwei Ansichten ab, die an der Entwicklung beteiligte Geschehensweisen ein- 
seitig betonen und ihren extremen Ausdruck in dem alten Gegensatz von 
Epigenesis und Evolution finden. 

Die Entstehung der Mannigfaltigkeit des typischen Zellenaggregates 
als Leistung der Entelechie, für die die zellularen Faktoren nur formbildende, 
der zielstrebigen Richtkraft unterstellte Mittel sind, wird auf Grund des 
Irrtums behauptet, dass typische Bildungen durch finale Regulationen auf 
atypischem Wege zustande kommen können. Die Aufdeckung dieses Irrtums 
bewahrt davor, dass die wesentlichen Entwicklungsvorgänge ins Unerforsch- 
liche verlegt werden. 

Die Entstehung der Mannigfaltigkeit des gefurchten Keimes als Um- 
bildung der im entwicklungsbereiten Ei befindlichen Vorbildungen wird ent- 
weder als Prädetermination durch die im Kern lokalisierte, sich selbst in 
bestimmter Weise zerlegende Determinationsmaschine oder als Präformation 
organbildender Substanzen erklärt. Beiden Auffassungen liegt die Retrojektion 
des Entwickelten auf das Ausgangsstadium der Entwicklung zugrunde, und 
sie sind- zu der Annahme einer im voraus in allen Einzelheiten festgelegten 
Entwicklung gezwungen. Sie verweisen die Vorgänge der Determination ins 
Unvorstellbare, indem sie die Leistungen der Vielheit von Zellen dem be- 
fruchteten Ei in einer nicht näher durchschauten Weise aufbürden. 


In der zweiten Phase der Ontogenesis geht die Bildung der OÖrgan- 
anlagen vor sich, d.h. typisch im Raume geordneter Gruppen gleichartiger 
und ungleichartiger Zellen von typischer Konstitution, die noch der geweb- 
lichen Differenzierung ermangeln. Die wirksamen Geschehensweisen sind 
Wachstums- und Bewegungsvorgänge. Die Beendigung der Aufteilung 
(Furchung) bedingt, dass bei den Weiterteilungen die Zellen zu einer kon- 
stant bleibenden Grösse nachwachsen. Die Weiterteilungen sind ebenso wie 
die Aufteilung zellular determiniert; wir entbehren aber noch der Einsicht 
in das die jeweilige Anzahl der Teilungen bestimmende Moment. Zellular 
determiniert ist ferner das Volumenwachstum von Zellen umschlossener Hohl- 
räume durch Flüssigkeitsaufnahme durch die umschliessenden Zellen und die 


126 Literarische Rundschau : 


dimensionalen Veränderungen der Zellen durch sie selbst und die Nachbar- 
schaftswirkungen. Die sachlich noch wenig erforschten und der zytomorpho- 
logischen Methode unzugänglichen Zellbewegungen haben ihre Klarstellung 
von Explantationsversuchen zu erwarten. Vermutlich handelt es sich um 
Veränderungen in der Oberflächenbeschaffenheit der Zellen, um durch Diffusion 
per distantiam betätigte Wechselwirkungen. 


