Skip to main content

Full text of "Archiv für mikroskopische Anatomie"

See other formats


u. a a DE 
EN NENNE DEI HERE EHE DENE? 
NL HEICHL, 
EEE NEIN IE DONE HEHE NER 
EZ BE SE Su SE SE Zu Zu u EEE 5 
a 


“an | rn nenn nn: 


nen “en nenne E+esnee 
EL N N a a CL at 
“.... EEE EHEN 


“eh en . ne ne ner r 
NEE LIE ION EINEN 
+ . Te + , 
NE EEE EEE EEE 
EHEN IDEE EBENE EHE CHE 

, “ernten 


“hen 


LEHNEN X} 
Keane nn nenne ae nern mh ah inne sun nr“ 

nern eine 
. une rn rer ner nr 
EEE NINE EN 


N 
N 


ER) } 
„e.....+ 


CE IENEHE, 


ER EHE 
Eeruneneht 


„ne die ne 
“rn ENHHER 


"areas 


DW 4% Une ne unten der nn innen ’ 
wenn nn einer ie ne re 


een: \ En NENNE 
g u , EEE EEE 
“.... 


MEI IE SEHE 


“une .n 


- 
warten s 
+ ....s 

.-..%s RER UFER 


- 
REM Di 

” 

.e. ne 


„er nn. 
5 .“ 


es 
eo.» 
“s 


“ we... 
REN 
ee 

ER. IE. 26 

KR ET 

cu... 


“. 
“es 
vi... us 
ee a a Ze a a 
verwen 
“ee .. 
anne 


“nenne ; . 
EEE EN DE Huren 
. * “nes H h » 


Vurar nineene 
En 
+ DE, 


„nor 
AN 


“und sete nenne 
nenn 

. „nn 

“une n- 


“en nn 
EM “nun nnnn 
..-_ nn nen. 


Ss et Ba BEI et 
’ : er N N ne 
ee a de m m 


f 
ER 
he: 


art 


ARCHIV 


für 


Mikroskopische Anatomie 


I. Abteilung 


für vergleichende und experimentelle 
Histologie und Entwicklungsgeschichte 


II. Abteilung 
für Zeugungs- und Vererbungslehre 


herausgegeben 


von 


O. Hertwig und W. von Waldeyer-Hartz 


in Berlin 


zn nn 


Neunzigster Band 


Mit 18 Tafeln und 51 Textfiguren 


BONN 
Verlag von Friedrich Cohen 


1918 


A EA 4 y “F } 
u N Na " 0; RS AV 
r 5 $ . } 

T 


es 4 ‚ 
Dr 
& 
{ » 
we 
u #5 
ER 


Inhalt. 


Abteilungl 


Erstes Heft. Ausgegeben am 8. Juni 1917. 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. (Experimentell- 
histologische Untersuchung an Geweben von Amphibienlarven.) 
Von Walter Grasnick, Berlin-Lichtenberg. Hierzu Tafel I 


Über Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 
Von Dr. Cecylia Beigel-Klaften, 2. Assistentin am Zoo- 
logischen Institut der Universität Lemberg. (Aus dem Zoologischen 
Institut der Universität Lemberg unter der Leitung von Professor 
Dr. Joseph Nusbaum-Hilarowiez). Hierzu Tafel II und II. 


Neutralviolett extra. Von P. G. Unna und L. Golodetz. Hierzu 
Tafel IV te Ve a ee EN Ne 

Die Chromatophoren der Reptilienhaut. Ven Privatdozent Dr. W. J. 
Schmidt, Bonn, Zoologisches Institut. Hierzu Tafel V-—IX 
und 6 Textfiguren . 


Zweites Heft. Ausgegeben am 10. August 1917. 


Über die bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 
Von Carl Rabl. Hierzu Tafel X—XIII und 5 Textfiguren 


Viertes Heft. Ausgegeben am 30. April 1918. 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen, nach Beobach- 
tungen an Pflanzenzellen. Zugleich eine Fortsetzung meiner Dis- 
kussion mit Benda. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu 
RafeliXTV.. "IE a ER 

Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. Von Wilhelm von 
Moellendorff. (Aus dem Anatomischen Institut zu Greifswald.) 
Hierzu Tafel XV und XVI. Mr: 

Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden für die vitale Farb- 
stoff bindung in den Zellen. Von Wilhelm von Moellendorff. 
(Aus dem Anatomischen Institut zu Greifswald.) 


Die Implantationsstelle eines ganz frühzeitig abortiv ausgestossenen 
menschlichen Eies. Von Franz Keibel, Strassburg i. Elsass. 
Hierzu 7 Textfiguren . 


ls] 


Seite 


39 


69 


95 


445 


463 


Abteilung I. 


Drittes Heft. Ausgegeben am 30. November 1917. Seite 
Dokumente zur Geschichte der Zeugungslehre. Eine historische Studie 
als Abschluss eigener Forschung. Von Oskar Hertwig. Hierzu 

ZOHTERTHBUTENAÄNN. N RE re Dez 1 


Viertes Heft. Ausgegeben am 30. April 1918. 


Über die Samenkörper der Libellen. I. Die Spermien und Spermiozeugmen 
der Aeschniden. Von E. Ballowitz in Münster i. W. Hierzu 
Tafel I: und N und, S-Textfiguren . . . » . .%.0.. Voir 


ARCHIV 


für 


Mikroskopische Anatomie 


I. Abteilung 


für vergleichende und experimentelle 
Histologie und Entwicklungsgeschichte 


II. Abteilung 
für Zeugungs- und Vererbungslehre 


herausgegeben 


von 


O. Hertwig und W. von Waldeyer-Hartz 


in Berlin 


— es, —_> 


Neunzigster Band 
I. Abteilung 
Mit 16 Tafeln und 18 Textfiguren 


u —‚ ee 


BONN 
Verlag von Friedrich Cohen 
1918 


| Ti 20 


Inhalt. 


AbteilunglL 


Erstes Heft. Ausgegeben am 8. Juni 1917. 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. (Experimentell- 
histologische Untersuchung an Geweben von Amphibienlarven.) 
Von Walter Grasnick, Berlin-Lichtenberg. Hierzu Tafel I 


Über Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 
Von Dr. Cecylia Beigel-Klaften, 2. Assistentin am Zoo- 
logischen Institut der Universität Lemberg. (Aus dem Zoologischen 
Institut der Universität Lemberg unter der Leitung von Professor 
Dr. Joseph Nusbaum-Hilarowiez). Hierzu Tafel II und II. 


Neutralviolett extra. Von P. G. Unna und L. Golodetz. Hierzu 
Tafel IV a a 

Die Chromatophoren der Reptilienhaut. Ven Privatdozent Dr. W. J. 
Schmidt, Bonn, Zoologisches Institut. Hierzu Tafel V—IX 
und 6 Textfiguren . 


Zweites Heft. Ausgegeben am 10. August 1917. 


Über die bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 
Von Carl Rabl. Hierzu Tafel X—XIII und 5 Textfiguren 


Viertes Heft. Ausgegeben am 30. April 1918. 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen, nach Beobach- 
tungen an Pflanzenzellen. Zugleich eine Fortsetzung meiner Dis- 
kussion mit Benda. Von Friedrich Meves in Kiel. Hierzu 
Tafel XIV. 5 SR BRRET ATS. 

Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. Von Wilhelm von 
Moellendorff. (Aus dem Anatomischen Institut zu Greifswald.) 
Hierzu Tafel XV und XVI. 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden für die vitale Farb- 
stoff bindung in den Zellen. Von Wilhelm von Moellendorff. 
(Aus dem Anatomischen Institut zu Greifswald.) 


Die Implantationsstelle eines ganz frühzeitig abortiv ausgestossenen 


menschlichen Eies. Von Franz Keibel, Strassburg i. Elsass. 
Hierzu 7 Textfiguren . 


Seite 


95 


261 


445 


463 


503 


[Sl 
> 
os 


ch Karte ak ” 


By: Hl I en ey 

RT, u pero Ta AN nee { 

PR AN? Tg Hr Bra ea 
h i ir 

| # ir 3 Kr eh 

IE 1: la IX; va { 


Fer Bi TE fi h 


rare j re hi Be BT y SuTeN art VENMEE 


are RR. ra 


U u , \ { f Ä hf Muri hau Bi 
UBRee EN et, N TR ER 


Bir ubäntı < Se ak ray vs BR. A| 
IV STK AT ; ER BT de Eu EL, hy 


Pr BEN ENE w Ar. 
i P, 4 2 . r 


Pı BurrReree vwe> Wi 
is 


Fun 1uM LEE) ki re I 10 0 47) Alta 


UNI. VE EN 
a, | IK Le H RT RN u ICH) 
€ ur Kit eg, RE BEN mb 
Tal v BIRUN WURAITE MEN: 
L 
B? ur ’ a = 6 
” 


is > { % ö j 
e 1 272 Be . 
= i 4 e 
5 ag ® Be j = e 
2> & =, g Be - N we} % ia 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische 
Gewebe. 


Experimentell-histologische Untersuchung an Geweben von 
Amphibienlarven. 
Von 
Walter Grasnick. 


Hierzu 1 Tafel. 


Inhaltsverzeichnis. 


Einleitung, Literatur. . . . ER. IH 2 RE We RSEILE 
I. Geschichtlicher Rückblick. 


1. Morphologische und histologische Ergebnisse . „36 
2. Chemisch-physiologische und biologische rn 
SueBe: „2 0% SU a a DE) 
II. Material und Methoden der verre Sale „ 11-14 
III. Übersicht über die makroskopisch und hikroskopisch beoh. 
achteten Veränderungen der bestrahlten Gewebe. .. „ 15-21 
IV. Cytologische und histologische Ergebnisse . . . „ 21—28 
V. Zusammenfassung der Ergebnisse, Dee ad Ver- 
gleiche mit den Ergebnissen und Hypothesen anderer 
DAUER U VER Be EN er ER RL BD 
Hettelenklarung 0 SH RT NN ve EAN 38 


Einleitung, Literatur. 


Seit in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts die 
Wirkung der Radiumstrahlen auf lebende Gewebe entdeckt wurde, 
haben viele Forscher diese eigenartige Wirkung zum Gegenstand 
eingehender Untersuchungen gemacht. Ungefähr seit dem Jahre 
1904 nahm diese Forschung einen ganz besonderen Aufschwung, 
da man die elektive Wirkung der Radiumstrahlen zur Beseitigung 
von inoperablen Geschwülsten des menschlichen Körpers hoffte 
anwenden zu können. 

Die Forscher, welche dieses Ziel vor Augen hatten, benutzten 
meist für ihre Versuche die Gewebe des Menschen und höherer 


Tiere. Unter Ausschluss der rein klinischen Arbeiten wären auf 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.1I. 1 


2 Walter Grasnick: 


diesem Gebiete zu erwähnen Heinecke (1905), Frieben 
(1903), Seldin (1904), Thies (1905), Harvey (1908), Guyot 
(1909) u. v. a. 

Forscher, welche die Radiumwirkung mehr als Zellproblem 
auffassten oder nach einer chemisch -physiologischen Erklärung 
suchten, experimentierten meist mit isolierten lebenden Zellen 
oder jungen Entwicklungsstadien von Tieren und Pflanzen. So 
untersuchten Aubertin, Beaujard, Bergonie, Tribondeau, 
Delamare u. a. die Einwirkung der Radiumstrahlen auf das 
Blut, die Wirkung auf die Samenzellen im Hoden wurde besonders 
eingehend untersucht von Albers-Schönberg (1903), Regaud 
und Dubreuil (1907), Barratt und Arnold (1908). Die Beein- 
tlussung und abweichende Entwicklung bestrahlter Ei- und Samen- 
zellen, sowie junger Embryonen beschreiben G. Schwarz (1903), 
Bohn (1903), Bergonie et Tribondeau (1904), Perthes 
(1904), Schaper (1904), O. Levy (1906), Jan Tur (1906, 
1911), Hasebrock (1908), Barlow and Bonney (1909), 
Bardeen (1909, 1911), ©. undG. Hertwig (1911, 1912, 1913), 
Fräulein P. Hertwig (1911, 1913, 1914), Oppermann (1913), 
Stachowitz (1914), Packard (1914, 1915). Auch Botaniker 
wie z. B. Koernicke (1905), Guilleminot (1908), Molisch 
(1913) benutzten für ihre Bestrahlungsversuche meist pflanzliche 
Samen und Keimlinge. Protozoen bestrahlten E. G. Willcock 
(1904) und Fräulein M. Zuelzer (1905). Als den biologischen 
Problemen der Radiumwirkung nahestehend seien aus der chemisch- 
physiologischen Literatur erwähnt die Arbeiten von Wohlgemut 
(1904), K. v. Korosy (1911) und Bickel (s. Handb. f. Rad.- 
Biol. u. Ther.). 

Im folgenden Abschnitt werde ich eine kurze vergleichende 
Übersicht über die hauptsächlichen morphologischen und histo- 
logischen Ergebnisse der erwähnten Autoren geben, woran sich 
in einem weiteren Abschnitt die von ihnen daraus abgeleiteten 
Theorien anschliessen werden. Der zweite Teil der Arbeit ent- 
hält den Bericht über die von mir angestellten Versuche, ihre 
Ergebnisse und deren Deutung. 

Ich will nicht verfehlen, Herrn Geheimrat O0. Hertwig an 
dieser Stelle zu danken für die Anregung und das Material zu 
dieser Arbeit, sowie die dauernde Aufmerksamkeit, die er ihr 
entgegenbrachte. 


© 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 


I. Geschichtlicher Rückblick. 
1. Morphologische und histologische Ergebnisse. 


Die überwiegende Mehrzalıl der Arbeiten auf dem Gebiet der 
Radiumstrahlenwirkung betont als das am meisten in die Augen 
fallende Ergebnis eine Schädigung der bestrahlten Zellen und 
(sewebe, die bei höher differenzierten Geweben zu verschiedenen 
Formen von Degeneration führt. Bei bestrahlten Ei- und Samen- 
zellen sowie jungen Embryonen bewirken auch schon geringe 
Strahlendosen deutlich eine Verlangsamung des Wachstums und 
der Entwicklung. Dass sehr geringe Dosen die Entwicklung an- 
zuregen und zu beschleunigen vermöchten, ist zwar von Guille- 
minot, Barleyand Bonnev u.a. als wahrscheinlich hingestellt, 
aber nie sicher nachgewiesen worden. Dagegen werden von 
mehreren Autoren übereinstimmend nach Bestrahlung anormale 
Wucherungen der Epidermis und des ontogenetisch von ihr 
abstammenden Medullarrohrs beschrieben (Thies, 0. Levy, 
OÖ. und G. Hertwig, Stachowitz). Nach Thies (1905) setzen 
die Wucherungen offenbar nach längerer Bestrahlung ein, die 
unter gewissen Umständen mitotische und amitotische (Guyot) 
Zellteilung hervorruft. 

Ein charakteristischer Unterschied der %- und y-Strahlen 
des Radiums von anderen Reizquellen besteht darin, dass sich 
ihre Wirkung auf den Organismus erst nach einer gewissen Zeit 
deutlich bemerkbar macht. Nur wenige Angaben widerstreiten 
dieser „Latenz“, so legen z. B. Aubertin und Delamare bei 
der Beschreibung der Radiumstrahlenwirkung auf das Blut Nach- 
druck auf das sofortige Eintreten (pr&coeite) der Veränderungen. 

Bedeutend heftiger ist der Streit der Meinungen über einen 
andern wichtigen Punkt, nämlich die elektive Wirkung der Radium- 
strahlen. Dass gewisse (rewebe, wie Hoden und Eierstöcke, be- 
sonders stark geschädigt werden. kann wohl als sicher gelten. 
Dass die Strahlen auch auf das Nervensystem eine elektive Wir- 
kung ausüben, wird schon von einigen bestritten (Öbersteiner), 
und ähnliches gilt vom Blutgefäßsystem. Der Kernpunkt des 
Streites liegt aber darin, ob die elektive Wirkung nur in einer 
sehr verschieden starken Schädigung der (Gewebe bestehe oder 
ob gewisse Gewebe gar nicht oder nur sekundär oder gar direkt 
in völlig abweichender Weise beeinflusst werden. Wie ich später 

1* 


4 Walter Grasnick: 


zeigen werde, wirkt die Unklarheit hierüber auch stark auf die 
Theorien der Radiumwirkung zurück. 

Eine kurze Zusammenfassung der Tatsachen über das Ver- 
halten der verschiedenen Gewebearten ergibt ungefähr folgendes: 
Radiumgeschädigte Epidermis zeigt im allgemeinen Merkmale 
degenerativen Zerfalls (Thies u. a.), unter gewissen Umständen, 
die nicht genau bekannt sind, treten dabei die oben erwähnten 
Wucherungen auf, die Guyot als Knötchen bezeichnet; O0. Levy 
beschreibt sie an Froschlarven als warzenförmige Hervorragungen 
der Haut und legt ihnen den — von Roux für ähnliche Ano- 
malien gewählten — Namen „Framboisia“ bei. Auf das Binde- 
gewebe üben die Strahlen einen zerstörenden Einfluss aus, doch 
sind auch hier und bei Knorpel Wucherungen beobachtet worden 
(Thies, Seldin). Die elastischen Fasern werden nicht ge- 
schädigt (Guyot); widerstandsfähig ist auch das Chordagewebe 
(nach Stachowitz, OÖ. Levy). Die Veränderungen bestrahlter 
Muskulatur sollen nach manchen Autoren nur gering sein; 
stärkere Schädigungen beginnen nach Guyot mit einer klein- 
zelligen Infiltration zwischen den Muskelbündeln, wodurch deren 
Fasern auseinandergezwängt werden. Später schwindet auch 
die Quer- und Längsstreifung und schliesslich tritt an die Stelle 
der Fibrillen ein Granulationsgewebe. 

Hämolyse durch Radiumbestrahlung von Blut haben Salo- 
monson und Dreyer (1904) sowie Henri und Meyer (1904) 
nachgewiesen. Die Veränderungen des Gefäßsystems in bestrahlten 
Geweben werden übereinstimmend beschrieben als starke Er- 
weiterung, hervorgerufen durch pralle Füllung mit Blutzeilen, 
unter denen Leukozyten vorwiegen (Danysc, Obersteiner, 
Thies, OÖ. Levy, Guyot), Guyot hält die Erweiterung der 
Blutgefässe nur für eine sekundäre Wirkung der Radiumstrahlen, 
direkt hervorgerufen durch die gleichzeitigen Wucherungen der 
Epidermis, welche ein stärkeres Nahrungsbedürfnis besitzen. Die 
andern erwähnten Forscher sprechen sich für eine direkte Be- 
einflussung des Blutgefäßsystems aus, lassen aber dabei ungewiss, 
ob die Gefässwände direkt geschädigt werden, was Guyot völlig 
bestreitet. 

Was die Schädigung des Nervensystems durch das Radium 
betrifft, so scheinen die Widersprüche der Autoren, die hier be- 
stehen, sich dadurch aufklären zu lassen, dass das junge, noch 


(Bi 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 
> 


in Difterenzierung begriffene Nervensystem stark geschädigt wird 
(Schaper, O. Levy, O. Hertwig, Stachowitz, Jan Tur), 
während vollentwickelte Ganglienzellen kaum beeinflusst werden 
(Obersteiner). 

Die grosse Empfindlichkeit der Geschlechtsorgane, insbe- 
sondere der Keimzellen von Tieren und Pflanzen gegen Radium- 
strahlen ist häufig festgestellt worden und hat wohl niemals Wider- 
spruch gefunden. 

Die Versuche, welche über die Beeinflussung anderer innerer 
Organe durch Radiumstrahlen angestellt worden sind, sind nicht 
sehr zahlreich und bieten histologisch nichts grundsätzlich Neues. 

Bei der Erforschung der elektiven Wirkung der Radium- 
strahlen ist man noch einen Schritt weiter gegangen und hat 
festzustellen versucht, ob von den jeder Zelle eigentümlichen 
Bestandteilen einzelne stärker und schneller geschädigt werden 
als die übrigen. Für die Bearbeitung dieses Problems hat man 
aus praktischen Gründen möglichst wenig differenzierte Zellen, 
2. B. Eizellen oder junge Embryonen gewählt. Die Zellfunktion, 
welche durch die Radiumstrahlen zuerst sichtlich leidet, ist die der 
normalen mitotischen Teilung (Perthes, Schaper, Koernicke 
Barratt und Arnold, O. und G. Hertwig, Packard). Es 
treten unregelmässige Mitosen auf, manchmal ist auch amito- 
tische Teilung beobachtet worden (Koernicke, Barratt und 
Arnold u.a.). Schliesslich findet meist ein völliges Schwinden 
der Teilungsfähigkeit statt. Eine Beschleunigung der Teilungs- 
intensität durch Bestrahlung mit geringen Dosen wird von 
barlow, Bonney und G. Bohn behauptet, letzterer hält sogar 
Anregung zu parthenogenetischer Entwicklung durch Radium- 
strahlen für möglich. Die Beeinflussung der Mitosen und das 
Auftreten von pyknotischen und sogenannten siegelringförmigen 
Kernen erklären viele Autoren (Bohn. Koernicke, O. und 
G. Hertwig, Stachowitz, Jan Tur) durch eine Schädigung 
des Chromatins (siehe nächsten Abschnitt). Über die andern 
Kompönenten der Zelle findet man meist keine Angaben; Koer- 
nicke behauptet, dass Kino- und Trophoplasma pflanzlicher Zellen 
völlig unbeschädigt bleiben, Packard dagegen sagt, dass bei der 
Polzellenbildung bestrahlter Eier die chromatische und achroma- 
tische Substanz der Spindel anormal wird und glaubt auch eine 
direkte Schädigung des Zellplasmas aus einigen Tatsachen schliessen 


6 Walter Grasnick: 


zu müssen, z. B. daraus, dass bestrahlte Seeigeleier die Fähigkeit 
verlieren, die Eimembran nach der Befruchtung abzuheben. 


2. Chemisch-physiologische und biologische Erklärungsversuche. 


Der erste Versuch zu einer umfassenden chemisch-physio- 
logischen Erklärung der Radiumwirkung rührt von G. Schwarz 
her. Schwarz hat festgestellt, dass bei bestrahlten frischen 
Hühnereiern eine Veränderung des Dotters an Farbe, Konsistenz 
und Geschmack stattfindet, während die Proteine des Eiweisses 
unverändert bleiben. Er deutet die Veränderung des Dotters als 
eine Spaltung des Leeithins in Stearinsäure, Glvzerinphosphor- 
säure und Cholin, welches letztere Trimethylamin (festgestellt 
durch Geschmack) abspaltet. Er folgert dann weiter, dass der 
Leeithingehalt, der in Eizellen und Zellen wachsender Gewebe 
häufig nachgewiesen sei, der Grund für die Empfindlichkeit dieser 
(sewebe gegen die Radiumstrahlen sei. Auf Grund dieser Hypo- 
these haben in den nächsten Jahren mehrere Forscher, unter 
andern auch Schaper, die Ergebnisse ihrer Bestrahlungsver- 
suche gedeutet. 

Bald haben aber Zweifel und Gegenbeweise zu einer völligen 
Ablehnung der Leeithinhypothese geführt. Thies hat die 
Sehwarzschen Versuche am Hühnerei wiederholt, hat aber trotz 
Anwendung stärkerer Präparate nicht die von Schwarz beob- 
achteten Veränderungen feststellen können. Gegen die allgemeine 
Geltung der Leeithinhypothese wird ferner von Thies und anderen 
der Umstand eingewendet, dass die Radiumstrahlen nur Tiefen- 
wirkung, nicht seitliche Ausdehnung der Wirkung zeigen, ferner 
dass bei voll entwickelten, in toto bestrahlten Tieren der lecithin- 
arme Muskel stärker geschädigt wird als die lecithinhaltigen 
(ranglienzellen. Von R. Werner u. a. angestellte Versuche haben 
ergeben, dass die Injektion der Abbauprodukte des Leeithins nicht 
die charakteristische Wirkung der Radiumstrahlen hervorzubringen 
vermag. OÖ. Hertwig endlich hat exakt nachgewiesen, dass 
Froschlarven die gleichen Schädigungen aufweisen, wenn vor der 
Befruchtung das Sperma oder ihre dotterreiche — also auch 
lecithinreiche — Eizelle, aus denen sie sich entwickeln, bestrahlt 
worden sind. 

Nach Widerlegung der Schwarzschen Leecithinhypothese 
haben viele Forscher geglaubt. von chemischen Hypothesen besser 


—] 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 


ganz absehen und vorläufig eine Deutung der Strahlenwirkung 
nur mit biologischen Begriffen unternehmen zu sollen. 

O0. Levy, der besonders von der Tatsache ausgeht, dass 
das in Bildung begriffene Nervensystem stark geschädigt wird, 
ausgebildete Ganglienzellen dagegen relativ unempfindlich sind, 
glaubt die Radiumwirkung und besonders deren elektive Eigen- 
schaft dadurch allgemein erklären zu können, dass er eine De- 
generation der Zellen je nach der Stärke ihrer generativen Selbst- 
assimilation annimmt. Er sagt: „Schwere degenerative Schädigung 
trifft die Zellen, die nicht nur sich teilen. sondern nach der 
Teilung in einem raschen Assimilationsprozess zu der ursprüng- 
lichen Grösse heranwachsen müssen.“ 

(suyot findet den Grund der Radiumwirkung in einem 
anormal lebhaften Reiz, der besonders die Epithelzellen zu über- 
stürzter Entwicklung und rapider Involution anreizt, neben der 
bei intensiver Radiumwirkung eigentlich nekrobiotische Prozesse 
erst sekundär oder doch in zweiter Linie einhergehen. 

0. Hertwig erklärt die Radiumwirkung als eine direkte 
und ausschliessliche oder doch stark überwiegende Schädigung der 
Kernsubstanzen. Er sagt (1913): „Namentlich das Chromatin wird 
schon durch kleinste Dosen radioaktiver Strahlung in seinen 
Lebenseigenschaften verändert und durch grössere Dosen so ge- 
schädigt, dass es die Fähigkeit zu wachsen und sich dureh Mitose 
in gesetzmässiger Weise zu vermehren verliert, dass es einem 
allmählichen Zerfall unterliegt und in denselben allmählich auch 
den es einschliessenden Zellkörper hineinzieht.* Hertwig be- 
ruft sich dabei auf die Ergebnisse mehrerer Vorgänger und stützt 
sich besonders auf die von ihm experimentell festgestellte Tat- 
sache, dass Embryonen, die aus normalen, mit radiumbestrahltem 
Sperma befruchteten Eiern sich entwickeln, alle typischen Radium- 
schädigungen aufweisen. Er führt aus (Arch. f. mikroskop. Anat., 
Bd. 77, S. 133 ff.), dass ein im Spermium entstandenes Gift (z. B. 
Abbauprodukte des Lecithins) gegebenenfalls nur in ganz „homöo- 
pathischen Dosen“ in das Ei eingeführt werde und, da ein 
chemisches Gift sich nicht im Ei vermehren könne, selbst wenn 
man eine sehr gleichmässige Verteilung in alle Furchungszellen 
annehme, so stark verdünnt werde, dass man ihm die auftretenden 
intensiven Schädigungen nicht zuschreiben könne und eigentlich 
annehmen müsse, dass es durch den Stoffwechsel ausgeschieden 


8 Walter Grasnick: 


werden sollte. Hertwigs „biologische Theorie“ nimmt dagegen 
an, dass die radiumkranke Kernsubstanz des Spermiums „durch 
das Mittel der Zellteilung vermehrt, schliesslich im gesamten Ei- 
inhalt verteilt und jeder Embryonalzelle zugeführt wird“. Er fährt 
fort: „Wieviel ist in dieser Beziehung die biologische der rein 
chemischen Hypothese überlegen! Wie wird es jetzt ohne weiteres 
verständlich, dass die im bestrahlten Samenfaden entstandene 
kranke Substanz, auch wenn sie anfangs als eine homöopathische 
Dosis erscheint, schliesslich die mehr als tausendmal grössere 
Masse des Eies im Entwicklungsprozess vergiftet. Denn sie wirkt 
wie ein contagium vivum. Der kranke Samenfaden verhält sich 
genau wie ein Bakterium, wenn es im tierischen Organismus eine 
Infektionskrankheit verursacht.“ 

Diese Theorie ist etwas abgeändert worden durch ©. und 
G. Hertwigs Entdeckung, dass auch solche Froschlarven Sym- 
ptome der Radiumkrankheit aufweisen, die mit starkbestrahltem 
Sperma befruchtet, sich nach Eliminierung des Spermachromatins 
parthenogenetisch entwickeln. G. Hertwig weist durch genaue 
eytologische Beobachtung nach, dass die mit Radiumstrahlen ge- 
schädigte Kernsubstanz von Seeigelspermien nach der Befruchtung 
normaler Eier eine Schädigung in deren Kernsubstanz hervorruft. 
Er folgert daraus (Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 79Il, S. 213): 
„Diese Schädigung des mütterlichen Chromatins kann aliein durch 
den radiumkranken Spermakern hervorgerufen sein, dessen durch 
die kadiumstrahlen veränderte Chromatinmasse allein durch die 
nahe Berührung die normale Uhromatinsubstanz so tiefgreifend 
verändert hat. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir hier eine 
Art chemischer Giftwirkung annehmen, hervorgerufen durch eine 
Substanz, die sich im Samenkern unter der Einwirkung der 
Radiumstrahlen durch Zerfall gewisser Stoffe gebildet hat.“ 

Stachowitz (1914) hat versucht, die Hertwigsche 
Chromatinhypothese, die aus exakten Versuchen mit Ei- und 
Samenzellen abgeleitet worden ist, auch zur Erklärung seiner 
an bestrahlten embryonalen Geweben gewonnenen Ergebnisse 
heranzuziehen. Um die elektive Wirkung zu erklären, zieht er 
die an sich wenig sagende Folgerung: „Wir müssen also eine ver- 
schiedenartige Einwirkung auf die Kernsubstanzen der einzelnen 
Organe annehmen.“ Und da er OÖ. Levys Hypothese der elek- 
tiven Schädigung von Zellen stärkster generativer Selbstassimi- 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe, 9 


lation ablehnt, sieht er sich genötigt. die elektive Schädigung der 
Nervenzellen aus „einer im Verhältnis zu anderen Zellen grösseren 
Reizbarkeit (!) und deshalb weitgehender Schädigung bei Ver- 
änderung der chemischen Struktur“ zu erklären. Eine derartig 
vitalistische Anwendung der Chromatinhypothese dürfte jedoch 
kaum noch den Wert einer Erklärung besitzen. 

Packard dagegen neigt zu der Ansicht, dass die Chromatin- 
hypothese im Grunde chemisch (fundamentally chemical in its 
nature) sei. Er sieht (1914) mit Hertwig den Beginn der 
kadiumwirkung auch in einer Schädigung der Kernsubstanz, 
wendet sich aber gegen Hertwigs Begriff „contagium vivum“ 
und sieht eine wirkliche Lösung des Problems nur in einer 
chemischen Erklärung, zu der ja auch G. Hertwig in dem von 
mir erwähnten Zitat hinneigt. Packard ist ein eifriger Ver- 
teidiger der schon vor ihm mehrfach aufgestellten Hypothese, 
die man wohl als die Enzymhypothese der Radiumwirkung be- 
zeichnen kann. Er formuliert sie mit den Worten: „The solution 
of the problem lies. J believe, in the fact that the protoplasmic 
und nuclear elements are not directly affeeted by the radiations 
but indirectlvy bv means of enzyms which are activated by the 
treatment“ (Journ. of. Exper. Zool., Vol. 16, p. 117). 

Packard und schon vor ihm Neuberg, Henri und 
Mayer, J. Wohlgemut, Werner, v. Korosy, Barratt und 
Arnold u. a. nehmen eine Aktivierung autolytischer Enzyme 
oder eine vermehrte Wirksamkeit derselben durch Radium- 
schädigung der den Stoffwechsel begünstigenden Enzyme an. 
Da die Enzymwirkung als eine fermentative angesehen wird, 
vermeidet die Enzymhypothese das von OÖ. Hertwig gegen eine 
chemische Erklärung geäusserte Bedenken der „homöopathischen 
Dosis“. Die Begriffe mögen erklärt sein durch ein Zitat aus der 
Arbeit K. v. Korosys, der chemische Experimente über die 
Wirkung der Radiumstrahlen angestellt hat. „Die Fermentwirkung 
ist nach Ostwalds Definition eine Art der allgemeinen kata- 
Iyvtischen Wirkung. Unter Katalyse verstehen wir unter gewissen 
Umständen stattfindende Beschleunigung der Geschwindigkeit 
eines chemischen Prozesses; Fermentwirkungen sind jene Spezial- 
fälle der Katalyse, in welchen durch gewisse vom Lebewesen 
produzierte Agenzien (d. h. Enzyme; d. Verf.) die Beschleunigung 
verursacht wird... .. Fermentwirkungen der Radiumstrahlen 


10 Walter Grasnick: 


sind also als strahlenkatalvtische Beschleunigung solcher Prozesse 
aufzufassen, die durch Fermente katalysiert zu werden pflegen.“ 
v.Korosy u.a. schreiben den Radiumstrahlen ebenso wie ioni- 
sierende auch direkte katalytische Wirkungen ohne den Umweg 
über die Enzyme zu, was aber Neuberg auf Grund neuerer 
Versuche völlig in Abrede stellt. 

Packard hat in dem umfangreichen theoretischen Teil 
seiner Arbeit den Versuch unternommen. die verschiedenen Eigen- 
tümlichkeiten der Radiumwirkung auf Grund der Enzymhypothese 
zu erklären. Die Latenz lässt sich ja ohne grosse Schwierigkeit 
durch die langsam wachsende Enzymwirkung erklären: wenn aber 
Packard, um seine Idee folgerichtig durchzuführen , angibt. 
dass Radiumwucherungen und Beschleunigung des Wachstums 
durch Radiumstrahlen durch Anregung (stimulation) synthetischer 
Prozesse, dagegen Zerstörung der Gewebe durch entgegen- 
gesetzte Prozesse zu erklären seien, so sagt dies, solange 
nicht exakte Tatsachen zum Beweise vorliegen, nicht viel 
mehr als die Stachowitzsche Begründung dieser Erschei- 
nungen durch die verschieden starke Reizbarkeit der betreffenden 
(xewebe. 

Neues Tatsachenmaterial vermag also vor allem für eine 
weitere Klärung der Theorien der Radiumwirkung zu sorgen. 
Es wird am besten nach der von OÖ. und G. Hertwig, Packard 
u. a. angewandten Methode zu gewinnen sein, von der @. Hertwig 
in der Einleitung seiner Arbeit „Über das Schieksal des mit 
Radium bestrahlten Spermachromatins im Seeigelei* sagt, dass sie 
in einer Vereinigung des Experiments mit den altbewährten 
Forschungsmethoden der exakten Beobachtung. d. h. der feineren 
mikroskopischen Analyse der experimentellen Ergebnisse bestehe. 
Unter Benutzung dieser Methode hoffte auch ich in den folgenden 
Abschnitten einiges Tatsachenmaterial geliefert zu haben zur 
weiteren Klärung unserer theoretischen Anschauung der Radium- 
strahlenwirkung auf den lebenden Organismus. Ich habe bei der 
Deutung meiner Ergebnisse mein Augenmerk besonders darauf 
gerichtet, wieweit sich die aus Versuchen an Fortpflanzungszellen 
gewonnene Uhromatinhypothese zwanglos auf die Radiumschädi- 
gungen von Gewebezellen anwenden lässt. ferner ob der Charakter 
der nach Radiumstrahlen auftretenden Veränderungen primärer 
oder sekundärer Art ist. 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 11 


II. Material und Methoden der Versuche. 


Ich beobachtete die Wirkung der Radiumstrahlen an den 
Schwänzen der Larven von Rana fusca und Amblystoma tigrinum 
Green (— Siredon piseiformis Shaw). Zuerst untersuchte ich Larven 
von Rana fusca, die mir Herr Geheimrat Hertwig zur Ver- 
fügung stellte. Fünf davon waren an der Schwanzspitze den 
Radiumstrahlen ausgesetzt worden, die beiden übrigen waren 
normale Larven, die zur Kontrolle dienten. Als die Larven be- 
strahlt wurden, waren sie ungefähr 2—3 em lang und es begannen 
sich bei ihnen schon die Hinterextremitäten in die einzelnen 
Abschnitte zu gliedern. Um die Tiere während der Bestrahlung 
unbeweglich zu machen, wurden sie in eine 0,01°/o Kokainlösung 
gebracht, bis sie auf Berührungsreiz nicht mehr reagierten, dies 
trat ungefähr nach fünf bis zehn Minuten ein. Dann wurden 
sie in reinem Wasser abgespült, in gerade gestreckter Lage auf 
eine dünne Glimmerplatte gelegt und mit wenigen Tropfen Wasser 
angefeuchtet. Die Glimmerplatte wurde nun in einer feuchten 
Kammer so auf der Radiumkaspel orientiert, dass nur das Schwanz- 
ende sich ungefähr in der Ausdehnung eines halben Zentimeters 
im Strahlenfelde befand. Zur Bestrahlung wurde entweder eine 
Kapsel mit 7,4 mg Radiumbromid oder eine zweite mit 55 mg 
Mesothorium benutzt. Die Versuchstiere blieben während der 
Bestrahlung völlig unbeweglich. Nach Beendigung des Versuchs 
wurden sie in grössere Gefässe mit frischem Wasser gebracht, 
wo sie sich allmählich von der durch das Kokain hervorgerufenen 
Starre und Unempfindlichkeit erholten. Bald begannen sie normal 
zu schwimmen und zu fressen und waren durch nichts mehr von 
normalen Tieren zu unterscheiden. Aus nachfolgender Tabelle 
ist zu ersehen, welches Präparat und welche Bestrahlungsdauer 
bei den verschiedenen Larven angewandt wurde, ferner der Tag 
der Abtötung und das Fixationsmittel. Die laufende Nummer 
bezieht sich auf die Nummer der Photogramme auf der Tafel, 
die den Sitzungsberichten der Kgl. Preussischen Akademie der 
Wissenschaften 1914 XXXIV beigegeben ist. Dort hat ©. Hertwig 
einen vorläufigen Bericht über die soeben erwähnten Experi- 
mente sowie die makroskopischen Beobachtungen, die dabei 
gemacht wurden, erscheinen lassen mit dem Titel: Die Ver- 
wendung radioaktiver Substanzen zur Zerstörung lebender Ge- 
webe. 


12 Walter Grasnick: 


Tabelle Versuchsreihel. 


Dauer der |abgetötet, 


Nr. Präparat Bestrahlung | nach | fixiert mit 


| 
| 
| | 
[ 
| 
| 


1?/a Stunden, 7 Tagen 


4a| 7,4 mg RaBr, | Pikrin-Sublimat 


| Eisessig 
5a! 7,4 mg RaBr 2 le) Be 
R a, i en ' Chromkali-Sub- 
5b 55,0 mg Mesothorium 1 Stunde 10 „1. BE.» 
x S ; | "4 Jimat-Eisessig 
6b 55,0 mg Mesothorium 1 RE | En Yen 
6 7,4 mg RaBr, 2 Stunden 14 „|| 1 


4b und 6a sind normale unbestrahlte Kontrollarven, die 
jedoch auch in derselben Weise kokainisiert und eine ent- 
sprechende Zeit in der feuchten Kammer aufbewahrt waren. 

Zur Ergänzung dieser Experimente bestrahlte ich im Winter- 
Semester 1915/16 im Anatomisch-Biologischen Institut die Schwänze 
Junger Axolotl (Siredon pisciformis). Die Tiere hatte ich aus Eiern 
aufgezogen, die mir in dankenswerter Weise Herr Dr. Heinrot, 
Kustos des Aquariums am Berliner Zoologischen Garten, zur 
Verfügung stellte. 

Für die Versuchsreihe II wurden Axolotl von ungefähr 
4 cm Länge benutzt, bei denen die vordere Extremität schon 
völlig entwickelt war und die hintere gerade hervorzusprossen 
begann. Diese Tiere wurden mit einer 0,01°/o wässrigen Kokain- 
lösung betäubt, alsdann auf ein Glimmerblättchen gelegt und reich- 
lich mit Wasser befeuchtet. Nachdem unter dem Mikroskop die normale 
Beschaffenheit des Schwanzes festgestellt worden war, wurde die 
Schwanzspitze in der Ausdehnung von ungefähr 1 cm von unten 
durch die Glimmerplatte mit einem Präparat von 25 mg Meso- 
thorium bestrahlt. Für die bereitwillige Überlassung des Präparats 
spreche ich Herrn Dr. Gudzent, Direktor des Instituts für 
Radiumforschung an der Universität Berlin, hierdurch meinen 
besten Dank aus. Das Präparat, das sonst zu therapeutischen 
Zwecken benutzt wurde, befand sich in einer 1 cm langen Silber- 
röhre mit 0,2 mm starker Wand und wurde bei der Anwendung in 
ein Bleifilter von 2 mm Wandstärke gesteckt, das einen ungefähr 
1 cm langen, trapezförmigen Schlitz enthielt, so dass die Strahlen nur 
durch diesen Schlitz genau 1 cm der Spitze des Axolotlschwanzes 
treffen konnten. Die Strahlen mussten also, ehe sie den Axolotl- 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 13 


schwanz trafen, durch 0,2 mm Silber, 4 mm Luft und eine dünne 
Glimmerplatte dringen, was für die Beurteilung der Ergebnisse 
dieser Versuchsreihe im Auge zu behalten ist. Um die Tiere 
dauernd feucht zu halten, fand die Bestrahlung in einer feuchten 
Kammer statt, sie dauerte 1'z Stunden. Danach wurden die 
Tiere wieder kurz unter dem Mikroskop beobachtet und sofort 
in frisches Wasser gebracht, wo sie sich schnell erholten und 
bald wieder normal zu schwimmen und zu fressen anfıngen. Die 
Tiere wurden in verschiedenen Zeitabständen nach der Bestrahlung 
mit Pikrin - Sublimat - Eisessigmischung abgetötet und fixiert und 
zwar je eines sofort, nach 17!/2 Stunden, 2, 3, 6, 10 und 15 
Tagen. Zur Kontrolle wurden 2 Axolotl ebenso narkotisiert und 
dann 1'/s Stunden auf einer Glimmerplatte in die feuchte Kammer 


gestellt. 
Tabelle Versuchsreihe Ill. 


Nr. | Bestrahlungsdauer abgetötet 

1 50 Minuten | sofort 

2 90 “ ınach 1 Tag 
3 50 5 R 5 Tagen 
As LO, 
See N 0%, 
6 50 . I RE NR 
1 50 ” 2) 32 7 
Bl eh 
I 30), m lin 
10 75 ; KO: 
11 Ta, 0, 
12 60 e „ 30 Minuten 
1321,.1:60 e B: 3 Tagen 
14 60 ” 2) 10 B) 
15 60 3 el „ 
in a0, nen, 


Da dieser Versuch wider Erwarten ausfiel (vergl. S. 17), 
bestrahlte ich 1 Monat später 5—6 cm lange Axolotl, bei denen 
sich auch die hintere Extremität schon deutlich gliederte, mit 
einem Mesothoriumpräparat von 50 mg, das sich in einer runden 
Messingkapsel befand und durch ein Glimmerblättchen nach aussen 


14 Walter Grasnick: 


abgeschlossen war (Versuchsreihe III). Auch für die Benutzung 
dieses Präparats, das der Kgl. Preussischen Akademie der Wissen- 
schaften gehörte, will ich nicht verfehlen, Herrn (Geheimrat 
Hertwig meinen Dank auszusprechen. 

Es wurde teils die Spitze, teils die Mitte des Schwanzes in 
der Ausdehnung von !/s bis 1 cm bestrahlt. Danach wurden die 
Versuchstiere, wie die der vorigen Versuchsreihe, jedes einzeln 
in ein besonderes Gefäss gebracht und täglich sorgfältig mit 
frischem Wasser und Futter (Daphnien) versehen. Die Bestrahlungs- 
zeiten und der Tag der Abtötung sind aus der folgenden Tabelle 
ersichtlich. Die Exemplare Nr. 1—11 sind an der Schwanzspitze, 
Nr. 12—16 an der Schwanzmitte bestrahlt. 

Die Bestrahlung wurdein einer feuchten Kammer vorgenommen. 
Die Tiere, die durch 15 Minuten langes Verweilen in 0,02—0,03°/o 
Kokainlösung betäubt waren, wurden für die Bestrahlung aus- 
gestreckt auf eine Glasplatte gelegt und stets mit Wasser benetzt 
gehalten. Da die Tiere schon ziemlich schwer waren, liess es sich 
trotz grösster Vorsicht nicht völlig vermeiden, dass ein Teil der 
die Glasplatte berührenden Cuticula mit daran haftenden Epithel- 
zellen an dem Glase kleben blieb; doch wurde es wenigstens er- 
reicht, dass die bestrahlten Stellen des Schwanzes vor dieser 
mechanischen Schädigung bewahrt blieben. Die Kapsel mit dem 
Mesothoriumpräparat wurde so über dem Schwanz auf einem Glas- 
rahmen montiert, dass die wirksamen Strahlen ausser der Glimmer- 
platte der Kapsel nur einen ungefähr 2 mm starken Luftraum und 
das Wasserhäutchen, mit dem das Tier benetzt war, zu durch- 
ınessen hatten, ehe sie die Gewebe trafen, an denen ihre Wirkungen 
untersucht werden sollten. Als Abtötungs- und Fixierungsmittel 
wurde eine Pikrin-Sublimat-Eisessigmischung benutzt. Unmittelbar 
vor und nach der Bestrahlung wurden die betreffenden Stellen des 
Schwanzes einer kurzen mikroskopischen Besichtigung unterzogen. 

Die Durchsichtigkeit der Gewebe des Schwanzes erlaubte 
die Zirkulation des Blutes in den Kapillaren und die Veränderung 
der Pigmentzellen deutlich am lebenden Objekt zu beobachten. 
Dieser Umstand liess die Benutzung der Amphibienlarven für die 
betreffenden Versuche günstig erscheinen, und ausserdem riet auch 
zur Benutzung von Frosch- und Axolotllarven, dass schon von den 
Eizellen und Embryonalstadien dieser Tiere genaue Versuche in 
grösserer Zahl vorlagen. 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 15 


III. Übersicht über die makroskopisch und mikro- 
skopisch beobachtetenV eränderungen.derbestrahlten 
Gewebe. 


Versuchsreihe I. 


Nach der Bestrahlung der Ranalarven ergab eine Besichtigung 
unter dem Mikroskop, dass das Blut in dem Netzwerk der 
Kapillargefässe noch normal zirkulierte. Nach 1—2 Tagen wurde 
dagegen ein Stillstand der Zirkulation in einigen Kapillaren 
beobachtet, die mit weissen und roten Blutkörperchen angefüllt 
waren, nur in den grösseren (efässen des muskulösen Teils der 
Schwanzspitze war die Zirkulation noch im Gange. Nach Ablauf 
einiger Tagen begannen atrophische Veränderungen der bestrahlten 
Schwanzspitze. Zuerst begann der Flossensaum zu schrumpfen, 
während er in der unbestrahlten Region mit dem normalen Wachs- 
tum der Larve an Grösse zunahm. Nach zweistündiger Bestrahlung 
mit 7,4 mg RaBrs fand sich nach 10—14 Tagen (5a und 6c) 
nur noch ein feiner, kaum wahrnehmbarer Saum an dem Teil der 
Schwanzspitze, der das Ende des Rückenmarks, der Chorda und 
eine Anzahl von Muskelsegmenten enthält. OÖ. Hertwig nimmt 
in der zitierten Akademieabhandlung (deren Darstellung ich hier 
folge) an, dass sich nur noch die Achsenorgane und wahrscheinlich 
auch nur in atrophischem Zustand erhalten haben. Bei den mit 
25 mg Mesothorium bestrahlten Tieren soll sich die vollständige 
Atrophie auch auf das Ende des Rückenmarks, der Chorda und 
auf die letzten Muskelsegmente erstreckt haben. Hertwig sagt: 
„Alle diese Teile sind hier mit der gallertigen Flossenplatte 
allmählich eingeschmolzen worden.“ 

Durch genaue mikroskopische Untersuchung der bestrahlten 
Schwänze in Frontal-Schnittserien ') konnte ich diese Beobachtung 
in wesentlichen Punkten ergänzen. Die durchschnittlich 7,5 « dicken 
Schnittte wurden mit Eisenalaun-Hämatoxylin und Pikrofuchsin 
oder mit Magentarot und Pikroindigkarmin gefärbt. 

Die auffälligsten Erscheinungen, die das mikroskopische 
‘ Bild der bestrahlten Schwänze bot, bestand in einer zottenartigen 
Hervorstülpung der Epidermis, die in später stärker geschädigten 
Stadien einer allgemeinen Verdickung der Epidermis Platz machte, 

y) Unter Frontalebene ist entsprechend der menschlichen Anatomie die 


durch die Medianlinie und Perlateralachse bestimmte und die ihr parallelen 
Ebenen verstanden. 


16 Walter Grasnick: 


ferner fielen die stark erweiterten, mit Blutzellen voll gepfropften 
Gefässe und der starke Austritt von Blutzellen in das Gallert- 
gewebe sofort auf. Die Zellkerne zeigten in Versuchsreihe 1 nicht 
deutlich die einheitlichen Änderungen wie in den beiden andern 
Reihen, was erklärlich wird, wenn man beachtet, dass schon von 
den beiden Kontrollarven die eine mehrere Mitosen in der Epidermis 
enthielt, während bei der andern solche nur vereinzelt vorkamen. 
In den mit 55 mg Mesothorium bestrahlten Larven waren jedoch 
überallbald nach der Bestrahlung pyknotische Kernformen an Stelle 
der Mitosen zu sehen. 

Im Gallertgewebe war ferner bei den stärker geschädigten 
Exemplaren eine wesentliche Schrumpfung und starke Ansammlung 
von Pigmentballen zu beobachten. 

Die Chorda zeigte bei dem Exemplar 4a erst geringe 
Schädigungen, die sich jedoch bei den übrigen stärker bemerkbar 
machten, besonders durch zahlreiche pyknotische Kerne und 
schliesslich völlige Zerstörung des blasigen Zellgewebes und eine 
durch Schrumpfung hervorgerufene Faltung der Chordascheide. 

Im Rückenmark zeigten :jedoch auch bei den Objekten, die 
starke Degeneration und Schrumpfung der Chorda aufwiesen, die 
Kerne völlig normales Aussehen. 

An der Muskulatur war nur bei der am stärksten geschädigten 
Larve 6b eine wesentliche Veränderung zu bemerken, die Muskel- 
fibrillen waren hier auseinander getrieben, wahrscheinlich durch 
die allgemeine Schrumpfung, die Kerne des Sarkoplasma waren 
jedoch normal. 

Die makroskopischen Befunde sind also nach einer allgemeinen 
mikroskopischen Übersicht dahin zu ergänzen, dass die Epidermis 
nicht geschwunden ist, sondern im Gegenteil Zottenbildung und 
Verdickung zeigt. dass das geschrumpfte Gallertgewebe mit Blut- 
zellen infiltriert ist, die sich auch in den erweiterten Gefässen 
anstauen, endlich dass die Chorda wesentlich degenerativem Zerfall 
unterliegt, während Rückenmark und Muskulatur sich verhältnis- 
mässig wenig und wahrscheinlich nur sekundär im Laufe der 
allgemeinen Schrumpfung verändern. 


Versuchsreihe 1. 


Die 4 cm langen Axolotl, die in der oben beschriebenen 
Weise 1'/g Stunden lang mit einem Mesothoriumpräparat von 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 17 


25 mg im Silberröhrchen bestrahlt wurden, zeigten danach unter 
dem Mikroskop weder an den Pigmentzellen noch in: der Blut- 
zirkulation irgend welche Veränderung. Auch nach 15 Tagen 
war mit blossem Auge und auch unter dem Mikroskop keine 
Abweichung vom normalen Aussehen zu bemerken. Dennoch 
wurde die ganze Reihe und zwei Kontrollen in 7—8u dicke 
Frontalschnitte zerlegt. Die mit Eisenalaun-Hämatoxylin gefärbten 
Schnitte zeigten im allgemeinen alle die gleiche normale (rewebe- 
struktur. Doch ergab eine eingehende Untersuchung folgenden durch- 
greifenden Unterschied zwischen Kontrollen und bestrahlten Tieren: 

In der Epidermis der äussersten Schwanzspitze der ersten 
Kontrolle fanden sich durchschnittlich drei bis vier Mitosen in 
jedem Schnitt, in dem von der betreffenden Epidermis umgebenen 
Gallertgewebe wurde ungefähr in jedem dritten Schnitt eine Mitose 
gezählt. Es wurden 56 Schnitte aus den verschiedensten Regionen 
des Schwanzes durchmustert. Die zweite Kontrolle zeigte auf 95 
gemusterten Schnitten aus den verschiedensten Höhenregionen 
in der Epidermis durchschnittlich fünf Mitosen im Hinterende 
jedes Schnittes, im zugehörigen Gallertgewebe in jedem vierten 
bis fünften Schnitt eine. 

Schon in dem sofort nach der Bestrahlung abgetöteten 
Exemplar war eine Abweichung in der Zahl und im Aussehen 
der Mitosen bemerkbar. Es wurden auf 55 Schnitten aus den 
verschiedensten Regionen des Schwanzes in demselben Raume wie 
bei den Kontrollen nur 59 Mitosen in der Epidermis und vier 
im Gallertgewebe gezählt, und diese Mitosen zeigten meist schon 
deutlich ein anormales Aussehen in der Form und Anordnung 
der Chromosomen, wie es im nächsten Hauptabschnitt genauer 
beschrieben und mit Abbildungen belegt werden soll. Die Schnitte 
des Exemplars, das 17!/a Stunden nach der Bestrahlung abgetötet 
wurde, zeigten überhaupt keine Mitosen, statt ihrer wurden in der 
Epidermis und auch im Rückenmark homogen gefärbte kleine (sog. 
pyknotische) Kerne und Häufchen noch kleinerer, ebenso gefärbter 
Kugeln beobachtet. Durch Abwesenheit jeglicher Mitosen und 
Auftreten von pyknotischen Kernen und Kugelhäufchen waren 
ebenfalls die Schnitte der folgenden Exemplare ausgezeichnet. 
In den Schnitten des zuletzt, 15 Tage nach der Bestrahlung ab- 
getöteten Exemplars, zeigten sich plötzlich neben pyknotischen 


Kernen auch wieder einige mehr oder minder normale Mitosen. 
Arehiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt. I. 2 


18 Walter Grasnick: 


Versuchsreihe III. 


Die Reihe III umfasste Axolotl von ungefähr 5—6 cm Länge, 
die mit 50 mg Mesothorium 30 bezw. 50, 60 oder 75 Minuten 
entweder an der Spitze oder an der Mitte des Schwanzes bestrahlt 
wurden (s. Tab. S. 13). 

Durch eine kurze Besichtigung unter dem Mikroskop über- 
zeugte ich mich jedesmal vor der Bestrahlung von dem normalen 
Verhalten der (Gewebe, besonders der Pigmentzellen und der 
Blutzirkulation. 

Die mikroskopische Besichtigung unmittelbar nach der Be- 
strahlung offenbarte eine starke Ausdehnung aller Pigmentzellen, 
die den Strahlen ausgesetzt waren. Schon nach halbstündiger 
Bestrahlung war diese Veränderung bemerkbar, nach Bestrahlung 
von 50 Minuten Dauer waren alle Pigmentzellen bedeutend ver- 
grössert und ihre vorher stumpfen Fortsätze in fein verästelte, 
baumartige Gebilde umgewandelt. Abbildung 1 zeigt Pigmentzellen 
vor und Abbildung 2 nach 50 Minuten Bestrahlung. Es sind für 
die Abbildungen Pigmentzellen gewählt worden, die nicht Teilen 
der Haut angehören, welche die für Axolotl charakteristischen 
grossen, dunklen Flecken zeigen. Durch die Ausdehnung der 
Pigmentzellen wurde eine Verdunklung der Haut hervorgerufen, 
die schon für das blosse Auge sehr auffällig war und bei den an 
der Mitte des Schwanzes bestrahlten Exemplaren sich wie ein 
dunkles Band um den Schwanz legte. Nachdem die Tiere wieder 
in frisches Wasser gebracht worden waren, hielt die Verdunklung 
durch die bestrahlten Pigmentzellen noch ungefähr eine Stunde 
an, um dann schnell schwächer zu werden. Nach vier Stunden 
waren die den Radiumstrahlen ausgesetzten Pigmentzellen nicht 
mehr von normalen zu unterscheiden. 

Die Blutzirkulation war nach der Bestrahlung unverändert, 
manchmal schien sie ein wenig beschleunigt. 

Die Veränderungen des bestrahlten Schwanzteiles wurden 
nun täglich am lebenden Tiere mit der Lupe beobachtet. Aus 
meinen über jedes einzelne Tier geführten Tagebuchaufzeichnungen 
kann ich folgende allgemeine Ergebnisse der makroskopischen 
Beobachtung zusammenstellen: Schon nach zwei bis drei Tagen 
zeigten sich besonders an den in der Mitte des Schwanzes be- 
strahlten Exemplaren in der Höhe der Chorda einige blasenartige 
Vorstülpungen der Epidermis und zwar an der bestrahlten Seite. 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 19 


Von diesen Blasen nahmen besonders eine oder zwei in den 
nächsten Tagen an Grösse zu, um jedoch fünf bis sechs Tage nach 
dem ersten Auftreten wieder völlig zu verschwinden. Statt dessen 
traten nun mehr und mehr eine schon früher von den Kanten 
dorsal und ventral beginnende Schrumpfung des Flossensaumes 
und eine seitliche Krümmung des Achsenstranges in Augenschein, 
Der allmählich schrumpfende Flossensaum nahm nach und nach 
wieder ein dunkleres Aussehen an, das durch das Verhalten der 
Pigmentzellen hervorgerufen wurde. Doch zeigte eine mikro- 
skopische Besichtigung eines neun Tage nach der Bestrahlung 
kokainisierten Exemplars, dass die Verdunklung jetzt nicht auf 
einer Ausdehnung der einzelnen Pigmentzelle, sondern auf der 
Zusammendrängung der Pigmentzellen beruhte, veranlasst durch 
die allgemeine Schrumpfung. 

Sowohl bei den an der Spitze wie den an der Mitte des 
Schwanzes bestrahlten Exemplaren machte sich ungefähr nach 
zehn Tage eine seitliche Krümmung des Achsenstranges (d. h. der 
Chorda und Muskulatur) bemerkbar. Diese Krümmung trat manch- 
mal schon etwas früher, öfter auch erst nach zwei Wochen auf. 
Die konvexe Seite der, Krümmung war stets (9 Fälle) nach der 
Seite gewandt, von der aus die Radiumstrahlen eingewirkt hatten 
(über die Deutung dieser Verhältnisse s. S. 32). 

Die Schrumpfungserscheinungen waren streng auf die bestrahlte 
Zone beschränkt, bei ihrem weiteren Fortschreiten nahm das 
Gewebe ein opakes Aussehen an, dann fand auch als Folge der 
Schrumpfung eine Stockung des Blutkreislaufes statt. Diese 
Hemmung war dann wohl wieder der Grund dafür, dass auch der 
hinter der bestrahlten Zone liegende Gewebeteil bei den an der 
Schwanzmitte bestrahlten Exemplaren zu degenerieren begann. 
Diese Degeneration führte bei einem Exemplar (Nr. 13) zum Ab- 
brechen des Schwanzes an der bestrahlten Stelle. 

Von der Serie III wurden nur die 50 Minuten an der 
Schwanzspitze bestrahlten Exemplare und zwei Kontrollen in 
7,5—10 « dicke Frontal-Schnitte zerlegt und nach Färbung mit 
Eisenalaun-Hämatoxylin und Pikrofuchsin der mikroskopischen 
Untersuchung unterworfen. Diese ergab im allgemeinen folgende 
fortschreitende Veränderungen nach der Bestrahlung: 

Das unmittelbar nach der Bestrahlung abgetötete Exemplar 


sah genau wie die Tiere der Reihe II scheinbar ganz normal aus 
DE, 


20 Walter Grasnick: 


in der Struktur seiner Gewebe. Doch.lehrte eine genaue Unter- 
suchung der besonders in der Epidermis vorhandenen Mitosen, 
dass deren Chromosomen immer anormal verdickt und angeschwollen 
sowie miteinander verklebt waren (s. Abbildung im histolog. Teil). 
Chorda und Muskulatur sahen völlig normal aus. Mitosen wurden 
in diesen beiden (Geweben nicht beobachtet. Die Mitosen des 
tückenmarks zeigten sich überall ähnlich verändert wie die der 
Epidermis, ebenso schienen die wenigen Mitosen des sonst normalen 
(sallertgewebes beeinflusst zu sein. Die BRlutgefässe waren meist 
leer oder doch nur mit wenig Erythrozyten erfüllt. 

Einen Tag nach der Bestrahlung zeigten sich in allen 
(seweben, besonders in Epidermis, Rückenmark und Inter- 
vertebralknorpelanlagen an Stelle der Mitosen piknotische Kerne, 
deren Aussehen im nächsten Hauptabschnitt näher beschrieben 
wird. Dasselbe war bei dem fünf Tage nach der Bestrahlung 
abgetöteten Exemplar zu beobachten, wo sich besonders auch in 
der Chorda die piknotischen Kerne vermehrt hatten. Ausserdem 
war die Epidermis nunmehr verdickt und mehrfach mit Falten 
und Ausbuchtungen versehen. Das Gallertgewebe selbst wies 
noch keine stärkeren Veränderungen auf, doch waren ausser den 
typischen Gallertzellen rundliche Zellen vorhanden ohne Plasma- 
fortsätze, mit feinvakuoligem Protoplasma und häufig „scheinbar“ 
mehreren Kernen (vgl. S. 24). Ich deute diese Zellen als Leu- 
kozyten. Die Blutgefässe waren schon am ersten Tage nach der 
sestrahlung mit Erythrozyten angefüllt. 

Im weiteren Verlauf (nach 10 und 17 Tagen) war immer 
eine starke Verdickung mit mehr oder minder feinen Vorbuchtungen 
an der Epidermis zu beobachten, auch lösten sich einige Epidermis- 
zellen los. Ausser den schon erwähnten Leukozyten wurden im 
hintersten Teil des Gallertgewebes auch Erythrozyten ausserhalb 
der Blutgefässe bemerkt, letztere selbst waren stark gefüllt und 
etwas erweitert. Ausser den erwähnten Veränderungen fanden 
sich am 10. Tage und später im Gallertgewebe nicht selten rund- 
liche Zellen in normaler Mitose. Normale Mitosen traten auch 
am 10. und besonders am 17. Tage wieder neben vielen 
pyknotischen Kernen im Ependym und besonders in der Fibrillen- 
schicht des Rückenmarks auf. Am 32. Tage fanden sich auch in 
der Epidermis wieder Mitosen, ausserdem aber auch viele pykno- 
tische, meist von Pigment umgebene Kerne. Die Schädigung der 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 21 


Chorda erstreckte sich am 17. und 24. Tage auch schon auf ein 
völliges Verschwinden des blasigen Zellgewebes, so dass zwischen 
den Chordascheiden nur noch Reste der Zellwände und pyknotische 
Kerne vorhanden waren. Jedoch waren diese Verhältnisse teilweise 
etwas unklar, weil schon eine normale Verdrängung der Chorda 
durch Wirbelanlagen und Intervertebralknorpel einsetzte. 

Die Muskulatur wies am 24. und 32. Tage ein etwas ver- 
ändertes Aussehen auf durch ein Auseinanderweichen der Fibrillen, 
deren Querstreifung aber noch deutlich erhalten war. 


IV. Cytologische und histologische Ergebnisse. 


Im folgenden werden die Veränderungen, welche die Radium- 
strahlen an Zellen und Geweben hervorgerufen haben, gemeinsam 
dargestellt. Die in den drei Versuchsreihen gleichartigen Ver- 
änderungen sollen immer vorangestellt und dann die Unterschiede 
besprochen werden. 


1. Epidermis und Cutis. 

In den drei Versuchsreihen kommt die Wirkung der Radium- 
strahlen auf die Epidermis besonders in zwei Punkten zum Aus- 
druck: erstens in einer Vernichtung der normalen Mitosen und 
zweitens in einer allmählichen Zottenbildung bezw. allgemeinen 
Verdickung. In der Epidermis aller Kontrollexemplare finden sich, 
zum Teil sogar recht zahlreich, Kerne in den verschiedensten 
Stufen der mitotischen Teilung. Die Chromosomen erscheinen bei 
Färbung mit Eisenalaun-Hämatoxylin scharf differenziert (Abb. 3). 
Dagegen sind die Mitosen der sofort nach der Bestrahlung abge- 
töteten Exemplare schon stark verändert. In Reihe II (Abb. 4) 
und Reihe III (Abb. 5) sind in keiner Mitose der bestrahlten 
Epidermis mehr die Chromosomen deutlich getrennt, sie haben 
teilweise Verdickungen gebildet und sind zu unregelmässigen 
Gebilden verschmolzen. Nach 17 bezw. 24 Stunden sind in der 
bestrahlten Epidermis überhaupt keine Mitosen mehr wahrzu- 

nehmen, statt dessen treten pyknotische Kerne (Abb. 8) und 
- Häufchen kleiner Chromatinkugeln (Abb. 6, 7, 13) auf. Ich nehme 
an, dass die ersteren aus der Stufe der Pro- und Telophase der 
Mitose, letztere aus Monastern und Diastern, also deutlich aus- 
gebildeten Chromosomen, hervorgegangen sind. Diese Kernformen 
finden sich in allen weiteren Exemplaren der drei Versuchsreihen. 


2 Walter Grasnick: 


Nur in den längere Zeit nach der Bestrahlung abgetöteten Tieren 
(II 15. Tag, III 6, 7, I 6b, 6c) finden sich auch wieder neben 
pyknotischen Kernen normale Mitosen oder doch wenigstens solche, 
die denen der Abbildungen 4 und 5 ähnlich sind. Das Proto- 
plasma der sich mitotisch teilenden Zellen zeigt ein abweichendes 
feinvakuoliges Aussehen (Abb. 3). Ebenso sieht auch das die 
pyknotischen Kerne umgebende Protoplasma in den wenige Tage 
nach der Bestrahlung abgetöteten Tieren aus, später schwindet 
es jedoch nach und nach, so dass die Uhromatinkugeln in einer 
Höhlung der Epidermis liegen (Abb. 8). 

Eine Schwierigkeit erfährt die Beobachtung der pyknotischen 
Kernformen besonders in der Reihe I dadurch, dass auch in und 
zwischen den Epidermiszellen zu kugelförmigen Ballen vereinigte 
Pigmentkörnchen vorkommen, die manchmal mit den gefärbten 
pyknotischen Kernen leicht zu verwechseln sind. Die Färbung 
mit Magentarot lässt jedoch den Unterschied zwischen Chromatin- 
und Pigmentkugeln deutlicher hervortreten, und an ungefärbt 
eingeschlossenen Präparaten sind die hier natürlich farblosen 
Chromatinkugeln auch durch etwas abweichende Lichtbrechung 
kenntlich. Besonders wichtig erweist sich die Beobachtung unge- 
färbter Schnitte bei III, sie lehrt, dass den ausser den normalen 
Mitosen vorkommenden Pigmentballen in der Epidermis fast stets 
pyknotische Kerne eingelagert sind, die bei Färbung mit Häma- 
toxylin schwer von dem umgebenden Pigment zu unterscheiden 
sind. 

Chondriokonten werden sowohl in der Epidermis der Rana- 
larven als der Axolotl beobachtet, in letzteren häufig als zier- 
liche Netze in den sogenannten Leydigschen Zellen. Ein Einfluss 
der Radiumstrahlen auf diese alloplasmatischen Zellbestandteile 
ist nicht festgestellt worden. 

Zellen mit Protoplasma von dem erwähnten feinvakuoligen 
Bau brauchen nicht immer Mitosen oder pyknotische Kerne zu 
enthalten. Es werden auch in Versuchsreihe I und Ill (besonders 
I 6b, 6c, 5a, III 6, 7) Zellen mit derartigem Protoplasma beobachtet. 
welche eine starke Volumenvergrösserung erfahren haben und 
zwei bis mehrere normale Kerne enthalten (Abb. 11). Über die 
Entstehung dieser nicht sehr häufig vorkommenden Zellen habe 
ich nichts Sicheres ermitteln können. Eine vielleicht zu Grunde 
liegende amitotische Kernteilung ist deshalb schwer nachweisbar, 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 23 


weil auch gewöhnliche Kerne in bestrahlter und unbestrahlter 
Epidermis nicht selten tiefe kerbartige Einschnitte aufweisen. 

Das zweite Hauptkennzeichen der bestrahlten Epidermis, die 
Verdiekung und Zottenbildung, ist nur in den Versuchsreihen I 
und III zu beobachten. Die Epidermis der Kontrollen ist in 
Reihe I einschichtiges Plattenepithel (Abb. 9), in Reihe III zwei- 
bis dreischichtiges Epithel. Sie ist mit einer feinen Cuticula 
von alveolärer Struktur bedeckt und liegt einer faserigen Outis- 
lamelle auf, der noch keine Zellen eingelagert sind. In Ver- 
suchsreihe III ist vom fünften Tage nach der Bestrahlung an 
eine Vermehrung der Zellschichten eingetreten, so dass nunmehr 
vier bis sechs und mehr Lagen von Zellen übereinander liegen 
mit sehr viel Chromatin- und Pigmentkugeln darin und dazwischen 
(Abb. 13, Pigment weggelassen). Über diese allgemeine Ver- 
diekung erheben sich noch besondere grössere und kleinere Vor- 
buchtungen, diese sind am stärksten auf den Frontalschnitten, 
auf denen auch die Chorda getroffen ist. 

Ein ganz ähnliches Aussehen zeigt die Epidermis in den 
stärker geschädigten Exemplaren der Reihe I (5b, 6b). Dagegen 
zeigen die mit schwächeren Dosen bestrahlten Exemplare dieser 
Reihe (4b, 5a) nur eine geringe Verdickung, dafür aber eine 
extreme Ausbildung von Zotten und Zöttchen. Die Zöttchen be- 
stehen in 4b meist nur aus einer einzelnen Zelle oder auch nur 
aus einem Zellfortsatz, der gewöhnlich feine Pigmentkörnchen 
enthält. Diese Epidermis enthält — was besonders betont werden 
muss — fast nur gewöhnliche Kerne. Die alveoläre Cutieula ist 
auch an den Zotten trotz der Vergrösserung der äusseren Ober- 
fläche gut erhalten (Abb. 10). Es scheint mir dies für die Auf- 
fassung Studnitkas zu sprechen, der die alveoläre Cuticula nur 
als exoplasmatisches, nicht aber alloplasmatisches Gebilde auffasst. 

In der Epidermis von 5b und 6b, die wie gesagt — 
im allgemeinen stärker verdickt ist, treten ausser pyknotischen 
Kernformen auch im Schnitt siegeliingförmige Kerne auf, d. h. 
Kerne, deren Chromatin nur als feiner Belag der Kernmembran 
erhalten geblieben ist, wie es in besonders auffälliger Weise 
Abb. 11 zeigt. 

Eine besondere Schädigung der Sinnesorgane der Seitenlinie 
in der Haut der Axolotl lässt sich nicht beobachten, durch die 
Schrumpfung werden sie natürlich oft wesentlich deformiert. 


24 Walter Grasnick: 


Die Cutis zeigt sich auf den Frontalschnitten, auch der 
Exemplare mit stark veränderter Epidermis, meist ziemlich eben 
oder doch im Verhältnis zur Zottenbildung der Epidermis nur 
wenig gewellt, dagegen weist sie auf den (uerschnitten von 6c 
eine stärkere Faltung auf. 

Einen Deutungsversuch für die beschriebenen Veränderungen 
in der bestrahlten Epidermis gebe ich nach der Besprechung der 
anderen Gewebe im V. Abschnitt dieser Arbeit. 


2. Gallertgewebe, Blut und Gefässe. 


Der grösste Teil der Schwänze wird vom Gallertgewebe ein- 
genommen, das gegen die Epidermis durch die Outislamelle ab- 
gegrenzt ist. Es besteht aus vereinzelten Zellen, die nach allen 
Seiten Protoplasmafortsätze aussenden. Im Gallertgewebe befinden 
sich die Blutgefässe und die Hauptmenge der Pigmentzellen, 
welche innen der Cutis und aussen den Gefässen und dem Rücken- 
mark aufgelagert sind. Die Pigmentzellen liegen bei dem Exemplar 
der Versuchsreihe III, das sofort nach der Bestrahlung abgetötet 
worden ist, flach ausgedehnt der Cutis an. Bei den später abge- 
töteten erscheinen sie mehr klumpig und bilden schliesslich in 
Form von grösseren Ballen den hauptsächlichen Inhalt des ge- 
schrumpften Gallertgewebes. 

Die Schrumpfung äussert sich in ihrem weiteren Verlaufe 
durch Verwirrung und Verklebung der Protoplasmafortsätze. Wenn 
die Schrumpfung sehr stark geworden ist (II 5 — 7, I 6b), 
finden sich im Gallertgewebe zahlreiche rote und weisse Blut- 
körperchen, die aus den Gefässen ausgetreten und zum Teil schon 
in Zerfall begriffen sind. Die noch erhaltenen Gefässe sind dicht 
gefüllt mit Blutkörperchen und häufig auf das Fünf- bis Sechsfache 
ihres ursprünglichen Volumens erweitert (Abb. 14). Jedoch schon 
lange vor diesem allgemeinen Austritt von Blutzellen sind im 
Galiertgewebe Leukozyten nachzuweisen. Sie haben im Gegensatz 
zu den Gallertzellen ein feinvakuoliges Plasma ohne Fortsätze 
und den charakteristischen, mehrfach eingeschnürten und ge- 
wundenen Kern, der häufig eine Mehrkernigkeit vortäuscht (Abb.15). 
Ausser den Leukozyten finden sich in dem veränderten Gallert- 
gewebe der Froschlarven im Schnitt kreisrunde Elemente ohne 
Kern, von immer gleicher Grösse und äusserst feinem retikulären 
Bau (Abb. 14). Auf Grund einiger beobachteter Übergangsformen 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 25 


glaube ich sie als das abgekugelte Stroma von Erythrozyten, 
deren Kern ausgetreten ist, deuten zu dürfen. 

Die Kontrollen zeigen auch einige Zellen des Gallertgewebes 
in mitotischer Teilung. Sofort nach der Bestrahlung werden auch 
im Gallertgewebe der drei Versuchsreihen die Mitosen vermisst. 
Doch finden sich in Versuchsreihe II und III schon wenige Tage 
später im Gallertgewebe wieder Mitosen mit völlig normalen 
Chromosomen, zu einer Zeit also, wo in sämtlichen andern Ge- 
weben die Mitosen fehlen und durch pyknotische und ähnliche 
Kernformen vertreten werden. Ich vermag diese Eigentümlichkeit 
nur in der Weise zu deuten, dass diese Mitosen von erst nach- 
träglich eingedrungenen Leukozyten herrühren, deren Fähigkeit 
zu mitotischer Teilung ich durch das Vorkommen von Mitosen 
innerhalb der Gefässe für erwiesen halte. Für diese Deutung 
spricht auch die Tatsache, dass sie abgekugelt sind und keine 
Protoplasmafortsätze besitzen. Da sich aber auch in mitotischer 
Teilung befindliche Gallertzellen etwas abzukugeln pflegen, dürfte, 
allein auf Grund der Beobachtung, hier keine sichere Entscheidung 
zu treffen sein (vgl. Abschnitt V, S. 28). 


3. Chorda und Wirbelanlagen. 


Die Chorda der Exemplare aus Versuchsreihe II zeigt ein 
normales Aussehen. Mitosen werden weder bei bestrahlten Tieren 
noch bei den Kontrollen beobachtet, doch finden sich in der 
Chorda der bestrahlten Schwänze hier und da pyknotische Kern- 
formen. Granz bedeutend ist dagegen die Veränderung der Chorda 
durch die Bestrahlung in Versuchsreihe I und Ill. In den Kon- 
trollen zu Versuchsreihe III zeigt die Spitze der Chorda noch 
ziemlich kompakte Zellen, die erst allmählich kranialwärts in 
das typische blasige Chordagewebe übergehen. Mitosen sind 
hier sehr selten, können jedoch in einigen Fällen sicher nach- 
gewiesen werden. 

Die Chorda ist von einer skeletogenen Schicht und Anlagen 
der Intervertebralknorpel umgeben; beide Gewebe zeigen häufig 
schön ausgebildete Mitosen auf den verschiedensten Stufen. 

In den Kontrollen der Versuchsreihe I reicht das blasige 
Gewebe bis in die äusserste Spitze der Chorda, Mitosen sind 
nicht nachweisbar. In den Exemplaren I 4b, II 1, 2, 3,4 
macht sich die Wirkung der Radiumstrahlen auf die Chorda eben- 


26 Walter Grasnick: 


so wie in Reihe lI nur durch das Auftreten pyknotischer Kerne 
bemerkbar. Eine für die bestrahlte Chorda charakteristische 
Form stellen die zu perlenschnurähnlichen Gebilden aufgelösten 
Kerne dar (Abb. 16 und 17). Der Eindruck einer Perlenschnur 
wird natürlich nur auf Schnitten hervorgerufen, in Wirklichkeit 
entspricht ihnen eine blasige Chordazelle, deren Wände dicht mit 
feinsten Chromatinkügelchen oder Tröpfehen bedeckt sind. 

In Versuchsreihe I und Ill tritt zu diesen Kernverände- 
rungen bald auch noch eine starke Schrumpfung und anschliessende 
vollständige Zerstörung der blasigen Zellen. Die Schrumpfung 
beginnt an der Spitze (Abb. 17). Sie erreicht schnell einen 
hohen Grad, so dass in I 6b, III 5—7 im bestrahlten Teil eigent- 
lich nur noch die Chordascheide erhalten bleibt, die in ihrem 
Innern nur Klumpen von pyknotischen Kernen und Reste der 
blasigen Zellen und des ÜChordaepithels birgt. Die Chorda- 
scheiden selbst scheinen direkt nicht verändert zu werden. Doch 
nähern sie sich durch die Schrumpfung einander und falten sich 
ein wenig. Hierbei auftretende Zerrungen lassen den faserigen 
Bau der inneren Chordascheide häufig viel deutlicher als an 
der normalen Chorda erkennbar werden. 

Auf die in der Anlage des Intervertebralknorpels und der 
skeletogenen Schicht vorkommenden Mitosen wirken die Radium- 
strahlen mit derselben Schnelligkeit wie auf die Mitosen in der 
Epidermis. Schon die Mitosen in dem sofort nach der Bestrahlung 
abgetöteten Exemplar (III 1) zeigen deutliche Veränderungen durch 
die Neigung der Chromosomen, zu verkleben und sich abzukugeln. 
Bei allen weiteren Exemplaren der Reihe III finden sich im Inter- 
vertebralknorpel und der skeletogenen Schicht stets für die 
Mitosen pyknotische Kernformen vor. 


4. Rückenmark und Spinalganglien. 


Die Kontrollen der Versuchsreihen Il und III zeigen im 
Rückenmark Mitosen, bei denen häufig die Zentrosomen als mit 
Hämatoxylin dunkel gefärbte Punkte und die Spindelfasern deut- 
lich zu erkennen sind. In Versuchsreihe I sind weder im Rücken- 
mark noch in den Spinalganglien Mitosen zu finden; bei den 
bestrahlten Exemplaren dieser Versuchsreihe sind denn auch in 
diesen Organen keine pyknotischen Kerne vorhanden. Selbst dort, 
wo in Reihe I auch die Chorda die stärksten Schädigungen auf- 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 27 


weist (6b, 6c, 5b), sind die Zellen des Rückenmarks und der 
Ganglien scheinbar unverändert oder doch nur durch die allgemeine 
Schrumpfung indirekt beeinflusst. 

Dagegen weisen in Versuchsreihe III die hier im Rücken- 
mark vorhandenen Mitosen zum Teil sofort nach der Bestrahlung 
eine gewisse Veränderung auf. Centriole und Spindelfasern sind 
bei ihnen noch gut sichtbar, doch beginnen die Chromosomen ihre 
Deutlichkeit zu verlieren. Nach fünf Tagen sind indessen über- 
haupt keine Mitosen mehr vorhanden, dafür kommen im Rücken- 
mark und den Spinalganglien zahlreiche pyknotische Kerne vor, die 
häufig in Einbuchtungen normaler Kerne liegen, ferner Chromatin- 
kugelhäufchen und auch hin und wieder siegelringförmige Kerne 
(Abb. 18). Letztere finden sich ausser in der Epidermis einiger 
Exemplare der Versuchsreihe I nur hier im Rückenmark der 
Versuchsreihe III. Am 10. Tage nach der Bestrahlung sind aber 
unter den Kernen der Fibrillenschicht des Rückenmarks auch 
schon wieder solche, die deutlich das Stadium mitotischer Teilung 
aufweisen. Zwar sind die Chromosomen noch teilweise undeut- 
lich, doch treten auch hier, besonders aber im Rückenmark der 
später abgetöteten neben pyknotischen und siegelringförmigen 
Kernen auch Mitosen mit deutlichen Chromosomen auf. 

Die gewöhnlichen Kerne des Rückenmarks ebenso wie die 
grossen Zellen der Spinalganglien und die Neurofibrillen lassen 
nirgends eine deutliche Beeinflussung durch die Radiumstrahlen 
erkennen, nur dass vielleicht auf der Stufe sehr starker allgemeiner 
Schrumpfung eine Verschiebung der Zellen und Wellung der 
Nervenfibrillen stattfindet. Doch ist auch noch in dem Gewirr 
von veränderten Gallertzellen, angestauten Blutkörperchen und 
Pıgmentballen das Rückenmark als deutlich strangförmiges Organ 
mit Zellen und Fibrillenschicht zu erkennen. 


5. Muskulatur. 


Die Muskelfasern, die in den untersuchten Schwänzen in 
Myomeren gelagert sind, und das sie umgebende Sarkoplasma sind 
von allen bestrahlten Geweben am wenigsten der verändernden 
Einwirkung der Radiumstrahlen unterworfen. Die Kerne des 
Sarkoplasma besitzen in Versuchsreihe I eine ovale Form ohne 
die Einkerbungen, wie sie besonders Epidermiszellkerne häufig 
zeigen, in Reihe IlI eine langgestreckte, flache Form ebenfalls 


IS Walter Grasnick: 


ohne Einkerbungen. In keiner Reihe wurde einer von ihnen im 
Stadium der Mitose angetroffen, was nach der Arbeit von A. W. 
Franz (Arch. f. mikroskop. Anat. 1915) über die Entwicklung 
der quergestreiften Muskelfasern als normaler Zustand anzusehen 
ist. Bei den bestrahlten Exemplaren sind, wenige zweifelhafte 
Fälle abgerechnet. niemals pyknotische Kerne vorhanden. Die 
Muskeltfibrillen weisen auch selbst in Fällen sehr starker allgemeiner 
Veränderung (z. B. II 7) immer noch deutlich die Querstreifung 
auf, jedoch weichen unter dem Einfluss der allgemeinen Schrumpfung 
die einzelnen Fibrillen besonders in der Mitte des Bündels aus- 
einander, während sie an ihren Enden in der plasmatischen 
Bildungsschicht in der ursprünglicheu Lage aneinander haften 
bleiben. 


V. Zusammenfassung der Ergebnisse, Deutungsver- 
such und Vergleich mit den Ergebnissen und 
Hypothesen anderer Autoren. 


Als eine der Hauptwirkungen der Radiumstrahlen auf die 
lebende Zelle ergibt sich aus meinen Versuchen wie denen vieler 
Autoren, die im historischen Überblick erwähnt sind, die Verwandlung 
von Kernen im Zustand der Mitose in pyknotische Kernformen. 
Bei meinen Versuchen macht sich diese Wirkung sofort nach 
der Bestrahlung geltend durch eine Verdiekung und Verklebung 
der Chromosomen und führt schon nach wenigen Stunden zu einer 
völligen Ersetzung der normalerweise vorhandenen Mitosen durch 
pvknotische Kernformen. Auf dieses Fehlen der Latenzperiode 
bei der Einwirkung der hRadiumstrahlen auf die mitotische 
Teilung ist meines Wissens bei experimentell-histologischen Unter- 
suchungen bisher nicht hingewiesen worden. Ich glaube mich 
ferner zu der Annahme berechtigt, dass im allgemeinen nur 
Mitosen oder Kerne, die vom Stadium der Mitose nicht weit 
entfernt sind, durch die Radiumstrahlen, und zwar wie gleich 
gezeigt werden soll, vornehmlich die y-Strahlen, in pyknotische 
IXernformen übergeführt werden, während sogenannte ruhende Kerne 
verhältnismässig widerstandsfähig sind. Es sprechen für diese 
Annahme folgende Tatsachen: Beim Auftreten der pyknotischen 
Kernenach der Bestrahlung sind die Mitosen sämtlich verschwunden, 
dagegen normale ruhende Kerne in derselben Menge wie vorher 
vorhanden. Ferner treten unter den Kernen des Muskelsarko- 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische (Gewebe. 29 


plasmas und in Versuchsreihe I auch im Rückenmark, wo die 
Kontrollen keine Mitosen aufweisen, im bestrahlten Gewebe keine 
pyknotischen Kerne auf. Schliesslich lässt sich noch für eine 
grosse Widerstandskraft der ruhenden Kerne geltend machen, dass 
nach einer gewissen, für die einzelnen Gewebe verschieden langen 
Zeit nach der Bestrahlung wieder Mitosen auftreten, was sich 
nur so deuten lässt, dass sich nun alle Kerne, die sich zur Zeit 
der Bestrahlung in Mitose oder in Vorbereitung dazu befanden. in 
pyknotische Kernformen verwandelt haben, dass dagegen die neu 
in das Stadium der mitotischen Teilung eintretenden Kerne wieder 
die Fähigkeit zur Bildung und normalen Anordnung der Chromo- 
somen besitzen. obwohl inzwischen häufig starke anderweitige 
Veränderungen der (Gewebe eingetreten sind. 

Der Angriffspunkt der y-Strahlen bei der Veränderung des 
Chromatins dürfte also bei meinen Versuchen vorwiegend ein 
während der Mitose auftretender Zustand, vielleicht ein Enzym 
sein. Damit braucht natürlich nicht gesagt zu sein, dass unter andern 
Bedingungen nicht auch ruhende Kerne durch Radiumstrahlen 
wesentlich verändert werden können. ‚Jedoch ist zu berücksichtigen, 
dass die ruhenden Kerne jüngerer Embryonen sich bei den Ex- 
perimenten wahrscheinlich häufig in der — wenn auch noch nicht 
sichtbaren — Vorbereitung zur Mitose befunden haben. 

Was das Auftreten von siegelringförmigen Kernen an ein- 
zelnen Stellen der bestrahlten Epidermis in Versuchsreihe I und 
des Rückenmarks in Versuchsreihe III betrifft, so möchte ich ihre 
Entstehung (falls sie auf dieselbe Wirkung der y-Strahlen, die 
zur Entstehung der pyknotischen Kerne geführt hat, zurückgeführt 
werden soll) derartig deuten, dass es sich hier um Kerne in 
beginnender Vorbereitung zur Mitose handelt, bei denen die 
Kernmembran noch nicht aufgelöst worden ist. Ich halte es aber 
für wahrscheinlicher, dass die siegelringförmigen Kerne nur 
indirekt der Radiumwirkung, direkt aber den Vorgängen der 
Schrumpfung und damit zusammenhängenden Erscheinungen ihre 
Entstehung verdanken. Für letztere Ansicht spricht das vornehm- 
liche Auftreten von zahlreichen siegelringförmigen Kernen dicht 
beieinander in stark abgeschnürten Falten der Epidermis (Abb. 11). 

Zu der Annahme, dass die soeben noch einmal betrachteten 
Veränderungen des in Mitose befindlichen Kerns im Gegensatz 
zu den übrigen (ewebeveränderungen besonders durch die stark 


30 Walter Grasnick: 


durchdringenden y-Strahlen hervorgerufen werden, veranlasst mich 
besonders das Ergebnis meiner Versuchsreihe II. Hier treten 
nur Chromatinveränderungen auf, während alle übrigen Erschei- 
nungen wie die der Schrumpfung und ihrer Folgen unterbleiben. 
Ich kann dies nur durch die Unwirksammachung der £-Strahlen 
durch die Filter (0,2 mm Silber + 4 mm Luft + Glimmerplatte) 
‚erklären. Im gewissen Sinne wird meine Ansicht auch durch die 
neueste Arbeit Packards (1915) unterstützt. Packard hat bei 
einigen Versuchen die -Strahlen eliminiert und durch die reinen 
y-Strahlen nur eine Beeinflussung der Mitosen, allerdings im 
Sinne einer geringen Beschleunigung der Zellteilung, beobachtet, 
während die sonst wahrnehmbaren Veränderungen des Protoplasmas 
unterbleiben. 

Der Umstand, dass die pyknotischen Kerne nicht selten 
einige Zeit nach der Bestrahlung mit Pigmentkörnchen und -ballen 
zusammen auftreten, hat mich zu einer hypothetischen Betrachtung 
veranlasst, die ich trotz ihrer unsicheren Grundlagen hier wieder- 
geben möchte. An ungefärbten Präparaten sind Pigmentkörnchen 
und Chromatinkügelchen immer deutlich zu unterscheiden (s. 8. 22), 
es ergibt sich dabei (besonders deutlich III 7) die Tatsache, dass 
längere Zeit nach der Bestrahlung die pyknotischen Kerne von 
Pigment häufig reichlich umgeben sind. Es ist ja nun möglich, 
dass sich das Pigment in den Hohlräumen der Epidermis, 
die sich um pyknotische Kerne nicht selten zu bilden pflegen 
(s. Abb. 8 und 11), angesammelt hat. Doch muss auch die 
Möglichkeit erwogen werden, dass hier ein direkter Übergang 
von Kernsubstanz in Pigment stattfindet. Es ist auch von 
kosenstadt (1897)') u. a. eine normale Einwirkung des Kerns 
auf die Pigmentbildung angegeben worden. In meinen Versuchen 
wäre dann diese Pigmentbildung durch die Wirkung der Radium- 
strahlen begünstigt worden. Das Ganze müsste als ein Desoxy- 
dationsprozess des Uhromatins in das sehr kohlenstoffreiche ?) 
Pigment angesehen werden. Dass derartige Reduktionsprozesse 
durch die Radiumstrahlen bewirkt werden, dafür sprechen die 
Versuche von M. Zuelzer und Willcock, die unabhängig von- 
einander entdeckten, dass chlorophyllhaltige Organismen wie 


!) Zitiert von W. Krause im Handb. der Entwicklungslehre der 
Wirbeltiere, 2. Bd., 1. Teil, S. 309. 
?) An derselben Stelle erwähnt. 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 3l 


Paramaecium bursaria, Euglena und Hydra viridis sich widerstands- 
fähiger verhalten als ähnliche Protozoen und Hydren ohne Chloro- 
phyli, weil sie in ihrem bei der Assimilation Sauerstoff abgebenden 
Chlorophyll eine Ausgleichsquelle gegen die reduzierende Wirkung 
der Radiumstrahlen besitzen. 

Bei der auffallend starken Schädigung des Chordagewebes 
durch die Radiumstrahlen in Versuchsreihe I und IIl reicht es 
schon nicht mehr aus, diese nur durch die Vermittlung zerstörter 
Mitosen, die ja in der Chorda der untersuchten Kontrollen recht 
selten sind, zu erklären. Es kommt hierfür wohl die Wirkung 
der 5-Strahlen in Betracht, die sich in der Gallerte des Gallert- 
gewebes und in dem zelligen Bindegewebe der Chorda durch die 
Auslösung einer starken Schrumpfung geltend macht. Bei der 
Chorda der Tiere aus Versuchsreihe IlI kann man die Verstärkung 
autolytischer Enzyme durch die Radiumstrallen annehmen, da es 
sich hier um ein Gewebe handelt, das normalerweise schon in 
dem betreffenden Stadium durch die Anlage des stark wuchernden 
Intervertebralknorpels und der Wirbelanlagen rückgebildet wird. 

Der Schrumpfung des Gallertgewebes steht die Zottenbildung 
und Verdickung der Epidermis gegenüber, wobei man zum Teil 
erstere als Ursache der Epidermisveränderung betrachten muss. 
Es würde sich also um eine Pseudometaplasie eines Epithels 
handeln, wie Herxheimer!) eine „Formveränderung von Epithel- 
zellen“ nennt. „die durch äussere mechanische Momente hervor- 
gerufen werden, während an der spezifisch grundlegenden Struktur 
der Zelle nichts geändert wird.“ 

Doch widerspricht solcher Auffassung der Epidermisverän- 
derung nurals reiner Pseudometaplasie, ausgelöst durch Schrumpfung 
des darunter liegenden Gallertgewebes, der Umstand, dass die 
Cutis auf den Frontalschnitten fast ganz eben und auf den Quer- 
schnitten auch nicht in dem Maße gefaltet erscheint, wie die 
Oberfläche der Epidermis. Es wird also wahrscheinlich auch noch 
eine direkte Wirkung der #-Strahlen auf die Epidermiszellen zur 
Zottenbildung und Verdickung beitragen. Eine solche „Verän- 
derung der spezifisch grundlegenden Struktur der Zelle“ ist besonders 
augenscheinlich in den grossen mehrkernigen Zellen mit vakuoligem 
Protoplasma (Abb. 12) gegeben, auch scheinen die übrigen Zellen 


2) Die Morphologie der Missbildungen des Menschen und der Tiere, 
herausgegeben von E. Schwalbe, 3. Teil, 10. Lieferung, Anhang, 2. Kap. 


32 Walter Grasnick: 


in den Zotten und Vorbuchtungen besonders der Versuchsreihe I 
etwas an Volumen und gleichzeitig besonders an Durchsichtigkeit 
zugenommen zu haben, was auf einen Zustand stärkerer Quellung 
schliessen lässt. Auch Packard beschreibt (1915), dass die 8-Strahlen 
eine Vergrösserung der (uellbarkeit (water holding power) des 
Protoplasmas bewirken. Ob zwischen der Schrumpfung des Gallert- 
gewebes und der Verdickung (Aufquellung) der Epidermis noch 
ein anderer kausaler Zusammenhang (etwa in einer Veränderung 
der Permeabilität der Cutislamelle bestehend) vorhanden ist, lässt. 
sich auf Grund der histologischen Untersuchung nicht sagen. 
Unter diesem Gesichtspunkte würde eine besonders starke Auf- 
quellung der dem Mesothoriumpräparat zugewandten Epidermisseite 
die (S. 19) beschriebene Krümmung des Schwanzes voraussetzen. 
da deren konvexe Seite dem Präparat zugewandt ist. 

Jedenfalls ist eins aber ganz sicher. nämlich dass die Ver- 
diekung und Zottenbildung nicht durch eine Wucherung hervor- 
gerufen wird. die auf mitotischer oder amitotischer Zellteilung 
beruht. Zwar erweckt das histologische Bild zuerst durchaus 
den Eindruck einer Wucherung, wie sie ja auch von Guvot u.a. 
in der bestrahlten Epidermis von Säugetieren beobachtet worden 
ist. Doch zeigt eine genaue Analyse deutlich, dass ja sofort nach 
der Bestrahlung die mitotische Zellteilung aussetzt. und auf 
amitotische Teilung (besser Segmentierung) können allenfalls die 
beschriebenen mehrkernigen grossen Zellen (Abb. 12) zurückgeführt 
werden, doch liegt ja hier nur eine Kern- nicht aber Zellteilung 
vor. Im übrigen kommen noch selten langgestreckte Zellen vor, 
die an amitotische Teilungsvorgänge erinnern, sich aber auch in 
der Epidermis der Kontrollen finden und die in der Amphibien- 
epidermis häufig beschriebenen Wanderkerne sind. Auf ähnlichen 
Vorgängen wie den eben gekennzeichneten dürften auch die von 
OÖ. Levv als Framboisia beschriebenen Epidermisveränderungen 
junger, radiumbestrahlter Kroschlarven, sowie die von Stacho witz 
beobachteten gleichen Erscheinungen beruhen. 

Eine andere sehr auffällige, bisher noch nicht beschriebene 
Wirkung der Radiumstrahlen, wahrscheinlich besonders der 
ß-Strahlen, habe ich (Versuchsreihe III) in dem Reiz, den sie auf 
die Pigmentzellen ausüben, gefunden. Diese verteilen sich unter 
dem Einfluss der Radiumstrahlen nach kurzer Zeit in feinverästelte 
Fortsätze (Abb. 1 und 2). Es liegt hierin ein deutliches Beispiel 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 33 


von Radiotropismus oder besser, da eine bestimmte Reizrichtung 
fehlt, eine durch Radiumstrahlen ausgelöste Nastie ') der Pigment- 
zellen, die später wieder vorerst in ihren normalen Zustand zu- 
rückkehren, mithin nicht sofort durch die nastische Bewegung 
geschädigt werden. KRadiotropismus pflanzlicher Keimlinge ist 
von Molisch nachgewiesen worden; Becquerel.d. J. nimmt an, 
dass es sich hier nicht um direkten Radiotropismus, sondern um 
eine Wirkung des Lumineszenzlichtes auf die in voller Dunkel- 
heit gezogenen Keimpflanzen handelt. Eine Wirkung des sehr 
schwachen Lumineszenzlichtes ist bei der von mir beobachteten 
Radionastie der Pigmentzellen ausgeschlossen, da die bestrahlte 
Stelle des Tieres durch die Mesothoriumkapsel verdunkelt wird. 
während der übrige Teil des Tieres dem diffusen Tageslicht 
ausgesetzt ist. Dass die Verdunkelung nicht etwa Anlass gibt 
für die Ausdehnung der Pigmentzellen, ist durch einen 
Kontrollversuch nachgewiesen worden. Es dürfte somit die Radio- 
nastie der Pigmentzellen, wahrscheinlich besonders als Wirkung 
der 5-Strahlen, erwiesen sein. 

Was nun die elektive Wirkung der £- und y-Strahlen betriftt, 
so muss ich mich auf Grund von Tatsachenmaterial und theoretischen 
Betrachtungen gegen die Anschauung von Stacho witz wenden, der 
eine spezifische Empfindlichkeit einiger Gewebesysteme, insbesondere 
des Nervensystems gegen Radiumstrahlen, annimmt. Seiner Fest- 
stellung, dass sowohl aus radiumbestrahlten Ei- und Samenzellen 
gezüchtete Embryonen, als auch direkt bestrahlte junge Embryonen 
von Rana fusca die gleichen Schädigungen des Nervensystems 
aufweisen, habe ich die Tatsache entgegenzustellen, dass ältere 
Larven von Rana fusca eine gegen andere Gewebe geringe Ver- 
änderung des Nervensystems durch Radiumstrahlen aufweisen. Da- 
gegen zeigt die Chorda, dieaufGrund von Bestrahlungsexperimenten 
an Jungen Larven von Rana fusca und Siredon pisciformis als ein 
sehr dauerhaftes Gewebe geschildert wird (0. Levy, Stachowitz) 
starke Veränderung nach Bestrahlung in meinen Versuchen. Es 


!) Im Gegensatz zu den tropistischen und taktischen Reizbewegungen, 
. bei denen die Richtung des Reizes in einer ganz bestimmten Beziehung zur 
Richtung der Bewegung steht, handelt es sich bei den nastischen Bewegungen 
um Reaktionen, die entweder durch überhaupt nicht bestimmt gerichtete, also 
durch diffuse Reize veranlasst werden, oder bei denen doch eine even- 
tuelleReizrichtungohneEinfluss ist. (Strassburger: Lehrbuch 
der Botanik für Hochschulen, 11 Auflage, S. 274.) 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt. I. 3 


34 WaailteitiG ra snitechk: 


ist also sicher, dass ein Organ in den verschiedenen Stufen seiner 
Ausbildung eine verschiedene Empfindlichkeit gegen Radiumstrahlen 
besitzt; und ich nehme mit O. Levv an, dass der Grad der 
Empfindlichkeit, soweit die Wirkung der y-Strahlen in Betracht 
kommt. von dem Grad der Selbstassimilation des betreffenden 
(sewebes oder Organs bestimmt wird, dieser zeigt sich histologisch 
besonders durch die Zahl der zu beobachtenden Mitosen. Nur 
glaube ich im Gegensatz zu OÖ. Levy, dass ein Organ mit starker 
Selbstassimilation zwar durch einmalige Bestrahlung sofort stark 
beeinflusst wird, sich aber auch am schnellsten wieder erholt, 
so Jange die ruhenden Kerne nicht auch schon gelitten haben 
(vel. Wiederauftreten von Mitosen in bestrahlten (reweben, 8. 29). 

Eine primäre Schädigung der Blutgefässe, wie sie von Guyot, 
Danvse. in einigen Fällen auch O. Le vy angegeben wird, habe ich 
nicht bemerken können. Die bei meinen Versuchen auftretenden 
Blutstauungen sind immer erst eine sekundäre, durch Schrumpfung 
des Gallertgewebes ausgelöste Erscheinung. — 

Obwohl meine Versuche nicht systematisch nach dieser 
Riehtung hin angestellt worden sind, kann ich doch unter Be- 
rücksichtigung der Ergebnisse anderer Autoren, besonders O. und 
G. Hertwigs, O.Levys und Packards und der in der Radium- 
therapie jetzt häufig Anwendung findenden Abfilterung der #-Strahlen 
behaupten, dass meine Versuche ebenfalls eine Stütze bilden für 
folgende Theorie: 

Die y-Strahlen des Radiums und Mesothoriums verändern 
(unter Umständen sofort ohne jede Latenz) stark die normale 
Struktur der Kerne in mitotischer Teilung oder nicht weit vor 
bezw. nach der Teilung, die %-Strahlen dagegen üben auf das 
lebende (sewebe einen Reiz aus, der sich z. B. in der Radionastie 
der Pigmentzellen, in der Veränderung der (Quellbarkeit von Proto- 
plasma und Gallerte und damit zusammenhängenden Schrumpfungs- 
erscheinungen kund tut. Durch Zusammenwirkung von ß- und 
y-Strahlen entstehen die recht verwickelten, zum Teil sekundären 
Erscheinungen, die von den verschiedenen Autoren beschrieben 
worden sind. Es tragen zu der Verwicklung natürlich auch noch 
sehr stark bei die Beschaffenheit und der physiologische Zustand, 
besonders der Grad der Selbstassimilation der benutzten Versuchs- 
objekte. 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. 39 


Literaturverzeichnis. 


Albers-Schönberg: Über eine bisher unbekannte Wirkung der Röntgen- 
strahlen auf den Organismus der Tiere. Münch. med. Wochenschrift 
1903. S. 1859. 

Aubertin et Beaujard: Actions des rayons X sur le sang et la moelle 
osseuse. Arch. de med. exper.. T. 20. 1908. 

Aubertin et Delamare: Action du radium sur le sang. Soc. biol., T. 64, 
1908. 

Bardeen: Variations in susceptibility of amphibian ova to the X-rays at 
different stages of development. Anat. Record, Vol. 3, 1909. 

Derselbe: Susceptibility of amphibian ova to X-rays. Americ. Journ. of Anat., 
Vol. 12, 1911. 

Barlow and Bonney: The influence of Radio-Activity on the division of 
animal cells. Arch. of the Middlessex Hospital. Vol. 15, 1909. 
Barratt and Arnold: Cell changes in the testis due to X-rays. Arch. 

f. Zellforsch., Bd. 7, 1911. 

Bergoni6 et Tribondeau: Action des rayons X sur le testicule du rat 
blanc. Soc. biol., T. II, 1904, S. 400, 592. 

Dieselben: Action des rayons X sur les spermatozoides de ’homme. Ebenda, 
S. 595. 

Dieselben: Etude experimentale de l’action des rayons X sur les globules 
rouges du sang. Soc. biol., T. 65, 1908. 

Bohn: I. Influence des rayons du radium sur les animaux en voie eroissance. 
II. Influence des rayons du radium sur les @ufs vierges et fecondes 
et sur les premiers stades du developpement. Compt. rend. de l!’Acad. 
des sciences, T. 136, 1903. 

Danysc: De l’action pathogene des rayons et des &manations &mis par le 
radium sur differents tissus et differents organismes. Compt. rend. de 
l’Acad. des sciences, T. 136, 1903, p. 461. 

Ecker-Gaupp: Anatomie des Frosches, 3. Abteilung, S. 480 ft. 

Fabre: Action du radium sur les organismes vegetaux. Soc. biol., T. 70, 1911. 

Frieben: Hodenveränderungen bei Tieren nach Röntgenbestrahlungen, 
Münch. med. Wochenschr. 1905, S. 2295. 

Guilleminot: Effects des rayons X sur le cellule vegetal. Journ. de Physiol. 
et de la Path. gen. 1908. 

Derselbe: Absorption des rayons X par les tissus. Arch. d’Electr. med., 
190 

Guyot: Die Wirkung des Radiums auf die Gewebe. Centralbl. f. Path., 
Bd. 20, 1909. 

Handbuch der Radiumbiologie und Therapie. Herausgegeben von Lazarus, 

Berlin 1913. Mit Literaturverzeichnis von über 1000 Nummern. 

Harvey: On the pathological effects of Röntgen rays on animal tissus, 
Journ. of Path. and Bacter., Vol. 12, 1908. 

Hasebrock: Über die Einwirkung von Röntgenstrahlen auf die Entwicklung 
von Plusia moneta. . Fortschr. der Röntgenstr., Bd. 12, 1908. 


DER 
a2 


36 Walter Grasnick: 


Haecker und Lebedinsky: Über die beschleunigende Wirkung geringer 
Strahlendosierungen auf tierische Eier. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 85, 1914. 

Heinicke: Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf Tiere. Münch. 
med. Wochenschr. 1903, S. 2090. 

Derselbe: Über die biologische Wirkung der Radiumstrahlen, insbesondere 
über die Strahlenbehandlung bei bösartigen Geschwülsten. Naturw. 
Wochenschr., Jena, Bd. 29, 1914. 

Henri et Mayer: Action des radiations du radium sur les colloides, ’hemi- 
globine, des ferments et des globules rouges. Compt. rend. de l’Acad.. 
des sciences, T. 138, 1904, p. 521. 

G. Hertwig: Radiumbestrahlung unbefruchteter Froscheier und ihre Ent- 
wicklung nach Befruchtung mit normalem Samen. Arch. f. mikr. Anat., 
Bd.77, 191. 

Derselbe: Das Schicksal des mit Radium bestrahlten Spermachromatins beim 
Seeigelei. Ebenda, Bd. 79, 1912. 

Derselbe: Parthenogenesis bei Wirbeltieren, hervorgerufen durch artfremden,. 
radiumbestrahlten Samen. Ebenda, Bd. 81, 1913. 

0. Hertwig: Die Radiumkrankheit tierischer Keimzellen. 1. und 2. Teil. 
Bonn 1911 und Arch. f. mikr. Anat., Bd. 77, 1911. 

Derselbe: Versuche an Tritoneiern über die Einwirkung bestrahlter Samen- 
fäden auf die tierische Entwicklung. Ebenda, Bd. 82, 1913. 

Derselbe: Die Verwendung radioaktiver Substanzen zur Zerstörung lebender 
Gewebe. Sitzungsbericht d. Preuss. Akad. d. Wiss., 34, 1914. 

P. Hertwig: Durch Radiumbestrahlung hervorgerufene Veränderungen in 
den Kernteilungsfiguren der Eier von Ascaris megalocephala. Arch. t. 
mikr. Anat..»Bd..27, 1911. 

Dieselbe: Das Verhalten des mit Radium bestrahlten Spermachromatins im 
Froschei. Ebenda, Bd. 81, 1913. 

Dieselbe: Durch Radiumbestrahlung verursachte Entwicklung von halb- 
kernigen Triton- und Fischembryonen. Ebenda, Bd. 87, 1916. 
Koernicke: Über die Wirkung von Röntgen- und Radiumstrahlen auf 

pflanzliche Gewebe und Zellen. Ber. d. deutsch. Bot. Ges., Bd. 23, 1905. 

Derselbe: Weitere Untersuchungen über die Wirkung von Röntgen- und 
Radiumstrahlen auf die Pflanzen. Ebenda. 

Derselbe: Über die Wirkung verschieden starker Röntgenstrahlen auf Keimung 
und Wachstum bei den höheren Pflanzen. Jahrb. f. wissensch. Bot... 
Bd. 16, 1915. 

v. Korosy: Radioaktivität und Fermententwicklung. Arch. f. Physiologie, 
Bar137, 1911. 

O0. Levy: Mikroskopische Untersuchungen zu Experimenten über den Ein- 
fluss der Radiumstrahlen auf embryonale und regenerative Entwick- 
lung. Arch. f. Entwicklungsmech., Bd. 21, 1906. 

London: Das Radium in der Biologie und Medizin. Leipzig 1911. 

Maurer: Die Epidermis und ihre Abkömmlinge. Leipzig 18%. 

Molisch: Das Radium und die Pflanze. Vortr. d. Vereins z. Verbr. naturw. 
Kenntnisse in Wien. 53. Jahrg. 1913 (daselbst die andern Arbeiten 
Molischs zitiert). 


y- 


Die Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. al 


“)bersteiner: Die Wirkung der Radiumbestrahlung auf das Nervensystem. 
Wiener klin. Wochenschr. 1904. 

“)ppermann: Die Entwicklung von Forelleneiern nach Befruchtung mit radium- 
bestrahlten Samenfäden. 1. u. 2. Teil. Arch. f. mikr. Anat., Pd. 83, 1913. 

Packard: The effeet of radium radiations on the fertilization of Nereis. 
Journ. of Exper. Zool., Vol. 16, 1914. 

Derselbe: The effect of the beta and gamma rays of radium on protoplasm. 
Journ. of Exper. Zool., Vol. 19, 1915. 

Perthes: Einfluss der Röntgen- und Radiumstrahlen auf die Zellteilung. 
Deutsche med. Wochenschr.. Bd. 30, 1904. 

Phisalix: Influence de radiation du radium sur le toxicit“ de venin de 
vipere. Compt. rend. de l’Acad. des sciences, T. 138, 1904, p. 526. 

Regaud et Dubreuil: Actions des rayons de Röntgen sur le testicule de 
lapin. Soc. biol., T. 63, 1907, p. 647, 726. 

Seldin: Über die Wirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen auf innere 
Organe und den Gesamtorganismus der Tiere. Diss., Königsberg 1904. 

Schaper: Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der Radium- 
strahlen und der Radiumemanation auf embryonale und regenerative 
Voreänge. Anat. Anz., Bd. 25, 1904. ; 

Salomonson et Dreyer: Recherches sur les effects physiologiques du 
radium. Compt. rend. de l’Acad. des sciences, T. 138, 1904. 

Schwarz. G.: Über die Wirkung der Radiumstrahlen: eine physiologisch- 
chemische Studie am Hühnerei. Arch. f. Physiol., Bd. 100, 1903. 

Stachowitz: Veränderungen in der Entwicklung von Amphibienembryonen, 
die auf dem Stadium der Medullarplatte mit Radium bestrahlt wurden. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 85, 1914. 

Studnicka: Vergleichende Untersuchungen über die Epidermis der Verte- 
braten, Anat. Hefte, Bd.339, 1909. 

Thies, Wirkung der Radiumstrahlen auf verschiedene Gewebe und Organe. 
Mitteil. aus d. Grenzgeb. d. Med. und Chir. 1905. 

Jan Tur: Sur Tinfluence des rayons du radium sur le d&veloppement de la 
rousette Scyllium camiecula. ° Arch. de Zool. exper. et g@n., T. 5, 1906. 

Derselbe: Sur le d&öveloppement des &ufs de Seyllium exposes a l’action du 
radium. Compt. rend. de l’assoc. des anat., T. 13, 1911. 

Derselbe: Experiences sur l’action du radium sur le developpement de Pholas 
candula. Soc. biol., T. 70, 1911. 

Werner: Zur Kenntnis und Verwertung der Rolle Lecithin bei der bio- 
logischen Wirkung der Radium- und Röntgenstrahlen. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905, 1. Hälfte, S. 61. 

Derselbe: Zur lokalen Sensibilisierung und Immunisierung der Gewebe gegen 
die Wirkung der Radiumstrahlen. Ebenda 1905, 2. Hälfte, S. 1111. 

Willeock: The action of the rays from radium upon some simple formes 
of animal life, Journ. Phys., Cambridge, Vol. 30, 1904, S. 449. 

Wohlgemut: Zur Kenntnis von der physiologischen Wirkung des Radiums. 
Berl. klin. Wochenschr. 1904, S. 704. 

Zuelzer: Über die Einwirkung der Radiumstrahlen auf Protozoen. Arch. 
f. Protistenk., Bd. 5, 1903. 


38 


DV 


0 


Walter Grasnick: Die Wirkung der Radiumstrahlen usw. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel Il. 


. Reihe IIl: unbestrahltes Pigment des Schwanzes, vergr. ungefähr 50 X... 
. Reihe IIl: Pigment des Schwanzes nach !/«—1 Stunde Bestrahlung, vergr.. 


ungefähr 50 x. 


. Reihe Il: Mitose in der Epidermis einer Kontrollarve, vergr. 690 X. 
. Reihe II: Mitose in der Epidermis sofort nach 1'/» stündiger Bestrahlung, 


vergr. 546 X. 


. Reihe III: Mitose in der Epidermis sofort nach 50 Minuten Bestrahlung, 


vergr. 546 X. 
veihe II: Mitose in der Epidermis 17'/s Stunden nach 50 Minuten Be-- 
strahlung, vergr. 546 X. 


. Reihe III: Mitose in der Epidermis 5 Tage nach 50 Minuten Bestrahlung,. 


vergr. 546 X. 


. Reihe III: Mitose in der Epidermis 1 Tag nach 50 Minuten Bestrahlung,. 


vergr. 546 X. 
veihe I: Epidermis einer Kontrollarve, vergr. 690 X. 


. Reihe 1: Epidermis 7 Tage nach 1?/ı stündiger Bestrahlung mit 7,4 me 


RaBr,, vergr. 690 X. 


. Reihe I: Epidermis 10 Tage nach 1 stündiger Bestrahlung mit 55 ma 


Mesothorium, vergr. 690 X. 


. Reihe I: Epidermis 14 Tage nach 1stündiger Bestrahlung mit 55 me 


Mesothorium, vergr. 690 X. 
veihe III: Verhältnismässig wenig verdickte Stelle der Epidermis 32 Tage- 
nach 50 Minuten Bestrahlung, vergr. 690 X. 


>) 


. Reihe I: Erweitertes Gefäss und Umgebung 10 Tage nach 1 stündiger- 


Bestrahlung mit 55 mg Mesothorium, vergr. 546 X. 


. Reihe III: Gallertgewebezelle und Leukozyt im Gallertgewebe nach Be- 


strahlung, vergr. 546 X. 


. Reihe 111: Zelle aus der Chorda 24 Tage nach 50 Minuten Bestrahlung,. 


verer. 290 X. 


. Reihe I: Ende der Chorda 10 Tage nach 1 stündiger Bestrahlung mit 


55 mg Mesothorium, vergr. 146 X. 
teihe III: Kerne des Rückenmarks 32 Tage nach 50 Minuten Bestrahlung 
mit 50 mg Mesothorium, vergr. 546 X. 


Aus dem Zooloeischen Institut der Universität Lemberg unter der Leitung 
von Prof. Dr. Joseph Nusbaum-Hilarowiez. 


Über Plasmastrukturen in Sinnesorganen und 
Drüsenzellen des Axolotls. 
Von 
Dr. Cecylia Beigel-Klaiten, 
2. Assistentin am Zoologischen Institut der Universität Lemberg. 


Hierzu Tafel II und IH. 


In meiner im Jahre 1915 erschienenen Arbeit über die 
liegeneration des Geruchsorgans bei Cypriniden (1. 1915) beschrieb 
ich den in sämtlichen Zellen der Riechschleimhaut von Tinca 
vulgaris auftretenden Golgi-Kopschschen Apparat. Zugleich 
beschrieb ich diese Zellstruktur in demselben Organ beim älteren 
Axolotl. Da ich jedoch über kein embryologisches Material ver- 
fügte, musste ich damals auf das eingehendere Studium dieser 
Struktur verzichten. 

Da nun im Frühjahr des Jahres 1914 im hiesigen Zoolo- 
gischen Institut eine Axolotlkultur glückte, verwandte ich das 
Material zum Studium der Hautsinnesknospen und der Leydigschen 
Zellen, sowie auch der vielzelligen Drüsen, ferner der Sinnes- 
epithelien der Riechschleimhaut und Maculae acusticae. indem 
mich ausser dem Golgi-Kopschschen Apparate das Entstehen 
der von Kolmer (15. 1910) in sämtlichen Stützzellen der Sinnes- 
organe konstatierten „Stützfibrillen“ beschäftigte. Zum Studium 
der Zellstrukturen wurden folgende Konservierunes- und Färbungs- 
methoden angewendet. und zwar für: 

1. Kontrollbilder: Carnoys Lösung mit nachfolgender Fär- 
bung mit Hämatoxylin nach Heidenhain oder Delafield: 
— Sublimat, Tinktion nach Biondi-Heidenhain: 

2. Mitochondrien: Flemmings starkes Gemisch. Tinktion 
nach Benda, — Champys Gemisch (4, 1911) (Kali- 
bichromat - Chrom - Ösmiumsäure), Tinktion nach Kulls 
(16, 1913) Modifikation der Altmannschen Methode oder 
Hämatoxylin nach Heidenhain:; — Kopschs kali- 


40 Cecylia Beigel-Klaften: 


bichromat - Formol-Methode, Eisenhämatoxylin ; — Sublimat- 
Osmiumsäure (3:4), Tinktion: Hämatoxylin nach Heiden- 
hain, meistens nach Bleichung in Kalihypermanganicum 
und Oxalsäure; 

3. @olgi-Kopschschen Apparat: Cajals Silberreduktions- 
Methode (ohne Vorfixierung, modifizierte I. Methode 1905), 
— UCajal-Golgis Arsennitrat - Methode, — Kopschs 
Osmiumsäure-Methode (2°/o Osmiumsäure durch 10—12 
Tage bei 25°C), Kopsch-Weigl (32, 1912): Sublimat + 
Osmiumsäure (3:1) 3—5 Stunden, Wässerung, nachber 
Kopseh: 

4. Stützfibrillen: Kolmers Gemisch (Kalibichromat 10°/o 
+ Teile, Formol 4°/o 2 Teile, Eisessig 1 Teil), Tinktion 
nach Heidenhains Hämatoxylin oder Molybdänhämatoxylin. 


I. Genese der Stützfibrillen in Hautsinnesknospen, 
Riechepithel und Maculae acusticae. 


Die Befunde bezüglich des allgemeinen Baues der Sinnes- 
knospen und ihrer Hauptkomponenten beim geschlechtsreifen 
Axolotl sind in vollem Einklange mit den Schilderungen dieser 
Organe, die Bugnion (2, 1873), Merkel (22, 1880), Malbranc 
(20, 1876) und Kolmer (15, 1910) geliefert haben. Auch im 
Auftreten und der Verteilung der sog. Stützfibrillen kann ich 
der von Kolmer gegebenen Schilderung vollkommen beipflichten. 
Zum Nachweis dieser Strukturen bediente ich mich zwar des 
Kolmerschen Verfahrens, aber auch die Fixierung in Sublimat- 
Osminm ergab besonders schöne Resultate, indem die Schrumpfung 
der Zellelemente fast ganz ausblieb, und die Bilder auch an der 
Zellperipherie sehr distinkt hervortraten. In Fig. 1, die einen 
Längsschnitt durch eine Sinnesknospe aus der Kopfregion eines 
etwa ein Jahr alten Axolotls darstellt, ist die starke Ausbildung 
der Stützfibrillen wahrzunehmen, und zwar in den äussersten, 
zwiebelschalenförmig angeordneten Elementen „nur einzelne, längs- 
verlaufende, sehr ungleich die Farbe festhaltende Fäserchen‘, 
wie Kolmer schildert. Mehr gegen die Mitte finden wir ein 
Gewirre der wellig verlaufenden Fäden, die den ganzen plas- 
matischen Teil der Stützzellen ausfüllen und bis zu ihrer freien, 
äusseren Oberfläche sich erstrecken. — Die tlaschenförmigen, 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 41 


kurzen, zentralen Sinneszellen (sekundäre Sinneszellen) zeigen, 
wie auch Kolmer bemerkt. die Fibrillen nur andeutungsweise. 
Das Plasma dieser Zellen ist bedeutend dunkler und dichter als 
dasjenige der Stützzellen. Der grosse, meist runde Kern der 
Sinneszelle tingiert sich sehr intensiv, „oberhalb und unterhalb 
desselben finden sich mit grosser Konstanz eine Anzahl grober 
“sranulationen. die sich mit Hämatoxylin intensiv färben“. In 
unserer Abbildung sind die genannten Granulationen ausser- 
ordentlich prägnant. sie liegen besonders zahlreich unterhalb 
mancher Zellkerne, hier gleichsam eine Perlenschnur bildend, 
in unmittelbarer Nähe des Kernes, oder man sieht sie vereinzelt 
in einem kleinen Abstand vom Kern. In bezug auf die Herkunft 
dieser dicken Granulationen können Präparate, die nach den ver- 
schiedensten Methoden behandelt wurden, Aufschluss geben. So 
bemerkt man an Sublimatpräparaten, diemit Ehrlich-Biondischer 
l.ösung tingiert worden sind, wie überhaupt nach Tinktionen, 
die den Nukleolus vom Kernchromatin unterscheiden lassen, dass 
in den Sinneszellen — besonders in sehr jungen Sinnesknospen — 
eine Fragmentierung des Nukleolus in dieke Schollen stets vor- 
kommt. Nun kann man aber Bilder wahrnehmen, die eine Ab- 
schnürung kleiner Nukleolus- Fragmente sehr wahrscheinlich 
machen. Die Fig. 2 ist einem Präparate entnommen. das in 
Carnoys Flüssigkeit fixiert und mit Eisenhämatoxylin tingiert 
wurde: es kommen hier die kleinen lokalen Erhebungen am Kerne 
zum Vorschein. in welche sich die Nukleoluskörnchen einlagern. 
Dasselbe ist auch in Fig. 3 zu sehen, die eine Sinnesknospe eines 
6—S mm langen Axolotls, die nach der Altmannschen Methode 
behandelt wurde. darstellt. Auch sind oft am unteren oder 
oberen Pole der Sinneszellenkerne ein oder mehrere finger- 
förmige, kurze Fortsätze vorhanden, sogar bei ganz tadelloser 
Fixierung der Zellelemente, so in Fig. 1 in den an der Peripherie 
gelegenen Sinneszellen. Diese Fortsätze und Einkerbungen sind 
vielleicht als Schrumpfungen der Stellen des geringeren Wider- 
standes in der Kernmembran nach erfolgter Abschnürung der 
'Nukleolen-Fragmente zu deuten. 

Es liegen die oben erwähnten dicken Granula oft so eng 
dem Kerne an, dass man sich der Folgerung, sie wären mit den 
ausgestossenen Nukleolus- Fragmenten identisch, nicht ver- 
schliessen kann, wenn auch bisweilen das Rot der ausserhalb des 


42 Cecylia Beigel-Klaften: 


Kernes liegenden Granulationen bei manchen Tingierungen ein 
leuchtenderes und helleres ist, als dasjenige der Nukleolarkörnchen 
im Kerne, was entweder in einer spezifischen Differenzierung der 
Granulationen. oder bloss in der veränderten histo-chemischen 
Einwirkung der Umgebung seinen Grund hat. 

In sehr jungen Knospen, die bloss aus 2—3 Sinneszellen 
und einer geringen Zahl von Stützzellen bestehen, sind diese 
Granulationen in bedeutend erösserer Zahl unterhalb und ober- 
halb des Kernes vorhanden. Auch sind sie in diesem Stadium 
sehr klein (Fig. 2). und da wir sie in etwas älteren (Fig. 3) Sinnes- 
knospen in viel geringerer Zahl, aber stärkerer Grösse vorfinden. 
ist ein Zusammenfliessen der kleinen Körnchen zu endgültig am 
unteren Kernpol funktionierenden anzunehmen, und zwar im Zu- 
sammenhange mit einer ähnlichen Verwertung der oberhalb des. 
Kernes gelegenen (ranulationen. Dies bezieht sich nämlich auf 
die äussere, freie Oberfläche der Sinneszellen. Bei geschlechts- 
reifen Exemplaren hat Kolmer an der Oberfläche weder Sinnes- 
stifte, noch andere entsprechende Bildungen gesehen. \on jüngeren 
Tieren, bei welchen die Knospe in einem Grübchen liegt, sagt 
Kolmer: „es tragen alle Sinneszellen kleine Kappen, unterhalb- 
derer das Protoplasma der Zelle am dunkelsten gefärbt ist. Auf 
dieser Kappe, die durch Kittleisten mit den Stützzellenköpfen. 
wie in einer Membrana reticularis verbunden ist. steht der 
Sinnesstift. ein feiner Faden. der in die Zelle hineinzieht .... - 
/wischen den Sinnesstiften bemerkt man eine strukturlose, nur 
mit den Stützzellen zusammenhängende Masse. die schon von 
verschiedenen Autoren erwähnte, von anderen Seiten wieder 
bestrittene Kupula.“ Die oberflächliche Kappe ist in der von 
Kolmer beigefügten Figur sehr schwach tingiert. nur ihre Umrisse 
sind sichtbar, was die Folge der von ihm angewandten Methode 
ist, da nach Fixierung in Sublimat-Osmium, Flemmings oder 
CGhampys Flüssigkeit der periphere Teil der Sinnesknospe sich 
intensiv färbt und alle Details recht deutlich erkennen lässt. 
CarnoysMischung wirkt ähnlich der Kolmerschen: der verhältnis- 
mässig grosse Zusatz von Essigsäure wirkt destruierend auf die 
gleichen Elemente. 

In Fig. 1ı sind am distalen Ende der Sinneszellen durch 
Eisenhämatoxylin stark tingierte Bildungen zu sehen, die der 
Kappe entsprechen. Wir glauben diese Bildung ihrer Form nach 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 45 


als eine Scheibe (Diskus) auffassen zu dürfen, ähnlich der Kopf- 
platte der Haarzellen in den Maculae acusticae: nur sind die 
Bildungen in den Hautsinnesknospen bedeutend dicker. Der 
unmittelbare Zusammenhang des Sinnesstiftes mit dem in der 
Zelle vorhandenen, oft unmittelbar bis zur Scheibe sich ziehenden 
zarten Faden ist schwer zu konstatieren. Schneider (29. 1908), 
der auch in den Stützzellen der Salamanderlarve Stützfibrillen 
gesehen hat. sieht am basalen Teile des Sinnesstabes einen ihn 
umfassenden Ring, dessen Bedeutung für ihn unklar ist. Wenn 
also der Lage nach dieser Ring der Scheibe entspricht — so 
fehlt in ihr das weite Lumen, um sie als Ring ansehen zu können. 
An unseren Präparaten war stets ein deutlicher Sinnesstift zu 
sehen: die ihn umgebende strukturlose Hülle hatte die Form 
eines Konus. ‚Jede Sinneszelle besitzt einen Konus. der mit 
der sog. Kupula identisch ist. Kittleisten sind stets zu beobachten. 

In sehr jungen Knospen von 6—Smm langen Axolotl- 
embryonen findet man schon diese Kappen oder Scheiben als 
knopfartige Verdickungen am äussersten Zellende ausgebildet. 
In bezug auf Tingierung verhalten sie sich vollkommen analog 
den unterhalb und oberhalb des Kernes sich betindenden, bereits 
besprochenen, kleinen Granulationen. Man gewahrt oft an solch 
jungen Knospen eine Ansammlung der kleinen Körnchen. dicht 
am kaum angelegten Diskus, ihm unmittelbar anliegend, wo sie 
auch zur Bildung dieser Scheibe verbraucht werden. Nur sehr 
wenige erhalten sich noch in erwachsenen Sinnesorganen. 

In Fig. 1 sind aber auch die feinen, in Ketten geordneten 
Mitochondrien der Sinnesknospe zu sehen, und zwar in einer 
für die reife Knospe typischen Weise. Sowohl Stütz- als Sinnes- 
zellen enthalten kurze Granulaketten (Chondriomiten) oder auch 
ganz vereinzelte im Plasma zerstreute Chondriosomen. In den 
Sinneszellen befinden sich die Chondriomiten in grösserer Zahl 
und dichterer Anordnung, wasdie Ursache der intensiveren Tinktion 
des Plasmas dieser Zellen ist; in den Stützzellen liegen spärliche 
Granulaketten zwischen den Fibrillenzügen. Man bemerkt weiter, 
dass die Granulationen der Sinnesknospe feiner sind als diejenigen 
der umgebenden indifterenten Epithelzellen. Ganz anderen Ver- 
hältnissen begegnen wir in sehr jungen Knospen. die nach einer 
der eingangs zitierten Mitochondrien-Methoden behandelt wurden. 
In Fig. 4 ist eine Sinnesknospe eines etwa 6 mm langen Axolotls 


44 GCecylia Beigel-Klaften: 


‚abgebildet, in welcher die embryonale Ausbildung des Chondrioms 
zum Vorschein kommt. In den flaschenförmigen Sinneszellen 
ziehen dichte Reihen von Chondriomiten distal vom Kerne bis zur 
knopfartigen Verdickung der Scheibe, auch unterhalb des Kernes 
sind Chondriosomen vorhanden: in den die Sinneszellen um- 
gebenden Stützzellen ziehen ebensolche Granulaketten von ausser- 
ordentlicher Länge, an der äussersten Zellperipherie beginnend, 
bisweilen bis an das basale Ende der Zelle reichend. An der 
Zellperipherie liegen die Chondriomiten einander parallel, in den 
tieferen Plasmapartien ist ihr Verlauf kein regelmässiger, sie 
kreuzen einander und bilden Schleifen. Das hier angewandte 
Verfahren lässt auch die, obgleich in sehr geringer Zahl, dennoch 
schon vorhandenen Stützfibrillen zum Vorschein kommen: sie 
liegen nämlich zwischen den Chondriomiten als sehr feine, teils 
glatte, teils granulierte Fäden. Deutlicher ist ihr Auftreten in 
Fig. 53 zu sehen. Auch hier sind die Fäden an der äussersten 
Zellperipherie einander parallel, durchsetzen mit ihren Zügen die 
Zelle ihrer ganzen Länge nach. Im basalen Teile sind sie meistens 
schon einheitlich und glatt, im distalen. peripheren Teile ist ihr 
granulärer Bau noch deutlich. Die Zahl der Chondriomiten- 
ketten ist bedeutend vermindert, und es ist evident, dass die 
Lage, Form und Anordnung dieser ersten Stützfibrillen voll- 
kommen derjenigen der bereits geschilderten, ausserordentlich 
langen Chondriomiten entspricht. Die Feststellung der Tatsache, 
(dass die Chondriomiten zum Aufbau der sog. Stützfibrillen ver- 
braucht werden, ist insofern erleichtert, als der Vergleich reiferer 
Sinnesknospen mit sehr jungen, aus einer geringeren Zahl von 
Zellen bestehender Knospen sichere Anhaltspunkte bietet. 

So müssen wir feststellen, dass das Auftreten von Stütz- 
ftbrillen, deren basale Teile glatt, deren periphere dagegen granuliert 
sind, eine von den Fixierungstlüssigkeiten unabhängige Erscheinung 
ist, da wir dies nach den verschiedensten Mitochondrienverfahren 
stets beobachtet haben, und zwar dort, wo sich die Fibrillen 
erst differenzierten. Also in jungen Knospen liegen die granulierten 
Fäden in Stützzellen, die unmittelbar den flaschenförmigen Sinnes- 
zellen anliegen, in reiferen finden wir solche Bilder in den 
äussersten, zwiebelschalenförmigen, mit der indifferenten Epidermis 
angrenzenden Stützzellen. Da wir in dieser Region am häufigsten 
Mitosen begegneten, betrachten wir dieselbe als Wachstumszone 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 45 


der Stützzellen und somit auch als Difterenzierungsregion der 
Stützfibrillen. Wenn mithin in reiferen Sinnesknospen (Fig. 1) 
der periphere Teil der Knospe sich so darstellt, dass in den 
flaschenförmigen Sinneszellen sehr zahlreich Chondriomiten auf- 
treten und zwischen ihnen nur spärlich Stützfibrillen, in den dem 
Zentrum nächstliegenden Stützzellen ein umgekehrtes Verhältnis 
vorliegt. indem sehr zahlreiche Züge wellig verlaufender, glatter 
Stützfibrillen die Zelle durchziehen und nur spärlich kurze 
Chondriomitenketten vorhanden sind, wenn dagegen in den vom 
Zentrum am meisten entfernten, in der Wachstumszone der 
Stützzellen gelegenen Zellen die Fibrillen einen evident granu- 
lären Bau aufweisen und eine geringere Zahl der Chondriomiten 
als in den angrenzenden Epithelzellen vorhanden ist, — so können 
wir diese Verschiedenheit der Ausgestaltung nicht etwa auf lokale 
Mängel der Fixierung zurückführen. 

So ist auch die Äusserung Kolmers, dass an der Knospen- 
peripherie die Stützfibrillen nur vereinzelt, ungleich die Farbe 
festhaltend, auftreten, im Einklange mit unseren Befunden, denn 
die jungen Fibrillen sind sehr zart, tingieren sich schwach 
und erlangen, wie es scheint, nur allmählich ihre Widerstands- 
fähigkeit gegenüber der Essigsäure. In den äussersten Stütz- 
zellen sind in der Abbildung, die Kolmer seiner Beschreibung 
beifügt (Fig. 1, 1910), überhaupt keine Fibrillen sichtbar, 
an analogen Stellen der nach Mitochondrien-Methoden behandelten 
Knospen sind gerade die evidentesten Prozesse der Fibrillen- 
bildung wahrzunehmen. 

Die in jungen Sinnesknospen parallele Anordnung der Fibrillen 
stellt ein Entwicklungsstadium dar; wie eingangs erwähnt wurde, 
haben die Fibrillen in reiferen Knospen einen welligen Verlauf, 
obgleich in den äussersten Stützzellen noch solche von paralleler 
Anordnung vorzufinden sind. Das oben angeführte Verhältnis 
bestätigen vollkommen die in Carnoys Flüssigkeit fixierten und 
mit Eisenhämatoxylin tingierten Präparate. In jungen, 6—S mm 
langen Axolotl-Larven, wo die Anlage der Sinnesknospe schon 
‘vorhanden ist, sind nach der genannten Fixierung keine Fibrillen 
zu sehen, auch die Scheiben am distalen Ende der Sinneszellen 
tingieren sich nur sehr schwach, dagegen sind solche junge 
Knospen nach der Konservierung in Champys Mischung von 
Chondriomiten fast ganz überfüllt. 


46 Cecylia Beigel-Klaften: 


Beachtenswert ist der Umstand. dass weder in den Sinnes- 
knospen der Haut, noch in anderen Sinnesepithelien Chondrio- 
konten vorkommen, es sind stets Granulaketten oder vereinzelte 
Körner vorhanden. während im Knorpel ausser den genannten 
Formen auch sehr lange, einheitlich dicke Chondriokonten zum 
Vorschein kommen. 

In den Epidermiszellen finden sich beim Axolotl. ähnlich 
wie Luna (19, 1913) bei Bufo vulg. konstatiert. zwischen den 
Pigmentkörnern die Chondriomiten (neben kurzen Chondriokonten 
und Chondriosomen) am häufigsten. und ist die Form der ein- 
zelnen Elemente etwas voluminöser als in der Hautsinnesknospe. 
Auch liegen die Chondriomiten im indifferenten Epithel beim 
Axolotl wie auch bei anderen Tieren immer so, dass ein homo- 
gener Kutikularsaum von ihnen frei bleibt, dagegen erstrecken 
sie sich sowohl in den Sinneszellen als auch den Stützzellen der 
Iinospe bis an die äusserste Oberfläche dieser Zellen — in den 
Sinneszellen bis zur Scheibe reichend. 

Die Fibrillen der Gaumenknospen differenzieren sich in 
gleicher Weise. (Gelegentlich sei bemerkt. dass die Stäbchen- 
bildungen, die Kolmer (15, 1910) an der Oberfläche der Gaumen- 
knospen beschreibt, überhaupt auf der ganzen Gaumenschleimhaut 
sehr junger Axolotlexemplare vorhanden sind. 

Instruktiv sind ferner Entwicklungsstadien des Geruchs- 
organs. In Fig. 13 ist der zentrale Teil des Organs bei einem 
7—s mm langen Axolotl, nach Behandlung mit Champys 
Mischung und Kulls Modifikation der Altmannschen Methode, 
abgebildet. Die langgestreckten Riechzellen sind von Chondrio- 
miten fast vollständig angefüllt; nur kleine vakuolenartige Räume 
‚sind von ihnen frei. Auch in diesem Sinnesepithel erstrecken 
sich die Chondriosomen in Riech- und Stützzellen an die äusserste 
Peripherie, während sie in den angrenzenden Flimmerzeilen sich 
nur bis zum homogenen Kutikularsaum erstrecken. Weder in 
den Sinnes-, noch in den Stützzellen sind hier Chondriokonten 
vorhanden. Dasselbe konnten wir auch in den Maculae acusticae 
beobachten, wo übrigens sehr lange Granulaketten, besonders in 
den Stützzellen sehr junger Tiere, vorkommen. 

Sowohl an Hautsinnesknospen, als auch an den Maculae 
‚acusticae kann man wahrnehmen, dass die Kerne der Sinneszellen 
resp. Haarzellen sich nach den. beim Mitochondrienverfahren 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 47 


üblichen Tingierungen sehr intensiv färben und während der 
Differenzierung nur langsam die Farbe abgeben; auch scheint 
die Kernmembran von einer Schichte von Chondriosomen um- 
geben zu sein, die ihr unmittelbar anliegen, weshalb bei Ober- 
flächenschnitten der ganze Kern als dunkle Masse sich darstellt 
und durch dieses Verhalten von den Kernen des indifferenten 
Epithels. wo die Differenzierung eine bedeutend raschere ist, 
sich unterscheidet. 

Zwischen den langgestreckten, von Chondriosomen ganz 
überfüllten Zellen sind in Fig. 13 hellere Zellen zu sehen, die 
ebenfalls Granulaketten enthalten, wenn auch nicht so zahlreich 
wie die ersteren. Wir glauben, gestützt auf die bei älteren 
Tieren herrschenden Verhältnisse. diese dunklen, von Chondrio- 
somen fast ganz überfüllten Zellen als eigentliche Riechzellen, 
die helleren, mit geringerer Ausbildung des Chondrioms, als Stütz- 
zellen ansehen zu dürfen. Die Umrisse der letzteren sind nicht 
so deutlich wie die der ersteren, ein Verhalten. das wir auch bei 
um vieles älteren Tieren, so in Fig. 14, die eine entsprechende 
Partie aus der Riechschleimhaut eines etwa ein Jahr alten Axolotls 
abbildet, feststellen können. Zu diesem Unterschied trägt vor 
allem der enorme Gehalt an Chondriosomen bei, der die schmale 
Zelle fast ganz ausfüllt, ferner die morphologischen Eigentümlich- 
keiten der ganzen Zelle und ihres peripheren, Sinnesfortsätze 
tragenden Teiles. Während der Färbung verhalten sich die 
Riechzellen charakteristisch, indem sie sehr intensiv durch Säure- 
fuchsin oder Eisenhämatoxylin sich tingieren, erst nach längerem 
Differenzieren erscheinen die die Zelle ausfüllenden Chondrio- 
somen. 

Schon in sehr jungen Stadien sieht man in den Stützzellen 
die von Kolmer daselbst beschriebenen Stützfibrillen, und zwar 
in einer der Entwicklung dieser Elemente in den Hautsinnes- 
knospen ganz analogen Weise. Ausser kurzen, glatten Fäden 
sind solche von körnigem Bau zu sehen, oder aber sie sind teils 
glatt, teils granuliert, indem die granulierten Teile eines 
Fadens deutlicher als die glatten Fadenteile zum Vorschein 
kommen. Solche Fäden sind sowohl im basalen, als auch im 
peripheren Teile der langgestreckten Zellkörper vorhanden, was 
gegen die Annahme einer eventuellen schlechten Fixierung der 
Peripherie spricht. Es sei erwähnt, dass die von Kolmer an 


48 Gecylia Beigel-Klaften: 


der Oberfläche der Riechschleimhaut beschriebenen blasigen Ge- 
bilde („blasige Sekretion“) stets vorhanden waren. 

Betrachten wir noch die Macula acustica eines smm langen 
Axolotls, die in Fig. 15 zu sehen ist. Die kurzen Haarzellen 
sind von den langgestreckten Stützzellen leicht zu unterscheiden. 
In den ersteren sehen wir nur verhältnismässig kurze Chondrio- 
miten, die meistens am oberen Zellenpol unterhalb der Deckplatte. 
aber in unmittelbarem Kontakte mit ihr, eine Anhäufung bilden. 
In den schmalen Stützzellen sind ausserordentlich lange Chon- 
driomiten, die sich bis an die äusserste Oberfläche des Epithels 
erstrecken. vorhanden. Stützfibrillen waren in diesem Stadium 
noch nicht zu sehen, bei älteren Tieren sind sie jedoch sehr schön 
ausgebildet, und vermindert sich hier wie in den Stützzellen der 
Sinnesknospen und des Riechepithels die Zahl der Uhondriomiten, 
jedoch nicht bis zu totalem Schwund. Demgegenüber ist das 
Verhalten der Sinneselemente, so der Sinneszellen der Haut- 
knospen,. der Riech- und Haarzellen, durch die Persistenz des 
Chondrioms bis zu vollkommen reifen Stadien und auch fernerhin 
charakteristisch. 

Die Ausbildung des Chondrioms im Flimmerepithel, das die 
Gruppen der Riechzellen voneinander trennt, ist diejenige für 
Epithelien allgemein bekannte. Bemerkenswert ist die Gruppie- 
rung der Chondriomiten in zwei Gebiete. Erstens ist eine unmittelbar 
unter dem Cutieularsaum beginnende, in parallelen Zügen verlaufende 
Chondriomitenansammlung, deren Elemente nur selten den ganzen 
peripheren Plasmateil der Zelle durchziehen, und zweitens eine 
perinukleäre stärkere Ansammlung von Chondriomiten zu unter- 
scheiden (Fig. 14 und 10). Diese zweite Ansammlung sendet 
ihre Elemente auch in den sich verjüngenden, basalen Zellabschnitt. 
der, obgleich von Kernen der tieferen Epithelschichten umlagert, 
sich dennoch sehr gut verfolgen lässt. Zur Annahme solcher 
tegionen stärkerer Ansammlung der Chondriomiten verleitet der 
Umstand, dass fast in sämtlichen Flimmerzellen der zentrale 
Teil des peripheren, flimmertragenden Zellabschnittes nur von 
spärlichen Chondriomiten erfüllt ist, zwischen welchen ein 
hellerer, vom Chondriom fast völlig freier Teil sich abhebt. 
Wie später ausgeführt werden wird, befindet sich in diesem 
vom Chondriom fast freien Teile der Golgi-Kopschsche 
Apparat. 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 49 


Im basalen Teile der Flimmerzellen, in unmittelbarer Nähe 
des Kernes, bemerken wir sehr oft anstatt der kleinen Chondrio- 
somen dickere Schollen von runder oder ovaler Form, die einzeln 
oder auch zu drei bis vier zusammen liegen (Fig. 14 und 19). 
Es wird eine Wanderung dieser grossen Schollen beobachtet, 
indem man sie bisweilen vom basalen Zellabschnitte in den peri- 
pheren aufsteigen sieht, wobei sie, den engen Raum zwischen 
Kern und Zellgrenze passierend, sich zu langgestreckten, zylinder- 
förmigen Gebilden umformen. In färberischer Hinsicht verhalten 
sie sich gleich den Elementen des Chondrioms: Eisenhämatoxylin 
tingiert sie dunkelblau, Säurefuchsin rot, wenn auch bisweilen 
in einem helleren Ton als die Chondriomiten. Oft sieht man 
aber diese Gebilde (Fig. 14) in einer und derselben Zelle teils 
gefärbt. teils farblos, als helle kugelige Körper, deren Lage eine 
konstante ist. Da sich diese Gebilde jedoch in mikrochemischer 
Hinsicht auch gleich dem Golgi-Kopschschen Apparat ver- 
halten. werden wir auf sie später noch zurückkommen. 

/u den Stützfibrillen der Sinnesepithelien nun zurückkehrend. 
können wir mit Rücksicht auf ihr Entstehen sie in die Reihe 
jener Differenzierungsprodukte der Plastosomen stellen, die Meves 
(24. 1910) und Duesberg (6, 1910, 7, 1912) als „paraplastische 
Bildungen“ bezeichnen. Die Vermehrung der Fibrillen scheint 
auch hier — wie in den Beobachtungen Firkets (10, 1911) bei 
der Bildung des Glaskörpers des Huhnes — auf dem Wege der 
Längsspaltung vor sich zu gehen, da in reiferen Knospen, die 
Zahl der ein welliges Gewirre bildenden Stützfibrillen diejenige 
der recht dicken Chondriomitenketten der Embryonalstadien bei 
weitem übertrifft. Hierdurch soll natürlich nicht behauptet werden. 
dass die Stützfibrillen das einzige Difterenzierungsprodukt des 
embryonalen Chondrioms der Stützzellen sind — es ist hier 
lediglich ein Organellum in seiner Entwicklung verfolgt worden. 
Auch wird hier im Gegensatz zu den Befunden von Firket 
auf die Entwicklung der Fibrillen nicht aus Chondriokonten. 
sondern aus Chondriomiten (Granulaketten) aufmerksam gemacht, 
als auch auf die teilweise Persistenz des Chondrioms in den 
Stützzellen, während es bei der Bildung des Glaskörpers des 
Huhnes vollends zum Aufbau der Fibrillen aufgebraucht wird. 
Die Färbbarkeit nach anderen Fixierungsweisen wie die Plasto- 
somen teilen die Stützfibrillen mit anderen paraplastischen Bil- 

Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt. I. 4 


0 Ceeylia Beigel-Klaften: 


dungen, im besonderen mit den Protoplasmafasern der Epidermis, 
was auch Duesberg (6, 1910) an der Epidermis der Kaulquappe 
betreffs der in ihr vorhandenen dicken Fäden konstatiert. 


II. Über den Ursprung der Drüsengranula und der 
Langerhansschen Netze der Leydigschen Zellen. 


Die Untersuchungen von Regaud (27, 1909) und Mavas 
(21. 1909), Schulze (30, 1911) und Hoven (14, 1910) haben 
reichliche Beweise für die Verwertung des Chondrioms zur 
Granulabildung geliefert. Nichtsdestoweniger bietet die Ent- 
wicklung eines jeden Organs gewisse Besonderheiten, die auf den 
Prozess als solchen mehr Licht werfen. Umsomehr erwecken 
das Interesse Bildungen, über welche die verschiedensten Meinungen 
ausgesprochen worden sind, so die Langerhansschen Netze, 
denen eine Reihe von Autoren. wie Carriere (3. 1884), 
Pfitzner (26, 1884), Cohn (5, 1895), Leydig (18, 1868), 
Langerhans (17, 1871), Paulicki (25, 1884), Studnicke 
(31, 1909), Heidenhain (12, 1911), Meves (23, 1908) und 
Duesberg (7. 1912) ihre Aufmerksamkeit zugewendet haben. 
Die meisten Untersuchungen bezogen .sich jedoch auf ältere 
Larvenstadien, hauptsächlich der Salamander- und Tritonlarve, 
oder auf den erwachsenen Axolotl. Unsere Beobachtungen sind 
an sehr jungen, von 4—6 mm langen Axolotl-Exemplaren bis zu 
einjährigen und auch älteren Tieren gewonnen, und sind sie 
hinsichtlich der Verhältnisse beim erwachsenen Axolotl mit den 
überaus eründlichen Befunden Cohns und Heidenhains ın 
vollkommenem Einklange. Die Hauptergebnisse rekapitulierend, 
erwähnen wir, dass der von den Epidermiszellen umgebene 
kleinere Kern der Leydigschen Zelle die charakteristische Ein- 
kerbung schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium zeigt, 
dass diese Einkerbung ferner als konstante Erscheinung bei 
jeglicher Fixierungsweise zum Vorschein kommt. Leydigsche 
Zellen mit zwei Kernen finden wir nicht nur bei älteren Axolotl- 
Exemplaren: junge Stadien besitzen sie ebenfalls, wie überhaupt 
in bezug auf Zellteilungen bemerkt werden muss, dass auch 
während der Entwicklung verhältnismässig selten in den Leydig- 
schen Zellen Mitosen angetroffen werden. Die Zahl der 
Leydigschen Zellen scheint sich eher durch Differenzierung 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 51 


neuer Epithelzellen zu Drüsenzellen, als durch die Teilung letzterer 
zu vermehren. 

Das Verhalten der Drüsengranula gegenüber Eisenhäma- 
toxylin ist in Fig. 20 zu sehen, das mit Cohns Befunden völlig 
übereinstimmt. Was die Entstehung der Granulationen betrifft, 
sagt Cohn, auf Beobachtungen an der Tritonlarve gestützt, dass 
sie in den Fäden des im Zelleibe sich ausspannenden protoplas- 
matischen Fach- oder Septenwerkes eine spezifische Umwandlung 
‘des Protoplasmas selbst darstellen. Heidenhain (12, 1911) 
unterscheidet folgende Entwicklungsstadien der Leydigschen 
Zellen: „Erstlich treten in dem Zellenprotoplasma tropfenartige 
Gebilde in dichter Lagerung auf, durch welche die Zellsubstanz 
in ein Fach- oder Wabenwerk umgewandelt wird: die Substanz 
der Tropfen ergibt mit Vanadiumhämatoxylin eine Schleim- 
reaktion — jedoch möchte die Bezeichnung als Schleimzellen 
dadurch noch nicht gerechtfertigt sein. Zweitens bilden sich ın 
den Ecken des erwähnten Fachwerkes knotenartige Verdickungen, 
welche den serösen Drüsengranulis ähnlich sehen, jedoch aus 
einer direkten Metamorphose des Plasmas hervorgehen. Drittens 
brechen die erstentstandenen Vakuolen ineinander ein. und es 
bildet sich dadurch ein System von Strangwerken, welches die 
‚beschriebenen Knoten oder Granula zunächst im sich enthält. 
Allein die Strangwerke schwinden und die Körner werden 
dadurch frei. Schliesslich enthält die Leydigsche Zelle ım 
Innern ausser dem Kern und geringen Plasmaresten als Haupt- 
bestandteil eine Unsumme rundlich eckiger Körper, welche un- 
verbunden nebeneinander liegen.“ 

jezüglich des Langerhansschen Netzes, das in Fig. 20 
ebenfalls in einem etwas schräg geführten Tangentialschnitte zu 
sehen ist. ist seine Ausbildung vollkommen treffend von Cohn 
und Heidenhain geschildert worden — die Übereinstimmung 
der Bilder ist eine bis in die kleinsten Details vollkommene. 
Was die Genese des Netzes betrifit. so stellt es nach Paulicki 
und Gohn „rippenartige Verdickungen der Oberflächenschichte“ 
dar; nach Heidenhain ist es eine Differenzierung in der kinden- 
schicht des Plasmas, während Studnicka (31, 1909) das Netz 
aus Tonofibrillen. „die mannigfaltig sich vereinigend. an der Ober- 
fläche der durch keine wirkliche exoplasmatische Zellmembran 


aussen geschützten Drüsenzellen ein vollkommenes Gitter bilden“, 
4* 


52 Cecylia Beigel-Klaften: 

bestehen lässt, was jedoch Heidenhain durchaus ablehnt. Meves- 
(23, 1907) hat ferner die Frage aufgeworfen. ob die in der 
Weise wie Uhondriokonten sich färbenden Fäden des Langer- 
hansschen Netzes der Salamanderlarve mit solchen nicht identisch 
wären. Meves glaubt diese Frage bejahen zu können. da er 
anderenorts von dem Auftreten des Chondrioms in der Form von 
Netzen mit Berufung auf die in Rede stehenden Netze spricht. 
Auch sehen Meves und Samsonow (28, 1910) im Innern der 
Leydigschen Zelle spärliche Fadenkörner in der den Kern 
umgebenden Plasmaanhäufung. 

Die Behandlung sehr junger Axolotl-Exemplare nach den 
verschiedensten, eingangs erwähnten Methoden ergab folgendes: 
4—6 mm lange Tiere besitzen noch keine Leydigschen Drüsen; 
die aus zwei Zellschichten bestehende Epidermis lässt in dieser 
Hinsicht keine Differenzierungen wahrnehmen. Aber schon bei 
6—5 mm langen Individuen sind in beiden Epidermisschichten Zellen: 
vorhanden, die durch ihr helleres Plasma und ihre Grösse leicht 
auffallen. Der Kern der Zelle ist gross, zeigt aber bereits die 
Einschnürung und in reger Fragmentierung begriffenes. reiches 
Nukleom. Der plasmatische Teil der Zelle stellt sich je nach 
Anwendung verschiedener Reagenzien verschieden dar. 

So gewahrt man, nach Fixierung in Carnoysoder Kolmers 
Mischung und Tingierung mit Heidenhains Eisenhämatoxylin 
(Fig. 6), dass das helle Plasma aus einem dichten Fach- oder 
Septenwerk besteht. Weder in den Balken noch in den Maschen 
dieses Werkes sind nach obigen Behandlungsweisen irgend 
welche Granulationen zu sehen. Das Fachwerk füllt den Zelleib- 
bis an seine Peripherie aus, am dichtesten sind die Balken in der 
perinukleären Region. 

Wird jedoch die Epidermis dieses Stadiums nach Champy- 
Kopsch (Bichromat-Formol) oder Sublimat-Osmium fixiert, und 
nachher mit üblichen Färbungsmitteln wie Eisenhämatoxylin, Säure- 
fuchsin, Kristallviolett behandelt, so ist das Bild vervollkommnet, 
indem alle Balken von kleinen, fast einheitlich grossen, intensiv 
sich tingierenden Granulaketten durchsetzt sind. Nichtsdeste- 
weniger ist das helle Plasma der Balken gut zu sehen, so dass 
ein regelmässiges Bild entsteht, indem dieses hyaloplasmatische 
Fachwerk die Lagerung der Chondriosomen bestimmt. Dass die 
ersten Granulationen das Chondriom der Zelle darstellen, beweisen 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 53 


„die vorher erwähnten Bilder nach Carnoys Flüssigkeit — ferner 
‚der Umstand, dass in den umgebenden Epithelzellen ebenfalls 
nach diesem Verfahren keine Plastosomen, während sie bei den das 
Chondriom konservierenden Methoden sehr schön zum Vorschein 
kommen (Fig. S und 9), dass schliesslich in der zur Leydigschen 
Zelle sich differenzierenden Zelle keine andere Form des Chon- 
drioms als die genannten Granulationen auftritt; auch gehört 
hierher die von Carriere (3, 1884) beobachtete Tatsache, dass 
die ersten während der Entwicklung der Leydigschen Zellen 
zum Vorschein kommenden Körnchen durch Überosmiumsäure 
fixiert, durch wässerige Lösungen dagegen ganz oder zum Teil 
gelöst werden. 

In Fig. 9 haben wir einen Längsschnitt durch die junge . 
Drüsenzelle vor uns, in Fig. 7 einen Oberflächenschnitt mit regel- 
mässigen Balken und in dieselbe eingelagerten Chondriosomen. 
Dieses Stadium ist von grosser Wichtigkeit, da es einen gemein- 
schaftlichen Ausgangspunkt für die beginnende Differenzierung 
der Granula im Innern der Zelle einerseits, und die Bildung des 
Langerhansschen Netzes andererseits darstellt. 

Die einsetzenden Änderungen in den Chondriosomen äussern 
sich bald in den Färbungsunterschieden und dem Wachsen der 
Elemente. Die einen Balken füllenden Chondriosomen werden 
dicker, fliessen oft zusammen, dass sie kurzen Chondriokonten 
ähnlich sind, die jedoch ihre Verbindung mit anderen Balken 
lange behalten. (Gewöhnlich geht die Differenzierung an den 
Enden der kleinen Balken vor sich, woraus die wohlbekannten 
Bilder knotenartiger Verdickungen entstehen. Je grösser die 
Elemente werden, desto schwächer ihre Affinität zum Kristall- 
violett. Säurefuchsin und Eisenhämatoxylin. Die lose im Zelleibe 
herumliegenden Granulationen zeigen alle Abstufungen von 
dunkelrot resp. dunkelblau bis braungelb (Fig. 11) bzw. grau. 
Natürlich wurden die früheren Protoplasmabalken durch diesen 
Vorgang entweder ganz aufgebraucht, oder es sind seine Reste 
noch lange zwischen den einzelnen dicken Granulationen vor- 
handen. Das Zusammenbrechen des Fachwerkes findet aber 
hauptsächlich im mittleren Teile des Zellprotoplasmas statt. In 
unmittelbarer Nähe des Kernes, wie auch an der Zellperipherie 
bleiben die Balken erhalten. In ersterer Anordnung sind sie 
stets zu finden, sogar an bereits entwickelten Drüsenzellen älterer 


4 Cecylia Beigel-Klaften: 


Tiere (Fig. 20), wo die perinnkleäre Zone von in protoplasmatischen 
Balken eingelagerten Chondriosomen oder Chondriomiten ein- 
genommen ist. Oft ist diese ihre Anordnung in Balken eines 
Fachwerkes eine überaus schöne, manchmal sind die Maschen 
des Werkes sehr klein, wodurch unregelmässige Bilder entstehen, 
jedenfalls ist das Chondriom noch in reifen Ley digschen Zellen 
vorhanden (Meves, Samsonow). Nach Fixierung in Sublimat- 
Eisessig oder Kolm erscher Mischung stellt sich das perinukleäre 
Plasma als dunkler. homogener Hof dar, in welchem nur grössere 
Körner. also schon differenzierte Bildungen vorhanden sind, die 
jedoch nach Heidenhains Eisenhämatoxylin oder Säurefuchsin 
sich noch tingieren und so Übergangsformen zu den endgiltigen 
Granulationen darstellen. Somit ist das Heidenhainsche Schema 
der Entwicklung der Leydigschen Zellen dahin ergänzt, dass. 
die „knotenartigen Verdickungen“ des Protoplasmafachwerkes. 
Stadien der bereits zu Granulationen differenzierten Chon- 
driosomen und Chondriokonten darstellt, und glauben auch für 
die ersten „tropfenähnlichen Gebilde“ denselben Ursprung, wie 
für die anderen Zellgranula annehmen zu dürfen. Wie aus der 
Fig. 20 zu ersehen ist, tingieren sich die reifen Körner, resp. 
Fäden nicht mehr in der Weise der Mitochondrien; nach Kulls 
Modifikation (Fig. 12) sind sie bräunlichgelb, nach Eisenhäma- 
toxylin ist die charakteristische Entfärbung von der Peripherie 
in der Richtung gegen das Zentrum, wie dies bereits Cohn 
beschrieben hat, zu beobachten. Bisweilen ist die Entfärbung 
eine totale. Es sei bemerkt, dass die Granula gegenüber Säure- 
fuchsin vollkommen analog sich verhalten wie gegenüber Eisen- 
hämatoxylin, also rote Zentren mit gelben Randstreifen im Quer- 
schnitt oft zum Vorschein kommen. Vielleicht haben wir in 
diesem Zentrum ein Residuum des Chondriosoms, dessen Diffe- 
renzierung von der Peripherie nach dem Zentrum zuschreitet, 
oder es ist eine Folge der Fixierung. 

Es wurde oben bemerkt, dass die Protoplasmabalken mit 
dem in diese eingelagerten Chondriom an der Peripherie erhalten 
bleiben (Fig. 11). Die Änderungen, die sich hier vollziehen, sind 
denjenigen bei der Granulabildung auftretenden ganz ähnlich, 
mit dem Unterschiede, dass hier der Zusammenhang zwischen 
den Balken erhalten bleibt, die Chondriosomen sich mithin in 
den von dem protoplasmatischen l’achwerke sozusagen geformten 


l 
est 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. : 


Bahnen differenzieren, dieses Fachwerk in sich aufnehmen und 
verarbeiten. So entsteht das gitterartige Netz, das in jungen 
Drüsen eine ausserordentliche Regelmässigkeit aufweist (Fig. 7 
und 16), um erst später durch Wachstum die periphische Gestalt. 
wie sie Cohn und Heidenhain geschildert haben, zu erlangen. 
In jungen Stadien tingiert sich das Netz tatsächlich gleich dem 
Chondriom, wir können es aber keineswegs als eine primäre Form 
des Auftretens desselben betrachten: schon das Auftreten seiner 
Elemente, der Chondriosomen, in protoplasmatischen Balken des 
Fachwerkes, das spätere Schwinden einzelner Chondriosomen und 
die Differenzierung zu soliden, einheitlichen Balken, die beim Axolotl 
eine enorme Breite und Dicke erlangen, die gleichzeitige Ver- 
minderung der Affinität zu Säurefuchsin, Kristallviolett und Eisen- 
hämatoxylin (Fig. 12) spricht dagegen. Auf letzteren Umstand 
sei ausdrücklich hingewiesen. Wie in Fig. 12 zu sehen ist, färbt 
sich das Netz nach dem Mitochondrienverfahren in einem kaum 
intensiveren Ton als die reifen Granulationen, und sogar nach Eisen- 
hämatoxylin, das die Langerhansschen Netze am intensivsten 
tingiert, lässt sich leicht eine Entfärbung des Netzes unter 
prägnantem Hervortreten desperinukleären Chondriomiten, erzielen. 
Dass wir ferner in diesen Netzen „paraplastische Gebilde“ sehen 
müssen, folgt auch aus ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber 
das Chondriom schädigenden Reagenzien. was von den sehr jungen, 
in Entwicklung begriffienen Leydigschen Zellen (6—8 mm lange 
Tiere) nicht behauptet werden kann. 

Bei der Salamanderlarve, wo das Langerhanssche Netz 
aus schmalen Balken besteht, ist eigentlich die embryonale, regel- 
mässige Form des Netzes, die beim Axolotl ein Entwicklungs- 
stadium darstellt, zur funktionierenden während des ganzen 
Larvenlebens geworden. Nichtsdestoweniger sind auch bei der 
Salamanderlarve in frühen Entwicklungsstadien der Netze die in 
protoplasmatische Balken eingelagerten Chondriosomen zu sehen. 
Dagegen sind gar keine Anhaltspunkte für eine Fibrillärstruktur 
im Sinne Studnickas vorhanden. 

Ausser den Chondriomiten in der perinukleären Zone der 
Leydigschen Zelle finden wir hiermit beim Axolotl an der 
Peripherie dieser Zellen keine undifferenzierten Elemente des 
Chondrioms. Die von Meves und Samsonow (28, 1910) in 
dieser Region gesehenen Fäden gehören zum Langerhansschen 


56 Uecylia Beigel-Klaften: 


Netze, das eine hochdifferenzierte Bildung des C'hondrioms dar- 
stellt. Ausserhalb des Netzes sind wohl Chondriomen vorhanden, 
aber sie sind den zwischen den Leydigschen Zellen eingelagerten 
Epithelzellen zuzurechnen. 

Nach Behandlung der Leydigschen Zellen mit verschie- 
denen Fixierungsflüssigkeiten und den verschiedensten Tingie- 
rungen gewinnt man den Eindruck, dass zwischen den die Zelle 
ausfüllenden Körnern einerseits und dem Langerhansschen 
Netze andererseits in substantieller Hinsicht kein wesentlicher 
Unterschied vorliegt: das Netz scheint bloss solider, kompakter 
als die Granula zu sein, woher die Tönung in der Tinktion 
herrührt. Besonders ist das Verhalten nach Einwirken von Osmium- 
säure zu beobachten. Nach längerem Einwirken dieses Fixierungs- 
mittels stellen sich Körner und Netz als homogene, solide Balken 
resp. Granulationen dar, letztere öfters von eckigem, ausgezogenem 
“Wuerschnitt. Auch scheinen die Körner sich stark verlängern zu 
können, wodurch der dickfädige Habitus des Sekretes zustande 
kommt. Das Eindringen von Balken des Netzes zwischen die 
Granulationen ist besonders in jungen Drüsenzellen oft beobachtet 
worden; bisweilen verursachen diese ins Innere dringenden Balken 
eine Kammerung der Zelle, indem zwischen äussere und tiefer 
liegende Balken Granulationen eingeschlossen sind. Dieses Ver- 
halten stellt mit Rücksicht auf die hier angeführte Entwicklung 
der Leydigschen Zellen nichts Widersprechendes dar, indem in 
solchen Fällen die Differenzierung sich nicht streng auf die 
Rindenteile des protoplasmatischen Fachwerkes beschränkt, aber 
zugleich auch die Annahme einer spezifischen, vom embryonalen 
protoplasmatischen Fachwerke unabhängig tätigen Rindenschicht 
des Plasmas überflüssig macht. 

Ein protoplasmatisches Fachwerk mit in dasselbe ein- 
gelagerten Ühondriosomen haben wir ebenfalls in der Entwicklung 
der vielzelligen Giftdrüsen des Axolotls beobachtet. Sowohl in 
Schaltzellen, als auch in den auf verschiedenen Sekretionsstadien 
sich befindenden Drüsen sind die Chondriosomen vorhanden. In 
Fig. 15 ist eine junge Axolotldrüse abgebildet, die nach der 
Altmannschen Methode behandelt worden ist. Das homogene 
Plasmafachwerk mit eingelagerten, sehr kleinen fuchsinophilen 
Granulationen ist zwischen den grossen Sekretkörnern zu sehen. 
Dieses Plasmafachwerk ist zwar in jungen Drüsen auch nach ge- 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 57 


wöhnlichen Fixierungsweisen zu sehen, nicht aber das eingelagerte 
Chondriom: auch sei bemerkt, dass beim Axolot|l während der 
Bildung des Sekretesnie das Auftreten von Mitochondrien (Chondrio- 
konten) ausserhalb des Protoplasmafachwerkes beobachtet wurde, 
dass mithin die Bildung der Sekretgranula in den vielzelligen 
Drüsen wie in den Leydigschen Zellen auf Kosten der in 
plasmatischen Balken liegenden Chondriosomen resp. Uhondrio- 
konten sich vollzieht. 


III. Der Golgi-Kopschsche Apparat in den Sinnes- 
epithelien und Drüsenzellen des Axolotls. 


Wie erwähnt wurde, beschäftigte mich in den untersuchten 
Organen der Golgi-Kopschsche Apparat, den sowohl bei 
älteren, als auch sehr jungen Tieren zu studieren die Möglichkeit 
sich darbot. Unter den angewandten Methoden ergab Weigls 
35. 1912) Modifikation der Kopschschen Methode die weit- 
aus besten Resultate: die nach ihr behandelten Objekte geben 
für die vorstehenden Befunde das Hauptmaterial ab; während 
das Verfahren nach Kopsceh und Cajal (I. Methode) ebenfalls 
brauchbare Präparate lieferte, konnten die vermittels der Cajal- 
(rolgischen Arsennitrat-Methode erzielten Bilder nur vergleichs- 
weise herangezogen werden. Überhaupt wurde eine beträchtliche An- 
zahl von Material verbraucht, ehe es gelang, nach der letzt- 
genannten Methode gute Präparate aus der Epidermis der jungen 
Tiere zu erlangen. ‚Jedenfalls könnte nach den gemachten Er- 
fahrungen die Arsennitrat-Methode als einziges Verfahren zu 
eingehender Untersuchung durchaus nicht genügen. 

Wir beginnen mit der Beschreibung der Befunde in der 
Riechschleimhaut eines etwa ein Jahr alten Axolotls.. Wie man 
in den Fig. 24 und 26 sieht, ist der Golgi-Kopschsche 
Apparat sowohl in den Riechgruben, als auch in dem Falten bildenden 
Flimmerepithel in einer ausserordentlich klaren und distinkten 
Weise entwickelt. In Riech- und Stützzellen (Fig. 26) bildet er 
sehr lange, dünne Fäden, die den schmalen protoplasmatischen 
Zellkörper an seiner Peripherie zwischen Kern und äusserer Zell- 
obertläche durchziehen. Die Fäden beginnen in unmittelbarer 
Nähe des Kernes, ziehen unter mannigfachen Knickungen und Win- 
dungen aufwärts, oft Schleifen bildend; die Fäden sind sehr dünn, 


98 Cecylia Beigel-Klaften: 


tief schwarz und in ihrer nächsten Umgebung oder auch in ihrem 
Verlauf eingefügt oder als Varikositäten finden sich oft sehr kleine 
(sranulationen. die zu den Fäden in einer Beziehung zu stehen 
scheinen. Die Fäden aller Riech- und Stützzellen erstrecken sich 
recht weit in den langgestreckten Zellkörpern. einen breiten. von 
ihnen immer freien plasmatischen Raum zurücklassend. 

(senaue Musterung sämtlicher Zellen einer Riechgrube zeigt. 
dass die Ausbildung des Apparates in den Riech- und Stützzellen 
die gleiche ist. An isolierten Zellen stellt sich der Apparat so 
vor, wie er in Fig. 530 zu sehen ist, wo auch die periphere Lage 
der Fäden, besonders im basalen Zellteile. zum Vorschein kommt. 
Es ist schwer zu entscheiden. ob hier ein Netz ausgebildet ist. 
Anastomosen kommen sehr selten ver, am distalen Zellende, wo 
die Apparatfäden verschwinden, sieht man gewöhnlich in jeder 
Zelle zwei Fadenenden. An Querschnitten durch die Riech- 
schleimhaut ist die periphere Lage der Apparatfäden sehr deutlich 
zu sehen; so in Fig. 25, wo die Schnittrichtung etwas schief ver- 
läuft. Die Schleifen der Fäden umgeben die Peripherie der 
schmalen Zelle, ihr zentraler Teil ist von Fäden fast immer frei. 
Anders in den Flimmerzellen: hier stellt der Golgi-Kopschsche 
Apparat kurze, geknickte, sehr dünne Fäden dar, so in den 
Fig. 24 und 29. Auch hier liegen die Fäden in einem recht 
weiten Abstand von der äusseren Zelloberfläche und nehmen vor- 
wiegend den mittleren Plasmateil zwischen Kern und Lumen ein. 
wie es auch bei anderen Epithelien der Fall ist. In Fig. 27 
ist eine Partie des Riechepithels mit den angrenzenden Flimmer- 
zellen abgebildet. Die Ausgestaltung der Apparatfäden im Flimmer- 
epithel, das mehr in der Richtung gegen die Peripherie als die 
Riechzellen zu liegen kommt, beweist, dass das Ausbleiben der 
Apparatfäden im breiten, peripheren, protoplasmatischen Zell- 
abschnitte des Riechepithels nicht durch schlechte Imprägnierung 
hervorgerufen ist, da sonst wenigstens im gleichen Niveau die- 
selben Wirkungen sich einstellen müssten, und mithin auch in 
den Flimmerzellen jegliche Imprägnierung fehlen müsste, was 
nie der Fall ist; denn solche Bilder wie in der zitierten Figur 
sind die typischen nach Anwendung aller möglichen Methoden, 
welche den Kopschschen Apparat deutlich machen. Dafür, dass 
Apparatfäden mit den früher erwähnten Stützfibrillen nicht identisch 
sind, spricht zunächst ihre Lage und die eigenartige morpho- 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 39 


logische Ausbildung. Die Stützfibrillen sind einheitlich glatt, in den 
tieferen, den Kernen nächstliegenden Plasmapartien von welligem 
Verlauf, auch sind sie bedeutend dicker als die ausserordentlich 
feinen, zwar glatten, aber ihre Richtung oft unter geradem 
Winkel und plötzlich ändernden, nie gespannt verlaufenden Fäden. 
Die Stützfibrillen erstrecken sich bis an die Peripherie, die Ap- 
paratfäden sind dort, wie schon gesagt wurde. niemals anzutreffen. 
Auch treten die Stützfibrillen vorwiegend. wenn nicht ausschliess- 
lich, nur in Stützzellen auf, der Apparat ist in sämtlichen Zellen 
der Riechschleimhaut vorhanden. Auch kann bezüglich des 
Chondrioms keine Schwierigkeit im Auseinanderhalten dieser (re- 
bilde bestehen. Das Vorkommen derselben, wie früher erwähnt wurde. 
als Chondriosomen, die besonders in den Riechzellen die Zelle 
bis zur Peripherie ausfüllen, in den Flimmerzellen in typischer 
Anordnung und Gruppierung zum Vorschein kommen. hebt jede 
Grundlage für die Identifizierung dieser Bildungen auf. Räumlich 
kommen die Apparatfäden in den Flimmerzellen in den hellen, 
von Chondriomiten freien Raum zu liegen, und sie befinden sich 
nur an einem Zellpol, während das Chondriom auch im zentri- 
petalen, sich verjüngenden Zellenteil vorhanden ist. 

Die Verhältnisse in den Basalzellen des Riechepithels stehen 
im Zusammenhange mit den geringen Plasmamengen, die hier 
vorhanden sind; sie stellen sich mithin folgendermassen dar: 
Kurze Fäden selbständig, oder in Verbindung mit kleinen, trans- 
parent schwarzen Kügelchen oder Tropfen, oder aber nur solche 
traubenartig angehäufte, mehr oder minder grosse, schwarze 
Tropfen, die bisweilen, wo mehr Plasma vorhanden ist, zu grossen 
Schollen anwachsen können, sind eine konstante Erscheinung. 
Einen Unterschied in der Ausbildung des Apparates in der äusseren 
und in der tieferen Zellenschichte kann man auch bei Tinca vulg. 
in demselben Organ konstatieren. In Fig. 21 ist ein Längsschnitt 
durch die Riechschleimhaut von Tinca vulg. nach Cajals Silber- 
nitrat-Methode dargestellt. Auch hier ist in sämtlichen Zellen 
der Apparat vorhanden in Form dieker Halbringe, oder bakterien- 
förmiger Stäbchen, in regelmässiger Anordnung in allen Zellen 
in gleicher Lagerung, auch hier in einem gewissen Abstand von 
der äusseren Zelloberfläche. In den Basalzellen sind selten Halb- 
ringe oder dicke Stäbe anzutreffen, am meisten sind es unregel- 
mässige kleine Schollen oder Körnchen, die in einer Anhäufung 


2 Ceeylia Beigel-Klaften: 


den Kernen anliegen. Es ist wahrscheinlich, dass die dicken 
iinge, die Kolmer (1907) in den Zellen des Riechepithels bei 
Fischen nach Anwendungder Ca jalschen Silberreduktions-Methode 
gesehen hat, dem hier beschriebenen Golgischen Apparate 
angehören. — Wie sich der Apparat der Riechschleimhaut von 
Tinca im Flächenschnitt darstellt, ist in Fig. 22 zu sehen. 

Auch Fauanas (9, 1912), dessen Arbeit infolge der Kriegs- 
zeiten mir unzugänglich ist, sieht, wie Duesberg (8, 1914) 
berichtet. im Riechepithel der Taube in den Bipolaren- und Stütz- 
zellen einen netzförmigen. an dem gegen die Oberfläche des 
Epithels gerichteten Pol des Kernes gelegenen Binnenapparat. 
In den Basalzellen findet Fauanas nur Körner und Stäbchen, 
‚die regellos im Cytoplasma zerstreut sind. 

Es ist bei der Beschreibung des Chondrioms des Flimmer- 
‚epithels erwähnt worden, dass im unteren Kernpol dieser Zellen 
des öfteren grössere und kleinere Schollen vorkommen, die in 
mikrochemischer Hinsicht sich analog den Chondriomiten ver- 
halten, bisweilen aber als farblose Körper in konstanter Lagerung 
zu finden sind. Ihre Formveränderung und Wanderung vom 
unteren zum oberen Zellpol war dort ebenfalls festgestellt. Nun 
finden wir an sämtlichen Präparaten aus der Riechschleimhaut 
in den Flimmerzellen ganz ähnlich aussehende Bildungen von 
‘Osmiumsäure geschwärzt, in einer Ausbildung und Lagerung, die 
vollends für die Identität dieser Bildungen spricht. 

Sämtliche Fixierungs-Methoden bewiesen zur Genüge, dass 
‚die Schollen weder Artefakte noch destruierte. verquollene oder 
granulierte Apparatfäden darstellen. Dies geht zunächst schon 
daraus hervor. dass bei so tadelloser Fixierung, wie sie nach 
Sublimat-Osmium mit folgender Einwirkung von Osmiumsäure 
auftritt. und bei der die Fäden des Apparates der Riech-. Stütz- 
und Flimmerzellen mit einer ausserordentlichen Präzision zum 
Vorschein kommen, in denselben Zellen, in denen am oberen 
Pol Fäden vorhanden sind, am unteren Pol Schollen beobachtet 
werden, oder auch am oberen Pol nebeneinander Fäden und 
Tropfen von variabler Form, sehr oft im Zusammenhang mit den 
Fäden, die von ihrer Zartheit nichts eingebüsst haben. 

Ferner bestätigen dies die Verhältnisse in den tieferen Zell- 
:schichten des Flimmerepithels, wo abwechselnd diskrete Fäden 
in den einen Zellen, in den angrenzenden wieder Schollen oder 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 61 


Körner ausgebildet sind, wie aus Fig. 24 zu ersehen: ist. 
schliesslich aber der Umstand, dass sie nach anderen Fixierungs- 
weisen. die das Chondriom zum Vorschein bringen, ebenfalls 
vorkommen und sich sogar mit Säurefuchsin und Eisenhäma- 
toxylin tingieren lassen, obgleich sie die Affinität zu diesen Farb- 
stoffen nicht immer behalten. Dieses Verhalten, verbunden mit 
der konstatierten Widerstandsfähigkeit gegenüber der Terpentin- 
reaktion und Behandlung mit Sudan II, erlaubt, diese Schollen,, 
Körner und Tropfen als Lipoidkörper zu betrachten, die jedoch 
vermöge der erwähnten Eigenschaften mehr der Substanz der 
Apparatfäden als des Chondrioms sich nähern, wofür auch der 
oft vorkommende unmittelbare Zusammenhang zwischen Kern 
und Faden zu sprechen scheint, wie auch die Tatsache, dass die 
Schwärzung der Schollen nicht gleichzeitig mit der Schwärzung 
anderer Teile des Chondrioms zustande kommt. 

Den hier beschriebenen ganz ähnlichen Verhältnissen be- 
gegnen wir beim Studium des Golgi-Kopschschen Apparates 
sehr junger Axolotl-Exemplare und zwar in der Riechschleimhant. 
den Haut-Sinnesorganen, der Macula acustica, sowie in den 
Leydigschen Zellen und vielzelligen Hautdrüsen. In der Riech- 
schleimhaut eines 6—8 mm langen Tieres sind schon die Apparat- 
fäden vorhanden, ausser ihnen aber sehr zahlreich die besagten: 
Schollen und Körner. Dasselbe ist in den jungen Sinnesknospen 
(Fig. 23) zu sehen, wo die Fäden eine derjenigen der Riech- 
schleimhaut analoge Ausbildung zeigen, wenn auch die Lagerung 
der diekeren Lipoidschollen hier nicht diese Konstanz aufweist, 
da sie zwischen den Fäden meist am oberen Zellpol auftreten. 
Wenn mithin die Existenz des Golgi-Kopschschen Apparates 
bei so jungen Tieren festgestellt werden muss. so ist dennoch 
zu bemerken, dass seine Ausgestaltung hier lange hinter der- 
jenigen erwachsener Tiere zurücksteht, und wenn wir in den 
letzteren das Auftreten von Körnern und Schollen neben einer 
überwiegenden Anwesenheit von Fäden beobachteten. so ist bei 
sehr jungen Tieren das Verhältnis ein umgekehrtes. So finden 
wir z.B. in den vielzelligen Hautdrüsen des S—9 mm langen 
Axolotls in sämtlichen Zellen den Golgi-Kopschschen Apparat 
ausgebildet in der Form kleiner Fädchen, die mit einem oder 
mehreren Körnern im Zusammenhange stehen. Wie in Fig. 36 
zu sehen ist, befinden sich diese Anlagen des Apparates an dem 


62 Cecylia Beigel-Klaften: 


dem Lumen der jungen Drüse zugekehrten Kernpole. In ent- 
wickelten Drüsen, besonders in den grossen Riesenzellen, ist der 
Apparat in Form eines reich anastomosierenden Netzes, das eine 
perinukleäre Lagerung eingenommen hat. vorhanden. Die Balken 
dieses Netzes, wie aus Fig. 31 erhellt. können eine bedeutende 
Dicke erlangen, die Anastomosen erstrecken sich weithin in den 
Zellkörper zwischen die Sekretkörner. in desto dünneren Fäden 
endend, je entfernter sie sich vom perinukleären Teil des Apparates 
befinden, Die Netze sind intrazelluläre Bildungen, obgleich ihre 
Verzweigungen sich im basalen Zellteile oft bis an die Peripherie 
erstrecken. In den Knotenpunkten der Balken sind auch hier 
Körner und Schollen vorhanden, von denen aus zahlreiche Ver- 
zweigungen in den verschiedensten Richtungen ziehen. Die 
weitaus grösste Ausbreitung erlangt der Golgi-Kopschsche 
Apparat in den grössten Zellen der Drüse und scheint er auch 
mit diesen Zellen gleichzeitig zu Grunde zu gehen. Neben 
degenerierenden Kernen solcher Zellen sind oft Fragmente des 
Dinnenapparates zwischen Sekretkörnern anzutreffen (Fig. 32). 
Wie erwähnt wurde. befindet sich der Apparat in sämtlichen 
Zellen der Drüse, und wir können mit Rücksicht darauf, dass 
nicht alle Zellen in demselben Funktionsstadium sich befinden, 
und dass die Drüse auch oft mit jungen Ersatzknospen im Zu- 
sammenhang steht (Fig. 31), verschiedene Stadien des sich 
entwickelnden Apparates verfolgen. Wir konstatieren also zu- 
nächst. dass die Ausbildung des Apparates in den Zellen der 
Ersatzdrüse und den Schaltzellen derjenigen der embryonalen 
Drüse (Fig. 36) entspricht, indem hier wie dort kurze Fädchen 
in Verbindung mit Körnern zum Vorschein kommen. dass in den 
zu Drüsenzellen sich ditferenzierenden Zellen der Apparat eine 
perinukleäre Lage annimmt, dass er allmählich die Form eines 
Netzes erlangt. — Vielleicht geschieht das auf die Weise, dass 
die zuerst unabhängig voneinander sich differenzierenden und 
wachsenden Fäden und Körner nachher in Verbindung treten; 
oder es kommen die ersten Anlagen des Apparates zwischen die 
früher erwähnten Balken des die ganze Zelle ausfüllenden 
protoplasmatischen Fachwerkes — wo auch die Chondriosomen 
sich befinden — zu liegen, so dass ihre Entwicklung in bezug 
auf die Form von diesem Fachwerke gleichsam bestimmt wird, 
ähnlich wie wir es bei der Bildung der Langerhansschen 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 65 


Netze annehmen. — Hierdurch wird jedoch die Frage, ob die 
erste sichtbare Anlage des Binnenapparates zugleich die alleinige 
und für seine weitere Entwicklung ausreichende ist, nicht 
entschieden. 

Dassin der Entwicklung des Golgi-Kopschschen Apparates 
bisweilen eine Tendenz beobachtet werden kann, den Zonen des 
«definitiven Auftretens der Plastosomen in erwachsenen Zellen zu 
folgen, ergibt das Studium des Apparates in den Leydigschen 
Zellen. In der sich entwickelnden Drüse finden wir hier an 
einem Kernpol (Fig. 35) eine kleine Anhäufung von Körnchen, 
die mit kurzen Fäden in Verbindung stehen. Die Kenntnis der 
morphologischen Ausbildung des Chondrioms in diesen Zellen 
ermöglicht die Unterscheidung dieser zwei Bildungen vonein- 
ander. In reifen Zellen. wo das Chondriom in den Resten der 
protoplasmatischen Balken als Ghondriosomen erhalten bleibt, 
finden wir den Golgi-Kopschschen Apparat, wie aus den 
Fig.33 und 34 zu ersehen ist, ebenfalls in dieser perinukleären 
Zone in der Form von kürzeren oder längeren Fäden, die in 
dichten Flechten den Kern allseitig umgeben, wenn auch gewöhn- 
lich an einem Kernpol die Anhäufung der Fäden eine grössere 
ist. Nichtsdestoweniger stellen diese Bildungen auch hier von- 
einander unabhängige Zellstrukturen dar. 

Die mit dem Alter und der Differenzierung der Zelle fort- 
schreitende Komplikation des Apparates haben mehrere Autoren, 
so Golgi, Veratti (32, 1902), Holmgren (13, 1907), Weigl, 
Marcora u.a. festgestellt. Fauanas(9, 1912) (nach Duesberg 
[8, 1914| zitiert) sieht beim sechstägigen Hühnerembryo in der 
Achse der embryonalen Muskelfaser Körner und Stäbchen, die 
für ihn dem ersten Entwicklungsstadium entsprechen. und aus 
welchen sich das komplizierte Netz der erwachsenen Muskel- 
faser bildet. 

Aus obigen Beobachtungen folgt zunächst, dass die mor- 
phologische Ausbildung des Apparates bei einem und demselhen 
Tiere ebenso wie die des Chondrioms eine verschiedene ist. In 
den Sinnesepithelien fanden wir vorwiegend lange, der Form der 
Zellen in ihrem Verlaufe angepasste Fäden, während in den 
vielzelligen Hautdrüsen Netze ausgebildet waren. Dass aber 
letzteres Verhalten nicht etwas allgemein für Drüsenzellen Geltendes 
ist, beweisen einerseits die Leydigschen Zellen mit ıhrem 


64 Ceceylia Beigel-Klaften: 


verklumpten Apparat, in welchem die Unterscheidung einzelner 
Elemente oft auf Schwierigkeiten stösst, und die vielzelliger 
Drüsen der Riechschleimhaut (Fig. 17), in welchen der Apparat 
vorhanden ist, aber nur in Form loser Fäden, die bedeutend 
dicker als diejenigen der Sinnesepithelien oder der Hautdrüsen sind. 

Man könnte ferner in der morphologischen Ausbildung des 
Apparates erwachsener Zellen bisweilen den Ausdruck gewisser. 
während der Entwicklung herrschender Lokalisationen des Gyto- 
plasmas sehen. in dem Sinne. dass z.B. das Auftreten von Fach- 
werken im Plasma die Ausbildung des Apparates in der Netzform 
beeinflussen kann. 

Es ıst schliesslich in sämtlichen hierorts untersuchten Organen 
ausser dem Auftreten des Golgi-Kopschschen Apparates in 
der Form von feinen geschlängelten und gewundenen Fäden — 
sowohl bei erwachsenen, als auch sehr jungen Tieren — das Vor- 
handensein von grösseren oder kleineren Lipoidschollen beobachtet 
worden. Diese Bildungen, die als gewöhnliche Anhäufung oder 
in Form von Rosenkränzen sich gruppieren können, stehen fast 
überall in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Fäden 
des Golgi-Kopschschen Apparates, besonders in frühen Ent- 
wicklungsstadien, was die Vermutung, dass sie die Bildner 
dieser Fäden repräsentieren oder Reservestofte für die Bildung 
der Fäden abgeben, nahe bringt, obwohl die Art und Weise 
wie dies geschieht, nicht konstatiert wurde. Andererseits weist 
ihr Verhalten gegenüber Reagentien und Tingierungen, welches 
in einem gewissen Stadium dem Chondriom analog ist, auf ihre 
Verwandtschaft mit der genannten Zellstruktur hin. 

Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten 
Lehrer, Herrn Prof. Dr. Jözef Nusbaum-Hilarowicz, wie 
auch dem Dozenten Herrn Dr. Rudolf Weig!l für ihre mannig- 
fache Unterstützung meinen wärmsten Dank auszusprechen. 


Literaturverzeichnis. 


1. Beigel-Klatften, C., 1913: Regeneration des Geruchsorgans bei Oypri- 
niden. Bulletin de l’acad. des sciences de Cracovie. 

Bugnion, 1873: Recherches sur les organes sensitifs, que se trouvent 
dans l’epiderme du Protee et de l’Axolotl. Diss. Zürich. 


ww 


us 


-1 


10. 


le 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 65 


Carriere, J., 1884: Die postembryonale Entwicklung der Epidermis 
des Siredon pisciformis. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 24. 

Champy, 1911: Recherches sur l’absorption intestinale et le röle des 
mitochondries dans l’absorption et la s&eretion. Archives d’Anatomie 
mieroscopique, v. 13. 

Cohn, T., 1895: Über Intercellularlücken und Kittsubstanz. Ana- 
tomische Hefte, V. Band, H. II. 

Duesberg, J., 1910: Les chondriosomes des cellules embryonnaires du 
poulet et leur röle dans la genese des myofibrilles, avec quelques obser- 
vations sur le developpement des fibres musculaires striees. Arch. f. Zell- 
forsch., Bd. 4. 

Derselbe, 1912: Plastosomen, „Apparato reticolare interno“ und Chro- 
midialapparat. Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, 
herausgegeben von Merkel und Bonnet. 

Derselbe, 1914: Trophospongien und Golgischer Binnenapparat. Ana- 
tomischer Anzeiger, Ergänzungsheft zum 46. Band. 

Fauanas, R. v., 1912, 1: EI aparato endocelular de Golgi de la 
mucosa y bulbo olfactorios. Trab. Lab. Investigaciones biol. Univers. 
Madrid, vol. 10. 

Firket, J., 1911: Recherches sur la genöse des fibrilles &pidermiques 
chez le poulet. Anatomischer Anzeiger, Bd. 38. 

Heidenhain, M., 1907: Plasma und Zelle, I. Die Grundlagen der mikro- 
skopischen Anatomie usw. 

Derselbe,. 1911: Plasma und Zelle, II. Die kontraktile Substanz usw. 
Holmeren, E., 1907: Über die Trophospongien der quergestreiften 
Muskelfasern, nebst Bemerkungen über den allgemeinen Bau dieser 
Fasern. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 71. 

Hoven, H., 1910: Contribution & l’&tude du funetionnement des cellules 
elandulaires. . Anat. Anz., Bd. 37. 

Kolmer, W., 1910: Über Strukturen im Epithel der Sinnesorgane. 
Anat. Anz., Bd. 36 und Bd. 30, 1907. 

Kull, H., 1913: Eine Modifikation der Altmannschen Methode zum 
Färben der Chondriosomen. Anat. Anz., Bd. 45. 

Langerhans: Über die Haut der Larve von Salamandra maculata. 
Archiv f. mikr. Anat., Bd. 9. 

Leydig, F., 1868: Über Organe eines sechsten Sinnes. Nova acta 
Acad. Leep., Vol. 34. 

Luna, E. 1913: Lo sviluppo dei plastosomi negli anfibi. Archiv f. 
Zellforschung, Bd. 11. 

Malbrane, 1876: Von den Seitenlinien und ihren Sinnesorganen bei 
den Amphibien. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 


. Mavas., J., 1909: La structure de la retine cilaire et la söcretion de 


l’'humeur aqueuse. Compt. rend. Assoc. Anat., Nancy. 
Merkel, 1880: Uber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut 
der Wirbeltiere. Rostock. 


. Meves, Fr., 1907: Die Chondriokonten in ihrem Verhältnis zur Filar- 


masse Flemmings. Anat. Anz., Bd. 31. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.IL ) 


66 Cecylia Beigel-Klaften: 


24. Derselbe, 1908: Die Chondriosomen als Träger erblicher Anlagen. Cyto- 
logische Studien am Hühnerembryo. Archiv f. mikr. Anat., Bd. 72. 

25. Paulicki, 1884: Über die Haut des Axolotls. Archiv f. mikr. Anat., 
Pd. 24. 

26. Pfitzner, 1880: Die Epidermis der Amphibien. Morph. Jahrb., Bd. 6. 

27. Regaud, A., 1909: Participation du chondriome ä& la formation des 
grains de segregation dans les cellules des tubes contourn‘s du rein. 
Compt. rend. Soc. Biol. 

28. Samsonow, N. 1910: Über die Beziehungen der Filarmasse 
Flemmines zu den Fäden und Körnern Altmanns usw. Archiv £. 
mikr. Anat., Bd. 75. 

29, Schneider, C., 1908: Histologisches Praktikum. 

30. Schultze, O., 1911: Über die Genese der Granula in den Drüsenzellen. 
Anat. Anz., Bd. 38. 

31. Studnicka, F.K., 1909: Vergleichende Untersuchungen über die Epi- 
dermis der Vertebraten. Anatomische Hefte, Bd. 39. 

32. Veratti, E., 1902: Sulla fina struttura della fibra muscolare striata. 

Mem. R. Ist. Lomb. 

Weigl,. R.. 1912: Vergleichend cytologische Untersuchungen über den 

Golgi-Kopschschen Apparat und dessen Verhältnis zu anderen 

Strukturen. Bull. de l’Acad. des Sciences de Cracovie. 


Fr 
OS 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel II und II. 


Sämtliche Abbildungen. die Fig. 27 ausgenommen, wurden mittels 
Reicherts Immersionssystem !ıe und Kompensationsokular 6, bei Zuhilfe- 
nahme des Abbeschen Zeichenapparats in Objekttischhöhe ausgeführt. 

Fig. 1. Längsschnitt durch eine Hautsinnesknospe aus der Kopfregion. 
Sublimat — Osmiumsäure, Bleichung mittels Kalihypermangan und 
Oxalsäure, nachher Eisenhämatoxylin. 

Fig. 2. Sinneszellen einer Knospe eines 6—8 mm langen Axolotls. Carnoy- 
Eisenhämatoxylin. 

Fig. 3. Peripherer Teil einer Hautsinnesknospe eines 8 mm langen Axolotls. 
Altmannsche Methode, Tinktion nach Kull. 

Fig. 4. Medianer Längsschnitt durch eine Hautsinnesknospe eines 6—8 mm 

langen Axolotls.. Champys Mischung, Tinktion nach Kull. 

Medianer Längsschnitt durch eine Hautsinnesknospe eines 8—10 mm 

langen Axolotls. Sublimat — Osmiumsäure, Bleichung, Eisenhäma- 


es) 
= 
ot 


toxylin. 

Fig. 6. Längsschnitte (lateral und median) durch junge Leydigsche 
Zellen. Carnoy-—- Eisenhämatoxylin. 

Fig. 7. Oberflächenschnitt durch eine junge Ley digsche Zelle. Uhampys 
Mischung, Tinktion nach Kull. 

Fig. 8. Drei Epithelzellen aus der Haut eines 6—8 mm langen Axolotls. 
Fixierung wie in Fig. 7. 


Fie. 


Fie. 


Fig. 


Plasmastrukturen in Sinnesorganen und Drüsenzellen des Axolotls. 67 


9, 10. 11. Entwicklungsstadien der Leydigschen Zellen. Granula- 


18. 


19: 


bildung und Anlage des Langerhansschen Netzes. Fixierung 
und Tinktion wie die frühere Figur. 

Erwachsene Leydigsche Zelle. Das Langerhanssche Netz 
von Säurefuchsin nicht tineiert. Behandlungesweise wie in den 
früheren Figuren. 

Embryonale Anlage des Geruchsorgans. Die Sinnesplatte mit zwei 
Flimmerzellen. Chondriosomen in Riech- und Stützzellen. 
Riechepithel eines etwa ein Jahr alten Axolotls. Champys 
Mischung, Eisenhämatoxylin. 

Macula acustica eines 7—8 mm langen Axolotls. Champys 
Mischung, Tinktion nach Kull. Chondriomiten in Haar- und Stütz- 
zellen. 

ÖOberflächenschnitt durch eine junge Leydigsche Zelle. Regel- 
mässig gebautes Langerhanssches Netz aus dünnen Balken. 
Sublimat-Osmium, Bleichung, Eisenhämatoxylin. 

Vielzellige Drüse der Riechschleimhaut. Golgi-Kopschscher 
Apparat. Sublimat — Osmium — Kopsch. 

Junge vielzellige Hautdrüse eines S—10 mm langen Axolotls. Proto- 
plasmatisches Netz mit eingelagerten Chondriosomen. Champys 
Mischung, Tinktion nach Kull. 