Die histogenetische Differenzierung besteht in der Her- 
stellung von spezifischen Dauerstrukturen durch die Zellen der Urgewebe 
der Organanlagen, die dadurch zu funktionsfähigen Organgeweben werden. 
Sie nimmt ihren Ausgang von den typisch konstituierten Zellen. die in den 
Organanlagen typisch räumlich geordnet sind. Die räumliche Zuordnung der 
Teile ist also bereits vor der (fewebsdifferenzierung festgelegt. Die Qualität 
der spezifischen Bildung ist in jeder Einzelzelle determiniert. Die Vorgänge 
beginnen mit einer Ohromatinanreicherung im Kern. Dann greifen sie auf 
den Zelleib über, was sich in für die Untersuchung günstigen Fällen als 
Chromatinemission manifestiert. Erst jetzt beginnen im Zytoplasma des 
Zelleibes die Umbildungen, die die im Zelleib verbleibenden oder aus ihm 
ausgeschiedenen Dauerstrukturen herstellen. Die Produktion geht in ihrem 
Beginne als reine Selbstdifferenzierung der Zellen vor sich. Erst im Verlaufe 
des Vorganges ergeben sich Wechselwirkungen unter den Gewebskomponenten, 
die für die späteren Stadien abhängige Differenzierungen der von den Zellen 
angelegten Gebilde bedingen. Es besteht für die Zelle eine strenge Ein- 
sinnigkeit ihrer Lebensgeschichte, die sie für immer an die erstmalig von 
ihr geleistete Differenzierung bindet und jede Entdifferenzierung oder Um- 
differenzierung ausschliesst. Die zellulare Determination gipfelt nach Er- 
ledigung der Teilungs- und Bewegungsvorgänge in der Produktion einer 
spezifischen Dauerstruktur. 


Wie die produktive Fähigkeit der Zellen ist auch die funktionelle 
Leistungsfähigkeit der Zellabkömmlinge eine begrenzte, und nach längerer 
oder kürzerer Beanspruchung führt die mit der Funktion einhergehende 
Abnutzung zu degenerativen Umbildungen (Senescenz). Die zellulare 
Determination führt dem Zellentode entgegen, indem weder die ursprüng- 
lichen Bildnerinnen noch die abgenutzten Differentiationen von sich aus zu 
einer Erneuerung fähig sind. Der Tod des gesamten Zellenkomplexes (der 
personelle Tod) wird dadurch hinausgeschoben, dass die nach der Erschöpfung 
ihrer Möglichkeiten oder früher ausscheidenden Zellen aus Reserven ersetzt 
werden. Die Restitution geschieht nie als Erneuerung bereits differen- 
zierter oder in Rückbildung begriffener Gewebe, sondern immer als voll- 
ständige Neubildung. In der typischen ÖOntogenesis reservierte undifferen- 
zierte Anlagen führen auf typischem Wege die Restitutionen aus. Es fällt 
somit nicht nur der präfunktionelle Aufbau der Organisation des Metazoen- 
körpers in den Bereich der zellularen Determination, sondern auch der Zellen- 
tod und die den personellen Tod verzögernden Restitutionen. Desgleichen 
ist das Keimlager nichts anderes als ein Reservat totipotenter Zellen. Es 
schliesst somit die personelle, von Zellen geleistete Determination zugleich 
die transpersonelle in sich, und die Vererbung stellt in dieser entwicklungs- 


Die Leistungen der Zellen bei der Entwicklung der Metazoen. 127 


physiologischen Betrachtungsweise ein besonderes Problem nicht dar. Die 
Erforschung des Vererbungsmechanismus fällt zusammen mit der der Onto- 
genesis. 


In aller Kürze lassen sich die die Ontogenesis bewirkenden Vorgänge 
folgendermaßen anführen: Aus bestehender, typischer räumlicher Ordnung 
schaffen die Zellen durch Teilung und Bewegung neue typische räumliche 
Ordnung. Auf Grund der neuen räumlichen Ordnung erzeugen sie durch 
Produktion in ihrer Qualität differierende, spezifische Dauerstrukturen. 
Der Organismus wird aus gleichwertigen, in sich bestimmten Einheiten auf- 
gebaut, und seine harmonische Zusammensetzung resultiert aus der Wechsel- 
wirkung der Teile. 


Nur die allgemeinsten Resultate konnten im Vorstehenden angedeutet 
werden. Wegen ihrer Belegung mit Einzeltatsachen zytologischer und ent- 
wicklungsphysiologischer Art und der Besprechung der einschlägigen Literatur, 
besonders der über Entwicklungstheorien, muss auf das Original verwiesen 
werden, in dem zum Schluss auf Grund der gewonnenen Ergebnisse eine 
Präzisierung der traditionellen Zellentheorie versucht wird. 


Anzeige des Verfassers. 


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