Isolierte Flimmerzelle aus der Riechschleimhaut. Chondriomiten 
in zwei Regionen. Lipoidscholle am unteren Kernpol. Behandlungs- 
weise wie in Fig. 18. 

Oberflächenschnitt durch die Haut eines etwa 1 Jahr alten Axolotls. 
Champys Mischung, Eisenhämatoxylin. 

Längsschnitt durch die Riechschleimhaut bei Tinca vulgaris 
Cajals I. Methode modifiziert. Golgi-Kopschscher Apparat. 
Flächenschnitt durch dieselbe Riechschleimhaut. Behandlung wie 
in Fig. 21. 

Junge Sinnesknospe eines S—10 mm langen Axolotls. Golgi- 
Kopschscher Apparat. Fäden und Schollen. Sublimat und Osmium- 
säure — Kopsch. 

Flimmerepithel aus der Riechschleimhaut. Golgi-Kopschscher 
Apparat. Fäden und Schollen. die vom unteren Pole des Kernes 
dem oberen Pole zuwandern. Zusammenhang zwischen kleinen 
Schollen mit Fäden. Behandlungsweise wie oben. 

Querschnitt durch das Riechepithel. Periphere Lage der Apparat- 
fäden in den einzelnen Zellen. Behandlungsweise wie in Fig. 23. 
Riechepithel vom älteren Axolotl. Golei-Kopschscher Apparat 
in Riech- und Stützzellen. 

Riechepithel mit angrenzenden Flimmerzellen. Golgi-Kopschscher 
Apparat. System 6, Okular 4. 
Basaler Teil des Riechepithels. Lipoidschollen und Fäden. 

Zwei Schichten von Zellen im Flimmerepithel der Riechschleimhaut. 
In demselben Niveau abwechselnd Fäden und Schollen. 


Isolierte Stützzelle aus dem Riechepithel. Lage der Apparatfäden, 
DE 


ale 


Ueceylia Beigel-Klaften: Plasmastrukturen usw. 


Medianer Längsschnitt durch eine vielzellige Drüse eines älteren 
Axolotls im Zusammenhang mit einer Ersatzdrüse. Entwicklung 
des Golgi-Kopschschen Apparates. 

Längsschnitt durch eine Hautdrüse des Axolotls (lateral). 


. 34. Medianer Schnitt durch die Leydigschen Zellen. Golgi- 


Kopschscher Apparat in älteren, erwachsenen Zellen. 
Junge Leydigsche Zelle. Anlage des Golei-Kopschschea 
Apparats. 
Anlage einer vielzelligen Drüse eines 8-10 mm langen Axolotis. 
Lumen der Drüse kaum sichtbar. Lage des Apparates an dem 
gegen das Lumen gerichteten Kernpol. 
Längsschnitt durch die macula acustica. Golgi-Kopschscher 
Apparat in den Haar- und Stützzellen. 

Behandlungsweise der Fig. 25 — 37 wie in Fig. 23. 


69 


Neutralviolett extra. 
Von 
P. G. Unna und L. Golodetz. 


Hierzu Tafel IV. 


Inhalt: Seite 
Anleitung . . . DE WE Se EL, 
I. Die NV- Farbang frischen Keen Gene 
IP@MAUSESCHNAUZEN KlS ER an Reh) I RE re Ban cl 
DNMauseschwanzei®! Bi DER rl EN Tee tere 
SE Kanınchenmieren "Nas. va en TO 
4. Mäuselunge . Ä 79 
5. Mäuseleber . . . . N A 82 
6. Muskel-Sehnen- Ansatz vom Rinde BEE Nahe ER RE TE 
IE. Die NV-Färbung gekochten tierischen (rewebes. 
Bi Allgemeines. . . BIER N SER RER A TER RS FR ÄNE EL E73) 
. Niere des Kaninchen: ee Fan En eh Dark ip DEE HE) 
3 Leber des Kaninchens, Denkens. Parotis, Submaxillaris und 
Sublinzuslis-des- Pferdes. 1.2 anna une sa at 
411. Die NV-Färbung von Gewebsflüssigkeiten. 
ISORNEREIWEISST MER, IROL IRB Rn  AENERESO Ta EOR RE E . BERIU) 
ä Muskel Ba ned een rer) 
. Andere Organsäfte . .-. . en TA EBET TI  2 
IV. Die “ Färbung fester organischer Stoffe . EN ee 
Einleitung. 


Die folgenden Mitteilungen haben den Zweck, die Histologen 
auf einen neuen Farbstoff, das Neutralviolett extra 
(vorrätig bei Dr. Hollborn, Leipzig), aufmerksam zu machen, 
welcher mühelos über wichtige chemische Eigenschaften des Ge- 
webes orientiert. In der Histologie gehört die Zukunft denjenigen 
Karbstoffen und Farbgemischen, welche dem Beschauer die Be- 
standteile des (rewebes bereits in bestimmten Richtungen chemisch 
analysiert vorführen. Unter diesen darf das Neutralviolett extra 
eme der ersten Stellen beanspruchen. 

Das Neutralviolett extra hat garnichts zu tun mit dem von 
NO. Witt 1880 entdeckten eigentlichen Neutralviolett, welches 
das Chlorhydrat des Dimethvldiamidophenazins ist. Nach einer 


70 P. G. Unna und L. Golodetz: 


uns zugegangenen privaten Mitteilung besteht es aus zwei basischen 
Farbstoffen, Neutralrot !) und Neublau ?), imVerhältnis von etwa 1Blau 
zu 2 Rot, welche ganz verschiedene Affinitäten zu den (Grewebs- 
elementen besitzen und daher den (sewebsschnitt unmittelbar 
polvchrom anfärben. Da ja weitaus die meisten Elemente der 
(Gewebe aus sauren Eiweissverbindungen bestehen und somit fast 
alle eine generelle Verwandtschaft zu allen basischen Farben 
besitzen, so wäre die Entstehung einer solchen Polychromie bei 
Benutzung eines (remisches von zwei basischen Farben garnicht 
verständlich, wenn die Affinität der basischen Farbstoffe sich eben 
nur auf ihre Basizität gründete. Wir wissen aber heute, dass 
ihre Empfindlichkeit für reduzierende oder oxydierende Eigen- 
schaften des Substrats eine weitere und häufig entscheidende 
Rolle spielt. So ist z. B. Methylerün ausserstande, stark redu- 
zierende Gewebsteile, wie Muskeln, Hornsubstanz ete., anzufärben, 
und überlässt daher in einer Mischung mit einer weniger reduktions-- 
empfindlichen Farbe diese Elemente seinem Begleiter*), z. B. dem 
Pyronin. 

Dass wir es bei dem Neutralviolett extra mit einer Mischung‘ 
derartig verschiedener Farben zu tun haben, darauf brachte uns 
nach den ersten tastenden Versuchen die Wahrnehmung, dass 
frisch dem (rewebe entnommene Gefrierschnitte sich ganz anders 
und viel farbkräftiger färbten als Alkohol-Celloidin-Schnitte des- 
selben Gewebes. Was dem Gewebe bei dieser Fixation verloren: 
geht, ist, abgesehen von bestimmten leichtlöslichen Eiweißstoffen, 
Lipoiden usf., in erster Linie aller freie Sauerstoff. Diese Wahr- 
nehmung führte mithin zu einem Vergleich des Neutralvioletts. 
extra mit den Reagentien des Sauerstoffnachweises in den Ge- 
weben, dem Rongalitweiss und Permanganat, und dieser Vergleich 
erwies sich als ungemein fruchtbar für das Verständnis des 
Neutralviolett extra als eines histochemischen Analysators. 

Das „Neutralviolett extra® (im folgenden kurz mit NV be- 
zeichnet) wird von uns in !/2°/o wässeriger Lösung angewandt. 


Die Gewebsschnitte — und hierzu eignen sich nur frische, mit. 
dem Gefriermikrotom gewonnene Schnitte — kommen in die 


') Neutralrot gehört zu den Azinen. 

”) Neublau gehört zu den Oxazinen. 

») Unna: Die Bedeutung des Sauerstoffs in der Füärberei. Derm.. 
Studien (Erg. zur Derm. Woch.), Bd. 22. 


Neutralviolett extra. Tl 


Farbe auf etwa 5—10 Minuten. Alsdann bringt man sie in 
Leitungswasser zum Abspülen, wo sie zunächst dunkelviolettrot 
und überfärbt aussehen, ohne bei längerem Verweilen im Wasser 
sich weiter zu entfärben. Erst wenn die Schnitte in Alkohol 
kommen, beginnt die Differenzierung, indem alle überschüssige 
Farbe — und zwar handelt es sich dabei fast nur um das über- 
schüssige Neutralrot in gelber, weil alkoholischer Lösung — aus 
dem Schnitt ausgewaschen wird. Dann erst erscheinen die (Gewebs- 
elemente in der Färbung, welche ihrer Affinität zu einem der 
beiden Farbstoffe entspricht. Auf diese Weise entstehen blaue 
und rote „Orte“ im Gewebe. Man hat etwa den gleichen Ein- 
druck, wie wenn man eine belichtete photographische Platte in 
eine Eintwicklerflüssigkeit bringt und diese so lange einwirken 
lässt, bis das Bild sichtbar wird. Auch in unserem Falle „ent- 
wickelt“ der Alkohol die blauen und roten „Orte“ und gibt uns 
so ein topographisches Bild der Farbatfinitäten. Man könnte nun 
denken, dass ein geringerer Zusatz des Neutralrots von vorm- 
herein zweckmässiger wäre, wenn doch ein grosser Teil desselben 
durch den Alkohol wieder entfernt wird. Das ist jedoch nicht 
richtig. Es muss eine grössere (Quantität des Neutralrots gleich- 
zeitig mit dem Neublau einwirken, wenn dasselbe mit den „roten“ 
Orten sich alkoholfest verbinden soll. Andernfalls erhält man 
eine violette Mischfarbe an Stelle der „roten“ Orte und keine 
einfache und durchsichtige Farbverteilung. Übrigens darf das 
Differenzieren in Alkohol auch nicht übertrieben werden, da sonst 
das Rot auch an den „roten“ Orten leidet. Meist genügt ein 
Hin- und Herbewegen des Schnittes im Alkohol während 10—15 
Sekunden. Sieht man, dass keine gelben Farbwolken mehr 
abgegeben werden, so bringt man den Schnitt in Bergamottöl 
und montiert denselben sogleich auf dem Objektträger in Balsam. 


I. Die NV-Färbung frischen tierischen Gewebes. 
l. Mäuseschnauze. (Fig. 1.) 

Das lehrreichste Material liefern Gefrierschnitte von der 
Haut der Schnauze von Ratten und Mäusen, da bier auf 
einem kleinen Raume Gewebe von verschiedenster chemischer 
Zusammensetzung sich dicht zusammendrängen: Haarbälge, Deck- 
epithel und Hornschicht, Muskeln, Nervenstämme, Mastzellen und 
Knorpel. 


—1 
[86) 


P. G. Unna und L. Golodetz: 


Die auftälligste Färbung bieten die glatten und quergestreiften 
Muskeln (m), welche von unten in die Cutis einstrahlen und einen 
grossen Teil derselben bis zum Papillarkörper in breiten und 
feineren Zügen erfüllen. Sie sind im Gegensatz zum hellen, 
absolut ungefärbten Bindegewebe grünlichblau gefärbt und diese 
Färbung arbeitet so genau, dass auch die feinsten Muskelfasern 
(z. B. in den Gefässen) sich deutlich mit blauer Farbe abheben. 

In zweiter Linie zeichnen sich durch auffallende Färbung 
und besonders reiches Vorkommen die Mastzellen (ma) aus, 
welche scharenweise in dunkelbraunroter Färbung die von den 
Muskeln freigelassenen Hautstellen durchziehen. Eine genauere 
Untersuchung lehrt, dass sie vorzugsweise um die grossen sub- 
kutanen und kutanen, schwach bläulich gefärbten Nervenstämme (n) 
gelagert sind, die, wie bereits in einer früheren Arbeit mitgeteilt 
wurde'), von grossen Mastzellen geradezu begleitet und sogar 
durchsetzt werden. 

Die Kerne (k) sowohl der blauen Muskeln wie der hell- 
violetten Nerven sind ausnahmslos rotviolett gefärbt, ebenso wie 
die Kerne des ganz farblosen, weichen oder rötlichen festeren 
Bindegewebes. 

In bezug auf die Vorliebe für das Blau des Neutralvioletts 
schliesst sich an die Muskeln das Protoplasma aller Epithelzellen 
an. Die Stachelschicht der Haarbälge ist deshalb bei schwacher 
Vergrösserung rein blau gefärbt und ohne den grünlichen Stich 
der Muskeln, besonders dunkelblau aber die grosszellige Stachel- 
schicht (st) der Tasthaare (Sinushaare). Bei stärkerer Ver- 
grösserung gewahrt man in diesen blauen Massen eingeschlossen 
erst die rotvioletten bläschenförmigen Epithelkerne. Überall, wo 
die Epithelien protoplasmaärmer sind, wie in den Lanugohaar- 
bälgen, den unteren Balgteilen der Sinushaare, den Keimschichten 
und den Talgdrüsen, tritt die blaue Farbe zurück zugunsten des 
Rots und Rotvioletts der Kerne. 

Ausser in den voten und rotvioletten Kernen und Mastzellen 
findet sich das hot in besonderer Reinheit und Stärke in dem 
Knorpel der Schnauze, sodann in der Wurzelscheide (wu) 
und in einer oberflächlichen Hornschichtlage (h). 


') Unna: Die Sauerstofforte und Reduktionsorte. Eine histochemische 
Studie. Arch. f. mikrosk. Anat. 1915, Bd. 87, Abt. I, S. 96. 


&) 


— 


Neutralviolett extra. 


Stellt man diese Tatsachen in Form einer Tabelle zusammen 
und zugleich die Tatsachen über Reduktion und Oxydation der 
Hautelemente daneben, so ergibt sich eine schlagende Analogie 
»wischen den Manganbildern und dem Blau der Neutralviolett- 
bilder einerseits und den Rongalitweissbildern und dem Rot der 
Neutralviolettbilder andererseits. Muskeln, Epithelprotoplasma, 
Nerven und rote Blutkörperchen sind auf dem Manganbilde braun, 
auf dem Neutralviolettbilde blau; Kerne, Mastzellen und Knorpel 
auf dem Rongalitweissbilde blau, auf dem Neutralviolettbilde rot. 
Die erstgenannten Elemente färben sich weder mit Rongalitweiss, 
noch mit dem Rot des Neutralvioletts, die letztgenannten bleiben 
ungefärbt im Manganbilde und ungebläut durch Neutralviolett. 


| A | 
- || Bild der | x 
Reduktions- || reduzierenden | oxydierenden 1 Oxydations- 
| bild durch |, sauren Eiweisse | sauren Eiweisse | bild durch 
Kali- | durch das ' Rongalit- 
'ı Blau | Rot FR 
permanganat | des Neutralvioletts weiss 
Muskeln Mens An] 0 
#ipithelprotoplasma | 4 4 oo [ = 0 | 
Rote Blutkörperchen) 4 | Bez 0 0 
Nerven — 0) | 0 
Kerne 0 | on t + | il 
Mastzellen (0) 0° +++ au ge 
Knorpel 0 = | A U ee 
Wurzelscheide ee | 0 BEE |} 0 
Oberflächliche | | a RS | 
Hornschicht zn | J air v 


Man hat im Neutralviolettbilde also gleichsam die im Mangan- 


bilde und Rongalitweissbilde getrennten und sich ergänzenden 
Farbreaktionen zu einem Gesamtbilde vereinigt und 'kann in 
‚diesem schon allein aus dem Blau die Reduktionsorte, aus dem 
Rot die Sauerstofforte erschliessen. Die weitere Analyse anderer 
Organbilder wird diese Schlussfolgerung im allgemeinen bestätigen 
and dadurch der Neutralviolettfärbung einen hervorragenden Platz 
anter den chemisch wertvollen Färbungen sichern. Aber unsere 


Tabelle der Hautelemente zeigt auch, dass es bemerkenswerte 


74 P. G. Unna und L. Golodetz: 


und lehrreiche Ausnahmen gibt. Die Wurzelscheide nämlich und 
die oberflächliche Lage der Hornschicht zeigen das paradoxe 
Verhalten, dass hier das Manganbraun nicht mit dem Blau, 
sondern mit dem Rot des Neutralvioletts Hand in Hand geht 
(siehe Tabelle). Es steht über jedem Zweifel erhaben fest, dass 
die Wurzelscheide und die Endschieht der Hornschicht Kali- 
permanganat stark reduzieren. also zu den hervorragenden Re- 
duktionsorten gehören und doch bevorzugen sie in dem Neutralviolett 
das hot, das sonst im allgemeinen von den Sauerstofforten fixiert 
wird. Die Erklärung für dieses paradoxe Verhalten wird wohl 
auf Grund der Tatsache zu suchen sein, dass diejenigen Sauerstoft- 
orte der Haut, welche das Rot in besonders hohem Grade speichern. 
gleichzeitig die sauersten Eiweisse dieses Gewebes beherbergen. 
nämlich die Kerne, die Mastzellen und der Knorpel. Das Rot 
wird mithin — im Gegensatz zu dem Blau — gerade von stärksten 
Säuren des Gewebes angezogen und fixiert und diese Affinität 
scheint so stark zu sein, dass sie das Rot nicht nur an die 
Gewebe mit Überschuss von Sauerstoff fixiert, sondern auch an stark 
saure Elemente. bei denen die Reduktion vorwaltet. Dann würde 
bei der Auslese der Farben im Gewebe allerdings in erster Linie 
die Stärke der Säure in demselben massgebend sein und nur 
weil dıe stark sauren (sewebe zugleich gewöhnlich Schutzorte des 
Sauerstoffs sind, das Rot in den meisten Fällen auch einen Indikator 
für die Sauerstofforte abgeben. Wie in allen ähnlichen Fällen 
wird die schliessliche Aufklärung dieses paradoxen Verhaltens 
auch hier von dem mit tinktorieller Vergleichung einhergehenden 
Abbau der betreffenden Gewebselemente zu erwarten sein, d.h. 
von ihrer chromolytischen Analyse. 


2. Mäuseschwanz. (Fig. 2.) 

Eine ähnlich bevorzugte Hautregion wie die Schnauze ist 
der Schwanz von Ratten und Mäusen. Hier treffen wir auf jedem: 
(Juerschnitt ausser Deckepithel und Haarbälgen. Muskeln, Nerven 
und Mastzellen noch zahlreiche Sehnen und im Zentrum des 
Sehnittes den durchschnittenen knöchernen Wirbel. Alle diese 
Elemente sind hier durch eine feste, ziemlich dicke Hornschicht 
zusammengehalten und fest zusammengepresst und finden sich 
daher in regelmässigen konzentrischen Kreisen um die knöcherne 
Achse angeordnet. 


Neutralviolett extra. Ts, 


An mit Neutralviolett gefärbten Gefrierschnitten zeigt die 
Hornschicht in der oberflächlichen Endschicht (e) eine 
rote Färbung, die mittlere Schicht ist farblos, die basale 
Schicht (b) dunkelblau. Blau ist auch die darauffolgende, flach 
ausgebreitete, ziemlich breite Platte der Stachelschicht, rot- 
violett dagegen durch Überwiegen junger Kerne die Keimschicht. 
Ein epitheliales Leistennetz und demgemäss ein welliger Papillar- 
körper fehlen, wie bei allen unter vertikalem Druck stehenden 
Deckepithelien. Derselbe Druck hat zur Folge, dass die Haar- 
bälge (h) stark verkürzt sind und in regelmässige Gruppen zu 
je drei Haarbälgen eng zusammenrücken, welche dureh mehr oder 
minder breite, haarlose Zwischenräume getrennt sind. In den 
Haarbälgen gewahrt man trotz ihrer Kleinheit das Blau der 
Stachelschicht und zuweilen auch das Rot der Wurzelscheide. 

Nach innen auf den Ring der Haarbälge folet eine dünne 
Schicht Bindegewebe mit äusserst vielen, rotbraunen, grossen 
Mastzellen (ma). Sodann kommt ein für den Schwanz besonders. 
charakteristischer Ring, der aus vier getrennten Gruppen von 
quergeschnittenen Muskeln (m), Nervenstämmen (n) und Sehnen (s) 
besteht. In jeder dieser Gruppen finden sich auf ein Muskel- 
bündel und einen oder zwei grössere Nervenstämme etwa 7—1? 
und mehr Sehnenbündel von rundem oder ovalem (uerschnitt. 
Die Muskeln sind grünlichblau, die Nerven schwach violett. die 
Sehnen gelblich gefärbt, alle Kerne dunkelviolett. Hier und da 
erscheint zwischen den normalen Sehnenquersehnitten ein Segment 
mit Zeichen der beginnenden Verknöcherung der Sehne. 

Die genannten vier (Gruppen bilden keinen geschlossenen 
Ring, sondern lassen zwischen sich bindegewebige Zwischenräume, 
in denen die @uerschnitte grösserer Arterien (a) und Venen 
sichtbar werden, die von einer grossen Anzahl Mastzellen (ma) 
umgeben sind. Der peripher davon liegende, kontinuierliche 
Mastzellenring sendet also gleichsam breite Fortsätze mit vielen 
Mastzellen zwischen die Muskel-, Nerv- und Sehnenbündel nach 
innen bis zum Periost. 

Das Zentrum aller dieser konzentrischen Kreise von Deck- 
epithel, Haarbälgen, Mastzellen und Muskel-, Nerv- und Sehnen- 
bündeln bildet der Schwanzwirbel, dessen (uerschnitte sehr 
rielgestaltig, meistens rundlich, vier- oder fünfeckig und vielfach 
mit flachen Einbuchtungen versehen sind, zur Aufnahme der 


76 P. G. Unna und L. Golodetz: 


ebengenannten breiten Bündel. Die Knochensubstanz (kn) 
ist leicht gelblich gefärbt mit tief dunkelroten, massigen Ein- 
sprengungenvonKnorpel(kp)undverkalktemKnorpel(kp'), 
von denen erstere durchscheinend, letztere undurchsichtig sind. 

Auch hier am Schwanze verteilen sich also die Komponenten 
des Nentralvioletts derartig im Gewebe, dass das Blau die 
Reduktionsorte: Stachelschicht, Muskeln und etwas auch die Nerven 
färbt, das Rot die Sauerstofforte: Kerne, Mastzellen und Knorpel. 
Die Wurzelscheide und die oberflächliche Hornschicht zeigen wieder 
das paradoxe hot, während — deutlicher als an der welligen 
Hornschieht der Schnauze — die basale Hornschicht dunkelblau 
gefärbt ist und daher mit der ebenfalls blau gefärbten Stachel- 
schicht zusammenfliesst. 

Es möge hier die Bemerkung gestattet sein, dass diese 
tinktorielle Dreiteilung der Hornschickt übereinstimmt mit der 
von Unna schon 1875 nach Pikrokarmin- und Osmiumbildern 
gegebenen Dreiteilung der Hornschicht in basale, mittlere Horn- 
schicht und Endschicht. Die blaue Färbung der basalen Horn- 
schicht erklärt sich jetzt aus ihrem Gehalt an Eleidin. welches 
ein Albumin darstellt. Denn wie wir noch sehen werden, färbt 
sich überall das Albumin mit Neutralviolett blau. 

Zu dem ungefärbten Bindegewebe gesellen sich in 
Neutralviolettbildern des Schwanzes nunmehr noch die fast farb- 
losen Bestandteile: Knochen (kn) und Sehne (s).!) Diese 
beiden Elemente stellen auch dem Rongalitweiss und Permanganat 
gegenüber ebenso indifferente Gebilde dar. 


3. Kaninchenniere. (Fig. 3a und 3b.) 

In der Niere unterscheidet man bekanntlich drei Zonen, 
welehe sich schon an der Leiche makroskopisch durch ihren ver- 
schiedenen (Gefässinhalt unterscheiden. Der Halbierungsschnitt 
zeigt die Rinde, das Mark und die zwischen beiden gelegene 
‚breite Grenzschicht in verschiedenen Farbtönen. Auch an Giefrier- 
schnitten durch den mittleren Teil einer Kaninchenniere, die der 
Halbierungsebene parallel geführt werden und die kein Blut mehr 
enthalten, erzeugt die NV-Färbung doch einen analogen makro- 


') Bindegewebe, Sebne und Knochen nehmen bei dieser Färbung meistens 
einen ganz schwach gelblichen Ton an, der die Bedeutung einer ganz 
schwachen metachromatischen Neutralrotfärbung hat. 


Neutralviolett extra. UT 
skopischen Farbenkontrast der Zonen. Die Rinde ist dunkelblau, 
Grenzschicht und Mark dunkelviolett; falls man stärker entfärbt 
hat, ist die Rinde grünlichblau, die Grenzschicht rotviolett und 
das Mark violett oder bei mässiger Vergrösserung blau und rot 
gestreift. 

Die mikroskopische Analyse ergibt. dass dieser Farben- 
kontrast bei NV-Färbung des Nierenschnittes auf dem Blau oder 
Grünlichblau des Protoplasmas und dem Rotviolett der Kerne 
beruht. Die (rewebselemente, in denen das Protoplasma gegen- 
über den Kernen an Masse zurücktritt, erscheinen dadurch rot 
oder rotviolett, so die Glomeruli, die Blutkapillaren und die 
dünnen Schenkel der Henleschen Schleifen. Wo hingegen das 
Protoplasma vorwaltet, wie in den gewundenen Harnkanälchen. 
den dicken Schenkeln der Henleschen Schleifen und den Schalt- 
stücken, erscheint das Gewebe, je nach Stärke der Entfärbung, 
dunkelblau, blaugrün oder grünlich. Wo endlich Kern und Proto- 
plasma (bzw. glatte Muskeln) sich die Wage halten, wie in den 
Arterien, Venen und grossen Sammelröhren, ist die Färbung 
rötlich- oder bläulichviolett. 

So erklärt es sich, dass die äusserste Peripherie der Rinde, 
welche fast nur aus Schaltstücken besteht und keine Glomeruli 
aufweist, ein reines Blau oder Blaugrün aufweist. 

Die Hauptmasse der Rinde zeigt bei der NV-Färbung 
eine verschiedene Färbung ihrer radiären Sektoren, die wir (nach 
Ludwig) Markstrahlen und Labyrinth nennen wollen. Im Labyrinth 
waltet wegen der Zusammensetzung aus gewundenen Kanälen (wu) 
und Schaltstücken das Blau vor, von dem sich bei schwacher 
Vergrösserung nur die Glomeruli (g) als rote, runde Körner und 
bei stärkerer Vergrösserung auch die Kapillaren als schmale rote 
Streifen abheben. Die Markstrahlen (mk) der Rinde, deren 
 Hauptmasse aus den dicken Schenkeln der Henleschen Schleifen 
besteht, erscheinen wegen der vielfachen Einsprengung roter und 
rotviolettgefärbter Elemente, nämlich der dünnen Schenkel der 
Henleschen Schleifen und der Blutkapillaren violett ; die grösseren 
Blutgefässe und Sammelröhren in den Markstrahlen tragen trotz 
ihres Kernreichtums weniger zu dieser roten Nuance des 
Violetts bei, da erstere blau gefärbte glatte Muskeln, letztere 
ziemlich viel Protoplasma, wenn auch nicht so viel wie die dicken 
Schenkel der Henleschen Schleifen, enthalten. 


MS P. G. Unna und L. Golodetz: 


In der Grenzschicht (Fig. 3b, gr) fehlt das blaugefärbte 
Element der gewundenen Kanäle und Schaltstücke; daher die 
mehr ins Rote spielende violette Farbe. Das Rot tritt am stärksten 
hervor in der peripheren, direkt an die Rinde grenzenden Schicht 
weeen ihres Reichtums an grösseren arteriellen und venösen 
kKapillaren,. die bekanntlich ihren Ausgangs- und Sammelpunkt 
in den mittleren Gefässbögen der Niere besitzen, viel reicher an 
Kernen als an Protoplasma sind und nur spärliche Muskeln auf- 
weisen. Die übrige Masse der Grenzschicht erscheint bei schwacher 
Vergrösserung bläulich- und rötlichviolett gestreift, indem das 
Blau von den breiten Schenkeln und Sammelröhren, das Rot von 
den dünnen Schenkeln und Blutkapillaren herrührt. Auch in 
das Mark und die Papille (pa), m welche die Henleschen 
Schleifen nieht mehr hineinreichen, setzt sich die blaue und rote 
Streifung fort. Hier liefern nur noch die Sammelröhren allein 
‚das Blau, die Kapillarkerne des Bindegewebes dazwischen das 
‚Rotviolett. 

Die Kontraste im Nierengewebe zwischen der blauen Färbung 
einerseits, der rotvioletten andererseits erinnern wiederum sehr 
an die gegensätzlichen RKeduktions- und Oxydationsfärbungen der 
Niere mittels Kalipermanganat und Rongalitweiss. wie sie in 
diesem Archiv Bd. 87. Abt. 1, Taf. XI, Fig. 43—47 durch Abbil- 
‚dungen erläutert sind. Dort ist das Protoplasma der Nieren- 
‚elemente je nach der Stärke seines Reduktionsvermögens gebräunt, 
am tiefsten m den gewundenen Harnkanälen, weniger ın den 
geraden (Schleifen und Sammelröhren) und am wenigsten in den 
‘lomeruli. Vergleichen wir die entsprechenden Bilder dort und 
hier, so sehen wir, dass die Stärke des Blaus bei der Färbung 
mit NV der des Manganbrauns ziemlich parallel geht. Das heisst 
mit anderen Worten, dass nur das reduzierende Eiweiss der 
(sewebsteile in der Niere das Blau aus dem NV der Alkohol- 
entfärbung gegenüber zu fixieren vermag. Umgekehrt entsprechen 
die durch Rongalitweiss gebläuten Teile den durch NV rot 
gefärbten, und zwar die dunkelblau gefärbten Kerne der Glomeruli 
und Blutkapillaren dort den dunkelrot gefärbten hier, dann die 
blau gefärbten Kerne der geraden Harnkanäle dort den rot- 
violetten hier und endlich die blassblau gefärbten der gewundenen 
Harnkanäle und Schaltstücke den violetten bei der N\-Färbung. 
Auch hier lässt sich der (umgekehrte) Schluss rechtfertigen, dass 


Neutralviolett extra. 19 


«las Rot des NV von den Sauerstofforten um so kräftiger fixiert 
wird, je stärker ihr Oxydationsvermögen für Rongalitweiss ist. 

Die NV-Färbungen bilden also in allen bisher betrachteten 
Organen eine willkommene Bestätigung der Rongalitweissfärbungen; 
ja. sie ergänzen dieselben in mancher Beziehung, insofern sie 
vermöge der einzeitigen rotblauen Doppelfärbung noch feinere 
Differenzen im Gewebe aufdecken. Während bei der Rongalit- 
weissfärbung nur (uantitätsunterschiede des einfachen Blaus das 
Oxydationsvermögen der (Gewebselemente bekunden, gibt das NV 
für dieses eine Reihe verschiedener Farbentöne vom reinen 
Dunkelrot durch Rotviolett bis zum einfachen Violett. Die letzteren 
Farbentöne bezeugen nämlich eine zunehmende Fixierung des 
Blaus neben der des Rots, also einen zunehmenden Gehalt an 
reduzierendem Eiweiss neben dem oxvdierenden. 

In dieser Beziehung sind besonders die dünnen Schenkel 
der Henleschen Schleifen von Interesse, deren Epithelien in 
sehr wenig farbschwachem Protoplasma dunkelrote, alternierende 
Kerne aufweisen und dadurch ungewöhnlich deutlich hervortreten. 
Offenbar hat diese Färbung eine Bedeutung: sie beweist. dass 
selbst die dünnen Schenkel der Henleschen Schleifen. denen 
man bisher nur die mechanische Rolle eines verbindenden Kanal- 
stücks zuwies, noch eine chemische Rolle bei der Harnabsonderung 
spielen. Wenn schon alle geraden Kanäle (Schleifen und Sammel- 
röhren) vermöge ihres relativen Kernreichtums neben Protoplasma- 
armut auf den vorbeifliessenden Harn oxydierend einwirken, so 
sind offenbar die dünnen Schleifenschenkel ganz besonders hierfür 
geeignet, da ihr Epithel verschwindend wenig reduzierendes Proto- 
plasma führt, während die sich durch NV rot färbenden Kerne 
in das Lumen bauchig vorspringen, also mehr als alle anderen 
Kerne der geraden Harnkanäle mit dem Harn in unmittelbare 
Berührung treten. Die dünnen Schleifenschenkel haben also offenbar 
die Funktion, dem Harn nach dem Durchlaufen der stark redu- 
zierenden gewundenen Kanäle und vor dem Eintritt in die ebenfalls 
stark reduzierenden Schaltstücke frischen Sauerstoff zuzuführen. 


4. Mäuselunge. (Fig. 4.) 
Nach dem bisher gefundenen Parallelismus zwischen dem 
Gegensatz von Blau und Rot des NV einerseits und dem Gegensatz 
der Rongalitweiss- und Permanganatfärbung andererseits ist ein 


S0 PP. G Unns undE Golodetz: 


besonders lehrreiches Kontrastbild auch bei der N\-Färbung des 
Lungen-Gefrierschnitts zu erwarten. In der Tat gewähren hierbei 
diejenigen Orte des Schnittes, an welchen Bronchien und Lungen- 
gefässe getroffen sind, zusammen mit dem umliegenden Alveolar- 
gewebe der Lunge prächtige Farbenkontraste. 

Als ein dunkelrotviolettes, gefaltetes Band bekleidet das 
;ronchialepithel (br) die gesamte Luftröhrenoberfläche. Es ist 
in den grösseren Bronchien zunächst umgeben von einer dünnen 
hellen Bindegewebsschieht mit rotvioletten Kernen, sodann von 
einer dünnen blauen Muskelschicht (mu). Nach aussen von dieser 
folgen an einzelnen Stellen der Peripherie kernreiche Lymph- 
follikel (I) und Knorpelspangen (kn), beide in tief dunkelroter 
Farbe. 


Das Alveolargewebe (al) ist monoton violett gefärbt lediglich 
durch die rotviolette Färbung der Kerne aller Alveolen und Blut- 
kapillaren. Die Zellen sind nahezu farblos, ebenso das Binde- 
und elastische Grundgewebe. 


An den grossen begleitenden Pulmonalarterien (a) dominiert 
völlig die blaue Farbe der Muskulatur; die eingestreuten Kerne 
sind rotviolett. An den mit noch etwas grösseren Lichtungen 
versehenen, viel dünnwandigeren Pulmonalvenen (v) ist die blaue, 
muskuläre Media viel schmächtiger. 


Vergleichen wir hiermit die früher erhobenen Befunde der 
Sauerstoff- und Reduktionsorte von einer Lunge des Kaninchens 
(dieses Archiv Bd. 57, Abt. 1, Taf. XI, Fig. 41 und 42).!) Es 
findet sich dort eine Folge von drei Stufen: 1. Bronchialepithel 
mit Lymphfollikeln und Knorpeln, 2. Alveolargewebe, 3. Lungen- 
arterie. Durch Rongalitweiss färbt sich 1. dunkelblau, 2. blau. 
3. hellbläulich ; durch Kalipermanganat: 1. hellbräunlich, 2. braun, 
3. dunkelbraun. Mithin entspricht die stufenweise in dieser 
Reihenfolge abnehmende Färbung der Sauerstofforte genau der 
stufenweise zunehmenden Färbung der Reduktionsorte. 


!) Dieser Vergleich ergibt nebenbei, dass die dortigen Querschnitte 
eines grossen Lungengefässes solche von Lungenarterien, nicht von Lungen- 
venen sind, wofür ich sie wegen der beträchtlichen Weite des Lumens ge- 
halten habe. Es sprach übrigens schon damals für die Deutung als Lungen- 
arterie die starke Muskularis und die extreme Sauerstoffarmut, Eigenschaften, 
die für die Lungenarterie besser passen als für die Lungenvene. 


Neutralviolett extra. sl 


Dieselben Gegensätze beherrschen nun auch die Verteilung 
von Rot und Blau des NV auf die genannten Elemente des Lungen- 
sewebes. \om reinen Rot der Kerne und des Knorpels geht es 
hier durch das etwas Blau aufweisende Rotviolett des Bronchial- 
epithels und des Alveolargewebes bis zum ganz überwiegenden 
blau der sauerstoffarmen Lungenarterie, wie die folgende Tabelle 
es zeigt. 


ebenen] rn kövdlarenain Sauctetoff: 
orte ‚sauren Eiweisse ‚sauren Eiweisse | orte 
Mangan. | Blau | Rot | BRongalit- 
are SRH \\ des Neutralvioletts Il weissbild 
Kerne > 0 | 0 | me | In 
{ Knorpel a 0 se 0 " — KR j BIEgelaE 
Lymphfollikel N | en } UL ae 
| Bronchialepithel I E= ’ | - = wm 
Alveolargewebe | x "> a In AS ie, 2 Sa 
Lungenarterie IN = 4 4 | +++ . Ji 


In dieser Tabelle stellen wir wieder das Blau des NV an 
die Seite des Manganbildes, das Rot an die Seite des Rongalit- 
weissbildes. Man sieht auf den ersten Blick, dass auch hier eine 
gleiche Stufenfolge der blauen und der roten Färbung vorhanden 
ist, wie bei den Sauerstoff- und Reduktionsfärbungen, und dass 
beide Stufenfolgen wiederum die entgegengesetzte Richtung ein- 
schlagen, so dass ein vollständiger Parallelismus mit jenen Färbungen 
besteht. Nur haben wir bei der NV-Färbung den Vorteil. aus 
den Kontrasten von Rot und Blau gleichzeitig Sauerstoflorte 
und Reduktionsorte herauszulesen. Wo die blaue Farbe vor- 
herrscht, ist Sauerstoffarmut (Lungenarterie), wo die rote dominiert: 
Sauerstoffreichtum (Bronchien mit Lymphfollikel und Knorpel). 
Im Violett des Alveolargewebes hält sich Sauerstoffbedürfnis und 
Sauerstofireserve die Wage. 

Soweit herrscht zwischen den verschiedenen Färbungsarten 
des frischen Gewebes volle Harmonie. Nur in einem bemerkens- 
werten Punkte findet sich auch hier eine Unstimmigkeit. Auf 
dem die Reduktionskraft erläuternden Manganbilde (siehe dieses 


Archiv Bd. 57, Taf. XI, Fig. 42) ist die elastische Lamelle der Pul- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90, Abt.1. 6 


82 P. G. Unna und L. Golodetz: 


monalarterie noch tiefer braun gefärbt als die Muskularis, gerade- 
zu braunschwarz; auf dem entsprechenden NV-Bilde ist sie nicht 
nur nicht tiefer blau als die aussen anliegende Muskularis, sondern 
ganz farblos. Das hängt damit zusammen, dass das elastische 
(iewebe von NV überhaupt nicht gefärbt wird. Es geht daraus 
der eigentlich selbstverständliche Satz hervor: alles, was durch 
NV blau gefärbt wird, beherbergt reduzierende Ei- 
weisse; was aber farblos bleibt, ist deswegen noch 
nicht als frei von reduzierenden Eiweissen zu be- 
trachten. Es ist für die älteren Histologen, welche wissen, 
wie lange es gedauert hat. bis man das Elastin spezifisch färben 
lernte, nicht überraschend, dass es auf dem NV-Bilde gar nicht 
hervortritt: eher schon ist es bemerkenswert, dass das Rali- 
permanganat es spezifisch hervorhebt. 


5. Mäuseleber. 

Das NV-Bild eines Gefrierschnittes der Leber sei auch noch 
kurz betrachtet, obwohl bei demselben die grossen Farbkontraste 
der Haut, Niere und Lunge fehlen. Aber die Leber bildet wegen. 
ihrer homogenen Beschaffenheit das beste Material für alle Ex- 
perimente über künstliche Beeinflussung der Zelleiweisse und 
deren Deutung auf tinktoriellem Wege, u. a. mittels NV — 
Studien, deren Mitteilung wir einer späteren Arbeit vorbehalten 
möchten. 

Das Protoplasma der Leberzellen färbt sich mit NV blau 
und doch ist der (resamteindruck des Netzes der Leberbalken 
ein gleichmässig violetter. Das rührt von der bedeutenden Zu- 
mischung des Rots der Kerne her: während die Kerne der Leber- 
zellen nur blass rotviolett sind, färben sich die der dazwischen 
liegenden Blut- und Gallengangskapillaren dunkelrot. Diese Ver- 
teilung der Farben auf Protoplasma und Kerne ist. nach dem 
Bisherigen zu erwarten; sie ist dieselbe wie bei der Stachel- 
schicht des Deckepithels und der Haarbälge und bei dem Nieren- 
epithel.e. (Geht man von der Zentralvene eines Leberläppchens 
aus, so nimmt die Stärke der Färbungen bei den meisten Läppchen 
umso mehr zu. je mehr man sich der Peripherie des Läppchens 
nähert. Hier treten die in dem interlobulären Bindegewebe 
liegenden Grallengänge durch ihre rein rote Farbe stark hervor, 
ebenso die roten Kerne des umgebenden Bindegewebes. 


Neutralviolett extra. 35 


Bei stärkerer Vergrösserung gewahrt man in den violetten 
Leberzellen eine rote Punktierung durch feine Körner, welche 
auch je mehr nach der Peripherie der Läppcehen um so stärker 
wird. Die rote Färbung dieser Körnchen deutet auf saures 
Eiweiss und Sauerstoff, weswegen diese Körnchen der frischen 
Leberzelle nicht aus Glykogen oder Fett bestehen können: eher 
könnten sie zum Gallenpigment Beziehung haben. Es sind offenbar 
dieselben Körnchen, welche durch Rongalitweiss dunkel gebläut 
werden.'!) Beobachtungen an hungernden Kaninchen scheinen zu 
erweisen, dass ihr Vorkommen von der Verdauung abhängig ist. 


6. Muskel-Sehnen-Ansatz vom Rinde. (Fig. >.) 

Das in Fig. 5 dargestellte Muskel-Sehnenbild stammt vom 
Rinde. Im (Gegensatz zu den in Fig. 2 abgebildeten feinen Sehnen 
‚des Mänseschwanzes enthalten die Sehnen (s) von grossen Muskeln (m) 
besonders nahe ihrem Ansatzpunkte viel von einer Substanz, 
welche sich mit NV dunkelrot färbt und diese Färbung in Alkohol 
festhält. Daher geben Schnitte durch diese Insertionsstelle einen 
überraschenden Farbenkontrast zu den ganz blau gefärbten 
\nuskeln. Dass der Träger des Rots den Sehnen aber nicht im 
allgemeinen zukommt, sondern sich nur an vereinzelten Stellen 
dem Sehnenbilde beigesellt, bemerkt man schon bei der Färbung 
von Schnitten der Sehne. die weiter vom Muskelansatz entfernt 
sind. Es besteht hier zwischen Sehne und dem Träger des Rots 
ein ähnliches Verhältnis wie zwischen ihm und der Hornschicht, 
welche auch nicht überall die rote Färbung festhält. 


II. Die NV-Färbung gekochten tierischen Gewebes. 


1. Allgemeines. 

Bald nachdem wir mit dem NV zu arbeiten anfıngen, 
‚machten wir die Beobachtung, dass, wenn die Gefrierschnitte vor 
‚dem Färben längere Zeit in Wasser liegen blieben, die Farben- 
sättigung geringer war, als wenn sie sofort nach dem Schneiden 
gefärbt wurden. Das liess darauf schliessen, dass sich an der 
Färbung nicht nur die geformten (Gewebsbestandteile beteiligten, 


!\ Siehe Unna: Die Reduktionsorte und Sauerstofforte des tierischen 
“iewebes. Arch. f. mikr. Anat. 1911. Bd. 78, Waldeyer-Festschrift, 8. 12, 
18 und 22. 


2 


[0 0) 


4 P. @G Unna und L. Golodetz: 


sondern auch ungeformte, flüssige, welche bereits durch Wasser 
aus dem Gewebe entfernt werden können. 

Unsere bisherigen histologischen Methoden nehmen eigentlich 
nur auf die Darstellung der geformten Gewebsbestandteile Rück- 
sieht, nicht auf den Gewebssaft und die flüssigen Sekrete der 
Drüsen, es sei denn, dass dieselben, durch die Art der Fixierung 
zur Gerinnung gebracht, ausnahmsweise das histologische Bild 
vervollständigen helfen. Nur einzelne Autoren, wie Posner'}, 
haben zielbewusst durch Kochen der Organe die eiweisshaltigen 
Sekrete und (Grewebsflüssigkeiten der Beobachtung zugänglich ge- 
macht. Es fehlte uns bisher aber noch eine systematische. tink- 
torielle und chromolytische Behandlung der so gewonnenen Bilder‘ 
flüssiger Eiweissbestandteile. 

Hierfür scheint nun das NV uns zum ersten Male eine sehr 
einfache Arbeitsmethode zu liefern. Es besitzt nieht nur zu den 
Eiweissen des Gewebssaftes und der Sekrete eine starke Affinität, 
sondern trifft sogar unter denselben eine Auslese, indem es 
einzelne rot, andere blau färbt. 

Zur Technik der Methode sei folgendes bemerkt. Um 
möglichst alles flüssige Eiweiss in den Organen festzuhalten. 
empfiehlt es sich, unmittelbar nach dem Tode die grossen Blut- 
gefässe und Ausführungsgänge am Hilus in situ zu unterbinden. 
Doch ist diese Vorsicht nicht durchaus notwendig. Dann schneidet 
man aus den Organen Stücke von lem Durchmesser und "> cm 
Dicke so heraus, dass sie ausser dem Parenchym möglichst viel 
Bindegewebe mit Blut- und Lymphgefässen enthalten, und bringt 
sie sofort in das bereits kochende Wasser, wo sie zwei Minuten 
verweilen. Dann werden sie herausgenommen und auf dem. 
(Gefriermikrotom geschnitten. 

Diese besondere Eigenschaft des NV erscheint uns so wichtig, 
dass wir raten würden, bei dieser Färbung ein für alle Mal neben 
(Gefrierschnitten des frischen Gewebes auch immer zum Vergleiche 
solche von gekochtem Gewebe zu färben. Dieses lohnt sich um 
so mehr, als bekanntlich alle gekochten (rewebe sich besser mit- 
dem Gefriermikrotom schneiden lassen als ungekochte und ein- 
zelne sogar nur in gekochtem Zustande mit dem Gefriermikrotom 
gute Schnitte geben. Ausserdem färben sich die sekochten 


!) Posner: Studien über pathologische Exsudatbildungen. Virchows 
Archiv, Bd. 79. 


Neutralviolett extra. S5 
+sefrierschnitte wegen der vollkommenen Zurückhaltung alles 
Hlüssigen genuinen Eiweisses im Parenchym viel intensiver als 
‚die ungekochten: manche Farbendifterenzen. welche auf letzteren 
nur leicht angedeutet sind, treten bei der gesättigteren Färbung 
‚am gekochten Präparat klarer und stärker hervor. 

Im übrigen unterscheiden sich die gekochten (rewebsstücke 
hauptsächlich durch ihren Gehalt an geronnener Lymphe und 
Blut und anderen eiweisshaltigen Flüssigkeiten in den Hohl- 
räumen und Kanälen. Ein wesentlicher Faktor bei dieser 
Polychromie der Schnitte ist ihr Blutgehalt. da sich die gelbe 
Eigenfarbe der roten Blutkörperchen der Färbung überall zumischt, 
wo diese auftreten. Die Querschnitte geronnenen Blutes erscheinen 
‚daher grüniich, weil sich die blaue Farbe des Blutserums mit der 
gelben Eigenfarbe der Blutkörperchen mischt. 

Weiter ist zu beachten, dass mit dem Gerinnen durch 
Kochen eine Volumzunahme der festen Bestandteile einhergeht. 
Dies hat zur Folge, dass alle grösseren Kanäle, welche einen gerinn- 
baren Inhalt beherbergen, voluminös erscheinen und eng anein- 
ander gepresst sind, während die feineren Kanäle, wie die 
Blutkapillaren und die engeren Henleschen Schleifen. durch 
“lenselben Druck leer und fadenförmig verengt erscheinen. 

Im Gegensatz zu den eiweissartigen Flüssigkeiten entziehen 
sich die schleimigen beim Kochen leicht der Beobachtung. Um 
sie — z.B. die Sekrete der Schleimdrüsen — vollständig im 
Schnitte zu erhalten, kocht man diese Organe nicht in destil- 
liertem Wasser, sondern in einer wässrigen Lösung von 1 /oo 
Prikrinsäure + 1°/oo Trichloressigsäure, durch welche der Schleim 
gefällt und seine Färbung gleichzeitig verstärkt wird. Besonders 
das Kochen in Pikrinsäure verbessert die Farbenkontraste bei 
der NV-Färbung in sehr wirkungsvoller Weise. 


2. Niere des Kaninchens. (Fig. 6a und 6b.) 


behält man diese vom Kochen unzertrennlichen Vorgänge 
im Auge. so versteht man leicht die Färberesultate, welche NV 
an einem Gefrierschnitt der gekochten Niere eines Kaninchens 
hervorbringt. Die gewundenen Harnkanäle und Schaltstücke (wu) 
stellen sich, wie alles reduzierende Protoplasma, rein blau dar. 
bis auf die violetten Kerne. Ebenso blau sind bei stärkerer 
Vergrösserung die blutleerenGlomeruli, erscheinen aber beischwacher 


56 P. G. Unna und L. Golodetz: 


Vergrösserung violett wegen ihres Kernreichtums. Die bluthaltigen 
Glomeruli (g) dagegen sind dunkelgrün mit violetten Kernen. 
Das Dunkelgrün entsteht durch Mischung des Blaus der Kapillar- 
‚wandungen und Endothelien mit dem Gelb der Blutkörperchen. 
Von den Henleschen Schleifen sind die breiten Schenkel blau 
bis auf die violetten Kerne, die engeren Schenkel dagegen scheinen 
nur aus einer doppelten rotvioletten Kernreihe zu bestehen ; ebenso 
verhält es sich mit den leeren Blutkapillaren, doch ist der — 
dort gerade, hier gewundene — Verlauf hinreichend, beide 
Elemente zu unterscheiden. Die grossen Sammelröhren sind ganz 
blau bis auf die violetten Kerne: auch der Inhalt ist blau. 

/usammengefasst, erscheint die Rinde in den Markstrahlen 
violett, im Labyrinth blau mit grün und violett gesprenkelten 
Glomeruli: die Grenzschicht sieht blau und grüngelb gestreift. 
das Mark violett und grüngelb gestreift aus. 

Als etwas Neues kommt das Bild des Hilus hinzu, das 
Bindegewebe um die ein- und austretenden grossen Gefässe. So 
einfach dasselbe bei gewöhnlichen Kernfärbungen, ja selbst bei Proto- 
plasmafärbungen (pol. Methylenblau, Methylgrün + Pvronin) er- 
scheint, so vielfarbig bunt bei der Färbung mit NV. Die grossen 
Venen (v) und Arterien (a) haben einen grünen Blutinhalt innerhalb 
der blauen Muskelschicht des Gefässes. Die Adventitia ist dicht 
durchsetzt mit violetten Kernen, weist aber hier und da rund- 
liche, blau gefärbte Einschlüsse auf, welche sich vermöge ihres 
Endothelbelags als Schnitte von Lymphgefässen (l) zu erkennen 
geben. Es ist also an den gekochten und mit NV gefärbten 
Sehnitten nichts leichter, als Venen und Lymphgefässe schon 
durch ihren verschieden gefärbten Inhalt zu unterscheiden. 
Ausser diesen Lymphgefässen findet man hier und da biaue Ein- 
sprengungen im Bindegewebe, die keinen Endothelbelag aufweisen. 
Zudem ist diese blaue Substanz von Hohlräumen dicht durchsetzt. 
also schwammartig geronnen, während die blaue Masse in den 
ILymphgefässen homogen geronnen ist. Es handelt sich bei 
ersteren mithin um freie Anhäufungen von Lymphe oder Serum 
im Bindegewebe, also um Lymphspalten (Isp), deren Inhalt uns 
sonst fast immer entgeht, der aber auf dem NV-Bilde der blauen 
Farbe wegen sofort auffällt. Endlich ist das adventitielle Bindegewebe 
vieler grösseren Blutgefässe im Gegensatz zu den blau gefärbten 
Lymphspalten rötlich gefärbt (rö), besonders wo es festere Form 


Neutralviolett extra. 87 


annimmt. Es wird sich hier um eine rotliebende Eiweißsubstanz 
handeln, ähnlich derjenigen der Sehnen am Muskelansatz (Fig. 5). 

Das NV kann zum Studium der Niere und anderer Organe, 
also besonders in solchen Fällen empfohlen werden, wo es auf 
die genauere Untersuchung von Transsudaten und Exsudaten im 
Gewebe ankommt: das Kochen fixiert sie an dem Ort ihrer Her- 
kunft, und das NV erlaubt durch seine Farbenanalyse, auf die 
Art des Eiweisses an den verschiedenen Stellen Schlüsse zu ziehen. 


3. Leber des Kaninchens, Pankreas, Parotis, Submaxillaris und 
Sublingualis des Pferdes. 


Eine Darstellung aller von uns mit dieser Methode unter- 
suchten Organe erübrigt sich wohl. Es seien nur noch einige 
ganz kurz mit wenigen Strichen gezeichnet. 

Ein Schnitt durch die Leber des Kaninchens ist dunkel- 
blau wegen des Reichtums an (blau gefärbtem) Protoplasma: 
die Kerne der Leberzellen aber sind dunkelviolett. Der Hilus 
enthält in rosa gefärbtem Bindegewebe die Blutgefässe mit grün 
gefärbtem Blut und dunkelblauer Muskulatur, die Gallengänge 
mit dunkelviolett gefärbtem Epithel, himmelblau gefärbtem Epithel- 
saum und blau gefärbter (Galle, sodann Lymphgefässe mit blau- 
erünlichem. homogenem Inhalte und rotviolette Kerne. 

Pankreas, Parotis, Submaxillaris und Sublin- 
gualis des Pferdes seien sodann erwähnt als Beispiele für solche 
Organe, die sich wegen ihrer Weichheit und Zerreisslichkeit mit 
dem Gefriermikrotom in frischem Zustande überhaupt nicht 
schneiden lassen, während dieses bei den gekochten Organen 
mühelos gelingt. 

Ein Pankreasschnitt ist dunkelviolett, die einzelne 
Drüsenzelle blau mit dunkelviolett gefärbtem Kern. Die Langer- 
hansschen Inseln stechen durch ihre helle Farbe stark vom 
übrigen Parenchym ab. Die Zellen derselben sind ganz farblos 
oder schwach bläulich, ihre Kerne alle rotviolett gefärbt. Einzelne 
Zellgruppen heben sich ausserdem ohne ersichtliche Ordnung 
durch ihre hellblaue Farbe ab. Die Schaltstücke zeigen nur 
diehtgestellte Reihen dunkelvioletter Kerne. Die Ausführungs- 
gänge tragen dunkelviolette radiär gestellte Epithelkerne, einen 
blauen, breiten Epithelsaum und dunkelblauen Sekretinhalt. Das 
Bindegewebe im Hilus ist graurot bis rotviolett gefärbt, das Blut 


SS P. G. Unna und L. Golodetz: 


grün innerhalb der blauen Media der (refässe, die Lymphe blau 
in den weiten und reichlichen Lymphspalten und Lymphgefässen. 

Viel monotoner ist die Parotis gefärbt, der Typus einer 
einfach serösen Speicheldrüse. Die Zellen ebenso wie ihre Sekrete 
sind gleichmässig blau gefärbt, die Kerne rotviolett. Das festere 
Bindegewebe im Hilus ist rot, die dazwischen liegenden lockeren, 
an Lymphspalten reichen Abschnitte desselben blau gefärbt. Blau 
ist der Inhalt der Lymphgefässe, grün der der Arterien und 
Venen. 

Ein Schnitt durch die Submaxillaris sieht makroskopisch 
blauviolett aus. Mikroskopisch sind die Drüsenzellen der Tubuli 
deutlich in blaue und mehr oder weniger rote unterschieden. Die 
einfachen Drüsenzellen sind blau mit violetten Kernen. Mit der 
Ansammlung des Sekretes schwindet die blaue Farbe zugunsten 
der roten, die um so stärker wird, je mehr die Zellen dabei 
kuglig anschwellen. Der Zellinhalt wird dabei deutlich schaumig 
mit Anhäufung von dunkelroten Körnern und Fäden an den 
Wabenwänden, während die Kerne an die Wand verschoben werden. 
In den grössten Zellen nimmt die rote Farbe wieder ab und der 
nun blassrote, blassviolette oder sogar farblose Inhalt entleert 
sich in die Schaltstücke und weiter in die grösseren Sekretröhren, 
wobei der Inhalt bemerkenswerterweise wieder eine blaue Fär- 
bung annimmt. Auch die Wandung aller dieser Ausführungs- 
gänge ist dunkelblau gefärbt und mit violetten Kernen reichlich 
versehen. Diese stark blau gefärbten Gänge heben sich von dem 
diffus rot gefärbten interstitiellen Bindegewebe der Drüsen scharf 
ab. Auch das Bindegewebe des Hilus ist graurot gefärbt, in 
starkem Kontrast gegen die Lymphgefässe mit blauem Inhalt und 
die grossen Ausführungsgänge, die ein dunkelblaues Sekret ent- 
halten. 

Diese eigentümliche Farbenwandlung der sezernierenden 
Zellen und ihres Sekrets, die auf eine zuerst schleimige, dann 
seröse Umwandlung hindeutet, fordert zu einer genaueren tink- 
toriellen Untersuchung der Submaxillaris heraus. 

Besonders lehrreich und klar ist das Sekretbild (siehe Fig. 7a, 
7b und 7c) der gekochten Sublingualis des Pferdes. Die 
Sublingualis gehört bekanntlich zu den gemischten Drüsen, welche 
ein teils mucinöses, teils eiweissartiges Sekret absondern. Be- 
trachtet und vergleicht man nun die Querschnitte der Aus- 


Neutralviolett extra. 80 


führungsgeänge im Hilus und im interstitiellen Gewebe der Drüse 
m bezug auf ihren Inhalt, so sieht man folgendes. In den 
grösseren Gängen (Fig. 7a. gg) des Hilus ist der Inhalt der 
Hauptmasse nach blau, oft aber umschliesst die blaue Masse 
zentral oder in der Peripherie einen dünnen (uerschnitt roter 
Substanz (Fig. 7a bei x). Zuweilen begrenzt auch ein grösserer 
blauer einen seitlich gelegenen kleinen roten Sekretanteil. In 
den kleineren Gängen ist die Farbe meist einheitlich, viel öfter 
blau (Fig. Tc), seltener rot (Fig. 7b). Aber hin und wieder 
treten auch hier im engsten Raume nebeneinander rote und blaue 
Sektoren auf. Die blauen Anteile, welche offenbar von serösem 
Sekret herrühren, sind stets homogen geronnen, die roten dagegen 
häufig. sogar der Mehrzahl nach schaumig oder fädig geronnen, 
ähnlich wie Fibrinflocken (siehe Fig. 7b). Diese stellen also das 
schleimige Sekret der Sublingualis dar. In Fig. 7a gibt ein 
ganzer Drüsenabschnitt (S) ein rein seröses Sekret und ist daher 
von bläulichvioletter Färbung. 


III. Die NV-Färbung von Gewebsflüssigkeiten. 


In den vorigen Kapiteln wurde an (refrierschnitten des 
frischen und des gekochten (rewebes gezeigt, dass sowohl die 
festen wie die flüssigen Bestandteile des (sewebes sich mittels 
NV in Kontrastfarben darstellen lassen. Diese Kontrastbilder 
sind zunächst empirische Tatsachen, die ihren eigenen histo- 
logischen Wert besitzen. Durch eine konsequent durchgeführte 
‚chromolytische Behandlung der verschiedenen Organe und Organ- 
flüssigkeiten werden sie aber zu etwas Wertvollerem, zu weiteren 
;austeinen der Gewebschemie. Wenn wir vorderhand noch davon 
absehen, mittels der Chromolyse die NV-Bilder systematisch 
durchzuarbeiten, so geschieht es nur aus rein praktischen Gründen. 
Bei der grossen Ausdehnung dieses (rebietes und den besonderen 
Schwierigkeiten, welche die flüssigen Eiweisse bisher der exakten 
Durchführung dieser Methode bereitet haben, würde der nächste 
Zweck dieser Arbeit, das NV in die Histologie einzuführen, 
erschwert, wenn nicht gar vereitelt werden. Wir ziehen es daher 
vor, zunächst nur die NV-Färbung einiger bekannter Eiweissse 
zu besprechen, welche zu den NV-Bildern der Organe und Organ- 
tlüssigkeiten bereits so lehrreiche Analogien bieten, dass sich allein 


90 P. G. Unna und L. Golodetz: 


aus diesen Ergebnissen bereits manche der beschriebenen Kontrast- 
färbungen der Organe anstandslos erklären lassen. Anschliessend an 
die Erörterung dieser Eiweisse wollen wir dann noch über die 
NV-Färbung verschiedener anderer organischer Substrate in bunter 
Auswahl berichten. Je vielseitiger unsere Kenntnis der N\V- 
Färbung im Ganzen wird, um so weniger leicht werden wir bei 
ihrer Deutung in Einseitigkeiten verfallen. 


l. Eiereiweiss. 

Wenn man sich aus einem gekochten Ei Gefrierschnitte 
herstellt und sie mit NV in derselben Weise wie gewöhnliche 
(sewebsschnitte färbt, so erscheint der gefärbte Schnitt nach dem 
Abspülen in Wasser rotorange. Bringt man den Schnitt aber 
aus dem Wasser in Alkohol, so wird die rote Farbe ausgezogen 
und der Schnitt erscheint rein blau. 

Ebenso wie das gesamte Hühnereiweiss lassen sich auch die 
daraus gewonnenen Albumin- und Globulinlösungen zur Gerinnung 
bringen. Stellt man aus solchen Coagula der beiden genuinen 
Eiweisse (refrierschnitte dar, so zeigen sie bei der Färbung genau 
dasselbe Verhalten wie das (sesamteiweiss. Die zunächst roten 
Schnitte werden bei der Entwässerung in absolutem Alkohol 
rein blau. 

(zenau so verhielten sich auch Albumin und Globulin, welche 
aus frischem Milzbrei gewonnen wurden. Der Preßsaft wurde 
gut filtriert und mit gleichem Volumen gesättigter Ammonsulfat- 
lösung versetzt. Das ausgeschiedene Globulin wurde mehrfach 
gelöst und ausgesalzen und schliesslich durch Dialyse rein ge- 
wonnen. Das in der halbgesättigten Ammonsulfatlösung ver- 
bliebene Albumin wurde mit Ammonsulfat in Substanz bis zur 
Sättigung versetzt. das ausgeschiedene Albumin filtriert und wie 
oben gereinigt. Beide Substanzen, mit einem Tropfen Wasser 
auf dem Objektträger verrieben und dann durch Erhitzung zur 
Gerinnung gebracht, färbten sich mit NV in schönem gesättigtem 
Blau. 

2. Muskel. 

Fein zerhackte Muskeln wurden längere Zeit mit Wasser 
digeriert. Die wässerige Lösung wurde von dem Muskelbrei 
durch Filtration getrennt (Filtrat I), während der Muskel in 
frisches Wasser kam und wiederum längere Zeit. dieses Mal unter 


Neutralviolett extra. 9} 


häufigem Wechseln des Wassers behufs besseren Ausziehens dige- 
riert wurde. 

Der wässerige Auszug (Filtrat 1), der viel Albumin enthielt. 
wurde nun gekocht, wobei alles genuine Eiweiss coaguliert und 
ausgeschieden wurde. Trennt man das Coagulum von der Flüssig- 
keit durch Filtrieren (Filtrat II), streicht etwas davon auf dem 
Objektträger aus, erhitzt es etwas über der Flamme, färbt es mit NV 
und entfärbt in Alkohol, so erhält man, wie das vom Albumin 
zu erwarten ist, eine intensive Blaufärbung des Präparates. Am 
schönsten lässt sich diese Färbung demonstrieren, wenn man sie 
in Gegensatz bringt zur Färbung von Seidenpapier, das, wie alles 
Papier (siehe unten), sich mit NV rot färbt. Man bringt kleine 
Streifen Seidenpapier in den wässerigen Muskelextrakt und er- 
hitzt das Ganze zum Kochen. Hierbei gerinnt das genuine Ei- 
weiss an den Papierfasern. Das Stückchen Papier lässt sich dann 
wie ein Gefrierschnitt behandeln, und man erhält mit NV eine 
Blaufärbung von Eiweiss auf dem roten Hintergrunde des Papiers. 

Das Filtrat II enthielt nur noch Spuren eines organischen 
Rückstandes und konnte wegen der geringen Menge der in Lösung 
befindlichen organischen Substanz nicht mehr untersucht werden. 
Ein auf dem Objektträger eingedampfter Tropfen dieses Filtrates 
hinterliess hauptsächlich einen anorganischen Rückstand. her- 
rührend von den im Safte des Musikels enthaltenen Salzen und 
löste sich beim Versuche, ihn mit NV zu färben, restlos auf. 

Hiermit war erwiesen, dass der wässerige Muskelauszug 
fast nur aus genuinen Eiweissen besteht und sich wie die Muskel- 
substanz selbst rein blau färbt. 

Dasselbe Resultat erhält man. wenn man frisches Muskel- 
gewebe auspresst. Auch der Preßsaft, welcher von genuinen Ei- 
weissen gebildet wird, färbt sich rein blau. 

Die durch Pressen oder durch Extraktion von Saft befreite 
Muskelsubstanz, zerzupft, auf dem Objektträger angetrocknet 
und gefärbt, nimmt bei der NV-Färbung eine grünlichblaue 
Färbung an. Es ist sehr schwer, der Muskelsubstanz durch 
blosses Auswaschen mit Wasser ihre Affinität zur blauen Kompo- 
nente des NV zu nehmen. Selbst nach tagelangem Auswaschen 
nimmt sie, mit NV gefärbt, ein allerdings immer schwächer 
werdendes Blau an. Man muss schon unter oftmaligem Wechseln 
und Schütteln mit zweiprozentiger Kochsalzlösung die Muskel- 


93 P. G. Unna und L. Golodetz: 


substanz 1 bis 2 Tage behandeln, um die Neigung zur Blau- 
färbung vollständig zu vernichten. Diese Extraktionen der Muskel- 
substanz gehen leichter und rascher vor sich, wenn man die- 
selben an Gefrierschnitten vornimmt; doch geht aus diesen Ver- 
suchen hervor, dass der Träger der Blaufärbung, welcher sich zum 
grossen Teil in dem Muskelsaft befindet. auch in der festen Muskel- 
substanz vorhanden ist und von dieser hartnäckig festgehalten wird. 

Die Tatsache, dass sowohl die feste Muskelsubstanz wie der 
Muskelsaft sich mit NV blau färben, erklärt nun auch die merk- 
würdige Erscheinung, dass die stark gebläuten, quergestreiften 
Muskeln niemals auch nur eine Andeutung von (uerstreifung 
zeigen. Offenbar sind diese Muskeln derartig mit Albumin ge- 
tränkt, dass das NV sie nur als homogene Gebilde darzustellen 
vermag. 

3. Andere Organsäfte. 

Die aus allen saftreichen Organen durch Pressen oder Wasser- 
auszug gewonnene Flüssigkeit färbt sich nach Erhitzen bis zur 
'Gerinnung und Färbung mit NV ausnahmslos blau, was sich aus 
ihrem reichen Gehalt an Albumin und Globulin hinreichend er- 
klärt. Andererseits war es nicht leicht, aus solchen Geweben, 
die sich auf Gefrierschnitten rein rot färben, einen ähnlichen 
Preßsaft zu gewinnen: es sind dieses alle Knorpel und ge- 
wisse Sehnen. Besonders die grossen und harten Sehnen, dort, 
wo sie sich an grosse Muskeln ansetzen, färben sich gewöhnlich 
rein rot, in krassem Gegensatz zum benachbarten Muskel (siehe 
Fig. 5). Es gelang aber, von einer etwas weicheren Sehne, indem 
wir sie zerhackten und eine Nacht im Brutofen mit Wasser ex- 
trahierten, ein wenig Saft zu gewinnen. Derselbe zeigte beim 
Kochen eine schwache, übrigens nicht filtrierbare Trübung. Ein 
Tropfen eingedampft, und mit Neutralviolett gefärbt, zeigte Rot- 
färbung. Mithin handelte es sich wohl um den Träger der Rot- 
färbung der Sehne. 

Rein blau färbt sich wiederum das geronnene Blutserum 
und Blutplasma. Das rein gewaschene Fibrin dagegen färbt 
sıch auf dem Gefrierschnitte und beim Zerzupfen und Antrocknen 
auf dem Objektträger weder blau noch rot. 

Verdaut man kernreiches Gewebe, z. B. Milzbrei mit Salz- 
säure-Pepsin, so so färbt sich der Gewebsrückstand, der fast ganz 
aus Kernen besteht, nicht mehr blau, sondern rot. 


Neutralviolett extra. 95 


IV. Die NV-Färbung fester organischer Stoffe. 

Eiweisse in Gestalt getrockneter Pulver färbt man am besten 
in folgender Weise. Eine kleine Menge wird mit einem Glasstab 
auf die Mitte eines Objektträgers gebracht und mit einigen 
Tropfen einer Alkohol + Äther-Mischung, in welcher eine Spur 
Zelloidin aufgelöst ist, rasch verrieben und dabei auf einer grösseren 
Fläche verteilt. Nach Verdunstung des Alkohol-Äthers wird der 
Objektträger noch über einer kleinen Flamme hin und her geführt, 
um die letzten Spuren von Feuchtigkeit zu entfernen. Die Pulver 
haften dann so fest am Glase, dass sie bei der folgenden Färbung 
und Entfärbung nicht abfallen. 

Dann bringt man die Objektträger in ein Standgefäss mit 
der !/2 prozentigen NV-Lösung, wo sie 10 Minuten verbleiben. Sie 
werden sodann in Wasser abgespült und in ein Standgefäss mit 
absolutem Alkohol gestellt bis zur völligen Entwässerung. Als- 
dann kann man sie in Balsam bringen. 

Da es im allgemeinen für die Intensität und Schärfe jeder 
Färbung mit Mischfarben einen Vorteil bedeutet, wenn auch das 
zu färbende Substrat gemischter Natur ist, da dann erst den 
Farbkomponenten Gelegenheit geboten wird, ihre Affinitäten zu 
verschiedenen Stoffen völlig ungehindert betätigen zu können, so 
empfiehlt es sich auch für den hier vorliegenden Zweck, die Ei- 
weisse in Mischungen zu färben. Man stellt sich dieselben einfach 
dadurch her, dass man auf die Mitte des Objektträgers zwei 
verschiedene Pulver nebeneinander in kleinen Mengen aufträgt 
und sie gleichzeitig mit dem Alkohol-Äther verreibt. So z. B. 
zeigt eine derartige Mischung von Nuklein und Kasein nach der 
Färbung mit NV nebeneinander in voller Schärfe blaue Partikel 
von Nuklein und violette von Kasein. Aber nicht alle Eiweisse 
unterscheiden sich dem NV gegenüber so gut wie Nuklein und 
Kasein. Man tut daher am besten, wenn es auf die genaue 
Färbung einer bestimmten Eiweissart ankommt, als Gegensatz 
Zellulose zu wählen. Denn wie die zweite Hälfte untenstehender 
Tabelle zeigt, neigen alle zellulosehaltigen (rebilde zu einer mehr 
oder minder starken, reinen Rotfärbung. Da aber Zellulose nicht 
gut in Pulverform zu bringen ist, so benutzt man auch hier sehr" 
dünnes Seidenpapier, welches, wie oben (S. 91) bereits mitgeteilt, 
sich mit NV rot färbt. Man geht in der Weise vor, dass ein 
kleines Quadrat von Seidenpapier in eine dünne Zelloidinlösung 


“4 P. G. Unna und L. Golodetz: 


getaucht wird, worauf man, so lange es noch feucht ist, das Ei- 
weisspulver, z. B. Nuklein, aufstreut. Dann lässt man noch einmal 
einen Tropfen der dünnen Zelloidinlösung über das Papier laufen, 
wodurch das Pulver fixiert wird. Mit NV gefärbt, zeigt nun das 
Präparat das Eiweiss blau auf dem roten Grunde des Papiers. 

Eine gute Anschauung über die Rotfärbung der Zellulose 
im pflanzlichen Gewebe gibt der in Fig. S abgebildete Teil vom 
«Juerschnitt eines Radieschens. Das Zentrum des Schnittes (im 
bilde oben) ist dunkelrot gefärbt, und von hier gehen dunkelrote 
Strahlen nach allen Seiten der Peripherie. Die dunkelrote Farbe 
haftet an den Zellwänden und setzt sich in abgeschwächtem 
Maße auf die Zellulosewände der helleren Zellenmasse zwischen 
«en Strahlen fort. In den Strahlen hebt sich in violetter Farbe 
nur die Auskleidung der Gefässquerschnitte ab. 

In folgender Tabelle haben wir einige der hauptsächlichsten 
festen Bestandteile des tierischen und pflanzlichen Gewebes zu- 
sammengestellt. Um ihre Verwandtschaft zum NV besser verstehen 
zu lernen, ist es durchaus notwendig, die NV-Färbung derselben 
mit der Färbung durch die beiden Komponenten: Neutralrot und 
Neublau zu vergleichen. Die Färbung mit NV ist nämlich durch- 
aus nicht stets ein Mittel aus diesen beiden Einzelfärbungen. 
Wie ein rascher Überblick über die Tabelle lehrt, dominiert in 
der ersten Hälfte, bei den Eiweissen tierischen und pflanzlichen 
Ursprungs das Blau in der Mischfärbung, in der zweiten, bei den 
J/ellulosen, das Rot, obwohl alle Stoffe sich einzeln mit Neublau 
blau, mit Neutralrot rot färben. Man muss also annehmen, dass 
bei jeder Färbung mit NV eine Konkurrenz der beiden Farbstofie 
um den Besitz des Substrates eintritt, welche bei den Eiweissen 
meistens zur Vorherrschaft des Blaus, bei den Zellulosen stets 
zu der des Rots führt, während bei einigen Eiweissen beide 
Farbstotfe von dem Stoffe Besitz ergreifen und die Färbung dann 
mehr oder minder violett ausfällt. Man kann demgemäss die 
Eiweisse in eine tinktorielle Reihe ordnen, beginnend mit den 
Albuminen und Globulinen, die sich mit NV stets rein blau färben, 
bis zum Casein und Vitellin, deren Färbung violett ausfällt. Bei 
‚len Zellulosen aber ist die Affinität zum Rot so stark, dass eine 
tinktorielle Ordnung, etwa nach der mehr oder minder starken 
Mitwirkung des Blaus, hier nicht möglich ist. 

Am auffallendsten in dieser Tabelle ist wohl die Färbung 


Neutralviolett extra. 


95 


Neublau Neutralrot Neutralviolett 

Albumin blau rötlich blau B 
Globulin hlau | rötlich blau 
Nuklein hellblau ' schwach rötlich | blau 
Nukleinsäure schwarzblau |spurweise rötlich blauviolett 
Kernsubstanz *) dunkelblau | | rot F dunkelviolett 
Sperma, | 

mit Alkohol und dunkelblau rot dunkelviolett 

Äther extrahiert *) 
Nuklein, » IB: | BE 

mit H,O, behandelt ‚lau rötlich dunkelviolett 
Dein, na ie ee 

mit NH, behandelt na dunkelrot Aalen 
K ? | teils farblos, teils 

eratin A blau rot | eohriolett 
Keratin B graublau stark rot rötlich-violett 


 Hornalbumosen schwach bläulich 
reine Wollfaser schwach blau | 


Kasein blau 
Vitellin bläulich 
EBlastin bläulich 
Kleber NERR bläulich : i 
Baumwollfaser schwach blau 
Filtrierpapier dunkelblau 
Zellmembran 
(Bohne, Mohrrübe. 
blau 
xadieschen, Kar- 
toffel) 
ungebleichte a 
Holzfaser an 
Hollundermark blau 
Nitrozellulose 
schwach blau 


Zelloidin) 


fast farblos | 
schwach rot | 
rot 
rötlich 
rötlich 
rötlich 
dunkelrot 
dunkelrot 


rot 


rot 


rot 


rot 


fast farblos 


schwach violett 
grauviolett 
| violett 
teils bläulich, teils. 


sehr schwach violett 


‚sehr schwach violett 


dunkelrot 


dunkelrot 


rot 


rot 
rot 


farblos 


*, Die Kernsubstanz aus Gänseblut und die Spermaköpfe des Herings 
wurden uns von Herrn Geheimrat Kossel freundlicherweise zur Verfügung 


gestellt. 


36 P. G Unna und L. Golodetz: 


des Nukleins, da bei der konstanten rotvioletten Färbung der 
Kerne der Schluss wohl berechtigt erscheinen dürfte, dass gerade 
Nuklein zum Rot des NV eine besondere Affinität besässe. Es 
ist aber gerade umgekehrt: das Nuklein fixiert aus dem NV das 
Blau ebenso stark wie Albumin und Globulin. Es repräsentiert 
also keinesfalls allein die Kernsubstanz, was übrigens auch 
allgemein abgelehnt wird. Eine grössere Verwandtschaft zum 
Rot des NV hat schon die Nukleinsäure, die sich in einem blau- 
violetten Ton färbt. Dunkelviolett färbten sich weiter eine aus 
(änseblut gewonnene Kernsubstanz und ein mit Alkohol und 
Äther extrahiertes Heringssperma aus dem Kosselschen Labo- 
ratorium: ebenso ein von uns mit H,; O, sowie ein mit Ammoniak 
behandeltes Nuklein. Das im Handel befindliche. nach der gewöhn- 
lichen Methode dargestellte Nuklein ist mithin weit entfernt 
davon, die rotviolette Substanz der Kerne darzustellen. Die Ver- 
schiedenheit dürfte u. a. durch die Behandlung mit Salzsäure und 
die Entfernung des Sauerstoffs bedingt sein. 

Im übrigen zeigt die Tabelle, was zu erwarten war, dass 
alle Eiweisse und alle Zellulosen als saure Körper die beiden 
basischen Farben. Neublau sowohl wie Neutralrot, aufzunehmen 
imstande sind. Es führen aber diese Aftinitäten bei der NV- 
Färbung nur selten zu einer reinen Violettfärbung, wie z. B. beim 
Vitellin. Meistens siegt bei den Eiweisskörpern die Affinität zum 
Neublau, bei den Zellulosen die zum Neutralrot. Die Erklärung 
für das erste Phänomen liegt wohl einfach in der mehr oder 
minder starken heduktionskraft der meisten Eiweisskörper. Wir 
haben bei den Organfärbungen ja durchweg die Beobachtung 
gemacht, dass Neublau „sauerstoffeindlich“ ist, insofern es die 
Sauerstofforte dem sauerstoffreundlichen Neutralrot überlässt und 
sich auf die Reduktionsorte beschränkt. Sollte vielleicht die hot- 
färbung der Zellulosen auf ihren Sauerstoftfgehalt und eine dadurch 
bedingte besondere Affinität zu dem sauerstoffreundlichen Neutralrot 
zurückzuführen sein ? 

Wir verfügen bereits über eine Erfahrung allgemeiner Art, 
welche diese Frage zu bejahen scheint. Bei unseren Studien über 
das Rongalitweiss war uns die intensive Blaufärbung aufgefallen, 
welche alle Arten von Papier bei der sachgemäss ausgeführten 
Rongalitweissfärbung annehmen. Dass es sich dabei nicht um 
eine bloss mechanische Adhärenz von Luftsauerstoff handeln konnte, 


Neutralviolett extra. 97 


bewies der einfache Kochversuch. Auch gekochtes Papier besitzt 
dieselbe auffällige Affinität für Rongalitweiss. Wir stellten daher 
schon vor einigen Jahren eine grössere Untersuchung über diesen 
Gegenstand an und gingen bis auf die Samenhaare der Baum- 
wollstaude zurück. Auch diese zeigten schon dieselbe bemerkenswerte 
Affinität. Wir untersuchten dann eine grosse Reihe vegetabilischer 
Fasern; von den zartesten Zellwänden bis zum Holze, alle zellulose- 
haltigen Gebilde zeigten dieselbe starke Färbung in Rongalitweiss 
im Gegensatz zu tierischen Horngebilden. Das sauerstoffreiche 
Zellulose-Molekül muss daher in irgend einer noch näher zu 
erforschenden Weise einen Teil seines Sauerstofts in lockerer 
Bindung enthalten und an feine Sauerstoftreagentien abzugeben 
imstande sein. Dass es sich bei dieser ganz allgemeinen Erschei- 
nung nicht etwa um Oxyzellulose handelt, geht aus hier nicht 
weiter zu erörternden Erfahrungen hervor. 

Eine unerwartete Bestätigung dieser Beobachtungsreihe gibt 
nun die NV-Färbung. Denn hier zeichnet die Rotfärbung, welche 
wir an den tierischen Geweben fast allein an die sauren Sauer- 
stofforte (Kerne, Mastzellen, Knorpel) geknüpft sehen, vor allem 
die Zellulose aus. Die Zellulose verschmäht also in der N\V- 
Mischung das sauerstoffeindliche Neublau und fixiert das sauer- 
stoffreundliche Neutralrot. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9%. Abt.l. 


=] 


95 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 


Von 


Privatdozent Dr. W. J. Schmidt, 
Bonn, Zoologisches Institut. 


Hierzu Tafel V—IX und 15 Texttiguren. 


Inhaltsübersicht. Seite 

Einleitung... ® \ I 
I. Die ee aa Andale de C onen 101 
a) Artenwund Benennung. er. ee Et 

b)' Anordnung in deryHaut 1.52 7. Er GN 
IE:-DieMelanophoreni: Er RS RT er Ta se 
a) Formverhältnisse . . . he ee ee ee Er 

b) Funktionelle eher Re; 125 

c) Kernverhältnisse . . . NE a, Slah! 

d) Sphäre und olesnelneeie rukineen a / Stälil 

e) "Eintwicklane 112 RUE AR N TER  eN. D 

17, Die AT ophor en HER 
a) Untersuchunesmethoden er 22 72 EG 

b) Allophoren der Lacertiden.. 2... 2... 2.02.20 2002 

6) Allophoren von Uroplatus.... .... 20. 1 u. Ce 

IV. Die Eirpophoren) .. 2. 20 BE N RER es 
a) Historisches .... ee. 5. 117% 

b) Umesechanesmethone: am nberichendes Objekt ee NT 

c) Vorkommen und Verbreitung bei den Lacertiden .. .... 179 
O)4BaUr 22%. 300 3 00a De wa ee ee a ae, van N 
e)oHarbstolloez....: a a ae re N [> 

f) een En 2 Deo 

8) Bewegungserscheinungen ?" 7; U san Sa ne 
N+Die/@Guanophonen:.x:..r. nal ee a en) 
a) ZEINALNE aa an a ee ehe te Be RES 

b) Entwicklung Dre Ä 2 

e) Struktur des Eristalliischen Inhalts ana 7y toplasma ld 

d) Bewegungserscheinungen? . . . 214 

e) Verhalten des kristallinischen ne in polaren Licht 216 
Chemische Natur des kristallinischen Inhalts. . . ..... 218 

g) Strukturfarben 292 


VI Erklärungsversuche der intrazellulären Bewegung 
der Pismentrranula ... .....000 5.00 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. a) 


Einleitung. 

Erste Bedingung zur Erklärung von Färbung und 
Farbenwechsel bei den Reptilien ist die Kenntnis ihrer 
morphologischen Grundlagen. Dank emsiger Forschung kann 
man heute wohl sagen, dass das Zustandekommen und der Wechsel 
der Hautfärbung in ihrer Abhängigkeit von bestimmten histo- 
logischen Elementen im wesentlichen erfasst sind. Doch darf 
die morphologische Seite der mit Färbung und Farbenwechsel 
verknüpften Probleme noch keineswegs als erschöpfend bearbeitet 
gelten. 

Nachdem schon frühzeitig beobachtet war, dass sich an 
den Melanophoren Pigmentverlagerungen abspielen, blieb es 
neuerer Zeit vorbehalten, deren Natur als intrazelluläre Körnchen- 
strömungen endgiltig zu sichern. Die Erklärung solcher intra- 
zellulären Pigmentverschiebungen aber setzt die Kenntnis ihres 
Ablaufes im einzelnen voraus, über den wir bislang so gut 
wie gar nicht unterrichtet sind. Schon Brücke (1851) hatte 
erkannt, dass bei der Entstehung der grünen Farbe in der Reptilien- 
haut das von den Guanophoren erzeugte Strukturblau eine 
wichtige Rolle spielt. Wie aber jenes Blau selbst zustande kommt, 
darüber konnte noch keine völlige Klarheit und Einigkeit erzielt 
werden, nicht zum mindesten deshalb, weil der Bau der Guano- 
phoren noch nicht hinreichend erforscht ist; fand doch die eigen- 
artige Struktur der Lacertidenguanophoren bisher nur einmal 
kurze Erwähnung. Die Lipophoren, deren gelber Farbstoff 
die Guanophoren überlagert und so gemeinsam mit ihnen den 
Eindruck von Grün hervorruft, sind bislang nur einmal genau 
untersucht und mit erhaltenem Pigment überhaupt noch nicht 
abgebildet worden. Den Allophoren wurde einstweilen nur sehr 
wenig Aufmerksamkeit geschenkt, was ich am besten mit der 
Tatsache belege, dass eine hierhin gehörige Chromatophorenform 
bei unseren einheimischen Lacertiden bis heute ganz unbekannt 
blieb. Die Nervenversorgung der UÜhromatophoren, die gemäss 
dem physiologischen Befund vorhanden sein muss, liegt noch im 
Dunkel: denn die älteren Angaben Leydigs (1872, S. 7 und 1873, 
S. 779) erscheinen im Hinblick auf die Darstellung der gleichen 
Verhältnisse bei Knochenfischen durch Ballowitz (1893) wenig 
vertrauenerweckend und mit der kurzen Angabe Kellers (1895, 


S. 166), dass bei Lacerta viridis deutlich wahrnehmbare Ver- 
Tier 


100 W.J. Schmidt: 


bindungen zwischen Nerven und Chromatophoren bestehen, ist 
auch nur wenig gedient. Über die Ontogenese der Melanophoren 
sind wir kaum, über diejenige der übrigen Chromatophorenarten 
gar nicht unterrichtet. Die Färbungsunterschiede der 
Geschlechter sind nur selten, die Veränderungen, die beim 
Anlegen des Hochzeitskleides in der Haut vor sich gehen. 
der Einfluss von Alter, Klima u. del. auf das Farbenkleid 
wohl überhaupt noch nicht in histologischer Beziehung untersucht 
worden. Ebenfalls die Färbungsanomalien (Melanismus, 
Leukomelanismus, Albinismus, Erythrose) fanden kaum histologische 
Würdigung. Leider lassen auch die hochinteressanten Arbeiten 
Kammerers (1907, 1910) über künstlich hervorgerufene 
Abänderungen des Farbenkleides eine eingehendere mor- 
phologische Analyse der erzielten Änderungen vermissen. Unter 
solchen Umständen ist es nicht zu verwundern, dass von den 
Theorien, die sich mit der Erklärung der Zeichnung ab- 
geben. keine allgemeinen Beifall gefunden hat: sie alle fussen 
zu wenig auf den morphologischen Grundlagen. 

Das Ziel der folgenden Untersuchung ist, durch eine ein- 
gehendere Erforschung des Baues der an der Haut- 
färbung beteiligten histologischen Elemente dieses 
oder jenes der angedeuteten Probleme einen Schritt seiner Lösung 
näher zu bringen. Im Vergleich zu den Verhältnissen bei Fischen 
(und Amphibien) ist die Kenntnis vom feineren Bau der Reptilien- 
chromatophoren zurückgeblieben; man denke nur an die schönen 
Untersuchungen von Ballowitz (siehe Literaturverzeichnis) 
über die Farbzellen der Fische, die unsere Vorstellungen von 
ihrem Bau und ihrer Funktion wesentlich erweitert haben. Die 
Ursache hiervon liegt vornehmlich in der Schwierigkeit, feinere 
Verhältnisse an der Reptilienhaut im überlebenden Zustand 
zu untersuchen. Das Integument wenigstens unserer einheimischen 
Reptilien ist zu dick und auch schon durch die massenhafte 
Entwicklung der Guanophoren und Melanophoren im allgemeinen 
zu undurchsichtig, um einer Beobachtung unter starken Ver- 
grösserungen zugänglich zu sein. Es ist daher bis jetzt noch 
nicht gelungen, etwa die intrazellulären Körnchenströmungen der 
Melanophoren im Leben bei den Reptilien zu beobachten, sondern 
die Annahme ihrer Existenz stützt sich auf allerdings unwider- 
leeliche Befunde im histologischen Bild des abgetöteten 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 101 


Objektes, deren volle Interpretation durch die Analogie mit den 
Beobachtungen an Fischmelanophoren erleichtert wird. Dieser 
Nachteil wird aber einigermassen wieder wettgemacht durch die 
riesige (Grösse mancher Chromatophoren, die sie als hervorragende 
Objekte für die Schnittuntersuchung erscheinen lässt, eine Methode, 
von der bislang noch nicht ausgiebig genug (rebrauch gemacht 
wurde. 


I. Die Eintsilung und Anordnung der Chromatophoren. 
a) Arten und Benennung. 


In dem Maße wie die zunächst beim Chamäleon gewonnenen 
Erfahrungen über die Chromatophoren durch die Untersuchung 
anderer Formen eine Erweiterung fanden, tauchen immer 
neue und nicht stets zweckmässige Namen für die verschiedenen 
Arten der Chromatophoren auf. Bei der bisweilen unzu- 
reichend genauen Darstellung der älteren Befunde, die zum Teil auf 
unvollkommenen Untersuchungsmitteln beruht, besteht hente für 
jemanden, der mit den Objekten nicht aus eigener Anschauung 
vertraut ist, eine erhebliche Schwierigkeit, die Beobachtungen der 
einzelnen Forscher in den richtigen Zusammenhang zu setzen, 
selbst bei Beschränkung auf die Gruppe der Reptilien, die hier 
allein ins Auge gefasst wird. Es kann nun nicht meine Aufgabe 
sein, alle in der Literatur vorgekommenen Irrtümer und Unklar- 
heiten zu berichtigen, da schon Brücke (1551) die zu seiner 
Zeit vorliegenden Angaben kritisch besprochen hat und die neueren 
Arbeiten zuerst bei van Rynberk (1906) und kürzlich durch 
Fuchs (1914) eine ebenso eingehende wie treflliche Zusammenfassung 
gefunden haben. Insbesondere Fuchs schildert auch die rein morpho- 
logischen Daten in solcher Breite, dass kaum eine selbst nur 
einigermassen bedeutsame Tatsache dort übersehen wäre. Indem 
ich daher für manche literarischen Einzelheiten, die zu meinen 
Beobachtungen in nächster Beziehung stehen, auf die späteren 
Abschnitte verweise, knüpfe ich hier an die Darstellung von 
Fuchs an, der auf den vorliegenden Berichten fussend, sich 
seinerseits schon bemüht hat, in der umsichgreifenden Verwirrung 
Ordnung zu schaften. 

Fuchs (1914, S. 1550f.) ordnet die in der Reptilienhaut 
beschriebenen Chromatophoren in folgende Gruppen ein: Melano- 


102 W. J. Schmidt: 


phoren. Xanthophoren, Phäophoren, Erythrophoren und Porphyro- 
phoren, Leukophoren. farblose Zellen und Guanophoren. 

Über die Melanophoren brauche ich nicht viel Worte 
zu verlieren. Es sind die bekannten schwarzen Ghromato- 
phoren, deren kennzeichnender Inhalt aus Melaninkörnchen besteht. 
Die Melanine bilden durch das im Mittel konstante Verhältnis von 
N:H:0 = 1:5:5 eine chemisch wohl charakterisierte Gruppe 
von Verbindungen; von ihren Eigenschaften sei hervorgehoben, 
dass sie in Wasser und in den Lösungsmitteln der Fettsubstanzen 
(Alkohol, Äther, Chloroform u. dgl.) unlöslich sind und «gegen 
Mineralsäuren und auch Alkalien eine ungewöhnliche Beständig- 
keit zeigen. Die einzelnen Melaninkörnchen besitzen gelbliche 
bis dunkelbraune Farbe und verleihen der Zelle je nach der 
Diehte ihrer Übereinanderlagerung hellbräunlichen bis schwärz- 
lichen Farbenton. (Gemäss diesen Angaben stellen die Melano- 
phoren eine wohl umschriebene und leicht kenntliche Gruppe von 
Farbzellen dar. 

Unter Nanthophoren will Fuchs die Zellen verstanden 
wissen, welche Pouchet beim Chamäleon und bei Eidechsen 
(vel. S. 173) als „chromoblastes jaunes“ oder „pigment jaune“ 
beschrieben hat, Elemente, die durch einen gelben, an Fett 
sebundenen Farbstoff, ein Lipochrom, ausgezeichnet 
sind. Die Lipochrome Kühnes (Luteine nach Thudıchum). 
nahe verwandt den pflanzlichen Uarotinen, bilden eine grosse 
Klasse von gelben und roten Farbstoften, die Ü-,. H-, O-haltıg, 
aber N-frei sind. deren chemische Natur im übrigen noch unbe- 
kannt ist, die aber eine Anzahl von Klassenmerkmalen besitzen. 
von denen vor allem die Löslichkeit in Fetten und den 
Lösungsmitteln der Fette (Alkohol, Äther und dergl.) und 
der Farbenumschlag in Blau bei Zusatz von konzen- 
trierter Schwefelsäure zu nennen sind. (Genaueres vgl. 
z. B. Biochem. Handlexikon. Bd. 6, 1911, S. 303 f.) 

Der Name Xanthophoren stammt von Keller (1895, S. 148), 
der diese Elemente bei Chamäleon und Ualotes (S. 165), 
allerdings an Schnitten, also nach Schwinden des charakteristischen 
Pigments, untersucht hat, sich aber bei Lacerta viridis von 
dessen Existenz und der Richtigkeit der Angaben Pouchets 
überzeugte und sie als körnige Zellen mit anscheinend diffusem 
hellgelbem Farbstoff schildert, der manchmal die Zellen in Tröpfchen- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 105 


form verlässt (S. 165). Fuchs (1914, S. 1585 und 1597) ist im 
Unrecht, wenn er glaubt, zwischen den Xanthophoren von Pouchet 
und denen von Keller bestehe insofern ein prinzipieller Unter- 
schied, als Pouchet ihren Inhalt als Lipochrom bezeichnet, 
während die Kellerschen Xanthophoren Guaninkalk enthalten 
sollen. Vielmehr knüpft die Definition der Nanthophoren bei 
Keller (1595, S. 148) unmittelbar an den Befund bei Pouchet 
an mit den Worten: „Aber man darf Pouchet darin vollen 
Glauben schenken, dass sie in frischem Zustande gelbe fettähnliche 
Tröpfehen und gelbe Körner von über 2!/a u (Grösse enthalten: ich 
nenne sie Xantophoren.“ Demnach kann es keinem Zweifel unter- 
liegen, dass Pouchet und Keller die gleichen Elemente im 
Auge haben. Wahrscheinlich ist Fuchs eine Verwechslung mit 
den Ochrophoren Kellers passiert (vel. S. 174). 

Es fragt sich nun, ob es sich empfiehlt. die Kellersche 
Bezeichnung Nanthophoren für die Zellen mit gelbem Lipo- 
chrom beizubehalten. Kurz nach Keller hat Thilenius (1897, 
S. 523) bei Uromastix hellbraune Melanophoren als Xantho- 
phoren beschrieben. Damit ist schon der Anfang für Irrtümer 
gegeben, und ich schlage daher vor, den Namen Xanthophoren 
zum wenigsten als Sammelbezeichnung für einen bestimmten, durch 
die chemische Beschaffenheit seines Farbstofts scharf umrissenen 
Chromatophorentypus aufzugeben und zwar auch noch aus folgendem 
Grunde. 

Fuchs (1914, S. 1586) möchte jene CUhromatophoren als 
Erythrophoren bezeichnen, die ein rotes Lipochrom ent- 
halten. Dass rote Lipochrome bei Reptilien vorkommen, schliesst 
der Autor daraus, dass die orange bis rote Färbung am Bauch 
von Lacerta vivipara in Alkohol sich verliert, dass ebenso 
die rote Kehlwamme von Anolis nebulosus in Alkohol gelb 
wird. Über das histologische Verhalten der von Fuchs als 
Erythrophoren bezeichneten Chromatophoren ist seiner eigenen 
Angabe nach nichts bekannt. Wir werden nun im folgenden den 
Nachweis erbringen, dass die gelbe Farbe auf der Bauchseite des 
Weibchens von Lacerta agilis und die roten Farbtöne auf der 
Bauchseite von Lacerta vivipara durch ein und dasselbe 
Lipochrom bedingt sind und sich nur dureh die verschiedene 
Konzentration des Farbstoffes unterscheiden. Durch die 
bisherigen Untersuchungen ist demnach die Annahme eines von 


104 W.J. Schmidt: 


dem gelben differenten roten Lipochroms nicht gerechtfertigt 
und die Bezeichnung Erythrophoren in diesem Sinne hinfällig. 

Ich schlage nun vor, alle ein Lipochrom enthalten- 
den Chromatophoren als Lipophoren zu bezeichnen, 
wobei das Wort, verkürzt aus dem zu schwerfälligen Lipo- 
chromophoren, nach Analogie mit Melanophoren und Guano- 
phoren gebildet, unmittelbar auf den charakteristischen Inhalt 
der Zellen hinweist. Sollte sich später ergeben. dass ausser dem 
gelben Lipochrom in seinen verschiedenen zum Rot hinüber- 
führenden Konzentrationsstufen noch andere, wesentlich verschie- 
dene Lipochrome in Reptilienchromatophoren vorkommen, so* 
könnte man diesem neuen Tatsachenbestand leicht durch einen 
die spezielle Farbe charakterisierenden Zusatz, wie „gelbe, rote“ 
Lipophoren, gerecht werden. 

An dritter Stelle führt Fuchs (1914, S. 1585) die Phaeo- 
phoren auf, Chromatophoren, die von mir (W. J. Schmidt 
1913, 5. 388f.) bei Uroplatus beschrieben wurden und sich 
vor allem durch die auffallende Grösse der Granula. deren Struktur, 
Farbe und Verhalten gegen Reagenzien einerseits scharf von 
Melanophoren, andererseits von Lipophoren (und Guanophoren) 
unterscheiden lassen. Die Farbe der Granula geht von mattem 
gelb durch orange zu braunrot, karminrot und auch blassrot mit 
Nuancen nach blau hin (weinhefefarbig) über. Die Zellen mit 
karminrotem Farbstoff glaubte ich damals bei ihrer feinkörnigen 
Beschaftenheit als eine weitere Chromatophorenform annehmen zu 
müssen; doch bestehen sowohl hinsichtlich der Farbe als auch 
der Grösse der Körner alle Übergänge. wie in vorliegender Arbeit 
genauer gezeigt wird. sodass es sich doch wohl um verschiedene 
Abarten ein und derselben Farbzelle handelt. Dass die Zellen keine 
Lipophoren sind, geht aus der Unlöslichkeit des Farbstofts in 
Alkohol u. dgl. hervor: dass sie auch nicht den Melanophoren 
zugerechnet werden können, muss aus der geringeren Widerstands- 
fähigkeit des Farbstoffs gegen Alkalien und Säuren geschlossen 
werden. 

Nun hatte schon früher Keller (1895, S. 145) neben den 
Melanophoren in den Lateralflecken beim ÜUhamäleon andere 
Chromatophoren von der gleichen Form wie jene, aber meist 
geringerer Grösse mit purpurrotem, körnigem, alkohol- 
unlöslichem Inhalt beobachtet und als Erythrophoren 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 105 


bezeichnet. Auch Pouchet waren sie bekannt, denn er unter- 
scheidet (1876, S. 74 und 75) zwei Arten von Chromoblasten, die 
einen gross mit Melaninpigment, die anderen klein, näher der 
Oberfläche der Haut gelegen. mit einem Pigment von rötlichen 
Nmancen. Er sah diese letzten Chromatophoren am besten nach 
Behandlung der Haut mit einer schwachen Säure: alsdann erschienen 
sie in einer mehr oder weniger ausgesprochen roten oder röt- 
lichen Farbe, welche sich durch Imprägnation im benachbarten 
(rewebe ausbreitete. Pouchet macht diese Chromatophoren 
für die rötlichen Töne im Farbenwechsel des Chamäleons verant- 
wortlich, und dass er die gleichen Elemente wie die Ervthrophoren 
Kellers vor sich hatte, wird noch erhärtet durch seine Angabe, 
dass sie vornehmlich in den Seitenflecken des Rumpfes vorkommen, 
am übrigen Körper selten zu sein scheinen. Ich vermute sogar, 
dass schon 1834 M ilne-Edwards diese Chromatophoren beobachtet 
hat. sie allerdings von den Melanophoren nicht sicher zu unter- 
scheiden wusste: denn wenn er (zitiert nach Brücke 1851, 
>. |[191]) von einem „pigment rouge violace et noirätre“ spricht, 
so ist rot-violette Farbe sicherlich auf die Beimengung der 
Kellerschen Erythrophoren zurückzuführen. Brücke (1851, 
S. [198 |), der diese Chromatophoren übersah, sucht die Beobach- 
tung Milne-Edwards’ so zu erklären, dass durch die Kali- 
behandlung. deren sich jener Autor bediente, der Inhalt der 
Melanophoren teilweise mit roter und schön violetter Farbe 
gelöst würde. Nun verändert zwar die Kalilauge bei längerer 
Einwirkung den braunschwarzen Melanophoreninhalt, indem das 
Pigment allmählich heller wird und einen bräunlichroten Farbenton 
annimmt, niemals aber habe ich gesehen, dass es violett wird, 
und so muss ich denn den viel näher liegenden Schluss ziehen, dass 
auch Brücke nach Behandlung der Haut mit Alkali, die durch 
Auflösen der Guanophoren tatsächlich geeignet ist, die violetten 
Zellen ans Licht zu bringen, die Kellerschen Erythrophoren 
vor Augen gehabt hat, ohne sie recht zu erkennen. 

Bei Phelsuma fand ich (W. J. Schmidt 1912a, S. 1801.) 
in grosser Menge Zellen, Porphyrophoren, die den Kellerschen 
Ervthrophoren nahe stehen und wie diese rote und violette Farben- 
töne zeigen: der Farbstoff ist wie dort in Alkohol unlöslich und 
an (rannla gebunden. Keller hat zunächst für seine Ervtliro- 
phoren die Ansicht ausgesprochen, ihr Pigment sei dem Melanin 


106 W.J. Schmidt: 


verwandt, wohl vornehmlich deshalb, weil er Übergänge zwischen 
Melano- und Erythrophoren beobachtete. Dieser Meinung schloss 
ich mich für die Porphyrophoren von Phelsuma und später 
auch die Phaeophoren von Uroplatus an, weil der Farbstoff 
dieser Zellen in organischen Lösungsmitteln unlöslich ist und 
eine ähnliche, allerdings geringere Widerstandsfähigkeit gegen 
Säuren und Alkalien besitzt, wie das Melanin. bestärkt wurde 
ich in dieser Auffassung noch dadurch, dass ich, ähnlich wie 
Keller bei Chamäleon, bei der Blindschleiche (W. J. Schmidt 
1914, 8. 9) Übergänge von roten Chromatophoren mit alko- 
holunlöslichem Pigment zu Melanophoren feststellen konnte, 
derart, dass Zellen Granula beider Art enthalten. Trotz dieses 
aus den morphologischen Tatsachen entspringenden, allerdings 
keineswegs zwingenden Beweisgrundes und des ähnlichen Löslich- 
keitsverhaltens von Melanin einerseits, den roten und blauroten 
Farbstoffen andererseits, muss ich doch die Berechtigung der 
Kritik von Fuchs (1914, S. 1601) anerkennen, dass diese Reak- 
tionen nicht hinreichen, die genannten Farbstoffe als Melanin 
zu erweisen, dass hierzu vielmehr eine Elementaranalvse nötig 
ist, die zutreffendenfalls das für die Melanine charakteristische 
Verhältnis von N:H:C = 1:5:5 ergeben müsste. Bei diesem 
Stand der Sache — und er wird voraussichtlich noch lange 
der gleiche bleiben, da es nicht so leicht möglich sein dürfte, 
die zu prüfenden Pigmente aus der Haut rein und in hin- 
reichender Menge zu isolieren — halte ich es für richtiger, einst- 
weilen mit einem Urteil über die chemische Natur der betrettenden 
Farbstoffe zurückzuhalten und nur zu betonen, dass sie nicht 
Lipochrom und auch nicht das gewöhnliche Melanin sind. 

Die morphologischen Charaktere der mit violetten, roten 
und orangefarbigen Pigmenten versehenen Zellen, ihre später zu 
schildernde übereinstimmende Lage in der Haut und nicht zuletzt 
auch die kontinuierliche Farbenreihe, die sich zwischen ihnen 
herstellen lässt, unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, 
dass schon bei ein und derselben Form (Uroplatus, Phelsuma, 
Anguis) verschiedene Nuancen des Farbstoffs auftreten. geben 
mir die Sicherheit, dass hier ein wohl umschriebener Chromato- 
phorentypus vorliegt. Ich habe schon früher vorgeschlagen 
(W.J. Schmidt 1914. S. 7). in einer Arbeit, die während der 
Drucklegung der Fuchsschen Darstellung erschien, alle Chro- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 107 


matophoren mit alkohol- und ätherunlöslichen, von 
Melaninverschiedenen.anGranula gebundenen, gelben, 
roten und violetten Farben und deren Abschattie- 
rungen als Allophoren zu bezeichnen. Die Ableitung von 
4,408 — anders, wurde gewählt. um den Unterschied dieser Farb- 
zellen gegenüber den Melanophoren und Lipophoren zu betonen, 
ohne dabei etwas Bestimmtes über die chemische Natur der Farb- 
stoffe zu äussern. Zu den Allophoren gehören demnach die 
Erythrophoren Kellers, die von mir benannten Phaeo- 
phoren mitsamt ihrer karminroten Abart, diePorphyrophoren 
in der Begrenzung bei mir und bei Fuchs, die Zellen mit rotem 
alkoholunlöslichem Farbstoff bei Anguis, sehr wahrscheinlich auch 
dieZellenmitrostrotemPigment, welche Thilenius(1S97. 
S. 528) bei Agama inermis beschreibt (vgl. hierüber S. 161) 
und ferner die in der folgenden Untersuchung neu beschriebenen 
Zellen hei den Lacertiden. Es würde sich empfehlen. die hier 
aufgeführten Bezeichnungen fallen zu lassen und zur genaueren 
Kennzeichnung der gerade vorliegenden Allophoren die Farben- 
nuance besonders anzugeben. 

Fuchs möchte den Namen Porphyrophoren (siehe oben) 
auf alle kein Lipochrom enthaltenden Zellen ausdehnen, im Gegensatz 
zu seinen Erythrophoren (= unseren Lipophoren). Doch 
glaube ich, dass der von mir vorgeschlagene Name dadurch, dass 
er keinerlei Beziehung mehr zu den alten Bezeichnungen bewahrt, 
besser geeignet ist, Verwechslungen und Irrtümern vorzubeugen, 
und den Begriff ebensogut umschreibt. Sachlich decken sich 
aber die Fuchsschen Porphyrophoren fast völlig mit meinen 
Allophoren. 

Über die Fuchsschen Erythrophoren ist schon oben 
gesprochen worden (8. S. 103). 

Den an fünfter Stelle genannten Leukophoren (die Be- 
zeichnung geht auf Keller zurück) spricht Fuchs mit Recht 
die Daseinsberechtigung ab, da sie sich in keinem Punkt prin- 
zipiell von den (rsuanophoreu unterscheiden. 

Die farblosen Zellen Fuchs’, die ich bei Voeltzkowia 
mira beobachtete (W.J. Schmidt 1910, S. 692), sind wohl 
Pigmentzellen und zwar Melanophoren, in denen die Ausfärbung 
der Granula unterblieb. Diesem Chromatophorentypus sind sie 
daher anzugliedern. 


105 W. J. Schmidt: 


Unter Guanophoren schliesslich vereinigt Fuchs nach 
einem Vorschlag von mir (W.J. Schmidt 1912a, S. 188) alle 
(Guanin enthaltenden Färbungselemente, also das helle weisse und 
gelbe Pigment Brückes!) (1551, S.1197— 198]), das weisse Pigment 
Levdigs (1868, S. 30 und 74), die Leukophoren und Ochrophoren 
Kellers (1895, S. 147—148) und Garltons (1903, 3. 261), die 
Iridoevten Pouchets (1576. S. 59 und 62) und Blanchards 
(1880, S. 11). die weissen Pigmentzellen Osawas (1896). 

Gemäss den vorstehenden Erörterungen mache ich also den 
Vorschlag, alle in der Reptilienhaut vorkommenden Chromato- 
phoren in vier Gruppen einzuteilen: Melanophoren, gekenn- 
zeichnet durch den Gehalt an Melaninkörnchen. Lipophoren 
mit einem in Fettröpfehen gelösten oder auch in kristallinischer 
Form auftretenden Lipochrom, Allophoren mit Pigmentkörnchen 


'!) Mit Unrecht aber führt hier Fuchs (1914, S. 1588) die Inter- 
ferenzzellen Brückes an, die jener Autor als platte, meist sechseckige, 
häufig fünf-, selten vier- und noch seltener dreieckige Gebilde, immer von 
ziemlich geraden Seiten begrenzt, beschreibt. Brücke (1851, S. [196j) 
hebt von ihnen ausdrücklich hervor, dass sie der Epidermis selbst 
angehören und bei der Häutung teilweise mit abgestossen werden. Es 
handelt sich hier nicht um Gwuaninzellen, sondern um die sogenannten 
äusseren und inneren Häutungszellen der Epidermis und 
Brücke vermutete schon ganz richtig, dass sie irgendwie mit dem 
Wachstum der Oberhaut zu schaffen haben. Keller (189, S. 149) hat 
auch diese Zellen beobachtet und nach Schnitten abgebildet und auf Grund 
dieser verbesserten Untersuchungsmethode kann er die Brückesche An- 
nahme, die Interferenz werde durch eine dünne Luftschicht erzeugt, dahin 
verbessern, dass hier regelmässig geordnete Zähnchen, Körnchen oder Borsten 
vorliegen, die polygonalen Zellen aufsitzen (Kellers „Reliefschieht*). Dieser 
bürstenartigen Reliefschicht gegenüber verhält sich die sich ablösende Ober- 
haut wie ein Negativ („negative Reliefschicht*), indem sie den Stäbchen 
entsprechende Einschnitte besitzt. Neuerdings ist Biedermann (1914, 
S. 874f.) nochmals in anderem Zusammenhang auf diese Dinge zu sprechen 
gekommen; er betrachtet die Borsten beim Chamäleon, deren Homologie mit 
den gleichartigen Gebilden bei Geckoniden er richtig erfasst, als Kutikular- 
haare gleich den älteren Autoren; doch ist diese Auffassung, wie ich 
verschiedentlich gezeigt habe (W. J. Schmidt 1912a, S. 236; 1913, 8. 417), 
nicht zulässig; vielmehr stellen diese Borsten intrazelluläre Bildungen, 
verhornte Plasmafasern, dar. Eine mechanische Bedeutung für die 
Ablösung der oberflächlichen Hornlagen besitzen sie übrigens nicht, wie 
Keller (1895, S. 150) und andere ältere Autoren annehmen möchten. — Der 
Anteil dieser „Interferenzzellen®* an der Färbung der Haut ist übrigens 
gering, wie schon Brücke richtig hervorhebt. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 109 


von gelber, roter, violetter Farbe, die chemisch von Lipochrom 
und Melanin verschieden sind, Guanophoren charakterisiert 
durch die Einlagerung von (ruaninteilchen. Die Unterscheidung der 
verschiedenen Typen beruht auf einem einheitlichen Ein- 
teilungsprinzip, nämlich der chemischen Beschaffenheit der 
den betreffenden Zellen eigentümlichen Einschlüsse. Die Guano- 
phoren nehmen insofern eine Sonderstellung den übrigen 
Uhromatophorentypen gegenüber ein. als ihre Farbe keine an die 
chemische Beschaffenheit des Guanins geknüpfte. auf selektiver 
Absorption beruhende Pigment-, sondern eine Strukturfarbe ist. 
so dass ihnen der Name von Chromatophoren nur in bedingtem 
Umfang zusteht. Während die Definition von Melanophoren, 
Lipophoren und Guanophoren durchaus positiv erfolgt, haftet der 
Kennzeichnung der Allophoren bei der nicht gesicherten chemischen 
Natur ihres Pigmentes ein negatives Merkmal an. indem ihre 
Unterscheidung abgesehen von den charakteristischen Farben ihrer 
(Granula und morphologischen Kennzeichen auf dem abweichenden 
chemischen Verhalten ihres Farbstofis gegenüber Melanin und 
Lipochrom beruht. Da aber die Umschreibung der Allophoren 
nicht rein negativ erfolgt. und auch die kommenden Ausführungen 
über die Lage der verschiedenen Chromatophoren die Allophoren 
wenigstens als morphologisch einheitlichen Zelltypus erscheinen 
lassen, so glaube ich. dass dieser Mangel nicht zu hoch zu veran- 
schlagen ist. besondersauch, weil die chemische Natur des Allophoren- 
inhalts, wenn auch unbekannt, doch überall eine ähnliche zu sein 
scheint. Damit fühle ich mich gegen den etwaigen Vorwurf gesichert. 
ich habe in der Gruppe der Allophoren ganz heterogene Elemente 
vereint, die einzig darin übereinstimmen, dass sie weder Melano-. 
noch (mano-, noch Lipophoren seien. Jedenfalls aber gestattet die 
von mir vorgeschlagene Unterscheidung der Chromatophoren, alle 
bis jetzt beschriebenen Farbzellen der Reptilien leicht und sicher 
auseinander zu halten. Schwierigkeiten würden sich nur da ergeben, 
wo in ein und derselben Zelle Pigmente verschiedener chemischer 
Natur anftreten, wie es tatsächlich bei den Allophoren des Chamä- 
leons nach Keller und denjenigen der Blindschleiche nach meinen 
Befunden der Fall zu sein scheint, indem gelegentlich auch 
Melaninkörnchen in ihnen auftreten (siehe S. 162). Solche Zellen 
sind dann mit Doppelnamen, wie etwa Melano-Allophoren ı. del.. 
zu belegen. Nicht nur für die Reptilien ist die von mir vorge- 


110 W. J. Schmidt: 


schlagene Einteilung brauchbar, sondern sie lässt sich auch mit 
Leichtigkeit auf die Verhältnisse bei Fischen und Amphibien an- 
wenden, was ihren Wert gewiss nicht verringert. 

Extrazelluläre Pigmente kommen nach meinen Erfahrungen 
in der Reptilienhaut nicht vor (siehe S. 193), und einigen dahin- 
zielenden Bemerkungen in der Literatur (z. B. Thilenius 1897, 
S. 518; vgl. auch Agassiz S. 175) stehe ich nicht mit grossem 
Vertrauen gegenüber. 

b) Anordnung in der Haut. 

Alle Chromatophoren mit Ausnahme der Melanophoren sind in 
ihrem Vorkommen (in der Haut) auf die Kutis beschränkt (siehe unten). 
In den unteren Schichten der Epidermis finden sich bei zahl- 
reichen Arten in wechselnder Menge intraepitheliale Melanophoren. 
Es sei hier nur auf die Lacertiden (vgl. Fig. 46—48, Taf. VII), 
im übrigen auf die diesbezüglichen Angaben bei Fuchs (1914, 
S. 1575f.) verwiesen. Auch in den Epithelzellen selbst können 
Melaninkörnchen auftreten (bei Schlangen, Schildkröten, Kroko- 
dilen, Eidechsen),. die von intraepidermalen oder aber von Kutis- 
melanophoren herrühren, die ihre Ausläufer bis an das oder gar 
(interzellular) in das Epithel entsenden. Zwischen Epidermis- und 
Kutispigmentierung bestehen zwei interessante Beziehungen. Nach 
Werner (zitiertnach Fuchs 1014, S.1576) tritt beiausgewachsenen 
und alten Schlangen eine eigene Epidermiszeichnung auf, 
die eine Wiederholung der Zeichnung der Kutis an den 
stärkst pigmentierten Stellen ist: da, wo in der Kutis kein 
Pigment vorhanden ist, fehlt auch die Epidermiszeichnung. Diese 
Abhängiekeit der Epidermiszeichnung von dem Kutispigment lässt 
sich, was auch ich bestätigen kann, ebenfalls bei Eidechsen fest- 
stellen (Thilenius 1897, S. 520 und 525) und kommt wahır- 
scheinlich allen Reptiliengruppen zu. Ferner geben Leydig 
(1873, S. 775) und Kerbert (1877, S. 257) übereinstimmend an, 
dass bei Ringelnatterembryonen die Melanophoren in der Epidermis 
früher auftreten als in der Kutis, was auch für andere Formen 
zutrifft (siehe S. 154). Beide Tatsachen weisen auf enge Beziehungen 
zwischen Epidermis- und Kutispigmentierung hin, die nur genetisch 
erklärt werden können. 

Guanophoren oder Guaninkörnehen kommen in der 
Epidermis der Reptilien nie vor. Fuchs (1914, S. 1576 und 
1597— 1598) glaubte ein solches Verhalten nach zwei Angaben bei 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. Kr 


Leydig zulassen zu müssen: doch handelt es sich bei Leydig') 
zweifellos um Keratohyalin oder Eleidin der Epidermiszellen. 

!, Die erste Mitteilung Leydigs (1860, 8.68) lautet: Der Inhalt 
der Epidermiszellen der Blindschleiche unter der Kutikula „ist entweder von 
gewöhnlich granulärem Aussehen, oder er besteht aus einem fettartigen, der 
ganzen Lage die erwähnte weissliche Farbe verleihenden Stoff ; die fettige 
Masse erfüllt meist in Form erösserer oder kleinerer Körner oder Krümelchen 
die Zellen dergestalt, dass kaum mehr die Zellenlinien sich erhalten“. Auch 
von der glatten Natter hebt Leydig (1868, S. 81—82) ein gleiches Verhalten 
hervor und fügt noch hinzu: „... was ich als Fettinhalt bezeichne, erscheint 
unter der Form weicher Klümpchen von unregelmässiger Gestalt und einem 
matt glänzenden Aussehen. Nach Einwirkung von Essigsäure verschwinden 
die Klümpchen «rossenteils und es bleiben nur Reste in Gestalt kleiner 
Stifte zurück. Wird solchen Präparaten noch verdünntes Glyzerin beigesetzt, 
so wandeln sich auch die Stifte in Körnchen um: schliesslich werden auch 
diese gelöst ... .“ Später kommt Leydig (1875, S. 764—65) unter Berufung 
auf letztgenannten Passus nochmals auf diese Dinge zu sprechen und fügt 
hinzu, dass ihm auch solcher körniger oder bröckeliger Inhalt der Zellen 
unter der „Kutikula“ der Kopfschuppen von Lacerta agilis begegnet 
sei. Schon weil Guanin in Essigsäure unlöslich ist, Keratohyalin aber unter 
Säurewirkung quillt, scheinen mir Leydigs Angaben im genannten Sinne 
zu deuten zu sein, vor allem aber auch aus dem Grunde, dass in der Tat Kerato- 
hyalin an lebendfrischen Zellen oft zu beobachten ist und sich durch seine 
ganze Erscheinung und den Mangel der Doppelbrechung leicht und sicher 
von Guanin unterscheiden lässt. Zum Belege gebe ich in Textfig. 1 drei 
Zellen aus den tieferen Epidermisschichten eines Bauchschuppenhinterrandes 
von Lacerta muralis wieder, die nach einem überlebenden Totalpräparat 
in physiologischer Kochsalzlösung gezeichnet wurden. Die Zellen sind voll- 
gepfroptt mit Körnern und schollenartigen Gebilden von Keratohyalin, das nur 
die Stelle des Kernes frei lässt. Ein Vergleich dieser Abbildung mit den 
Fig. 22 und 23, Tab. III, bei Leydig (1868) tut ohne weiteres dar, dass 
Deydig und mir die gleichen Dinge vorgelegen haben. 


Fig. 1. 
Epidermiszellen von Lacerta agilis mit Keratohyalinmassen: nach 
dem überlebenden Objekt gezeichnet. Vergr. 1360:1. 


11119 W. J. Schmidt: 


Vielleicht kommen bei Schildkröten Lipophoren in der Epidermis 
vor (vgl. S. 175 Agassiz): doch müssen darüber erst neuere 
Untersuchungen Klarheit schaften. 

Wenden wir uns nun den in der Kutis gelegenen Chromato- 
phoren zu, so ist hinsichtlich ihrer Verbreitung im allge- 
meinen zu sagen. dass nur bei wenigen Formen (Chamäleon, 
Phelsuma, Lacerta) das gleichzeitige Vorkommen der 
vier oben erwähnten Chromatophorentypen gesichert ist; doch 
mögen künftige Untersuchungen ein solches Verhalten häufiger 
erscheinen lassen. Wie schon Fuchs (1914.S. 1575) zusammengestellt 
hat, fehlen Melanophoren in der Haut keines Reptils, wenn sie 
auch bei Albinos und nach meinen Befunden (W. J. Schmidt 
1910, S. 656) bei Völtzkowia äusserst spärlich sind. Guano- 
phoren finden sich ebenfalls regelmässig und sind nur bei 
Völtzkowia und einigen anderen Formen (siehe S. 115) abwesend. 
Allerdings ist die Verbreitung und Masse der Melano- und Guano- 
phoren bei den einzelnen Arten und je nach den Körperstellen 
sehr grossen Schwankungen unterworfen. Lipophoren sind 
exakt nur beim Chamäleon und bei den Lacertiden nachgewiesen, 
doch ist auch bei Calotes und Phelsuma ihre Gegenwart 
so gut wie gewiss (vgl. S. 116f), und wir dürfen sie fast überall 
da erwarten, wo grüne Färbung vorliegt. Allerdings kann die 
grüne Färbung auch ohne Überlagerung der Guanophoren dureh 
Lipophoren zustande kommen, wenn nämlich die Hornschicht 
stark gelb gefärbt ist und so die Wirkung der gelben Lipo- 
phoren ersetzt: derartiges lässt sich an Baumschlangen beobachten, 
die oft auch nach jahrelangem Aufenthalt in Alkohol immer noch 
intensiv grün erscheinen: entfernt man aber von ihren Schuppen 
die Hornschicht, so kommt der blaue Guanophorenuntergrund 
zutage. Auch bei Phelsuma habe ich festgestellt, dass durch 
Alkohol die grüne Farbe nicht immer beseitigt wird (W. J. Schmidt 
1912a, S. 204). doch finden sich hier allem Anschein nach auch 
Lipophoren. Allophoren sind bislang bei Geckoniden (Phel- 
suma) und Uroplatus, ferner bei Agamiden, Lacertiden, 
Anguiden und beim Chamäleon bekannt geworden (siehe S. 104). 

Die für die Färbung und den Farbenwechsel in Betracht 
kommenden Chromatophoren liegen in den oberen Schichten der 
Kutis unmittelbar unter der Epidermis, in der sog. Subepidermis, 
deren Bindegewebsfasern ein Maschenwerk darstellen, in das die 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 113 


Chromatophoren eingebettet sind. Auf das Verhalten dieses 
Maschenwerks gehe ich hier nicht näher ein: Pouchet (1870) 
hat von ihm eine gute Beschreibung gegeben und neben anderen 
Autoren habe auch ich es in verschiedenen früheren Arbeiten 
eingehend geschildert. Melanophoren und Guanophoren — nie 
Lipo- und Allophoren — kommen auch in tieferen Hautschichten 
vor, die ersten öfter, die letzten seltener als sog. „erratische* 
Guanophoren (Blanchard 1880); unsere Fig.51, Taf. VIII gibt 
solche erratische Guanophoren (Gı) in starker Ansammlung wieder. 
Da diese Elemente, weil in der Tiefe der Haut gelegen, für 
Färbung und Farbenwechsel bedeutungslos sind, sollen sie hier 
nicht weiter berücksichtigt werden. 

Schon den älteren Beobachtern war nicht entgangen und 
wurde durch die späteren vielfach bestätigt (vel. Fuchs 1914, 
S. 1577 f.), dass die in der Subepidermis gelegenen Chromatophoren 
ein ziemlich streng eingehaltenes gegenseitiges Lage- 
verhältnis zeigen. Wenn Lipophoren vorhanden sind, liegen 
sie immer unmittelbar unter der Epidermis. Auf sie folgt, 
zunächst von Allophoren abgesehen, eine Schicht von Guano- 
phoren und unter diesen liegen die Melanophoren. (re- 
wöhnlich entsenden die Melanophoren durch die Lagen der über 
ihnen befindlichen Farbzellen ihre Ausläufer bis zur Epidermis: 
allerdings sind sie nur bei Expansion des Pigments leicht ver- 
folgbar. Die Abgrenzung der einzelnen Schichten ist, abgesehen 
von kleineren Unregelmässigkeiten, ziemlich geradlinig und schart. 
Doch kommen mancherlei Besonderheiten vor, von denen hier 
nur die „Guaninkörbe* der Melanophoren (Thilenius 1397) 
erwähnt seien: ein allseitiges Umfasstwerden des Melanophoren- 
zelleibes durch Guanophoren. Sind Allophoren vorhanden, so 
finden sie sich immer über den Melanophoren und, wenn an der 
gleichen Stelle Lipophoren vertreten sind, unter diesen; sonst teilen 
sie entweder das Niveau mit den Lipophoren oder erscheinen in die 
Guaninschicht versenkt. Man vergleiche zu diesen Ausführungen 
Textfig. 2a—c, in denen Melanophoren mit M, Guanophoren mit G, 
Lipophoren mit L und Allophoren mit A bezeichnet sind: ihre 
genauere Besprechung erfolgt unten. 

Die Bedeutung der gesetzmässigen Schichtung der Chromato- 
phoren bei der Erzeugung des Farbenkleides und beim Farben- 
wechsel ist bekanntlich folgende. Nur in Melanophoren und 

Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt. 1. ) 


114 W.J. Schmidt: 


Allophoren spielen sich Pigmentverlagerungen ab (siehe S. 123f, 
171). Sind die Ausläufer der Melanophoren pigmentfrei, so 
kommt die Wirkung der über ihnen gelegenen Pigmente rein 
zur Geltung. In diesem Falle erscheinen die Hautstellen je nach 
dem Massenverhältnis von Lipophoren und Guanophoren und der 
feineren Beschaffenheit der beiden Zellarten weiss oder gelblich 
oder blau (reine Guanophorenwirkung), gelblich bis orangerot 
(reine Lipophorenwirkung), oder grün (kombinierte Wirkung 
gelber Lipophoren über blau erzeugenden Guanophoren). Sind 
dagegen die Melanophoren expandiert, so erscheint ihr Pigment 
in den Endverästelungen der Ausläufer dicht unter der Epidermis 
und es tritt eine Verdunkelung der genannten Farben ein, die 
sich bis zu allgemeiner Braun- und Schwarzfärbung der Haut 
steigern kann. Reicher noch wird die Farbenskala bei Gegenwart 
von Allophoren, die in ähnlicher Weise wie die Melanophoren 
sich mit ihren orangefarbigen, roten und violetten Pigmenten 
am Farbenwechsel beteiligen können. Doch dürfte die Wirkung 
der Allophoren, da sie oberflächlicher gelegen sind, auch bei 
Retraktion ihres Pigments wohl nie so vollständig ausgeschaltet 
werden können wie jene der Melanophoren. Eine besondere Ver- 
wicklung werden die Verhältnisse bei Anwesenheit von Allophoren 
dann darbieten, wenn die Zustände der Pigmentverteilung in 
Melanophoren einerseits und Allophoren anderseits sowohl gleich- 
sinnig als auch entgegengesetzt sein können. Leider haben diese 
Dinge noch nicht genügend Aufmerksamkeit gefunden. 

Wie schon vorhin bemerkt, sind in verhältnismässig wenigen 
Fällen alle vier Chromatophorentypen bei einer Form (und auch 
dann nur stellenweise) neben- bezw. übereinander in der Haut 
vorhanden: solche Arten werden den mannigfachsten Farben- 
wechsel aufweisen können. Sind weniger als vier Chromato- 
phorentypen bei einer Form vertreten, so erscheinen sie nicht 
wahllos miteinander, sondern nur in Form der vier ersten unter 
den folgenden fünf Kombinationen: 

1. Melanophoren, 

2. Melanophoren — Guanophoren, 

3. Melanophoren — Guanophoren — Lipophoren, 

4. Melanophoren — Guanophoren — Allophoren, 
Melanophoren + Guanophoren -- Allophoren + Lipophoren. 
Eine einfache Überlegung zeigt. dass die Zahl der möglichen 


oı 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 21:5 


1-, 2- und 3eliedrigen Kombinationen der vier Chromatophoren- 
typen viel grösser ist als die Anzahl der verwirklichten. Wir 
kennen aber keine Formen, die z. B. nur Guanophoren, nur Lipo- 
phoren. nur Allophoren besässen, ebensowenig wie Arten einzig 
mit den zweigliedrigen Kombinationen Guanophoren + Lipophoren 
bzw. Allophoren + Lipophoren, bzw. Guanophoren + Allophoren: 
auch die dreigliedrige Kombination Guanophoren + Allophoren + 
Lipophoren kommt nicht vor. Warum nun gerade die verwirk- 
lichten Kombinationen auftreten, dafür lassen sich aus einer 
Analvse der oben stehenden Kombinationen folgende (esichts- 
punkte gewinnen. 

Erstens kommen in sämtlichen fünf Kombinationen 
Melanophoren vor, so dass gewissermassen die Kombinationen 2—5 
Kombinationen der Melanophoren mit den übrigen 
Uhromatophorenarten darstellen. Diese Tatsache, verbunden 
mit der weiten Verbreitung der Melanophoren bei den Wirbel- 
tieren und ihrem gegenüber den anderen Chromatophoren früheren 
ontogenetischen Auftreten, lässt gewissermassen die Melanophoren 
als Urfarbzellen erscheinen. 

Zweitens sind die Guanophoren in ihrem Vorkommen 
(mit Ausnahme von Fall 1) immer mit den Melanophoren 
vereint. Fall 1 wurde bisher nur von Völtzkowia repräsentiert, 
deren Farbenkleid allein Melanophoren enthält. Da aber Völtz- 
kowia eine (den Seineoiden nahestehende) unterirdisch im Sande 
wühlende Form ist, und auch die Melanophoren bei ihr sehr 
schwach ausgebildet sind, so hängt der Schwund des Farbenkleides 
wohl irgendwie mit der Lebensweise zusammen. In dieser Hin- 
sicht war es mir von grossem Interesse festzustellen, dass auch 
bei der Anelytropide Feylinia, der nächsten Verwandten von 
Völtzkowia, die (Guanophoren fehlen, während die Melano- 
phoren allerdings gut entwickelt sind. Auch eine Wühlschlange 
(Typhlopide) und eine Warzenschlange (Acrochordus), die ich 
untersuchen konnte, wiesen nichts von Guanophoren auf. Die 
bisher bekannten Fälle des Fehlens von Guanophoren beziehen 
sich alle auf aberrante Formen und lassen somit die Wahrschein- 
lichkeit zu, dass der Mangel an Guanin kein ursprüngliches 
Merkmal darstellt, sondern die Folge einer Rückbildung der 
Guanophoren ist. Demnach dürfen wir auch in den Guanophoren 
bei ihrer ausgedehnten Verbreitung in sämtlichen Reptiliengruppen 

8* 


116 W. J. Schmidt: 


(siehe S. 196) altes Erbgut erblicken und das um so mehr, als 
ihre Entfaltung bei Amphibien und Fischen hinter derjenigen bei 
den Reptilien in keiner Weise zurücksteht. 

Wenn somit Melanophoren und Gmanophoren als altüber- 
kommene Färbungselemente gewöhnlich gemeinsam erscheinen, 
so wird durch diese Tatsache die mögliche Zahl der Kombinationen 
zwischen den vier Chromatophorenarten stark eingeschränkt. Man 
kann die Vereinigung: Melanophoren — Guanophoren als Grund- 
kombination der Chromatophoren bezeichnen. 

Weiterhin erweisen sich die Kombinationen 3—5 als Fort- 
bildung der Grundkombination (= Melanophoren + Guanophoren) 
durch Lipophoren und Allophoren, die sowohl einzeln (3 und 4), 
als auch beide zusammen (5) neben den Melanophoren + Guano- 
phoren auftreten können. 

Beispiele für Kombination 1 (alleiniges Vorkommen 
von Melanophoren) sind schon oben gegeben. Die Grundkom- 
bination (2) liegt bei dem Gecko Tarentola mauritaniea 
vor, der einzig Melanophoren und Guanophoren besitzt und dessen 
Farbenwechsel auf ein Heller- und Dunkelwerden beschränkt 
ist: auch dürften Varanus und Uromastix (nach Thilenius 
1597), ferner die Krokodile und manche Schildkröten (Emyda) 
hierhin zu rechnen sein. 

Die Vereinigung der Grundkombination mit Lipo- 
phoren (35) ist vor allem für viele grünen Formen charakte- 
ristisch, obwohl auch hier genauere Untersuchung oft noch Allophoren 
ergeben dürfte. Als Beispiel sei die Agamide Calotes angeführt, 
über deren Uhromatophoren schon Keller (1895, S. 163.) zu- 
treffende Mitteilungen macht, die allerdings einer Unterstützung 
durch Abbildung ermangeln. Daher gebe ich in Textfig. 2a 
einen Schnitt durch die Haut von Calotes jubatus wieder. 
Unter der Epidermis (E), die durch ein charakteristisches, im 
Schnitt gesägt erscheinendes Oberhäutchen ausgezeichnet ist, folgt 
eine einfache Zellenlage (L), die sich vor allem dadurch gleich 
verrät, dass die tiefer gelegenen Guanophoren (G) nicht bis zum 
Epithel reichen, sondern scharf abgegrenzt eine schmale Zone 
unter ihm frei lassen. Über die feinere Beschaffenheit der Zellen 
war am Präparat nichts festzustellen, nur ihre etwas abgeplatteten 
Kerne zeigten sich deutlich. Da nun Calotes jubatus im 
Leben eine grüne Farbe besitzt, die betreffende Hautstelle amı 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 117 


Alkoholmaterial aber prachtvoll blau erscheint, so ist auch gemäss 
der Analogie mit den Lacertiden wohl unzweifelhaft, dass die 
unmittelbar unter dem Epithel gelegenen Zellen Lipophoren sind 


BE ! 
73 E Da =} >35 = N 
\ } me 
G 2 REN: = 
SG AR 
M uw —— = SET 
—— 


en — Zn 
—— 7 ge en] Saaen TernnTr Sir — 


Fig. 2c. 


Anordnung der Chromatophoren in der Haut: a bei Calotes, b bei Uro- 
platus, c bei Phelsuma. M Melanophoren, G Guanophoren, L Lipo- 
phoren, A Allophoren, E Epidermis, B Bläschenzellen. Vergr. 400 :1. 


118 W.J. Schmidt: 


und gelbe Fettröpfechen enthielten, wie auch Keller meint: 
(Manche Calotesarten besitzen übrigens rote Farben im Leben: 
da sie sich meiner Kenntnis nach in Alkohol nicht erhalten. 
dürfte auch dieses Rot Lipochrom sein.) Unter der breiten 
Schicht der Guanophoren (G) liegen die Melanophoren (M), die an 
der betreffenden Hautstelle das Pigment geballt zeigen, so dass 
ihre Ausläufer durch die Guanophoren hindurch nieht zu ver- 
folgen sind. 

Vergleicht man hiermit Textfig. 2b, einen Schnitt durch die 
Haut von Uroplatus, einer Form, die den Geckoniden nahe 
steht, so fällt zunächst auf, dass die Zone der Lipophoren fehlt, 
indem die Guanophoren (G) fast das Epithel erreichen. Die 
einzige im Bild sichtbare Melanophore (M) befindet sich im Ex- 
pansionszustand und entsendet ihre Ausläufer bis unmittelbar 
unter das Epithel, so dass die pigmenterfüllten Endverzweigungen 
eine dünne, aber sehr dunkle Zone noch oberhalb der Guano- 
phoren bilden. Da ausser Melanophoren und (Guanophoren bei 
Uroplatus noch Allophoren anzutreffen sind, kann er als Beispiel 
für Kombination 4 gelten. Diese Allophoren (A), deren 
genauere Untersuchung Aufgabe eines späteren Kapitels ist 
(siehe S. 165), liegen in der Guanophorenschicht derart ein- 
gebettet, dass nur ihre kurzen Ausläufer unmittelbar an die 
Epidermis reichen. 

Kombination 5 endlich ist beim Chamäleon und bei Phel- 
suma verwirklicht, von welch letzterer Form Textfig. 2c einen Schnitt 
durch die Haut darstellt. Die mächtigen Zellen (B) mit grossen 
Vakuolen und spärlichem Plasmanetz, das den Kern enthält. sind 
keine Chromatophoren. sondern die vielen Geckoniden eigenen 
Bläschenzellen. Unter dem Epithel (E) finden wir wieder die 
Lage der Lipophoren (L), von deren Struktur auch hier nichts 
Gewisses zu erkennen war. Dann folgen nach innen die Guano- 
phoren (G) und Allophoren (A), die sich insofern etwas verschieden 
von der Sachlage bei Uroplatus (Textfig. 2c) verhalten, als 
die Körper der Allophoren meist unterhalb der Guanophoren liegen, 
so dass die Allophoren basal nicht von Guanophoren umgritten 
werden. Es scheint auch, als wenn die Allophoren mit ihren 
Ausläufern, welche die Guanophorenschicht durchsetzen, nicht wie 
dort die Unterseite der Epidermis erreichen, sondern schon 
unterhalb der Lipophoren endigen: dafür spricht sehr die scharfe 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. E19 


obere Grenze der Allophorenschicht, die fast genau mit derjenigen 
der Guanophoren übereinstimmt. Bisweilen kann man erkennen, 
dass die Allophoren über den Guanophoren — ganz ähnlich wie die 
Melanophoren bei Uroplatus — eine dünne, aber wohl abgesetzte 
Pigmentzone mittels ihrer Endverzweigungen bilden. Auch die 
Melanophoren (M) bieten bei Phelsuma Eigentümlichkeiten 
gegenüber den vorher besprochenen Formen. Zunächst sind sie 
durch die erwähnten Bläschenzellen von den Guano- und Allo- 
phoren getrennt und dann, was mit diesem Verhalten zusammen- 
hängen mag, entsenden sie ihre Ausläufer sehr selten der Epi- 
dermis entgegen, sondern stellen ziemlich abgeplattete Zellen 
dar, die sich in der Ebene der Haut mit ihren Verzweigungen 
ausdehnen. 

Der Kombination 5 gehören auch in gewissem Sinne unsere 
einheimischen Lacertiden an: doch unterscheiden sie sich vom 
Chamäleon und Phelsuma dadurch, dass zwar an gewissen Haut- 
stellen alle Chromatophorentypen vorhanden sind, aber diese niemals 
alle unmittelbar übereinander oder durcheinander geschichtet auf- 
treten, sondern anscheinend Allophoren und Lipophoren, die das 
gleiche Niveau der Haut einnehmen, für einander eintreten. Die 
Anordnung der Allophoren bietet im Vergleich zu den bei Uro- 
platus und Phelsuma geschilderten Variationen wieder einen 
neuen Befund. Während dort die Allophoren in die Guaninlage 
eingebettet sind, bilden sie hier eine eigene Zone über den Guano- 
phoren (vgl. A Fig. 46, 47 und 49, Taf. VIII), die im Niveau der 
Lipophorenschicht (L) entspricht. An Schuppen, die Allophoren und 
Lipophoren enthalten (Fig. 47, Taf. VIII), bilden die einen die 
unmittelbare Fortsetzung der anderen, und eine Vermischung von 
Allophoren und Lipophoren kommt an der Grenzlinie beider 
Chromatophorenarten nur in sehr geringem Umfang zustande. 
So bietet die Anordnung der Chromatophoren selbst innerhalb 
einer Kombination noch mancherlei Verschiedenheiten, deren 
Kenntnis für das volle Verständnis von Farbenkleid und Farben- 
wechsel nicht bedeutungslos ist. 

Zum Schluss sei noch bemerkt, dass solche organartige Ver- 
einigungen verschiedener Chromatophorentypen, wie sie Ballowitz 
(1913a, ce und d) bei Fischen als chromatische Organe beschrieben 
hat („Melaniridrosome, Erythroiridosome“ u. dgl.), bei Reptilien 
nicht vorzukommen scheinen. 


120 W. J. Schmidt: 


Il. Die Melanophoren. 
a) Formverhältnisse. 


Die Form der Melanophoren wird in beträchtlichem Maße 
von der Umgebung beeinflusst, vielfach sogar geradezu von 
dem Verhalten des umhüllenden Gewebes vorgeschrieben. Den 
epidermalen Melanophoren stehen nur die schmalen Inter- 
zellularräume zwischen den Epithelzellen für die Ausbreitung 
zur Verfügung: ihnen müssen sich die entsprechend dünnen und 
meist langen Ausläufer anpassen; der eigentliche Zelleib, zwischen 
die Epithelzellen eingekeilt, weist immer nur geringe Grösse auf, 
und ebenfalls der Kern zeigt in seiner oft langgestreckten. viel- 
fach unregelmässig gestalteten Form die Wirkung der Raum- 
beengung (vel. Fig. 62a—c, Taf. IX). 

(Günstiger liegen die Verhältnisse in der Regel für die bedeutend 
grösseren subepidermalen Melanophoren, die, von ausschlag- 
gebender Bedeutung für Färbung und Farbenwechsel. in der ober- 
tlächlichen Bindegewebslage unter dem Epithel vorkommen. Ihr 
Zelleib ist meist kugelig oder ellipsoidisch und entsendet nur nach 
einer Seite, zum Epithel hin, Fortsätze, deren Verlauf und gegen- 
seitige Divergenz durch die Bindegewebszüge bestimmt sind, die 
gegen die Epidermis hin ausstrahlen. So haben denn schon mehrere 
Autoren jene Zellen mit den Purkinjeschen Zellen des Klem- 
hirns verglichen (vel. Fig. 1. Taf. V). Wird der Raum zur Ent- 
faltung der Subepidermis eingeschränkt, etwa durch Gegenwart 
von Hautverknöcherungen, so werden die Zellen abgeplattet, und die 
Ausläufer gehen allseits vom Rande des mehr oder minder scheiben- 
förmigen zentralen Zellteils ab und liegen mit ihm in der gleichen 
Ebene. So kommen Melanophoren zustande, die sehr an die 
sonnenförmigen Schwarzzellen der Fische erinnern und durch die 
geringe Dicke ihres Zelleibes hervorragend geeignet erscheinen, 
am Totalpräparat Aufschluss über Kern- und Sphärenverhältnisse 
zu liefern. Das schönste mir bekannte derartige Beispiel bieten 
die Melanophoren von «eckolepis, dem madagassischen Schuppen- 
gecko (vgl. Fig. 65—67, Tat. IX). 

Die in den tieferen Hautschichten gelegenen Melanophoren 
passen sich gewöhnlich der charakteristischen Anordnung des 
Bindegewebes an, das hier mehrere Lagen bildet, in deren jeder 
die Bündel sämtlich parallel verlaufen, während sie von Lage zu 


Die Uhromatophoren der Reptilienhaut. 121 


Lage gekreuzt erscheinen. Bei solchen Zellen erfolgt, wie ich 
für die Blindschleiche gezeigt habe (W. J. Schmidt 1914, S. 13f.), 
die Ausbildung der Ausläufer überwiegend in zwei zueinander 
annähernd senkrechten Richtungen, die mit dem Zug der Binde- 
gewebsfasern übereinstimmen. 

Sehr eigentümlich geformte Melanophoren beobachtete ich 
auf der Unterseite der Knochenschuppen in der Rückenhaut von 
Lygosoma smaragdinum, einer Seinecide. Die Zellen sind 
hier aussergewöhnlich stark abgeplattet. Da sie gleichzeitig sehr 
dicht beieinander liegen, fehlt der Platz zur Entwicklung von 
Fortsätzen, und so bieten sich denn jene Elemente als unregel- 
mässig vielseitige Scheiben dar, deren Peripherie stellenweise 
durch kurze schmale Einschnitte in rundliche Läppchen zerschlitzt 
ist, die rudimentäre Ausläufer darstellen (Textfig. 3a). Bemerkens- 
wert ist, dass Verschmelzungen von Zellen oder einzelnen ihrer 
Fortsätze nicht eintreten, obwohl durch die innige Berührung 
vielfach in breiter Strecke die beste Gelegenheit dazu geboten 
wäre. Stellenweise rücken diese Melanophoren weiter voneinander 
ab. bilden dann kurze plumpe, lappenartige Fortsätze, die öfter 
in eine Anzahl meist parallel gerichteter kleinerer Ausläufer zer- 
fallen. Die Verästelungen benachbarter Zellen stossen aufein- 
ander — ohne zu verschmelzen — und so entsteht ein sehr zier- 
liches Netzwerk von Chromatophoren mit unregelmässig rund- 
lichen Maschen (Textfig. 3b). Bei ihrer geringen Dicke zeigen 
diese Melanophoren von Lygosoma den Kern als hellen rund- 


Fie, 3a. Fig. 3 
Melanophoren von der Unterseite der knöchernen Rückenschuppen von Lygo- 
soma smaragdinum. a Zellen mit kurzen Ausläufern, b netzbildende 
Zellen. In a und b Stelle des Kerns, in b auch der Sphäre sichtbar. 
Vergr. 400:1. 


122 We ESchimiidit: 


lichen Fleck und oft auch als eine in seiner Nähe gelegene kreisförmige 
körnchenarme Zone die Sphäre (Textfig. 3a und vor allem 3b). 

Eehte Anastomosen zwischen den Ausläufern von Melano- 
phoren scheinen bei Reptilien äusserst selten zu sein — wie 
übrigens auch bei anderen Wirbeltiergruppen. Ich selbst 
(W. J. Schmidt 1911, S. 350) habe solche von Uhromatophoren 
aus den tieferen Hautschichten von Geckolepis beschrieben, 
aber auch hier waren sie bei den netzbildenden Zellen nur ver- 
einzelt festzustellen. Seitdem ist mir nur noch ein zweiter der- 
artiger Fall und zwar bei den epidermalen Melanophoren 
jüngerer Ptychozoonembryonen begegnet. auf den ich später. 
nochmals zurückkomme (vel. S. 154). An den Stellen der dunklen 
Rückenbinden gewahrt man im Totalpräparat ein äusserst eng- 
maschiges, von Melaninkörnchen gebildetes Netz (Texttig. 9a): 
seine hellen Lücken entsprechen dem Umfang der basalen Epithel- 
zellen, seine Balken den Interzellularlücken, die durch die An- 
wesenheit der Melanophoren erheblich erweitert sind. Hier und 
da verdicken sich die Balken zu rundlichen Anschwellungen, den 
eigentlichen Zellkörpern der Melanophoren. Man kann durch 
weite Strecken des Gesichtsfeldes hin diesen Balken nachgehen. 
ohne auf freie Enden zu stossen, so dass die Tatsache einer Ver- 
schmelzung der Ausläufer verschiedener Chromatophoren 
wohl über jeden Zweifel sicher ist. Aus dem weiteren Verhalten 
dieser Melanophoren, ihrem später erfolgenden Einwandern in die 
Kutis (s. S. 154). muss geschlossen werden, dass diese Anastomose 
der Zellen vorübergehend ist und nachträglich wieder aufgehoben 
wird. Bei den epidermalen Melanophoren von @eckolepis sah 
ich bisweilen. dass verschiedene Ausläufer ein und derselben Zelle 
miteinander verschmolzen (Fig. 62e, Taf. IN), eine Tatsache, die 
ebenfalls für die Möglichkeit einer echten Anastomosenbildung 
verschiedener Melanophoren spricht. Sind die Melanophoren 
mesodermale Gebilde, so teilen sie die Fähigkeit, miteinander 
durch die Ausläufer zu verschmelzen, mit manchen anderen 
Bindegewebszellen, so dass diesem Faktum kein besonderer Wert 
beizulegen wäre, wenn dadurch nicht eine Erregungsleitung 
von Zelle zu Zelle in den Bereich des Möglichen gerückt 
erschiene. Doch würde auch im letzten Falle jede Zelle insofern 
eine gewisse Selbständigkeit behalten. als die Pigmentbewegung 
auf ihre Sphäre zentriert ist. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 123 


b) Funktionelle Erscheinungsformen. 

Die Form der Melanophoren, über die der vorhergehende 
Abschnitt einiges brachte, lässt sich in der Regel nur dann 
richtig beurteilen, wenn das Pigment den Zelleib bis in die 
äussersten Enden der Ausläufer erfüllt. Ist das nicht der Fall, 
so entgehen die vom Melanin entleerten Abschnitte der Zelle der 
Beobachtung, weil das pigmentfreie Melanophorenplasma nur unter 
besonders günstigen Bedingungen sichtbar wird. Da es bisher 
bei den Reptilien nicht geglückt ist. an den lebenden Melano- 
phoren die Einzelheiten der Pigmentverlagerung festzustellen, 
so ist der Nachweis pigmentfreier Ausläufer der Haupt- 
beweis dafür, dass bei der Pigmentballung die verästelte 
Form der Zelle unverändert erhalten bleibt und die 
wechselnden Zustände der Pigmentverteilung auf intrazellu- 
lärenKörncehenströmungen beruhen. Schon Brücke (1551, 
S.[195]) vertrat diese Anschauung, und von späteren Forschern 
haben Keller (1895, S. 144), Thilenius (1897, S. 524), Carlton 
(1904, S. 263), Parker (1906. S. 401) an Schnittpräparaten vom 
Melanin entleerte Ausläufer festgestellt. Das gleiche konnte ich 
(W. J. Schmidt 191], S. 343f., 1913, S. 386) für verschiedene 
Formen bestätigen und die Auffassung der Pigmentbewegung bei 
Melanophoren als intrazelluläre Körnchenströmung noch dadurch 
sichern, dass ich einerseits die Kerne der Melanophoren ausser- 
halb der zusammengeballten Melaninmasse liegen sah — somit zum 
mindesten der den Kern enthaltende Zellabschnitt bei der Pigment- 
ballung nicht eingezogen wird — andererseits aber in recko- 
lepis und Uroplatus Objekte auffand, die in unzweideutiger Weise 
die Ballungserscheinungen des Pigmentes um die Sphäre 
in den verschiedensten Zuständen zur Anschauung brachten. Es 
ist mir nunmehr auch geglückt, bei Geckolepisembryonen die 
vom Pigment entleerten Ausläufer am Totalpräparat darzu- 
stellen und so unvergleichlich eindrucksvollere Bilder zu gewinnen, 
als bisher bekannt waren; denn im Schnittpräparat sind natur- 
gemäss gleichzeitig immer nur wenige Ausläufer und auch diese 
nur selten in ganzer Ausdehnung zu überschauen. Bevor ich 
aber darauf eingehe, möchte ich zunächst noch eine Analyse der 
verschiedenen Bilder vornehmen, die Melanophoren je nach dem 
Verteilungszustand ihres Pigments darbieten und die 
man im Gegensatz zu ihrer durch die Gestalt der unveränder- 


124 W. J. Schmidt: 


lichen Zelle bestimmten wirklichen Form als funktionelle 
Erscheinungsformen bezeichnen könnte. Ballowitz(1914a) 
hat den praktischen Vorschlag gemacht, die formkonstanten Zell- 
fortsätze als Zellarme (auch die Degenersche Bezeichnung 
Chromorhizen ist dafür brauchbar) zu benennen, von Pig- 
mentarmen dagegen zu sprechen, soweit diese Zellarme durch 
die Pigmenterfüllung sichtbar sind. In diesem Sinne treffen die 
funktionellen Erscheinungsformen der Melanophoren wesentlich 
das Verhalten der Pigmentarme. 

Geht man die Literatur über die Reptilienmelanophoren 
durch, so macht man die befremdliche Feststellung, dass, abge- 
sehen von meinen diesbezüglichen Mitteilungen (W. J. Schmidt 
1911, 1912a, 1915), kaum jemals die Melanophoren in ihren 
funktionellen Erscheinungsformen bildlich festgehalten wurden — 
ich sehe hier von Schnittbildern ab, die nur eine unvollkommene 
Vorstellung derselben zu geben vermögen — und doch bietet- 
schon eine aufmerksame Betrachtung solcher Figuren einen deut- 
lichen Hinweis darauf, dass die funktionellen Erscheinungsformen 
durch intrazelluläre Körnchenströmungen hervorgerufen werden. 
Diesen eigenartigen Mangel kann ich mir allein dadurch erklären, 
dass die meisten Autoren verschmäht haben. Totalpräparate der 
Haut anzufertigen, die allerdings nur bei Abwesenheit oder nach 
Entfernung der Guanophoren durch Säuren oder Alkalien brauchbare 
Bilder geben. Vor allem schön und lehrreich sind solche Prä- 
parate von der Haut älterer Embryonen, die bei ihrer geringen 
Dicke auch eine kräftige Färbung zur Darstellung von Kernen, 
Sphäre und unter Umständen pigmentfreien Ausläufern gestatten, 
was bei der Haut erwachsener Tiere in der Regel nicht angeht. 

Ein erstes Beispiel einer solchen Reihe funktioneller Er- 
scheinungsformen nach dem ungefärbten Totalpräparat mögen die 
subepidermalen Melanophoren (der Rückenhaut) von Uroplatus 
fimbriatus, einer den (Geckoniden nahestehenden Form, ab- 
geben. Im Zustande vollkommener Pigmentballung, den ich in 
meinem Material selten beobachten konnte, erscheint das gesamte 
Melanin dicht zusammengedränet unter der Form einer im Ver- 
gleich zur bedeutenden Grösse der ganzen Zelle sehr kleinen 
Kugel (Textfig. 4a). Schon der erstaunlich geringe Raum, den 
das Melanin in diesem Zustande einnimmt, lässt es ausgeschlossen 
erscheinen, dass diese kugelige Masse den gesamten Zelleib dar- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 125 


Fig. 4f 


Funktionelle Erscheinungsformen von subepidermalen Melanophoren, #—e 
aus der Rückenhaut, f aus der Bauchhaut von Uroplatus. a Melanin- 
körnchen vollkommen geballt, b—d fortschreitende Expansionsstadien, e maxi- 
male Ausbreitung des Pigments; f zwei Melanophoren, die eine Bauch- 
schuppe versorgen (maximale Pigmentexpansion), Mehrzahl der Ausläufer 
bei hoher Einstellung, die beiden durchschimmernden Zellkörper mit den 
proximalen‘ Teilen der Fortsätze bei tiefer Einstellung «ezeichnet. Ver- 
grösserung: a—e 233:1, f 280:1. 


126 W.J. Sehmidt: 


stellen könnte, der nach Art von Pseudopodien seine Ausläufer 
eingezogen hätte. Beginnt das Pigment sich auszubreiten, so 
werden allmählich die proximalen Teile der Ausläufer von ihm 
erfüllt und damit sichtbar (Textfig. 4b). Die scheinbaren Enden 
dieser Ausläufer sehen oft wie quer abgeschnitten aus, eine 
Eigentümlichkeit, auf die ich schon früher hingewiesen habe 
(W. J. Schmidt 1912a, S. 231). Ein solches Verhalten wäre 
für die Enden von Pseudopodien bei ihrer flüssigen Natur ganz 
ausgeschlossen, da der Obertlächenspannung ein Abrundungs- 
bestreben innewohnt. Für die beiden folgenden Abbildungen 
(Textfig. 4c und d), die weiter fortgeschrittene Expansionsstadien 
darstellen. muss ich bemerken. dass die Enden der Ausläufer 
nicht etwa so dunkel erscheinen, weil in ihnen das Pigment be- 
sonders stark angehäuft wäre, sondern dass diese Teile der Fort- 
sätze grossenteils in der Achse des Mikroskops verlaufen und 
daher das Pigment in dickerer Schicht färberisch zur Geltung 
kommt; ausserdem habe ich mich der dunkleren Tönung bedient, 
um die plastischen Verhältnisse der Zellen einigermassen hervor- 
treten zu lassen. Nicht immer erfolgt das Ausbreiten des Pig- 
ments so gleichmässig wie in den dargestellten Fällen, sondern 
bisweilen eilen einzelne Ausläufer mit der Pigmenterfüllung anderen 
voraus. Auch erscheinen die Enden der Fortsätze keineswegs 
stets scharf abgeschnitten, sondern oft erfolgt der Eintritt der 
Melaninkörnchen (bzw. ihre zentripetale Wanderung) zunächst 
nur in geringem Umfange, so dass man Ausläufern begegnet, die 
allein in ihrem basalen Teil stark mit Pigment erfüllt sind, in 
der Peripherie dagegen nur spärliche Melaninkörnchen zeigen, 
wobei der pigmentarme Teil manchmal gegenüber dem pigment- 
erfüllten verschmälert erscheint. Bei maximaler Expansion (Text- 
tig. te) verschwindet der Zellkörper einerseits durch seine Ent- 
leerung vom Pigment (s. S. 143), andererseits durch die Über- 
lagerung von seiten der melaninerfüllten Enden der Ausläufer 
fast oder ganz bei Betrachtung der Totalpräparate von der Ober- 
seite der Haut her. Eine Unmenge zartester Endverästelungen 
der Zelle ist nunmehr von -den Melaninkörnchen eingenommen, 
so dass der Eindruck von Tausenden kleinen schwarzen Tüpfchen 
erweckt wird, die (bei Erhaltung der Guanophoren) in den 
Lücken zwischen den Guanophoren auftreten und die Dunkel- 
färbung der Haut bewirken. In diesem Gewirr von schwarzen 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 12,7 


Fleckchen gehen die gröberen Verzweigungen der Zelle vollständig 
unter. 

Wie bedeutend die Leistung einer einzelnen Zelle hinsichtlich 
der Verdunkelung einer Hautstelle ist, mag Textfig. 4f zeigen, die 
eine Bauchschuppe von Uroplatus darstellt, welche von zwei 
Melanophoren versorgt wird, die bei maximaler Expansion die 
gesamte Oberfläche der Schuppe mit einem reichen Netzwerk dunkler 
Stränge versehen. Bei aufmerksamer Betrachtung der Figur sind 
die Zellkörper der beiden Melanophoren mit ihren gröberen 
Verzweigungen sichtbar, die bei tieferer Einstellung gezeichnet 
wurden. Gleichzeitig gibt die Abbildung im Vergleich mit 
Textfig. te eine Vorstellung davon, wie verschieden die Ver- 
zweigungsformen der Melanophoren bei ein und derselben Art 
sein können. 

Es ist vielleicht nicht unnötig, hervorzuheben, dass sich an 
fixiertem Material natürlich nicht unterscheiden lässt, ob eine Zelle 
— die Zustände äusserster Expansion und völliger Pigmentballung 
ausgeschlossen — in Expansion oder Retraktion des Pigmentes 
begriften ist und somit die Zusammenstellung einer Anzahl von 
Zellen zu einer kontinuierlichen Reihe funktioneller Erscheinungs- 
formen mit einer gewissen Willkür notwendig verbunden sein 
muss. Doch wird dieser die mittleren Zustände der Pigment- 
verteilung treffende Fehler dadurch wettgemacht, dass tatsächlich 
Expansions- und Retraktionsstadien, in einem sehr kurzen Zeit- 
abschnitt im Leben beobachtet, keinerlei Unterschiede zeigen 
würden. 

Wertvoller noch sind die Aufschlüsse an solchen Präparaten, 
die gleichzeitig Kerne und Sphäre zu erkennen gestatten. 
Als ein vorzügliches Objekt dieser Art erwiesen sich die sub- 
epidermalen Melanophoren älterer Embryonen von Gecko verticil- 
latus. auf die sich Textfig. 5a—c bezieht. Im Zustande starker 
Ballung (Textfig. 5a) erscheint das Pigment als dichte kugelige 
Anhäufung, von der nur vereinzelte kurze, spärliche Körnchen 
enthaltende Züge ausgehen, welche die Lage einiger Ausläufer 
andeuten. Dicht bei dieser Pigmentkugel und zum Teil in sie 
eingesenkt, findet sich der Kern. Da nun der Kern niemals frei 
von Protoplasma ausserhalb der Zelle liegen kann, so weist schon 
dieses Verhalten zwingend darauf hin, dass sich die Ausdehnung 
der Zelle über einen grösseren Raum erstrecken muss als den, 


m 
N 
[0 0] 


W.J. Schmidt: 


Fig. Sc 


Funktionelle Erscheinungsformen subepidermaler Melanophoren eines älteren, 
etwa 10 cm langen Embryos von Gecko verticillatus aus der Rücken- 
haut. a Melaninkörnchen fast völlig geballt; neben der Pigmentkugel, zum 
Teil in sie eingesenkt, der Kern: b mittlere Pigmentverteilung, heller 
Sphärenfleck, umgeben von stärkerer Pigmentansammlung, und die beiden 
Kerne sichtbar; c stärkere Pigmentausbreitung, Sphärenfleck im Winkel 
zwischen den beiden Kernen infolge des Abströmens der zentralen Pigment- 
masse nur noch undeutlich kenntlich. Vergr. 960:1. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 129 


der durch die Verteilung des Pigments gekennzeichnet ist. In 
diesem Zustand starker Ballung verrät sich die Lage der Sphäre 
in der Pigmentkugel oft nicht. Wenn aber das Pigment zum Teil 
in die Ausläufer abgeströmt ist und nach aussen hin die scharfe 
Begrenzung des kugeligen Pigmentballens sich verliert, dann 
taucht auch in seinem Innern ein kleiner heller Fieck auf, der 
die Lage der Sphäre angibt (Textfig. 5b). Die Kerne, die 
vorhin ganz oder zum Teil ausserhalb des Pigments lagen, erweisen 
sich nun deutlich als im Innern des Zellkörpers gelegen, der durch 
die Erfüllung mit Melaninkörnchen in weiterem Umfange sichtbar 
geworden ist. Aus ihrem konstanten Lageverhältnis zur Sphäre 
(vgl. auch Textfig. 3b, S. 121) lässt sich erkennen, dass sie während 
der Pigmentströmungen ihren Platz im wesentlichen unverändert 
einhalten (vgl. auch Ballowitz 1913, f, g). Bei noch stärkerer 
Expansion verschwindet die kugelige Pigmentansammlung ganz 
und die Stelle der Sphäre ist nur mehr schwer festzustellen als 
ein kleiner, rundlicher, körnchenfreier oder -armer Bezirk 
(Textfig. 5e). Hinsichtlich der Abbildungen muss ich noch bemerken, 
dass der Zellkörper nicht mit den Ausläufern in einer Ebene 
gelegen ist, sondern diese von jenem nach der Epidermis hin 
emporstreben, was in den Figuren nicht zum Ausdruck kommt. — 

Wenden wir uns nunmehr zur Untersuchung der vom 
Pigment entleerten Ausläufer bei (eckolepis polylepis. 
Schon früher (W. J. Schmidt 1911) habe ich auf die subepider- 
malen Melanophoren dieser Form als hervorragend geeignet zum 
Studium der wechselnden Zustände der Pigmentballung aufmerksam 
gemacht, ein Material, das dem klassischen Objekt zur Beobach- 
tung der Sphären, den schwarzen Chromatophoren des Hechtes, 
sich würdig anreiht, leider aber schwer erreichbar ist. Damals 
beschränkte ich mich auf die Prüfung der Melanophoren des 
erwachsenen Tieres, die ich an Schnitten und einzelnen der 
sehr platten zu Totalpräparaten verarbeiteten Schuppen untersuchte. 
Die letzten sind aber bei starker Färbung trotz ihrer geringen 
Dicke immerhin zu undurchsichtig, um den Gebrauch stärkster 
Vergrösserungen zu gestatten. Dieses Mal benutzte ich daher 
als Objekt die Schuppen älterer Embryonen, die wesentlich 
dünner sind. Sie lassen sich leicht aus der Haut lösen und geben, 
mit verdünntem Delafieldschem Hämatoxylin gefärbt und in 


Balsam eingeschlossen, die prächtigen Bilder, welche auf Taf. IX 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt. I. 9 


Ne jESrcihimendig: 


m 
[6 
>) 


zu sehen sind. Wie schon erwähnt, gehören die Melanophoren 
von Geckolepis zu den stark abgeplatteten Zellen, bei denen 
Zelleib und Ausläufer in einer Ebene liegen. Die Ausläufer gehen 
meist radiär vom Zellkörper ab und verästeln sich nur spärlich. 
Die Zellen gleichen somit durchaus denen des erwachsenen Tieres 
und erscheinen im wesentlichen fertig ausgebildet. Doch werde 
ich im Abschnitt über die Entwicklung der Melanophoren Ge- 
legenheit haben, auf einige hierhin gehörige Dinge nochmals zu 
sprechen zu kommen (siehe S. 158). 

Im Zustand mittlerer Pigmentexpansion (Fig. 64, 
Taf. IN) treten die Ausläufer der Zellen, infolge ihrer Erfüllung 
mit hellbräunlichen Melaninkörnchen, schon bei mässigen Ver- 
grösserungen in ganzer Ausdehnung leicht erkennbar hervor. 
Im Zelleib liegt der (meist in Zweizahl vorhandene) Kern etwas 
exzentrisch und mehr der Mitte genähert, oft auch genau in ihr, 
die deutlich blau gefärbte, rundliche, grosse, von Melanin freie 
Sphäre. Sie wird nicht nur durch ihre gegenüber dem Plasma 
stärkere Färbbarkeit, sondern auch dadurch auffällig, dass sie in 
ähnlicher Weise, wie das vorhin für die Melanophoren anderer 
Formen beschrieben wurde, von einer kreisförmigen dichteren 
Ansammlung von Melaninkörnchen umgeben ist, die nach aussen 
hin sich allmählich ins umgebende Pigment verliert, dagegen nach 
innen, zur Sphäre hin, ziemlich scharf begrenzt aufhört. 

Bei stärkerer Ballung des Pigments (Fig.65, Taf. IX) 
lassen sich die Melaninkörnchen nur im basalen Teil der Aus- 
läufer dicht gedrängt beobachten ; nach der Peripherie zu nehmen 
sie allmählich an Masse ab, werden immer vereinzelter und 
schwinden schliesslich. So scheinen die Zellen bei schwächerer 
Vergrösserung nur kurze (durch die Anwesenheit des Melanins 
gekennzeichnete) Ausläufer zu besitzen. Untersucht man aber 
derartige Zellen mit Immersionssystemen, so gewahrt man, dass 
die Zellfortsätze viel länger sind, dass sie sich, leicht 
blau gefärbt, über den pigmenthaltigen basalen Teil 
hinaus noch weiter fortsetzen (Fig. 65, Taf. IX); so ent- 
spricht der Umfang einer derartigen Melanophore demjenigen 
einer Zelle mit vollkommen ausgebreitetem Pigment. Man erkennt 
jetzt auch, dass die Abgrenzung der melaninhaltigen Teile der 
Chromatophoren peripher keineswegs so scharf erfolgt, als man 
nach dem Bild bei schwächeren Vergrösserungen erwarten sollte; 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 151 


vielmehr lassen sich fast überall in den blau gefärbten Abschnitten 
der Fortsätze vereinzelte bräunliche Pigmentkörnchen feststellen, 
die der Beobachtung mit schwächeren Objektiven entgehen. Es 
liegt also hier eine Melanophore vor, deren Ausläufer grossen- 
teils vom Pigment entleert sind, vermöge ihrer Färb- 
barkeit mit Hämatoxylin aber sichtbar bleiben. 

Eingehende Betrachtung der pigmentfreien Ausläufer 
lehrt. dass sie (auf diesem Stadium) nicht homogen sind, sondern 
eine feine Körnung besitzen. Bei der geringen Grösse der 
Körnchen hält es sehr schwer, sich ihrer Farbe zu vergewissern 
und zu entscheiden, ob die Körnchen blau gefärbt sind und nur 
durch ihre Gegenwart der ganze Ausläufer blau erscheint, oder ob 
die Körnchen von anderer Farbe sind und ihren blauen Schimmer 
einzig der Einbettung in blau gefärbtes Protoplasma verdanken, 
das keine weitere Struktur erkennen lässt. Und wenn die Körnchen 
nicht blau gefärbt sind, welche Eigenfarbe kommt ihnen zu? 
Und weiter, stellt diese Körnung eine Struktur des Ausläufer- 
plasmas dar, oder handelt es sich um Granula, die in das 
Protoplasma eingelagert sind und gleich den Melaninkörnchen 
intrazellulärer Wanderung fähig sind? Diese Fragen lassen sich 
auf dem vorliegenden Expansionszustand der Melaninkörnchen nicht 
beantworten; zu ihrer Lösung sind Zellen mit stärkerer Ballung 
des Pigments geeigneter. 

Betrefis des Verhaltens der übrigen Zellteile auf dem letzt- 
beschriebenen Stadium sei noch erwähnt, dass mit der zentralen 
Anhäufung des Pigments Kerne und Sphäre durch Überlagerung 
mit Melaninkörnchen manchmal, aber keineswegs immer unsichtbar 
werden. Später bei maximaler Ballung der Melaningranula treten 
die Kerne, neben dem Pigmentballen gelegen, mindestens zum Teil 
wieder hervor, und oft lässt sich auch in der kuchenförmigen 
Pigmentmasse (siehe unten) als helle, zentrale Stelle die Lage der 
Sphäre erkennen. — 

Nähert das Pigment sich dem Zustand fast völliger 
Ballung (Fig. 66, Taf. IX), so beschränkt es sich auf den eigent- 
lichen Zelleib und die Ausläufer lassen nichts mehr von bräun- 
lichen Melaningranula wahrnehmen. Dagegen treten in ihnen um 
so deutlicher die blauen Granula hervor. In die Peripherie der 
etwas unregelmässig gestalteten, aber nach aussen hin gut abge- 


setzten, zusammengeballten Pigmentmasse tauchen die beiden 
9* 


133% NS: cihimndite 


Kerne ein, die eigentümlich verzerrt sind, indem sie, zum Teil in 
die Basen der Ausläufer lıineingepresst, lappige Anhänge erhalten. 
Ob es sich hier um eine Schrumpfungserscheinung handelt, oder 
ob ein natürliches Verhalten vorliegt, lässt sich nach dem Bild 
am Dauerpräparat nicht entscheiden. 

Bei völliger Pigmentballung (Fig. 67, Taf. IX) stellt 
das gesamte Melanin eine im Vergleich zur ganzen Zelle kleine, 
in Flächenansicht kreisförmige, in der Mitte der Melanophore 
gelegene Ansammlung dar. Schnitte ergeben, dass dieser Pigment- 
ballen nicht kugelig, sondern entsprechend der Abplattung der 
Zelle zusammengedrückt ist, so dass er am besten als kuchenförmig 
beschrieben wird (vgl. Textfig. 6). In seiner Mitte lässt sich 
bisweilen, und zwar sowohl an Schnitten (vgl. W. J. Schmidt 
1911, S. 345), als auch am Totalpräparat die Sphäre als kleine, 
punktartige Aufhellung erkennen. Die beiden Kerne befinden 
sich nunmehr ausserhalb des zusammengeballten Pigments. so dass 
auch in dieser Hinsicht Geckolepis ganz mit den früher 
beschriebenen Fällen (siehe S. 128) übereinstimmt. 

Unser besonderes Interesse erregt das Verhalten der 
pigmentfreien Ausläufer auf dem Zustand voll- 
kommener Pigmentballung. Während ihre Beobachtung 
auf den früher geschilderten Stadien keine besondere Aufmerksam- 
keit voraussetzt, erscheinen sie nunmehr in den Präparaten viel 
blasser und entgehen daher dem Auge leicht. Forscht man diesem 
Unterschied nach, so findet man bald, dass er in dem Fehlen oder 
wenigstens dem sehr spärlichen Auftreten der blauen Granula in 
den Ausläufern bedingt ist. Die Ausläufer erscheinen jetzt 
streckenweise vollkommen homogen. Daraus muss geschlossen 
werden, dass bei völliger Pigmentballung auch die blauen 
Granula aus den Fortsätzen zur Mitte hin abströmen. 
und tatsächlich sieht man den zentralen Melaninkuchen 
von einem Ring blauer Granula umgeben (Fig. 67, 
Taf. IX), der bei ihrer dichten Lagerung ziemlich kräftigen Farbton 
besitzt. Dieser blaue Ring ist bei schwächeren Vergrösserungen 
womöglich noch auffallender, da er neben den Kernen und dem 
Pigmentballen die ganze Melanophore auszumachen scheint, weil 
die pigmentleeren Ausläufer verborgen bleiben. 

Mit diesen Feststellungen erledigen sich die vorhin aufge- 
worfenen Fragen in folgendem Sinne. Die Körnung, welche in 


© 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 13: 


den von Melaningranula entleerten Ausläufern sichtbar wird, 
beruht auf der Gegenwart von Granula im Protoplasma der Zell- 
fortsätze. Diese Granula strömen bei maximaler Ballung des 
Pigments gleich den Melaninkörnchen. die ihnen in der zentri- 
petalen Wanderung voraufgehen. zur Sphäre und ballen sich dabei 
um die schon angehäufte Melaninmasse herum. Wäre die Farbe 
der Granula nicht blau, so müsste ihre Eigenfarbe bei dieser Ballung 
in gesteigerter Intensität zu sehen sein. Da aber die gehäuft liegenden 
(ranula in stärker blauem Ton erscheinen als die in den Ausläufern 
verteilten und da ferner auch schon einzeln gelegene Melanin- 
körnchen deutl ch bräunliche Farbe aufweisen, so muss den in Rede 
stehenden Körnchen eine blaue Farbe zugesprochen werden. Für 
die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen ferner später mitzu- 
teilende histogenetische Tatsachen (siehe S. 159): die blauen Granula 
sind nämlich unreife Melaninkörnchen, die noch nicht oder nur 
unwesentlich ausgefärbt sind. Eine Erklärung für die Möglichkeit 
einer sukzessiven Ballung der beiderlei in den embryonalen Melano- 
phoren enthaltenen Granula soll hier nicht versucht werden. Ich 
begnüge mich mit dem Hinweis, dass Ballowitz (1915, S. 201) 
an den Rotzellen von Hemichronis im Leben feststellte, dass 
die Ballung und Ausbreitung der hier vorhandenen groben und 
feinen Körnchen nicht isochron erfolgt, vielmehr die grösseren 
Körnchen schon zusammengeballt sein können. während die kleineren 
sich noch in den Ausläufern befinden. Auch hat der gleiche Autor 
(1915e, S. 215) beobachtet, dass die beiden verschiedenartigen 
Pigmente in den Xanthoervthrophoren von Xiphophorus, 
Betta, Badis eine gewisse Unabhängigkeit hinsichtlich Ihrer 
Ballung besitzen. — 
Schliesslich gebe ich 
zum besseren Verständnis 
der Flächenbilder hier noch 
einen Querschnitt (Textfig. 6) 
einer in vollkommener Pig- 
mentballung befindlichen 
Melanophore der erwachse- Querschnitt durch eine subepidermale Melano- 
m phore von Geckolepis. Zwei pigment- 
leere Ausläufer, der rechte in längerer 
Strecke getroffen. Pigment zentral zu einer 


früher (W. J. Schmidt kuchenförmigen Masse geballt, neben dieser 
1911) habe ich derartige der Kern. Vergr. 960:1. 


nen Geckolepis nach eine 
Schnittpräparat. Schon 


154 W. J. Schmidt: 


Bilder in verschiedenen Zuständen der Pigmentverteilung in 
Zeichnungen wiedergegeben und ausführlich besprochen, so 
dass ich mich hier kurz fassen kann. Man sieht den zen- 
tralen Zellteil mit zwei vollkommen pigmentleeren Aus- 
läufern, von denen nur der rechte eine längere Strecke 
in der Schnittebene verläuft. An seiner Basis liegt ausserhalb 
der zusammengeballten Melaninmasse ein Kern, der zum Teil 
wohl noch in den Ausläufer selbst hineinragt. Der Melanin- 
ballen ist entsprechend der Scheibenform der Zelle abgeplattet, 
so dass er mit Rücksicht auf sein kreisförmiges Aussehen im 
Flächenbild wohl den Namen Melaninkuchen vertragen kann. 
Seine Gegenwart bedingt die Anschwellung des eigentlichen Zell- 
leibes gegenüber den Ausläufern. An der hier dargestellten, 
Melanophore war die Sphäre nicht kenntlich; doch habe ich sie 
früher an solchen Schnitten öfter beobachtet und auch abgebildet. 

Überschauen wir nochmals die in diesem Abschnitt festge- 
stellten Tatsachen, so kann es wohl keinem Zweifel mehr unter- 
liegen, dass auch die spezifische Tätigkeit der Reptilien- 
melanophoren auf intrazellulären Körnchen- 
strömungen beruht. 


c) Kernverhältnisse. 


Während für die Melanophoren der Fische schon längere 
Zeit bekannt war, dass die Zahl der Kerne vielfach zwei, 
gelegentlich sogar noch mehr beträgt. ist ein gleiches Verhalten 
bei Reptilien erst durch meine Untersuchungen bei Geckolepis 
(und den Allophoren von Phelsuma) erbracht worden (W. J. 
Schmidt 1911, 5. 345). Hier erwiesen sich die Zellen vielfach 
als zweikernig. Später beobachtete ich das gleiche bei Uro- 
platus (1913, S. 387), und in der vorliegenden Arbeit habe ich 
schon einen dritten derartigen Fall bei Gecko vertieillatus 
erwähnt. Auch unter den Melanophoren auf der Unterseite der 
Knochenschuppen vonLygosoma (vgl. S. 121) fand ich vereinzelte 
zweikernige. Bei all diesen Formen kommen neben den zwei- 
kernigen Melanophoren auch einkernige vor. Manchen Arten 
scheinen die zweikernigen Melanophoren gänzlich zu fehlen, wie 
den einheimischen Lacertiden: überhaupt sind sie ausserhalb der 
(sruppe der Eidechsen noch nicht festgestellt und finden sich auch 
hier nach den bisherigen Beobachtungen vornehmlich bei den 


Die Ohromatophoren der Reptilienhaut. 135 


Geckoniden und ihren nächsten Verwandten, den Uroplatiden. 
Alle Fälle von Zweikernigkeit bei den Reptilienmelanophoren 
betreffen in der Kutis gelegene Chromatophoren; in der Epidermis 
sind zweikernige Zellen noch nicht gesehen worden. Mehr als 
zweikernige Melanophoren, die auch bei Fischen vereinzelt fest- 
gestellt sind, sah ich nur in zwei Fällen bei einem älteren 
Embryo von Gecko verticillatus und zwar handelte es sich 
beidemal um dreikernige Melanophoren (Textfig. 7a u. b), die 
in übereinstimmender Weise einen grossen und zwei wesentlich 
kleinere Kerne enthalten, welch letzte untereinander von annähernd 
gleicher Grösse sind. Da die beiden Zellen sich ebenfalls darin 
gleich verhalten, dass die beiden kleineren Kerne beieinander 
liegen, nicht durch den grösseren voneinander getrennt, und da 
ferner bei zweikernigen Melanophoren beide Kerne gleich gross 
sind, so ist es wohl sicher, dass die dreikernigen Melanophoren 
aus zweikernigen dadurch hervorgegangen sind, dass einer der 
beiden primären Kerne sich nochmals geteilt hat: aus seiner Zer- 
legung sind die beiden kleineren Kerne der dreikernigen Melano- 
phoren entstanden. Es fragt sich nun zunächst, wie überhaupt 
die Zweikernigkeit der Melanophoren entsteht, ob durch Mitose 
oder Amitose 

Flemming (1890, S. 276f.) hat zunächst Mitosen an den 
Melanophoren des parietalen Bauchfells der Salamanderlarve und 
. der Bindesubstanz der Schwanzflosse des gleichen Tieres beobachtet, 
Meves (ebendort, S. 255) auch an den intraepithelialen Zellen. 
Während nun bei den kleineren Melanophoren der Zellkörper sich 
mehr oder weniger ausrundet, aber ohne dass die Ausläufer 
eingezogen werden, und mit dem Übergang vom Diaster zum Dispirem 
die Abschnürung der beiden Tochterzellen im Äquator des Zelleibes 
erfolgt, bleibt bei den grossen Pigmentzellen eine solche Ab- 


a Bio® 7 b 
Dreikernige Melanophoren aus der Rückenhaut eines älteren Embryos von 
Geckovertieillatus. (Ausläufer nur zum Teil gezeichnet.) Vergr. 960:1. 


136 W.J. Schmidt: 


schnürung während der Mitose aus, so dass die Kernteilung zunächst 
zum Zustand einer zweikernigen Zelle führt. Da aber 
die Zahl der doppelkernigen Pigmentzellen im Verhältnis zu den 
einkernigen bei älteren Salamanderlarven keineswegs vermehrt 
erscheint, und sich auch Formen finden, welche deutlich eine 
nachträgliche, der abgelaufenen Mitose erst lange nachfolgende 
Zertrennung des Zellkörpers dartun, so nimmt Flemming an, 
dass eine nachträgliche halbierende Zerlegung des 
Zellterritoriums eintritt; allerdings sollen die Tochterzellen 
durch eine oder mehrere schmale Brücken (Ausläufer) in Zu- 
sammenhang bleiben. Ferner berichtet Flemming (S. 281), 
dass während der Kernteilung der grossen Zellen ihre Ausläufer 
aus der platten in eine mehr drehrunde Form übergehen, daher 
feiner verästelt, aber dunkler gefärbt erscheinen; nach dem Di- 
spirem verschwindet die Verschmälerung der Ausläufer wieder und 
unterbleibt auch bei der nachträglichen Zerlegung des Zelleibes. 
Die Vermutung Solgers, dass Pigmentzellen insbesondere in 
späteren Entwicklungsstadien oder im erwachsenen Tier- 
körper ihre Kerne auf nicht mitotischem Wege vermehren mögen, 
will Flemming (S. 285) nicht ausschliessen. Zimmermann 
(1890, S. 404) fand bei Salamanderlarven, die sich durch ihr 
rapides Wachstum vor ihren Genossen auszeichneten, sämtliche 
Pigmentzellen von Bauchfell und Schwanz schon im Übergang 
des Doppelsterns zum Doppelknäuel äquatorial eingeschnürt; doch 
blieben auch hier zwischen den Tochterzellen gewöhnlich Ver- 
bindungsbrücken bestehen. Der Autor zieht daraus den Schluss, 
dass eine verzögerte Zelleibsteilung bei den Pigment- 
zellen der Salamanderlarven wohl vorkommt, dass sie aber durch 
abnorme Zustände erzeugt sei. Weiter teilt Zimmer- 
mann mit, dass bei den intraepithelialen Pigmentzellen im 
Beginn der Teilung die Ausläufer eingezogen werden, dass ferner 
das Pigment die Peripherie der Zelle einnimmt und insbesondere 
an den Stellen. an welchen früher Hauptausläufer abgingen, ge- 
häuft erscheint. Sobald aber die Spiremfäden in der Peripherie 
zerreissen und der Monaster beginnt, sieht man regelmässig 
Pigmentkörnchen zwischen den Chromatinschleifen auftreten. Be- 
ginnt aber der Diaster sich auszubilden, so werden die Polfelder 
und Umbiegungsstellen der Schleifen völlig frei von Pigment, 
dessen Masse sich im AÄquator ansammelt. Die Einschnürung 


Div Ohrommbophoren dor Roptilonimi 17 


voht buld dureh die Piementmansen Iundureh und halbiert mie, 
woher die Teilung eine vollständige int und keine Verbindungen 
zurliekbleiben, im Gegensatz zu den Melunophoren der IKutin 
Anordnung der Piementkörnehen in Reihen, ontnprechend «der 
nehromatisehen Spindel, wurde me boobnehtet,  Dehlionlieh wein 
Zimmermann (8 400) daran hun, dans die intinepiehehnlen 
VMelunophoren, die Terlungsvorgänge zeigten, nur geringen odeı 
inittloron Piementeehnlt bonnsnen, Wenn man nun mmeh den Be 
riehten von Flemming und Zimmermann geneigt nein nollte, 
(die Zweikernigkeit der Melnnophoren auf mitotinche Kornteilung 
zurtiekzuführen, no wird die Snehlnge dadurch wenentlich vor 
wiekelter, dans Zimmermann (IS03b, 5, 77) bei Knochenfinehen 
Verhältminne boobnehtete, «die für eine nmitotinehe Terlung 
sprochen bei mehrkernigen Zellen »ollen nämlich die Korne pam 
weine oder alle miteinander dureh feinste Faden zunmmmmenhängen, 
ein Zustand, den der Autor auf eine unvollständize erlolgte Kern 
zerntliekelung infolge mechnnimeher Insulte bei der Piemont 


ig. M 
/ f 
\ 
) 
n h 
{ 1 { 
HK ) E ) f ey) n 
/ | j ! \ / 
| / ; un \ \ ’ 
‘ (d ‘ 


Mitotischo Kernvermehrung der Melnnophoren nun der Knekenhmut einen 
iltoren Kmbryon von Goocko vertieillutun Verardsserune JOWO CI 


138 W.J. Schmidt: 


ballung zurückführt. Nach dieser letzten Anschauung von 
Zimmermann glaubte auch ich die Zweikernigkeit der Melano- 
phoren von Geckolepis und der Allophoren von Phelsuma 
erklären zu müssen (W. J. Schmidt 1911, S. 348). 

Weil schon bei älteren Embryonen von Geckolepis 
und Gecko verticillatus zweikernige Melanophoren vor- 
kommen (siehe S. 128 u. 130—132), muss ihre Kernvermehrung 
bei den Eidechsen wenigstens zum Teil in embryonaler Zeit 
vor sich gehen, und da ich unter zahlreichen Schnitten der er- 
wachsenen Formen niemals irgendwelche Teilungsvorgänge am 
Kern sah, musste ich schliessen, dass die Vermehrungsvorgänge 
des Kerns, wenn auch vielleicht nicht ausschliesslich, so doch 
überwiegend in den späteren Embryonalstadien sich vollziehen. 
Diese Überlegung veranlasste mich, die Totalpräparate der embryo- 
nalen Haut von Geckolepis und Gecko verticillatus auf 
Kernteilungszustände durchzusehen, und in der Tat glückte es 
mir, bei der letztgenannten Form mitotische Teilung der 
Melanophorenkerne festzustellen. Alle von mir beobachteten 
Fälle betrafen einkernige Melanophoren, die also im Begriff stehen, 
zweikernig zu werden; ein Teilungsschritt, der zur Dreikernigkeit 
führte begegnete mir nicht. Ich sah alle Stadien der Kern- 
teilung von der AÄquatorialplatte bis zur Rekonstruktion der 
Tochterkerne (Textfig. Ssa—e), leider nicht die früheren, die viel- 
leicht am ehesten Aufschluss über das sonderbare Verhalten der 
Sphäre gegeben hätten. Die Mitose selbst bietet keine Besonder- 
heiten; in den Präparaten traten nur die chromatischen Elemente 
der Teilungsfigur hervor, doch ist dadurch natürlich die Gegen- 
wart der achromatischen Bestandteile, Spindel und Polstrahlungen, 
keineswegs in Frage gestellt. Auffallend war mir nur die ge- 
ringe Entfernung, in der die Tochterplatten (d) und in Rekon- 
struktion begriffenen Tochterkerne (e) voneinander liegen. Viel- 
leicht hängt dies damit zusammen, dass eine Durchschnürung 
des Zelleibes in der Regel wenigstens nicht der Teilung 
folgt. Nur in einem Falle schien mir an einer Zelle mit rekon- 
struierten Kernen eine Art Querfurchung einzutreten; doch konnte 
ich mich dieses Verhaltens nicht mit hinreichender Genauiekeit 
vergewissern. Die Tatsache vielmehr, dass an den zahlreichen 
zweikernigen Zellen, deren Kerne vollkommen in den Ruhezustand 
zurückgekehrt waren, niemals etwas von Zweiteilung des Zelleibes 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 139 


zu erkennen war. in Verbindung mit dem weiteren Befund, dass 
bei manchen erwachsenen Formen (Uroplatus) die Mehr- 
zahl der Melanophoren zweikernig ist, zwingt zur Annahme, dass 
der mitotischen Kernteilung der Melanophoren nicht 
etwa eine nachträgliche Zweiteilung des Zelleibes 
folgt. Auch die dreikernigen Melanophoren sprechen -— mag 
die sekundäre Zweiteilung eines der Kerne sich mitotisch oder 
am totisch abspielen — für das Ausbleiben einer Durchschnürung 
des Zelleibes nach der ersten Kernteilung. Schliesst man sich dieser 
Deutung, dass die zweikernigen Melanophoren beim Erwachsenen 
aus einkernigen in embryonaler Zeit durch Mitose hervorgehen, nicht 
an, so bleibt nur die Annahme übrig, dass die zweikernigen Melano- 
phoren sich nachträglich in zwei einkernige Tochterzellen zerlegen 
und diese erst und zwar auf amitotischem Wege — denn sonst 
kann man sich ja unserer Auffassung anschliessen — die zweikernigen 
Zellen des Erwachsenen aus sich hervorgehen lassen. Abgesehen 
von ihrer Kompliziertheit lassen sich aber für eine derartige 
Lösung der Frage keinerlei Beobachtungstatsachen anführen. 
Fasst man die übrigen Zellteile bei der Mitose der Melano- 
phoren ins Auge, so bietet die Sphäre ein sonderbares Ver- 
halten dar. Wie schon erwähnt, konnte ich die ersten Stadien 
der Mitose nicht beobachten; jedenfalls aber war die für die 
Sphäre charakteristische Ballung des Pigments auf den 
späteren Teilungszuständen niemals zu sehen. Das 
legt die Annahme nahe, dass die Sphäre bei der Ausbildung der 
Kernspindel in deren Zentrosome überging, eine Auffassung, zu 
der man geradezu genötigt wird, wenn man nicht die Annahme 
machen will, dass die Sphäre der Melanophoren eine vom Zentrosom 
gänzlich verschiedene Bildung sei. Es ergibt sich bei dieser 
Sachlage nun die Frage, wie es möglich ist, dass der durch 
Mitose entstandenen zweikernigen Melanophore nur ein Zentrosom 
(Sphäre) zukommt — wie ja allenthalben zu beobachten ist — 
während doch am Ende der Mitose zwei Zentrosome vorhanden 
sein müssten. Die Einzahl der Sphäre in zweikernigen Melano- 
phoren fände ja bei Annahme einer amitotischen Kernver- 
mehrung, die sich ohne Beteiligung des Zentrosoms vollzieht, 
eine befriedigende Erklärung; doch muss ich nach obigen Aus- 
einandersetzungen, und sie treffen unzweifelhaft für dieembrvo- 
nalen zweikernigen Melanophoren zu, eine direkte Kernteilung 


140 W.J. Schmidt: 


ausschliessen. Man könnte nun denken, dass nach Abschluss der 
mitotischen Kernteilung eines der beiden Zentrosome zugrunde 
ginge: doch scheint mir eine andere Möglichkeit eher gegeben 
zu sein, dass nämlich die Zentrosomen durch eine Zentrodesmose 
während der Teilung dauernd verknüpft bleiben und sich nach 
ihrem Abschluss wieder vereinigen; vielleicht erscheint eine solche 
Deutung bei der geringen Entfernung, welche die Tochterknäuel 
voneinander besitzen, nicht ganz verkehrt: da mir indessen 
Beobachtungen über das Verhalten der Spindel fehlen. muss ich 
diesen Hinweis ausdrücklich als das bezeichnen, was er ist, als 
eine Vermutung, deren Bewahrheitung künftigen Untersuchungen 
vorbehalten bleiben muss. Doch sei hier daran erinnert. dass 
ich früher (W. J. Schmidt 1911. S. 345) bei Geckolepis eine 
zweiteilige Sphäre beschrieben habe, ein Befund, der sich 
immerhin zur Stütze meiner Annahmen verwerten lassen würde. 

Leider konnte ich auch bei den dreikernigen Melanophoren 
nichts von einer Sphäre sehen. — Ob übrigens die dreikernigen 
Melanophoren durch mitotische Teilung eines Kernes aus den 
zweikernigen hervorgehen, muss dahingestellt bleiben. Da die 
beiden durch den sekundären Teilungsschritt entstandenen Kerne 
wesentlich kleiner sind als der dritte, bei mitotischer Teilung 
aber die Tochterkerne auf die ursprüngliche Grösse heranzuwachsen 
pflegen, so könnte man hier mit grösserer Wahrscheinlichkeit an 
amitotische Kernzerlegung denken. 

Die Ausläufer der Melanophoren wurden bei der mito- 
tıschen Kernteilung niemals eingezogen, zeigten auch keinerlei 
andere Besonderheiten ; vielmehr erschienen die Zellen ebenso reich 
verästelt, wie auch sonst. Zusammengehalten mit Zimmer- 
manns Beobachtungen bei den intraepithelialen Melanophoren 
(8. 0.), die sich im Anschluss an die Kernteilung vollkommen in 
zwei Tochterzellen zerlegen, weist dieses Verhalten ebenfalls 
darauf hin, dass eine Zerlegung des Zelleibes hier unterbleibt. Wie 
Zimmermann (s. 0.), so finde auch ich, dass die Mitosen sich 
einzig an Zellen mit mässigem Pigmentgehalt abspielen. 
Dieser Umstand ist vielleicht so zu erklären. dass derartige Zellen 
jugendlichere Melanophoren darstellen, weil ihre Granula 
nur erst zum Teil zur Entwicklung gelangt sind. Da aber die 
mitotische Teilungsfähigkeit der meisten Zellen mit zunehmendem 
Alter abnimmt, so würde sich in dem erwähnten Umstand äussern, 


Die Ohromatophoren der Reptilienhaut. 141 


dass die Melanophoren der gleichen allgemeinen Gesetzlichkeit 
unterworfen sind. Hinsichtlich der Pigmentverteilung 
während der Mitose habe ich nur feststellen können, dass die 
Umgebung der chromatischen Figur durchweg pigmentarm ist, 
die Hauptmasse der Granula sich dagegen in der Peripherie der 
Zelle und ihren Ausläufern befindet. 

Über die Lage der Kerne in den Melanophoren lässt sich bei 
der sehr verschiedenen Gestalt dieser Chromatophoren allgemein nur 
sagen, dass sie exzentrisch ist, da die zentrale Stellung der Sphäre 
vorbehalten bleibt. Im übrigen unterliegt sie mancherlei Wechsel; 
ich verweise auf die Textfiguren 5a—c, 7a und b und die Figuren 
auf Taf. Vu.IX. Zum Teil werden diese Verhältnisse bei den Melano- 
phoren von Uroplatus nochmals zu besprechen sein (vgl. S. 144). 

Will man der Zwei- oder Mehrkernigkeit der Melanophoren 
eine physiologische Bedeutung zuschreiben, so kommt wohl 
nichts anderes in Frage als die mit ihr verbundene Ver- 
grösserung der Kernoberfläche, die den Stoflwechsel 
zwischen Kern und Plasma erleichtert. Für die Richtigkeit dieser 
Deutung würde gleichfalls sprechen, dass nur die subepidermalen 
Melanophoren, die grössten von allen, mehrkernig sind. Bei der 
bedeutenden absoluten Grösse ihres Kernes (und Zelleibes) würde 
dessen Verhältnis von Masse zur Oberfläche besonders ungünstig 
werden. Auch die Richtigkeit dieses physiologischen Wertes der 
Mehrkernigkeit vorausgesetzt, würde er natürlich nicht hinreichen, 
das Entstehen der Zweikernigkeit zu erklären; die Gründe 
hierfür dürften vielmehr in der Richtung zu suchen sein, dass 
den (jugendlichen) Melanophoren wie vielen Zellen das Bestreben 
einer Kernvermehrung auf mitotischem Wege einschliesslich Zwei- 
teilung des Zelleibes innewohnt, dass aber bei den Melanophoren 
infolge gewisser Hemmungen, die uns einstweilen ihrem Wesen 
nach völlig unbekannt sind (Anhäufung der Granula ein Hindernis 
für die Teilung des Zelleibes wie die Anhäufung des Dotters 
die Ursache partieller Furchung von Eizellen ?), die normaler- 
weise auf die mitotische Kernteilung folgende Zerlegung des Zell- 
leibes in zwei Tochterzellen in der Regel nicht durchgeführt werden 
kann. 

d) Sphäre und zytoplasmatische Strukturen. 

Eine Sphäre, die durch Solgers schöne Entdeckung in den 

Melanophoren der Knochenfische längst bekannt geworden ist. 


1-62 W.J. Schmidt: 


wurde erst durch Keller (1895, S. 142f. u. 164) bei Reptilien, 
und zwar bei Chamaeleo und Calotes festgestellt. Er schildert 
sie als kleine pigmentfreie Stelle, in deren Mitte ein sich 
stärker färbendes und stärker lichtbrechendes Korn liegt, dessen 
Identität mit dem Zentrosom Keller dahingestellt sein lässt. 
In einigen Schnitten fanden sich radienartig davon aus- 
gehende Fasern. Später habe ich den hellen Sphärenfleck 
in den Melanophoren von Geckolepis, Phelsuma, Uro- 
platus, Anguis und seine Beziehungen zur Pigmentballung 
eingehend beschrieben (W. J. Schmidt 1911, S. 345f.; 1912a, 
S. 180 u.:1851.; 1913,,8. 387; 1914, 8. 12), und ich verweise 
hier nochmals auf die diesbezüglichen neuen Angaben in vor- 
liegender Arbeit betreffend Lygosoma (8. 122), Gecko verti- 
eillatus (S. 125) und Geckolepis (S. 130 u. 157). Aus diesen An- 
gaben geht hervor, das eine Sphäre nicht nur den subepidermalen Me- 
lanophoren zukommt, bei denen sie zuerst von Keller gefunden 
wurde, sondern dass gleichfalls die intraepithelialen (Anguis, 
Geckolepis) und diejenigen der tieferen Hautschichten (Lygo- 
soma, (seckolepis) mit einer solchen ausgestattet sind, ein 
Befund. der ja ganz natürlich erscheint, wenn zwischen diesen 
verschiedenen Arten der Melanophoren genetische Beziehungen 
bestehen. Man möchte fast annehmen, dass eine Sphäre alien 
Melanophoren zukommt; indessen gelingt es nicht immer, sich 
von ihrer Gegenwart zu überzeugen. Zweifellos bestehen bei 
den einzelnen Formen sehr grosse Unterschiede hinsichtlich ihrer 
Deutlichkeit, wenigstens soweit dies von der Pigmentverteilung 
abhängt, selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nur 
eine bestimmte Pigmentverteilung sie in voller Schönheit hervor- 
treten lässt und dass abgeplattete Melanophoren sie leichter 
erkennen lassen als solche mit ellipsoidalem Zelleib, wie ja auch 
die Sphäre bei den Knochenfischen zuerst an stark abgeplatteten 
Zellen erkannt wurde. Bei den einheimischen Lacertiden habe 
ich viel Mühe darauf verwandt, sie in den subepidermalen Melano- 
phoren aufzufinden: indessen führten selbst chlorgebleichte und 
gefärbte Schnittpräparate nicht zum Ziel. So ist es denn wohl kein 
Zufall, dass die Sphäre bei solchen Formen am leichtesten sichtbar 
ist, die einen lebhaften Farbenwechsel besitzen, wie Chamaeleo, 
Uroplatus, Calotes und Geckoniden. Jedenfalls sind Zellen, 
in denen die Pigmentverlagerungen die Extreme zeigen können 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 145 


— pigmentfreier Zelleib und pigmenterfüllte Ausläufer, bezw. 
umgekehrt — am geeignetsten zum Studium der Sphäre und den 
von ihr abhängigen protoplasmatischen Strukturen. 

Am Totalpräparat lässt sich hinsichtlich der Sphäre nur 
erkennen, dass sie eine in der Mitte des Zelleibes gelegene, meist 
rundliche, gelegentlich aber auch anders gestaltete Partie ist, die 
sich durch stärkere Färbbarkeit (vgl. S. 130) auszeichnet. Auf die 
Sphäre ist die Pigmentbewegung gerichtet, und je nachdem das 
Pigment mehr oder minder um sie herum geballt ist, tritt sie 
auffälliger oder weniger deutlich hervor, verschwindet aber in 
der Regel weder bei maximaler Ballung noch bei maximaler 
Ausbreitung (vgl. S. 129 u. 130—131). 

Tiefer in den Bau der Sphäre und der zytoplasmatischen 
Strukturen der Melanophoren überhaupt einzudringen, gestattet 
die Schnittmethode, von der ich schon früher Gebrauch 
gemacht habe. Als ein ganz hervorragend geeignetes Objekt 
hierfür erwiesen sich die subepidermalen Melanophoren 
von Uroplatus, nicht nur ihrer bedeutenden Grösse wegen, 
sondern auch wegen ihres mässigen Gehaltes an Pigmentgranula 
und der Pigmentleere, welche bei maximaler Expansion 
der Körnchen im Zelleib eintritt und einen Einblick ins Zellinnere 
gestattet, wie er gewöhnlich nur durch Bleichung des Pigments zu 
erzielen ist. Das Material verdanke ich der Güte des Herrn Geheim- 
rats Braun in Königsberg: es war mit Sublimat-Eisessig und Sulbi- 
mat-Alkohol fixiert und wurde in 7,5 « dicke Schnitte zerlegt, meist 
mit Eisenhämatoxylin oder mit Delafields Hämatoxylin und 
dem van Giesonschen Pikrinsäure-Säurefuchsin gefärbt. Einige 
Beobachtungen, die ich an solchen Präparaten angestellt habe, 
sind schon veröffentlicht und mit Abbildungen belegt (W. J. 
Schmidt 1913, S. 387); diese Angaben kann ich aber nach 
einem erneuten Durcharbeiten der damals auch hinsichtlich anderer 
Punkte studierten Präparate (die zum vorliegenden Zweck zum Teil 
stärker nachgefärbt wurden) wesentlich erweitern und vertiefen. 

Textfig. 2b (S. 117) und Fig. I u. 2, Taf. V geben Aufschluss 
über die Formverhältnisse der subepidermalen Melanophoren von 
Uroplatus. Sie gehören dem gewöhnlichen Typus dieser Zellen 
an, besitzen also einen ellipsoidalen oder mehr kugeligen Zelleib, 
von dem nach der Epidermisseite hin weit ausgreifende Ausläufer 
abgehen, die sich zunächst nur mässig, erst unmittelbar unter 


144 W.J. Schmidt: 


der Epidermis stärker verästeln und hier mit zahlreichen, kleinen, 
oft etwas angeschwollenen, dem Epidermisrand vielfach parallel 
laufenden Zweiglein endigen, die man als Endfüsschen 
bezeichnen könnte (vgl. auch Fig. 5, Taf. V).,. Wie schon nach 
3ildern von Totalpräparaten auseinandergesetzt wurde, wechselt 
die Erscheinungsform der Zellen ganz beträchtlich (vgl. S. 125) 
und die genannten Endfüsschen sind nur dann zu erkennen, wenn 
die Ausläufer stark und bis in die letzten Endverzweigungen 
hinein mit Melaninkörnchen erfüllt sind (Fig. 1, Taf. V).. Um 
Raum zu ersparen, sind auf Taf. V die Zellfortsätze nur in 
wenigen Fällen alle — soweit sie im Schnitt lagen — oder zum 
Teil wiedergegeben worden, selbst wenn sie, mit Pigment erfüllt, 
gut und auf eine längere Strecke sichtbar waren. 

Diese Melanophoren sind durchweg zweikernig, und wenn 
der Zelleib nicht gar zu sehr mit Pigment erfüllt ist, bietet es 
keinerlei Schwierigkeit, sich hiervon bei geeigneter Schnittrichtung 
zu vergewissern. Wenn manche der Bilder (2. B. Fig. 3, 4, 5, 7, Taf. V) 
nur einen Kern aufweisen, so war gewöhnlich der zweite in 
dem benachbarten Schnitt enthalten, wie ich mehrfach durch 
Nachprüfung feststellte. Die mächtigen Kerne lassen oft einen 
oder zwei grosse Nukleolen (Fig. 2. 7, 11, Taf. \V) erkennen, 
zeigen im übrigen in ihrem Innern zahlreiche kleinere, zu einem 
Netzwerk gruppierte Uhromatinkörnchen und sind nach aussen 
durch eine deutliche Kernmembran abgeschlossen. Sie liegen 
gewöhnlich der Unterseite des Zelleibes genähert und zwar fassen 
sie die Sphäre zwischen sich (Fig. 6, 7, 10, Taf. V), ein Verhalten, 
das uns ja schon nach Bildern von Totalpräparaten (S. 125) ge- 
läufig ist. Aus dieser Lagebeziehung zur Sphäre erklärt sich ihre 
Form, die oft nicht einfach kugelig oder ellipsoidal, sondern gegen 
die Sphäre hin abgeplattet oder ausgehöhlt (Fig. 5. Taf. \) ist. 
Eine solche Kernform kommt häufiger vor, als man nach den 
Abbildungen schliessen könnte: einmal nämlich ist sie nur bei 
passender Schnittrichtung erkennbar und zweitens lässt sich selbst 
dann oft diese Beschaffenheit der Kerne erst beim Wechsel der 
Einstellung wahrnehmen und ist daher vielfach nicht bildlich 
wiederzugeben. Hinsichtlich ihres Abstandes von der Sphäre 
bieten die Kerne ziemliche Unterschiede; vielleicht darf daraus 
geschlossen werden, dass ihre Lage nicht absolut fixiert ist, sondern 
auch sie mit dem Strömen der Pigmentmassen etwas hin und her 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut 145 


bewegt werden. Wenn die Beobachtungen von Ballowitz 
(1913, f, eg) an den lebenden Knochenfischmelanophoren und 
Erythrophoren für eine stets unveränderliche Lage der Kerne 
sprechen, so sind sie doch nicht so unvereinbar mit unserer An- 
nahme, als es zunächst scheinen möchte: denn diese Mitteilungen 
beziehen sich auf sehr stark abgeplattete Zellen, in denen 
die Kerne vielleicht schon durch den Druck des umgebenden 
(sewebes an ihrem Platz gehalten werden könnten und in denen 
jedenfalls eine Verlagerung der Kerne auf grössere Schwierigkeiten 
stossen würde als hier in dem geräumigen Zelleibe. 

>ekanntlich lassen sich an lebenden Melanophoren keine 
Zellwände unterscheiden. Doch gewahrt man öfter an fixierten 
Präparaten eine zarte Begrenzung des Melanophorenplasmas nach 
aussen, die vielleicht durch seine Schrumpfung und damit ver- 
bundene Verdichtung der Aussenzone bedingt ist, Wenn aber 
auf Taf. V der Umriss einer Anzahl von Melanophoren durch 
einen Kontur wiedergegeben ist, so soll er keineswegs diese Ver- 
dichtungszone darstellen; vielmehr war ich bei den pigment- 
entleerten Zellkörpern. die im Präparat ihre Begrenzung 
durch das umhüllende Bindegewebe zu erkennen geben, zu einer 
solchen Darstellung genötigt, wenn ich nicht die Umgebung der 
Melanophoren mit abbilden wollte. Übrigens hält es nicht immer 
leicht, wenn eine Melanophore nach aussen hin von einem zarten 
Kontur begrenzt erscheint, zu entscheiden, ob diese Grenze der 
Melanophore selbst oder der oft sehr zarten bindegewebigen Hülle 
angehört. — 

Nach diesen einleitenden Vorbemerkungen können wir nunmehr 
zu unserer Hauptaufgabe, der Untersuchung von Sphäre, zvto- 
plasmatischen Strukturen und ihren Beziehungen 
zur Pigmentanordnung übergehen. Gewöhnlich treten die 
Sphäre und die von ihr abhängigen Differenzierungen des Proto- 
plasmas schon in der charakteristischen Anordnung der Pigment- 
granula hervor, während die diesen Verhältnissen zu Grunde 
liegenden protoplasmatischen Strukturen selbst nur selten ohne 
Bleichung des Pigments wahrzunehmen sind. Hinsichtlich der 
erstgenannten Präparate kann ich mich kurz fassen. Fig. 4—7, 
Taf. V zeigen eine fortschreitende Ballung der Granula 
im Bezirk der Sphäre, die einzig durch dieses Phänomen 
sichtbar wird. Dabei ist der Zellkörper, abgesehen von der Pigment- 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. I. 10 


146 W.J. Schmidt: 


anhäufung um die Sphäre, leer an Granula, die Ausläufer von 
ihnen erfüllt. Um nicht zu sehr in Wiederholungen verfallen 
zu müssen, verweise ich hinsichtlich der verschiedenen Zustände 
der Pigmentverteilung auf die Auseinandersetzungen im Abschnitt 
Funktionelle Erscheinungsformen (8. .123). Bei Färbung mit 
Delafields Hämatoxylin wird das Plasma der Melanophoren 
so schwach tingiert, dass die Pigmentkörnchen gewissermassen 
im Leeren zu schweben scheinen. Öfter lassen sich radiäre, 
schmälere oder breitere Züge von Pigmentkörnchen 
feststellen, die von der Sphäre allseits der Peripherie 
der Zelle zustreben (Fig. 6—8, Taf. V); die breiteren 
dieser Pigmentbahnen gehen in die Ausläufer der 
Zelle über (Fig. S, Taf. V). Es muss hervorgehoben werden, 
dass auch in die Sphäre selbst Pigmentkörnchen ein- 
zudringen vermögen und sogar gerade hier eine besonders 
dichte Anhäufung erfahren können. So erscheint die stark 
von Melaningranula erfüllte Sphäre in Fig. 8 (Taf. V) als eine 
längliche, räumlich betrachtet, flach ellipsoidale Masse, die tief 
dunkel gefärbt ist und sich durch einen schmalen, lichteren, spalt- 
artigen Raum von der umgebenden, zum Teil den Kern umhüllenden 
Pigmentansammlung absetzt; von dieser gehen dann zahlreiche 
breitere und schmälere, längere und kürzere, radiäre Pigmentzüge 
aus, die mehr oder weniger weit zur Peripherie reichen und von 
denen die mächtigsten in die Zellausläufer eintreten. Diese die 
Sphäre unmittelbar umgebende und in der Form ihr entsprechende 
Pigmentansammlung scheint bei genauerer Betrachtung überhaupt 
in einzelne radiäre Pigmentzüge zu zerfallen, doch ist eine streng 
radiäre Anordnung der einzelnen Melaningranula nur immer 
auf kürzere Strecken und auch nicht überall zu beobachten. Noch 
auffallender ist das Eindringen der Melaninkörnchen in 
die Sphäre in Fig. 9, Taf, V: der Zelleib ist fast vollkommen von 
den Granula entleert, nur ganz vereinzelte Körnchen sind hier und 
da bei der Expansion des Pigments zurückgeblieben ; dagegen ist 
die Sphäre über und über von Pigmentkörnchen erfüllt und hebt 
sich scharf und allseits gut begrenzt von der Umgebung ab. Diese 
Beobachtung lehrt also, dass bei maximaler Ausbreitung 
des Pigments unter Umständen Melaninkörnchen, die 
in die Sphäre eingedrungen sind, hier verbleiben 
und dabei besonders dichte Lagerung zeigen können. 


Die Chromatophoren der Reptilienhant. 147 


Fig. Ss u. 9 (Taf. V) leiten uns schon zu den zytoplas- 
matischen Strukturen selbst über. Zwischen den radiären 
Pigmentzügen gewahrt man nämlich in einzelnen Melanophoren 
zarte Fäden, welche die gleiche Verlaufsrichtung wie jene ein- 
halten (Fig. 8, Taf. V). Gewöhnlich sind sie nur ziemlich spärlich 
zu erkennen; doch sah ich in einem Falle (Fig. 9, Taf. V) den 
stark von Pigment entleerten Zelleib von einer dichten, 
überaus zarten Strahlung erfüllt, die von der Sphäre aus- 
ging und sich bis zur Peripherie der Zelle verfolgen liess; ihr 
Eintreten in die Ausläufer selbst war nicht zu beobachten. In 
einem Präparat konnte ich die plasmatische Sphäre selbst 
ohne Bleichung des Pigments wahrnehmen: in einer ziemlich 
kleinen Melanophore (Fig. 3. Taf. V) zeigte sich über dem Kern 
eine kugelige dichtere Plasmamasse, die ich wohl nur so deuten 
kann, obwohl eine Beziehung der Pigmentkörnchen zu ihr nicht 
ersichtlich war. 

Viel weiter kommt man in dieser Hinsicht an chlorge- 
bleichten und später stark mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präpa- 
raten (Fig. 10—13, Taf. V). An ihnen bietet sich die Sphäre 
als eine dichtere und stärker färbbare, zentral gelegene 
Plasmamasse von kugeliger oder kuchenartiger Form 
dar. Da auch bei langdauernder Bleichung mit Chlor die Melanin- 
körnchen die Farbe nicht ganz verlieren und bei starker Tinktion 
mit Eisenhämatoxylin diesen Farbstoff etwas speichern, so erscheint 
die Plasmamasse der Sphäre mehr oder minder körnig. Zentriolen 
in der Sphäre nachzuweisen, gelang mir nie. Die Grösse der 
Sphäre ım Vergleich zum Zelleib schwankt innerhalb beträcht- 
licher Grenzen, woraus man vielleicht schliessen darf, dass sie 
in der lebenden Zelle Veränderungen unterworfen ist. Bisweilen 
(Fig. 10, Taf. V) sind die Kerne in die dichtere Plasmamasse der 
Sphäre eingesenkt. (Gegen das umgebende, immer schwächer 
farbbare Plasma ist die Sphäre bald mehr (Fig. 10, Taf. V), bald 
weniger (Fig. 12, 13, Taf. V) scharf abgesetzt, woraus hervorgeht, 
dass sie kein besonders strukturiertes Gebilde darstellt, sondern 
nur als eine lokale Verdichtung des Plasmas gelten kann, 
die nach aussen hin bald rascher, bald langsamer abnimmt. Das 
die Sphäre umgebende, den Rest des Zellkörpers erfüllende Plasma 
färbt sich selbst bei stärkster Eisenhämatoxylinbehandlung, die 
alle Elemente der Präparate mit Ausnahme der Melanophoren 

208 


145 W.J. Schmidt: 


infolge übermässiger Schwärzung zur Beobachtung unbrauchbar 
erscheinen lässt, so schwach, dass ihm zweifellos eine sehr lockere, 
im Leben wohl flüssige Beschaftenheit zugesprochen werden muss. 
Zum mindesten ist sein Dichtigkeitsunterschied gegenüber der 
Sphäre ganz beträchtlich. Stellenweise gewinnt man sogar den 
Eindruck, als ob zwischen den gleich zu besprechenden fädigen 
Bildungen leere Räume beständen (Fig. 10, Taf. V) und die Reste 
der ehemals in ihnen enthaltenen Flüssigkeit diesen Proto- 
plasmafäden als gerinnselartiger Belag anklebten. Da die 
Färbung des Plasmas erst in dickerer Schicht sichtbar wird, 
erscheinen die von Pigment freien, dünnen Zellausläufer gewöhn- 
lich leer. 

Das die Sphäre umhüllende Plasma wird nun von zahlreichen 
Fäden durchzogen, deren Bestehen wir schon oben gelegentlich 
der Untersuchung nicht gebleichter Präparate festgestellt haben 
(Fig. 10—12, Taf. V). Sie nehmen vom Rande der die Sphäre 
bildenden Plasmaverdichtung ihren Ausgang, strahlen im allge- 
meinen radiär aus, reichen bis zur Peripherie der Zelle und lassen 
sich auch ein Stück weit in die Ausläufer hinein verfolgen. An 
diesen chlorgebleichten Schnitten zeigen die Fäden ein Verhalten, 
das von dem nicht gebleichter Zellen abweicht und daher wohl 
zum Teil auf diese immerhin nicht ganz schonende Vorbehandlung 
zurückzuführen ist. Sie sind nämlich nicht so geradlinig wie 
dort, sondern gelegentlich sogar ziemlich stark gekrümmt, scheinen 
sich bisweilen auch zu gabeln (Fig. 10, Taf. V). Da die ganze 
Anordnung der Fäden an den Chlorpräparaten nicht so regelmässig 
erscheint wie an den anderen, so möchte ich die Krümmung der 
Fäden als Kunstprodukt, ihre scheinbare Gabelung als Verklebung 
zweier oder mehrerer Fäden auffassen. Ebenfalls das Heraus- 
sondern von zahlreichen Fäden zu dickeren, vielfach den Ausläufern 
entsprechenden Bündeln (Fig. 12, Taf. V) dürfte in der lebenden 
Zelle wohl nicht in dieser ausgeprägten Form vorliegen. Die Fäden 
nehmen bei sehr starker Eisenhämatoxylintinktion ziemlich Farbe 
an, erscheinen gewöhnlich nicht ganz glatt, sondern mehr körnig 
und rauh. Doch hält es schwer, zu unterscheiden, ob diese Be- 
schaffenheit den Fäden selbst oder dem ihnen anliegenden Plasma 
zukommt was für den Fall. dass zwischen ihnen Lücken vor- 
kommen (s. o.), wohl sicher im letzteren Sinne zu entscheiden ist. 
Ob die Fäden protoplasmatisch sind oder Umbildungs- 


Die Chromatophoren der Reptilienhant. 149 


produkte gewöhnlichen Zellplasmas darstellen, vermag ich nicht 
mit Sicherheit anzugeben. Dafür sind die morphologischen Merk- 
male, die sie darbieten, zu spärlich. das von mir beobachtete 
Färbungsverhalten nicht ausschlaggebend, vielmehr chemische 
Reaktionen erforderlich: zum mindesten müsste eine vom Plasma 
verschiedene Löslichkeit der Fäden nachgewiesen werden. Wir 
können diese Frage aber um so mehr auf sich beruhen lassen, 
als sie für die von uns angenommene funktionelle Bedeutung 
dieser Bildungen gleichgültig ist (siehe S. 240) und auch die Grenze 
zwischen protoplasmatisch und metaplasmatisch in vielen Fällen 
wohl nieht mit Sicherheit und scharf zu ziehen ist, da metaplas- 
matische Gebilde immerhin durch Umwandlung protoplasmatischer 
entstehen. Bei der Beziehung der Fäden zur Sphäre scheint es 
mir am nächsten zu liegen, die Fäden mit den auch in anderen 
ruhenden Zellen um die Sphäre herum häufiger zu beobachtenden 
Strahlungen in Vergleich zu setzen und in ihnen eine Proto- 
plasmastrahlung zu sehen, die sich von dem umgebenden 
Plasma aussergewöhnlich gut abhebt. Daher könnte man denn auch 
die Sphäre mitsamt der Strahlung als Astrosphäre bezeichnen. 
So deckt sich denn meine Auffassung im wesentlichen mit der 
von Zimmermann (1893a). Dass die Fäden mit den in neuerer 
Zeit in vielen Zellen beobachteten Stütz- und Zugfibrillen (Tono- 
hibrillen) homolog sind, glaube ich nicht; denn jene Bildungen 
(z. B. die Plasmafasern der Epidermis des Menschen und die Stütz- 
fibrillen in den Muskelzellen von Ascaris) zeichnen sich durch 
stärkere Färbbarkeit mit Eisenhämatoxylin aus; ausserdem ist 
nicht recht ersichtlich, welche stützenden oder Spannungsfunktionen 
die Fibrillen in den Pigmentzellen zu leisten hätten. | 

Bisweilen glaubte ich auch im Plasma der Melanophoren 
gröbere, röhrenartige Gebilde zu erkennen (Fig. 13, Taf. V, 
rechts); doch habe ich mich vergewissert, dass sie durch zwei 
stärkere, parallel laufende Fäden vorgetäuscht wurden. 

Auf die Angaben über den Bau des Melanophorenplasmas 
bei anderen Wirbeltiergruppen soll erst im Schlusskapitel ein- 
gegangen werden. Über die Reptilienmelanophoren war bisher so 
gut wie nichts bekannt, wenn man von Kellers oben angegebenen 
Mitteilungen absieht; diesen ist noch beizufügen, dass jener 
Autor (1895, S. 145) erwähnt, dass die fast hyaline Substanz 
der Ausläufer der Melanophoren beim Chamäleon eine feine 


150 W.J. Schmidt: 


Längsstreifung zeige und sich wenig mit den gebräuchlichen 
Farbstoffen tingiere, am besten noch mit der Biondi-Heiden- 
hain-Drünerschen Methode in gelblichem Farbton. Ferner 
erwähnt er (S. 143), dass sich in den Fortsätzen dieser Zellen 
die Körnchen mehr oder weniger ausgesprochen in parallelen 
Zügen gereiht finden. Auch ich habe, wie schon früher hervor- 
gehoben (W.J. Schmidt 1915, S. 3537— 388) und oben dargestellt, 
von der Sphäre ausgehende Körnchenreihen gesehen, gleichfalls 
in den Ausläufern (vgl. a. a. 0.) eine Reihenanordnung der Melanin- 
granula stellenweise bemerkt; doch muss ich ausdrücklich sagen, 
dass dieses Phänomen der radiären Reihenanordnung der Körnchen 
in Zelleib und Ausläufern nie so imponierend und über grössere 
Zellabschnitte kenntlich hervortritt, wie es nach den Abbildungen 
von Ballowitz (1914a) für die Knochenfische zutrifft. 

Fassen wir unsere Ergebnisse hinsichtlich der zytoplasmatischen 
Strukturen der Melanophoren kurz zusammen: DasProtoplasma 
der Melanophoren ist durch eine zentral gelegene Ver- 
diehtung, die kugelige oder ellipsoidale Sphäre, ausgezeichnet, 
die nach aussen hin allmählich oder auch mehr unvermittelt in 
lockeres (flüssigeres) Plasma übergeht. Das letztere ist von 
zahlreichen Fäden durchzogen, die radiärnachallen Seiten 
von der Oberfläche der Sphäre aus abgehen und bis zur 
Zellperipherie reichen, gelegentlich sich noch ein Stück weit in die 
Ausläufer verfolgen lassen. Bei der Expansion der Pigment- 
körnchen können in der Sphäre Melaningranula in dichter 
Ballung zurückbleiben. 

\ e) Entwicklung. 

Über die Ontogenese der Reptilienmelanophoren sind wir 
noch sehr schlecht unterrichtet; ihre Erforschung verlangt eine 
besonders darauf gerichtete Untersuchung. Um aber erneut die 
Aufmerksamkeit auf diese interessante Frage zu lenken und in 
der Annahme, dass diese vorläufigen Ergebnisse vielleicht die 
Bearbeitung wieder in Fluss bringen, teile ich im folgenden mit, 
was mir gelegentlich meiner Studien am Reptilienintegument 
hinsichtlich der Melanophorengenese vor Augen kam. 

Indem ich in betreff der Literatur im allgemeinen auf 
Fuchs’ Zusammenfassung (1914, S. 1603) verweise, hebe ich hier 
nur die Angaben rein histologischen Charakters hervor. Leydig 
(1873, S. 775) erwähnt von Tropidonotusembryonen, „dass das 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. an! 
} j 


dunkle Pigment in Form verästigter Zellen nicht in der Leder- 
haut, sondern in der Schleimschicht der Oberhaut zuerst auftritt“. 
Kerbert (1877, S. 237f.) äussert sich über das gleiche Objekt 
in folgender Weise: „@uerschnitte durch die Haut von Embryonen 
aus der vierten Periode belehren uns auf überzeugende Weise, 
dass das Pigment nicht zuerst in der Kutis, sondern in der Epi- 
dermis auftritt.... Und zwar ...in Form von verzweigten 
Pigmentzellen. .... Im Anfang der zweiten Periode sind 
die Pigmentzellen in der Epidermis noch nicht sehr zahlreich und 

verhältnismässig wenig pigmenthaltige. An einzelnen Stellen 
sah ich zwar die verzweigten Zellen sehr deutlich hervortreten, 
aber das Pigment war nur auf den Rand der Zellen beschränkt, 
und in den Ausläufern wenig vorhanden. Ausser diesen ver- 
zweigten, fast pigmentlosen Zellen sah ich aber in der Epidermis, 
und zwar meistens in den unteren Schichten dicht an der 
Kutis, noch andere, mehr oder weniger glänzende, aber runde 
oder ovale Zellen, die mit einer sehr stark lichtbrechenden Flüssig- 
keit gefüllt waren und meistens keinen Kern wahrnehmen liessen. 
Dieselben runden oder ovalen Zellen sah ich an anderen Stellen 
deutlich mit Pigment gefüllt..... Eine Erscheinung aber war 
es, die mir sofort auffiel, nämlich dass direkt unter der Epidermis 
in der Kutis ganz ähnliche runde oder ovale Zellen vorhanden 
waren, wie ich in der Epidermis gesehen hatte..... Auffallender- 
weise waren die meisten dieser runden glänzenden Kutiszellen 
an der Spitze der Schuppe angehäuft, wo das Wachstum des 
Bindegewebes auch am stärksten erscheint. Hier an der Spitze 
sah ich nun ganz deutlich, wie diese hellen runden Zellen zu 
einer Hälfte in der Epidermis, zur anderen in der Kutis sich 
befanden. Ähnlich verhielten sich einige pigmenthaltende Zellen. 
.... Über die Herkunft der .... Pigmentzellen in der Epidermis 
kann jetzt .... kein Zweifel mehr obwalten. Wir haben es in 
ihnen mit wandernden Bindegewebszellen zu tun, welche 
in die Epidermis eindringen, sich hier verzweigen und Pigment- 
körnchen bilden. .... Eigentümlich ist die Erscheinung, dass bei 
dem ausgewachsenen Tiere von diesen Pigmentzellen in der Epi- 
dermis keine mehr zu sehen sind, sondern dass sie hier alle in 
die Kutis hinuntergerückt sind. ....“ Braun (1877, S. 233) 
schliesst sich der Kerbertschen Anschauung für Platydactylus 
facetanus an: Bei einem Embryo von 17 mm Scheitel-After- 


152 W.J. Schmidt: 


länge seien die Zellen der Kutis unterhalb der Oberhaut wie ein 
Epithel angeordnet; diese dichtere Lage von Kutiszellen ver- 
wandle sich kurz vor dem Ausschlüpfen des Embryos in Pigment- 
zellen und wandere teilweise ins Rete Malpighii der Epidermis ein. 

Zenneck (1894, S. 376) fand bei Ringelnatterembryonen. 
dass an den Längszonen, in denen später die Fleckenreihen als erste 
Zeichnungselemente der Haut entstehen, Längsgefässe unter der 
Haut verlaufen, in welche aus dem Innern des Körpers in regel- 
mässigen Abständen Gefässe einmünden, so dass die Bevorzugung 
gewisser Hautstellen hinsichtlich der Pigmentverteilung 
eine Abhängigkeit vom Verlauf der Blutgefässe zeigt. 
Das Pigment tritt (abgesehen von der Chorioidea) zuerst in dem 
Bindegewebe auf, das den inneren die Leibeshöhle umschliessenden 
Teil der Bauchplatten bildet und erscheint in Form von braun- 
schwarzen Körnern im Plasma von Bindegewebszellen, wobei es 
Zenneck (S. 378) unentschieden lässt, ob es in ihnen entstanden 
oder von aussen in sie hineingekommen ist. Auf der II. Stufe 
tritt das Pigment auch an anderen Stellen auf, und zwar erscheint 
es in dem Bindegewebe, das die Blutgefässe umhüllt, welche aus 
dem Innern des Körpers zu den oben erwähnten Hautgefässen 
führten, gelegentlich auch in der Kutis, aber nur an den Stellen, 
wo von den Längsgefässen (uergefässe zum Innern des Körpers 
abzweigen (S. 379). Später (III. Stufe, S. 350) befindet sich auch 
im Stratum Malpighii Pigment, aber nur entsprechend den letzt- 
genannten Kutisstellen. So bestehen also von denjenigen Gebieten, 
in denen Pigment zuerst auftrat (dem die Leibeshöhle umgebenden 
Bindegewebe), bis zu jenen Flecken in der Epidermis zusammen- 
hängende Pigmentbahnen. Zur Erklärung dieser Beob- 
achtungen ergeben sich nach Zenneck (S. 381) nur zwei 
Annahmen: Entweder wird das Pigment, welches zuerst im Innern 
des Körpers auftritt, von wandernden Bindegewebszellen nach der 
Epidermis verschleppt, wobei diese den Bahnen noch tätiger oder 
in ÖObliteration begriffener Gefässe folgen, oder das Pigment 
entsteht sukzessive von innen nach aussen, in und um Blutge- 
fässe, die vom Innern des Körpers ausgehen, und schliesslich auch 
in denjenigen Stellen der Kutis und Epidermis, an welche diese 
Bahnen herantreten (S. 381). Zenneck schliesst aus seinen 
Befunden, dass ein Zusammenhang zwischen Epithel- und Binde- 
gewebspigmentierung besteht, doch liege kein zwingender Grund zur 


Die Uhromatophoren der Reptilienhaut. 155 


Annahme einer Entstehung der einen aus der andern durch Ein- 
schleppung vor (S. 388). Das von innen nach aussen fortschreitende 
Auftreten pigmentierter Bindegewebszellen würde zwar die beob- 
achteten Erscheinungen in diesem Sinne befriedigend erklären, ob- 
wohl positive Gründe fehlen. Doch scheint mir Zenneck dieser An- 
nahme mehr zuzuneigen als der gegenteiligen (dass das Pigment 
an den Stellen, an welchen es beobachtet wird, also auch in der 
Epidermis selbst entsteht), wenn er von der letzteren sagt, er habe 
nicht nur keine positiven Gründe für sie, sondern sie scheine auch 
bei der Erklärung der Tatsache zu versagen, dass das Epidermis- 
pigment auf diejenigen Stellen beschränkt ist, an denen auch das 
darunter gelegene Bindegewebe pigmentiert ist, und dass erst dann 
Pigment im Epithel auftritt, wenn das darunter gelegene Binde- 
gewebe pigmentiert ist. So ist denn auch Zenneck eher als 
Anhänger, denn als Gegner der Einschleppungstheorie für die 
Herkunft des Epithelpigments zu rechnen. Stehli (1910, S. 751) 
schliesst sich für die Blindschleiche der Meinung Kerberts an 
(s. 0.), insofern beim Embryo Pigment in Form von fein verästelten 
hellen Pigmentzellen in die Epidermis hineinreiche, während beim 
erwachsenen Tier von diesen Chromatophoren in der Epidermis 
nichts mehr zu finden sei, indem sie (S. 753) in die obere Schicht 
der Kutis hinabgewandert seien, wo sie grosse Ausdehnung 
erreichten. In vollem Umfange trifft die letzte Angabe Stehlis 
allerdings nicht zu, da auch bei der erwachsenen Blindschleiche 
epidermale Melanophoren vorkommen (vgl. W. J. Schmidt 1914, 
S. 14). Fuchs (1914, S. 1605) weist auf die Möglichkeit hin, 
dass das Epidermispigment der Reptilien primäres Eipigment im 
Sinne Ehrmanns (Amphibien) sein könnte; doch scheint eine 
solche Annahme für die einheimischen Reptilien wenigstens 
nicht zulässig, da ihre Eier keinerlei schwarzes Pigment be- 
sitzen. — 

Nehmen wir zunächst Stellung zu den erwähnten Literatur- 
angaben, dass das Pigment zuerst in der Epidermis 
auftritt. Hierbei sind zwei Unterfälle auseinander zu halten: 
Die Melanophoren entwickeln sich aus Epidermiszellen, also 
aus epithelialen Elementen, die pigmenthaltig werden, oder 
die noch pigmentlosen Jugendstadien der Melanophoren, 
die in die Epidermis von dem darunter gelegenen Gewebe aus 
eingedrungen und bindegewebigen Charakters sind, beginnen 


154 W.J. Schmidt: 


in der Epidermis zuerst mit der Ausbildung der Melaningranula. 
Die erste der beiden Möglichkeiten muss nach den Befunden von 
Zenneck (s. 0.), da das erste Pigment im Innern des Tieres ent- 
stehen kann, als hinfällig gelten ; denn man wäre sonst genötigt anzu- 
nehmen, dass die epidermalen Melanophoren anderen Ursprungs 
seien als die übrigen, eine Voraussetzung, zu der keinerlei Ver- 
anlassung vorliegt, da die beiderlei Zellen sich in keinem wesent- 
lichen Punkte unterscheiden. Die Angaben Leydigs, Kerberts 
u.a. können daher, wie ja auch aus den Äusserungen des letzten 
Autors hervorgeht, nur den Sinn haben, dass die in die Epi- 
dermis eingewanderten Jugendstadien der Melano- 
phoren dort zuerst pigmenthaltig werden. 

Das von mir hinsichtlich dieses Punktes geprüfte Material 
hat nur in einem Falle. nämlich bei Geckolepis, frühe Ent- 
wicklungsstadiender Melanophoreninder Epidermis 
auffinden lassen (s. u.), wobei in der Kutis noch nichts von diesen 
Zellen nachzuweisen war. In den übrigen Fällen (Anguis, 
Gecko verticillatus, Ptychozoon, Calotes) dagegen 
beobachtete ich in den mir vorliegenden Stadien immer Melano- 
phoren mit dunklen Granula, sowohl in der Epidermis als 
auch in der Kutis, oder mindestens Melanophoren die auf der 
Epidermis-Kutisgrenze (Lacerta, Draco) lagen. Doch muss ich 
hervorheben, dass mir nur verhältnismässig wenige Stadien vor- 
lagen, und dass entschieden Anzeichen vorhanden sind, dass die 
Angaben von Leydig und Kerbert in manchen Fällen zu Recht 
bestehen mögen. Immer nämlich nimmt bei den von mir unter- 
suchten Formen im Laufe der Embryonalentwicklung 
der gehalt der Epidermis an Melanophoren ab, was 
bei der gleichzeitigen Zunahme der subepidermalen Melanophoren 
nur im Sinne von Kerbert und späteren Autoren erklärt werden 
kann, dass die Mehrzahl der epidermalen Melanophoren 
in die Kutis auswandert, somit mindestens ein Teil der sub- 
epidermalen aus epidermalen (d. h. aber nicht aus Epithelzellen) 
hervorgeht. 

Besonders deutlich war dieses Verhalten bei Ptychozoon 
festzustellen. Bei Embryonen von 2,5 cm Länge treten die 
dunklen Querbinden des Rückens schon klar hervor. Untersucht 
man Flächenpräparate der Haut, so ergibt sich, dass die Epi- 
dermisinterzellularen reichlich von Melanophoren erfüllt sind, 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 155 


die in den dunklen Querbinden zu ausserordentlich dichten Netzen 
zusammenfliessen (Textfig. 9a). Ausser diesen Melanophoren 
kommen in den tieferen Hautschichten allerdings nur an den 
Stellen der dunklen Querbinden weitere schwarze Chromatophoren 
vor, die durch ihre eigenartige Form verraten, dass sie den regel- 
mässig kreuzschichtigen Lagen der Haut angehören müssen 
{vel. S. 120); von den riesigen Melanophoren der Subepidermis 
dagegen ist noch nichts zu erkennen. Bei einem Embryo von 
5 cm ist das Bild vollkommen umgekehrt (Textfig. 9b). Epidermale 
Melanophoren lassen sich nicht mehr mit Sicherheit nachweisen, 
dagegen finden sich in der Subepidermis zahlreiche grosse Melano- 
phoren. 


a Fig. 9 b 


Melanophoren, a ein intraepitheliales Netz bildend in der Rückenbinde bei 
einem 2.5 cm langen Embryo von Ptychozoon, b subepidermal gelegen 
von der gleichen Stelle eines 5 cm langen Embryos. Vergr. 400:1. 


Nach den bis jetzt vorliegenden Mitteilungen und meinen 
eigenen Beobachtungen scheint es mir fast sicher, dass die 
Melanophoren alle mesodermale Elemente und die in 
der Epidermis vorkommenden dorthin aus der Kutis eingewandert 
sind. Dabei halte ich es aber keineswegs für ausgeschlossen, dass 
hinsichtlich des ersten Auftretens von Melaningranula in ihnen 
Unterschiede bestehen mögen, derart dass bald das Pigment zuerst 
in den in die Epidermis eingedrungenen Jugendstadien der Melano- 
phoren erscheint, bald gleichzeitig mit denen in der Kutis, bald 
aber auch, wie es nach den Beobachtungen von Zenneck scheint, 
zuerst in der Kutis und dann in der Epidermis. Vertritt man 
den Standpunkt, dass die Melanophoren aus mesodermalen Wander- 
zellen hervorgehen, so stellen diese möglichen Verschiedenheiten 


156 W. J. Schmidt: 


des ersten Auftretens der Melaningranula in ihnen nur unwesent- 
liche Variationen dar, wenigstens von rein morphologischem Ge- 
sichtspunkte aus. Dass die Mehrzahl der epidermalen Melanophoren 
wieder in die Kutis zurückwandert, lässt sich vielleicht aus den 
ungünstigen Ernährungsverhältnissen erklären, die mit der Ver- 
hornung und dem Austrocknen der Haut im nachembryonalen 
Leben einsetzen; halten doch die Melanophoren immer nur die 
untersten Lagen des Stratum Malpighii ein, indem meist ihre 
Zellkörper zwischen den basalen Epithelzellen gelegen sind, während 
die Ausläufer sich etwas höher gegen die Aussenschicht der Epi- 
dermis erstrecken können. 

Die einzigen bis jetzt vorliegenden Angaben über Ent- 
wicklungsstadien der Melanophoren sind die oben kurz 
angeführten Mitteilungen Kerberts, die nicht sehr vertrauen- 
erweckend klingen und die auch Fuchs (1914, S. 1605) nicht 
für stichhaltig erklärt. Ich hoffe in diesem wichtigen Punkte mit 
den folgenden Angaben eine Besserung zu schaffen. Bei 2,5 cm 
langen Embryonen von Geckolepis, bei denen die Schuppen eben 
angelegt sind, und deren Haut ich an mit Delafields Hämatoxylin 
kräftig gefärbten Totalpräparaten untersuchte, fielen mir schon 
unter schwächeren Vergrösserungen zahlreiche Zellen auf. die sich 
durch stärkere Färbbarkeit ihrer Kerne von allen in der Haut 
befindlichen Zellen unterschieden Genauere Betrachtung dieser 
Zellen lehrte. dass sie in der basalen Zellschieht der Epidermis 
gelegen sind und zwar die Interzellularlücken zwischen den Epithel- 
zellen einnehmen. Daraus erklärt sich die eigenartig verdrückte, 
bald langgestreckte, bald dreieckige, bald in der Mitte etwas 
eingeschnürte Form der Kerne (Fig. 6la—c, Taf. IX), die ihre 
Ursache in der Anpassung an den geringen Raum hat, der dem 
Kern in den Interzellularen zur Verfügung steht. Bei starken 
Vergrösserungen lässt sich auch die Form und Beschaffenheit des 
zu den Kernen gehörigen Zelleibes feststellen: er bildet eine 
verästelte Protoplasmamasse, deren Hauptansammlung den Kern 
umschliesst und in einer etwas grösseren Lücke zwischen den 
basalen Epidermiszellen gelegen ist, während die mehr oder weniger 
zahlreichen, nicht sehr langen Ausläufer sich in die schmalen Inter- 
zellularräume hinein erstrecken. Das Protoplasma enthält deutlich 
erkennbare, ziemlich locker gelagerte und gleichmässig über den 
Zelleib verstreute, stärker färbbare Granula. Ob sie ausser 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 157 


der blauen Hämatoxylinfarbe noch eine Eigenfarbe besitzen, lässt 
sich schwer entscheiden, doch sei hier schon darauf hingewiesen, 
dass ihre Farbe vollkommen mit derjenigen der blauen Granula 
in den subepidermalen Melanophoren (siehe S. 132) und auch mit 
den später zu besprechenden Zellen mit noch unreifen Melanin- 
granula übereinstimmt. Ich betrachte diese Zellen als jugend- 
liche Melanophoren, deren Granula noch nicht ausgefärbt 
sind. Für diese Annahme spricht die Form der Zellen, ihre 
interzelluläre Lage in der basalen Epidermisschicht, die Granula 
in ihrem Protoplasma und schliesslich noch ihre Verbreitung; sie 
stellen nämlich in jeder Schuppe eine rundliche Ansammlung dar, 
die den Rand derselben frei lässt und nach innen zu an Dichtig- 
keit zunimmt, ganz so wie die späteren (subepidermalen) Melano- 
phoren. Diese Auffassung bestätigen auch die späteren Ent- 
wicklungsstadien. 

Bei den älteren Embryonen von Geckolepis. die mir zur 
Verfügung stehen, finden sich zahlreiche subepidermale 
Melanophoren vor, ausserdem vereinzelte intraepitheliale; 
die vorhin beschriebenen jugendlichen’ Melanophoren dagegen sind 
in Ihrer alten Form nieht mehr aufzufinden. Die subepidermalen 
habe ich schon früher geschildert (siehe S. 129). Sehr wahrschein- 
lich sind sie aus intraepithelialen hervorgegangen, die in die 
Kutis zurückwandern. Da nämlich auf dem vorhin beschriebenen 
Zustand keinerlei jugendliche Melanophoren in der Sube pidermis 
festzustellen waren, nunmehr aber fast fertige Zellen zahlreich 
und kräftig entwickelt vorliegen, ferner die intraepithelialen an 
Häufigkeit abgenommen haben (s. u.), so ist diese Annahme, wie 
auch schon oben erläutert, die wahrscheinlichste. Zunächst wenden 
wir vor allem unsere Aufmerksamkeit den intraepithelialen 
Melanophoren zu (Figur 62a—c, Taf, V). Sie liegen in der basalen 
Zellschicht der Epidermis und nehmen die Interzellularräume ein. 
Von ihrem kleinen, den Kern umschliessenden. zentralen Teil gehen 
in mässiger Zahl Ausläufer ab, die ziemliche Länge erreichen und 
entsprechend den Interzellularen hin und her gewunden sind, sich 
spärlich verästeln und zum Teil mit ihren eigenen Ausläufern anasto- 
mosieren. Der Kern dieser Zellen zeigt in Anpassung an die Raum- 
verhältnisse selten rundliche, meist verschiedenartig zusammen- 
gedrückte Form. Er nimmt gewöhnlich nicht den mittleren Teil des 
eigentlichen Zelleibes ein, sondern überlässt ihn der Sphäre. Das 


158 W.J. Schmidt: 


Protoplasma dieser Zellen ist nämlich mit hellbräunlichen 
Pigmentkörnchen erfüllt, die in den Ausläufern nur ver- 
einzelt, im zentralen Zellteil meist eine stärkere Ansammlung 
bilden, welche in ihrem Innern die charakteristische helle, kreis- 
förmige, bläulich gefärbte Sphärenstelle erkennen lässt. 

Obwohl die Zellen grösser sind als die von mir auf den früheren 
Entwicklungszustand beschriebenen jungen intraepithelialen Melano- 
phoren, glaube ich doch, dass sie aus jenen hervorgehen: in ihrer 
Lage, ihrer Form und ihrer Verbreitung stimmen sie mit jenen 
überein. Zwar zeigten die jungen Meianophoren keine Sphäre. Doch 
ist es auffällig, dass ihr Kern häufig nicht in der Mitte der Proto- 
plasmamasse befindlich ist, sondern (Fig. 61b u. c. Taf. IX) seitliche 
Lage im Zelleib einhält: das dürfte auf die Gegenwart einer zentral 
gelegenen Sphäre hinweisen, die allerdings in meinen Präparaten 
nicht zum Vorschein kam. Der (Grössenunterschied der jungen 
Melanophoren und dieser intraepithelialen Pigmentzellen fällt noch 
weniger ins Gewicht, da ich noch zeigen werde, dass die Melano- 
phoren im Laufe ihrer Entwicklung wachsen. Es bliebe noch zur 
Identitizierung beider Zellformen der Nachweis übrig, dass die 
blauen (Granula der jungen Melanophoren später zu den Melanin- 
körnchen werden. Nun beobachtet man regelmässig zwischen den 
bräunlichen Granula der epidermalen Melanophoren des älteren 
Embryos einen bläulichen Schimmer, der, auch in den Ausläufern 
sichtbar, bei deren minimaler Dicke kaum durch das gefärbte 
Protoplasma der Chromatophoren bedingt sein kann, das immer 
sehr schwache Färbbarkeit zeigt. Ferner begegnet man Zellen 
(Fig. 62d, Taf. IX) unter den intraepithelialen Melanophoren, die 
durch geringe (Grösse den jungen Melanophoren noch ähnlicher, 
durch das mangelnde Hervortreten einer Sphäre und den äusserst 
geringen Gehalt an Melaninkörnchen ausgezeichnet sind; offenbar 
stellen sie eine Übergangsform zwischen den jungen 
Melanophoren des früheren und den epidermalen 
Melanophoren des älteren Stadiums dar. In diesen Zellen 
glaubte ich auch neben den bräunlichen Granula bläuliche zu er- 
kennen. Schliesslich fand ich unter den subepidermalen Melano- 
phoren des älteren Embryos vereinzelt solche, die ganz überwiegend 
mit blauen, vielleicht auch einigen, vornehmlich zentral gelegenen, 
schwach bräunlichen Granula erfüllt waren (Fig. 63, Taf. IX). 
Es kann aber wohl keinem Zweifel unterliegen, dass diese 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 159 


blauen Körnchen eine Vorstufe der Melaningranuala 
darstellen. Bei dieser Gelegenheit sei auch nochmals daran 
erinnert, dass in den subepidermalen Melanophoren durchweg 
derartige blaue Körnchen in embryonaler Zeit vorkommen (vgl. 
S. 133), die demnach als unreife Granula gedeutet werden 
müssen. Der allmähliche Farbenübergang von Blau zu Braun, 
der den exaktesten Nachweis geben würde, dass die blauen Granula 
sich allmählich verfärben, dürfte bei ihrer winzigen Grösse wohl 
kaum jemals an einzelnen Körnchen zu erbringen sein ; schon 
eine minimale Veränderung der Einstellung lässt selbst bei den 
besten optischen Mitteln einen leichten Wechsel der Farbe eines 
Körnchens eintreten, so dass manchmal der Entscheid ob blau oder 
leicht braun gefärbt, kaum möglich ist (vgl. S. 131). Dass eine 
blaue (plasmatische) Vorstufe der Melaningranula sehr wohl vor- 
handen sein kann, geht ja auch aus der Tatsache hervor, dass 
die ausgereiften Melaningranula künstlich gebleicht und nachträg- 
lich mit Farben wieder gefärbt werden können. Dieser Umstand 
zeigt, dass die Melaninkörnchen nicht rein aus Melanin bestehen, 
sondern eine plasmatische Grundlage besitzen. Nach unseren 
Erfahrungen bei den Drüsengranula erscheint es fast sicher, dass 
die plasmatische Grundlage der Melaningranula eine spezifische 
Körnung des Plasmas darstellt, welche mit der Bildung des 
Melanins betraut ist. 

Bei der vorstehend geschilderten Sachlage kann es meines 
Ermessens keinem ernstlichen Zweifel unterliegen, dass die von 
mir bei reckolepis beschriebenen jungen Melanophoren 
tatsächlieh solche sind, also zunächst die intraepithelialen Melano- 
phoren des späteren Stadiums aus sich hervorgehen lassen. Und 
wenn die Vermutung richtig ist, dass die intraepithelialen Melano- 
phoren auch hier zum Teil schon in die Kutis rückgewandert sind, 
so stellen sie auch die Jugendstadien der subepidermalen dar. 

Während der Entwicklung der Melanophoren nimmt ihre 
(rösse so beträchtlich zu, dass diese Tatsache auch ohne Messung 
augenfällig wird. Um aber eine genauere Vorstellung zu geben, 
sei angeführt, dass die subepidermalen Melanophoren des älteren 
embrvonalen Stadiums von (reckolepis mitsamt den Ausläufern 
höchstens 50 « im Durchmesser aufweisen, während die entsprechen- 
den Zellen des erwachsenen Tieres bis 200 « erreichen. Eine solche 
Vergrösserung des Zelleibes konnten wir ja auch im Laufe der 


160 W.J. Schmidt: 


Umwandlung der jungen zu den intraepithelialen Melanophoren 
bei veckolepis feststellen. Diese Volumzunahme der Zellen ist 
wohl weniger auf eine Vermehrung ihres indifferenten Plasmas als 
auf eine längere Zeit andauernde Produktion der Granula zurück- 
zuführen, in ähnlicher Weise, wie die Grössenzunahme von Drüsen- 
zellen und Oozyten auf der Anhäufung von Sekretgranula bezw. 
Nahrungsdotter beruht. Vielleicht könnte es zunächst erstaunlich 
erscheineu, dass die subepidermalen Melanophoren durch Rück- 
wanderung von intraepithelialen in die Kutis entstehen sollen, 
da zwischen den beiden Zellformen ein so bedeutender Volum- 
unterschied besteht. Doch dürfte dieser Unterschied durch 
stärkeres Wachstum der Melanophoren bei ihrem Übergang in 
die Kutis ausgeglichen werden, da ihnen hier besssere Er- 
nährungsbedingungen und grössere Möglichkeit zur räumlichen 
Entfaltung geboten sind. 

Embryonale Melanophoren erscheinen regelmässig 
heller als die der erwachsenen Tiere; das beruht nicht 
nur auf dem geringeren Gehalt an Melaninkörnchen, sondern 
auch auf dem Umstand, dass die Farbe der einzelnen Körnchen 
erst allmählich volle Intensität erreicht. Sehr wahrscheinlich 
nehmen die Granula im Laufe ihrer Entwicklung etwas an Grösse 
zu, obwohl es bei ihrer geringen Dimension schwer hält, sich 
durch Messung davon zu überzeugen. 


III. Die Allophoren. 
a) Untersuchungsmethoden. 

Hinsichtlich der Definition der Allophoren und ihres V or- 
kommens verweise ich auf die früheren Angaben (siehe S. 107); 
es sel nur noch einmal kurz erwähnt, dass Zellen dieser Art bis 
jetzt bei Phelsuma, Uroplatus, Anguis, Chamaeleo 
sicher bekannt geworden sind, dass auch vielleicht die von 
Thilenius (1897, S. 528) bei Agama inermis beschriebenen 
Elemente hierhin gehören. Im folgenden bringe ich Beobach- 
tungen an den bislang übersehenen Allophoren unserer 
einheimischen Lacertiden, ferner eingehende Mitteilungen 
über den feineren Bau der Allophoren von Uroplatus, über 
die ich schon an anderer Stelle einiges veröffentlicht habe. Ich 
bin überzeugt, dass genauere Nachforschungen eine weitere Ver- 
breitung dieser Zellen ergeben werden. Daher möchte ich im 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 161 


folgenden einige Winke für die Untersuchung dieser Elemente 
vorausschicken, die späteren Untersuchern von Nutzen sein dürften. 

Bei der geringen Durchsichtigkeit der Reptilienhaut ist eine 
3eobachtung der Allophoren im überlebenden Zustand nicht möglich, 
zum wenigsten nicht bei unseren einheimischen Lacertiden. 
Will man die Haut einer Form auf das Vorkommen von Allo- 
phoren prüfen, so fixiert man sie in einer säurefreien Flüssig- 
keit, etwa Alkohol, Formol oder Sublimat, auch Flemmingsche 
Flüssigkeit ist brauchbar (bei Lacertiden mit Erfolg versucht) 
und stelle zunächst Balsamtotalpräparate kleiner Hautstücke 
her. An solchen wird man wohl immer Stellen ausfindig machen, 
die soweit von Guanin frei sind, dass etwa vorhandene Allophoren 
kenntlich werden. Während bei (im Balsampräparat erhaltener) 
roter, orange- oder blauroter Farbe dieser Elemente kein Zweifel 
an ihrer Eigenart bestehen kann, sind Allophoren von schwächeren 
gelblichen Tönen nicht immer leicht von Guanophoren zu unter- 
scheiden; in diesem Falle gibt die Untersuchung in polarisiertem 
Licht den gewünschten Aufschluss: fehlt die Doppelbrechung, so 
liegen Allophoren vor. An solchen Totalpräparaten habe ich die 
Allophoren von Phelsuma, Uroplatus, Anguis zuerst auf- 
gefunden und an guaninfreien Stellen konnte ich schon so allerlei 
Einzelheiten ihres Baues feststellen. Gewöhnlich ist die Be- 
ständigkeit des Allophorenpigments gegenüber 
Säuren und Alkalien zu gering, um mittels ihrer aus den 
fixierten Hautstücken die Guanophoren zu entfernen und so unver- 
gleichlich klarere Bilder der zurückgebliebenen Farbzellen, der 
Melanophoren und Allophoren, zu gewinnen ; meist verschwindet 
der Allophorenfarbstott, ehe der kristallinische Inhalt der Guano- 
phoren hinreichend gelöst ist. Bis jetzt gelang es mir nur, von 
Phelsuma mittels dieser Methode brauchbare Präparate zu er- 
halten; bei den Lacertidenallophoren insbesondere glückte dieses 
Verfahren nicht; doch dürfte die Methode immerhin zu versuchen 
sein, da sie beim Gelingen sehr hübsche Bilder gibt. Bei massen- 
hafter Anhäufung von Guanophoren wird man daher im allge- 
meinen auf das Studium von Schnittpräparaten angewiesen 
sein, die mit neutralen Mitteln fixiert sind (s. o.). Solche Präparate 
untersuche man zunächst, in Balsam montiert, ungefärbt: 
denn, da die Allophorengranula verschiedene Farbstoffe stark 


speichern, ist im gefärbten Präparat nicht nur ihre Eigenfarbe 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. al 


162 W.J. Schmidt: 


verdeckt und unbestimmbar, sondern auch die Allophoren selbst 
sind dadurch leichter zu übersehen. Dabei empfiehlt es sich auch, 
die Schnittdicke nicht zu gering zu wählen (etwa 15—30 «), weil 
die Intensität des Farbstoffes in geringer Schichtdicke manchmal 
so schwach ist, dass er leicht der Beobachtung entgeht. Hat 
man sich aber auf diese Weise des Vorkommens und der Ver- 
breitung der Allophoren vergewissert, so untersuche man dünnere, 
verschieden fixierte und gefärbte Schnitte. Hält man sich an 
diesen vorgeschlagenen, einfachen Untersuchungsgang, so werden 
einem die Allophoren kaum verborgen bleiben können. — 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch erwähnen, dass ich 
kürzlich wieder Gelegenheit hatte, die roten Allophoren der 
Blindschleiche zu untersuchen. Bei der Gegenwart der Knochen- 
schuppen ist hier die Untersuchung an Schnittpräparaten wenig 
empfehlenswert, und ich habe mich wie früher (W. J. Schmidt 
1914, Seite 6f.) darauf beschränkt, Balsamtotalpräparate einzelner 
Schuppen vorzunehmen. In der Schwanzgegend waren die Allo- 
phoren in Form meist reich verästelter und dieht gelagerter Zellen 
zahlreich vertreten. Sie halten sich auf der Oberseite der Knochen- 
schuppen und nehmen, soweit sich das nach dem Flächenbild be- 
urteilen lässt, mit den Melanophoren und Guanophoren das gleiche 
Niveau der Haut ein, halten sich also in der schmalen Binde- 
gewebszone zwischen Epidermis und Knochenplättchen. Eigen- 
tümlicherweise fehlten diesem Tier die gelblichen und orange- 
farbigen Allophoren anscheinend ganz und ebensowenig konnte 
ich bei ihm die Übergangsformen zwischen Melanophoren und 
Allophoren beobachten, welche ich a. a. ©. beschrieben habe. 


b) Allophoren der Lacertiden. 


Alle dreiuntersuchten Lacertiden, Lacertaagilis, Lacerta 
vivipara und L. muralis, enthalten in ihrer Rückenhaut 
und, nach Ausweis meiner Präparate wenigstens, nur in dieser 
Allophoren. Die Zellen kommen nicht überall in der Rücken- 
haut vor, sondern sind auf bestimmte Lokalitäten beschränkt, an 
denen sie gruppenweise auftreten. Da die Allophoren der Lacer- 
tiden am Totalpräparat nicht hinreichend sicher festzustellen sind, 
so würde eine Untersuchung ihrer genaueren Verbreitung 
Schnitte durch zahlreiche Hautstellen, zum mindesten durch die 
charakteristischen verschiedenen Teile der Zeichnung voraussetzen, 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 165 


die mir aber nicht zur Verfügung stehen. So muss ich die ein- 
gehende Klärung der Allophorenverbreitung und auch ihrer etwaigen 
sexuellen Differenzen späteren Untersuchungen überlassen und 
mich auf die Äusserung der Vermutung beschränken, dass die 
Allophoren hauptsächlich in den Flecken (Augenflecken) der 
Rückenhaut gelegen sein dürften. 

Am mächtigsten entwickelt fand ich die Allophoren bei 
Lacerta muralis und auf diese Form beziehen sich daher die 
nachfolgenden Untersuchungen in erster Linie. Indessen ver- 
halten sich diese Chromatophoren bei den beiden anderen genannten 
Eidechsenarten wesentlich in gleicher Weise. Die Allophoren 
kommen hauptsächlich der Oberseite der Schuppen zu, doch er- 
strecken sie sich bisweilen auch auf ihre Unterseite (vgl. Figur 
46—48, Taf. VIII). Wie schon früher erwähnt (vgl. S. 119), liegen 
die Allophoren unmittelbar unter der Epidermis in gleichem Niveau 
mit den Lipophoren (also über den Guanophoren) ; dabei habe ich nie 
eine Untermischung dieser beiden Chromatophorenarten beobachtet, 
sondern sie treten gewissermassen füreinander ein. So begegnet 
man Schuppen, die keine Lipophoren besitzen, bei denen unter 
der gesamten Epidermis der Oberfläche sich eine geschlossene 
Allophorenzone (A) herzieht (Fig. 46, Taf. VIII), und wiederum 
anderen, bei denen die Lipophorenschicht (L) plötzlich abbricht. 
um in einer Allophorenzone (A) ihre Fortsetzung zu erhalten 
(Fig. 47, Taf. VIII). Im letzten Falle sah ich stets ein konstantes 
Lageverhältnis der Allophoren und Lipophoren, derart, dass diese 
den proximalen, jene den distalen Teil der Schuppe einnehmen. 

Die Farbe der Lacertidenallophoren zeigt alle Übergänge 
von einem lichten Gelb bis zu einem kräftigen Orangerot. 
Dabei ist es charakteristisch, dass — wenn überhaupt, wie oft 
der Fall, Verschiedenheiten des Farbentones in einer Schuppe 
nebeneinander vorkommen — die Farbe zum freien Schuppenrand 
hin eine Steigerung von gelb zu orange aufweist und dann auf 
der Unterseite der Schuppe allmählich wieder bis zu Gelb herab- 
sinkt (vgl. Fig. 46, Taf. VIII). Am. intensivsten erschien mir die 
Farbe beiLacerta muralis, am wenigsten kräftig bei Lacerta 
vivipara; L. agilis hält in diesem Punkte die Mitte zwischen 
beiden genannten Formen. Auch war bei Lacerta muralis 
die Allophorenschicht, insgesamt betrachtet, am dicksten und gegen 
die darunter befindliche Guanophorenschicht scharf abgesetzt 

ale 


164 W.J. Schmidt: 


(Fig. 46, 47, Taf. VIII), so dass sie schon bei schwachen Vergrösse- 
rungen an ungefärbten Schnitten wohl kenntlich ist und im Kon- 
trast zu den Guanophoren und Melanophoren einen sehr hübschen 
Anblick gewährt. Bei Lacerta agilis und L. vivipara 
treten bei der geringen Mächtigkeit der Schicht und ihrer weniger 
geradlinigen Abgrenzung nach unten diese Verhältnisse erst bei 
stärkeren Vergrösserungen gut hervor (Fig. 48, Taf. VIII). Infolge 
der bedeutenderen Abplattung der Schuppen lässt sich bei Lacerta 
agılis einwandfrei dartun, dass die Allophoren (übrigens auch 
die (Guanophoren) auf die Unterseite der Schuppen übergehen 
(vgl. Fig. 48, Taf. VII). 

Unter stärkeren Vergrösserungen lassen ungefärbte Prä- 
parate, wie sie auch der bisherigen Schilderung zugrunde liegen, 
erkennen, dass das Allophorenpigment an Körnchen gebunden 
ist (Fig. 49, Taf. VIII, A). Was bei schwächeren Vergrösserungen 
sich als eine mehr oder minder einheitliche Schicht darbot. löst 
sich nunmehr in Anhäufungen von Granula auf. Die einzelnen 
Zellen (A, Fig. 49, Taf. VIII) der Allophorenschicht voneinander 
abzugrenzen, hält bei derartigen dickeren Schnitten aber sehr 
schwer, gelingt nur stellenweise und auch dann nur bei genauerem 
Zuschauen. Man gewinnt dann den Eindruck, dass die dicht bei- 
einander gelagerten Zellen von dem basal gelegenen Zelleib nur 
wenige und spärlich verästelte Ausläufer annähernd senkrecht 
gegen die Epidermis entsenden, längere, stärker divergierende 
Zellfortsätze dagegen nicht vorhanden sind. In manchen Zellen 
gewahrt man im Zelleib eine hellere, rundliche oder ovale Stelle, 
die dem Kern entspricht gemäss dem Vergleich mit gefärbten 
Schnittpräparaten (s. u.). Ähnliche Lücken sieht man auch im 
oberen Teil der Allophorenschicht unter der Epidermis zwischen 
den Zellausläufern; sie dürften im ungefärbten Präparat nicht 
deutlich sichtbaren Bindegewebsmassen ihren Ursprung verdanken. 
Fig. 49, Taf. VIII stellt einen stark vergrösserten Ausschnitt eines 
Präparates dar, wie es etwa in Fig. 46, Taf. VIII wiedergeben 
ist, und lässt gut die verschiedenen Dimensionen der an der 
Färbung beteiligten Chromatophoren erkennen. Die kleinsten 
Elemente (wenn man den Zellleib allein ins Auge fasst) sind die 
mit einem Teil ihres Zellkörpers subepithelial gelegenen epider- 
malen Melanophoren (M ı), dann folgen die Allophoren (A) und 
weitaus die grössten sind die subepidermalen Melanophoren (M). 


Die Uhromatophoren der Reptilienhant. 165 


In allen bis jetzt bekannten Fällen bleiben die Allophoren 
immer wesentlich an Umfang hinter den subepider- 
malen Melanophoren zurück. 

Die ungefärbten Schnittpräparate finden ihre Ergänzung an 
dünneren gefärbten Schnitten (Fig. 50, Taf. VIII). Solche 
zeigen zunächst den Kern der Allophoren, der bei der starken 
Eisenhämatoxylinfärbung als rundliche, tief schwarze Masse erscheint 
(in A). Bei schwächerer Tinktion oder bei Anschnitten solcher Kerne 
erkennt man aber, dass die Kerne normalen Bau besitzen und ein 
chromatisches Gerüstwerk umschliessen. Alle Lacertidenallophoren 
scheinen einkernig zu sein, gleich denen von Uroplatus: doch sei 
hier daran erinnert, dass die Allophoren von Phelsuma vielfach 
zweikernig sind (W.J. Schmidt 1912a, S. 185). Die Eigenfarbe 
der Allophorengranula wird bei der Doppelfärbung Eisenhäma- 
toxvlin-Eosin vollkommen verdeckt (nachdem sie auch vielleicht 
durch die Beizung mit Eisenalaun gelitten hat), und die Körnchen 
erscheinen nunmehr meist rot, von Eosin gefärbt, nur vereinzelte 
von Eisenhämatoxylin geschwärzt (vgl. Fig. 50. Taf. VIII). Weiter 
sieht man an den gefärbten Präparaten, dass die Allophoren ähn- 
lich wie die Guanophoren in ein Fachwerk von Bindegewebe (B) 
eingelassen sind, das vornehmlich aus senkrecht emporstrebenden 
Fasern besteht, welche die einzelnen Zellen voneinander trennen 
und die Verlaufsrichtung ihrer Ausläufer bestimmen. 

Sphäre oder Zentrosom vermochte ich in den Lacertiden- 
allophoren nicht nachzuweisen; ebensowenig sah ich Verteilungs- 
zustände ihrer (rranula, die darauf schliessen liessen. Vielmehr 
waren die ziemlich gleich grossen Granula immer geleichmässig 
in Zelleib und Ausläufern zerstreut. Wenn diese negativen Fest- 
stellungen also zunächst gegen die Anwesenheit einer Sphäre und 
gegen die Möglichkeit intrazellulärer Körnchenströmungen zu 
sprechen scheinen, so muss ich doch andererseits betonen, dass 
bei den Allophoren von Phelsuma (W. J. Schmidt 1912a, 
S. 155) und von Uroplatus (siehe S. 168) die Sphäre so gut 
ausgebildet ist, dass ihr Fehlen bei den Lacertiden zunächst 
befremdlich wirkt und von späteren Untersuchungen in diesem 
Punkte weitere Aufklärung zu erwarten ist. 


c) Allophoren von Uroplatus. 
Die folgenden Angaben über die Allophoren (Phaeophoren) 
von Uroplatus beziehen sich auf den feineren Bau, vornehmlich 


166 WeJ2r Schmidt: 


auf die protoplasmatischen Strukturen dieser Zellen, denen ich 
in meiner ersten Mitteilung über diese Elemente (W. J. Schmidt 
1913, S. 358f.) keine besondere Aufmerksamkeit schenkte: sie 
beruhen auf Beobachtungen an den damals hergestellten Präpa- 
raten, dieaber zum Teil kräftiger mit Eisenhämatoxylin nachgefärbt 
wurden. Hinsichtlich der Lagerung und Verbreitung dieser Ele- 
mente verweise ich auf die dort gegebene Beschreibung und die 
Schnittbilder; doch muss ich die Mitteilungen betrefts des Vor- 
kommens dieser Zellen dahin ergänzen, dass hierher gehörige 
Zellformen auch auf der Bauchseite des Tieres zu finden sind. 
Zwar ist es mir nicht gelungen, an Totalpräparaten der Bauch- 
haut diese Zellen festzustellen, ich kann daher auch keine An- 
gaben über die Eigenfarbe der Granula dieser Elemente machen; 
aber auf Schnitten begegnete ich Zellen (Fig. 22—27, Taf. VI), 
die gemäss ihrer Lage in der Haut den Allophoren der Rücken- 
seite entsprechen, und zwar am meisten an die feinkörnigen 
Formen der Rückenseite sich anschliessen, so dass wohl hinsichtlich 
ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Allophoren überhaupt kein 
/weifel bestehen kann. 

Wie aus Textfig. 2b (S. 117) zu ersehen ist, liegen die Allo- 
phoren von Uroplatus in die Schicht der Guanophoren einge- 
bettet und nur ihre Ausläufer erreichen die Epidermis. Daher ist 
im allgemeinen nicht viel von ihnen an Totalpräparaten zu sehen. 
Doch kommen, wie ich schon früher angegeben habe, in der 
Hautfalte am Rumpf einzelne Schuppen vor, die nur ganz wenige 
Melanophoren und Guanophoren, aber zahlreiche Allophoren 
(Phaeophoren) enthalten. Nach einer solchen Stelle ist in Fig. 14. 
Taf. VI eine Gruppe von Allophoren wiedergegeben. Was an 
diesen Chromatophoren der Rückenseite zunächst auffällt, ist, 
abgesehen von ihrer Farbe, die bedeutende Grösse der 
Granula. Allerdings kommen hinsichtlich der Dimensionen der 
Körnchen beträchtliche Schwankungen sowohl in ein und derselben 
Zelle vor, als auch weichen verschiedene Zellen in diesem Punkte 
stark voneinander ab. So finden sich in der Rückenhaut alle 
Übergänge zwischen mehr grobkörnigen und mehr feinkörnigen 
Zellen, wobei zum Teil die Granula ein und derselben Zelle über- 
wiegend eine bestimmte Korngrösse zeigen, zum Teil aber auch die- 
selben Zellen gleichzeitig sehr grosse und kleinere Körnchen um- 
schliessen können. Den Allophoren der Bauchhaut dagegen fehlen 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 167 


die gröberen Granula ganz; sie sind gleichmässig mit Granula erfüllt, 
bei den kleinsten in den Zellen der Rückenseite entsprechen. Auch 
bei den Melanophoren kommen, wie man sich bei genauerer Unter- 
suchung vielfach vergewissern kann, Schwankungen in der Grösse 
der Granula vor, aber im allgemeinen wird doch eine Durch- 
schnittsgrösse eingehalten; solche Unterschiede in der Grösse der 
Granula wie bei Uroplatus zeigen weder die Allophoren von 
Phelsuma noch die von Anguis und den Lacertiden. 

Auch in der Form bestehen Unterschiede zwischen den 
Zellen der Rücken- und Bauchhaut. Die dorsalen Allophoren 
besitzen durchweg einen kugeligen Zelleib, von dem aus nur 
spärliche, kurze und wenig gekrümmte, plumpe, kaum verästelte 
Ausläufer zum Epithel hin abgehen. Im Totalpräparat (Fie. 14, 
Taf. VI) kommen die Ausläufer, weil in Flächenansicht verkürzt 
erscheinend, nur mangelhaft zum Vorschein. Fig. 15, Taf. VI gibt 
eine Vorstellung davon, wie derartige Zellen, mit ihren Ausläufern im 
Schnitt getroffen, sich darbieten. Bei den meisten Abbildungen 
dieser Zellen (Fig. 16—21, Taf. VI) ist auf die Wiedergabe der 
Zellfortsätze verzichtet worden. Vereinzelt finden sich in der 
Rückenhaut Allophoren mit längeren Fortsätzen, die durch ihren 
feinkörnigen, karminroten Inhalt ausgezeichnet sind. Ihnen 
schliessen sich hinsichtlich der Form und der feinkörnigen Be- 
schaffenheit der Granula (wohl nicht aber hinsichtlich der Farbe) 
die ventralen Allophoren an. Sie ähneln in ihrer Gestalt den 
subepidermalen Melanophoren, besitzen also einen ellipsoidalen 
Zelleib, von dem weit ausgreifend mehrfach verästelte Fortsätze 
zur Epidermis emporstreben (Fig. 22—24, Taf. VD. 

Wie ich schon früher ausführte (a. a. 0. S. 389) und mit 
farbigen Abbildungen belegte, geht die an Granula gebundene 
Färbung der Allophoren von Uroplatus von mattgelb über 
orangerot bis braunrot und karminrot. Auch trifft man gelegent- 
lich Farbtöne mit leichtem Anklang nach Violett hin, an die Farbe 
der Allophorengranula von Phelsuma erinnernd, so dass die 
ganze Farbenskala, die bisher bei Allophoren gefunden wurde, 
ziemlich geschlossen erscheint, indem überall die Reihe Gelb- 
Orange-Rot-Violett mehr oder minder vollständig wiederkehrt. 

Ebenfalls habe ich schon früher (a. a. O. Seite 390) darauf 
aufmerksam gemacht. dass die Granula nicht aus reinem Farb- 
stoff bestehen, sondern ein ungefärbtes Substrat als Träger 


168 W.J. Schmidt: 


des Farbstoffes erscheint, ganz analog dem Verhalten der Melanin- 
körnchen. Wie diese können die Körnchen, entpigmentiert. wieder 
gefärbt werden, speichern überhaupt verschiedene Farbstoffe so 
stark, dass an gefärbten Schnitten ihre Eigenfarbe vollkommen 
unterdrückt wird. Die kleineren Körnchen in den Allophoren 
erscheinen rundlich, die grösseren lassen öfter (Fig. 16. 17, 21, 
Taf. VI) Abweichungen von der Kugelform erkennen, sind entweder 
etwas unregelmässig gestaltet oder weisen eine merklich längere 
Achse auf. Die grössten Granula zeigen manchmal noch eine 
feinere Struktur, der einzige bis jetzt bekannte derartige 
Fall: schon am ungefärbten Präparat tritt in ihrer Mitte ein 
stärker gefärbtes Körnchen auf, das sich auch an den gefärbten 
Schnittpräparaten erhält und in einigen der Abbildungen (vor 
allem Fig. 21, Taf. VI) zur Darstellung gekommen ist. Vielleicht 
ist, wie ich schon damals äusserte, diese Struktur als Ausdruck 
eines appositionellen Wachstums der Körnchen zu deuten. 

Die Allophoren von‘ Uroplatus sind anscheinend immer 
einkernig. Der grosse Kern, der meist neben spärlichen 
Chromatinkörnchen einen mächtigen Nukleolus enthält, liegt 
exzentrisch, gewöhnlich dem Unterrand der Zellen genähert, nur 
gelegentlich (Fig. 17, Taf. VI) seitlich, nie aber am Oberrand 
der Zelle. In den Allophoren der Rückenhaut (Fig. 16—20, 
Taf. VI) ist er mehr rundlich, in denen der Bauchseite, entsprechend 
der gestreckten Form des Zelleibes, mehr länglich (Fig. 22—26, 
Taf. VD. Er ist durch eine gut sichtbare Kernmembran vom 
umgebenden Plasma geschieden. 

Hinsichtlich der Sphäre konnte ich in meinen ersten Mit- 
teillungen (a. a. O. S. 391) nur angeben, dass ein zentraler 
körnchenfreier oder körnchenarmer Bezirk, der auch eine bestimmte 
Lagebeziehung zum Kern zeige, ihre Stelle verrate; die Sphäre 
selbst nachzuweisen, gelang mir damals nicht. In der Tat bleibt 
unter allen Umständen eine mitten im Zellkörper gelegene, mehr 
oder minder kugelige Partie frei von gröberen Granula (Fig. 15 
u. 19, Taf. VI), während kleinere Pigmentkörnchen doch in sie 
einzudringen vermögen. Die Grösse dieser Stelle ist gewöhnlich 
etwas geringer als der Umfang des Kerns. Bald erscheint 
sie sehr scharf gegen ihre Umgebung abgesetzt (Fig. 19, Taf. VI), 
indem die Granula in ihrem Umkreis eine wohlumschriebene 
Grenze bilden, bald springen die Granula unregelmässiger gegen 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 169 


den körnchenfreien Bezirk vor, dringen auch, wenn sie klein sind, 
in ihn ein und erschweren dadurch eine sichere Abgrenzung des 
Sphärenbezirkes (Fig. 15 u. 20, Taf. VI. An stark gefärbten 
Präparaten und zwar an Zellen, die nur spärliche und meist 
grössere Granula enthalten, welche die Peripherie des Zelleibes 
und die Ausläufer einnehmen, erblickt man die Sphäre selbst. 
Zentral im Zellkörper liegt eine kugelige oder auch leicht von 
der Kugelform abweichende Protoplasmamasse, die grössere Färb- 
barkeit und offenbar auch grössere Dichtigkeit besitzt (Fig. 16— 18. 
Taf. VD) als das Zytoplasma. Nur selten hebt sie sich scharf von 
ihrer Umgebung ab (Fig. 16, Taf. VI), meist geht sie durch eine 
Zone dunkler erscheinenden Protoplasmas allmählich in das hellere 
periphere Zellplasma über (Fig. 17, 18, Taf. VI); doch kann man auch 
in den letzten Fällen gewöhnlich bei längerem Zusehen im Innern 
dieser periplastischen Zone die eigentliche Sphäre einigermassen 
optisch herausschälen. Hat man an solchen besonders günstigen Allo- 
phoren einige Erfahrung über das Aussehen der Sphären gewonnen, 
so gewahrt man auch in anderen Zellen wenigstens Andeutungen 
derselben (Fig. 15. 20. 21, Taf. VI) in Form meist kleinerer und 
weniger gut abgesetzter dunklerer, kugeliger, plasmatischer Ge- 
bilde, die in der Mitte des körnchenfreien Bezirks gelegen sind. 

Von der Sphäre oder der sie umgebenden periplasmatischen Zone 
geht in manchen Zellen (Fig. 15—18, Taf. VI) deutlich kenntlich 
eine feine radiäre Strahlung allseits ab, die sich fast bis an 
die Peripherie des Zelleibes verfolgen lässt. Die Strahlung besteht 
aus zarteren, aber auch dichter gelagerten Fäden als bei den 
Melanophoren und fällt daher nicht so leicht in die Augen. Ihr 
Aussehen erinnert vollkommen an die Aster, die an den Polen 
der Kernspindel auftreten, und ich trage daher kein Bedenken, 
sie gleich diesen als protoplasmatische Strukturen zu betrachten 
(vgl. auch S. 149). 

Die bisherigen Angaben über die Astrophäre der Allophoren 
bezogen sich auf die in der Rückenhaut vorkommenden Zellen ; 
die Allophoren der Bauchhaut weichen nicht unwesentlich davon 
ab. Zunächst habe ich eine grössere körnchenfreie Stelle, die der 
Lage nach den Sphärenbezirk darstellte, nie beobachten können: 
doch mag das damit zusammenhängen, dass diese Zellen nur sehr 
kleine Granula enthalten, die in die Sphäre selbst einzudringen 
pflegen. An stärker gefärbten Präparaten (Fig. 23, Taf. VI) ver- 


170 W.J. Schmidt: 


decken die Körnchen gewöhnlich die Sphäre ganz; nur einmal 
sah ich ich in der Nähe des Kernes einen rundlichen, wenig scharf 
begrenzten Fleck, der gemäss seiner Lage wohl nur der Sphäre 
entsprechen kann (Fig. 22. Taf. VI). Viel lehrreicher sind die 
Allophoren der Bauchhaut an Präparaten, die so schwach gefärbt 
sind (Fig. 24—27, Taf. VI), dass die Granula dieser Zellen nur 
wie eine undeutliche Punktierung des Zellplasmas erscheinen. 
Fast in jeder solchen Allophore erblickt man alsdann bei 
günstiger Schnittrichtung eine kleine kugelige, dunklere Stelle, 
der Sphäre vergleichbar, von welcher allseits eine ziemlich 
weit kenntlich bleibende Strahlung ausgeht. Die Strahlung ist 
nicht so zart und dicht wie in den erst beschriebenen Fällen 
und ihre Fäden sehen nicht so glatt und gerade aus wie 
dort, sondern erscheinen eher leicht gerunzelt, bisweilen auch 
streckenweise punktartig verdickt (Fig. 27, Taf. VI). Eine weitere 
Eigentümlichkeit ist die, dass die der Sphäre entsprechende zentrale 
Struktur beim Gebrauch der Mikrometerschraube sich nicht als 
kugelig erweist, sondern in der Regel auch bei stärkerer Ver- 
änderung der Einstellung sichtbar bleibt und dabei gelegentlich 
seitlich ausweicht, somit mehr eine fadenartige (restalt besitzt. 
Demnach liegen hier Verhältnisse vor, die an die „Zentral- 
stäbe“ erinnern, wie sie Zimmermann (1893a, S. 374) von 
den Melanophoren der Knochenfische beschrieben hat. 
Zentriolen in den Sphären nachzuweisen, ist mir im 
allgemeinen nicht gelungen, obwohl die Präparate zum Teil ausser- 
ordentlich stark mit Heidenhains Eisenhämatoxylin gefärbt 
waren. Nur in drei Fällen (Fig. 23—30, Taf. VI) beobachtete 
ich etwas Derartiges. Es handelte sich um auffallend kleine 
Zellen aus der Augengegend. die sehr arm an Körnchen waren 
und sich wohl den feinkörnigen Allophoren der Bauchseite am 
nächsten anschliessen. Diesen Elementen fehlte die grosse plas- 
matische Sphäre, und an ihrer Stelle erschienen ein oder auch zwei 
dicht beieinander gelegene, intensiv färbbare Körnchen, die von 
einer kleinen Ansammlung dunkleren Plasmas umgeben sind. von 
der Andeutungen einer Protoplasmastrahlung ausgehen. Grösse, 
Form und Färbbarkeit dieser winzigen Gebilde sprechen für ihre 
Zentriolennatur. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, an meine 
früheren Mitteilungen über die Allophoren (Porphyrophoren) von 
Phelsuma zu erinnern; auch diesen Zellen kommt eine Astro- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 172 


sphäre zu, in der gelegentlich ein Zentriol zu erkennen ist. 
Fehlt die grosse protoplasmatische Sphäre, wie bei Phelsuma 
lineatum, so ist auch hier nur ein grosses Zentriol sichtbar 
(vgl. W. J. Schmidt 1912a, S. 186.f). 

Was die Allophoren von Uroplatus besonders interessant 
macht, ist das Verhalten ihrer Granula zum Sphären- 
apparate. So auffallende Unterschiede in der Verteilung der 
Granula wie bei den Melanophoren habe ich hier nie gesehen: 
aber auch unter den Allophoren findet man solche, deren Granula 
sich mehr zentral befinden (Fig. 21, Taf. VI), und andere, bei 
denen der mittlere Teil der Zelle frei von Pigmentkörnchen ist, 
während die Granula in der Peripherie gelagert sind (Fig. 17 
und 18, Taf. VI). Daraus kann man wohl schliessen, nach Analogie 
mit den Melanophoren, dass auch den Allophoren eine intrazel- 
luläre Körnchenbewegung zukommt. Zweierlei Tatsachen 
springen bei der Beobachtung einer grösseren Anzahl dieser Zellen 
in die Augen. Zunächst erscheinen nämlich die Granula öfter 
mehr oder minder deutlich in Reihen gestellt, die von der 
Sphäre nach allen Seiten hin radıär verlaufen (Fig. 15, 19, 20, 
Taf. VI), also mit den Fäden der Protoplasmastrahlung hinsichtlich 
der Richtung übereinfallen. Ferner besteht bei der Verteilung 
kleiner und grosser Granula, wenn sie in ein und derselben Zelle 
nebeneinander vorkommen, in bezug auf die Sphäre eine Gesetz- 
mässigkeit derart, dass die kleinsten Körnchen der Sphäre 
zunächst liegen, die grösseren sich in weiterem Ab- 
stand von ihr halten. Besonders deutlich geht dieses Ver- 
halten aus Fig. 21, Taf. VI hervor, die eine schrittweise Zunahme 
der Körnchengrösse mit der Entfernung von der Sphäre ohne 
weiteres zu erkennen gestattet. Als ein Spezialfall dieser Gesetz- 
mässigkeit ist auch wohl die oben erwähnte Eigentümlichkeit zu 
betrachten, dass grössere Körnchen nie in die Sphäre 
eindringen. Auch findet man in Zellen, die nur grössere Körnchen 
besitzen, diese niemals dicht um die Sphäre geschart, sondern immer 
in der Peripherie der Zelle verteilt (Fig. 16—18, Taf. VI). Sind 
in einer Zelle verschieden grosse Granula enthalten und ist gleich- 
zeitig die Reihenanordnung deutlich, so lässt sich verfolgen, dass 
jede Reihe im der Nähe der Sphäre mit kleinen Granula beginnt 
und allmählich mit der Entfernung von der Sphäre die Grösse der 
Pigmentkörner innerhalb der Reihen zunimmt (Fig. 20, Taf. VD). 


172 W. J. Schmidt: 


Allerdings wird die Gesetzmässigkeit hinsichtlich der Verteilung der 
verschieden grossen Granula in ein und derselben Zelle bisweilen 
etwas durchbrochen, indem in der Peripherie der Zelle zwischen 
sehr grossen auch kleinere Körnchen vorkommen: aber wie aus- 
geprägt sie im allgemeinen herrscht, geht daraus hervor, dass 
sie schon am Totalpräparat auffällt, wenn man auf den Sphären- 
bezirk einstellt. Die Tatsache einer gesetzmässigen Verteilung 
der verschieden grossen (sranula war mir auch bei meinen früheren 
Beobachtungen nicht entgangen, und unter dem Hinweis auf das 
gleiche Verhalten der Dotterkörnchen im Ei in bezug auf die Pole 
der Furchungsspindel habe ich ihren Wert für die Erklärung der 
intrazellulären Körnchenströmung in den Chromatophoren mit den 
Worten hervorgehoben, „dass hier wie dort die Kräfte, welche die 
Stellung der Körnchen hervorrufen, die gleichen sind“. Schliesslich 
ist noch bemerkenswert, dass die Jlänglich geformten Pig- 
mentkörnchen durchweg mit ihrer grösseren Achse radiär 
eingestellt sind (vgl. Fig.20, Taf. VI). Wir werden die hier geschilderten 
Verhältnisse im Schlusskapitel bei den Erklärungsversuchen der intra- 
zellulären Pigmentbewegung im einzelnen zu verwerten suchen. 

Das Zytoplasma der Allophoren von Uroplatus scheint 
nicht von dieser überaus lockeren, im Leben wahrscheinlich flüssigen 
Konsistenz zu sein, wie wir es für den Zelleib der Melanophoren 
abgesehen von der Sphäre und ihrer Umgebung aus dem mikro- 
skopischen Bild erschliessen zu glauben müssen. Vielmehr kann man 
bis zum Rand der Zellen das Protoplasma als eine zartgefärbte 
Masse verfolgen, die stellenweise durch Schrumpfung sich etwas 
von der grösseren Granula abgehoben hat. Hinsichtlich der 
äusseren Abgrenzung der Zellen liegt eine ähnliche Schwierigkeit 
vor, wie bei den Melanophoren: Die Zellen erscheinen nach aussen 
hin durch eine membranartige Verdichtung ihres Plasmas abge- 
schlossen, die besonders dann deutlich und einwandfrei zu sehen ist, 
wenn die Allophoren sich durch Schrumpfung etwas von dem normaler- 
weise sie eng umhüllenden Bindegewebe abgehoben haben. Ob diese 
Grenzzone in dieser Weise auch im Leben besteht, muss ich dahin- 
gestellt sein lassen. 


IV. Die Lipophoren. 
a) Historisches. 
Brücke (1851) waren die Lipophoren unbekannt; doch entging ihm 
ihr Anteil an der Färbung nicht, da er von Lacerta viridis bemerkt 


n 
we 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. ] 


(S. 41 — [199]): „Die Epidermis selbst ist mit weingelber Farbe durch- 
scheinend und verwandelt somit das Blau oder Blaugrün in die schöne gras- 
grüne Farbe, mit welcher das Tier geziert ist“. Wie auch Keller (189. 
S. 165) meint, ist diese Beobachtung auf die Gegenwart der Lipophoren zu 
beziehen. 

Leydig hat sich über die zellige Natur der Lipophoren nicht bestimmt. 
geäussert; jedenfalls war ihm das Lipophorenpigment wohlbekannt; denn 1868 
(S. 74) erwähnt er unter den Farbstoffen der Lederhaut bei Lacerta 
vivipara ausser den Melanophoren und Guanophoren ein drittes Pigment, 
„das orangerote von körnigem und fettigem Aussehen“ und 1872 (S. 214) von 
der gleichen Art: „Im Weingeist aufbewahrt, nimmt die Rückenseite unserer 
Eidechse gern eine bläuliche Färbung an und das Orangerot des Bauches, 
weil aus einer Art Fett bestehend, blasst in Grauweiss ab“. 

Als Entdecker der Lipophoren muss demnach Pouchet (1876) gelten, 
der sie sowohl bei der grünen Eidechse als auch beim Chamäleon durchaus 
kenntlich beschrieben, allerdings nicht abgebildet hat. Wie Blanchard 
(1880, S. 11) zur Behauptung kommt, dass Pouchet diese Elemente tab. VI 
Fig. 6 dargestellt habe, ist mir nach Durchsicht der Tafeln (I—IV!) und des 
Textes bei Pouchet unverständlich. Da die Darstellung Pouchets mehr 
bringt als die späteren Angaben über die l,ipophoren, so sei sie im folgenden 
ziemlich vollständig wiedergegeben. Pouchet (1876) bezeichnet die Lipo- 
phorenals „pigment jaune* oder „chromoblastes jaunes“ und berichtet zunächst 
von der grünen Eidechse (S. 59), dass sich unter der dünnen, unmittelbar 
aufs Epithel folgenden Bindegewebeschicht („derme“ — kollagene Grenzlamelle) 
eine Lage gelben Pigments finde, das offenbar in Zellen eingeschlossen sei, 
die aber schwer einzeln zu beobachten seien. Nach Entfernen des Pigments 
mittels Alkohol und Äther oder längerer Mazeration mit schwacher Essig- 
säure werden alle grünen Hautstellen blau. Pouchet hält es für wenig 
wahrscheinlich, dass sich an den Lipophoren der Eidechse Bewegungser- 
scheinungen abspielen. Die gelben Chromatophoren des Chamäleons (S. 62) 
gleichen nach Pouchet denen der Frösche und ihr Pigment ist wie bei 
jenen in einem Gemenge von Alkohol und Äther löslich. In den meisten 
Mazerationspräparaten bietet es sich als Tröpfchen dar; indessen hält es 
schwer, sich über die Lage der Zellen, die es enthalten, Rechenschaft abzu- 
legen. Untersucht man einen mit dem Rasiermesser abgetragenen und mit 
Soda aufgehellten grossen Hauttuberkel, so lässt sich aus der Verteilung der 
gelben Pigmentgranula, die grösser sind als 2,5 „, erkennen, dass die durch 
das Reagenz zerstörten Zellen die Unterseite der eben erwähnten Binde- 
gewebslage („derme“) einnehmen. Die Menge der gelben Chromatophoren 
wechselt nach den Individuen und Hautstellen. Ihr gegenseitiger Abstand 
entspricht etwa dem eigenen Durchmesser. Bisweilen macht die Verteilung 
der Granula die Stelle des Kernes kenntlich. Bei der Schwierigkeit, die 
Chromatophoren lebend zu beobachten, lässt sich über ihre etwaigen Be- 
wegungserscheinungen nichts sicher feststellen, doch glaubt Pouchet ihnen 
solche Fähigkeiten zuschreiben zu müssen, da Bert beobachtete, dass derselbe 
Tuberkel aus reinem Gelb in mattes Weiss übergehen kann. — Fuchs 
(1914, S. 1585) ist eine Verwechslung begegnet, wenn er nach Pouchet 


174 W.J. Schmidt: 


berichtet, die Lipophoren (Xanthophoren) seien nach Aufhellung des Gewebes 
mit Kreosot schlecht zu erkennen, träten aber nach Einwirkung von Alkali 
auf vorher mit Säuren behandelten Hautstücken deutlich als rötlichgelbe 
Zellen mit nach der Epidermis gerichteten Fortsätzen hervor. Die diesbe- 
zügliche Angabe Pouchets (1876, S. 65) betrifft vielmehr Allophoren, die 
Erythrophoren Kellers (189), die Pouchet (8. 64) im Gegensatz zu 
den Melanophoren als kleine Chromoblasten aufführt, die näher als die 
Melanophoren der Oberfläche gelegen und mit einem in roten Tönen gefärbten 
Pigment beladen seien. Um diese zu erkennen, ist in der Tat eine Be- 
handlung der Haut mit Säuren oder Alkalien vorteilhaft, da der Inhalt der 
Guanophoren dadurch gelöst wird und die Haut an Durchsichtigkeit gewinnt: 
die sehr empfindlichen Lipophoren aber lassen sich so kaum darstellen. 

Ob sich die Angabe von Braun (1877, S. 19), dass bei der jungen 
Lacerta Lilfordi über dem schwarzen ein gelbes Pigment in stern- 
förmigen Zellen abgelagert sei, auf Lipophoren bezieht, wie Fuchs (1914, 
S. 1585) annimmt, lässt sich schwer mit Gewissheit sagen. Mir scheint es 
vielmehr, dass es sich hier um Guanophoren handelt, die häufig in durch- 
fallendem Licht gelb erscheinen, und das um so mehr, als Braun (S. 18) 
bei dererwachsenen LacertaLilfordinur ein Pigment, die Melanophoren, 
kennt, es aber kaum zweifelhaft ist, dass allen Lacertiden, sofern sie grüne 
Farben besitzen, Guanophoren zukommen. Für diese Auffassung spricht auch, 
dass Braun (S. 19) irrtümlich annimmt, dass Blau durch das Fehlen von 
braunem Pigment in der Hornschicht bei Gegenwart von Melanophoren in 
der Kutis zustande komme, während doch Blau durch eine Guanophoren- 
schicht auf schwarzem Hintergrund entsteht. Allerdings nähert sich Braun 
wieder der richtigen Auffassung dadurch, dass er das gelbe Pigment beim 
jungen Tier für die Entstehung von Grün verantwortlich macht. Auch aus 
der Angabe von Braun (S. 19), das gelbe Pigment fehle dem ausgewachsenen 
Tier bis auf ganz wenige Stellen, lässt sich nichts Gewisses über seine 
Guanin- oder Lipochromnatur sagen. Dass aber Lipophoren bei Lacerta 
Lilfordi vorkommen können, soll durch diese Ausführungen keineswegs 
bestritten werden, erscheint vielmehr für die Erklärung der bei ihr vor- 
handenen Farbe Grün gefordert. 

Blanchard (1880, S. 12) bemerkt ausdrücklich, dass bei Lacerta 
ocellata die von Pouchet (s. o.) bei der grünen Eidechse und beim 
Chamäleon beobachtete Schicht gelben Pigments nicht vorkomme; das dürfte 
wenigstens für die in der Mitte grüngelben Augenflecken der Rückenseite 
kaum wahrscheinlich sein. 

Keller (189, S. 147—148) schildert die Lipophoren vom Chamäleon 
als einfache, aber nicht zusammenhängende Schicht kugeliger Zellen mit 
schönem grossen Kern, dicht unter der Epidermis, oberhalb der (äusseren) 
Guanophorenlage (Ochrophoren), als solche sind sie auch insbesondere in 
Fig. 2, tab. IV kenntlich. Da Keller nur Alkoholmaterial untersuchte, kann 
er über den Inhalt dieser Elemente keine Angaben machen, schliesst sich 
indessen hierin wie auch in der Annahme ihrer Kontraktilität Pouchet 
an und nennt sie wegen ihres vermuteten Inhalts von fettähnlichen Tröpfchen 
und gelben Körnern „XKantophoren“ (später im Text immer richtiger 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 175 


Xanthophoren).. Auch bei Galotes jubatus (S. 165) fand Keller 
zwischen Epidermis und Guanophoren (Ochrophoren-)schicht, eine entsprechende 
zusammenhängende Zellenlage, die, im Alkoholmaterial farblos, nach Analogie 
mit den durchaus ähnlich gestalteten Verhältnissen bei Lacerten, als Xantho- 
phoren angesprochen werden. Bei Lacerta viridis sah Keller die 
Xanthophoren (S. 165) als körnige Zellen in einfacher Lage von sehr ver- 
schiedener Breite dicht unter der Epidermis, deren hellgelber, anscheinend 
diffuser Farbstoff manchmal, wohl durch das Untersuchungsmedium veran- 
lasst, die Zellen in Tröpfchenform verlässt. Doch gelang Keller eine feinere 
histologische Untersuchung der Xanthophoren auf ihren Inhalt nicht, weil 
mit dem Einbettungsverfahren das gelbe Pigment verloren geht. 

Später hat W.J. Schmidt (1912, S. 218) in den Rückenhöckern von 
Phelsumaarten (vgl. Textfig. 2c, S. 117) eine schmale Zone zwischen der 
kollagenen Grenzlamelle und dem Oberrand der Guanophorenschicht festge- 
stellt, in der abgeplattete Kerne sichtbar waren. Da diese Schicht ihrer 
Lage nach ganz den von Keller (1895) beschriebenen Xanthophoren ent- 
spricht, wurde sie in diesem Sinne gedeutet, womit auch die intensiv grüne 
Färbung der betreffenden Phelsumaarten im Leben im Einklang steht. Ferner 
habe ich bei Anguis (W.J.Schmidt 1914, S. 6) Lipophoren mit ziegel- 
rotem Pigment beschrieben. 

Die bisherigen Angaben über Lipophoren beziehen sich nur auf Saurier 
und Öhamäleons; sie sind in diesen Gruppen zweifellos noch weiter ver- 
breitet, da für verschiedene Formen bekannt ist, dass ihre orange und rote 
Färbung in Alkohol sich verliert (vgl. Fuchs 1914, S. 1586). Auch den 
Schlangen dürften Lipochrome keineswegs fehlen; bei den prächtig zinnober- 
rot gefärbten Elaps corallinus erblassen die roten Ringe sehr bald, 
wenn man die Haut abzieht (Kontraktion der Lipophoren oder Expansion 
der Melanophoren ? Sch.), und wirft man sie in Weingeist, so schwindet das 
Rot, wenn es dem Licht ausgesetzt wird, auch mehr oder weniger, nach 
einigen Jahren aber vollständig. Die Farbstoffe scheinen durch den Wein- 
geist aufgelöst und ausgezogen zu werden; denn dieser nimmt von ihnen 
eine blassrötliche Färbung an (Werner 1913, S. 423). Dass Lipochrome 
auch bei Schildkröten vorkommen, ist bei dem Ablassen der im Leben 
schön grün und rot gefärbten Formen in Alkohol (Material der Museen) sehr 
wahrscheinlich, und ich möchte hier die Aufmerksamkeit auf folgende Beob- 
achtungen von L. Agassiz lenken, vor allem, weil es sich um Formen 
handelt, die jetzt auch lebend nach Europa kommen und deren Untersuchung 
sicher wertvolle Ergebnisse liefern würde. 

Nach Agassiz (1857, S. 261) finden sich die prächtigen Farben der 
Schildkröten hauptsächlich in der Malpighischen Schicht der Epi- 
dermis eingeschlossen, die er geradezu als Erzeuger des Pigments bezeichnet, 
und zwar kommt das Pigment zwischen und unter („between and beneath‘“) 
ihren Zellen in zweierlei Form vor, als schwarze oder schwarzbraune Pigment- 
zellen mit bräunlichen Pigmentgranula im Zelleib und ferner als gefärbte; 
ölige Flüssigkeit, die meist das ganze Stratum Malpighii durchtränkt 
und nicht in regelrechten („regular“) Zellen, sondern in Lakunen oder in 
kontinuierlicher Lage auftritt. In dieser zweiten Form erscheinen die ver- 


176 W.J. Schmidt: 


schiedensten Farben wie Gelb, Rot, Braun und gewisse schwarze Farbentöne. 
Das sehr verschiedene Farbenspiel beruht auf der Kombination dieser freien, 
flüssigen Farben durch ihr Ubereinanderlagern und ihre Trennung durch 
Zellen der Malpighischen Schicht. Gewöhnlich ‘finden sich neben dieser 
Flüssigkeit die erst genannten schwarzen Pigmentzellen, deren mehr oder 
weniger strahlige, plumpe oder schlanke Form auch noch verschiedenartigen 
Eindruck hervorbringt. Unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint die freie 
flüssige Farbe gelblich, wenn ihr Effekt gelb, rötlich, wenn die Wirkung rot 
ist. Setzt man Wasser zu der vom lebenden Tier genommenen Flüssigkeit, 
so bildet sie grössere oder kleinere Tropfen, deren Ölcharakter durch den 
eigenartigen schwärzlichen Rand augenscheinlich wird. Agassiz empfiehlt 
zum Studium dieser Farben bei Schildkröten die roten und gelben Ringe auf 
den Marginalplatten von Chrysemys picta und Ch. marginata. Die 
schöne blaugrüne Färbung des Rückenschildes der letzten Art kommt durch 
ein Netzwerk von schwarzem Pigment zustande, das über einer homogenen 
Lage von gelbem Ölyliegt. 

Wohl unzweifelhaft geht aus Agassiz’ Bericht hervor, dass die 
flüssigen Farben Lipochrome sind; sehr erstaunlich und einer Nachprüfung 
dringend bedürftig ist seine Angabe von der intraepithelialen und extrazellu- 
lären Lage des Pigmentes, ferner der Umstand, dass diese Flüssigkeit nicht 
nur gelbe und rote, sondern auch schwärzliche Farben zeigt. — 

Über die chemische Natur des gelben Pigments der Lacer- 
tiden, dessen Alkohol- und Ätherlöslichkeit schon Leydig und Pouchet 
(s. 0.) bekannt war, verdanken wir Krukenberg (1882, S. 50f.) einige Mit- 
teilungen. Der Farbstoff, den er Lacertofulvin nennt und bei Lacerta 
muralis, L.agilis und einer sehr grossen, nicht näher bestimmten blau- 
kehligen Spezies untersuchte, findet sich sowohl in grünen als gelben Haut- 
stellen und lässt sich durch Schütteln mit kaltem Alkohol so leicht der Haut 
entziehen, dass man nach wenigen Minuten eine Farbstofflösung erhält, an 
der sich eine spektroskopische Prüfung erfolgreich ausführen lässt; Erwärmen 
beschleunigt das Ausziehen nicht, doch sind nach Vorbehandlung der Haut 
mit Alkohol Chloroform oder Äther mit Vorteil als Extraktionsmittel an- 
wendbar. Beim spektroskopischen Vergleich einer alkoholischen Lacerto- 
fulvinlösung mit einer alkoholischen Lösung des Lipochrins, des gelben 
Pigments der Amphibien, erschienen die Absorptionsbänder der ersten Flüssig- 
keit um etwa 5 Teilstriche der benutzten Skala dem violetten Ende des 
Spektrums mehr genähert als die der Lipochrinlösung. Befanden sich die Farb- 
stoffe in Chloroform gelöst, so glich der Unterschied sich etwas aus und 
unmerklich wurde er, wenn Schwefelkohlenstoff die Farbstoffe in Lösung 
enthielt. Trotz dieser letzten Übereinstimmung, und obwohl Krukenberg 
auf die Möglichkeit hinweist, die genannten Abweichungen der Spektren auf 
die Gegenwart eines Körpers zurückzuführen, mit dem der Farbstoff verbunden 
ist und verbunden bleibt, wenn er in Alkohol, nicht aber, wenn er in Schwetel- 
kohlenstoff gelöst ist, glaubt er doch, dass Lacertofulvin von Lipochrin ver- 
schieden sei, auch weil das Lipochrin aus der Froschhaut durch warmen 
Alkohol rascher als durch kalten ausgezogen wird, was für das Lacertofulvin 
nicht zutrift. Da nach Krukenbergs Angaben das Lacertofulvin (für 


—1 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 47 


diese Versuche aus der Haut der grossen Eidechsenart mit blauer Kehle 
dargestellt) mit Jodjodkaliumlösung sich grünblau und mit Schwefel- 
und Salpetersäure blaugrün bis dunkelblau färbt, also sich 
ebenso verhält wie das Lipochrin, auch in dem Grade der Licht- 
empfindlichkeit eine alkoholische Lacertofulvinlösung der des Lipochrins 
gleicht, so findet Fuchs (1914, S. 1600) keinen Grund, das Lacertofulvin 
als besonderen chemischen Farbstoff von den Amphibienlipochrinen zu trennen, 
zumal auch bei diesen die Spektra nicht vollständig übereinstimmen, eine 
Anschauung, der man wohl unbedenklich beitreten kann. Nach Fuchs 
handelt es sich bei all diesen Farbstoffen um verschiedene, nahe verwandte 
Luteine oder um eine Mischung derselben. 

In der Haut der Schlangen soll nach Krukenberg (1886, S. 149) 
Lipochrom nur in Spuren vorkommen; doch gewann er (1882, 5.50) durch 
längeres Digerieren oder Auskochen zerschnittener Hautstücke von Tropi- 
donotus natrix, Elaphis quadrilineatus Bonaparte, Callopeltis 
quadrilineatus Pallas und einer brasilianischen Pythonart mit Alkohol 
gelbe Farbstofflösungen, die sich durch eigentümlich grüne Fluoreszenz aus- 
zeichneten, beim Verdampfen zur Trockene einen gelben fettartigen Farb- 
körper zurückliessen, der sich auch in Äther und Chloroform mit gelber Farbe 
und ausgesprochen grüner Fluoreszenz löste. Leichter als mit Chloroform 
gelang die Lösung des Pigmentes mit Schwefelkohlenstoff, dem es eine dunkel- 
gelbe, grün fluoreszierende Färbung erteilte. Da sämtliche selben Pigmente 
aus den Schlangenhäuten in Alkohol, Äther, Chloroform oder Schwefelkohlen- 
stoff gelöst, bei spektroskopischer Untersuchung frei von deutlichen Absorptions- 
bändern erschienen und der Farbstoff mit konzentrierter Schwefelsäure nicht 
blau oder grün, sondern stets bräunlich wurde, durch Wasserstoffsuperoxyd 
nicht zu bleichen war, mit Salpetersäure einen gelbgrünen Farbenton an- 
nahm, kann es sich nicht um Lipochrin handeln. Über die histologische 
Lokalisation dieses gelben Schlangenfarbstoffes ist nichts bekannt. Kruken- 
berg (1882, S. 52) konnte den gleichen Farbstoff in den Muskeln und im 
Bindegewebe von abgehäuteten und ausgeweideten Nattern (Tropidonotus 
natrix und Elaphis quadrilineatus) nachweisen und schliesst daraus, 
dass das gelbe Pigment in der Haut nichts anderes ist, als der Fettfarbstoff, 
welcher in den verschiedenartigsten Organen des Schlangenleibes in mehr 
oder weniger grosser Menge angetroffen wird. Damit ist, wie Fuchs 
(1914, S. 1601) bemerkt, keine chemische Definition des Farbstoffes gegeben. 


b) Untersuchungsmethode am überlebenden Objekt. 


Aus der Literaturübersicht dürfte wohl zur Genüge hervor- 
gegangen sein, dass es für eine genauere Untersuchung der 
Lipophoren zunächst darauf ankommt, ein Objekt ausfindig zu 
machen, das möglichst ohne schädigende Einwirkung der Präparation 
und ohne Anwendung von Reagentien die Beobachtung unter 
starken Vergrösserungen gestattet. Ein solches ist der frei vor- 


stehende Hinterrand der dachziegelig sich deckenden 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 12 


178 Ne] Stehhimmiditz: 
7 


Bauchschilder unserer einheimischen Lacertiden Lacerta 
muralis, L. agıilıs, I. vıvipara. Er besteht ausw 
dünnen und durchsichtigen. oberflächlich verhornten Epithel- 
blättern, einem oberen (äusseren) und unteren, die in der freien 
Kante ineinander übergehen und eine sehr dünne Bindegewebslage 
umschliessen, die ausser Blutgefässen und Nerven die Uhromato- 
phoren enthält. Die Gunst dieses Objektes gerade für die Unter- 
suchung der Lipophoren wird noch dadurch erhöht, dass die 
Melanophoren, welche bei dichter Lagerung die Durchsichtigkeit 
herabsetzen oder gar aufheben, nach der freien Kante hin immer 
spärlicher werden und schliesslich ganz verschwinden, so dass zu 
äusserst eine schmale Zone besteht, die nur von Guanophoren 
und Lipophoren erfüllt ist. Biegt man das lebende Tier so, dass 
die Bauchseite konvex vorgewölbt ist, so lässt sich mit einer 
feinen gekrümmten Schere der 0,5—1 mm breite freie Hinterrand 
der Bauchschilder leicht abschneiden, eine Operation, die man 
ohne Schädigung des Tieres an zahlreichen Schuppen vornehmen 
kann. Bringt man ihn dann in einem Tropfen physiologischer 
Kochsalzlösung auf den Objektträger und zwar so, dass die obere 
Epithellamelle dem Deckglas zugekehrt ist, die Lipophoren also 
unmittelbar unter der Epidermis, nicht verdeckt von den Guano- 
phoren, der Untersuchung zugänglich sind (vgl. S. 151), und 
umzieht man das Deckglas mit einem Paraffinrahmen, so gewinnt 
man Präparate, die sich bequem mit Immersionssystemen unter- 
suchen lassen und bis zu mehreren Stunden keine Ver- 
änderungen zeigen. Die schädigende Wirkung, die selbst der 
physiologischen Kochsalzlösung auf die überlebenden Gewebe 
zukommt, macht sich sehr langsam geltend, nicht nur weil der 
Paraffinrahmen ihre Verdunstung und damit Konzentrations- 
erhöhung verhütet, sondern auch, weil das Objekt, grösstenteils 
von Hornlamellen umschlossen, nur an der schmalen Schnittstelle 
der Lösung Zutritt zum lebenden Gewebe gestattet und somit 
an die zur Untersuchung günstigste Stelle, die oben erwähnte 
schmale Aussenzone, erst zuletzt gelangt. Demnach leisten derartige 
Präparate die sichere Gewähr, dass bei nicht zu lange ausgedehnter 
Beobachtungszeit — alle Abbildungen nach dem überlebenden 
Objekt wurden unmittelbar nach seiner Zurichtung in Angrift 
genommen — die im Leben vorhandenen Verhältnisse zur An- 
schauung kommen. Die höckerartigen Rückenschuppen unserer Ei- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 179 


dechsen sind für feinere Untersuchung der Lipophoren unbrauchbar. 
Trägt man einzelne derselben mit einem Scherchen ab und beobachtet 
sie, wie oben angegeben, in Kochsalzlösung, so lässt sich immerhin 
die (regenwart der Lipophoren, vor allem am Rand der Haut- 
stückchen, feststellen: indessen sind die Höcker durch den Gehalt 
an Melanophoren zu undurchsichtig, um Einzelheiten erkennen zu 
lassen. — Über die Untersuchung der Lipophoren an osmierten 
Schnittpräparaten werde ich später berichten (s. S. 184). 


c) Vorkommen und Verbreitung bei den Lacertiden. 


Zunächst seien einige Angaben über das Vorkommen 
der Lipophoren bei den drei von mir untersuchten Eidechsen- 
arten gegeben. Am wenigsten geeignet für ihre Untersuchung am 
lebenden Objekt fand ich Lacerta muralis. Bei einigen Tieren, 
deren Bauchschuppen ich prüfte, zeigten sich nur spärliche Lipo- 
phoren in der schmalen Randzone; auch mehr zur Schuppenwurzel 
hin bilden sie keine auch nur einigermassen geschlossene Lage. 
Reichlich dagegen sind Lipophoren in den grünen Teilen der 
Rückenhaut vorhanden und erscheinen dicht gelagert, als gut 
wahrnehmbare Schicht unmittelbar unter der (kollagenen Grenz- 
lamelle) der Epidermis; Einzelheiten lassen sich aber hier am 
Totalpräparat nur schwer feststellen. Dagegen erwies sich dieses 
Objekt für die Untersuchung an Schnitten bei weitem brauchbarer. 
Eine besondere Prüfung der vor allem beim Männchen gut ent- 
wickelten blauen Flecken an den Körperseiten ergab, wie voraus- 
zusehen, äusserst spärliches Vorkommen oder vollkommenes Fehlen 
der Lipophoren: beruht doch die blaue Farbe auf der alleinigen 
Wirkung von Guanophoren über dem dunklen Hintergrund der 
Melanophoren. Zu diesem Befund bei Lacerta muralis ist 
allerdings zu bemerken, dass die vom Händler bezogenen Tiere 
wahrscheinlich schon einige Zeit in Gefangenschaft gehalten und 
nicht im besten Ernährungszustand waren, der auf die Entwicklung 
des Farbenkleides wohl von Einfluss ist. Denn, wenn Leydig 
(1572, 5.226) bemerkt, dass der Bauch beim Männchen häufig 
sattere Färbungen zeigt, vom Zitronengelben ins Rotgelbe, so 
kann das doch wohl nur auf reichlicheres Vorkommen von Lipo- 
phoren zurückgeführt werden. 

Viel günstiger für die Betrachtung der Lipophoren am 
Totalpräparat sind Lacerta agilis und L. vivipara. Von 

12* 


180 W.J. Schmidt: 


Lacerta agilis untersuchte ich vornehmlich ein kräftiges, 
trächtiges Weibchen frisch nach dem Fang; sein Bauch besass 
intensive Schwefelfarbe; das Integument erwies sich überreich an 
Lipophoren. Auch der Rückenseite des Weibcehens und junger 
Tiere fehlten die Lipophoren nicht; doch sind sie hier viel spär- 
licher, entsprechend dem graubraunen Kolorit. Beim Männchen, 
das ich leider nicht untersuchen konnte, dürften sie der Färbung 
des Rückens gemäss dort reichlicher sein. Am meisten studierte ich 
die Lipophoren bei Lacerta vivipara. Auch hier bot vor 
allem ein Weibchen das Material dar, dessen Bauchseite safran- 
gelb erschien. Gegenüber Lacerta agilis bietet L. vivipara 
den Vorteil, dass die unten zu schildernden Lacertofulvinkristalle 
in ihren Zellen viel häufiger auftreten und daher bequemer zu 
untersuchen sind. Aus diesem Grunde beziehen sich alle Ab- 
bildungen mit einer einzigen Ausnahme auf letztgenannte Form. 
Indessen betone ich schon hier, dass ein wesentlicher Unterschied 
zwischen den Lipophoren von Lacerta agilis, L.vivipara und 
auch wohl L. muralis nicht besteht: obwohl es mir nicht 
gelungen ist, bei der Mauereidechse Lacertofulvinkristalle in den 
Lipophoren aufzufinden, glaube ich doch, dass sie hier ebenfalls 
vorkommen und bei günstigerem Material sich bemerkbar machen 
werden. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ich bei Lacerta 
vıvipara Lipophoren in der Rückenhaut nicht gesehen habe. 

Zusammenfassend lässt sich daher über die Verbreitung der 
Lipophoren bei den drei hier untersuchten Lacertiden sagen, dass 
sie sowohl in der Rücken- wie in der Bauchhaut vorkommen 
(ausgenommen bei Lacerta vivipara die Rückenhaut), dass 
sie aber im allgemeinen in der Bauchhaut stärkere Entwicklung 
erreichen. Wo gelbe, safrangelbe oder grüne Färbung vorhanden 
ist, da sind auch Lipophoren zu erwarten. 


d) Bau der Lipophoren. 


Untersucht man im überlebenden Zustand den freien 
Hinterrand der Bauchschuppen von Lacerta vivipara oder 
agılis in der vorhin (S. 178) angegebenen Weise, so bietet sich 
unter dem Mikroskop ein überraschend farbenprächtiges Bild dar 
(Fig. 51, Taf. VII): Gruppen braunschwarzer Melanophoren und 
bläulich oder grünlich schimmernde Guanophoren heben sich von 
einem satt gelb gefärbten Untergrund ab; hier und da sind in 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 181 


ihm Ansammlungen kleiner rötlicher (Gebilde kenntlich, welche 
die Mannigfaltigkeit der Farben noch steigern. Der gelbe Unter- 
erund besteht aus einer Anhäufung von Lipophoren. Bei 
schwächeren Vergrösserungen lässt er nicht viel Einzelheiten unter- 
scheiden. Man beobachtet nur, dass er sich nach dem freien 
Schuppenrand hin allmählich auflichtet und hier in eine Menge 
unregelmässig verästelter, schwer voneinander abgrenzbarer 
Massen zerfällt. 

Auch bei stärkeren Vergrösserungen hält esan den intensiv 
gelb gefärbten Stellen schwer, die einzelnen Lipophoren 
auseinander zu halten: man gewahrt vielmehr (Fig. 32, Taf. VI 
sehr verschieden geformte, grössere und kleinere Brocken einer 
gelben körnigen Masse, die bei Veränderung der Einstellung hier 
und da Zusammenhänge erkennen lassen, ohne dass es gelingt, 
eine einzelne Zelle sicher von den benachbarten zu trennen. Leicht 
aber vergewissert man sich an solchen Stellen, dass die Lipophoren 
unmittelbar unter der Epidermis und über den Guanophoren 
gelegen sind. In Fig. 32, Taf. VII ist ein kleiner Bezirk dicht 
beieinander liegender Lipophoren wiedergegeben, wie er bei hoher 
Einstellung erscheint. Von den unter ihm befindlichen Guanophoren 
ist nur eine einzige dargestellt (rechts unten) bei tieferer Ein- 
stellung; die über ihr lagernden Lipophoren sind grösstenteils 
nicht abgebildet. Vergleicht man die Farbe von Guanophoren. 
die nicht von Lipopkoren bedeckt werden, mit solchen, die eine 
Lipophorenschicht über sich haben, so überzeugt man sich, 
dass die bei schwächeren Vergrösserungen intensiv grün er- 
scheinenden Guanophoren ihren Farbenton der Überschichtung 
mit Lipophoren verdanken. Das Gesamtbild ist bei Lacerta 
vivipara und L. agilis ziemlich gleichartig; nur erscheinen 
die gelben Massen bei der erstgenannten Art mehr in orange- 
farbigem Ton, auch sind bei ihr die Gruppen roter Körperchen 
häufiger. 

Um die Lipophoren einzeln zu erkennen, muss man sich 
möglichst in der Nähe des freien Schuppenrandes halten: hier 
schwinden die Melanophoren. während Guanophoren und Lipophoren, 
vielfach ohne sich zu überdecken, immer spärlicher werden und 
schliesslich vereinzelt auftreten. An solchen Stellen bieten sich 
die Lipophoren als platte, verästelte Zellen von sehr ver- 
schiedener Form und etwas wechselnder Grösse dar (Fig. 33— 55, 


182 W.J. Schmidt: 


auch 35—39, Taf. VII). Im allgemeinen ist der eigentliche Zelleib 
gegenüber der (resamtheit der Ausläufer klein. Die Fortsätze gehen 
meist nach allen Richtungen vom Zellkörper aus, sind mässig, aber 
regellos verästelt und durch wechselnde Krümmung und Breite 
ausgezeichnet. Öfter kann man feststellen, dass die Ausläufer 
überwiegend nach bestimmten Richtungen ziehen (Fig. 37, Taf. VII), 
dabei auch wohl nur einseitig (Fig. 33, Taf. VII) ausgebildet sind, 
Eigentümlichkeiten, die sich aus einer Anpassung der Zelltorm 
ans umhüllende Bindegewebe ergeben. Diese Erklärung dürfte 
gleichfalls für den unvermittelten Wechsel der Breite der Aus- 
läufer gelten, die starke Einschnürungen (Fig. 35, 39, Taf. VII), 
oft auch kolbig angeschwollene Enden zeigen (Fig. 33, Taf. VID. 
Nur selten sind die Ausläufer kurz und lappig, sodass sie gegenüber 
dem alsdann massigeren, zentralen Zellteil zurücktreten (Fig. 36, 
Taf. VID). Während bei den in der Nähe des freien Schuppen- 
randes gelegenen Zellen die Ausläufer annähernd in derselben 
Ebene liegen und nur selten übereinander hinwegverlaufen (Fig. 33, 
Taf. VII), verhält es sich dort, wo die Lipophoren eine mehr 
geschlossene Schicht bilden, wohl anders. Dass hier die einzelnen 
Elemente so schwer auseinander zu halten sind, liegt daran, dass 
sie nicht so platt sind, sondern sich mehr in die Tiefe der Hant 
erstrecken und dabei ihre Fortsätze durcheinander schieben. Doch 
geht aus Schnitten hervor (siehe unten), dass selbst an solchen Stellen 
die Guanophoren immer nur eine im Vergleich zu den übrigen 
Uhromatophorenschichten sehr dünne Lage bilden. 

Dass die geschilderten, verästelten Elemente wirklich Zellen 
sind, zeigt der von ihnen umschlossene Kern, der im zentralen 
Zellteil gelegen, ziemlich gross und meist in der Aufsicht von 
ovalem Umriss ist. Manchmal ist seine Anwesenheit schon an einer 
entsprechend geformten Auflichtung des gleich zu besprechenden 
körnigen Zellinhaltes zu erkennen (Fig. 33, 55, 35, 40, Taf. VII): 
doch lässt er sich am überlebenden Material auch leicht mit 
Methylenblau oder Methylgrün nachweisen und genauer am Schnitt- 
präparat untersuchen (siehe unten). Irgend welche Andeutungen im 
Bau der Lipophoren, die auf Vorhandensein von Sphäre oder 
Zentriol in diesen Zellen einen Schluss erlaubten, konnte ich nicht 
feststellen. 

Das Plasma der Lipophoren ist äusserst schwer zu erkennen; 
meist nimmt man eigentlich gar nichts davon wahr, und die Aus- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 183 


dehnung der Zellen gibt sich nur durch ihre charakteristisch 
geformten und gefärbten Einschlüsse zu erkennen, denen wir 
nunmehr unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Alle Lipophoren 
enthalten in ihrem Zytoplasma kugelige Tröpfehen einer 
fettartigen Substanz. Dass diese Einschlüsse flüssig sind, 
allerdings von der Konsistenz eines dickflüssigen Öls, geht aus 
ihrem Verhalten bei Schädigungen der Zelle mit Sicherheit hervor: 
bei stärkerem Pressen oder bei Zusatz von Alkohol oder Schwefel- 
säure fliessen die kleinen Tröpfehen zu grösseren und schliesslich 
zu ansehnlichen Tropfen zusammen. Eine solche Verschmelzung 
der Tröpfehen tritt auch ein, wenn man die Präparate längere 
Zeit (1 Tag) sich selbst überlässt, und ist dann augenscheinlich 
auf eine Veränderung der zwischen den Tropfen betindlichen Masse, 
auf das Absterben des Protoplasmas, zurückzuführen. Während die 
Bildung der grösseren Tröpfchen beim Absterben anfangs im Zell- 
leib selbst erfolgt, treten sie später aus den Zellen aus, und aus 
dem Verhalten solcher grösserer Tropfen muss geschlossen werden, 
dass die Flüssigkeit, aus der sie bestehen, ziemlich zäh ist: denn 
Formveränderungen, die den kugeligen Tropfen durch Druck 
aufgezwungen werden, gehen ziemlich langsam zur Kugelgestalt 
zurück. Trotzdem aber die Flüssigkeitsnatur der beschriebenen 
Einschlüsse über allem Zweifel steht, glaube ich sie mit demselben 
Recht als Granula bezeichnen zu dürfen, wie die charakte- 
ristischen Einschlüsse mancher Drüsenzellen, die kurz vor ihrem 
Ausstossen aus der Zelle mehr oder minder flüssigen Charakter 
besitzen; daher werde ich im folgenden der Kürze und eines 
prägnanten Ausdrucks wegen die Tröpfehen als Lipophoren- 
granula bezeichnen. 

Die Grösse der Lipophorengranula ist meist sehr 
gering und gewöhnlich (Fig. 33 und 34, Taf. VIl) sind die Zellen 
mit einer Unmenge ziemlich gleichmässig grosser, winziger Granula 
erfüllt. Doch begegnet man nicht selten Lipophoren, die einige 
oder auch zahlreiche grössere, bis zu mehreren Mikren messende 
Tröpfehen neben den kleineren enthalten (Fig. 35 und 36, 
Taf. VII). Die grösseren Lipophorengranula weichen oft merklich 
von der Kugelform ab. Da wir bei der leichten Verletzbarkeit 
der Zellen durch Druck keine Veranlassung haben, ihrem Plasma 
besondere Konsistenz und damit die Bestimmung der Form der 
grösseren Granula zuzusprechen, muss auch das als Hinweis auf 


154 \W. J. Schmidt: 


die Zähflüssigkeit der Tropfen gelten. Es liegt nun nahe, anzu- 
nehmen, dass die grösseren Lipophorengranula durch Verschmelzen 
mehrerer kleiner entstanden sind; doch besteht hier keineswegs 
ein Kunstprodukt, denn die grösseren Granula lassen sich un- 
mittelbar nach der Herstellung der Präparate beobachten und 
treten zum mindesten in beträchtlicherem Ausmass immer nur 
an wenigen Zellen hervor, während in der Mehrzahl der Zellen 
nur kleinste Granula vorhanden sind. Es schien mir, als wenn 
die grösseren Granula in den isoliert liegenden Zellen häufiger 
sind als in den dicht gelagerten, und wenn diese Feststellung 
richtig ist, dann findet sie wohl ihre Erklärung darin, dass in 
den isoliert liegenden. sehr stark abgeplatteten Zellen bei- 
reichlicher Entwicklung der Granula eher Gelegenheit zum Zu- 
sammentliessen gegeben ist als in den Zellen, die bei stärkerer 
Zunahme der Granula mehr Raum zur Entfaltung haben. Die 
Menge der Granula ist gewöhnlich so gross, dass sie in mehr- 
facher Schicht dicht übereinander liegen, selbst bei ziemlich 
platten Zellen: doch kann man bisweilen auch die Granula deutlich 
einzeln unterscheiden, indem sie durch grössere Zwischenräume 
getrennt werden (Fig. 34, 36. 39, 40, Taf. VII). Im allgemeinen 
erscheinen die Lipophorengranula gleichmässig im Zellenraum 
verteilt; jedenfalls fehlen auffallende Anhäufungen an bestimmten 
Stellen. Wenn die Mitte der Zelle häufig arm oder gar frei von 
Granula bleibt, so ist das auf die (regenwart des Kerns zurück- 
zuführen. 

Dass die Granula aus einer fettartigen Substanz be- 
stehen, geht abgesehen von ihrer Unfähigkeit, sich mit Wasser 
zu mischen und ihrer Löslichkeit in fettlösenden Flüssigkeiten 
(siehe unten) aus ihrer Lichtbrechung hervor, die stärker ist als die 
des umgebenden Plamas: bei hoher Einstellung erscheinen sie 
hell, bei tiefer dunkel. 

Die Fettnatur der Lipophorengranula veranlasste mich, zu 
versuchen, diese Gebilde durch Osmierung auch am Schnitt- 
präparat zur Darstellung zu bringen. Zu diesem Zweck be- 
handelte ich Hautstückchen der drei Eidachsenarten mit starkem 
Flemmingschen Gemisch (Chromosmiumessigsäure) 24 Stunden 
lang und stellte nach dem üblichen Auswässern des fixierten 
Materials und Einbetten in Paraffın diekere Querschnitte her, 
die als ungefärbte Balsampräparate zur Beobachtung kamen, 


Die Uhromatophoren der Reptilienhaut. 185 


und dünnere, die mit Eisenhämatoxylin und Eosin gefärbt 
wurden. Totalpräparate osmierter Bauchschuppenränder sind zu 
dunkel, um Einzelheiten erkennen zu lassen: um aber die Lipo- 
phoren auch in osmiertem Zustand in Flächenansicht betrachten 
zu können, fertigte ich ausserdem einige Flachschnitte von den 
in Flemmings Gemisch fixierten Hautstücken an. 

Unter schwächeren Vergrösserungen gewahrt man an den 
uneefärbten Querschnitten dort in der Haut. wo Lipo- 
phoren vorkommen, z. B. in der Bauchhaut von Lacertaagilis, 
eine dünne, etwas rauh begrenzte Zone (L, Fig. 51, Taf. VIII): 
sie liegt unmittelbar unter dem Epithel und oberhalb der Guano- 
phoren, so dass die Schnitte die aus der Flächenansicht gewonnene 
Anschauung über die Lage der Lipophoren bestätigen (vel. S. 181). 
Bei Lacerta muralis sieht man öfter, wie die Lipophoren- 
schicht (L), die sich in der Regel über die ganze Oberseite der 
Schuppen erstreckt, aber anscheinend niemals auf ihre Unterseite 
übergeht, innerhalb einer Schuppe abbricht und durch Allophoren 
(A) fortgesetzt wird (vgl. S. 119, Fig. 47, Taf. VIII). Bei stärkeren 
Vergrösserungen (Fig. 52, Taf. VIII) erweist sich die dünne schwarze 
Zone (L) unter dem Epithel aus zahlreichen, gruppenweise dicht 
gelagerten, grünlich schwarzen Körnchen von verschiedener Grösse 
zusammengesetzt, die nichts anderes sind als die Lipophoren- 
granula. Denn abgesehen von ihrer Lage und von ihrem Fehlen 
in nicht osmierten Präparaten zeigen sie genau denselben Farb- 
ton wie der Inhalt grosser subkutaner Fettzellen im gleichen 
Schnitt, über dessen Deutung kein Zweifel herrschen kann. Die 
(Grösse der Lipophorengranula im osmierten Präparat. ist durch- 
schnittlich bedeutender als an den überlebenden Zellen, so dass 
die Wahrscheinlichkeit nahe liegt, dass die Fixierung mit Chrom- 
osmiumessigsäure ein Zusammenfliessen der Fettröpfehen nicht 
ganz zu hindern vermag. An solchen dickeren Schnitten stellt 
man ferner gelegentlich fest, dass vereinzelte Körnchenhaufen 
auch zwischen den Guanophoren (G) auftreten und somit einzelne 
Lipophoren in die Guanophorenlage eindringen müssen. 

Hier und dort erscheinen in den Körnchenhaufen rundliche 
helle Lücken, die sich gemäss dem Vergleich mit gefärbten 
Schnittpräparaten als die Stellen der Kerne ergeben. Besonders 
schöne Bilder boten die Schnitte durch die Rückenhaut von 
Lacerta muralis, weil die Lipophorenschicht eine bedeutendere 


156 W.J. Schmidt: 


Dicke erreicht (Fig. 53, Taf. VIII). Dicht umlagert von den Granula 
tauchen in den Zellen (L) mächtige, rundliche oder längliche Kerne 
auf, die einen zentral gelegenen Nukleolus und ein chromatisches 
Gerüstwerk mit membranartiger Begrenzung nach aussen um- 
schliessen. Diese Lipophoren lassen aus der Form der Körnchen- 
ansammlungen auch am Schnitt die verästelte Beschaftenheit der 
Zellen erraten, indem von dem massigeren, den Kern enthaltenden, 
tiefer gelagerten Zellteil zur Epidermis hin Ausläufer entspringen 
(vgl. S. 182). Bei (der Bauchseite von) Lacerta vivipara 
(Fig. 55, Taf. VIII) sind die Lipophoren (L) viel weniger kräftig 
ausgebildet und die Granula auffallend klein. Lacerta agilis 
(Bauchseite, Fig. 54, Taf. VIII) nimmt eine Mittelstellung ein. 
Vom Protoplasma der Lipophoren ist auch an den 
Schnitten nichts gewisses zu erkennen; Sphären oder Zen- 
triole konnte ich in diesen Zellen nicht auffinden. Manchmal 
erscheinen die Lipophoren nach aussen hin durch eine zarte 
membranartige Linie abgegrenzt (Fig. 53, Taf. VIII): da aber an 
den überlebenden Zellen nichts von einer Membran zu sehen 
war, nehme ich an, dass eine durch die Fixierung bedingte \Ver- 
dichtung oder Schrumpfung der Zytoplasmaoberfläche vorliegt. 


e) Farbstoff. 


Die Lipophorengranula sind die Träger des Farbstoffes, 
/war erscheinen sie in dünner Schicht ausgebreitet (Fig. 34, 37, 
38, Taf. VII), fast oder ganz ungefärbt, sofern sie klein sind. Aber 
sobald sie in mehrfacher Schicht übereinander liegen (Fig. 32, 35, 
35, Taf. VII) oder grösser werden (Fig. 36, Taf. VII), erkennt man, 
dass sie gelb gefärbt sind, und die scheinbare Farblosigkeit bei 
vereinzelt liegenden kleinen Granula nur eine Folge ihrer geringen 
Masse ist. Das Plasma der Zellen ist farblos; wenn es oft einen 
gelben Schimmer besitzt, so wird er durch darüber oder darunter 
gelegene, nicht in der Einstellungsebene befindliche. Granula 
hervorgerufen. Wäre das Plasma selbst gefärbt, so müsste dort, 
wo die Granula spärlich sind, seine Farbe um so deutlicher hervor- 
treten; das ist aber keineswegs der Fall, vielmehr steigert sich 
die Intensität der Farbe mit der zunehmenden Anhäufung oder 
Grösse der Granula. 

Bei Lacerta agilis erscheint der Farbenton der Lipo- 
phoren, dort wo die Granula in dickerer Schicht übereinander 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 157 


liegen, kräftig chromgelb, bei Lacerta vivipara unter 
gleichen Bedingungen mehr nach Orange hin. Diese Beobach- 
tung könnte zunächst veranlassen, bei den beiden Formen zwei 
verschiedene Farbstoffe oder wenigtens Modifikationen eines und 
desselben Farbstoffes anzunehmen. Doch handelt es sich, wie aus 
den folgenden Befunden (siehe S. 188f) hervorgeht, nur um ver- 
schiedene Konzentrationen des Farbstoftes, der in der 
Fettmasse der Granula gelöst ist. Abgesehen von der Konzen- 
tration hängt der Ton der Farbe von der Dicke der Schicht ab, 
in der sie vorliegt. ‚Je grösser nämlich die Granula sind, um so 
mehr neigt in der Regel ihre Farbe nach Orange hin und grössere 
Fettropfen (Fig. 32, 43, 44, Taf. VII) erscheinen fast rein rot. 
Dieses Verhalten könnte ja allerdings einzig eine Folge ver- 
schiedener Konzentration der fettigen Farblösung sein; aber dass 
eine Erhöhung der Schichtdicke ebenso wirkt wie eine Verstärkung 
der Konzentration, geht daraus hervor, dass man regelmässig die 
Farbe von gelb nach orange steigen sieht, wenn mehrere gelbe 
Fettropfen zusammenfliessen. Besonders auffallend wird dieses 
Verhalten, wenn man durch Zusatz von heagentien massenhaft 
die Granula zum Austritt aus den Zellen und zum Verschmelzen 
bringt. Der Farbton der schliesslich entstehenden grossen Tropfen 
ist immer deutlich orangefarbig, wenn auch die unverletzten 
Lipophoren rein gelb erscheinen. 

Dass der Farbstoff der Lipophoren das von Krukenberg 
ermittelte Lacertofulvin ist (vgl. 8. 176), zeigt die Überein- 
stimmung seines Löslichkeitsverhaltens und seiner Reaktionen mit 
den von jenem Autor gegebenen Daten. Ich fand den Farbstoff 
in Alkohol, Äther, Xylol, Benzol und Toluol löslich. 
Entsprechend der Angabe Krukenbergs schien auch mir 
Erwärmung des Alkohols die Lösung nur wenig zu beschleunigen. 
Da Äther, Xylol, Benzol und Toluol ins wasserhaltige Gewebe 
schlecht eindringen, lassen sie sich mit Vorteil nur als Zusatz 
zum Alkohol, besser noch nach kurzer Vorbehandlung des Objektes 
mit Alkohol verwenden. Alsdann kann man leicht feststellen, dass 
ihre Gegenwart der Lösung des Farbstoftes sehr zugute kommt. 
Am geeignetsten zum Ausziehen des Farbstotfes erschien mir ein 
Gemenge von absolutem Alkohol und Äther. Bei allen 
drei untersuchten Eidechsenarten beobachtete ich unter dem 
Mikroskop die Blaufärbung der Lipophorenfettropfen 


185 W.J. Schmidt: 


bei Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure. Da die 
Schwefelsäure die (in Kochsalzlösung unter dem Deckglas befindlichen) 
Schuppenränder durch Einwirkung auf das Horn der Epidermis und 
Bindegewebe der Kutis stark verändert, ist es nicht möglich, die 
Reaktion an den Granula innerhalb der Zellen zu konstatieren ; 
vielmehr treten bei Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure die 
Tröpfehen sofort aus den Zellen aus und gelangen schliesslich in 
die umgebende Flüssigkeit. Dort werden sie unter der Wirkung 
der Schwefelsäure zunächst grünlich, dann prächtig blau. Dabei 
treten in ihrem Innern bräunliche, später ebenfalls blau werdende 
winzige Körnchen auf. Grün- oder Blaufärbung der Tropfen durch 
Zusatz von Salpetersäure konnte ich nicht erzielen; doch mag 
daran vielleicht zu geringe Konzentration der Säure schuld gewesen 
sein. Dagegen glückte mir (bei Lacerta agilis) die grün- 
blaue Verfärbung der Tropfen durch Jodjodkalilösung. 
Da nun in der Haut kein ‚anderer gelber Farbstoff enthalten ist, 
der die beschriebenen Lipochromreaktionen ergibt, so ist damit 
der Nachweis erbracht, dass der von Krukenberg im 
alkoholischen usw. Auszug der Haut makrochemisch gekenn- 
zeichnete Farbstoff in den Lipophoren lokalisiert ist. Wir können 
deshalb den Lipophorenfarbstoff als Lacertofulvin bezw. 
Lipochrin bezeichnen (vgl. S. 177). 


f) Lacertofulvinkristalle. 


Mit Absicht habe ich bis jetzt gewisse, von den Granula 
verschiedene Einschlüsse des Lipophorenplasmas noch nicht genauer 
beschrieben. Es handelt sich um die Ansammlungen kleiner 
rötlicher Gebilde, deren ich kurz bei der Schilderung des Eindruckes 
gedachte, den der lebendfrische Hinterrand einer Bauchschuppe 
unter schwächerer Vergrösserung darbietet (siehe S. 151), und andere 
ihnen verwandte Bildungen. 

In zahlreichen Lipophoren gewahrt man bei aufmerksamer 
Betrachtung unter starker Vergrösserung eine geringere oder 
grössere Anzahl von kleinen, geraden, gewöhnlich ziemlich dünnen, 
überall gleichbreiten Stäbchen, die durch eine kräftig 
orangerote, manchmal fast rein rote Farbe ausgezeichnet 
sind (Taf. VII, Fig. 37— 40). Sie kommen sowohl im Plasma des 
zentralen Zellteiles als auch in den Ausläufern vor; dort lagern 
sie meist tangential zum Kern (Taf. VIL, Fig. 38), hier fällt ihre 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 189 


Längsrichtung in der Regel mit der Verlaufsrichtung des Zell- 
fortsatzes zusammen. Nicht selten treten sie zu mehreren dicht 
beieinander auf und zeigen dann die Neigung, sich parallel zu 
ordnen. Von Struktur ist an den schmäleren nichts zu erkennen; 
die breiteren dagegen lassen oft eine Art paralleler Längsstreifung 
erkennen, vielleicht der Ausdruck einer Zusammensetzung aus 
einzelnen Nadeln. Auch glaubte ich an breiten Stäbchen oft eine Ab- 
schrägung der Enden zu sehen. Ganz besonders breite, plättchen- 
artige Stäbchen (Taf. VII, Fig. 35 und £1) zeigen regelmässig die 
Längsstreifung und Abschrägung ihrer Enden, wobei allerdings die 
Enden sägeartig eingeschnitten erscheinen, was wohl ebenfalls 
auf einen zusammengesetzten Bau der grösseren Gebilde hindeutet. 
Wenn die Längsachse der Stäbchen mit der optischen Achse des 
Mikroskops zusammenfällt, müssen sie unter dem Bild von Punkten 
auftreten (Taf. VII, Fig. 40), sofern ihre Breite nicht beträchtlich 
ist. Die längsten Stäbchen messen etwa S u. 

Schon die (restalt der Stäbchen macht wahrscheinlich, dass 
sie Mikrokristalle sind und diese Vermutung fand ihre 
Bestätigung bei Untersuchung in polarisiertem Licht:') die 
Stäbchen sind doppeltbrechend, und zwar erscheinen sie 
zwischen gekreuzten Nikols und bei Drehung des Objekttisches 
um 360° abwechselnd viermal hell — wenn ihre Längsachse 
gekreuzt zu den Polarisationsebenen liegt —, und viermal dunkel — 
wenn ihre Längsachse mit ihnen übereinstimmt. Die Auslöschung 
erfolgt im ganzen Stäbchen gleichmässig. Die dünneren Stäbchen 
‚lassen in polarisiertem Licht ihre Eigenfarbe nicht deutlich 
erkennen, die dickeren dagegen zeigen orangerote Farbe. Die 
Doppelbrechung der Stäbchen ist so stark, dass die Beobachtung 
der Stäbehen in polarisiertem Licht das beste Mittel ist, sich 
schnell über ihre Anwesenheit und Verteilung zu unterrichten, 
falls man sich im guanophorenfreien Gebiet hält. Betrachtet man 
die Stäbchen zwischen gekreuzten Nikols bei eingelegtem Gips- 
plättchen Rot I. O., so bieten sie Additionsfarben (Blau II. O.) dar, 
wenn ihre Längsrichtung mit der Richtung grösster Elastizität 
im Gipsplättchen übereinfällt, Subtraktionsfarben (Gelb 1. O0.) in 
dazu senkrechter Lage. 


') Hinsichtlich der Untersuchungsmethode in polarisiertem Licht 
vgl. S. 200. 


190 Wa sSicchmidt: 


Die Farbe der kristallinischen Stäbchen, die mit dem gelb- 
roten Ton der intensiver gefärbten Fettropfen nahezu überein- 
stimmt — sie ist, wenn man die geringe Dimension der (Gebilde 
bedenkt, noch leuchtender und kräftiger — lässt von selbst den 
(redanken Raum gewinnen, dass in ihnen das Lipochrin in höchster 
Konzentration vorliegt. mit anderen Worten, dass die Stäbchen 
Lacertofulvinkristalle sind. Diese naheliegende Vermutung 
wurde dadurch zur (Gewissheit erhoben. dass sich die kristal- 
linischen Stäbchen ebenfalls bei Zusatz von konzen- 
trierter Schwefelsäure zunächst bräunlich, dann stark blau 
färben. Besonders leicht lässt sich diese Beobachtung machen, 
wenn man zu einem (in physiologischer Kochsalzlösung gelegenen) 
Bauchschuppenhinterrand reichlich konzentrierte Schwefelsäure 
zufliessen lässt. Horn und Bindegewebe der Schuppen werden 
dann manchmal so schnell zerstört, dass die Stäbchen aus den 
Zellen in Freiheit gesetzt werden und in die Flüssigkeit zu liegen 
kommen, bevor ihre Verfärbung beginnt, die immer eine gewisse, 
wenn auch kurze Zeit in Anspruch nimmt. Auf solche Weise 
ist es auch leicht möglich, sich von der Masse der Lipochrin- 
kristalle in einer Schuppe zu überzeugen. Ausser der Blaufärbung 
durch konzentrierte Schwefelsäure, die meiner Ansicht nach voli- 
kommen hinreicht, unter den obwaltenden Umständen die Identität 
der Stäbehensubstanz mit dem Lipochrin darzutun, besitzen die 
Stäbchen das gleiche Lösungsverhalten wie der Lipo- 
phorenfarbstoff. Direkt habe ich ihre Auflösung nur in Äther 
beobachtet; da sie aber im mikroskopischen Dauerpräparat regel- 
mässig wie die Lipophorengranula verschwunden sind, so muss ich 
schliessen, dass sie auch in Alkohol, Xylol u. dgl. löslich sind. 
Somit kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die kristal- 
linischen Stäbchen reines, kristallisiertes Lacertofulvin darstellen. 
Das Kristallisationsvermögen des Lipophorenfarb- 
stoffes ist um so bemerkenswerter, als nur wenige Lipochrome 
in Kristallisiertem Zustand bekannt sind, wie das Urustaceorubin 
und verwandte Farbstoffe bei Krebsen, die „Carotine“ bei gewissen 
Insekten (vgl. P. Schulze 1913), das Lutein im gelben Körper 
des Säugerovars (vel. z. B. im Biochem. Handlexikon, Bd. 6, 
S. 303f.). Reptilien- und Amphibienlipochrome (Lipochrin) sind 
bisher nur in amorphem Zustand (und zwar in ihrem natürlichen 
Vorkommen in Fett gelöst) beobachtet worden. Die. Kristalle 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 191 


des Lipophorenfarbstoffes bieten den Farbstoff rein dar und um- 
schreiben innerhalb der grossen Gruppe der Lipochrome seine 
chemische Individualität besser durch ihre Form und Farbe als 
es durch Löslichkeitsverhalten und Absorptionsspektrum des Farb- 
stoffs allein möglich wäre. 

Ausser in der Form von Stäbchen, die mit der kristallinischen 
Natur wohl vereinbar ist, tritt das reine Lipochrin noch in anderen 
Gestalten auf. Gelegentlich beobachtet man in den Lipophoren 
und öfter scheinbar extrazellulär — über diese extrazelluläre Lage 
siehe unten — unregelmässig geformte Gebilde, die in ihrer Farbe 
und, wie sich weiter ergeben wird, auch in optischer und chemischer 
Hinsicht mit den kristallinischen Lipochrinstäbchen wesentlich über- 
einstimmen. Meist stellen sie (bis 16 « lange) fadenartige 
Gebilde dar (Fig. 42, Taf. VII), die sich nach beiden Enden 
allmählich verjüngen und spitz auslaufen, dabei nicht gerade, 
sondern bogig gekrümmt, öfter auch an einem Ende ösen- 
artig oder spiralig eingerollt sind. Auch einseitig ver- 
dickte oder zugespitzte, gerade oder gekrümmte Stäbchen kommen 
vor (Fig. 36, Taf. VII). Sehr charakteristisch sind die nicht selten 
auftretenden ringförmigen Gebilde (Fig. 42, Taf. VII). Ferner 
konnte ich etwas unregelmässig geformte kleine oder grössere 
Körnchen (Fig. 44a, 45, Taf. VII) von Lacertofulvin feststellen. 
Wenn diese (Gebilde ausserhalb der Zellen erscheinen, so treten 
sie meist nicht vereinzelt auf, sondern in kleineren Gruppen, die 
sich schon bei schwächeren Vergrösserungen verraten (Fig. 31, 
Taf. VII); Fig. 42, 43, 45, Taf. VII geben solche Gruppen wieder, 
in denen meist verschieden geformte Lipochrin-Gebilde beieinander 
liegen. 

Löslichkeitsverhalten und Bläuung bei Zusatz von 
konzentrierter Schwefelsäure teilen diese unregelmässigen Lipo- 
chringebilde mit den regelmässig geformten kristallinischen 
Stäbehen in gleicher Weise: auch sind sie doppelbrechend. 
Doch zeigt ihr Verhalten in polarisiertem Licht einige aus Ihrer 
anderen Form verständliche Abweichungen. Die gekrümmten 
Stäbchen verhalten sich so wie etwa eine gekrümmte doppel- 
brechende Sehnenfaser, d.h. sie sind, wenn die Krümmung einiger- 
massen stark ist, niemals gleichmässig hell zwischen gekreuzten 
Nikols und löschen auch nicht in ihrer ganzen Ausdehnung gleich- 
mässig aus. Vielmehr erscheinen nur die Abschnitte eines solchen 


192 W. J. Schmidt: 


gekrümmten Fadens hell, welche annähernd * 45° zu den Polari- 
sationsebenen gerichtet sind, und diejenigen dunkel, welche in 
die Polarisationsebenen hineinfallen. Dadurch ergeben sich bei 
den ringförmigen Lipochringebilden sehr eigenartige 
Erscheinungen, die den Ring als einen kreisföürmig zusammen- 
gebogenen Faden aufzufassen gestatten. Zwischen gekreuzten 
Nikols zeigt nämlich ein solcher Ring ein dunkles Kreuz, 
dessen Arme mit den Polarisationsebenen übereinstimmen, weil 
die Teile des Ringes unsichtbar werden müssen, die der einen 
oder anderen Polarisationsebene annähernd parallel gehen. Legt 
man ein Gipsplättchen Rot I. ©. ein, so nehmen die Quadranten, 
welche von der Richtung grösster Elastizität im Gipsplättchen 


durchschnitten werden, Subtraktionsfarben an — die auf diese 
(Juadranten entfallenden Teile des Ringes stehen senkrecht zur 
Richtung grösster Elastizität im Gips — die entgegengesetzten 
(Juadranten Additionsfarben an — in ihnen laufen die Teile 
des Ringes mit der Richtung grösster Elastizität im Gips 
parallel. — Dieses Auftreten eines sog. negativen Kreuzes 


entspricht also ganz den Verhältnissen am kristallinischen Stäbchen 
(siehe oben). Auch dieLipochrinkörnchen erwiesen sich allerdings 
in ziemlich ungleichmässiger Weise doppelbrechend. 

Nun ist den Mineralogen schon lange bekannt. dass mikro- 
skopische Individuen von Kristallen, sog. Mikrolithen, allerhand 
Abweichungen in ihrer äusseren Gestalt unterworfen sind: „bald 
erscheinen die Nadeln an einem oder an beiden Enden etwas 
keulenförmig verdickt, oder pfriemenförmig zugespitzt,“ ... oder 
fein eingesägt ...; bald sind sie schwächer oder stärker haken- 
ähnlich gekrümmt oder gar geknickt. schleifenförmig verdreht 
oder pfropfenzieherartig geringelt ...* (Zirkel 1898, S. 149). 
Offenbar stellen die letzt beschriebenen Lipochringebilde derartige 
Abweichungen von der regelmässigen Kristallform dar. Ich möchte 
nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass man in den Wurzeln 
der Möhre (Daucus carota) neben typischen Carotinkristallen 
(vgl. S. 102) ganz ähnliche unregelmässe Kristallgebilde beobachten 
kann, wie ich sie hier von den Lacertofulvinkristallen geschildert 
habe. 

Wie schon angedeutet, fand ich nicht immer die Lipochrin- 
kristalle innerhalb der Lipophoren, sondern bisweilen scheinen 
sie, in Gruppen beieinander gelegen (vgl. Fig. 32, 41—45, Taf. VII), 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 193 


ausserhalb der Zellen frei im Gewebe vorzukommen. Doch 
muss ich hervorheben, dass ich solche Beobachtungen vornehmlich 
an Stellen machte, an denen infolge der dichten Lagerung der 
Lipophoren (Fig. 32, Taf. VII) oder der Anwesenheit von Guano- 
phoren oder Melanophoren (Fig. 41, Taf. VII) die einzelnen Lipo- 
phoren überhaupt nicht sicher voneinander abgegrenzt werden 
konnten, dass also in vielen Fällen doch die Möglichkeit intra- 
zellulärer Lage gegeben ist. Wenn aber wirklich die Lacertofulvin- 
kristalle auch frei im Gewebe vorkommen, kann dieses Verhalten 
wohlnur so erklärt werden, dasssieintrazellulärentstanden, 
erst nachträglich aus den Zellen ausgetreten sind. 
Denn die Bildung oder mindestens die Speicherung des Lipochrins 
muss doch als eine spezifische Tätigkeit der Lipophoren ange- 
sehen werden, und es ist nicht etwa anzunehmen, dass das 
Lipochrin primär in der interzellulären Lymphe kristallinisch 
ausgeschieden wird, da man es doch sonst wohl im ganzen Körper 
antreffen müsste. 

Ich denke mir, dass das in den Zellen gebildete Lipochrin, 
sofern hinreichend Fettgranula vorhanden sind, in den Fettröpfchen 
gelöst erscheint. Wenn dagegen die Ablagerung von Fett in den 
Lipophoren nachlässt, oder die Bildung des Lacertofulvins überhand- 
nimmt, steht dem Farbstoff das Lösungsmittel (Fett) nicht mehr 
in hinreichender Menge zur Verfügung und er muss in fester 
Form auftreten. Tritt nachträglich wieder mehr Fett auf, so 
können die kristallinischen Farbstoftablagerungen wieder in Lösung 
gehen. So glaube ich, ist es auch zu erklären, dass man intensiv 
gefärbten Massen begegnet, über deren Aggegratzustand, ob flüssig 
oder fest, die Beobachtung im gewöhnlichen Licht im Zweifel 
lässt, und erst das Polarisationsmikroskop den Entscheid zu fällen 
gestattet: sind die betreffenden Gebilde doppelbrechend, so müssen 
sie als feste Körper betrachtet werden, im entgegengesetzten Fall 
als Hlüssig. Ergibt sich in dieser Weise der flüssige Aggregat- 
zustand, während die Farbe und die von der Kugelgestalt manchmal 
stark abweichende Form der Gebilde zunächst für feste Körper 
sprechen würden, so liegen wahrscheinlich sehr konzentrierte Lipo- 
chrinlösungen vor. 

Die Konzentration des Lacertofulvins in den Lipophoren und 
gegebenenfalls sein Vorkommen in fester Form sind natürlich 


auch für das makroskopische Aussehen der Lipophorenmassen aus- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 13 


194 W. J. Schmidt: 


schlaggebend. Bei Lacertaagilis finden sich Lipochrinkristalle 
viel seltener als bei Lacerta vivipara, und abgesehen von 
der meist intensiven Färbung der Lipophorengranula bei letzterer 
Form bewirkt hier vor allem die Untermengung der gelben Massen 
mit den fast rein rot gefärbten festen Farbstoffablagerungen, die 
mit blossem Auge nicht einzeln kenntlich sind, eine Vertiefung 
des Farbentones der Bauchhaut nach orange oder rot hin. Es 
ist sehr wohl denkbar, dass gewisse Formen von Erythrose 
bei Eidechsen massenhaftem Vorkommen von festem Lipochrin 
ihre Entstehung verdanken. 


8) Bewegungserscheinungen ? 

Obwohl ich öfter besondere Aufmerksamkeit darauf verwandt 
habe, etwaige Bewegungserscheinungen an den Eidechsenlipophoren 
festzustellen, habe ich doch weder Formveränderungen der ganzen 
Zelle, noch intrazelluläre Verlagerungen oder auch nur kleinste 
Verschiebungen der (Grranula, Lacertofulvinkristalle und verwandter 
Bildungen beobachten können. Darnach muss ich schliessen, dass 
den Eidechsenlipophoren eine aktive Bewegungsmöglichkeit nicht 
zukommt. Nicht ganz selten sah ich die Lipophorengranula in 
kleineren Zellabschnitten in lebhafter Brownscher Molekular- 
bewegung begriffen. Doch dürfte es sich in diesen Fällen wohl 
um Verletzungen der Zellen handeln, vielleicht schon um Austritt 
von Zellinhalt in die Umgebung; es ist ja möglich, dass der Druck, 
dem der Bauchschuppenhinterrand im Augenblick des Abschneidens 
mit der Schere ausgesetzt ist, hinreicht, die eine oder andere 
der augenscheinlich sehr zarten und empfindlichen Lipophoren zu 
schädigen. 


V. Die Guanophoren. 
a) Zellnatur. 

Die Zellnatur der (Gwuanophoren wurde zuerst von 
Blanchard (1880, S.12) für Lacerta ocellata einwandfrei 
sichergestellt. Wenn ältere und auch neuere Autoren (Carlton 
1904, S. 262 bei Anolis) in diesem Punkte eine gewisse 
Unsicherheit bekunden, so liegt es wohl daran, dass sie die 
Guanophoren dort untersucht haben, wo sie gehäuft vorkommen 
und in der Tat eine Schwierigkeit besteht, die einzelne Zelle zu 
erkennen, da die benachbarten Elemente sich mit ihren Ausläufern 
durchflechten. Prüft man die Guanophoren dagegen an Stellen, 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 195 


an denen sie vereinzelt auftreten und ihnen geringer Raum zur 
Tiefenentwicklung zur Verfügung steht, so dass die Zellen in 
einfacher Schicht vorliegen und ihre Ausläufer sich alle in einer 
Ebene befinden und leicht zu überschauen sind, so ergibt sich 
ihre Zellnatur ohne weiteres aus ihrer Form und der Gegenwart 
und Lage des Kernes. 

Schon mehrfach habe ich in früheren Arbeiten bei ver- 
schiedenen Arten (W. J. Schmidt 1912 a und b, 1914) solche 
Zellen beschrieben und abgebildet und möchte hier zunächst auf 
einige neue geeignete Untersuchungsobjekte hinweisen. Am freien 
Hinterrand der Bauchschuppen unserer einheimischen Eidechsen 
lassen sich am überlebenden, in physiologischer Kochsalzlösung 
aufgehobenen Totalpräparat ohne weiteres vereinzelte Guanophoren 
auffinden (vgl. Taf. VII, Fig. 31 und 32), die in durchfallendem 
Licht prächtige Interferenzfarben zeigen. Sie erscheinen als Zellen 
mit mässig zahlreichen, lappigen Ausläufern; die Lage des zentral 
gelegenen Kerns verrät sich oft durch eine rundliche oder ovale 
durehscheinende Stelle. Wenn Pouchet (1876, S. 60) von den 
(suanophoren der grünen Eidechse behauptet, dass wenigstens 
beim Erwachsenen durchaus kein Kern zu unterscheiden sei, 
und wenn Blanchard (1880, S. 12) für Lacerta ocellata 
die Ansicht vertritt, der Kern fehle beim erwachsenen Tier häufig, 
so kann ich dem nach meinen Befunden bei den verschiedensten 
Formen, unter anderen den einheimischen Lacertiden, nicht bei- 
stimmen. Abgesehen davon, dass die Stelle des Kernes am über- 
lebenden Objekt häufig zu erkennen ist und er auch an ihm durch 
Methylenblau gefärbt werden kann, findet man am gefärbten 
Schnittpräparat Kerne in den Guanophoren so häufig, dass wohl 
auf jede Zelle ein Kern entfallen kann unter Berücksichtigung 
der vielen im Schnitt sich darbietenden kernlosen Zellabschnitte. 
Ferner besteht die Guanophore ja nicht allein aus einer Anhäufung 
der kristallinischen, toten Inhaltsmasse, sondern diese letztere 
ist in erheblichen Mengen von Zytoplasma eingebettet (siehe S. 212), 
dessen dauernder Bestand ohne Kern nach den herrschenden An- 
schauungen vom Leben der Zelle undenkbar ist. Blanchard 
(1880, 8. 12) gibt die Grösse der Guanophorenkerne zu 2—3 u 
an; ich habe bei Lacerta muralis in der Rückenhaut einige 
Kerne gemessen und Grössen bis zu 8 u beobachtet, etwa ent- 


sprechend den Kernen der basalen Epidermiszellen. Auch finde 
13* 


196 W.J. Schmidt: 


ich entgegen Blanchard die Kerne der Zellen nicht rundlich, 
sondern meist zur Hautoberfläche (wie die ganzen Zellen) ab- 
geplattet ; indessen sind sie dabei bisweilen (gemäss dem Bild bei 
Veränderung der Einstellung) in einer Richtung in die Länge 
gestreckt. Jedenfalls kann aus der Grösse der Kerne nicht auf 
ihre beginnende Rückbildung geschlossen werden und auch ihr 
Bau zeigt keinerlei Hinweis auf Chromatolyse (Taf. VII, Fig. 56, 
59 und 60a—c): ein oder zwei Nukleolen und zahlreiche kleinere, 
gleichmässig verteilte Chromatinkörnchen sind bei guter Färbung 
im Kerninneren kenntlich. Den Guanophoren scheint im Gegensatz 
zu Melanophoren und Allophoren immer nur ein Kern zuzukommen. 

Ein weiteres vorzügliches Untersuchungsobjekt für Guano- 
phoren bilden die Rückenschuppen von Lygosoma smaragedinum 
Less., einzeln, ungefärbt zu Balsampräparaten verarbeitet. Lygo- 
soma gehört zu den Sceincoiden und besitzt wie alle Formen 
dieser Gruppe in der Kutis gelegene, aus mehreren Plättchen 
mosaikartig zusammengefügte Knochenschuppen. Diese reichen 
bis nahe an die Epidermis heran und lassen demnach den 
(ruanophoren nur einen sehr geringen Raum zur Tiefenentfaltung 
übrig. Hier sieht man die Zellen in grosser Menge und dünner 
einfacher Schicht ausgebreitet, nebeneinander liegen als verästelte, 
kantig umrissene Elemente, die sich mit ihren Ausläufern ineinander 
schieben. Fast in jeder Zelle ist bei hinreichender Vergrösserung 
die zentrale helle Stelle des Kernes wahrzunehmen. In Texttig. 10 
ist eine Gruppe von fünf derartigen Zellen in den Umrissen darge- 
stellt. Diese Guanophoren von Lygosoma zeigen bei durch- 
fallendem Licht gelbliche Farbe, bei auffallendem makroskopisch 
ein prachtvolles Blau, mikro- 
skopisch lebhaft glitzernde, blaue 
und grüne Töne. 

Zumeist wurden die (ru- 
anophoren bei Sauriern (ein- 
schliesslich Chamäleonen) unter- 
sucht, doch fehlen sie keineswegs 
Schlangen, Krokodilen und 
Schildkröten. BeiSchlangen 
beschrieb sie z. B., abgesehen 


Fig. 10. 


Gruppe von fünf Guanopheren von 3 BEE 
Lygosoma smaragdinum. von älteren Mitteilungen Ley- 


Vergr. 450:1. digs (vgl. diesen Autor 158), 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 197 


Todaro (1878, S. 1100) als „cellule a pigmento giallo“, 
Ficalbi (1888, S. 85). unter Betonung ihrer zelligen Natur, 
als „cromatofori gialli; eromatofori giallo verdi“. Croco- 
dilus niloticus bietet an Schnitten der Rückenhaut, be- 
sonders leicht nachweisbar in polarisiertem Licht, eine Zone 
von Guanophoren zwischen kollagener Grenzlamelle und Melano- 
phoren dar, die aus Elementen mit dünnen, ziemlich langen Aus- 
läufern zu bestehen scheint. welche nur spärlichen kristallinischen 
Inhalt umschliessen.) Auch Oppenheimer (1895) gibt in 
Abbildungen die „Strukturfarbenschicht“ von Crocodilus 
vulgaris und porosus wieder. Einige Stichproben, die ich 
bei Schildkröten machte, lehrten mich, dass bei Emyda granosa 
(— ceylonensis) sehr zierliche, reich verästelte Guanophoren 
meist mit schlanken Ausläufern vorkommen (Haut des Halses 
eines jungen Tieres von 3,5 cm Länge), deren kristallinischer 
Inhalt aus sehr locker gelagerten und daher gut unterscheidbaren 
Plättchen besteht (vgl. Textfig. 13), so dass das Objekt in dieser 
Hinsicht das beste mir bekannte darstellt (siehe unten). Indessen 
steht die feinere histologische Untersuchung der Guanophoren bei 
Schlangen, Krokodilen und Schildkröten im allgemeinen noch aus 
und würde gewiss mancherlei beachtenswerte Ergebnisse zutage 
bringen. 

Durchweg stellen die Guanophoren mehr oder minder verästelte 
Zellen dar; Grösse, Form und Art der Verweigung unterliegen aber 
je nach den Arten und Körperstellen beträchtlichen Unterschieden ; 
ich verweise in dieser Hinsicht auf die Textfig. 10— 14, Fig. 31, 
Taf. VII und ferner auf meine diesbezüglichen früheren Mitteilungen 
(W. J. Schmidt 1912 a und b, 1913, 1914). 


b) Entwicklung. 


Über die Entwicklung der Guanophoren lagen bisher 
keinerlei Angaben vor, und trotz mancher Versuche in dieser 
Richtung bin ich nur zu spärlichen Ergebnissen gelangt. Bemerkens- 
wert ist zunächst, dass die Guanophoren nach den Melanophoren 


!) Eine sehr mächtig entwickelte Guanophorenschicht findet sich unter 
dem Epithel der Zungenoberfläche von Crocodilus niloticus, wie über- 
haupt die eigentümlich weisse Färbung der Mundhöhle bei Krokodilen auf 
die Anwesenheit von Guanophoren zurückzuführen ist; über den chemischen 
Nachweis von Guanin in der Haut der Krokodile siehe 8. 220. 


198 W. J. Schmidt: 


sichtbar werden und daher erst in späteren embryonalen Stadien 
zu erwarten sind; so suchte ich sie vergebens in jüngeren Stadien 
von Lacertiden und Agamiden (Draco, Calotes), deren Melano- 
phoren schon gut kenntlich waren. Die Schwierigkeit, die frühesten 
Entwicklungszustände dieser Zellen aufzufinden, beruht darin, 
dass irgendwelche in der Kutis gelegene Elemente, die ihrer Form 
nach als Guanophoren anzusprechen wären, nicht sicher als solche 
gelten können, bevor der für die Guanophoren charakteristische 
kristallinische Inhalt erscheint. Da der letzte nun zunächst sehr 
spärlich auftritt, sind die Zellen leicht zu übersehen und es 
empfiehlt sich, die Präparate in polarisiertem Licht bei gekreuzten 
Nikols zu untersuchen; alsdann verraten sich die kleinsten Spuren 
des kristallinischen Guanophoreninhaltes durch ihr Aufleuchten 
im dunklen Gesichtsfeld. Indem ich in dieser Weise Balsam- 
präparate von ungefärbten Hautstücken verschiedener Eidechsen- 
embryonen prüfte, stiess ich bei älteren Embryonen von Gecko 
verticillatus auf Guanophoren, die bei ihrer geringen (Grösse 
und der schwachen Entwicklung der kristallinischen Inhaltsmassen 
als jugendliche Guanophoren gelten müssen. Hat man 
einmal in polarisiertem Licht diese Elemente aufgefunden, so 
bereitet ihre Beobachtung in gewöhnlichem Licht keine besonderen 

Schwierigkeiten mehr. 
Die Zellen von Gecko verticillatus besitzen einen 
grossen zentralen Teil, 


ß von dem sehr dünne, 
[} . Be 
\ ; e leicht gewundene Ausläufer 
“N f [4 a 
er abgehen (Textfig. 11). Ihr 
ee 1 f 
I 1 ER Protoplasma ist an den 
Sn Y U 3" En Re 
R N | Rn ungefärbten Präparaten 
= area "co 5 
Ne nicht zu erkennen und 
LE BEN f . av . 
EBENE RN ihre Gestalt demnach im 
Ei aD 6 o 1 
u T. ja #7 Nu... Mikroskopischen Bild we- 
SACHS 8 sentlich durch die Vertei- 
Z \ \ RE 
' lung des kristallinischen 
E Zellinhaltes bestimmt, den 
r > x & 
? wir kurz als Guanin be- 
Fig. 11. 


Jugendliche Guanophore aus der Rücken- zeichnen wollen (siehe Seite 
haut eines älteren Embryos von Gecko 218). Das Guanin erscheint 
verticillatus. Vergr. 1360:1. hier in Form von kürzeren 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 199 


oder längeren Stäbchen, die nach ihrem optischen Verhalten 
als Kriställchen betrachtet werden müssen (siehe unten); die 
grössten Stäbchen messen 3—4 «u in der Länge, die kleinsten er- 
scheinen punktförmig, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, 
dass manche grössere Stäbchen mit ihrer Längsachse der op- 
tischen Achse parallel verlaufen mögen und so körnchenartige 
Gebilde vortäuschen können. Im mittleren Teil der Zelle sind 
die Stäbehen sehr spärlich vorhanden, was wohl auf die Gegen- 
wart des Kerns zurückzuführen ist, und ganz unregelmässig ge- 
lagert; in den Fortsätzen dagegen fällt die Längsachse der Stäbchen 
überwiegend mit der des betreffenden Ausläufers zusammen. 


c) Struktur des kristallinischen Inhaltes und Zytoplasma. 


Die Beobachtung, dass das Guanin als bestimmt geformte 
Gebilde in den Zellen von Gecko vertieillatus auftritt, ver- 
anlasste mich, dem Guanophoreninhalt eine erneute Unter- 
suchung zu widmen. Bei den von mir bisher vorgenommenen 
Formen (Phelsuma, Tarentola, Uroplatus, Gerrhosaurus, 
Anguis) hatte ich nichts Derartiges bemerken können, vielmehr 
erschien mir der Guanophoreninhalt unter der Form gröberer 
und feinerer Körnchen, die nur unter dem Polarisationsmikroskop 
ihre kristallinische Natur verrieten (W.J.Schmidt 1912a und b, 
1913, 1914). Doch liegen in der Literatur zwei abweichende 
Angaben vor, die hier zunächst ihre Erwähnung finden sollen. 
Pouchet (1876, S. 60) empfiehlt zur Untersuchung der Guano- 
phoren von Lacerta viridis, die oberflächlichen Hautschichten 
mehrere Tage in schwacher Essigsäure zu behandeln. Da Guanin 
in Essigsäure unlöslich ist, dürfte die Wirkung dieser Vorbe- 
handlung wesentlich auf der durch Säure bedingten Quellung und 
Aufhellung des Bindegewebes beruhen. Alsdann kann man nach 
Pouchet bei starker Vergrösserung feststellen, dass die Massen 
der „substance e@rulescente* Andeutungen paralleler Linien 
zeigen, die 1—1,5 « von einander entfernt sind und eine 
lamellöse Struktur anzuzeigen scheinen. Indessen gelang 
es Pouchet in keiner Weise, die Masse in isolierte Lamellen zu 
zerlegen. Ferner ist hier vielleicht die Mitteilung Blanchards 
(1850, S. 12) zu vergegenwärtigen, dass die Guanophoren von 
Lacerta ocellata von kristallinischen Flitterchen 
(„pailletes“) erfüllt seien, die in blau, grün, gelb usw. schillern 


200 W.J. Schmidt: 


und zudem ihre Farbe nach der Stärke der Vergrösserung und 
der Art der Beleuchtung wechseln. 

Meine diesbezüglichen Untersuchungen erstrecken sich vor- 
nehmlich auf die Guanophoren der Lacertiden; daneben 
prüfte ich die schon erwähnten Guanophoren von Emyda 
granosa, ferner auch diejenigen von Uroplatus, Phelsuma, 
Tarentola. Sie wurden sowohl an Totalpräparaten von Haut- 
stücken in Balsam, als auch an gefärbten und ungefärbten 
Schnitten angestellt, die senkrecht und vereinzelt parallel zur 
Fläche der Haut geführt waren. Da Guanin sowohl in Alkalien 
als auch Mineralsäuren löslich ist, müssen bei der Herstellung 
der Präparate alle derartigen Substanzen vermieden werden, wenn 
man auf die Erhaltung des kristallinischen Inhalts rechnen will. 
Als Fixierungsflüssigkeiten empfehlen sich also etwa Alkohol und 
Formol (säurefrei!), Sublimat;, auch bei Fixierung n Flemmings 
(Gemisch bleibt der Guanophoreninhalt anscheinend vollkommen 
unverändert. Zur Färbung eignet sich Delafields Häma- 
toxylin und Eosin, dagegen nicht Eisenhämatoxylin; denn 
längere Beizung der Präparate mit Ferriammoniumsulfat und die 
Anwendung der gleichen Substanz zum Ditferenzieren der Farbe 
löst (in sehr schonender Weise) das Guanin auf. Solche Eisen- 
hämatoxylinpräparate sind aber hervorragend geeignet, über das 
Plasma der Guanophoren Aufschluss zu geben, wie später berichtet 
werden soll. 

Da der Guanophoreninhalt, wie schon mehrfach erwähnt, 
doppelbrechend ist, bildet die Untersuchung der Präparate in 
polarisiertem Licht bei gekreuzten Nikols ein ausgezeichnetes 
Hilfsmittel. Ich bediente mich einer Polarisationseinrichtung von 
Zeiss, bestehend aus einem Polarisator, der in den Blenden- 
träger des Abböschen Apparates eingehängt, und eines Hutnikols, 
der dem Okular aufgesetzt wird. Bei hinreichend starker Beleuchtung 
(Glühstrumpf), vor allem, wenn zwischen Kondensorlinse und Unter- 
seite des Objektträgers eine Verbindung mittels Wasser hergestellt 
wird, welche die Reflexion von Lichtstrahlen an der Unterseite 
des Objektträgers verringert und die Apertur (1,4) des Kondensors 
fast ganz auszunützen erlaubt, erscheint das Bild bei Anwendung 
der Apochromat-Immersion 2 mm N.A. 1,30 und Komp.-Okular 3 
in tadelloser Schärfe. So kann man mit Sicherheit das optische 
Verhalten der im gewöhnlichen Licht zu erkennenden Strukturen 


Die Uhromatophoren der Reptilienhaut. 201 


feststellen. Dabei bietet der Hutnikol gegenüber dem in den 
Tubus einschiebbaren Analysator der üblichen mineralogischen 
Stative (falls er nicht zugleich auch drehbar ist!) die Annehmlichkeit, 
dass man durch Drehung des Hutnikols allmählich Aufhellung des 
dunklen Gesichtsfeldes herbeiführen kann und so das beobachtete 
Objekt beim Übergang vom polarisierten zum gewöhnlichen Licht 
(oder umgekehrt), keinen Moment aus dem Auge verliert. Auch 
bei schwächeren Vergrösserungen!) gibt die Beobachtung (an 
Totalpräparaten) in polarisiertem Licht entzückend schöne Bilder, 
die rasch über Gegenwart und Verteilung der Guanophoren in 
der Haut aufklären. Besonders hübsch ist der Eindruck beim 
Einlegen eines Gipsplättchens Rot I. OÖ. So erscheinen z. B. bei 
einem dünneren Totalpräparat (Haut eines älteren Embryo von 
Ptychozoon) die Melanophoren bräunlichschwarz, die Guano- 
phoren in lebhaften Interferenzfarben auf dem roten Untergrund 
des Bindegewebes. Auch vereinzelt liegende Melaninkörnchen 
können mittels des Polarisationsmikroskops immer leicht und 
sicher von anderen ähnlich geformten Gebilden unterschieden 
werden.?) 

Der erste, der sich des Polarisationsmikroskopes zum Nachweis 
der (Guanophoren bediente und ihren kristallinischen Inhalt als 
sehr stark doppelbrechend bezeichnete, ist wohl Kruken- 
berg (1582b) gewesen. Er empfiehlt polarisiertes Licht (S. 254) 

!) Der Zeisssche Apochromat S mm enthält eine doppelbrechende 
Linse und wirkt daher depolarisierend; doch bietet Apochromat 16 mm 
vereint mit starkem Kompensationsokular (12) sehr angenehme Beobachtungs- 
möglichkeit für solche Verhältnisse. 

°) Dunkelfeldbeleuchtung (Paraboloidkondensor von Zeiss 
oder Zentralblende mit Immersionskondensor) lässt sich ebenfalls zur Unter- 
suchung der Guanophoren gebrauchen, wenn auch nicht mit dem Vorteil wie 
polarisiertes Licht, da man auf die Anwendung schwächerer Vergrösserungen 
(bei Betrachtung von Balsam-Totalpräparaten) beschränkt ist, weil bei starken 
Verschleierung durch die Dicke des Objektes (Übereinanderlegen zahlreicher 
Beugungsbildchen) eintritt. Der Eindruck der Präparate bei solcher Be- 
obachtungsweise ist ähnlich dem bei auffallendem Licht (Opakilluminator) 
und gestattet eine sehr leichte Orientierung über das Verhalten der ver- 
schiedenen Uhromatophoren in den obersten Hautlagen, also etwa die 
Feststellung, ob Melanophoren oder Allophoren expandiert sind und wie sich 
ihre letzten Verzweigungen (pigmenterfüllt) verhalten. Für solche Zwecke 
kann ich die Anwendung der Dunkelfeldbeleuchtung nicht nachdrücklich 
genug empfehlen. 


202 W.J. Schmidt: 


hauptsächlich zum Auffinden der Guanophoren an Stellen, die 
reich an schwarzem Pigment sind und weist auf die in Balsam 
eingeschlossenen Schwanzflossen junger Salamanderlarven als 
Demonstrationsobjekt hin, ferner auf die Schwimmhäute der Frösche, 
an denen man sich so leicht von der zelligen Natur der die doppel- 
brechenden Körperchen enthaltenden histologischen Elemente 
überzeugen könne. Schwieriger gelinge das bei Tieren, bei denen 
die „weisse Masse“ in grossen Mengen vorkomme, wie in der Haut 
vom Chamäleon. Dann scheine bei gekreuzten Nikols das ganze 
(zesichtsfeld zu leuchten und einzelne Zellen könnten wenigstens 
bei Flächenansicht ganzer Hautstücke nicht mehr erkannt werden. 
Später hat Carlton (1903, S. 261) von den Guanophoren von 
Anolis erwähnt, dass sie unter dem Polarisationsmikroskop sich 
doppelbrechend erweisen. Allerdings zieht er hieraus und aus der 
Löslichkeit des Inhalts in Säuren den irrigen Schluss, es handle 
sich um eine anorganische kristallinische Ablagerung, eine 
Auffassung, der schon Fuchs (1914, S. 1603) mit Recht 
entgegengetreten ist, da auch organische Substanzen in Mineral- 
säuren löslich und doppelbrechend sein können. Schliesslich habe 
ich (W.J. Schmidt 1912a, S. 197) auf die Doppelbrechung 
des Guanophoreninhaltes bei Phalsuma hingewiesen, die trotz 
nicht kenntlicher Kristallform die kristallinische Natur des Inhalts 
dartut. 

Kehren wir nach diesen methodologischen und historischen 
Erörterungen wieder zum Ausgangspunkt der Untersuchung des 
(suanophoreninhaltes, den jugendlichen Guanophoren in der 
embryonalen Haut von Gecko verticillatus, zurück. Nachdem 
ich dort die Stäbchenform des Guanins aufgefunden hatte, suchte 
ich bei anderen Objekten nach und fand in der Tat die gleichen 
Verhältnisse zunächst bei Uroplatus, bei dem mir schon früher 
(W. J. Schmidt 1913, S. 392) die sehr grobkörnige Be- 
schaffenheit des Guanophoreninhalts aufgefallen war. Die Zellen 
in der Guanophorenlage unter dem Epithel eignen sich allerdings 
für diese Beobachtung nicht, da der kristallinische Inhalt zu dicht 
gelagert ist, auch wohl die Ausbildung der Stäbchen an sich 
wenig deutlich ist; dagegen lassen manche „erratische* Guano- 
phoren im subkutanen Füllgewebe der Schwanzverbreiterung an 
Schnitten klar die stäbchenartige Ausbildung des 
Guanins erkennen (Textfig. 12). Die Gebilde sind hier kürzer, 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 203 


aber meist dicker als bei Gecko vertiecillatus, die längsten 
messen etwa nur 2 u. Ihre Anordnung ist aber insofern die gleiche 
wie dort, als die Stäbchen im mittleren Teil der Zelle mehr 
unregelmässig gelagert, in den Ausläufern, wenigstens an ihren 
schmäleren Stellen. längszum Verlauf des betreffenden Zellfortsatzes 
gerichtet sind. Besonders gut zu sehen sind die Stäbchen in 
dünner Lage über dem Kern und an einem hier befindlichen 
grösseren konnte ich Andeutung einer Abschrägung oder 
Zuspitzung des Stäbehens wahrnehmen, ein erster Hinweis 
darauf, dass die Stäbchen Kriställchen sind. 


Fig. 12. 
Guanophoren aus der Subkutis von Uroplatus. Vergr. 1360:1. 


Viel besser liess sich die letztgenannte Feststellung an den 
schon oben erwähnten Guanophoren der Halshaut einer jungen 
Emyda granosa machen (Textfig. 13); hier beträgt die Länge 
der Stäbchen bis 4 u, ihre Dicke schwankt beträchtlich. An den 
dicksten zeigt sich die Abschrägung der Endflächen ganz einwandfrei 
und zwar erfolgt sie so, dass sie an beiden Enden parallel geht 
(vgl. Textfig. 13, grosse Stäbchen im hellen Kernraum). Ob nicht 
an der Endbegrenzung der Stäbchen noch andere kleinere Flächen 
beteiligt sind, lässt sich bei der minimalen Grösse der Gebilde 
nicht sicher erkennen; manchmal schien es mir so. Dagegen machen 
weitere Eigentümlichkeiten gewiss, dass die Stäbchen in Wirklichkeit 
längliche Plättchen sind. Dafür spricht ausser optischen Er- 
scheinungen in polarisiertem Licht (siehe S. 217), dass die breiteren 
Stäbchen weniger stark lichtbrechend erscheinen als die schmäleren, 
während doch, falls es sich um gleichgeformte Gebilde von ver- 
schiedenem Ausmass handelte, gerade das Gegenteil zu erwarten 
wäre. Diese Tatsache weist vielmehr darauf hin, dass die breiten 
Stäbchen Plättchen in Flächenansicht, die schmäleren 
aber — wenigstens zum Teil — Plättchen in Kantenansicht sind, 


204 W.J. Schmidt: 


im ersten Falle die Lichtstrahlen eine dünnere Schicht durch- 
setzen und weniger abgelenkt werden, im zweiten Fall dagegen 
eine dickere Schicht unter beträchtlicherer Brechung (eventuell 
Parallelverschiebung bei planparallelen Flächen) durchlaufen. Auch 
die sorgsame Handhabung der feinen Bergerschen Mikrometer- 
schraube stützt diesen Schluss. Ferner gewahrt man hin und 
wieder und meist in kleinen Gruppen beieinander etwas grössere 


Fig. 13. 
Guanophoren von Emyda granosa. Vergr. 1088:1. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 205 


(Gebilde von unzweifelhaft plättchenartiger Beschaftenheit, die keine 
ganz regelmässige Kantenbegrenzung zu besitzen scheinen (vgl. 
Textfig. 13, unten, im mittleren der drei Ausläufer) und mit den 
breiten Stäbchen schwache Lichtbrechung (und auch gleiches 
optisches Verhalten in polarisiertem Licht) gemein haben. Da nun 
die Mehrzahl der Stäbchen (auch bei beträchtlicher Länge) schmal 
erscheint, sieht man sich zur Annahme gedrängt, dass sie mit 
ihrer Schmalseite überwiegend zur optischen Achse des Mikroskops 
parallel gestellt sind, also — da die Beobachtungen an Total- 
präparaten angestellt sind — mit ihrer Schmalseite senkrecht auf 
der Fläche der Haut stehen. 

Die Tatsache, dass bei Emyda der (Guanophoreninhalt aus 
Plättchen mit abgeschrägten Enden besteht, lässt die Wahrschein- 
lichkeit zu, dass die Stäbchen allgemein langgestreckte Plättchen 
darstellen und dass auch dort, wo die Inhaltsmasse körnig erscheint 
infolge zu geringer Dimension der einzelnen Elemente, in Wirk- 
lichkeit sehr winzige Plättchen vorliegen. Und es gelingt auch 
manchmal, bei Zellen mit sehr feinkörnigem Inhalt einzelne 
stäbchenartige Gebilde, wenn auch nicht Plättchen, zu beobachten. 
So konnte ich solche wenigstens in polarisiertem Licht in dünnen 
Schnitten der Guanophoren der Rückenhaut von Tarentola 
mauritanica erkennen. Bei Phelsuma madagascariense 
sind die Guanophoren der Rückenhaut äusserst feinkörnig, in 
denen der Bauchseite lassen sich allerdings sehr kurze Stäbchen 
feststellen. — 

(remäss der erwähnten Bemerkung Blanchards hinsicht- 
lich Lacerta ocellata sollte man bei den Lacertiden 
L. agilis, muralis und vivipara den geschilderten Befunden 
ähnliche erwarten. Doch deren Guanophoren bieten ein ganz 
anderes und bisher vereinzelt stehendes Aussehen dar, dessen nur 
Pouchet in oben wiedergegebener Weise bei Lacerta viridis 
gedenkt (siehe S. 199). An dünnen Querschnitten der Haut zeigen 
die Guanophoren der genannten Arten bei Erhaltung des kristal- 
linischen Inhalts eine enge, aber deutliche Streifung, die auf 
der abwechselnden Aufeinanderfolge schwächer und stärker licht- 
brechender Linien beruht (Fig. 56 a—d, Taf. VIII).!) Die Streifung 


') Dass die stärker lichtbrechenden, dunkel wiedergegebenen Linien 
bei hoher Einstellung heller sind, konnte in den Abbildungen nicht zum Aus- 


206 W. J. Schmidt: 


ist im wesentlichen eine Parallelstreifung, derart, dass der Ver- 
lauf der Linien der Fläche der Haut gleichgerichtet ist; man 
könnte sie kurz Horizontalschichtung nennen. Doch sieht man 
bei etwas genauerer Beobachtung leicht, dass die Linien zumeist 
nicht gerade sind, sondern oft geschwungen verlaufen, indem sie 
im allgemeinen den Krümmungen der Ausläufer sich anpassen 
und so dem oberen und unteren Kontur der Zellen im Schnitt ent- 
sprechen. Ferner lassen sich auch allerlei Störungen der Schichtung 
beobachten, derart, dass zwei Streifensysteme unter einem ge- 
wissen Winkel gegeneinander gerichtet in einem Schnitt erscheinen. 
Das Aussehen der in den Abbildungen dunklen, stärker licht- 
brechenden Linien erlaubt schon in gewöhnlichem Licht die 
Deutung, dass sie durch die kristallinische Inhaltsmasse 
der Guanophoren bedingt werden, eine Auffassung, die durch die 
Beobachtung in polarisiertem Licht bekräftigt wird, indem sie 
bei gekreuzten Nikols hell aufleuchten, während zwischen ihnen 
Dunkelheit herrscht. 

Die stärker lichtbrechenden guaninhaltigen Zonen sind etwas 
dünner als die zwischen ihnen gelegenen Linien; ihre Dicke ist 
so gering, dass sie bei einer einzelnen Linie kaum zu bestimmen 
ist. Misst man die Dicke einer Zelle im Querschnitt, zählt dann 
ab, wieviel guaninhaltige Zonen auf die betreffende Stelle ent- 
fallen und berücksichtigt, dass diese Zonen durch mindestens 
ebenso breite guaninfreie Zonen voneinander getrennt sind, so 
gelangt man zu Werten von etwa 0,3 « für die Dicke einer 
guaninhaltigen Zone. Da diese Werte der Grenze für die mikro- 
skopische Abbildung schon sehr nahe liegen, können sie mit einem 
ziemlichen Fehler behaftet sein, zumal auch die Entfernung der 
guaninhaltigen Zonen voneinander und die Dicke der einzelnen 
Zonen selbst etwas wechselt. Immerhin aber mögen sie als an- 
nähernd richtig gelten. Pouchet (siehe oben), der offenbar bei 
Lacerta viridis die Streifung der Zellen gesehen hat, gibt als 
Abstand der Linien 1—1,5 « an, was für die mir vorliegenden 
Formen ganz bestimmt zu hoch ist. Ursache dieser Messungs- 
unterschiede kann ein tatsächlicher Unterschied im Verhalten der 
einzelnen Lacertiden sein oder aber, was mir wahrscheinlicher 
dünkt, ein Messungsfehler. Pouchet hat keine Schnitte untersucht, 


druck gebracht werden; sie beanspruchen nicht mehr, als eine Vorstellung 
der rein strukturellen Verhältnisse zu erwecken. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 207 


sondern Totalpräparate einzelner Schuppen; an diesen ist aber 
die Streifung wohl kaum mit einiger Sicherheit zu messen. 

. Es fragt sich nun, wie das Streifungsbild zu erklären ist. 
Dass die Streifung der Ausdruck übereinander gelagerter Lamellen 
ist, wie Pouchet mit einem gewissen Vorbehalt annehmen 
möchte, halte ich aus folgenden Gründen für ausgeschlossen. Be- 
trachtet man die Linien genau bei starken Vergrösserungen und 
exakter Einstellung, so erscheinen sie nicht glattrandig, sondern 
immer in einer gewissen Rauhigkeit der Begrenzung. An vielen Stellen 
erkennt man ganz einwandfrei (Taf. VIII Fig. 56, insbesondere d), 
dass jede Linieauseiner Unsumme kleinster Körnchen 
zusammengesetzt ist, so dass sie keinesfalls den Querschnitt 
einer einheitlichen Lamelle darstellen kann. Diese Körnchen 
lassen sich auch leicht da beobachten, wo ein Teil einer Guano- 
phore allmählich aus der Schnittebene abbiegt und an seinem 
äussersten, noch im Schnitt gelegenen Ende aussergewöhnlich ge- 
ringe Dicke erreicht (Fig. 56 b rechts, Taf. VIII); an solchen Stellen 
löst sich der Zug der guaninhaltigen Zonen wahrscheinlich unter 
der Schnittwirkung des Mikrotommessers in eine regellose An- 
häufung von Körnchen auf. Ferner sollte man bei einer Über- 
einanderschichtung von homogenen Lamellen erwarten, dass die 
Guanophoren in Aufsicht (von der Fläche der Zelle betrachtet) 
keine Struktur erkennen liessen; dem entgegen erscheinen aber 
die Zellen in Flächenansicht immer fein punktiert (Fig. 57, Taf. VIII), 
und zwar entspricht die Feinheit dieser Punktierung den kleinen 
Körnchen, welche die Linien des Querschnittsbildes zusammen- 
setzen.’) Somit zwingt die Kombination des Querschnittsbildes 
— parallel geordnete, aus Körnchen zusammengesetzte Linien — 
mit der Flächenansichtt — ungeordnete Körnchen — zur Auf- 
fassung, dass in den Guanophoren der Lacertiden kleinste 
Guaninkörnchen in eine Anzahl von Schichten ge- 
ordnet sind, die in gleichmässigem Abstand vonein- 


?) Eine fadenartige Aufreihung der Körnchen kann dem Querschnitts- 
bild nicht zugrunde liegen, weil in allen möglichen Querschnittsrichtungen 
immer die Linien, nicht die etwaigen Fadenquerschnitte unter der Form von 
Punkten zu sehen sind, und beim Wechsel der Einstellung die Linien ihre 
gegenseitige Lage nicht wesentlich ändern, sondern das Bild der Schichtung 
dauernd erhalten bleibt, weil ferner auch mit einer solchen Auffassung das 
Flächenbild gewöhnlich nicht in Einklang steht. 


208 W.J. Schmidt: 


ander im wesentlichen zur Fläche der Haut parallel 
verlaufen und regelmässig mit guaninfreien Lagen 
abwechseln. Diese Deutung. die den Guanophoren eine höchst 
bemerkenswerte Struktur zuspricht, findet auch in folgenden 
Überlegungen weitere Stützen. Würde die Streifung auf dem 
(Juerschnitt durch Lamellen hervorgerufen, so könnten diese 
Lamellen wohl nichts anderes sein als kristallinische Plättchen 
von Guanin. Mit dieser Annahme der Kristallnatur der Plättchen 
lassen sich aber die Krümmungen der Linien, die manchmal recht 
beträchtlich sein können — ich sah bisweilen eine Art konzen- 
trischer Schichtung derselben um den Kern herum — nicht ver- 
einen; noch weniger geht das an für das Zusammenfliessen zweier 
Linien zu einer einzigen oder Gabelung einer Linie in zwei, wie 
ich sie einige Male beobachten zu können glaubte. Auch das 
Verhalten der Linien zumKern ist bei der Gegenwart von 
plättchenartigen Kristallen kaum zu erklären. Während nämlich 
bisweilen die Linien dem Kern gewissermaßen ausweichen, sich 
bei Annäherung an denselben entsprechend dem Kernumfang all- 
mählich voneinander entfernen, ihn dicht angelagert umziehen 
und auf der anderen Seite wieder zusammenschliessen (Fig. 56e, 
Taf. VIII), und so die beiden den Kern unmittelbar umgreifenden 
Linien kleine zwickelartige, an den Kern anstossende Räume um- 
schliessen, hören in anderen Fällen dieLinien, dicehtan den Kern heran- 
getreten, wie abgeschnitten auf, um sich jenseits in gleicher Weise 
fortzusetzen (Fig. 56a, Taf. VIII). Im letzten Falle müsste man 
zulassen, dass etwaige Kristallplättchen lochartig durchbohrt sind, 
um dem Kern Raum zu geben. Wie man sieht, führt die An- 
nahme von übereinander geschichteten, kristallinischen Guanin- 
lamellen zu grösseren Schwierigkeiten wie unsere Deutung, die 
eine komplizierte Struktur der Zelle voraussetzt. Ich würde diese 
Schwierigkeiten nicht ausdrücklich hervorgehoben haben, wenn 
nicht das später zu besprechende Verhalten der Guaninzonen im 
polarisiertem Licht nicht auch zunächst einer Annahme von 
Kristallplättchen zur einfacheren Erklärung der zu beobachtenden 
Erscheinungen das Wort zu reden schiene (siehe S. 218): denn 
schon allein der Vergleich von @uerschnitts- und Flächenbild 
zwingt meiner Auffassung nach notwendig zur Annahme einer 
regelmässigen Schichtung kleinster Guaninkörnchen im Zelleib. 

Obwohl ich die Entwicklung der Lacertidenguanophoren nicht 


Die Uhromatophoren der Reptilienhaut. 209 


verfolgen konnte, dürfte doch das nächstliegende sein, anzu- 
nehmen, dass vom Beginn des Auftretens des Guanins an seine 
Teilchen in der regelmässigen Weise geordnet abgelagert werden, 
wie sie in der fertigen Zelle zu beobachten ist, nicht etwa nach- 
träglich eine Schichtung der zunächst ungeordneten (uaninmassen 
eintritt. Welche Kräfte diese Schichtung bedingen. lässt sich 
ohne Kenntnis der Ontogenese gar nicht und auch vielleicht nicht 
einmal mit ihr entscheiden. Doch möchte ich nicht die Meinung 
unterdrücken, dass eine solche regelmässige Ablagerung des 
Guanins in der Zelle keineswegs unbedingt voraussetzt, dass das 
Zellplasma von vorneherein einen Schichtenbau besitzt, der die 
(uaninablagerung in der geschilderten Weise vorausbestimmt, 
sondern dass ein solches Verhalten wohl durch die Art der Aus- 
füllung des doch zunächst in gelöster Form im Plasma enthaltenen 
(suanins rein chemisch-physikalisch bedingt sein kann. Für die 
Möglichkeit derartiger Entstehung einer regelmässigen Schichtung 
von ausgefüllten Substanzen in kolloidalen Medien bietet ja das 
Liesegangsche Phänomen den Beweis. 

Nicht an allen Guanophoren der Lacertiden lässt sich die 
beschriebene Schichtung der Guaninkörnchen gleich gut beob- 
achten. Zum Teil ist das auf eine ungünstige Schnittführung 
zurückzuführen; denn wenn die Schrittrichtung einigermassen 
schräg zur Ebene der guaninhaltigen Zonen verläuft, können sich 
die einzelnen Schichten nicht deutlich von einander abheben, 
sondern eine unregelmässige Verteilung der Guaninkörnchen wird 
vorgetäuscht. Es scheint aber auch manchen Zellen die regel- 
mässige Schichtung des kristallinischen Inhalts ganz zu fehlen. 

Die von mir an den Lacertidenguanophoren beobachteten 
Strukturen erinnern am meisten an die von Siedlecki (1909, 
S. 711) beschriebenen Xantholeukophoren des javanischen Flug- 
frosches. Diese erscheinen halbkugelig, derart, dass der flache 
Teil dicht ans Epithel angeschmiegt ist, wo sie dichter liegen, 
mehr prismatisch. Ihr Protoplasma ist charakteristisch geschichtet, 
indem dichte Protoplasmazonen mit Lagen von Guaninkörnchen 
abwechseln. Zwischen den Schichten, vorwiegend im unteren 
Teil der Zellen, findet sich gelbes Lipochrom. Dicht bei der Ober- 
fläche und in der Mitte des abgeflachten Zellteiles liegt der Kern, 
dessen Umrisse immer den Schichten des Protoplasmas, sowie 
den äusseren Umrissen der Zelle parallel gehen. Diese Gestalt 

Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt. I. 14 


20 W. J. Schmidt: 


besitzen die Xantholeukophoren in den dunklen Hautstellen, 
an den sehr hell gefärbten Stellen sind sie in ellipsoide Ge- 
bilde umgewandelt und haben ihren Kern tief im Protoplasma 
eingelagert. Da zwischen diesen beiden Extremen alle Übergänge 
bestehen, schliesst Siedlecki, dass die Xantholeukophoren ihre 
Gestalt verändern können und dabei der Kern von ihrer Ober- 
tläche in die Tiefe des Plasmas wandern kann. Bei dieser Wanderung 
werden die Lamellen stark umgebogen und so untereinander ver- 
mengt, dass sie in einer Zelle, deren Kern sich schon ganz unten 
befindet, einige Anhäufungen bilden, an denen nur noch Spuren der 
konzentrischen Schichtung sichtbar sind. Da die glitzernden 
Guaninkörnchen sich vornehmlich in der Umgebung des Kernes 
befinden, der gelbe Farbstoff vorwiegend unter den Interferenz- 
körnern ausgebreitet ist, muss bei dieser Lage die blaue Färbung 
überwiegen und eine intensiv dunkle, bläulich grüne Hautfarbe 
daraus resultieren. Sobald aber die Kerne in die Tiefe wandern, 
werden die Guaninkörnchen infolge der Verschiebung des Proto- 
plasmas von den gelbes Pigment führenden Schichten überdeckt; 
es muss also die gelbe Farbe der Zelle überhandnehmen. Ich 
kann mich eines gewissen Zweifels bei der Deutung der Sied- 
leckischen Befunde nicht erwehren, da sie anscheinend nur auf 
Schnittpräparaten fussen und zwar auf solchen, bei denen das 
Lipochrom nicht dargestellt war. Als besonderen Unterschied 
gegenüber den Beobachtungen Siedleckis möchte ich noch 
hervorheben, dass bei den Lacertidenguanophoren die Schiehtung 
des Plasmas im allgemeinen in keiner Beziehung zum Umrisse 
des Kernes steht und die starke Abplattung der Lacertidenguano- 
phoren Kernverlagerungen ganz ausschliesst. 

Wie schon erwähnt, bieten die Lacertidenguanophoren in 
Aufsicht gleich denen anderer Formen gewöhnlich das Bild einer 
verworrenen Punktierung. Doch machen gewisse Zellen davon 
Ausnahmen, sei es, dass man ihre Flächenansicht am Total- 
präparat oder an Flachschnitten durch die Haut untersucht. 
Man beobachtet nämlich in gewissen Teilen solcher Zellen eine 
Streifung, die ganz an diejenige des Querschnittsbildes erinnert 
(Fig. 58, Taf. VIII). Die Erklärung hierfür könnte eine zweifache 
sein: entweder sind an gewissen Stellen die Guaninkörnchen 
innerhalb einer horizontalen Schicht in Reihen angeordnet oder 
aber es besteht hier eine andere und zwar vertikale Örientie- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 211 


rung der guaninführenden Schichten. Da es nicht möglich ist, 
die gleiche Zelle in Aufsicht und im Querschnitt zu untersuchen, 
kann die Entscheidung nur auf indirektem Weg gefällt werden. 
Weil sich aus den Querschnitten ergibt, dass die Schichten der 
Guaninkörnchen bogigen Verlauf besitzen können, indem sie sich 
der Krümmung der Ausläufer anpassen, erhellt es ohne weiteres, 
dass an scharfen Biegungsstellen der Ausläufer (falls die Biegung 
nicht parallel der Hautoberfläche erfolgt!) die Lamellen auch in 
Aufsicht kenntlich sein müssen. Zu solchen Biegungen der Aus- 
läufer ist aber dort reichlich Gelegenheit geboten, wo die Guano- 
phoren in dickerer Schicht gehäuft sind und mit ihren Ausläufern 
sich gegenseitig durchflechten (vgl. Fig. 49, Taf. VIII). Unter solchen 
3edingungen muss also ein Teil der Zellen auch in Flächenansicht 
die Schichtung zeigen. Mit der Richtigkeit dieser Annahme 
stimmt auch überein, dass die Streifung in Flächenansicht gewöhn- 
lich an den Ausläufern, die ja stärkere Krümmungen machen, 
zu sehen ist, nicht aber am zentralen Zellteil, und dass in gleicher 
Weise wie am Querschnittsbild der Verlauf der Linien dem Kontur 
der Ausläufer sich anpasst. Schliesslich verhält sich auch das 
Streifungsbild in Flächenansicht im polarisierten Licht — das 
übrigens die beste Methode darstellt, sich von seinem relativ 
häufigen Vorkommen zu überzeugen — ganz so wie dasjenige 
des Querschnitts. Somit müssen wir die Streifung im Flächenbild 
auf eine von der horizontalen abweichende Orientierung der 
guaninhaltigen Schichten der Zellen zurückführen. 

In betreff einer weiteren Eigentümlichkeit des Flächenbildes 
bin ich nicht zu klarer Deutung gekommen. An vereinzelt liegenden 
und mit ihren Ausläufern ziemlich in ein und derselben Ebene 
befindlichen Guanophoren (Totalpräparat vom Hinterrand der 
Bauchschuppen) fielen mir helle, ziemlich breite, spaltartig 
erscheinende Linien auf, die am deutlichsten bei tiefer Ein- 
stellung sichtbar waren, also dem vom Epithel abgekehrten Teil 
der Zelle anzugehören scheinen (Fig. 57, Taf. VIII). Das letzterwähnte 
Verhalten führte mich zunächst zur Auffassung, dass diese Linien 
Furchen auf der Unterseite der Zelle darstellen, hervorgerufen 
durch in den Zelleib einschneidende Bindegewebsfasern. Da diese 
Linien aber eine regelmässige Beziehung zur Zellform erkennen 
liessen, indem sie nämlich meist in der Länge der Ausläufer, 
insgesamt also einigermassen radiär zur Zellmitte verlaufen, glaubte 

14* 


2% W.J. Schmidt: 


ich diese Annahme fallen lassen zu müssen. Weil aber die Form 
der Guanophoren und die Verlaufsrichtung ihrer Ausläufer vom 
umhüllenden Bindegewebe mitbestimmt wird, so wäre doch denkbar, 
dass aus diesem Grunde spaltartige Linien und Ausläufer zusammen- 
fallen. Dafür würde auch sprechen, dass ich bisweilen festzustellen 
glaubte, dass ein solcher Spalt ohne Richtungsänderung, aber durch 
einen freien Zwischenraum unterbrochen, von einem Ausläufer auf 
einen nicht unmittelbar mit ihm zusammenhängenden benachbarten 
überging. Vielleicht sind diese Spalten aber auch das Negativ 
gewisser gleich zu besprechender plasmatischer Strukturen. — 
Lacertidenguanophoren, deren kristallinischer Inhalt im Ver- 
lauf der Eisenhämatoxylinfärbung aufgelöst wurde (vgl. S. 200), 
zeigen eine von der besprochenen Guaninschichtung bedingte 
Streifung ihres Plasmas (Fig. 59 und 60a—c, Taf.VIII). Bei 
starker Färbung nimmt ihr Zelleib einen blaugrauen Ton an, bei 
weitergehender Extraktion des Eisenhämatoxylins und nachheriger 
Tinktion mit Eosin speichert er den letzten Farbstoff ziemlich 
kräftig. Trotz der bedeutenden Menge von Guanin, welche die 
Zellen enthalten, sind aber, wie ich auch schon früher betont 
habe (W.J. Schmidt 1912a, S. 197), keinerlei Lücken im Zyto- 
plasma wahrzunehmen, die den aufgelösten Körnchen entsprechen 
würden. Dieser zunächst verblüffende Befund dürfte wohl so 
zu erklären sein, dass doch an Stelle der Körnchen Hohlräume 
im Plasma vorhanden sind, diese aber infolge ihrer geringen (Grösse 
der Beobachtung entgehen, weil sie natürlich viel schwieriger 
sichtbar sind als die Guaninkörnchen, die einen grossen Brechungs- 
unterschied gegenüber ihrer Umgebung besassen. Nimmt man 
an, dass keine Hohlräume durch das Auflösen der Körnchen 
entstehen, so muss man voraussetzen, dass sie nicht rein aus 
säure- oder alkalilöslicher Substanz (Guanin) bestehen, sondern 
noch andere Beimengungen enthalten: eine solche Annahme ent- 
behrt aber zunächst der Berechtigung. Jedenfalls zeigen die 
Lacertidenguanophoren, dass auch nach der Entfernung der Guanin- 
körnchen ihre ehemalige Anordnung im Plasma sichtbar bleibt, 
und dass gegenüber den körnchenfreien Schichten das guaninent- 
haltende Plasma durch die Anwesenheit der Körnchen eine Ver- 
änderung seiner Struktur (Vakuolisierung) erfahren hat. Wenn 
sich ein derartiges Verhalten bei den Guanophoren mit regellos 
gelagerten Guanineinschlüssen nicht nachweisen lässt, so liegt es 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 213 


eben daran, dass die Veränderung so gering ist, dass sie, über 
die ganze Zelle gleichmässig verteilt, nicht zum Ausdruck kommt 
und erst bei einer gesetzmässigen Lagerung der Guaninkörnchen 
wahrnehmbar wird. 

Wie bei derZelle, deren kristallinischer Inhalt erhalten ist, lässt 
sich nach Entfernung des Guanins eine zarte Horizontal- 
streifung feststellen, die aus abwechselnd dünneren, in den 
Abbildungen etwas dunkler wiedergegebenen, und dickeren, helleren 
Zonen besteht. Die ersten dürften den ehemaligen Guaninlagen 
entsprechen, wenigstens zeugt dafür das gegenseitige Dickenver- 
hältnis der Streifen, obwohl allerdings die Deutung schwierig ist, 
da ein so unzweifelhaftes Entscheidungsmerkmal wie das Verhalten 
in polarisiertem Licht hier natürlich fehlt. 

Im ganzen ist es erstaunlich, wie viel Zytoplasma die Zellen 
enthalten, da sie doch mit Guanin dicht vollgepfropft sind. Ausser 
dem beschriebenen gestreiften Protoplasma zeigt der Zelleib hier 
und da (Fig. 59, Taf. VIII) fädige Bildungen, die auf längere 
oder kürzere Strecken zu verfolgen sind, sich mit Eisenhäma- 
toxylin kräftig schwärzen und etwas körnig erscheinen. Sie halten 
wohl meist einen Verlauf entsprechend der Richtung der Ausläufer 
ein und ziehen demnach zum Kern hin. So sah ich denn auch 
Zellen, in denen unmittelbar vom Kern solche stark färbbare Massen 
ausgingen (Fig. 60b, Taf. VIII). Vielleicht bedingen diese strang- 
artigen (Gebilde, über deren Natur ich mir kein weiteres Urteil 
erlauben kann, die vorhin erwähnten Spalten an den Guanophoren 
mit erhaltenem kristallinischen Inhalt. Ferner beobachtete ich 
zweimal in der Nähe des Kernes eine Unterbrechung der streifigen 
Plasmastruktur, bedingt durch eine rundliche Ansammlung kör- 
nigen Plasmas, in deren Inneren ein oder auch mehrere winzige, 
stark von Eisenhämatoxylin gefärbte Körnchen sich befanden 
(Fig.59. Taf. VIII). Lage und gesamtesVerhalten dieser Bildung liessen 
siewohlalsSphäre undZentriolansprechen, wenn nicht die Richtig- 
keit dieser Deutung durch die wenigen Beobachtungsfälle ge- 
fährdet wäre. Für das Vorhandensein eines zellulären Zentrums lässt 
sich aber doch vielleicht die Tatsache ins Feld führen, dass manchmal 
bei Guanophoren, deren kristallinischer Inhalt erhalten ist, ausser 
der hellen, den Kern andeutenden Stelle, und zwar in deren Nähe, 
eine zweite derartige Auflichtung im Zelleib bemerkbar ist, die 
frei oder arm an Guanin erscheint und um die herum eine gewisse 


214 W.J. Schmidt: 


radiäre Anordnung der kristallinischen Stäbchen sich gelegentlich 
zu erkennen gibt. 


d) Bewegungserscheinungen der Guanophoren ? 

Die etwaige Anwesenheit eines zellulären Zentrums in den 
(suanophoren, das bei anderen Chromatophoren der Reptilienhaut, 
den Melanophoren und Allophoren, den Richtpunkt der intrazellu- 
lären Körnchenströmung abgibt, veranlasst mich, hier schon die 
Frage aufzuwerfen, ob den Guanophoren Bewegungserscheinungen, 
seien es nun intrazelluläre Pigmentverschiebungen bei Erhaltung 
der Zellform oder amöboide Beweglichkeit unter Formveränderung 
der Zelle, zukommen. Da positive Beobachtungen am lebenden 
Material mir nie gelangen, muss sich die Beantwortung auf eine 
Erörterung der morphologischen Tatsachen, die hier Aufschluss 
geben könnten, beschränken. Während nun die Melanophoren durch 
die charakteristischen und gesetzmässigen Unterschiede in der Ver- 
teilung ihres granulären Inhaltes schon allein aus der Betrachtung 
der im fixierten Präparat festgehaltenen Zustände mit Sicherheit 
auf intrazelluläre Bewegungserscheinungen schliessen lassen, führt 
eine solche Erwägung hinsichtlich der Guanophoren zu einem 
negativen Ergebnis. Gegen intrazelluläre Körnchenströmungen 
in den Guanophoren spricht vor allem die stets gleichmässige 
Verteilung des kristallinischen Inhalts im Zelleib; nie gewahrt man 
an den Guanophoren eine Anhäufung des Guanins im Zentrum 
der Zelle oder umgekehrt bei Entleerung des Zentrums in den Aus- 
läufern. Und wenn auch, trotz dieser mangelnden Beobachtungen, 
eine intrazelluläre Körnchenströmung immer noch bei Guanophoren 
mit regellos gelagerten Guaninkriställchen denkbar bliebe, so 
erscheint sie doch vollkommen ausgeschlossen bei den Lacertiden- 
guanophoren; deren besondere Schichtung könnte natürlich bei 
intrazellulären Strömungen des schichtenbildenden Materials nicht 
erhalten bleiben. Aus dem gleichen Grunde sind auch amöboide 
Bewegungen bei den Lacertidenguanophoren vollkommen ausge- 
schlossen und dass sie ebenfalls den Guanophoren mit regellos 
gelagertem kristallinischen Inhalt fehlen, zeigt die Tatsache, dass 
nie abgekugelte Guanophoren beobachtet wurden, sondern immer 
stellen sie verästelte Zellen dar. 

Schon früher hatte ich mich aus ähnlichen Gründen gegen 
irgendwelche Bewegungserscheinungen an den Guanophoren aus- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 215 


gesprochen (W.J.Schmidt 1912a, S. 194, 1913, S. 393). Doch 
veranlassten mich gewisse Feststellungen bei den Guanophoren 
von Teratoscineus, für diese Form die Möglichkeit einer 
Ausnahme, also Bewegungsfähigkeit, zuzulassen (W.J.Schmidt1913, 
S. 393). Die Guanophoren von Teratoscincus sind sehr stark 
und unregelmässig verästelte Zellen mit dünnen Ausläufern 
(Textfig. 14a) und schwach ausgeprägtem zentralen Zellteil. Bei 
zahlreichen dieser Zellen erscheinen die Ausläufer nicht kontinuier- 
lich, sondern in eine Reihe tropfenartiger Stücke zerfallen, wie 
ich es a. a. O. mit einer Abbildung belegte und auch hier nochmals 
von einer anderen Zelle zur Darstellung bringe (Textfig. 14b). 
Da ein solcher Zustand bei Melanophoren durch Pigmentmassen 
verursacht gilt, die bei der Pigmentballung in den Ausläufern 
zurückblieben, so wies ich auf diese Deutung zur Erklärung des 
eigentümlichen Bildes hin. Wenn nun auch, da die geschilderten 
Beobachtungen an Totalpräparaten der platten, sehr dünnen 
Schuppen von Teratoscincus angestellt wurden, der Einwand 
von Fuchs (1914, S. 1592) hinfällig wird, es könne ein solches 
Bild dadurch entstehen, dass die Fortsätze geschlängelt seien und 
nicht ganz in die Ebene des Schnittes fielen, so stimme ich 
doch diesem Autor darin bei, dass „unsere bisherigen Kennt- 
nisse nicht dazu berechtigen, „eine Beweglichkeit“ 
des Inhalts der Guanophoren bei den Reptilien an- 
zunehmen, solange nicht neue eindeutigere Beobachtungen 
bekannt werden“. Das eigenartige Bild bei Teratoscincus 
ist dann vielleicht so zu erklären, dass Teile der Guaninmassen 
in den Ausläufern nachträglich gelöst wurden — es stand mir 
nur konserviertes Material zur Verfügung — oder dass tat- 


a Fig. 14 b 
Guanophoren von Teratoscincus. Vergr. 230:1. 


216 W. J. Schmidt: 


sächlich hier eine solch ungleichmässige Verteilung des Guanins 
in den Ausläufern besteht. Schliesslich sei nochmals bemerkt, 
dass ich an den Lacertidenguanophoren bei stundenlanger Kontrolle 
überlebenden Materials niemals irgendwelche Verlagerungen des 
kristallinischen Inhalts oder überhaupt Bewegungserscheinungen 
wahrnehmen konnte. 


e) Verhalten des kristallinischen Inhaltes in polarisiertem Licht. 


Was bisher über das Verhalten des kristallinischen Guano- 
phoreninhaltes in polarisiertem Licht bekannt war, ist schon früher 
(s. 5. 201) zusammengestellt und beschränkt sich auf die Tatsache, 
dass die Guaninmassen doppelbrechend sind. Zunächst ist 
also die Untersuchung in polarisiertem Licht bei gekreuzten 
Nikols geeignet, leichter und sicherer die Verbreitung der Guano- 
phoren, die Lagerung und Formverhältnisse ihrer kristallinischen 
Einschlüsse festzustellen, im Zweifelsfall überhaupt Guanin von 
in gewöhnlichem Licht ähnlich erscheinenden granulären Massen 
zu unterscheiden und somit für die voraufgegangenen rein morpho- 
logischen Betrachtungen von nicht zu hoch veranschlagbarem 
Nutzen. Weiterhin aber gibt erst die eingehendere Beobachtung 
des Verhaltens in polarisiertem Licht die volle Sicherheit, dass 
die Guaninmassen Mikrokriställchen sind, wenn mir auch 
bei der winzigen Ausdehnung der Gebilde die genaue Erkennung der 
Kristallform, d.h. der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kristall- 
system, nicht gelang. Ferner weisen die Beobachtungen in polari- 
siertem Licht darauf hin, dass in den Lacertidenguanophoren 
streckenweise eine gewisse gleichmässige Orientierung der einzelnen 
Guaninteilchen hinsichtlich ihrer optischen Achse besteht. 

Guanophoren mit regellos gelagerten stäbchen- oder 
plättchenförmigen Guaninteilchen, wie die von Gecko 
verticillatus, Emyda granosa und Uroplatus zeigen 
zwischen gekreuzten Nikols immer eine grössere Anzahl von 
Stäbehen hell. Dreht man den Objekttisch, so verdunkeln sich all- 
mählich die zunächst sichtbar gewesenen Stäbchen bis zum schliess- 
lichen Verschwinden, und neue Stäbchen tauchen auf. Genaueres 
Verfolgen dieser Erscheinung lehrt, dass die Stäbchen dann sicht- 
bar sind, wenn ihre Längsrichtung = 45° zu den Polarisations- 
ebenen steht, dass sie dagegen ausgelöscht werden, wenn die Längs- 
richtung mit den Polarisationsebenen der Nikols zusammenfällt. Die 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 217 


Auslöschung ist also, soweit sich das ohne Anwendung weiterer 
Hiltsmittel feststellen lässt, gerade. Da nun bei einer Gesamt- 
betrachtung des Bildes diejenigen Stäbchen am meisten auffallen, 
die gemäss ihrer Lage zu den Polarisationsebenen gerade das 
Maximum der Helligkeit besitzen, so scheinen die Stäbchen eine 
sehr regelmässige Anordnung in zwei aufeinander senkrechten 
Riehtungen zu besitzen. Dieses Verhalten erklärt sich eben daraus, 
dass in polarisiertem Licht immer nur ein Teil der Stäbchen je- 
weils sichtbar ist, wie Ja auch die Betrachtung der gleichen Zelle 
in gewöhnlichem Licht erkennen lässt, dass keinerlei bestimmte 
Anordnung der Guaninteilchen besteht. Da bei Längsansicht des 
Stäbchens Aufhellung und Verdunkelung gleichmässig das ganze 
Stäbchen betrifft und zwar viermal bei einer Drehung des Objekt- 
tisches um 360° eintritt, müssen die Stäbchen, unter Berück- 
sichtigung der früher geschilderten Form, als Kriställchen 
betrachtet werden. Bei Emyda granosa konnte ich ein von 
dem vorher beschriebenen abweichendes Verhalten an den „breiten 
Stäbchen“, richtiger an den Plättchen in Flächenansicht 
feststellen: sie blieben bei Drehung des Objekttisches um 360° 
stets dunkel, woraus geschlossen werden muss, dass in dieser 
Lage der Plättchen ihre optische Achse (die Richtung, in der 
keine Doppelbrechung stattfindet) mit der optischen Achse des 
Mikroskops zusammenfällt. Achsenbilder waren bei der geringen 
Grösse der Kriställehen nicht zu erhalten. 

Die Farbe der Guaninkriställchen in polarisiertem Licht ist 
weisslich, vielleicht mit leichtem Schimmer ins Gelbliche; deutlich 
ausgesprochene Interferenzfarben zeigen sich jedenfalls bei den 
genannten Formen mit unregelmässiger Lagerung der Einzel- 
teilchen nicht. Untersucht man mit eingelegtem Gipsplättchen 
Rot I. ©., so erscheinen die Stäbchen in Additionsfarben (Blau I. O.), 
wenn ihre Längsachse mit der Richtung grösster Elastizität im 
Gipsplättchen zusammenfällt, in Subtraktionsfarben (Gelb I. ©.) 
senkrecht dazu; in den dazwischen gelegenen Lagen nehmen sie 
die Übergangsfarben zwischen Blau Il. O. und Gelb I. O. an. 

Bei den Lacertidenguanophoren sind wegen ihrer geringen 
Grösse an den einzelnen Guaninteilchen keine Beobachtungen 
anzustellen. Doch zeigen die Zellen im ganzen oder wenigstens 
in grösseren Zellabschnitten verschiedene bemerkenswerte Eigen- 
tümlichkeiten. Untersucht man die Zellen in Flächenansicht 


218 W. J. Sehmidt: 


unter starken Vergrösserungen zwischen gekreuzten Nikols, so 
erscheinen sie nur teilweise und meist in geringem Grade hell: 
selbst bei Drehung des Objekttisches gelingt es nicht, alle Teile 
einer Zelle einmal zum Aufleuchten zu bringen. Daraus ist zu 
schliessen, dass die einzelnen Guaninteilchen in den Lacertiden- 
guanophoren meist so gelagert sind, als wären sie Plättchen 
(siehe oben) in Flächenansicht. Dagegen leuchten die Quer- 
schnitte der Zellen, welche die Guaninschichten zeigen, im 
dunkeln Gesichtsfeld bei gewissen Stellungen stark auf, und hier- 
mit in Übereinstimmung lässt sich umgekehrt auch meist an 
Zellen, die in Flächenansicht stark hell erscheinen, die Lamel- 
lierung der Zellen unterscheiden. Ferner zeigen die Querschnitte 
in gewisser Ausdehnung bei Drehung des Objekttisches merklich, 
wenn auch nicht vollkommen gleichmässiges Hell- und Dunkel- 
werden. Diese Übereinstimmung der Auslöschungsrichtung in ge- 
wisser Ausdehnung innerhalb der Zelle setzt voraus, dass strecken- 
weise eine hinsichtlich der optischen Verhältnisse gleichsinnige 
Anordnung der Guaninteilchen besteht, vergleichbar parallel ge- 
lagerten Guaninstäbchen. 


f) Chemische Natur des kristallinischen Inhaltes. 


Hier seien einige Mitteilungen über die chemische Natur 
des kristallinischen Guanophoreninhalts gegeben, den wir im 
vorigen kurzweg als Guanin bezeichnet haben. Der erste, der 
sich hierüber geäussert hat, war Leydig (1868, 8. 31); er ver- 
mutete in dem „weissen, nicht irisierenden“ Pigment, wie es bei 
der Blindschleiche und den Nattern in grosser Ausdehnung über 
den Körper vorkomme (auch bei Crotolus horridus, S. 92), 
harnsaure Verbindungen und vergleicht das ihm verwandte 
„metallisch glänzende“ Pigment bei Amphibien, dessen Körnchen 
mitunter kristallinische Zuschärfung erkennen liessen, mit den 
irisierenden Plättchen des Metallglanzes bei Fischen, die eine 
Fortbildung dieser Elemente ins Grosse darstellten und nach 
Barreswil aus Guanin beständen. Diesen Mutmassungen gingen 
Ewald und Krukenberg (1882b, S. 254) nach und fanden 
zunächst dieDoppelbrechung der bald kleineren, bald gröberen 
(bei der Salamanderlarve) länglichen, sehr stark lichtbrechenden, 
nicht deutlich kristallinischen Körperchen, weiterhin ihre Lös- 
lichkeit in Säuren und Alkalien, die gegen Kalk und 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 219 


Harnsäure spricht und den Verdacht auf Guanin erweckt. Bei 
Platydactylus guttatus war das Guanin unschwer durch 
die unten geschilderte Reaktion direkt nachzuweisen; auch ein 
Stück Chamäleonenhaut gab eine deutliche Reaktion auf Guanin. 
Im allgemeinen wurde die kreidige Masse durch Verdauen der 
umschliessenden (Gewebsteile mit neutraler oder sehr schwach 
alkalischer Trypsinlösung isoliert, eventuell noch durch Schlämmen 
gereinigt, der mit Wasser ausgewaschene Rückstand mit verdünnter 
Salzsäure gekocht, die Lösung filtriert und das noch heisse Filtrat 
mit Ammoniak genau neutralisiert. Enthielt das Filtrat fast 
reines Guanin, so bildete sich in der verdünnten Fiüssigkeit erst 
nach einiger Zeit ein Niederschlag; ein sofort entstehender wurde 
durch Filtration entfernt; er enthielt nıemals nachweisbare Mengen 
von Guanin (bei Elaphis, Tropidonotus). Nach 1—2 Tagen 
hatte sich fast alles Guanin in mehr oder weniger deutlich aus- 
gebildeten Drusen von stark doppelbrechenden Kristallprismen ausge- 
schieden. Wurden hiervon Proben mit konzentrierter Salpetersäure 
zur Trockne verdampft und der Verdampfungsrückstand mit einem 
Tropfen Natronlauge benetzt, so färbte er sich rot und darauf, 
mit etwa 1 ccm Wasser übergossen und nochmals zum Sieden 
erhitzt, purpurrot, bisweilen blauviolett. Krukenbergs Guanin- 
nachweis stützt sich also vornehmlich auf die Murexidprobe. 
Reich an Guanin erwies sich unter den Reptilien die Haut von 
Chamaeleo vulgaris, Scincus officinalis, weniger fand 
sich bei Tropidonotus natrix und einer brasilianischen 
Pythonart, gering war die Ausbeute bei Elaphis; bei Cal- 
lopeltis quadrilineatus und bei verschiedenen Lacertiden- 
arten blieben die Befunde völlig negativ, obwohl die mikroskopische 
Untersuchung Zellen mit kreidigem doppelbrechenden Inhalt er- 
kennen liess; und es gelang dann auch später bei Lacerta 
agılis (S. 265) eine schwache, aber vollkommen deutliche Guanin- 
reaktion, so dass mikroskopischer und chemischer Befund in 
Übereinklang stehen. Bei Pseudopus gelang Krukenberg 
der Nachweis nicht, doch muss ich dazu bemerken, dass auch 
dieser Form Guanophoren zukommen. Ferner wies Krukenberg 
das Guanin noch bei einigen Schlangen, Coluber Aesculapii, 
Platyurusfasciatus und Leptophis liocerus mit Sicher- 
heit nach und zwar durch direktes Erwärmen der Hautstücke mit 
konzentrierter Salpetersäure bis zum Durchsichtigwerden der 


220 W.J. Schmidt: 


weissen, kreidigen Stellen; wurden dann die Hautstücke entfernt, 
die Salpetersäure bis zur Trockne verdampft und die Probe mit 
Natronlauge angestellt, so fiel bei Gegenwart von Guanin die 
Farbenreaktion immer vollkommen rein aus. Später (1883, S. 154) 
gelang Krukenberg auch noch der Guaninnachweis bei Coro- 
nella laevis. ferner in der Kehlhaut bei Emys europaea 
und an den schuppenlosen Hautstellen, am Ober- und Unterkiefer 
eines jungen Alligators, was mit unserem mikroskopischen 
(suanophorennachweis bei Tieren dieser Gruppen (siehe S. 197) 
gut vereinbar ist. 

Auch Keller (1895, S. 146) und ich (W.J.Schmidt’'1912a, 
S. 197) haben den Inhalt der Guanophoren bei Uhamaeleo bzw. 
Phelsuma nach dem positiven Ausfall der Murexidprobe als 
(suanin angesprochen, doch hebt Fuchs (1914, S. 1602) hervor, 
dass diese Reaktion für Guanin nicht charakteristisch ist, weil das 
X\anthin das gleiche Verhalten zeigt. Allerdings bemerkt schon 
Krukenberg (1882b, S. 260), dass die Leichtigkeit, mit der 
sich namentlich der gelbe Nitrokörper bildet, gegen Xanthin 
und Hypoxanthin spricht. Auch liess sich mit speziellen Methoden 
(bei Lacerta und Gallopeltis, wo allerdings weder Guanin 
noch Harnsäure nachzuweisen war. aber nach dem mikrosko- 
pischen Befund sicher im ersten Fall Guanophoren vorliegen), 
kein Hypoxanthin feststellen. Da nun ein Unterschied des Guanins 
gegenüber Xanthin und Hypoxanthin in der Schwerlöslichkeit 
des Guanins in konzentriertem überschüssigem Ammoniak besteht 
(Biochem. Handlexik., Bd. IV, 5. 1029 u. 1042), so habe ich die 
Löslichkeit des kristallinischen Guanophoreninhalts unter diesen 
Bedingungen einer erneuten Prüfung unterzogen. Es ergab sich, 
dass konzentriertes Ammoniak in sieben Stunden den kristal- 
linischen Inhalt der Guanophoren nicht ganz und überall zu lösen 
vermochte, während Kalilauge die in Rede stehende Substanz 
sehr rasch löste (Hautstücke vonPhelsuma madagascariense). 
Ferner habe ich aus der Haut von Phelsuma einen Auszug mit 
verdünnter Salzsäure unter gelindem Erwärmen hergestellt, der, 
zur Trockene verdampft, einen gelblichen Rückstand hinterliess, 
von dem Proben intensive Murexidreaktion gaben. Dieser Rück- 
stand zeigte, mit verdünnter Salzsäure aufgelöst, bei Zusatz von 
konzentrierter Pikrinsäure sofort einen Niederschlag, der mikro- 
skopisch ausser anderen Kristallen (wohl von Pikrinsäure und 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 221 


(wuanin), die pinselförmigen Büschel feiner Nadeln 
erkennen liess, die dem Guaninpikrat zukommen (Biochem. Hand- 
lexikon). Somit scheint doch hinsichtlich der Möglichkeit, dass 
Guanin oder Xanthin im Guanophoreninhalt enthalten ist, für 
den letzten Körper nur wenig Wahrscheinlichkeit vorzuliegen. 

Krukenberg (1882b,S. 261) hat auch der Frage Aufmerk- 
samkeit geschenkt, ob eventuell ans Guanin Kalk gebunden ist. 
Bei dem durch Verdauung gewonnenen, ziemlich reinen Präparat 
vom Chamäleon wurde der Verdauungsrückstand verascht, die 
Asche mit starker Schwefelsäure längere Zeit stehen gelassen 
und alsdann mikroskopisch auf Gipskristalle geprüft. Diese sehr 
empfindliche Methode lieferte ein völlig negatives Ergebnis 
und Krukenberg zieht daraus den Schluss, dass wenigstens 
in der Haut des Chamäleons das Guanin als solches und nicht 
als Guaninkalk präformiert vorkommt. Keller dagegen 
(1895, S. 146) sprach den Guanophoreninhalt des Chamäleons als 
(uaninkalk an, ohne hierfür besondere Beweise zu erbringen, 
sondern einzig nach Analogie mit den irisierenden Plättchen der 
Fische; auch Thilenius (1897, S. 518) bezeichnet das „weisse 
Pigment“ als Guaninkalk. Nun geht aber aus der Darstellung 
der einschlägigen Beobachtungen bei Fuchs (1914, S. 1414) 
hervor, dass auch für die Fische der sichere Nachweis von Guanin- 
kalk nicht erbracht ist; vielmehr kommt dieser Autor zum End- 
ergebnis, dass der Kalk wahrscheinlich eine zufällige Beimengung 
darstellt. Unter solchen Umständen kann ich auch meiner Beob- 
achtung (W. J. Schmidt, 1912a, S. 197), dass beim Zusatz von 
Schwefelsäure zu Hautstückchen von Phelsuma Kristalle auf- 
treten, die ich damals als Gips deutete, keinen Wert mehr bei- 
messen; wäre es doch möglich, dass diese Kristalle Guaninsulfat 
sind, und auch wenn es sich um Gips handelte, könnte das Cal- 
cium, wie Fuchs mit Recht betont (1914, S. 1602), aus anderen 
Verbindungen herstammen, da ganze Hautstücke zur Reaktion 
verwendet wurden. 

Keller (1895, 8. 146) berichtet von den Guanophoren des 
Chamäleons, ihre Körnchen seien in Säuren unter Gasbildung 
löslich, was immerhin für einen Kalkgehalt sprechen würde. Bei 
Phelsuma konnte ich (W. J.Schmidt 1912a, S. 197) keine 
Entwicklung von Gasbläschen beim Lösen des Inhalts beobachten. 
In gleicher Richtung zielende, neuere Versuche bei Lacerta 


222 WSchmidt: 


muralis blieben ebenfalls ohne Erfolg. Beim Zusatz von Salz- 
säure zu (in Alkohol konservierten) Stückchen des Hinterrandes 
von Bauchschuppen, die genau die Guanophoren zu beobachten 
gestatten, schmilzt der kristallinische Inhalt alsbald unter Dunkel- 
werden zu kugeligen oder mehr unregelmässigen, kleinen Massen 
zusammen, die bei stärkeren Vergrösserungen, vor allem, wenn die 
Säurewirkung langsam erfolgte, deutlich eine Zusammen- 
setzungausKristallen erkennen lassen (Textfig. 15), diemanchmal 
beträchtliche Grösse erreichen 
(Guaninchlorid ?). Dieses inter- 
mediäre Produkt geht bei längerer 
Einwirkung der Säure in Lösung. 
Ähnliches lässt sich auch bei An- 
wendung von Schwefelsäure beob- 
achten. Neumann (1909, S. 571), 
der den Inhalt von Amphibienguano- 
phoren (vor allem im Bauchfell des Fig. 15. 
Frosches) als scharfeckige, rhom- Kristalldrusen, entstanden aus 
bische Täfelchen, von mehr qua- dem Guanophoreninhalt einer 
dratischer oder gewöhnlich läng- Pauchschuppe von Lacerta 
licher Form mit stärker abge- Yivipara wauL AurzER zus 
stutzten Enden nachwies, sah ihn lung ne Salzsäure. 
ergr. 400:1. 
bei Zusatz von Salzsäure ver- n 
schwinden „oft unter Auftreten grösserer prismatischer Kristalle 
und Kristallbündel“. Schliesslich sei noch bemerkt, dass Essig- 
säure, die den Inhalt der Guanophoren nicht zu lösen vermag, auch 
keine Gasbildung hervorruft. 

Unsere bisherigen Kenntnisse von der chemischen Natur des 
kristallinischen Guanophoreninhaltes weisen demnach darauf hin, 
dass er aus Guanin — nicht aus Xanthin — besteht und auch 
keinen Kalk enthält. 


g) Strukturfarben. 


Wie schon mehrfach hervorgehoben, spielen die Guanophoren 
eine wichtige Rolle bei der Erzeugung der blauen und im Verein 
mit den Lipophoren auch der grünen Farbe der Haut. Wie dieses 
Strukturblau der Guanophoren bei auffallendem Licht zustande 
kommt, darüber herrscht noch keine volle Einigkeit, indem sich 
die einen Autoren für Interferenzerscheinungen, die 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 223 


anderen für die Farbenentstehung nach dem Prinzip 
trüber Medien entschieden haben. Da die einschlägigen Ver- 
hältnisse in neuerer Zeit bei Keller (1895, S. 152f), mir 
(W. J. Schmidt 19123, 8.1971.) und Fuchs (1914, ‚8.1593 
und 1598) schon eine eingehende Darstellung erfahren haben, 
möchte ich mich hier auf die Besprechung einiger Punkte be- 
schränken, die in meiner früheren Darstellung nicht scharf genug 
hervortreten oder mit den in dieser Arbeit dargelegten neueren 
beobachtungen zusammenhängen. 

Dass die Guanophoren fähig sind, bei auffallendem Licht 
und Anwesenheit eines schwarzen Hintergrundes Blau als 
Interferenzfarbe zu erzeugen, scheint mir aus folgenden 
Beobachtungen mit Sicherheit hervorzugehen. Erstens hängt bei 
manchen Formen die Nuance der blauen Farbe vom Einfalls- 
winkeldes Lichtes ab. DeGrijs(Werner1913,S.27) berichtet 
von Phelsuma madagascariense, dass in der Richtung des 
einfallenden Lichtstrahls gesehen, die Farbe rein gelbgrün ist, 
gegen das Licht gesehen blaugrün, der Schwanz leuchtend hell- 
blau. Diese Beobachtung kann ich für Alkoholmaterial der gleichen 
Art, ferner für Balsampräparate von Hautstücken von Calotes 
jubatus und Lygosoma smaragdinum bestätigen: in der 
Richtung des einfallenden Lichtes gesehen ist der Farbenton mehr 
oder minder deutlich grün, gegen das Licht betrachtet, blau. 
Eine solche Erscheinung weist doch wohl auf Schillerfarben hin. 
Zweitens sieht man bei der Betrachtung solcher Präparate unter 
dem Mikroskop, wie ich auch schon früher (W.J. Schmidt 1912a, 
S. 202) betont habe, einzelne Teilchen des Guanophoren- 
inhaltes in goldig grünen Lichtfünkchen geradezu aufblitzen; die 
Intensität dieser Farben spricht von vornherein gegen ihre 
Entstehung nach dem Prinzip der Farben trüber Medien; auch 
geht ja bei Farben trüber Medien die Farbe mit dem (bei mikro- 
skopischer Betrachtung) Kenntlichwerden der Strukturteile ver- 
loren, weil sie eine Gesamtwirkung zahlreicher Teilchen 
darstellt. Drittens zeigen die Guanophoren auch bei durch- 
fallendem Licht verschiedene Interferenzfarben ; wenn solche aber 
auftreten, sind sie de Komplementärfarben zu den im auf- 
fallenden Licht sichtbaren (W.J. Schmidt 1912a, S.196). Eine 
solche Beziehung ist aber für die Farben dünner Blättchen 
typisch. Wenn Keller (1895, S. 156) betont, dass die Inter- 


224 W.J. Schmidt: 


ferenzanschauung sich auf den Fall zurückziehen müsse, dass die 
Teilchen parellelflächig seien, so bedeutet das nach unserer 
Feststellung (siehe S. 205) von der plättchenartigen Form der 
(auaninteilchen keinen Einwand mehr, und wenn er weiter fordert, 
dass die Dicke der Teilchen 0,1 « nicht überschreite, so dürfte 
auch dieser Bedingung in vielen Fällen Genüge geleistet sein; 
denn gerade die sehr feinkörnigen (suanophoren, die selbst bei 
den stärksten Vergrösserungen fast homogen erscheinen, erzeugen 
die schönsten blauen Farben (W. J. Schmidt 1912a, S. 195). 

Wenn ich somit der Interferenz bei der Erzeugung der 
blauen Farbe eine wichtige Rolle zusprechen möchte. so soll damit 
die Wirkung der Guaninteilchen alstrübender Partikelchen 
voreinemdunklen Hintergrund nicht unterschätzt werden 
(solche Teilchen reflektieren überwiegend kurzwelliges, blaues Licht 
und lassen langwelliges hindurchtreten, das dann von dem dunklen 
Hintergrund absorbiert wird); denn man begegnet auch blauen 
Hautstellen, die nicht die aufblitzenden Farbenfünkchen unter 
dem Mikroskop erkennen lassen, sondern matter und gleichmässig 
blau gefärbt erscheinen. So glaube ich denn, dass die beiden 
Faktoren an der Erzeugung der blauen Farbe beteiligt sind und 
es darauf ankommt, in jedem einzelnen Fall ihren Anteil an der 
Farbengebung festzustellen. 

Werden die (ruaninteilehen grösser, so vermögen sie nicht 
mehr Blau zu erzeugen. wie ich denn niemals an Zellen mit leicht 
kenntlichen kristallinischen Einschlüssen diese Farbe in auffallendem 
Licht beobachtete: vielmehr bieten solche Zellen insgesamt weiss- 
liches Aussehen dar. 

Die grüne Farbe kommt in der Regel dadurch zustande. 
dass Lipophoren über blau erscheinenden Guanophoren gelagert 
sind. Doch sah ich bei Alkoholmaterial von Phelsuma mada- 
gascariense (W.J.Schmidt 1912a, S. 204) eine grasgrüne 
Farbe erhalten, die in diesem Falle nicht der Beteiligung von 
Lipophoren zugeschrieben werden kann. Damals war ich geneigt, 
dieses Verhalten als durch die Guanophoren allein verursacht zu 
betrachten, was bei der Auffassung der Farbe als Interferenz- 
farbe wohl möglich ist; indessen halte ich doch nicht für ausge-. 
schlossen, dass hier die gelb gefärbte Epidermis die Lipophoren 
vertrat (vgl. auch S. 112). Immerhin sei in diesem Zusammen- 
hang erwähnt, dass Pouchet (1576, S.58) bei Fröschen ähnliches 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 225 


beobachtete: les iridoeytes .... qui sont bleus ou violets a la 
lumiere transmise, offrent tres souvent par eux meömes et en dehors 
de toute combinaison de pigment, un reflet nettement vert. 


VI. Erklärungsversuche der intrazellulären 
Bewegung der Pigmentgranula. 


CS rm 


Obwohl schon Leydig (1868, S. 74) bei Lacerta vivipara 
beobachtete, dass Melanophoren, die in der vom lebenden Tier 
genommenen Haut als kugelige, schwarze Flecken erschienen, 
beim Übertragen in Glyzerin’ zu weit und zierlich verästelten 
Gebilden wurden, ist es bis jetzt noch niemanden geglückt. die 
Einzelheiten der Pigmentverlagerung in Melanophoren (und Allo- 
phoren) der Reptilien am lebenden Objekt zu verfolgen. 
Doch kann es nach Befunden am fixierten Material keinem Zweifel 
unterliegen, dass gerade so wie bei den Melanophoren der Fische, 
Amphibien und den Farbzellen der Krebse auch bei den Reptilien 
Ausbreitung und Ballung des Pigments auf intra- 
zellulärer Körnchenströmung beruht. Der Nachweis 
pigmentfreier Zellausläufer, das Hervorragen von Kernen aus der 
Pigmentmasse, das Zurückbleiben von Pigmentmassen im Umkreis 
des zentral geballten Pigments ohne direkte Verbindung mit 
diesem, zwingt auch bei Reptilien zur Annahme der Unver- 
änderlichkeit der Zellform und der wechselnden Ver- 
teilung der Pigmentgranula im Zelleib. Die letzte 
lässt sich ja in manchen Fällen ohne weiteres aus dem Verhalten 
des Pigments im Umkreis der Sphäre ablesen (vgl. S. 125). So 
haben denn schon Brücke (1851 [S. 198]) und von späteren 
Autoren Keller (1895), Thilenius (1897), Carlton (1904), 
Parker (1906) und Schmidt (1911) sich gegen amöboide Be- 
weglichkeit der Zelle), also gegen Einziehen und Ausstrecken der 


!) Bei Geckolepis (W.J.Schmidt 1911, S. 346) hatte ich beobachtet, 
dass der zentrale Zellteil bei der Ballung des Pigments mehr kugelig, bei 
der Ausbreitung flacher erscheint. Fuchs (1914, S. 1596) scheint mich aber 
missverstanden zu haben, wenn er sagt: „Allerdings muss ich gegenüber 
Schmidt betonen, dass die von ihm beobachteten Formveränderungen der 
Zellen keinen Beweis dafür bieten, dass sie als aktive Kontraktions- 
erscheinungen zu betrachten sind.“ Eine solche Deutung lag mir fern; vielmehr 
habe ich (a. a. 0. S. 346—347) diese Formveränderung der Zellen rein volu- 
metrisch aus der jeweiligen Lage der Pigmentmassen erklärt und sogar 

Archiv f, mikr. Anat. Bd.90. Abt. I. 15 


226 W.J. Schmidt: 


Ausläufer bei den Reptilienmelanophoren ausgesprochen und eine 
intrazelluläre Körnchenströmung angenommen. Auch die vor- 
liegende Untersuchung bot ja reichlich Gelegenheit, sich von 
der Richtigkeit dieser Auffassung zu überzeugen. Wenn so das 
(Gesamtresultat dieser Beobachtungen zweifellos zeigt, „dass 
für das Zustandekommen des Farbenwechsels die Pigment- 
strömungen in der Zelle selbst die Hauptsache sind“ 
(Fuchs 1914, S. 1596), so schliesst das nicht aus, dass unter 
Umständen die Ausläufer eingezogen werden können, wie bei der 
Mitose der intrapithelialen Melanophoren der Salamanderlarven 
(Zimmermann 1890,$.604f.), oder Formveränderungen an ihnen 
eintreten (Flemming 1890, S. 281); setzt doch auch das von 
uns angenommene Einwandern der Melanophoren in die 
Epidermis und ihre teilweise Rückwanderung in die Kutis 
(vgl. S. 154) zum mindesten für die Jugendstadien der Melano- 
phoren amöboide Beweglichkeit voraus. Auch scheinen Winklers 
Befunde (1910, S. 260) für die Möglichkeit einer Neubildung von 
Zellausläufern zu sprechen. 

Bei der eingehenden Analyse, welche die Mechanik der 
Pseudopodienbewegung (vor allem durch Rhumbler) erfahren 
hat, möchte man fast bedauern, dass diese Erklärungsmöglichkeit 
für die Pigmentverlagerungen ausgeschlossen ist. Die Beant- 
wortung der Frage: Wie kommen die intrazellulären 
Körnchenströmungen zustande, ist in sehr verschiedener 
Weise erfolgt. Von einer Theorie der intrazellulären Körnchen- 
bewegung muss man billigerweise verlangen, dass sie zum 
mindestens auf die Melanophoren sämtlicher hier in Frage 
kommender Wirbeltierklassen anwendbar ist, da es sich bei allen 
offenbar um die gleiche Zellform mit gleicher Verrichtung handelt. 

Der Äusserung Parkers (1906), die Körnchenbewegung in 
den Melanophoren beruhe auf positivem intrazellulärem 
Phototropismus, hält Fuchs (1914, S. 1596) mit Recht ent- 
gegen, dass sie keine Vorstellung über das Wesen der Bewegungs- 
erscheinung verschafft und nur für Pigmentverschiebung infolge 
Lichtreizen verantwortlich gemacht werden könne. 


die gleiche Deutung auf eine Beobachtung Zimmermanns (189, 3. 77) 
ausgedehnt, der die Verschmälerung der Ausläufer an pigmentfreien Stellen 
vielleicht auf ihre „Kontraktion“ der Quere nach zurückgeführt wissen möchte. 


DD 
DD 
— 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 


Auch wird man sich wenig mit Theorien befreunden können, 
welche den Pigmentkörnchen selbst die Fähigkeit 
aktiver Bewegung zusprechen (Kahn und Lieben 1907, 
S. 110, für die Melanophoren der Amphibien, Degner 1912, 
S. 32, für die Farbzellen der Krebse); denn eine „aktive“ Be- 
wegung setzt immer Bewegungsmechanismen voraus und Eigen- 
bewegungen kleiner Körnchen, die für die Erklärung der beob- 
achteten Phänomene in Frage kämen, sind uns völlig unbekannt 
(vgl. hierzu Rhumbler 1900a, S. 35—38). Um Brownsche 
Molekularbewegung kann es sich bei der Bewegung der Pigment- 
körnchen nicht handeln: Ballowitz (1914, S. 196) hebt aus- 
drücklich die Unterschiede der Pigmentströmung gegenüber dieser 
hervor. So lehnen denn auch Biedermann (1909, S. 95) und 
Ballowitz (1914, S. 197) eine aktive Bewegungsfähigkeit der 
Pigmentkörnchen ab. Wenn ich den gleichen Standpunkt teile, 
soll damit aber keineswegs gesagt sein, dass Form, Grösse und 
Substanz der Körnchen für die Art ihrer Bewegung ganz gleich- 
gültig wären (siehe S. 244). 

Heidenhain (1911), der die „Kontraktilität“ amöboider 
Plasmen durch die Entstehung „kleinster Kontraktions- 
wellen“ erklären möchte (S. 671), wendet das gleiche Prinzip 
auf die Melanophoren an. Er betrachtet (8. 1038f.) die zarte 
Längsstreifung, die an den pigmentfrei gewordenen Aus- 
läufern von Fischmelanophoren zuerst von Solger und 
Zimmermann beobachtet wurde, als aktiv wirksames 
Element bei der Körnchenbewegung. An diesen Fasern einer 
Sphärenstrahlung, vergleichbar jener in den Leukozyten des Sala- 
manders, sollen bei der Innervierung der Chromatophoren massen- 
haft kleinste Kontraktionswellen auftreten, ähnlich wie man über 
ausgeschnittene Käfermuskeln kurze Kontraktionswellen hinweg- 
laufen sieht. Diese Wellen treiben die Granula vor sich her, sei 
es, dass die Granula in den Fasern selbst liegen, sei es, dass sie 
zwischen ihnen liegen und durch die Verengerung der Interstitien 
bei der Wellenbildung vorwärts geschoben werden. Laufen die 
kleinsten Kontraktionswellen zentralwärts ab, so erfolgt Ballung, 
verlaufen sie entgegengesetzt, Ausbreitung des Pigments. 

Die Theorie Heidenhains ist mit den Begriffen dieses 
Autors über Bau und Aggregatzustand des Plamas derart verquickt, 
dass ihre eingehende Kritik auch hiermit sich befassen müsste, was 

15* 


228 Jh Selnmalglins 


an dieser Stelle nicht angeht. Ich muss mich daher auf einige Hin- 
weise beschränken. Heidenhain hataugenscheinlich das Bestreben, 
den mobilen Plasmen eine fibrilläre Struktur zuzusprechen und 
so setzt er diean Plasmafäden (Zellen der Kürbishaare) beob- 
achteten Verdickungswellen in Parallele mit den 
Kontraktionswellen der Myofibrillen. Meiner Auffassung 
nach sind aber Plasmafäden flüssig und die an ihnen auftretenden 
und ablaufenden Verdickungen stärkere Ansammlungen leichter 
flüssigen Plasmas, physikalisch etwa vergleichbar den tropfen- 
artigen Anschwellungen, die über einen dünnen Speichelfaden 
hinweglaufen können. Solche Verdickungswellen sind also mit 
einem Massentransport den Faden entlang verbunden, im 
Gegensatz zu den Kontraktionswellen einer (festen) Myofibrille. 
Während ein an beiden Enden fixierter Plasmafaden 
derartige Verdiekungen bilden kann, ohne sichzu ver- 
kürzen (wobei, wenn keine neue Plasmamasse zugeführt wird, 
die Dicke des Fadens entsprechend der zur Bildung der „Welle“ 
nötigen Substanzmenge an gewissen Strecken abnehmen muss), 
geht bei Myofibrillen Diekenzunahme und Verkürzung 
stets Hand in Hand. Plasmafäden und Myofibrillen bieten also 
meiner Ansicht nach in diesem Punkte ganz verschiedenes Ver- 
halten dar. Nehmen wir nun an, dass die Fasern echte Plasma- 
fäden sind, deren Verdickungen durch einen Transport von 
Plasma bedingt sind, so müsste bei der Pigmentballung im Extrem 
Plasma aus den Ausläufern abströmen, was einer Einziehung 
oder wenigstens Verkürzung der Ausläufer gleichkäme; 
andererseits würde das massenhafte Auftreten von Kontraktions- 
wellen an einem myofibrillenartigen Faden nur mit einer 
Verkürzung desselben vereinbar sein, die ebenfalls ein Kürzer- 
werden der Ausläufer hervorrufen müsste. Das widerspricht aber 
Heidenhains Voraussetzungen und den Tatsachen. 

Mit der Heidenhainschen Theorie besitzt die von Ballo- 
witz manche Berührungspunkte; allerdings ist sie nicht aus 
Erwägungen theoretischer Art erwachsen, sondern schmiegt sich 
eng den hochinteressanten Beobachtungen dieses Autors an den 
lebenden Farbzellen der Knochenfische an. 

Auf Grund von Beobachtungen am lebenden Objekt (Hirn- 
haut der Gobiiden |Melanophoren]) hat Ballowitz (zunächst 
1913a, S. 114f.) die Überzeugung gewonnen, „dass das Chro- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 229 


matophorenprotoplasma von vielen, vielen feinsten 
radiär verlaufenden Kanälchen durchzogenist, welche 
unter sich anastomosieren. In diesen Kanälchen 
strömt mit wenig plasmatischer Flüssigkeit das 
Pigment. Die überaus zarte Wandung dieser Kanäl- 
chen ist protoplasmatisch und lebhaft kontraktil. 
Be. Durch die Kontraktionen dieses Wandungs- 
protoplasmas werden die Pigmentströmungen er- 
met ee “ Hinsichtlich des Bildes der Pigmentströmung 
hebt Ballowitz (a. a. ©.) zunächst hervor, „dass sich das Pig- 
ment nur indem völlig zusammengeballten Zustand 
in Ruhe!) befindet. Ist es dagegen ausgeströmt. so zeigt es 
in allen diesen Phasen die lebhafteste Bewegung, auch in der 
Endphase des maximal ausgebreiteten Pigments“ (siehe dagegen 
S. 231). Die Pigmentbewegung findet instrengradiären 
Körnchenreihen innerhalb der feinen Radiärkanälchen statt, 
die Bewegung ist eine eigenartig zuckende, absatzweise erfolgende. 
Dabei strömen die einen Pigmentreihen zentrifugal, 
die anderen dieht daneben befindlichen genau entgegen- 
gesetzt zentripetal; auch kann die Richtung sich ändern. 
„Dies erkläre ich mir dadurch“, sagt Ballowitz, „dass das 
Wandungsprotoplasma der einzelnen röhrenartigen Kanälchen selb- 
ständig kontraktil ist. Befindet sich das Pigment in den Übergangs- 
phasen zwischen den beiden Extremen, so tritt an den jetzt gekürzten 
Enden der Pigmentfortsätze?) ein ganz merkwürdiges, einzig 
dastehendes Phänomen auf, welches ich als Kugelspiel oder 
Körnchentanz der Pigmentkörnchen bezeichnet habe. 
Nuranden Enden der verkürzten Pigmentfortsätze, niemals an ihren 
Rändern, schnellen nämlich überall Körnchen und kurze Stückchen 
der Körnerreihen hervor, fliessen wieder zurück, kommen wieder, 
halten auch etwas inne ..... Alle diese Körnchen bewegen 
sich aber streng radiär und kehren immer wieder zum Aus- 
gangspunkt oder doch in dessen Nähe zurück. Dieses radiäre 
Jonglieren der Pigmentkörnchen ist meiner Ansicht nach nur 
dadurch zu erklären, dass sich radiäre Kanälchen in dem Proto- 
plasma vorfinden, in welche die Körnchen hineinschnellen, wenn 


!) Der gesperrte Druck innerhalb des Zitates ist von mir veranlasst. Sch. 
?) Uber den Sinn der Bezeichnung Pigmentfortsätze — Pigmentarme 
vgl. S. 124. 


230 W.J. Schmidt: 


die Kanälchenwandungen teilweise erschlaffen, und aus welchen 
sie herausgetrieben werden, wenn die Wandungen sich auch nur 
minimal und zuckend kontrahieren. Ausser diesen strömenden, 
durch partielle, überall stattfindende Kontraktionen des Wandungs- 
protoplasmas verursachten Bewegungen ist das Chromatophoren- 
protoplasma noch einer anderen totalen Kontraktion fähig. 
Das gesamte Protoplasma der Fortsätze kann sich 
nämlich von der Peripherie gegen den Zentralteil 
derChromatophorenhinder Quere nach kontrahieren 
und so die gesamte Pigmentmasse vor sich hertreiben und gegen 
das Zentrum zusammenballen. Dabei erschlafft der zentrale, die 
Sphäre beherbergende Teil des Chromatophors und füllt sich in 
seinen sich erweiternden Kanälchen mit den Pigmentkörnchen. 
Andererseits, wenn das Pigment zentralwärts zusammengeballt 
ist, kann das Protoplasma dieses Zentralteils sich kon- 
trahieren, während das Protoplasma der Fortsätze erschlaftt. 
Dadurch wird alsdann die Pigmentmasse aus dem Zentralteil 
wieder in die Radiärkanälchen der Fortsätze hineingetrieben, das 
Pigment breitet sich aus. Beide Bewegungen können äusserst 
schnell, momentan oder fast momentan, erfolgen..... 5 

Später hat Ballowitz (1913b, 1914a, b, c) die Tatsachen 
und ihre theoretische Ausdeutung eingehender dargestellt, ferner 
sich über das morphologische Bild der Kanälchen geäussert, von 
denen er in der ersten Mitteilung (1913a, S. 114) nur kurz 
erwähnt, es sei ihm gelungen, auch die Wandungen optisch nach- 
zuweisen. Um nicht gar zu viel Raum in Anspruch zu nehmen, 
kann aus diesen späteren Arbeiten nur folgendes hervorgehoben 
werden. Bei der Untersuchung der Erythrophoren (= Lipo- 
phoren mit rotem Pigment) von Mullus fand Ballowitz (1915b, 
S. 296) im allgemeinen dieselben Bewegungserscheinungen wie an 
den Melanophoren, nur dass die Totalkontraktionen des Proto- 
plasmas, die zur Ausbreitung und Ballung der Pigmentkörnchen 
führten, noch weit schneller und lebhafter erfolgen als bei den 
Schwarzzellen, so dass (S. 298) sich auf das genaueste feststellen 
lässt, dass die Form der Zelle bei jedesmaliger Pigmentausbreitung 
stets dieselbe bleibt. Der Kern (8. 299) wird nicht ım 
geringsten durch die schnellen Pigmentverschie- 
bungen in Lage und Form beeinflusst. Die Bewegung 
der Pigmentkörnchen findet auch hier in streng radiären Reihen 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 231 


statt durch zentrifugale und zentripetale Bewegung der Körnchen 
(S. 300—301) und zwar ist sie am lebhaftesten bei der beginnenden 
Ausbreitung. Ebenfalls der „Körnchentanz“ zeigt sich bei nicht 
maximal ausgebreitetem Pigment wie bei den Melanophoren. Alle 
diese Bewegungsphänomene führt Ballowitz (S. 302) auf die 
Kontraktilität der protoplasmatischen Kanälchen zurück, deren 
erschlaffte Wandung dehnbar ist, da auch gröbere Körnchen die 
Kanälchen passieren. Hinsichtlich des Körnchentanzes sagt 
Ballowitz (S. 302) etwas eingehender: „Bleiben die peripherischen 
Enden der Fortsätze kontrahiert oder genügt bei erlahmender 
bewegung der zentrale Druck nicht mehr, um die 
Körnchen ganz an die Peripherie zu treiben, so entsteht an den 
peripherischen Enden der „Körnchentanz“, das radiäre Jonglieren 
der Körnchen in den Radiärkanälchen. Bei völlig ausge- 
breitetem Pigment muss dagegen der Körnchentanz 
fehlen, wie es in der Tat der Fall ist, da alsdann die Kanälchen 
erfüllt sind und kein Platz zum Hervorschnellen mehr in ihnen 
vorhanden ist“. An dem frischen Objekt sah Ballowitz (8.303) 
alsbald nach der Zusammenballung und dem Absterben der Zellen 
des öfteren einige derbe, schmale, radiäre Streifen, die 
in der Richtung der Fortsätze von der Pigmentscheibe ausstrahlten 
und der Begrenzung der Fortsätze zu entsprechen schienen; 
ferner erhielt er bei genauer Einstellung der meist nur spärlichen 
Pigmentreihen, welche an der oberen und unteren Fläche des 
Kernes über letzteren in radiärer Richtung hinweggleiten, oft den 
bestimmten Eindruck, dass äusserst feine Linien radiär 
über den Kern hinwegziehen und schmale helle 
Räume begrenzen, die etwa die Breite der Pigment- 
körnchen haben und in denen die Körnchen strömen. 
Dies schien Ballowitz der optische Ausdruck der 
Kanälchenstruktur des Protoplasmas zu sein. 
Weitere Einzelheiten finden sich bei Ballowitz (1914a), 
neben der Wiederholung des vorstehend Mitgeteilten. „Kontra- 
hiert sich das Wandungsplasma (der Kanälchen) in der Quere 
nach verlaufenden Kontraktionswellen von der Peri- 
pherie gegen das Zentrum, so strömt das Pigment zentralwärts: 
alsdann erschlafft das Kanälchenprotoplasma der zentralen Scheibe 
und wird durch das einströmende Pigment ausgedehnt“ (S. 155). 
Da nach aussen an den Zellfortsätzen eine wesentlich keilförmige 


D 


32 W.J. Schmidt: 


Verbreiterung eintritt, müssen hier auch mehr Kanälchen vor- 
handen sein als an den schmalen inneren Teilen, was Ballowitz 
(S. 187) zur Annahme einer reichlicheren Verästelung 
und Anastomose der Kanälchen veranlasst. Für Anasto- 
mose der Kanälchen soll weiter sprechen, dass strömende Körnchen- 
reihen stets an ein und derselben Stelle ineinander übergingen. 
„Auch in der Scheibe selbst bis in die unmittelbare Nähe 
des hellen Sphärenfleckes besteht bei expandiertem Pigment 
eine reguläre Körnchenströmung .... Sogar in die Sphäre 
selbst können sich Körnchen hineinbewegen und von der einen 
zur anderen Seite vordringen. Hier schien mir eine mehr netz- 
artige Kanalisierung vorzuliegen“ (S. 188). Ferner (S. 190) bemerkt 
Ballowitz in betreff der Totalkontraktion an den Chro- 
matophoren, dass eine peristaltische Zusammenschnürung der 
Zellarme der Quere nach stattfinden soll: „Geschieht die Zu- 
sammenschnürung der Arme von der Peripherie gegen das Zentrum 
hin, so wird aus sämtlichen Kanälchen eines resp. aller Arme das 
gesamte oder doch das meiste Melanin zentralwärts gepresst. 
Dabei erschlatit das kanalisierte Protoplasma der zentralen Scheibe, 
seine ausgedehnten Kanäle füllen sich dicht mit den 
Pigmentkörnchen, und es tritt so Ballung des Pigmentes 
ein. Kontrahiert sich umgekehrt bei Beginn der Ausbreitung 
des Pigmentes das Protoplasma der Scheibe, so wird die vorher 
zusammengeballte Körnchenmasse in die zunächst erschlatfenden 
Zellarme hineingedrückt und oft so gewaltsam hineingeworfen, 
dass sie sich an der äussersten Peripherie besonders anhäuft und 
diese ganz dunkel färbt, während das Zentrum heller erscheint. ...“ 
Die Kontraktion der mit Pigmentkörnchen vollgestopften Chro- 
matophorenscheibe im Ballungszustand des Pigments stellt sich 
Ballowitz (8.191) in der Weise vor, dass die radiären Proto- 
plasmafäden, die von der im Zentrum der Scheibe 
befindlichen Sphäre ausgehen und sich von innen an 
die obere und untere Fläche der Scheibe ansetzen, 
sich kräftig zusammenziehen, so dass die Pigment- 
körnchen in die Kanälchen der Arme gepresst werden 
müssen. Dass solche Protoplasmafäden vorhanden sind, davon 
überzeugte sich Ballowitz bei den Erythrophoren von Mullus 
(1913b, S. 293—294). Ballowitz (1914a, S. 192) betont, dass, 
falls es sich um die Kontraktion eines Plasmas 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 233 


handelt, in welchem die Pigmentkörnchen ohne 
besondere Anordnung eingelagert wären, nie auf 
jede Phase der Kontraktion und Erschlaffung die 
radiären Körnchenreihen soprägnantin Erscheinung 
treten könnten. Auch glaubte Ballowitz (S. 192) beobachtet 
zu haben, dass beim Zentralwärtswandern des Pigmentes die 
vorher mehr rundlichen Pigmentkörnchen sich abplatteten und 
in Form von Scheiben reihenweise dicht aneinander lagen, eine 
Formveränderung, die sich seiner Ansicht nach nur so erklären 
lässt, dass die etwas nachgiebigen Körnchen in den Kanälchen 
nicht seitlich ausweichen können und so durch den Druck in 
radiärer Richtung abgeplattet werden. -—- 

Fassen wir die Haupttatsachen dieser wichtigen Beob- 
achtungen von Ballowitz zusammen, so schliesst der Autor 
vor allem aus dem in radiären Reihen erfolgenden Verlauf der 
Körnchenströmungen, ihrer Unabhängigkeit in be- 
nachbarten Körnchenreihen, und ihrem bisweilen lokali- 
sierten Auftreten in einzelnen Reihen auf die Gegenwart 
kontraktiler Kanälchen im Zellplasma. 

An den Erythrophoren (roten Lipophoren) von Gobius sah 
Ballowitz (1914a, S. 204f.) ganz ähnliche Bewegungserschei- 
nungen wie bei den Melanophoren: ebenfalls hier zeigen die von 
Pigment erfüllten Fortsätze am lebendfrischen Objekt eine aus- 
gesprochene radiäre Streifung (vgl. Ballowitz 1913e). 
Die zwischen den Körnchenreihen zu beobachtenden hellen Streifen 
(1914a, S. 206) deutet Ballowitz als Wandungen der Kanälchen. 
Grössere, längliche Körnchen in den Erythrophoren 
erschienen mit ihrer Längsachse parallel den Ästen 
gerichtet (S.205); bisweilen bleiben solche grösserenKörnchen 
beiderBallung zunächst in den Ausläufern zurück, 
treten plötzlich und mehrfach absetzend in langsame Bewegung, 
wobei die Längsachse in der Bewegungsrichtung steht. 
Aueh an den Iridocyten konnte Ballowitz (1914a, S. 207) 
langsam gleitende Bewegung der Guaninkristalle in radiärer 
Richtung wahrnehmen, die er ebenfalls auf Kanalisierung des 
Plasmas zurückführtt. An Xanthophoren (Lipophoren mit 
gelbem Pigment) beobachtete Ballowitz (1914a, S. 209) nur 
ein träges Strömen der Körnchen; auch war hier die radiäre 
Anordnung der Körnchen nicht so ausgesprochen. 


234 WaJeSchmidt: 


Später hat sich Ballowitz (1914c) bemüht, die aus den 
3ewegungserscheinungen der Chromatophoren erschlossenen Proto- 
plasmakanälchen mit kontraktiler Wandung auch besser optisch 
nachzuweisen. Pigmentfrei gewordenes Chromatorenplasma ist 
im allgemeinen im frischen Präparat ganz unsichtbar (S. 561). 
Doch gelang es Ballowitz (8. 562f.) gelegentlich folgendes am 
überlebenden Objekt zu beobachten. In der Nachbarschaft des 
Pigmentklumpens einer in maximaler Ballung begriffenen Melano- 
phore von Mullus barbatus fanden sich feine lineare 
Streifen von verschiedener Dicke, die von der Pig- 
mentmasse radiär ausstrahlen, der Lage nach im Bereich 
der ursprünglichen Pigmentfortsätze, aber nicht diese selbst, 
sondern wegen ihrer geringen Dieke nur Strukturbestandteile 
derselben. Bei Gobius wurden auch Teilungen dieser 
Streifen beobachtet. Ähnlich erscheint bei Blennius ocel- 
laris die Scheibe einer Melanophore mit völlig zusammenge- 
balltem Melanin von einem Kranz sehr zahlreicher linearer 
Strahlen umgeben, die verschiedene Länge und Dicke 
besitzen; den deutlicheren diekeren kommt die grösste Länge zu. 
Die dünneren sind ausserordentlich fein, wenig scharf begrenzt 
und erscheinen wie aus körnigem Protoplasma bestehend, ein 
leicht vergängliches Strukturelement, da sie meist nur kurze Zeit 
(anscheinend bei oder kurz nach dem Absterben der Zelle) auf- 
treten: ihre Körnung ist vielleicht schon ein Zerfallsprodukt. Die 
feinen radiären Linien hält Ballowitz für den optischen 
Ausdruck der protoplasmatischen, feinsten, kon- 
traktilen Wandung der radiären Kanälchen, in denen 
die Pigmentkörnchen gleiten. In dieser Auffassung wird der 
Autor bestärkt durch das optische (@uerschnittsbild, das die 
Linien bei Faltung des (Gewebes oder Abknieckung darbieten ; sie 
erscheinen alsdann nicht als Punkte, sondern in Form eines äusserst 
zarten Maschenwerkes mit rundlichen Maschen. Die Netzlücken 
hatten denselben Durchmesser wie die mit den Körnchen erfüllten 
hellen Räume zwischen den zarten Streifen, so dass der Eindruck 
eines (Juerschnittes eines kanalisierten Gewebes mit sehr zarter, 
dünner Kanälchenwandung vorlag. Die gröberen Linien 
fasst Ballowitz als stärkere Anhäufungen des Chromatophoren- 
protoplasmas auf, und es schien ihm, dass sie den Begrenzungen 
und Randpartien der Zellfortsätze entsprechen. Sogar bei völlig 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 255 


ausgebreitetem Pigment vermochte Ballowitz häufig zwischen 
den radiär strömenden Körnchenreihen die zarten Streifen unzweifel- 
haft festzustellen, besonders deutlich über oder unter der Kern- 
gegend. 

Schliesslich finden sich noch in der neuesten Arbeit von 
3allowitz (1915) verschiedene für uns wichtige Bemerkungen. 
Bei Hemichronis bimaculatus besitzen die Rotzellen 
(Lipophoren) grobe und feine Körnchen, deren Ballung 
und Ausbreitung nicht isochron erfolgt (S. 201f.). 
Ballowitz lässt es dahingestellt, ob die beiden Körnchen- 
arten in eigenen, besonderen Kanälchen strömen. 
Wenn die groben Körnchen zusammengeballt sind, erscheint der 
der Scheibe benachbarte Teil gelblich rot, durch 
feinste, blasse rötliche Körnchen, die in radiären Reihen 
der Scheibe zuströmen. Die vollkommen vom Pigment ent- 
leerten Ausläufer bieten sich als äusserst zarte, farblose oder 
nahezu farblose, radiäre, schattenhafte Streifen, bisweilen mit 
radiärer Streifung in ihrem Innern, dar. (Auf die grosse Ähnlich- 
keit im Verhalten der beiderlei Körnchen dieser Rotzellen mit 
den bräunlichen und bläulichen Granula der embryonalen Melano- 
phoren von Geckolepis habe ich schon früher hingewiesen 
[siehe S. 133]). — 

Man wird der Ballowitzschen Theorie der intrazellulären 
Pigmentbewegung nicht absprechen können, dass sie ein anschau- 
liches und bis in die Einzelheiten getreues Bild der beobachteten 
Vorgänge wiedergibt; doch birgt sie bei genauerer Analyse manche 
Schwierigkeiten. Zunächst arbeitet sie mit einem ausserordentlich 
komplizierten und minutiösen Bau des Zellplasmas und zwar einer 
Struktur, die mehr erschlossen als wirklich beobachtet ist. Wenn 
auch ein komplizierter, spezifischer Bau des Chromatophoren- 
plasmas an sich kein absolutes Hindernis wäre, die Theorie anzu- 
nehmen, so reichen die von Ballowitz angeführten morpho- 
logischen Daten doch wohl nicht für den sicheren Nachweis der 
Röhrchenstruktur des Protoplasmas aus. Ein solcher Nachweis wäre 
aber in dem vorliegenden Falle um so mehr zu fordern, als eine 
derartige Röhrchenstruktur bislang von keiner anderen Zellform 
bekannt geworden ist. 

Auch wenn man einmal kontraktile Röhrchen im Plasma 
annimmt, so ergeben sich noch allerlei Schwierigkeiten bei der 


236 W.J. Schmidt: 


Erklärung der beobachteten Vorgänge. So stellt sich Ballo- 
witz vor, dass bei der Ballung des Pigments die kontrak- 
tilen Röhrchen in der Scheibe erschlaften und sich erweitern, 
um das zentripetal strömende Pigment aufnehmen zu können (vgl. 
oben S.230.u. 232), eine Annahme, der man vom Boden dieser Theorie 
aus wohl nicht entraten kann. Andererseits gibt Ballowitz 
(z. B. 1913b, S. 296) an, dass auch in dem zusammen- 
geballten Pigment noch eine radiäre Struktur nach- 
weisbar ist. Wenn aber die Röhrchen sich ausweiten (und das 
müsste ja zweifellos um ein vielfaches ihres ursprünglichen 
Durchmessers bei der Ballung eintreten), so muss die strenge 
radiäre Reihenanordnung der in ihnen enthaltenen Körnchen ver- 
loren gehen. Somit kann die Anordnung des Pigments in radıären 
Körnchenreihen bei der Ballung nicht seiner Einlagerung 
in radiär verlaufende Kanälchen zugeschrieben werden, und damit 
fragt es sich, ob nicht auch die radiäre Reihenordnung bei der 
Expansion anderen Gründen als der angeblichen Gegenwart 
von Kanälchen zuzuschreiben ist. 

Die Verhältnisse bei Hemichronis, wo Ballung und Aus- 
breitung der groben und feinen Körnchen nicht isochron erfolgen, 
stellen eine weitere Schwierigkeit für die Ballowitzsche Theorie 
dar; denn mit der Annahme, dass hier gar zweierlei Kanälchen 
im Protoplasma vorliegen, (die im Sinne der Ballowitzschen 
Deutung gemacht werden müsste [siehe oben), würde die Proto- 
plasmastruktur noch verwickelter, und der Autor selbst scheint 
nicht recht einer solchen Voraussetzung zuneigen zu wollen. 

Ballowitz hat sich an keiner Stelle darüber bestimmt 
geäussert, ob die „Kontraktilität“ der Protoplasmakanälchen 
ein den Protoplasmaströmungen einzureihendes Phänomen 
sei, oder ein fibrillärer Kontraktionsvorgang. Eine solche 
Scheidung muss aber heutigentags durchgeführt werden, selbst 
wenn sich herausstellen sollte, dass beide Erscheinungen genetisch 
und kausal einer gemeinsamen Wurzel entspringen, derart z. B., 
dass die sog. kontraktilen Fibrillen in Wirklichkeit elastische 
Bildungen darstellen, die einzig die Betätigung des sie umhüllenden, 
beim Verkürzungsvorgang eigentlich aktiven Plasmas in festge- 
legte Bahnen lenken (Pütter u.a.). Wenn nun auch Ballowitz 
mehrfach von einem Strömen der Pigmentkörnchen spricht, so ist 
dieses Wort ihm doch nur Bild für den Bewegungsvorgang der 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 237 
Körnchen; da vielmehr das Wesen der Ballowitzschen Theorie 
in dr Annahme von kontraktilen Kanälchen beruht, 
die durch eine Art peristaltischer Bewegung die Körnchen vorwärts- 
treiben, so hat dem Autor anscheinend die Analogie mit musku- 
lösen Röhren (Darmschlauch und ähnliches) vorgeschwebt. Wie 
solche Muskelröhren, so würden aber auch die kontraktilen 
Kanälchen eine bestimmte Orientierung der letzten kon- 
traktilen Elemente besitzen müssen, damit derartige peristaltische 
3jeweeungen möglich sind. Jedenfalls bleibt die Vorstellung kon- 
traktiler Protoplasmakanälchen äussert unklar, und schon Fick 
hat im Anschluss an Ballo witz’ Vortrag (1913a, S. 116) Fragen 
gestellt, die eine genauere Darlegung der Art der Kontraktions- 
erscheinungen an den Kanälchen bezweckten. 

Weiter möchte ich glauben, dass die Ballo witzsche Theorie 
eine unnötige Komplikation enthält; denn wenn der Zellkörper 
einerseits und die Ausläufer andererseits einer von den kontrak- 
tilen Kanälchen unabhängigen Gesamtkontraktion fähig sind (siehe 
oben S. 230 u. 232), dann dürfte dieses Verhalten auch bei der 
(Gegenwart von nicht kontraktilen Kanälchen ausreichen, die 
Mehrzahl der Erscheinungen zu erklären. wenn man annimmt, 
dass die Stärke dieser Gesamtkontraktionen wechselt. 

Vor allem aber scheint mir Ballowitz’ Theorie in ein- 
seitiger Weise dadurch beeinflusst zu sein, dass sie sich einzig 
an die Erscheinungen bei den stark abgeplatteten Knochen- 
ftischmelanophoren (und anderen = farbzellen)hält: zweifellos 
muss aber eine solche Theorie zum mindesten auf die Melano- 
phoren der Amphibien und Reptilien ausdehnbar sein. Nur diese 
platten Farbzellen der Fische zeigen aber so ausgeprägt die 
radıäre Reihenanordnung der Körnchen, auf die Ballo- 
witz im Rahmen seiner Anschauungen solchen Wert legen muss. 
Franz (1908, S. 545), der auch Zellen anderer Form untersuchte, 
misst der Reihengruppierung der Körnchen verhältnismässig 
geringe Bedeutung zu, und Kahn und Lieben (1907, S. 110) 
berichten geradezu im Gegensatz zu Ballowitz, dass bei der 
Ballung der Körnchen in den Melanophoren des Frosches jedes 
Körnchen seineeigene Richtung einschlage, dieauch 
senkrecht zur Achse des Fortsatzes gerichtet sein 
kann und nur der Gesamteffekt ein langsames Fortschreiten gegen 
das Zentrum der Zelle ist. Auch aus Hertels (1907, S. 45) 


238 W. J. Schmidt: 


Angaben über die Pigmentbewegung in den Melanophoren der 
Larven von Triton taeniatus bei Anwendung von ultraviolettem 
Licht lässt sich nichts über ein Strömen der Körnchen in radi- 
ären Reihen entnehmen; ebensowenig aus den Mitteilungen 
Winklers (1910, S. 258) betreffend die Melanophoren des 
Frosches. 

In diesem Punkte scheinen mir die Beobachtungen von 
Degner (1912) bei Krusterchromatophoren wertvollen Aufschluss 
zu geben, indem sie Übergänge von streng radiärer 
Reihenströmung zu ungeordneter Körnchenbewegung 
bei derselben Zelle zeigen. Nach Degner (8. 16) diffe- 
renziert sich während der Ausbreitung des Pigments in den 
Chromatophoren ein eigentümliches System von hellen, stark licht- 
brechenden Strängen, den Achsensträngen, die in ziemlich 
geringer Zahl an der Abgangsstelle der Ausläufer von dem zen- 
tralen Pigmentklumpen entspringen und in deren Längsrichtung 
verlaufen. Mit der Stärke der Ausläufer nimmt die Zahl der 
Achsenstränge ab; sie verzweigen sich häufig, zumal an den Ver- 
ästelungen der Ausläufer. Bei Expansion oder Ballung des Pig- 
ments marschieren nun die Pigmentkörnchen, sich streng an 
die Achsenstränge haltend (S. 25). Dabei herrscht, ähnlich 
wie Ballowitz für die Knochenfischmelanophoren schildert, 
eine Verschiedenheit im Tempo der Strömungsgeschwindigkeit 
bei den einzelnen Reihen, wobei vereinzelte Körnchen und 
kleinere Verbände sich zuweilen mit grosser Geschwindigkeit 
gegen den Strom bewegen. Degner berichtet (S. 26), dass die 
Körnchen, sobald sie an einen Achsenstrang geraten, lebhaftere 
Bewegung zeigen, andererseits aber durchaus nicht an den 
Achsenstrang gebunden sind: so können die Körnchen 
senkrechte Bewegungsrichtung zum Verlauf eines 
Stranges einnehmen (was Ballowitz nie beobachten 
konnte!). In den Endverzweigungen der Ausläufer, in denen 
die spärlichen Achsenstränge in breiten schwimmhautförmigen 
Plasmamassen aufhören, folgen die Körnchen den Achsensträngen 
nur zeitweilig; ihre Bewegung wird ganz ungerichtet 
(S. 27): sie gehen geradeaus, im Bogen zurück, beschreiben 
kleine Kreise und dgl. m.; benachbarte Körnchen überholen sich 
gegenseitig, kreisen umeinander, liegen gemeinsam fest, trennen 
sich nach ganz verschiedenen Richtungen. Alle diese letztge- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 239 


nannten Erscheinungen stehen in schroffem Gegensatz zur 
Annahme eines Strömens der Körnchen in radiären Kanälchen, und 
es ist mir unverständlich, wie Ballowitz (1914a, S. 196) seine 
Deutung auf die Beobachtungen Degners ausdehnen möchte. 
Weiter erwähnt Degner (S. 26), dass der Querschnitt der strö- 
menden Pigmentmasse viel bedeutender ist, wie derjenige der 
Achsenstränge, somit zahlreiche Pigmentkörnchen sich ohne Kon- 
takt mit den Achsensträngen bewegen und dass bei etwas anders 
gebauten Krebschromatophoren (S. 30) die Körnchen nicht 
so streng in Reihen geordnet sind, sondern ganz 
dicht gedrängt erscheinen, dass ferner die Ausläufer mit 
zunehmender Pigmenterfüllung sich verbreitern. Will man sich 
nicht zu der ungerechtfertigten Annahme versteigen, dass die 
bewegende Ursache bei den Chromatophoren mit ungeordneter Be- 
wegung einerseits und mit Reihenbewegung der Körnchen anderer- 
seits eine gänzlich verschiedene ist, so zeigt ein Vergleich der 
abweichenden intrazellulären Bewegungsformen, dass es nicht 
zulässig ist, aus der Reihen bewegung der Körnchen als solcher 
einen Schluss auf die treibenden Kräfte zu ziehen. 

Dieser Vergleich der Körnchenströmung bei verschiedenen 
Chromatophoren führt uns zur Besprechung der Bedeutung 
der Achsenstränge und der in den Chromatophoren der 
Wirbeltiere beobachteten Streifungen, Faserstrukturen, 
radiären Strahlungen u. dgl. Wie schon erwähnt, sieht 
Heidenhain (siehe oben) in der zarten Parallelfaserung 
der Ausläufer von Knochenfischmelanophoren kon- 
traktile Plasmafäden, Ballowitz (siehe oben) kon- 
traktile Röhrchen. Schon Solger, dem Entdecker der 
Sphäre in den Knochenfischmelanophoren, waren diese Strukturen 
nicht entgangen und Zimmermann deutete sie als Sphären- 
strahlung des Archoplasmas. Franz (1908, S. 541) dagegen 
glaubt, dass sie weder mit den sonstigen radiärstrahligen Attrak- 
tionssphären, noch mit der Anziehung der Pigmentkörnchen zum 
Zentrum hin unmittelbar etwas zu tun haben, vielmehr ausstarren 
skelettartigen Stäbchen bestehen, welche die Form der 
ganzen Zelle gewährleisteten und zugleich diejenige 
Anordnung besässen, welche am besten die bald zentral, bald 
peripher gerichteten Verschiebungen der Pigmentkörn- 
chen ermöglichten. Auch Doflein (zitiert nach Degner 1912, 


240 W.J. Schmidt: 


S. 35) betrachtet sie bei den Krebschromatophoren als „axiales 
Zellskelett“ und beschreibt sie als vollkommen glashelle, aber 
stark lichtbrechende Stäbe, die sich in der Mitte der Chromorhiza 
hinziehen und an welche der Farbstoff sich anschmiegt. Degner 
(1912, S. 33) lässt unentschieden, ob die Stäbe bei den Krustazeen 
ausser ihrer Stützfunktion, die wegen der geringen Tiefe der 
Uhromorhizen nicht sehr hoch zu veranschlagen sei, noch andere 
Aufgaben, z. B. in bezug auf die Bewegung des Pigments, 
hätten. 

Unseren Standpunkt gegenüber den Anschauungen von 
Heidenhain und Ballowitz haben wir schon oben dargelegt. 
Auch den Vorstellungen von Franz, Doflein und Degner 
können wir uns nicht vollkommen anschliessen, insofern nämlich, 
als die Stützfunktion die wesentliche Verrichtung der in Rede 
stehenden Gebilde sein soll. Dagegen scheint uns die bei Franz 
hervorgehobene und bei Degner angedeutete Möglichkeit, die 
faserigen oder stabartigen Strukturen hätten etwas 
mit der Verschiebung des Pigments zu tun, ohne aber 
(im Sinne von Heidenhain und Ballowitz) die Bewegungs- 
ursache selbst darzustellen, das Richtige zu treften. Ich 
stelle mir vor, dass die Radiärstrahlungen. faserigen Strukturen, 
Achsenstäbe usw. (von denen die bei den Krebsen übrigens anderen 
morphologischen Wertes sein mögen wie jene bei den Wirbel- 
tieren), Leitlinien für die zentripetale und zentri- 
fugale Bewegung der Pigmentkörnchen darstellen, 
und dass an ihre Gegenwart die mehr oder minder 
ausgesprochene Reihenanordnung der Körnchen 
geknüpft ist. Im einzelnen nehme ich an, dass die Pigment- 
körnchen in einem mehr oder weniger flüssigen Plasma schwimmen 
und durch Veränderungen in diesem bewegt werden (genaueres 
darüber siehe unten); dass sie ferner zu diesem Plasma 
geringe, dagegen zu den Achsenstäben bezw. anderen 
faserigen Bildungen grössere Adhäsion besitzen. Gelangen 
daher die Pigmentkörnchen in Berührung mit den Achsenfäden, 
so haben sie das Bestreben, diesen Kontakt aufrecht zu erhalten. 
Da die radiären Strahlungen von der Sphäre ausgehen, wird bei 
beginnender Expansion des Pigmentes zahlreichen Körnchen die 
Gelegenheit geboten, diesen Kontakt zu gewinnen. Man könnte 
nun zunächst glauben, dass bei grösserer Adhäsion der Pigment- 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 241 
eranula zu den Stäben ihre Bewegung auf denselben (= denselben 
entlang) erschwert würde. Doch ist zu bedenken, dass die Adhäsions- 
kräfte senkrecht zur Berührungsebene von Körnchen und 
Stäben wirken, und bei einer Verschiebung längs den Stäben nicht 
oder nur unwesentlich alteriert werden. Zur Erläuterung mag 
darauf hingewiesen werden, dass es leicht ist, ein Glasplättchen 
auf einer grösseren, reichlich mit Wasser benetzten Glasscheibe 
hin und her zu schieben, dass dagegen sein Abheben, das die 
Adhäsion überwinden muss, viel bedeutendere Kraft erfordert. 

Unter den vorstehend gemachten Annahmen erklärt sich 
ohne weiteres, weshalb gemäss den Beobachtungen Degners 
(siehe oben) die Reihenbewegung der Körnchen in eine 
ungeordnete Bewegung übergeht, sobald sie den 
Kontakt mit den Achsensträngen verlieren, weshalb 
dort, wo die Körnchen dicht aneinander gedrängt liegen (siehe 
oben). also die Achsenstränge offenbar fehlen, die Reihenanord- 
nung undeutlich ist. Es ergibt sich ferner ungezwungen, warum 
die Reihenbewegung der Körnchen um so merklicher 
wird, je besser die radiären Leitlinien ausgebildet sind: 
in den Melanophoren der Amphibien, in denen bislang nichts 
von Radiärstrahlung u. dgl. bekannt ist, vollzieht sich die Be- 
wegung der Körnchen ganz ungeordnet (vgl. oben Kahn, Lieben 
und Hertel); in den entsprechenden Chromatophoren der Rep- 
tilien ist zwar eine radiäre Strahlung vorhanden, aber sie lässt 
sich im allgemeinen nicht bis in die Ausläufer verfolgen und 
demnach ist die Reihenanordnung in den Ausläufern bei Reptilien 
fast völlig unbekannt; nur im Umkreis der Sphäre, im Zelleib selbst, 
macht sich die Reihenanordnung bemerkbar, und zwar entsprechend 
der im allgemeinen lockeren Lage der radiären Fasern nur ange- 
deutet. Bei den platten Farbzellen der Fische dagegen sind die 
Bedingungen für eine streng radiäre Reihenanordnung der Körn- 
chen am günstigsten; denn die Faserung der Zellausläufer 
erweist sich als ausserordentlich dicht (vgl. Fig. 636 bei 
Heidenhain 1911, S. 1041). Dabei ist auch die platte Form 
der Zellen von ziemlicher Bedeutung: durch die radiär ver- 
laufenden Fasern wird gewissermassen die platte Zelle in eine 
grosse Anzahl sehr schmaler, radiär verlaufender Fächer zerlegt, 
die bei der geringen Dicke der Zellen nur mit wenigen darüber 


und darunter gelegenen gleichartigen Spalträumen in Verbindung 
Archiv f.mikr. Anat. Bd. 90. Abt. 1. 16 


PER W, J, Behmidt 


ntehen, »o dann die Bahnen der Piementkörnehen »trene vadıar 
vorgezelehnet sind, Bei Zellen mit kugeligem Zelleib und Anten 
von rundhehem Querschnitt, die vielleicht noch viellnch unregel 
männie hin und her gewunden sind, int dagegen die ntreng vadıäre 
Anordnung der Piementkörnehen nieht »o leicht möglich, da ja 
die zwisehen den lAden befindlichen Räume viellneh miteinander 
in Verbindung »tehen münnen, 

Sehlienslich nel noch mul die gromme Ahnlichkeit der 
Piementbewegung in den Chrommtophoren der Krebse 
und Kinche mit der Körnchenntrömung in den Pseudo» 
podien der NForaminiferen hingewiesen, die sowohl 
Deener (112, 8 82) als auch Ballowitz (1dl4a, 8 190) 
hetonen, Nun kann on aber innbenondere naeh neuen Unter 
nuchungen von Dofleın (1016) keinem Zweilel mehr unter 
open, «lunn «le Körnehen neh in einem leichtilünnigen „Rheo 
planma" bowegen, dan einen Tenteren, „pBterooplanma 
binechen" Achneninden Aberzieht, nomit ganz Ahnliche Ver 
hiltninse vorigen, wie Jeh Für die Olwommtophoren annehme,!) 
Auch noch in dem Tolgenden Punkte weint die Körnehenntrömung 
dor Ithizopoden eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit den 
Beworungen dev Piementerunula auf, indem nämlich hier an «dem 
elsichen Achsentaden die Unternehlede in dev Richtung und Ge 
nchwindieken der Körnehen aultweten, «die Für die Piementkörnehen 
einer mudiäven Reihe nach Ballowitz zu beobnehten sinds wohl 
nemand aber wird nie er an der Anwesenheit Kkontraktiler 
kundlehen erklären wollen! 

Wir müssen uns nun fragen, welche Kräfte die Be 
werunge der Körnchen veranlassen, die sich in mehr 
oder minder vorgeschriebenen Bahnen vollzieht; Inerfür scheinen 


\ WC, Bohneideor (105, 8 Id), glaubt, dann Ider die Körnchen 
ktrömung aut olner Wieonhbowenung der Körnchen beruhe, well die Be 
worin von Inn Planma auleonommeoner (oblonen) Karminkörnohlen von 
derjenigen dor Ilanmakdener vernohleden ol, Dooh weht aus dev auch von 
Nehmoldenr alblorton Nohllderung Max Behultzen (1804, 8, 261,) hervor, 
dam kolnerlaoi wenentliche Umternehlede In der Dowogung von 
anna. und Karmminkörnor  bontohen Sollten die Achnenabrlinge don 
Keuntaooon, wie Dogner anılımmb, wirklioh nur voribergeohende, bei der 
Kulluns don Ilumentn mioht vorhandene Strukturen damtellen, so würden nie 
darin mio dem ntorooplanmatischen Achnontaden der Riiaopodenpseudopodien 
Iborelmsblmmeon 


Div Ohrommbophoren dor Koptillonham PER) 
mir gowinne Untersuehungen von Khumbler wertvolle Hinweise 
zu enthalten, 

Rhumbler (1805, 8, 5801.) hat ala erster ausgeführt, 
dass bei einer Verdichtung den Protoplanman um dam 
Zentrosom herum »leh seine Kinlapgerungen (wie 
Dotterkörnehen u, del) aun der Nähe der Sphäre perl 
pheriewärts zurtekziehen Die Rhumblernchen Ab 
leitungen beziehen neh zundehnt auf den Will, dann dan P’rotoplanmm 
wiabie gebnut int und die Winlagerungen in den Wabenwänden 
eingebettet wind, Doch Iunnt nich die Beweinführung, dann Terlehen 
nleh in einem Druckgelälle, das um einen Verdichtung 
punkt herum bostoht, von Orten höheren Druckon 
nach den nledrigeron Druckos begeben müHnseon, 
augenscheinlich ul jede Manne anwenden, in der ein volchen Druck 
golälle überhaupt mögheh int, Dabei bleibt on auch gleichgültig, 
wie die Verdiehtung der dan Zentronom umgebenden Planmmmamnne 
zustande kommt, ob dureh Wanserentzug oder andernwie, „bei 
dienen Vernehlebungen inünnen «die Iunlagerungen, wenn mieht 
noeh andere Kintlünse hommend einwirken, die Lagerung georingnten 
Widerntandes einnehmen, Iungeliche Dotternchollen otbe 
müsson #slch daher mit Ihrer Längnnchse In die 
Richtung der Strahlen einordnen ..,. Benltzen Kin 
lagerungen gronne Adhänon zu dem Hyaloplanma, no werden nie 
an der Sphärennähe nieht verdrängt werden und können neh 
dann an der Sphärenbildung beteiligen," Später hat Rhumbleı 
(19004, 5,301, 1 57 6,) dan gleiche Problem nochmals eingehenden 
behandelt, Wenn in einer Wlünsigkeit ein Druckgelälle ent 
steht, dan von dem Verdiehtungnzentrum nun nneh allen beiten hin 
eleichmännige abiallt, #o münnen Kinlagerungen in «diener lung 
keit vom Verdiehtungnzentrum abwandern; denn jeden "Teilchen 
int an dem der Verdiehtung zugekehrten Pole einem höheren 
Kkohänionndruck der Umgebung nungenetzt, alu an neinem dei 
Verdiehtung abgekehrten Vole, und diene Druckdifferenz mn 
sieh in der Weine auszugleichen vernuehen, dans die Kanlagerung 
sich von dem »tärker gedrückten Pole nneh dem weniger stark 
redrüieckten versehtebt, „Die Grönne der Druckdillerenzen an dem 
druckwärtigen und distalen Teil der Kinlagerung ,,, wird nieht 
nur von dem Druckgelälle nelbat, sondern auch von der Grönne der Kan 
lagerung abhängen, Je grönner die Kinlagerung int, dento welter wird 

u" 


244 WER] SStchhamadet: 


sie natürlich in die Gegend des höheren Drucks auf der einen und 
in die des niederen Drucks auf der entgegengesetzten Seite hinein- 
ragen. Im gleiehen Druckgefälle werden sich daher 
grössere Einlagerungen schneller und weiter von 
dem Verdichtungszentrum fortbewegen, als kleinere 
Einlagerungen ‚derselben Art‘“. Auch weil für grössere 
Einlagerungen die Reibung relativ geringer ist als für kleinere, 
werden grössere Einlagerungen leichter verschoben als kleinere. 
„Das wird aufs deutlichste dadurch für die Zelle 
belegt, dass oftmals kleinere Dotterkörperchen bei 
der Eiteilung in der Nähe der Sphäre verharren, 
während alle grösseren peripherwärts verlagert 
werden.“ Bei der Fortbewegung einer Einlagerung vom Ver- 
dichtungszentrum muss ihre Reibung mit der umgebenden Flüssig- 
keit geringer sein als das durch die Druckdifferenzen bedingte 
Verlagerungsbestreben der Einlagerungen. Die Reibung hängt 
aber ausser von der Schwerkraft in hervorragendem Grade 
von hder 'Grösse, vonder "Gestalt und "yon? denke 
häsions- und Adhäsionsverhältnissen von Einlagerung 
und Umgebung ab. Bei gleicher Gestalt und sonst gleichen Ver- 
hältnissen werden grössere Einlagerungen immer leichter 
abwandern als kleinere, weil sie eine im Vergleich zu ihrem 
Volumen „relativ“ (natürlich nicht „absolut“) kleinere Ober- 
fläche besitzen, also relativ geringere Reibung erfahren 
werden als kleinere Einlagerungen. Bei festen Einlagerungen 
wird die Leichtigkeit ihrer Verschiebung sehr von ihrer Adhäsion 
zur umgebenden Flüssigkeit abhängen. Je nach dem Adhäsions- 
verhalten können gewisse Kategorien von Einlagerungen dem 
verdichteten Plasma folgen, andere von ihm zurück- 
gestossen werden (S. 58). Werden Einlagerungen infolge ihrer 
Kleinheit und genügender Adhäsion nicht von der Verdichtung 
weggestossen, während Flüssigkeiten und andere grössere Ein- 
lagerungen von geringerer Adhäsion gleichzeitig aus der Ver- 
dichtung fortgestossen werden, so müssen die nicht verstossenen 
Einlagerungen in dem Verdichtungsgebiet natürlich dichter 
zusammengeschoben werden als an den nicht verdichteten Stellen, 
an denen sich die verstossenen Einlagerungen ansammeln werden 
(S. 59). So erklärt Rhumbler (S. 44), dass der Kern, obwohl 
grosse Einlagerung nicht aus der Verdichtung der Muttersphäre 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 245 


bei der Zellteilung entweicht, weil bei den Austauschgeschäften, 
die zwischen ihm und dem Plasma bestehen müssen, eine grosse 
Adhäsion von Kern und Plasma Voraussetzung sei. Auf dieser 
Grundlage fussend hat Rhumbler (1900a) zunächst die Beob- 
achtungen Fischels über die Umlagerung von mit Neutralrot 
gefärbten Körnchen in lebenden Echinodermeneiern, ferner (1900 b) 
die Pigmentstrasse, welche das Spermatozoon in pigmentierten 
Amphibieneiern hinter sich herzieht, und sonstige Pigment- 
anhäufungen in Verdichtungsstellen des Protoplasmas erklärt. Alle 
diese Fälle hatten das (remeinsame, dass die Körnchen offenbar 
zum Plasma starke Adhäsion besitzen und daher mit ihm nach 
dem Verdichtungsherd zusammengezogen werden. 

Während Rhumbler nicht ausdrücklich auf die Anwend- 
barkeit der von ihm entwickelten Grundsätze (für die Abrückung 
von Einlagerungen aus Verdichtungszentren des Plasmas) hin- 
sichtlich der intrazellulären Pigmentbewegung verwiesen hat, 
äusserte sich Fischel (1906, S. 533 Anmerkung), dass die Balung 
des Pigments vielleicht auf Druckdifferenzen in den Chro- 
matophoren beruhe. „Der Reiz führt .... dazu, dass in 
den Fortsätzen der Pigmentzelle ein höherer Druck entsteht. 
Infolgedessen wandern die Pigmentkörnchen aus den Fortsätzen 
gegen das Zentrum der Zelle. um nach Ausgleich der Druck- 
ditferenz wieder in die Fortsätze zurückzuströmen.“ Kahn und 
Lieben (1907, S. 109) haben dem widersprochen ; doch hat Fischel 
(1907, S. 427) die gegen ihn erhobenen Einwände nicht anerkannt 
und, wie mir scheint, widerlegt. Jedenfalls aber war die knappe 
Fischelsche Darstellung nicht ganz gegen missverständliche Aus- 
legung gefeit. Von weiteren Forschern, die sich im Sinne der 
Rhumblerschen Anschauungen ausgesprochen haben, ist mir 
nur noch Biedermann (1909, S. 91) bekannt geworden, der die 
Körnchenbewegung in den Chromatophoren und die vonRhumbler 
analysierten Fischelschen Beobachtungen an den Granula im 
Echinodermenei nebeneinander stellt. 

Dass eine derartige Fıklärung zulässig ist, dafür scheinen 
mir vor allem gewisse Eigentümlichkeiten der Granulaver- 
teilung in den Allophoren von Uroplatus zu sprechen, 
die ohne weiteres verständlich werden unter der Annahme, dass 
die Körnchen sich in einem die Sphäre umgebenden Druck- 
gefälle befinden. Ich meine erstens die Tatsache, dass die 


>46 W.J. Schmidt: 


Granula um so grösser sind, je weiter sıe vonder 
Sphäre entfernt liegen, zweitens den Umstand, dass 
länglich geformte Pigmentkörner sich mit ihrer 
grösseren Achse radial zur Sphäre einstellen. Ein 
derartiges Verhalten verlangen ja die von Rhumbler ent- 
wickelten Grundsätze für die Abrückung von Einlagerungen aus 
Verdichtungszentren des Plasmas. Auch entspricht wohl das 
morphologische Bild der Sphäre, als einer Plasmaverdichtung 
hinreichend den von uns zugrunde gelegten Anschauungen: ihr 
zentraler Teil ist offenbar am dichtesten und nach aussen hin 
nimmt ihre Dichte schrittweise ab gemäss dem färberischen Ver- 
halten (siehe S. 147 u. 169.) 

Wie man sich die Verlagerung der Pigmentmassen 
unter der Wirkung eines Druckgefälles im einzelnen 
vorstellt, wird zunächst davon abhängen, ob die Pigmentgranula 
zum umhüllenden Plasma grosse oder geringe Adhäsion 
besitzen. Im ersten Falle werden sie sich gleich den Fischel- 
schen Granula verhalten, also im Verdicehtungsgebiet der Sphäre 
sich ansammeln, solange das Druckgefälle bestehen bleibt, beim 
Ausgleich des Druckgefälles dagegen sich in der ganzen Zelle 
zerstreuen (vgl. Rhumbler 1900a, S. 59). Im entgegengesetzten 
Falle aber, wenn nämlich die Granula geringe Adhäsion zum 
Plasma besitzen, müssen sie mit der Steigerung des Druckgefälles 
vom Verdichtungszentrum abrücken und wiederum bei seinem 
Ausgleich sich überall in der Zelle verteilen. (Es ist denkbar, 
dass die verschiedenen Arten von Chromatophoren gemäss der 
verschiedenen Grösse und stofflichen Beschaffenheit ihrer Granula 
sich in diesem Punkte abweichend verhalten können, z. B. die 
grossen Granula der Allophoren bei der Sphärenverdichtung zentri- 
fugal wandern, während die winzigen Granula der Melanophoren 
unter den gleichen Umständen in der Sphäre dichter zusammen- 
geschoben werden.!) Es ist nicht leicht, in dieser Frage zu einem 


!) Wenn sich die Melaninkörnchen in den Amphibieneiern gemäss 
Rhumblers Untersuchungen in der letztgenannten Weise verhalten, also 
grosse Adhäsion zum Plasma besitzen, so braucht dieses Verhalten keines- 
wegs auch von vornherein für die Melaningranula in den Melanophoren 
gültig zu sein; denn das Verhalten ein und derselben Einlagerung hängt ja 
auch von der Beschaffenheit des umgebenden Plasmas und der Stärke 
des Druckgefälles ab, was beides in Amphibieneiern und Chromato- 
phoren durchaus anders sein kann. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 247 


sicheren Entscheid zu kommen, da wir nicht wissen, ob die Allo- 
phoren und Melanophoren immer gleichsinnig reagieren ; sollten 
sie sich aber bei reflektorischer Reizung verschieden verhalten, 
so würde dieser Umstand wohl nicht in abweichender Innervation, 
sondern in der angedeuteten Weise zu erklären sein.) Zunächst 
scheint mir hinsichtlich des Adhäsionsverhaltens der Granula zum 
Plasma die Annahme näher zu liegen, dass sie geringe Adhäsion 
zu ihm besitzen, da wir ein solches Verhalten auch für ihre 
Kontakterhaltung mit den Radiärstrahlen voraussetzen mussten. 
In diesem Falle würden also bei zunehmender Verdichtung der 
Sphäre die Körnchen von ihr abgestossen. 

Die Kraft, welche die Pigmentbewegung verur- 
sacht, ist also nach unserer Anschauung das Druckgefälle, 
welches’ dureh dierzentrale"Plasmaverdichtung 
bedingt ist. Die Dichte der Sphäre muss natürlich bei 
dem Ausbreiten und der Ballung des Pigments einem Wechsel 
unterliegen; ob er durch osmotische Kräfte veranlasst 
wird, oder ob es sich hier um eine reversible Gelbildung 
des Plasmas handelt, lasse ich dahingestellt; im letzten Falle 
könnte der wirksame Druck auch als Gelatinierungsdruck 
bezeichnet werden. Immer aber wird es sich in letzter Instanz 
um chemisches Geschehen handeln, das uns heute noch völlig 
verborgen ist. 

Ich will nicht verhehlen, dass die Theorie in dieser Form eine 
Schwäche besitzt: sie vermag einerseits die Ballung der Pigment- 
granula (bei grosser Adhäsion zum Plasma) oder ihre Abstossung 
von der Sphäre (bei geringer Adhäsion zum Plasma, vgl. oben), 
andererseits ihre gleichmässige Verteilung im Plasma 
zu erklären. Sie wird daher nicht den bei der Pigmentverlage- 
rung zu beobachtenden Extremen gerecht, die von einer zen- 
tralen Ballung der Granula, über ihre gleichmässige Verteilung 
im Zelleib bis zur Entleerung des eigentlichen Zell- 
leibes von Körnchen und Pigmenterfüllung der 
Ausläufer reichen; sie vermag vielmehr nur das Intervall von 
der vollkommenen Ballung bis zu gleichmässiger Verteilung der 
Körnchen im ganzen Zelleib (einschliesslich Ausläufer) oder aber 
das Intervall von einer äussersten Abstossung der Granula von der 
Sphäre (also von der Pigmenterfüllung der Ausläufer) bis zur 
gleichmässigen Verteilung der Granula im Plasma zu erklären. 


248 W. J. Schmidt: 


Nehmen wir etwa an, die Granula besässen geringe Adhäsion 
zum umgebenden Plasma und seien gleichmässig in ihm verteilt 
(oder auch um die Sphäre geballt), so werden sie in dem Maße, 
wie das Druckgefälle wächst, immer weiter von der Sphäre abge- 
drängt werden, bis der eigentliche Zelleib von ihnen frei und 
die Ausläufer pigmenterfüllt sind. Nimmt dagegen die Verdichtung 
der Sphäre ab, gleicht sich somit das Druckgefälle aus, so werden 
die Körnchen aus den Ausläufern in den Zelleib zurückströmen, 
und zwar können sie, wenn die Verdichtung der Sphäre vollständig 
aufgehoben ist, sich gleichmässig im Plasma der gesamten Zelle 
verteilen. Kahn und Lieben (1907, S. 109) halten es für 
ausgeschlossen, dass ein solches Rückströmen der Körnchen nach 
Ausgleich der Druckdifferenzen (im Sinne von Fischel aus der 
Zelle in die Fortsätze, also in umgekehrter Richtung wie in dem 
gerade von uns diskutierten Falle, was aber prinzipiell gleich- 
gültig ist) stattfinden könne. Doch scheint mir eine derartige 
rückläufige Bewegung der Körnchen bis zu ihrer gleich- 
mässigen Verteilung im Plasma sich aus dem Wesen 
des Druckgefälles ohne weiteres zu ergeben. Denn eine Einlage- 
rung hält in einem Druckgefälle nur dann eine Ruhestellung 
ein, wenn dem auf ein Körnchen wirkenden zentrifugalen Ver- 
drängungsbestreben der Sphäre durch gleich grosse, aber entgegen- 
gesetzt gerichtete Kräfte das Gleichgewicht gehalten wird. Nimmt 
das Gefälle ab, so werden die Einlagerungen sich unter dem 
Einfluss dieses Gegendruckes wieder in ihre Ausgangsstellung 
zurückbewegen müssen. Jedenfalls zeigen die Beobachtungen von 
Ballowitz über den Körnchentanz, dass die Verschiebung der 
Granula gegen elastische Widerstände erfolgt. Ein voll- 
kommener Ausgleich des Druckgefälles liegt aber offenbar dann vor, 
wenn alle Körnchen gleichmässig in der Zelle verteilt sind; denn 
beständen noch irgendwelche Druckdifferenzen, so müssten sie ein 
Abströmen der Körnchen von Orten höheren Drucks zu solchen 
niederen Drucks veranlassen. Dagegen besteht der Einwand von 
Kahn und Lieben zu Recht, wenn nun weiter in dem disku- 
tierten Fall die Ballung der Körnchen in der Sphäre zustande 
kommen soll. Dafür ist eine Umkehr des Druckgefälles 
nötig, derart, dass in der Peripherie der Zelle höherer, in ihrem 
Zentrum niedrigerer Druck besteht. Eine solche Umkehr des 
Druckgefälles wäre noch am leichtesten verständlich, wenn man 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 249 


annimmt, das Chromatophorenplasma im allgemeinen 
befinde sich in einem Zustand leichter Gelatinierung, 
die Sphäre dagegen könne alle Stufen des Aggregatzustandes 
durchlaufen, die bei einer kolloidalen Substanz vom festeren 
Gel zum vollkommenen Sol überleiten. Geht alsdann die 
Sphäre bei gleichmässiger Verteilung der Körnchen aus einem 
Zustand gleicher Kohäsion mit dem des übrigen Plasmas in den 
Zustand geringerer Kohäsion des Sols über, so tritt damit eine 
Umkehr des ursprünglichen zentrifugalen Druckgefälles ein und 
die Körnchen müssen sich in die Sphäre hineinbewegen. 

Das Jonglieren der Körnchen erkläre ich mir aus 
kurz andauernden Schwankungen des Sphärendrucks. Auch glaube 
ich nicht, dass die unabhängige und stückweise oder 
entgegengesetzte bewegung von einzelnen Körnchen- 
reihen oder Abschnitten von solchen ganz unvereinbar mit der 
entwickelten Theorie sei. Diese Erscheinungen betrachte ich als 
durch lokale Widerstände (Reibung, Gewebedruck und 
vielleicht noch andere nicht leicht auffindbare Faktoren) bedingt 
(vgl. Foraminiferen S. 243). 

Auch scheint mir das eigentümlicke Verhalten der 
Chromatophoren mit grossen und kleinen Granula 
(siehe S. 235) durch die hier vertretenen Auffassungen einer Er- 
klärung näher gerückt. Da grössere Einlagerungen schneller 
und weiter von der Sphäre abrücken als kleinere, und bei der 
Umkehr des Druckgefälles auch schneller zur Sphäre zurück- 
kehren müssen, so wäre die Tatsache, dass die kleinen Granula 
am längsten in den Ausläufern zurückbleiben, eine unmittelbare 
Folge dieser Gesetzmässigkeiten. 

Die eigentümliche Erscheinung, dass die Hauptmassen des 
Pigments sich bisweilen auf Bahnen bewegen, die von dem geballten 
Pigment gerade zu den Ausläufern hinführen (Fig. 8, Taf. V), 
während im übrigen die Ausbreitung des Pigments weniger weit 
gediehen ist, könnte darauf zurückgeführt werden, dass längs der 
grossen Strecke von der Sphäre bis zu den Enden der Ausläufer 
das Druckgefälle beträchtlicher ist, als auf dem kürzeren 
Weg von der Sphäre bis zur Peripherie des eigentlichen Zell- 
leibes, daher die erstgenannten Richtungen für die Pigment- 
bewegung bevorzugt sein müssen. — 

Ich bin mir wohl bewusst, dass auch diese Theorie, welche 


250 WeJSS[chmnldit: 


die Ursache der intrazellulären Pigmentverlage- 
rungin Veränderungen des um die Sphäre herum 
bestehenden Druckgefälles sucht und eine Be- 
wegung der Pigmentgranula in mehr oder minder 
streng radiären Reihen auf die richtende Wirkung 
radiär von der Sphäre ausgehender fädiger Struk- 
turen zurückführt, nicht die letzten Fragen beantwortet. 
Aber solange ein Problem nicht gelöst ist, müssen alle Wege 
eingeschlagen werden, die zum Ziel hinweisen; als einem solchen, 
wie mir dünkt, nicht ganz ungangbaren Weg, sei diesem Erklärungs- 
versuch hier ein Platz gegönnt. 


Literaturverzeichnis. 


Agassiz, L., 1857: Contributions to the natural history of the United 
States of America. Vol. I. Boston. 

Ballowitz, E., 1893: Die Nervenendigungen der Pigmentzellen, ein Beitrag 
zur Kenntnis der Endverzweigungen der Nerven mit dem Protoplasma 
der Zelle. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 56, 8. 673— 706, Taf. 35—39. 

Derselbe, 1913a: Über chromatische Organe, schwarzrote Doppelzellen und 
andere eigenartige Chromatophorenvereinigungen, über Öhromatophoren- 
fragmentation und über den feineren Bau des Protoplasmas der Farb- 
stoffzellen. Verh. d. Anat. Ges. 1913, S. 108—116. 

Derselbe, 1913b: Über Erythrophoren in der Haut der Seebarbe, Mullus L., 
und über das Phänomen der momentanen Ballung und Ausbreitung 
ihres Piements. Nach Beobachtungen an der lebenden Zelle. Arch. 
f. mikr. Anat., Bd. 83, S. 290—304, Taf. XV u. XVI. 

Derselbe, 1913c: Die chromatischen Organe in der Haut von Trachinus vipera 
Cuy. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 104, S. 471-529, Taf. XIV—-XVII. 

Derselbe, 1913d: Über schwarzrote und sternförmige Farbzellkombinationen 
in der Haut von Gobiiden. Ibid. Bd. 106, S. 527—593, Taf. VIII—X1I. 

Derselbe, 1913e: Über Erythrophoren besonderer Art in der Haut von 
Knochenfischen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 82, S. 206—219, Taf. XIV. 

Derselbe, 1913f: Das Verhalten der Zellkerne bei der Pigmentströmung in 
den Melanophoren der Knochenfische (nach Beobachtungen am lebenden 
Objekt). Biol. Centralblatt, Bd. 33, S. 267— 272. 

Derselbe, 1913g: Das Verhalten der Kerne bei der Pigmentströmung in den 
Erythrophoren von Knochenfischen. Nach Beobachtungen an der 
lebenden Rotzelle von Mullus. Ibid., Bd. 33, S. 490—493. 

Derselbe, 1914 a: Über die Pigmentströmung in den Farbstoffzellen und die 
Kanälchenstruktur des Chromatophorenprotoplasmas.. Nach Beob- 
achtungen an der lebenden Pigmentzelle und nach kinematographischen 
Aufnahmen. Pflügers Archiv, Bd. 157, S. 165—210, Taf. III—VI. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 251 


Derselbe, 1914b: Vier Momentaufnahmen der intrazellulären Pigment- 
strömungen in den Uhromatophoren erwachsener Knochenfische. Arch. 
f. Zellforschung, Bd. 12, S. 553—557. Taf. XL. 

Derselbe, 1914e: Zur Kenntnis des feineren Baues des CUhromatophoren- 
plasmas. Ibid., Bd. 12, S. 558—566, Taf. NLI—-XLI. 

Derselbe, 1915: Über die Erythrophoren und ihre Vereinigungen mit Irido- 
zyten und Melanophoren bei Hemichronis bimaculata Gill. Ihid., Bd. 14. 
Ss. 192—219. 

Biedermann, W., 1909: Vergleichende Physiologie der irritablen Sub- 
stanzen. Ergebn. d. Physiol. v. Asher u. Spiro, Jahre. 8, S. 26-—211. 

Derselbe, 1914: Physiologie der Stütz- und Skelettsubstanzen. Handbuch 
d. vergl. Physiologie, herausgegeben von Winterstein, Bd. 3, S. 319— 1188. 
Jena. 

Biochemisches Handlexikon 1911, herausgegeben von E. Abderhalden, 
Bd. IV und Bd. VI, Berlin. 

Blanchard,R., 1880: Recherches sur la structure de la peau des lezards. 
Bull. de la Soc. Zool. de France, Vol. V, p. 1-35, Taf. I-IIl. 
Braun, M., 1877a: Lacerta Lilfordi und Lacerta muralis. Arb. a. d. zool.- 

zootom. Institut in Würzburg, Bd. 4, S. 1—64, Taf. I u. II. 
Derselbe, 1877b: Zur Bedeutung der Cuticularborsten auf den Haftlappen 
der Geckotiden. Ibid., Bd. 4, S. 231—237, Taf. XI. 


Brücke, E., 1851: Untersuchungen über den Farbenwechsel des afri- 
kanischen Chamäleons. Neudruck, Leipzig 1893, in Ostwalds „Klassiker 
der exakten Naturwissenschaften.“ 

Carlton, F. C., 1903: The color changes in the skin of the so called 
Florida Chamaeleon, Anolis carolinensis Cuv. Proc. Amer. Acad. of 
Art. and Sci., Vol. 39, p. 259—276, 1 tab. 

Degner, E. 1912: Über Bau und Funktion der Krusterchromatophoren. 
Eine histologisch-biologische Untersuchung. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, 
Bad. 12, 8. 1—78, Taf. I—Il. 

Doflein, F., 1916: Studien zur Naturgeschichte der Protozoen, VII, Unter- 
suchungen über das Protoplasma und die Pseudopodien der Rhizo- 
poden. Zool. Jahrb., Bd. 39, Anat., S. 325—380, Taf. 19—22. 


Ficalbi, E., 1888: Ricerche istologiche sul tegumento dei serpenti. Atti 
Soc. Toscana di Sci. Nat., Pisa, Memorie vol. IX, p. 220—333, tab. VI. 

Fischel, A., 1906: Zur Entwicklungsgeschichte der Echinodermen. I. Zur 
Mechanik der Zellteilung. II. Versuche mit vitaler Färbung. Arch. 
f. Entwicklungsmech., Bd. XXII, S. 526—541. 

Derselbe, 1907: Zur Frage der Pigmentballung. Arch. f. Anat. u. Physiol., 
Phys. Abt., Jahrg. 1907, S. 427—428. 

Flemming, W., 1890: Über die Teilung von Pigmentzellen und Kapillar- 
wandzellen. Ungleichzeitigkeit der Kernteilung und Zelltrennung. 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 35, p. 275—286, Taf. XIV. 

Franz, V., 1908: Zur Struktur der Pigmentzellen. Biol. (entralbl., Bd. 28, 
S. 536. 

Heidenhain, M., 1911: Plasma und Zelle I, Abt. 2, Jena. 


232 W. J. Schmidt: 


Hertel, E., 1907: Einiges über die Bedeutung des Pigmentes für die 
physiologische Wirkung der Lichtstrahlen. Vergleichend-physiologische 
Untersuchungen. Zeitschr. f. allgem. Phys., Bd. 6, $. 44—70. 

Kahn, R. H. und Lieben, $., 1907: Über die scheinbaren Gestalts- 
änderungen der Pigmentzellen. Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt., 
Jahrg. 1907, S. 104—111, Taf. IV—V. 

Kammerer, P., 1907: Künstlicher Melanismus bei Eidechsen. Zentralbl. f. 
Physiol., Bd. 20, Lit. 1906, S. 261—263. 

Derselbe, 1910: Vererbung erzwungener Farbenveränderungen, I. u. II. Mit- 
teilung: Induktion von weiblichem Dimorphismus bei Lacerta muralis, 
von männlichem Dimorphismus bei Lacerta fiumana. Arch. f. Ent- 
wicklungsgesch., S. 456—498, Taf. XIV—XV. 

Krukenberg, C. Fr. W., 1882a: Die Farbstoffe in der Reptilienhaut. Die 
gelben Pigmente der Schlangen und Lacertiden. Verel.-physiol. Studien, 
II. Reihe, 2. Abt., S. 50—54, Heidelberg. 

Krukenberg u. Ewald, 1882b: Über die Verbreitung des Guanins, be- 
sonders über sein Vorkommen in der Haut von Amphibien, Reptilien 
und von Petromyzon fluviatilis. Unters. a. d. physiol. Inst. d. Univ. 
Heidelberg, Bd. IV, S. 253—263. 

Krukenberg, 1883: Über Besonderheiten der Guaninablagerung bei 
Fischen. Zeitschr. f. Biologie, Bd. 19 (N. F. Ba. 1), S. 154—158. 
Derselbe, 1886: Vergleichend-physiologische Vorträge. Grundzüge einer 

vergleichenden Physiologie der Farbstoffe und Farben. Heidelberg. 

Leydig, F., 1868: Über Organe eines sechsten Sinnes. Nova acta acad. 
Carol., Bd. 34, S. 1—108, Taf. I—V. 

Derselbe, 1872: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen. 

Derselbe, 1873: Über die äusseren Bedeckungen der Amphibien und Rep- 
tilien. Neue Beiträge. Erster Artikel. Die Haut einheimischer 
Ophidier. Arch. f. mikr. Anat., Bd. IX, S. 753—794, Taf. XXXII. 

Derselbe, 1888: Pigmente der Hautdecke und Iris. Verh. physik.-med. Gesell- 
schaft Würzburg, N. F., Bd. 22, Nr. 9, S. 1—25. 

Neumann, E., 1909: Guaninkristalle in den Interferenzzellen der Amphibien. 
Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. u. klin. Medizin, Bd. 196 
(F. XIV, Bad. VI), S. 566576. 

Oppenheimer, E., 1895: Über eigentümliche Organe in der Haut einiger 
Reptilien. Ein Beitrag zur Phylogenie der Haare. Schwalbes mor- 
phol. Arb., Bd. 5, S. 445—461, Taf. 18—20. 

Osawa, G., 1896: Beitrag zur feineren Struktur des Integuments der Hat- 
teria punctata. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 47, S. 570—583, Taf. XXIX. 

Parker: G. H., 1906: The influenee of light and heat on the mouvement 
of the melanophore pigment especially in lizards. Journ. Exp. Zoology, 
vol. III, p. 401-414. 

Pouchet, G., 1876: Des changements de coloration sous l’influence des 
nerfs. Journal de l’anat. et-de la physiol., p. 1—10, 113—165, tab. I—-IV. 

Rhumbler, L., 1896: Versuche einer mechanischen Erklärung der indirekten 
Zell- und Kernteilung. Erster Teil. Die Cytokinese. Arch. f. Ent- 
wicklungsmech., Bd. III, S. 527—621, Taf. XXXVI. 


03 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 25 


Derselbe, 1900: Physikalische Analyse von Lebenserscheinungen der Zelle, II. 
Mechanik der Abrückung von Zelleinlagerungen aus Verdichtungs- 
zentren der Zelle im Anschluss an Fischels Vitalfärbungen an 
Echinodermeneiern und Bütschlis Gelatinespindeln erläutert. Ibid. 
Bd. IX, 8. 32—62. 

van Rynberk, G. 1906: Über den durch Chromatophoren bedingten 
Farbenwechsel der Tiere (sogenannte chromatische Hautfunktion). 
Ergebn. d. Physiol. von Asher und Spiro, Bd. 5, 8. 347-571. 


Sehmidt, W. J., 1910: Das Integument von Voeltzkowia mira Bttgr. Ein 
Beitrag zur Morphologie und Histologie der Eidechsenhaut. Zeitschr. 
f. wiss. Zool., Bd. 94, S. 605—720, Taf. XXII—XXIV. 

Derselbe, 1911: Beobachtungen an der Haut von Geckolepis und einigen 
anderen Geckoniden. Völtzkow, Reise in Ostafrika in den Jahren 
1903—1905, Bd. 4, S. 331—351, Taf. 24 u. 25. 

Derselbe, 1912a: Studien am Integument der Reptilien, I. Die Haut der 
Geckoniden. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 101, S. 139 — 258, Taf. VII —XII. 

Derselbe, 1912b: Dasselbe, III: Über die Haut der Gerrhosauriden. Zool. 
Jahrb., Bd. 35, Anat., S. 75—103, Taf. 4. 

Derselbe, 1913: Dasselbe, IV: Uroplatus fimbriatus (Schneid.) und die Gecko- 
niden. Ibid., Bd. 36, Anat., S. 377—464, Taf. 33—36. 

Derselbe, 1914: Dasselbe, V: Anguiden. Ibid., Bd. 38, Anat., Ss. 1102, 
Taf. 1—6. 

Derselbe, 1916: Dasselbe, VII: Bau und Entwicklung der Eidechsenkrallen. 
Ibid., Bd. 39, Anat., S. 385—484, Taf. 23—27. 

Schneider, K. C., 1905: Plasmastruktur und -bewegung bei Protozoen 
und Pflanzenzellen. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien, Bd. XVI, 118 
Seiten und 4 Tafeln. 

Schultze, M., 1863: Das Protoplasma der Rhizopoden und Pflanzenzellen. 
Ein Beitrag zur Theorie der Zelle. Leipzig. 

Schulze, P., 1913: Studien über tierische Körper der Üarotingruppe, 1, 
Insecta. Sitzungsber. Ges. Naturf. Freunde, Berlin, Jahrg. 1913, S. 1— 22, 
Taf. I—-IIl. 

Siedlecki, M., 1909: Zur Kenntnis des javanischen Flugfrosches. Biol. 
Centralbl., Bd. 29, S. 704—737, Taf. VII— VII. 


Thilenius, G.: 1897: Der Farbenwechsel von Varanus griseus, Uromastix 
acanthinurus und Agama inermis. Schwalbes Morph. Arb., Bd. 7, 
S. 515—545, Taf. XVII—XVII. 

Todaro, F., 1877: Sulla struttura della pelle de’ rettili. Atti Acad. Lincei 
Anno 275. 1877—78. Mem. (3), Vol. 7, p. 1073—1129, tab. VII—XI. 

Werner, F., 1913: Die Lurche und Kriechtiere, II. Bd. Brehms Tierleben. 
Leipzig und Wien. 

Winkler, F., 1910: Beobachtungen über die Bewegungen der Pigment- 
zellen. Arch. f. Dermat. u. Syphilis, Bd. 101, S. 255—260. 

Zimmermann, K. W., 1890: Über die Teilung der Pigmentzellen, speziell 
der verästelten intraepithelialen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 36, S. 404—410, 
Taf. XV. 


254 Ve Steshemirdit: 


Derselbe, 1893 a: Studien an Pigmentzellen, I: Über die Anordnung des 
Archiplasmas in den Pigmentzellen der Knochenfische. Ibid., Bd. 41, 
S. 367—389, Taf. XXIII—-XXIV. 

Derselbe, 1893b: Über die Kontraktion der Pigmentzellen der Knochenfische. 
Verh. Anat. Ges., 8. 76—78. 

Zirkel, F., 1898: Elemente der Mineralogie. 13. Auflage, Leipzig. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel V—IX. 


Tafel V. 


Alle Abbildungen beziehen sich auf Melanophoren von Uroplatus 
timbriatus Schneid. und sind mittels des Ab beschen Zeichenapparates 
in der Höhe des Objekttisches nach 7,5 „ dicken Schnittpräparaten der mit 
Apathys Alkohol-Sublimat fixierten Haut entworfen, sofern nicht anders 
vermerkt, unter Benutzung von Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1,5 und 
Kompensations-Okular 8. 

Fig. 1. Übersichtsbild einer Melanophore der Rückenhaut; stärkere 
Pigmentansammlung in den Endfüsschen der Ausläufer. Zeiss’ 
Apochromat 4 mm und Komp.-Ok. 8. Vergr. 600:1. 

Fig. 2. Zellkörper einer Melanophore, der bei spärlichem Pigmentgehalt 
einen Kern zeigt: Ausläufer stark mit Melaninkörnchen erfüllt. 
Färbung Delafields Hämatoxylin. Vergr. 1360:1. 

Fig. 3. Kleinere Melanophore, in deren pigmentarmem Zellkörper einKern 
und die Sphäre sichtbar sind. Färbung Eisenhämatoxylin. 
Vergr. 1360 :1. 

Fig. 4 Fast pigmentleerer Zellkörper einer Melanophore; 

Sphäre durch leichte Ballung der Granula ange- 

deutet. Kern gegen die Sphäre hin schüsselartig aus- 

gehöhlt. Färbung Delafields Hämatoxylin. Vergr. 1360:1. 

Zellkörper einer Melanophore mit einem im Schnitt gelegenen Aus- 

läufer. Zelleib fast pigmentleer, Ausläufer, beson- 

ders Endfüsschen pigmenterfüllt; Sphäre durch leichte 

Ballung der Granula angedeutet; Kern gegen die Sphäre 

hin ausgehöhlt. Färbung Delafields Hämatoxylin. Vergr.1360:1. 

Fig. 6. Zellkörper einer Melanophore; die beiden Kerne im Schnitt 
getroffen; starke Pigmentansammlung in der Sphäre, 
die nach aussen hin allmählich abnimmt und sich zum Teil 
in radiären Zügen in die Ausläufer fortsetzt. Färbung 
Delafields Hämatoxylin. Vergr. 1360:1. 

Fig. 7. Zellkörper einer Melanophore; die beiden Kerne, mächtige zen- 
trale Pigmentansammlung und radiäre Zügevon 
Pigmentkörnchen sichtbar. Färbung Delafields Häma- 
toxylin. Vergr. 1360:1. 

Fig. 8. Melanophore mit zentraler Pigmentansammlung, ın 
deren Inneren ein elliptischer Bezirk sich besonders ab- 


[Sit 


Fig. 


Be.) 9. 


Fig. 10. 


Kiosk 


Rig. 12. 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 255 


hebt; radiäre Züge von Melaningranula, die breiteren in die 
Ausläufer übergehend, zwischen ihnen vereinzelteradiäreFäden; 
Kern zum Teil in die zentrale Pigmentanhäufung eingebettet. 
Färbung Delafields Hämatoxylin. Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Melanophore. Sphäre sehr dicht mit Pig- 
mentkörnchen erfüllt; im übrigen Zelleib nur ver- 
einzelte Granula; sehr zarte radiäre Strahlung von 
der Sphäre aus. Färbung Eisenhämatoxylin. Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Melanaphore, mit Chlor gebleicht; von der 
dichteren zentralen, elliptisshn Plasmamasse 
(— Sphäre), in der die entfärbten Granula noch als undeutliche 
Körnung sichtbar sind und welche die beiden Kerne grössten- 
teils umschliesst, gehen radiäre Fäden aus, mit plasmatischem 
Belag, in dem die Granula hier und da noch kenntlich sind; 
zwischen diesen Fasern Schrumpfungslücken. Färbung Eisen- 
hämatoxylin. Vergr. 1360 ::1. 
Zellkörper einer Melanophore mit Chlor gebleicht; em Kern 
und Sphäre sichtbar; von der letzteren gehen allseits radiäre, 
in Plasma eingebettete Fäden aus; zwischen ihnen vereinzelte 
Schrumpfungslücken. Sehr stark mit Eisenhämatoxylin gefärbt. 
Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Melanophore mit Chlor gebleicht; die beiden 
Kerne, sehr langgestreckte Sphäre und radiäre Fäden 
sichtbar, die zum Teil in die Ausläufer hineinreichen. Sehr 
stark mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Melanophore mit Chlor gebleicht: grosse, 
kugelige Sphäre, gegen diese hin ausgehöhlte Kerne und undeut- 
liche radiäre Strahlung sichtbar; stärkere Fäden 
ziehen in zwei der Ausläufer hinein. Färbung Eisenhämatoxylin. 
Vergr. 1360:1. 

Tafel VI. 


Alle Abbildungen beziehen sich auf Allophoren von Uroplatus 
fimbriatus Schn. und sind mit Ausnahme von Fig. 14 nach 7,5 „ dicken 
Schnittpräparaten der mit Alkohol-Sublimat nach Apäthy fixierten Haut 
unter Benutzung des Abbe schen Zeichenapparates und Zeiss’ Apochromat 
2 mm N. A. 1,3 und Komp.-Ok. 8 in der Höhe des Objekttisches entworfen. 


Fig. 14. 


Gruppe von Allophoren in Flächenansicht nach einem unge- 
färbten Totalpräparat der Rückenhaut (seitliche Hautfalte) 
gezeichnet; man beachte die wechselnde Grösse der 
Granula in verschiedenen und auch in der gleichen Zelle. Zeiss 
Apochromat 4mm und Komp.-Ok. 8. Vergr. 600:1. 

Allophore mit Granula mittlerer Grösse, die den 
Sphärenbezirk frei lassen, im letzten einekleine zentrale 
Verdichtung und undeutliche radiäreStrahlung; 
stellenweise radiäre Reihenanordnung der Granula. 
Lage des Kernes angedeutet. Färbung Eisenhämatoxylin. 
Vergr. 1360:1. 


256 


Fig. 16. 


Fig. 17. 


Fig. 19. 


Fig. 20. 


1aıan, Zulk 


Fig. 22 — 


Fig. 24— 


W2I2Sichmidt: 


Zellkörper einer Allophore mit spärlichen meist grossen, 
peripher gelagerten Granula; gut abgesetzte, zentral 
gelegene Sphäre mit dichter radiärer Strahlung; Kern 
neben der Sphäre. Färbung Eisenhämatoxylin. Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Allophore mit spärlichen, verschieden grossen, 
meist in der Peripherie befindlichen Granula. Sphäre 
mässig deutlich gegen die wenig ausgeprägte Strahlung ahge- 
setzt; Kern. Färbung Eisenhämatoxylin. Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Allophore mit peripher gelagerten, mittel- 
grossen Granula; Sphäre geht allmählich in die Strahlung 
über. Färbung Eisenhämatoxylin. Vergr. 1360: 1. 
Zellkörper einer Allophore mit mittelgrossen Granula in 
deutlicher Reihenstellung;: Sphärenbezirk scharf ab- 
gesetzt, körnchenfrei; Kern. Färbung Delafields Häma- 
toxylin. Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Allophore mit Granula verschiedener 
Grösse, die derart in radiäre Reihen gestellt sind, dass 
im allgemeinen die Grösse der Körnchen mit dem Abstand 
vom undeutlich abgesetzten Sphärenbezirk an Grösse zu- 
nehmen; längere Achse länglicher Körnchen radiär zur Sphäre 
eingestellt; Kern. Färbung Eisenhämatoxylin. Vergr. 1360:1. 
Zellkörper einer Allophore mit sehr verschieden grossen 
Granula, deren Umfang im allgemeinen mit dem Abstand 
von der wenig ausgeprägten Sphäre zunimmt; die länglichen 
grösseren Granula mit Radiärstellung der längeren 
Achse. Färbung Eisenhämatoxylin. Vergr. 1360:1. 
23. Feinkörnige Allophoren mit gleichmässiger Verteilung der 
Granula; in beiden Kern, in 22 auch Sphäre sichtbar. Stark 
mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Vergr. 1360 :1. 
27. Feinkörnige Allophoren,;, Granula kaum gefärbt: kleine 
zentrosomartige Sphäre mit radiärer Strahlung und Kern 
sichtbar. Schwach mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Vergr. 1360:1. 


Fig. 25—30. Zellkörper von kleinen Allophoren aus der Haut der 


Augengegend!; Zentriol in Form eines einfachen oder 
doppelten Körnchens stark gefärbt; Sphäre schwach, nur in 
Abbildung 30 mit radiären Zügen ausgebildet; Kern. Färbung 
Eisenhämatoxylin. Vergr. 1360:1. 


Tafel VII. 


Alle Abbildungen sind nach überlebendem Material, dem in physio- 
logischer Kochsalzlösung untersuchten freien Rand der Bauchschuppen von 
Lacerta vivipara (und L. agilis, Fig. 35), unter Benutzung des Abbe&schen 
Zeichenapparates und, soweit nicht anders vermerkt, des Zeiss- Apochro- 
maten 2 mm N. A. 1,30 und des Komp.-Ok. 8 in Objekttischhöhe entworfen 
und betreffen vornehmlich die Lipophoren. 


Fig. 31. 


Ausschnitt des Hinterrandes einer Bauchschuppe mit blauen und 
grünlichen Guanophoren, gelben Lipophoren, schwarzen 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 257 


Melanophoren und vereinzelten Anhäufungen rötlicher Lipochrin- 
massen. Zeiss’ Apochromat 16 mm und Komp.-Ok. 8. Vergr.164:1. 

Fig. 32. Teil der Lipophorenschicht bei starker Vergrösserung ; 
grössere orangefarbige Tropfen und rötliche Lipochrin- 
massen zwischen den gelben Schollen ; unten rechts eine Guano- 
phore. Vergr. 1360:1. 

Fig. 33. Lipophore von der äusseren Zone des Schuppenrandes mit 
kleineren, annähernd gleich grossen Granula; im Zelleibe die 
Stelle des Kernes sichtbar. Vergr. 1360:1. 

Fig. 34. Kleine, nur ganz schwach gelblich erscheinende Lipophore. 
Vergr. 1360:1. 

Fig. 35. Lipophore von Lacerta agilis mit zahlreichen kleineren 
und vereinzelten grösseren Granula. Vergr. 1360:1. 

Fig. 36. Lipophore mit sehr verschieden grossen Granula und un- 
regelmässig geformten Lipochrineinlagerungen. Vergr. 1360:1. 

Fig. 37—40. Lipophoren mit stäbehenförmigen, zum Teilkörnchen- 
artigen Lipochrinkristallen; in Abbildung 38 und 40 Lage 
des Kernes gut kenntlich. Vergr. 1360:1. 

Fig. 41. Gruppe von Lipochrinkristallen zwischen den Ästen der 
Melanophoren scheinbar extrazellulär gelegen. Vergr. 1360:1. 

Fig. 42. Gruppe durcheinander geschlungener Fäden und Ringe von 
Lipochrin. Vergr. 1360:1. 

Fig. 43-45. Gruppenvonverschiedenartig geformtenLipochrin- 
teilchen (in Fig. 44 ausserdem ein grosser gelber Fettropfen). 
Vergr. 1360 ::1. 

Tafel VIII. 

Die Abbildungen beziehen sich auf Allophoren, Lipophoren und Guano- 
phoren von Lacerta muralis, L. agilis und L. vivipara und sind, 
soweit nicht anders bemerkt, nach Schnittpräparaten mit Hilfe des A bb&schen 
Zeichenapparates in Objekttischhöhe entworfen. 

Fig. 46. Lacerta muralis. Rückenschuppe längs. E — Epidermis; 
Mı = epidermale, M = subepidermale Melanophoren; A = 
Allophoren; G= Guanophoren. Fixierung Formol; Schnitt- 
dicke 224; ungefärbt; Zeiss’ Apochromat8 mm und Komp.-Ok. 4. 
Vergr. 158:1. 

Fig. 47. Lacerta muralis. Rückenschuppe längs. L = Lipophoren 
(osmiert), die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 46. Fixierung 
Chrom-Osmium-Essigsäure ungefärbt; Schnittdicke 22 u. Zeiss’ 
Aprochrom. 8 mm und Komp.-Ok. 4. Vergr. 158:1. 

Fig. 48. Lacerta agilis. Hinterrand einer Rückenschuppe. Bezeich- 
nungen wie in Fig. 46. Fixierung Formol; Schnittdicke 22 u 
ungefärbt. Zeiss’ Aprochromat 8 mm und Komp.-Ok. 8. 
Vergr. 350:1. 

Fig. 49. Lacertamuralis. Schichtung der verschiedenen Chromatophoren 
an einer Stelle der Rückenhaut entsprechend Fig. 46. Bezeichnung wie 
dort. Fixierung Formol; Schnittdicke 22 u; ungefärbt. Ze ss’ 
Apochromat 2 mm. N. A. 1,30 und Komp.-Ok. 8. Vergr. 1360:1. 

Archir f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. I. 17 


258 


Fig. 5 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. : 


Fig. : 


51. 


54. 


55. 


WERE Srchhimsndite: 


Lacerta muralis. Teil eines Längsschnittes einer Rücken- 
schuppe, umfassend die basalen Epidermiszellen (E) und den oberen 
Teil der Subepidermis. Bezeichnungen wie in Fig. 46. Fixierung 
Formol; Schnittdicke 7,5 „: Färbung Eisenhämatoxylin - Eosin. 
Zeiss’ Aprochromat 2mm N. A. 1,3 und Komp.-Ok.8. Vergr. 1360:1. 
Lacerta agilis. Kehlschuppe längs. Gı erratische Guanophoren ; 
die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 46 und 47. Fixierung Chrom- 
Osmium -Essigsäure; Schnittdicke 15 „; ungefärbt. Zeiss’ 
Apochromat 16mm und Komp.-Ok. 4. Vergr. 78:1. 

Lacerta agilis. Teil eines Längsschnittes einer Kehlschuppe, 
entsprechend Fig. 5l, umfassend die basalen Epidermiszellen (E) 
und den oberen Teil der Subepidermis. Bezeichnungen wie Fig. 46 
und 47. Fixierung Chrom-Osmium-Essigsäure Schnittdicke 15.4; 
ungefärbt. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1,30 und Komp -Ok. 8. 
Vergl. 1360:1. 

Lacerta muralis. Teil eines Längsschnittes einer Rücken- 
schuppe, umfassend die basalen Epidermiszellen (E) und den oberen 
Teil der Subepidermis; Bezeichnungen wie in Fig. 46 und 47. 
K = Blutkapillare. Fixierung Chrom-Osmium-Essigsäure. Schnitt- 
dicke 7,5 w. Färbung Eisenhämatoxylin-Eosin. Zeiss’ Apochromat 
2mm N. A. 1,3 und Komp.-Ok. 8. Vergr. 1360:1. 

Lacerta agilis. Lipophoren (L)unter den basalen Epidermis- 
zellen (BE). Fixierung Chrom-Osmium-Essigsäure. Schnittdicke 7,5 +. 
Färbung Eisenhämatoxylin. Zeiss’ Apochromat 2mm N. A. 1,3 und 
Komp.-Ok. 8. Vergr. 1360:1. 

Lacerta vivipara Lipophoren aus einer Bauchschuppe. Be- 
zeichnung, Fixierung, Färbung, Optik wie in Fig. 54. Vergr. 1360:1. 


56a—d. Lacerta muralis. Guanophoren aus 7,5 „ dicken Quer- 


schnitten der Rückenhaut, in a, b, ce der Kern getroffen, d= ein 
kernfreier Zellabschnitt. Anordnung des kristallinischen 
Guanophoreninhalts in Schichten, deren Zusammen- 
setzung aus winzigen Körnern vor allem in d kenntlich ist. 
Fixierung Formol; Färbung Delafields Hämatoxylin. Zeiss’ 
Apochromat 2mm N. A. 1,3 und Komp.-Ok. 8. Vergr. 1360:1. 
Lacerta agilis. Stück einer Guanophore in Flächenansicht 
nach einem Totalpräparat vom Hinterrand einer Bauchschuppe ; 
in einigen Ausläufern helle, kanalartige Spalten. Fixierung 
Alkohol; ungefärbt. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 1,3 und 
Komp.-Ok. 8. Vergr. 1360:1. 

Lacerta agilis. Stück einer Guanophore im Flächenschnitt 
der Bauchhaut. Schichtung des kristallinischen Inhalts 
stellenweise kenntlich. Fixierung Formol; Schnittdicke 15 „; unge- 
färbt. Zeiss’ Apochromat 2 mm N. A. 13 Komp.-Ok. 8. 
Vergr. 1360: 1. 

Lacerta agilis. Guanophore aus einem 7,5 „ dicken Querschnitt 
der Bauchhaut; kristallinischer Guanophoreninhalt 
entfernt, Streifung des Zelleibes erhalten; Kern, 


Die Chromatophoren der Reptilienhaut. 259 


ihm anliegend körnige Plasmaanhäufungmit Zentriol (?), 
links stark färbbares strangartiges Gebilde. Fixierung Formol ; 
Schnittdicke 7,5 a. Färbung Eisenhämatoxylin-Eosin. Zeiss’ 
Apochromat 2mm N. A. 1,3 und Komp.-Ok. 8. Vergr. 1360:1. 


Fig. 60 a—c. Lacerta muralis. Guanophoren aus 7,5 u dicken Schnitten 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


der Rückenhaut; kristallinischer Guanophoreninhalt 
entfernt, Streifung des Zelleibes erhalten; Kern 
sichtbar ; in b ausserdem vom Kern ausgehende stark färbbare 
Masse kenntlich. Fixierung, Färbung, Optik wie in Fig. 59, 
Vergr. 1360::1. 

Tafel IX. 


Alle Abbildungen beziehen sich auf embryonale Melanophoren von 
'Geckolepis polylepis Bttgr. und sind nach Totalpräparaten der Haut 
oder einzelner Schuppen, gefärbt mit Delafields Hämatoxylin, mit Hilfe 
des Abb&schen Zeichenapparates unter Benutzung von Zeiss’ Apochromat 
2mm N. A. 1,30 und Komp.-Ok. in Objekttischhöhe entworfen. 


Fig. 61 a—c. Jugendstadien intraepithelialer Melanophoren 


62 


ig. 68. 


64. 


65. 


66. 


BRUT E 


eines 2,5 cm langen Embryos mit blauen Granula im Plasma. 
Kern iin b und ce exzentrisch gelegen. Vergr. 1360:1. 

a—d. Intraepitheliale Melanophoren eines älteren 
Embryos: in a und b neben dem Kern die Sphäre sichtbar; 
in c Anastomosen der Ausläufer; in allen Zellen bräunliche 
Melaningranula entwickelt; in d daneben noch deutlich blaue 
Granula sichtbar. Vergr. 1360:1. 

Subepidermale Melanophore eines älteren Embryos. 
Zentralekörnchenfreie Sphäre, exzentrischer Kern sichtbar ; 
Zelleib mit zahlreichen blauen Granula und vereinzelten 
dunklen im Umkreis der Sphäre. Vergr. 1360:1. 
Subepidermale Melanophore eines älteren Embryos im 
Zustand mittlerer Pigmentexpansion. Ausläufer von bräunlichen 
Melaninkörnchen erfüllt, die um die blau gefärbte Sphäre 
dichter geballt sind; neben dieser Pigmentanhäufung, zum Teil 
in ihr, der Kern. Vergr. 1360:1. 

Subepidermale Melanophore eines älteren Embryos. 
Ausläufer zum Teil von Pigment entleert; nur ein 
Kern zum Teil sichtbar. Vergr. 1360: 1. 

Subepidermale Melanophore eines älteren Embryos. 
Ausläufer von den Melaningranula entleert, lassen 
blaue Körnung erkennen; aus der zentral geballten Melaninmasse 
ragen die Kerne zum Teil hervor. Vergr. 1360 :1. 
Subepidermale Melanophore eines älteren Embryos. 
Ausläufer vollkommen entleert; ohne jede Körnung. 
Bräunliche Melaningranula zu einem zentralen Pig- 
mentkuchen geballt, der von einerZoneblauerGranula 
umgeben ist, in der die Kerne liegen. Vergr. 1360:1. 


17% 


261 


Über die bilaterale oder nasotemporale Symmetrie 
des Wirbeltierauges. 
Von 
Carl Rabl. 


Hierzu Tafel X— XIII und 5 Textfiguren. 


In der Diskussion zu dem Vortrage M. v. Lenhosseks 
über „Die Entwicklung und Bedeutung der Zonula ciliaris“ auf 
der Anatomen-Versammlung in Leipzig im April 1911 sagte ich: 
„Meine Auffassung der Entwicklung des Glaskörpers und der Zonula 
steht zu derjenigen v. Lenhosseks in diametralem (Gegensatz. 
Nach meinen Untersuchungen halte ich, wie jetzt wohl die Mehrzahl 
der Anatomen, den Glaskörper und die Zonula für Produkte der 
Augenblase, also für (Grebilde, die genetisch und anatomisch aufs 
innigste mit der Retina zusammengehören. Damit hängt aber 
zugleich meine morphologische Auffassung des ganzen Auges 
zusammen. 

Ich halte das Auge der Wirbeltiere, auch in seinem ent- 
wickelten Zustande, für einen zu einem Sinnesorgan 
umgebildeten Hirnlappen, in den von aussen her die 
Linse eingesenkt ist. Dass das Auge junger Embryonen — 
die primäre Augenblase oder auch noch die daraus hervorgehende 
sekundäre Augenblase oder der Augenbecher — einen Hirnlappen 
vorstellt, ist allgemein bekannt. Bonnet spricht daher in seinem 
Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte mit Recht von einem 
„Sehlappen oder Ophthalmencephalon* und einem „Sehventrikel“* 
junger Embryonen. Während man aber früher den Glaskörper 
von aussen her in den Augenbecher einwachsen und also meso- 
dermalen Ursprungs sein liess und über die Entstehung der Zonula 
überhaupt nichts auszusagen wusste, haben die neueren Unter- 
suchungen (von denen v. Lenhosseks abgesehen) gezeigt, dass 
(Glaskörper und Zonula aus der Augenblase stammen und genetisch 
und anatomisch zur Retina gehören. In der Tat ist der Glas- 
körper nichts anderes als eine in bestimmter Weise 
differenzierte Glia; er gehört so innig zu der Pars optica 

Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 18 


262 CarlRabl: 


retinae, dass man sagen kann, beide — Pars optica retinae und 
Glaskörper — bilden eine anatomische und genetische Einheit. 
Und in ähnlicher Weise sind die Zonulafasern als Glia- 
fasern aufzufassen, hervorgegangen aus basalen Ausläufern der 
Zellen der inneren Lamelle der Pars ciliaris retinae. Auch sie 
sind also Differenzierungsprodukte der Augenblase. 

Mit der Auffassung, dass Retina, Glaskörper und Zonula 
und selbstverständlich auch das gleichfalls aus der Augenblase 
entstehende Pigmentepithel Teile eines spezifisch umgebildeten 
Hirnlappens sind, stimmen auch der Bau und die Entwicklung 
des N. opticus überein. Der Opticus ist kein Nerv, wenigstens 
kein Nerv im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern eine 
Leitungsbahn, eine Bahn, die den zum Auge umgebildeten Hirn- 
lappen mit den anderen Teilen des Gehirns in Verbindung setzt. 
Genau so wie sonst den markhaltigen Nervenfasern und den aus 
ihnen bestehenden Leitungsbahnen der nervösen Zentralorgane 
fehlt auch den Fasern des Opticus das Neurilemm, und es finden 
sich statt der Schwannschen Scheiden Gliazellen, die mit ihren 
Fortsätzen die Nervenfasern umspinnen. Der Opticus verhält sich 
also auch histologisch genau so wie eine Leitungsbahn des Zentral- 
nervensystems und stellt sich in scharfen Gegensatz zu den 
peripherischen Nerven. 

Aber auch in Beziehung auf ihre Hüllen stimmen Auge und 
Optieus mit dem Gehirn überein. Bekanntlich setzt sich die Dura als 
Duralscheide auf den Opticus und von da als Sklera aufs Auge 
fort. Und ebenso müssen Arachnoideal- und Pialscheide des Opticus 
und Tunica vasculosa des Auges als Fortsetzungen der Leptomeningen 
des Gehirns betrachtet werden. — Endlich darf vielleicht auch in 
der Gefässversorgung des Auges eine Übereinstimmung mit dem 
Gehirn erblickt werden. Die Carotis interna ist bekanntlich 
Carotis cerebralis und nun versorgt ihr erster nennenswerter Ast, 
die A. ophthalmica, einen zu einem Sinnesorgan umgebildeten 
Hirnlappen.“ 

Ich wiederhole diese Worte aus jener Diskussion, weil die 
Erfahrung lehrt, dass das, was im Anschluss an den Vortrag eines 
anderen gesagt wird, bald vergessen ist und von niemandem 
gelesen wird. — Ich weiss nicht, ob mich v. Lenhossek richtig 
verstanden hat: jedenfalls ging dies aus seiner Antwort nicht 
hervor. Er hielt es für notwendig, mich darauf aufmerksam zu 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 263 


machen, dass „die Auffassung der Augenblase und der daraus 
hervorgehenden Netzhaut als eines an die Peripherie verlagerten 
Hirnteiles und ebenso des Sehnerven als einer Hirnkommissur 
sich wohl mit der allgemein herrschenden, von niemandem 
angefochtenen Anschauung decke“. Ich will diese Liebenswürdigkeit 
gern erwidern, indem ich Herrn v. Lenhossek und wer sich 
sonst etwa noch für die Geschichte unserer Wissenschaft interessieren 
sollte. darauf aufmerksam mache, dass schon C. E. v. Baer gewusst 
hat, dass sich das Auge aus dem Vorderhirnbläschen entwickelt; 
der daraus zu ziehende Schluss war selbstverständlich. Im ersten 
Teil seines Hauptwerkes, der bekanntlich im Jahre 1828 erschienen 
ist, heisst es auf S. 23 und 24: „Die vorderste dieser Zellen 
(sc. der Hirnzellen), oder diejenige, welche die vorderste war, 
umschliesst in späterer Zeit die Schenkel des Grosshirns und die 
Sehhügel. Die enge runde (Grestalt, welche sie im ersten Erscheinen 
hat, verändert sie schon um die 30. Stunde, indem sie im hinteren 
Teile ihres Umfanges sich erweitert hat und nach vorn sich etwas 
zuspitzt. Diese seitliche Ausdehnung des hinteren Teiles nimmt 
ziemlich rasch zu und treibt zu beiden Seiten rundliche Erhöhungen 
hervor, die ersten Anfänge der Augen.“ Es dürfte wohl 
überflüssig sein, auch noch Belegstellen aus Rathke, Remak, 
Bischoff, Reichert usw. anzuführen, welche zeigen würden, 
dass sie alle über die Beziehungen der Augenblasen zum Gehirn 
schon gut unterrichtet waren. Ich bin übrigens v. Lenhossek 
für seine Belehrung sehr dankbar, wenn sie auch vielleicht seinen 
Schülern gegenüber besser angebracht gewesen wäre. 

v. Lenhoss&k spricht von der Auffassung der Augenblase 
und der daraus hervorgehenden Netzhaut als eines an die Peripherie 
verlagerten Hirnteiles; darum allein handelt es sich aber nicht. 
Es handelt sich vielmehr darum, dass die Netzhaut mit Inbegriff 
des Tapetum nigrum, des Glaskörpers und der Zonula eine 
morphologische und genetische Einheit bildet, dass der Glaskörper 
und die Zonula als Glia mit der Retina zusammengehören und 
ebenso Produkte der Augenblase sind, wie die Retina selbst. 

v. Lenhossck meint ferner, es gehe nicht an, spezielle 
Fragen, wie die Entwicklung des Glaskörpers und der Zonula, 
„aus allgemeinen Prinzipien heraus“, wie den Beziehungen zwischen 
Augenblase und Hirn, „deduktiv entscheiden zu wollen“. In diesen 


Worten liegt eine Entstellung des tatsächlichen Sachverhaltes. 
kr 


264 Carl Rabl: 


Meine Auffassung des Glaskörpers und der Zonula gründet sich 
nicht auf eine „Deduktion aus allgemeinen Prinzipien“, sondern 
auf beobachtete Tatsachen. Übrigens brauche ich sie wohl nicht 
noch eingehend zu rechtfertigen, nachdem ich mich schon an 
anderem Orte (Anat. Anz. 1903) darüber geäussert habe. 
v. Lenhossek hat die Ansicht aufgestellt, dass der Glaskörper 
ein Produkt der Linse sei; ob diese Auffassung ausser etwa von 
seinem Schüler v. Szily auch sonst noch von jemand geteilt 
wird, ist mir nicht bekannt. — 

Die vorliegende Abhandlung führt den Gedanken, den ich in 
der erwähnten Diskussion zum Ausdruck brachte und der eigentlich 
schon in meiner Monographie über den Bau und die Entwicklung 
der Linse, sowie in dem kleinen Aufsatz über die Entwicklung 
des Glaskörpers enthalten war, noch weiter aus. Die hier mit- 
geteilten Tatsachen kenne ich zum grössten Teile schon, seitdem 
ich in den Jahren 1900 und 1901 die Figuren zu meiner Arbeit 
über die Entwicklung des Gesichtes (1902) zusammengestellt habe: 
ich sah mich damals veranlasst, einen grossen Teil der dort abge- 
bildeten Köpfe von Säugetierembryonen in Sagittalserien zu zer- 
legen. Genauer aber habe ich den Gegenstand erst seit etwa 
10 Jahren verfolgt. 


I. Säugetiere. 


Ich habe die Entwicklung der Retina, soweit die Säugetiere 
in Betracht kommen, beim Kaninchen, Schaf, Hund, Schwein und 
Menschen untersucht. Am vollständigsten sind meine Unter- 
suchungen in Beziehung aufs Kaninchen; ich werde mich daher 
zunächst an diese halten. 

l. Kaninchen. Die erste Andeutung einer Augenanlage 
ist vielleicht schon bei Kaninchenembryonen mit zwei bis drei 
Urwirbeln vorhanden. Solche Embryonen pflegen S bis S!/s Tage 
alt zu sein; wie sie im Flächenbilde aussehen, ist aus den Figuren 
12 bis 15 der 4. Tafel meines Buches über „Ed. v. Beneden und 
den gegenwärtigen Stand der wichtigsten von ihm behandelten 
Probleme 1915“ dargestellt. Sicher fühle ich mich übrigens in 
der Deutung der von solchen Embryonen erhaltenen Querschnitts- 
bilder, soweit die Anlage der Augen in Betracht kommt, nicht. 
Auch bei einem Embryo mit vier vorn und hinten scharf begrenzten 
Urwirbeln, wie ein solcher in Fig. 16 jener Arbeit abgebildet 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 265 


ist, kann man vielleicht noch nicht von Augenanlagen sprechen. 
Solehe sind aber bei einem Embryo von sechs bis sieben Urwirbeln, 
der 5 Tage 22 Stunden alt war, ganz sicher vorhanden. Hier kann 
an der richtigen Deutung nicht gezweifelt werden. Hirn- und 
tückenmarksrohr sind noch in der ganzen Ausdehnung offen, 
wenn auch der Verschluss auf den (uerschnitten, welche das 
Herz und weiter hinten die vordere Hälfte der Urwirbelregion 
treffen, durch die Annäherung der beiden Medullarplatten schon 
vorbereitet ist. Die Vorderhirnplatten sind zu dieser Zeit noch 
flächenhaft ausgebreitet: sie sind stark dorsalwärts vorgewölbt 
und in der Mitte durch eine breite Furche getrennt; lateral von 
der Vorwölbung senkt sich eine ungefähr trichterförmige Grube 
ein — eben die erste Anlage der Augenblase. Die 
laterale Wand dieser Grube ist etwas dünner als die direkt in 
die Vorwölbung übergehende mediale. Die Bilder erinnern an die 
von Keibel vom Schwein beschriebenen und ausserdem an einem 
Plattenmodell zur Darstellung gebrachten; nach Keibel sind aber 
die aruben beim Schwein erst im Stadium von neun bis zehn Ur- 
wirbeln zu sehen: ein Embrvo von sieben Urwirbeln zeigte davon 
noch keine Spur. Demnach tritt die Augenblase. vorausgesetzt, dass 
die Beobachtung Keibels richtig ist, beim Kaninchen etwas 
früher auf als beim Schwein; wenigstens soweit bei der Bestimmung 
des Alters die Zahl der Urwirbel in Betracht kommt. Auch war 
bei dem Keibelschen Embryo das Medullarrohr schon in grosser 
Ausdehnung geschlossen und nur vorn und hinten noch often: 
also auch in dieser Hinsicht war der Embryo weiter entwickelt, 
als Kaninchenembrvonen von sechs bis sieben Urwirbeln. 

In den von Charles Minot und Ewing Tavlor bear- 
beiteten Normentafeln zur Entwicklungsgeschichte des Kaninchens 
1905) heisst es von einem Kaninchenembryo von 8!/» Tagen: 
„Externallv 5 fully formed segments visible.“ Ein 2. Embryo 
solchen Alters hatte sechs bis sieben und ein dritter ungefähr neun 
Urwirbel. Bei der Beschreibung eines Embryo dieses Alters, dessen 
Urwirbelzahl aber leider nicht angegeben ist. werden die Augen- 
anlagen erwähnt, wobei aber der Bemerkung ein Fragezeichen an- 
gehängt wird; die Stelle lautet: „Anlagen of optic vesicles in lateral 
parts of cephalic end of raised medullary plate?“ Erst von einem 
Embryo von 9 Tagen heisst es: „Primary optic vesicles distinct, 
thoush small; open widelv into medullarv tube, which is open 


266 CamlaRraıpE 


dorsally. They form the entire lateral boundary of medullary 
tube at point of connection. Ventral wall of vesicle thicker, 
than dorsal.“ Diese Bemerkungen stimmen nur zum Teil mit 
meinen Beobachtungen jüngster Augenanlagen überein; anderen 
Teiles, und dies gilt namentlich von der letzten Angabe, lassen 
sie sich aber nur mit meinen Beobachtungen an erheblich älteren 
Embryonen in Einklang bringen. 

Nachdem einmal die ersten Anlagen der Augen gebildet 
sind, schreitet ihre weitere Entwicklung sehr rasch fort. Bei einem 
Embryo mit sieben vorn und hinten scharf begrenzten Urwirbeln, 
also in einem dem vorigen sehr nahe stehenden Stadium, haben 
sich die Randteile der Vorderhirnplatten, die zu den Augengruben 
eingesenkt sind, erhoben, so dass die Wand der Grube, die früher 
die laterale war, nunmehr zur oberen geworden ist. Immerhin 
sind aber die Ränder der beiden Hirnfalten noch sehr weit von- 
einander getrennt. die Spalte zwischen ihnen also noch sehr gross. 
Das Nervenrohr war übrigens bei diesem Embryo schon eine 
Strecke weit geschlossen; der Verschluss begann in der Gegend 
der hinteren Hälfte des noch paarigen Herzschlauches und er- 
streckte sich über die vordersten Urwirbel. Weiter hinten war 
das Rohr noch offen. 

‘ Bei einem Embryo mit neun scharf begrenzten Urwirbeln, zu 
welchen noch ein vorderster, kranialwärts nicht scharf begrenzter, 
sondern hier ins unsegmentierte Mesoderm übergehender zehnter 
kam, ist das Hirnrohr mit Ausnahme des vorn und unten zwischen 
den Augenblasen gelegenen, sogenannten vorderen Neuroporus 
geschlossen. Während die beiden Herzanlagen eines Embryo mit 
acht scharf begrenzten Urwirbeln sich im Zusammenhang mit der 
fortschreitenden Abhebung des Kopfes vom Dottersack zwar schon 
einander genähert haben, aber noch nicht verschmolzen sind, 
haben sich bei einem Embryo mit zehn scharf begrenzten Urwirbeln 
nur die äusseren Herzhäutchen vereinigt, wogegen die inneren, 
wenn auch nur in geringer Ausdehnung, noch voneinander ge- 
trennt sind. Diese beginnen sich erst bei Embryonen mit zwölf 
Urwirbeln zu vereinigen, indem das Septum, welches die Lumina 
der beiden Endothelröhren voneinander trennt, an mehreren, 
aber nicht an vielen Stellen, durchbrochen wird. Die Vereinigung 
der beiden Lumina ist auch bei einem Embryo mit 13 Urwirbeln 
noch von geringer Ausdehnung. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 267 

An Sagittalschnittserien durch Embryonen dieses Alters kann 
man sehen, dass die Augenblasen mit der rasch fortschreitenden 
Abhebung des Kopfes vom Dottersack eine Stellungsänderung 
erfahren, die natürlich mit der sich ausbildenden Kopfkrümmung 
Hand in Hand geht. Bei einem Embryo mit neun Urwirbeln stellen 
sie auf solchen Schnitten plattgedrückte Blasen mit einer vorderen, 
oberen, dünneren und einer hinteren, unteren, dickeren Wand 
dar. Die ganze Blase ist schief von hinten oben nach vorn unten 
gerichtet und in derselben Richtung zieht natürlich auch das 
sehr enge, spaltförmige Lumen. 

Bei einem Embryo mit zwölf Urwirbeln steht die Blase nahezu 
senkrecht, mit dem oberen Ende etwas nach vorn, mit dem unteren 
etwas nach hinten gerichtet. Die vordere Wand der Blase ist 
noch etwas dünner als die hintere, das Lumen beträchtlich weiter. 
bei einem Embryo mit 15 Urwirbeln hat sich der Kopf noch 
mehr nach unten gebogen und in den Dottersack hineingesenkt 
und infolgedessen stehen die Augenblasen, auf die späteren Ver- 
hältnisse bezogen, mit ihrem längsten Durchmesser fast senkrecht; 
ihre beiden Wände, die vordere und hintere, sind gleich dick 
und das Lumen beginnt oval zu werden. 

Embryonen mit 12—13 Urwirbeln sind ungefähr 9 Tage alt. 
Die Anlage des Gehörorganes stellt bei ihnen noch eine seichte, 
aber schon deutlich erkennbare Grube dar. Bei etwas älteren 
Embryonen, solchen mit 15—16 Urwirbeln, ist das Gehörgrübchen 
schon tiefer, aber immer noch sehr weit offen. Es sieht ungefähr 
so aus wie beim Embrvo des Stadiums I. Taf. X, in meiner 
Arbeit über „die Entwicklung des Gesichtes* 1902. Der dort 
abgebildete Embryo war 9 Tage 3 Stunden alt; ich besitze drei 
Serien von Embryonen dieses Stadiums. — Von den jüngsten. im 
vorhergehenden kurz notierten Stadien der Augenentwicklung habe 
ich keine Zeichnungen angefertigt und zwar einerseits deshalb 
nicht, weil ich die ohnedies schon grosse Zahl derselben nicht 
noch vermehren wollte, andererseits, weil der Hauptgegenstand 
der vorliegenden Arbeit nicht die frühesten Stadien der Augen- 
entwicklung betrifft. 

Der jüngste Embryo, von dem ich auf Taf. X, Fig. 1 aus 
einer Sagittalschnittserie einen Schnitt durch das Auge der linken 
Seite abgebildet habe, war 9 Tage 7 Stunden alt, hatte noch 
ein weit offenes Gehörbläschen und stand ungefähr auf der Stufe 


265 CarlRabl: 


des Embryo II des angeführten Tafelwerkes. Schnitte aus Sagittal- 
schnittserien treffen bei jungen Embryonen die Augen, da diese 
rein seitlich liegen, fast genau äquatorial: erst bei älteren 
Embryonen, bei denen die Augen etwas nach vorn rücken und 
deren Augenachsen daher einen nach vorn offenen stumpfen Winkel 
miteinander einschliessen, ändert sich dieses Verhältnis, und Sagittal- 
schnitte durch den Kopf treffen die Augen in schiefer Richtung. 
Bei Embryonen von sechs bis zehn Urwirbeln liegt das Ektoderm 
der Augenblase direkt an, bei ganz jungen Embryonen, solchen mit 
sechs und sieben Urwirbeln, stossen die Augengruben nach unten 
oder nach unten und aussen mit ihrem Boden an das Ektoderm an. 
Aber schon bei Embryonen mit zwölf Urwirbeln schiebt sich zwischen 
die Augenblasen und das ganz dünne, über sie hinwegziehende 
Ektoderm Mesodermgewebe ein und mit diesem dringen zugleich 
auch (refässe ein. Dieses Verhalten ändert sich erst später wieder, 
sobald sich die Linsenplatte zu bilden beginnt. Bei den jüngsten 
Embryonen mit eben bemerkbarer Linsenplatte sind nur einige 
wenige, zerstreute, spindelförmig ausgezogene Mesodermzellen, 
aber keine Gefässe mehr zwischen Ektoderm und Aussenwand der 
Augenblase vorhanden und noch später sind auch diese Zellen 
verschwunden. Ich habe darüber in dem 3. Teil meiner Arbeit 
über den Bau und die Entwicklung der Linse (Zeitsch. f. w. Zool.. 
Bd. 67, 1900) ausführlich berichtet und die betreffenden Quer- 
schnittsbilder mitgeteilt. An einem Embryo, der gleich weit ent- 
wickelt war, wie der Embryo des Stadiums II des Tafelwerkes 
oder der Embryo. dem der Schnitt entnommen ist, den ich auf 
Taf. X, Fig. 1 abgebildet habe, zählte ich 17 scharf begrenzte 
Urwirbel, wozu noch als 18. oder vorderster in der Reihe der 
erste, nach vorn offene metaotische Urwirbel kam. Die Augen- 
blase zeigt auf Sagittalschnitten eine etwas unregelmässige ovale 
Form, hat ein weites Lumen und ihre Wände sind überall von 
nahezu derselben Dicke. Ich orientiere sie so, dass ihr längster 
Durchmesser senkrecht steht oder nur sehr wenig nach unten 
und vorn abweicht. Die Innenfläche der Blase ist glatt, die 
Aussenfläche dagegen ganz unregelmässig höckerig, ja geradezu wie 
aufgefranst, was dadurch zustande kommt, dass die Zellen zahl- 
reiche pseudopodienartige Fortsätze ausschicken, die mit den 
Fortsätzen der umgebenden Mesodermzellen in Verbindung zu 
treten scheinen. Dasselbe habe ich auch an Querschnittserien 


Silaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 269 


durch zwei gleichalterige und gleich weit entwickelte Embryonen 
gesehen. Unmittelbar dem Lumen der Blase genähert, beobachtet 
man eine grosse Zahl von Teilungsfiguren, wie solche auch sonst 
an der Innenfläche des Hirnrohres, wenn auch nicht überall in 
gleicher Menge, zu sehen sind. Es verdient erwähnt zu werden. 
dass schon jetzt, geradeso wie in späteren Stadien, im Hirn- und 
Medullarrohr die Mitosen sehr viel häufiger sind und dichter 
nebeneinanderstehen, als in irgend einem anderen Organ oder 
einem anderen (Gewebe: wir müssen darin den Ausdruck pro- 
spektiver Entwicklung erblicken. Bekanntlich ist die Teilungs- 
fähigkeit der Zellen des Zentralnervensystems eine beschränkte: 
sie findet relativ bald ihren Abschluss, während sie bei anderen 
(Geweben und Organen, wie Zz. B. beim Epithelgewebe, zum Teil 
bis ans Lebensende erhalten bleibt. 

Einen Aquatorialschnitt durch eine erheblich weiter ent- 
wickelte Augenblase zeigt uns die Fig. 2 der Taf. X. Der Schnitt 
stammt aus einer Sagittalschnittserie durch einen Embryo, der 
dem des Stadiums IV meines Tafelwerkes über das Gesicht 
entsprach. Ich habe daselbst auch eine sehr eingehende Be- 
schreibung des Baues solcher Embryonen gegeben, aus der ich 
nur einige wenige Angaben heraushebe. Embryonen dieses Sta- 
diums besitzen 25>—26 Urwirbel und 3 Kiemenbogen. Die Riech- 
platte ist eben angedeutet, das ungefähr birnförmige (Gehör- 
bläschen hat sich bis auf eine kleine punktförmige Öffnung an 
seiner dorso-lateralen Wand geschlossen. Während es früher, 
solange es noch weit offen war, über dem hinteren Ende der 
Basis des zweiten Kiemenbogens oder Hyoidbogens gelegen war, 
liegt es jetzt genau in der dorsalen Verlängerung der zweiten 
äusseren Furche, eine Lage, die es von jetzt an durch lange 
Zeit beibehält. Querschnittserien durch Embryonen dieses Alters 
zeigen, dass die Augenblasen das Ektoderm nicht berühren, son- 
dern dass sich, wie dies oben beschrieben wurde, zwischen sie 
und die äussere Haut lockeres Mesodermgewebe mit Grefässen 
einschiebt. Eine Linsenplatte ist noch nicht vorhanden. Der 
abgebildete Äquatorialschnitt durch die Augenblase zeigt vor 
allem, dass diese sehr viel grösser und nach aussen hin fast 
überall scharf begrenzt ist. Nur hie und da, namentlich an der 
dorsalen Wand, treibt noch eine Zelle einen pseudopodienartigen 
Fortsatz nach aussen. Die Wand der Blase ist jetzt nicht überall 


270 ÖUarlRabl: 


mehr gleich dick; die dorsale Wand ist am dünnsten, die ventrale 
am dieksten. Ich orientiere wieder die Blase so, dass ihr längster 
Durchmesser senkrecht steht. Es entspricht dies ungefähr der 
definitiven Stellung des Auges. In dieser verschiedenen Dicke 
der Wand ist wieder der Ausdruck prospektiver Entwicklung zu 
erblieken. Denn durch sie gibt sich schon jetzt ein Unterschied 
zwischen dem Teil der Augenblase, der zum Tapetum nigrum 
wird und dem, der die eigentliche Retina mit dem Glaskörper 
und der Zonula hervorgehen lässt, zu erkennen. Die obere, vordere 
und hintere Wand der. Blase stellen nämlich die Anlage des 
Tapetum vor und nur die verhältnismässig wenig ausgedehnte 
untere Wand ist die Anlage der eigentlichen Retina. An der 
der weiten Höhle der Blase, dem „Sehventrikel“, zugewendeten 
lläche sieht man wieder zahlreiche Mitosen, die zahlreichsten in 
der unteren Wand. Hier stehen sie überall dieht nebeneinander 
und zwar nehmen die Teilungsachsen, deren Stellung man am besten 
an Mutter- oder 'Tochtersternen beurteilen kann, jede mögliche 
Riehtung ein. 

Das nächste Bild (Fig. 5, Taf. X) zeigt uns ein sehr wich- 
tiges Stadium der Entwicklung des Auges des Kaninchens. Ich 
habe lange gesucht, bis ich Embryonen fand, welche dieses Bild 
zeigten, bis ich endlich zwei fand; sie waren 10 Tage und einige 
Stunden alt und ungefähr so weit entwickelt wie der Embryo V 
meines Tafelwerkes. Zur Orientierung über die allgemeine Ent- 
wieklungshöhe dieser Embryonen teile ich mit, dass sie, wenn auch 
äusserlich nur drei Kiemenfurchen zeigend, doch noch eine vierte 
auffallend grosse Kiementasche besitzen, die auf Saegittalschnitten 
eine ungefähr quadratische Form hat und zweifellos die Anlagen 
einer vierten und fünften inneren Kiemenfurche repräsentiert. Die 
iechplatte dieser Embryonen ist dieker als im früheren Stadium ; 
(das Gehörbläschen vollständig von der Oberfläche getrennt, wenn- 
gleich die Stelle, an der es ausmündete, noch deutlich zu er- 
kennen ist. Was nun die Augenblase betrifft, so liessen die 
obere, vordere und hintere oder, wie wir auch sagen können, die 
dorsale, nasale und temporale Wand auf dem Aquatorialschnitt 
im Vergleich mit dem früheren Stadium keinen besonders auf- 
fallenden Unterschied erkennen ; höchstens wäre darauf aufmerksam 
zu machen, dass die Wände von oben nach unten ganz allmählich 
dicker werden, dass sich aber sowohl die nasale als die temporale 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 271 


Wand sehr scharf von der ventralen oder retinalen absetzen. 
So wenige verändert sich aber der pigmentale Teil der Wandung 
erweist, so auffallend ist die Veränderung des retinalen, unteren 
Teiles. Dieser ist zwar nach aussen geradeso wie früher 
halbkugelig vorgewölbt, nach innen aber, gegen 
den „Sehventrikel“, springen zwei mächtige Wülste 
vor, die durch eine ziemlich tiefe l’urche voneinander getrennt 
sind. Demnach ist die retinale Wand der Augenblase 
zweilappig und zwar schon in einem Stadium, in welchem an 
ihr noch nicht die geringste Spur einer Einstülpung vorhanden 
ist. Die Bildung dieser zwei Lappen ist also, was von grosser 
Wichtigkeit für die Auffassung derselben ist, durchaus nicht die 
Folge der Einstülpung der Augenblase, sondern sie ist von dieser 
völlig unabhängig und tritt schon auf, bevor sich die erste Spur 
derselben bemerkbar macht. Die beiden Lappen sind der Aus- 
druck mächtiger Wucherungen der retinalen Wand der Blase, 
was sich vor allem in den zahlreichen Teilungsfiguren der beiden 
Wülste zu erkennen gibt. Oft sind diese an der in den „Seh- 
ventrikel*“ vorspringenden Seite so dicht gestellt, dass die Wülste 
von ihnen geradezu übersät sind. Wie mir scheint, kann man 
höchstens zur Zeit der Bildung der Neuromeren des Diencephalon 
und Rhombencephalon eine ähnliche Menge von Mitosen auf engstem 
waume nebeneinander sehen. 

Fig. 4, Taf. X zeigt uns das Bild eines Äquatorialschnittes 
durch das linke Auge des auf Taf. X, Stadium VI meines Tafel- 
werkes abgebildeten Embryo. Das Bild unterscheidet sich in 
zweifacher Beziehung von dem vorigen. Erstens ist der dorso- 
ventrale Durchmesser der Blase auffallend kurz, kürzer als man 
nach den Bildern, die man sonst von jüngeren oder älteren 
Embryonen erhält (man vgl. z. B. die Fig. 2, 3, 5 und 6 mit der 
Fig. 4) erwarten sollte; indessen dürfte dieses Verhalten wohl rein 
individuell sein und ihm daher keine grössere Bedeutung zukommen. 
Viel wichtiger aber ist die zweite Eigentümlichkeit, durch die sich 
diese Augenblase von der nächst jüngeren unterscheidet. Während 
früher die Aussenfläche der retinalen Wand der Blase kugelförmig 
nach unten vorsprang, ist sie jetzt ganz abgeflacht. Die Innen- 
fläche dieser Wand zeigt wieder die zwei mächtigen Wülste, auf 
die bereits beim vorigen Stadium aufmerksam gemacht wurde. 
Auch jetzt sieht man wieder, dem „Sehventrikel“ zugekehrt, in 


DD CarlBabl: 


den Wülsten eine überaus grosse Zahl von Mitosen, als Ausdruck 
des lebhaften Wachstums der retinalen Wand. Ich habe in dieses 
Bild auch die die Augenblase umgebenden Gefässe eingezeichnet. 
um zu zeigen, wie ungemein reich sie mit Blut versorgt wird. 
Man dürfte kaum fehlgehen, das rasche und lebhafte Wachstum 
der Augenblasen mit diesem grossen (Gefässreichtum in ursäch- 
lichen Zusammenhang zu bringen. Während, wie die Figur zeigt, 
die ventrale Wand der Augenblase abgeflacht ist, lassen Quer- 
schnittsserien durch solche Embryonen erkennen, dass die laterale 
Wand die allererste Spur einer Einsenkung zeigt. Diese ist 
übrigens auch, wie ich schon in meinem l'afelwerk beschrieb, an 
der Sagittalschnittserie eben zu erkennen. Die Einsenkung er- 
folgt gleichmässig mit der Bildung der Linsengrube. In diesem 
Stadium beginnt sieh nämlich, allerdings zunächst noch kaum 
merkbar, die Linsenplatte zur Grube zu vertiefen. Die Einsenkung 
oder Einstülpung der Augenblase beginnt also, wie dies auch an 
den Figuren 2 und 3 meiner Linsenarbeit zu sehen ist, an der 
lateralen Wand und schreitet von hier erst auf die ventrale fort. 
Ventrale und laterale Wand zusammen lassen aber die Retina 
hervorgehen: sie beide zusammen bilden die retinale Wand der 
Augenblase. Von der lateralen Wand der Augenblase gilt dies 
aber nur mit der Einschränkung, dass für die Bildung der Retina 
(im engeren Sinn, vgl. weiter unten) nur derjenige Bezirk in Frage 
kommt, der an die Linsenanlage stösst. Der dorsalwärts davon, 
ausserhalb der Linsenanlage gelegene. dünnere Bezirk. nimmt an 
der Bildung der Retina keinen Anteil; er gehört bereits der 
pigmentalen Wand an. Man wird dies erst verstehen, wenn man 
die (@uerschnittsbilder meiner Linsenarbeit mit zum Vergleiche 
heranzieht. 

Das nächste Bild (Fig. 5, Taf. X) zeigt uns einen Äquatorial- 
schnitt durch das linke Auge des in meinem Tafelwerk als 
Stadium VII bezeichneten und abgebildeten Embryo. Wie die 
früheren Schnitte wurde auch er durch die Mitte der Blase geführt, 
d. h. er trifft diese dort, wo ihr Lumen am weitesten ist. Auf 
den vorhergehenden und den folgenden Schnitten wird das Lumen 
enger. Man kann sich an dieser Serie zunächst überzeugen, dass 
die Linsenplatte schon ein wenig tiefer eingesenkt ist und dass 
auch die laterale Wand der Augenblase, damit im Zusammenhang, 
eine deutlichere Vertiefung zeigt als früher. Nach unten setzt 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 273 


sich aber, wie der abgebildete Schnitt zeigt, die Vertiefung noch 
nicht fort; höchstens kann eine ganz geringe Vertiefung in der 
Mitte der ventralen Fläche auf eine solche Einsenkung bezogen 
werden. 

Was die beiden Wülste betrifft, so sind sie beträchtlich 
höher geworden und ragen ziemlich weit in den „Sehventrikel* 
vor. Von den Mitosen in denselben gilt das früher Gesagte. 
Verfolgt man die Serie nach aussen, so überzeugt man sich, dass 
sich die Wülste auch auf den retinalen Teil der äusseren Wand 
der Blase, oder doch wenigstens auf die unteren Abschnitte 
derselben fortsetzen. Dagegen hören sie nach innen zu, gegen 
das Gehirn, schon vor dem Übergang der Blase in den Augen- 
blasenstiel auf. Die Blase ist bei diesem Embryo höher, der 
vertikale Durchmesser länger als bei dem Embrvo des Stadiums VI. 
Von anderen Eigentümlichkeiten hebe ich nur hervor, dass die 
Riechplatte verdickt und abgeflacht war. 

Das nächste Bild (Fig. 6, Taf. X) zeigt uns einen Äquatorial- 
schnitt durch das Auge des auf Tafel II Stadium VIII meines 
Tafelwerkes abgebildeten Embryo. Wie jenes Bild zeigt, ist das 
Linsenbläschen bis auf eine nicht sehr grosse, kreisrunde Stelle, 
an der es sich nach aussen öfinet, von der Haut abgelöst. Aus 
der Linsengrube ist also ein Linsenbläschen geworden. Die Ränder 
der Öffnung, die in das Bläschen führt, sind, wie ich in jener 
Arbeit hervorhob, ungemein scharf und ganz glatt. Die Ent- 
wicklung des Auges hat im Vergleich mit dem vorigen Stadium 
grosse Fortschritte gemacht. Es ist jetzt die ganze retinale 
Wand der Blase, also sowohl die ventrale als der grösste Teil 
der lateralen, tief in den „Sehventrikel“ eingestülpt. Ich habe 
aus der Serie absichtlich einen Schnitt ausgewählt, der das Auge 
ziemlich weit medial trifft. Die Schnitte, welche weiter nach 
aussen, also gegen die Haut zu, durchs Auge gehen und also 
das Linsenbläschen treffen, zeigen eine grosse Ähnlichkeit mit dem 
in Fig. 7 abgebildeten des nächst älteren Stadiums, den ich gleich 
später beschreiben werde. Der Schnitt trifft also die mediale 
Wand der sekundären Augenblase; er ist der vierte nach ein- 
wärts von dem letzten, der noch etwas von der Linse zeigt 
(Schnittdicke 10 «). Schon zwei Schnitte weiter nach der Median- 
ebene zu verschwindet auch der letzte Rest der Anlage der 
Retina und etwa drei oder vier Schnitte darauf folgt der zu dieser 


274 CamlaRTanpıEe 


Zeit noch sehr mächtige und dicke Augenblasenstiel. Dieser 
enthält eine sehr geräumige Höhle von dreieckiger Form mit 
schmaler ventraler Basis, hohen Seitenflächen und abgerundeten 
Winkeln. Die Einstülpung der retinalen Wand der Augenblase 
setzt sich auf den Augenblasenstiel zu dieser Zeit noch nicht 
fort. Sie hört auf demselben Schnitte auf, auf welchem von der 
Retina nichts mehr zu sehen ist. Dem Gesagten zufolge beginnt 
die Einstülpung an der lateralen Wand der Blase, schreitet von 
da rasch auf die untere oder ventrale Wand fort und erstreckt 
sich erst verhältnismässig spät auch auf den Augenblasenstiel. — 
An dem abgebildeten Schnitte nun bemerkt man bei e an der 
ventralen Seite der Augenblase eine ziemlich seichte, einfache 
Grube als letzten, medialsten Rest der auf den vorhergehenden 
Schnitten sichtbaren, sehr tiefen fötalen Augenspalte. Diese selbst 
führt bekanntlich von unten her in den Hohlraum der sekundären 
Augenblase, der zu dieser Zeit beim Kaninchen fast ganz von 
der Linse ausgefüllt wird. An dem abgebildeten Schnitte ist der 
ursprünglich, und auch noch nach Ausbildung der beiden retinalen 
Lappen (vgl. die Fig. 3—5) sehr weite „Sehventrikel* sehr ein- 
geengt und zeigt nur drei weitere Stellen: eine dorsale, die sich 
zwischen die beiden Lappen der Retina einsenkt, und zwei seitlich 
und ventral gelegene, eine nasale und eine temporale. Die zwei 
Lappen der Retina, der nasale und der temporale, desgleichen 
auch die sie trennende Furche sind auf nicht weniger als zwölf 
Schnitten der Serie durch das Auge, das in 19—20 Schnitte 
zerlegt ist, sehr deutlich zu sehen; nur die ersten und letzten 
Schnitte der Serie zeigen naturgemäss von der Lappung nichts. 
Dicht unter der dem „Sehventrikel“ zugekehrten Fläche der 
beiden Lappen der Retina findet man wieder zahlreiche Mitosen. 
Bekanntlich ist diese Fläche entwicklungsgeschichtlich von der 
freien Fläche des zur Augenblase umgewandelten Ektoderms ab- 
zuleiten, was selbstverständlich auch von der dem „Sehventrikel“ 
zugewendeten Fläche der Anlage des Tapetum nigrum und ebenso 
von der Ventrikelfläche des Hirn- und Rückenmarksrohres gilt. 
Es haben also in der Anlage des ganzen Zentralnervensystems 
und demgemäss auch in der Anlage des Auges die Mitosen die- 
selbe Lage, die sie in einschichtigen Epithelien, mag es sich um 
einreihige oder mehrreihige handeln, einnehmen. Diese Lage 
bleibt auch später, wenn die Anlagen der nervösen Zentralorgane 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 275 


längst durch Umbildung ihrer Elemente den Charakter wahrer 
Epithelien verloren haben, die typische. Indessen soll nicht uner- 
wähnt bleiben, dass man in späteren Stadien, allerdings nur ganz 
ausnahmsweise und bei längerem Suchen, auch wohl eine weiter 
vom Lumen entfernte Mitose antreffen kann. 

Eine weitere Eigentümlichkeit der retinalen Wand der 
Augenblase besteht darin, dass in ihr sehr zahlreiche, zwischen 
‚den Zellkernen zerstreute, sich mit Karmin, Cochenillealaun und 
Hämatoxylin intensiv tingierende, kleine runde, homogene Körner 
enthalten sind, ähnlich denen, die ich in den Rändern der Öffnung 
des Linsenbläschens und später an der Verschlußstelle dieser 
Öffnung bei der Ente und dem Kaninchen seinerzeit gefunden 
und beschrieben habe. Seither sind solche Körner auch von 
anderen und an anderen Orten gesehen worden. Es wird davon 
später noch ausführlich gesprochen werden. 

Über das Pigmentblatt der Augenblase ist in diesem Stadium 
wenig neues zu sagen. Auf dem abgebildeten Schnitte ist es 
natürlich nicht mehr senkrecht auf seine Oberfläche getroffen, 
woraus seine scheinbare Dicke und sein grosser Zellenreichtum 
erklärt werden. Nichtsdestoweniger zeigen alle Mitosen die 
erwähnte charakteristische Lage. Von einem Glaskörperraum kann 
man in diesem Stadium nur mit einiger Einschränkung sprechen, 
da die Linse den Hohlraum der Augenblase fast vollständig aus- 
füllt. In dem engen Spaltraume, der dabei noch frei bleibt, liegt 
nur hinten, also zwischen der medialen Wand des Linsenbläschens 
und dem Grund der Augenblase, eine grössere Zahl von Mesoderm- 
zellen, die aber wohl sicher weitaus zum grössten Teil mit den 
«sefässen von unten her eingedrungen sind. Wenn überhaupt, so 
dürften nur wenige von den in früheren Stadien zwischen Augen- 
blase und Ektoderm gelegenen Mesodermzellen abzuleiten sein. 
Besser noch als an Sagittalschnitten durch die Embryonen, die 
die Augenblasen äquatorial treffen, kann man diese Eigentümlich- 
keiten des Glaskörperraumes und der in ihm gelegenen Gefässe 
und Mesodermzellen an Querschnitten erkennen. Solche Bilder 
habe ich in meiner Linsenarbeit in grösserer Zahl mitgeteilt. 
Gerade wegen dieser Enge des Glaskörperraumes in den frühen 
Stadien der Augenentwicklung eignen sich Kaninchenembryonen 
viel weniger gut zur Untersuchung der ersten Entwicklung des 
Glaskörpers, als alle anderen von mir daraufhin untersuchten 


276 CarlRabl: 


Säugetiere (Schaf, Hund, Schwein und Mensch). Was endlich noch 
das Linsenbläschen in dem vorliegenden Stadium betrifft, so ver- 
weise ich auch hier wieder auf meine Monographie über die Linse 
und bemerke nur, dass dasselbe auf Äquatorialschnitten ungefähr 
kreisrund. aber mit sehr unregelmässiger, höckeriger, äusserer 
Oberfläche erscheint, während es auf Querschnitten, kurz vor dem 
Verschluss der Öffnung, mehr oder weniger viereckig, unmittelbar 
nach demselben aber dreieckig ist; auch dafür möge man zum 
Vergleich die angeführte Arbeit heranziehen. Schliesslich brauche 
ich kaum noch hinzuzufügen, dass geradeso, wie schon in früheren 
Stadien. auch zu dieser Zeit von der Aussenfläche der Linsenanlage 
die namentlich durch v. Lenhossek bekannt gewordenen, aber 
fälschlich als Glaskörperfasern gedeuteten Fortsätze ausgehen. 

Die nächsten zwei Bilder (Fig. 7 und 5, Taf. X) zeigen uns 
Schnitte durch den Embryo des Stadiums IX meines Tafelwerkes 
über Gesichtsentwicklung. Ich habe daselbst bereits eine allgemeine 
Charakteristik dieses Stadiums gegeben und hebe aus derselben 
hier nur heraus, dass zu dieser Zeit das Linsenbläschen mit Aus- 
nahme einer ganz kleinen Stelle von der Haut losgelöst ist. Der 
abgebildete Schnitt Fig. 7 ist der neunte, von aussen gerechnet, der 
das Auge trifft. Der obere Rand der Eingangsöffnung des Linsen- 
bläschens ist schon auf dem ersten Schnitte, der etwas von der 
Augenanlage zeigt, zu sehen: ebenso auch der obere Rand der 
Augenblase. Vom dritten Schnitte an erkennt man schon die 
zwei Lappen der Retina. In der Höhle des Linsenbläschens er- 
scheint alsbald auch die Zellmasse, die vom Boden des Bläschens 
hervorgewuchert ist; und zwar erscheint zuerst der Detritus, 
welcher beim Zerfall dev Zellen entsteht, und sodann, auf den 
folgenden Sehnitten, die noch nicht in Zerfall begritfenen Zellen 
selbst. Alles das wird viel verständlicher, wenn man meine 
Linsenarbeit, auf die ich immer wieder verweisen muss, zum 
Vergleich heranzieht. 

Der in Fig. 7 abgebildete Schnitt nun ist, wie gesagt, der neunte, 
der, von aussen gerechnet (bei einer Schnittdicke von 10 «), das Auge 
trifft. Das Linsenbläschen ist viereckig, die ventrale und zugleich 
laterale Wand schmäler als die dorsale. Von dieser, oder genauer 
gesagt, von der dorsomedialen Wand, wuchert die Zellmasse hervor, 
die gegen das verengte Lumen des Bläschens zu zerfällt. Auf 
einem durch den Kopf eines genau ebensoweit entwickelten Embryo 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 27 


geführten Schnitte, an dem Auge und Gehörbläschen gleichzeitig 
zu sehen sind, der also ungefähr frontal durch den Kopf geführt 
ist, hat das nach aussen eben noch offene Linsenbläschen eine 
fast genau quadratische Form, ganz ähnlich wie an dem in Fig. 7 
meiner Linsenarbeit abgebildeten Querschnitt eines dritten gleich- 
alterigen Embryo. Wie der abgebildete und ebenso auch die 
vorhergehenden Schnitte zeigen, ist der „Sehventrikel“ noch sehr 
weit und zugleich von sichelförmiger Gestalt. Die grösste Höhe 
besitzt er oberhalb der Furche zwischen beiden Lappen der Retina. 
Dieselbe Form hat er auch auf den vorhergehenden und den 
folgenden Schnitten. Das Tapetum oder das Pigmentblatt der 
Augenblase ist auf dem Schnitt senkrecht getroffen, so dass man 
erkennt, dass es einschichtig ist. Die Zellkerne stehen zumeist 
an der Basis, die Mitosen durchwegs an der freien Seite des 
Epithels. Die Lappung der Retina ist ganz deutlich und unver- 
kennbar. An ihrer äusseren, dem „Sehventrikel“ zugewendeten 
Fläche sind. wie schon früher, zahlreiche Mitosen zu sehen. An 
ihre, der Linse zugewendeten konkaven, inneren Fläche beginnt 
sich bereits eine helle Zone als erste Anlage eines „Randschleiers“ 
bemerkbar zu machen. Ein solcher ist aber bloss rechts und 
links, nicht auch in der Mitte vorhanden. Es weist dies auf eine 
gewisse Selbständigkeit der beiden Lappen der Retina voneinander 
hin: Jeder bringt für sich, unabhängig von dem anderen, eine 
Sehnervenfaserschicht zur Ausbildung. Die fötale Augenspalte 
ist an dem abgebildeten Schnitte sehr weit und mit Bindegewebe 
und Gefässen erfüllt. Sie erweitert sich nach aussen gegen die 
Haut zu ziemlich rasch, während sie sich nach innen zu ver- 
schmälert, ohne aber schon auf den Augenblasenstiel überzugehen. 
In dem Glaskörperraume finden sich einige wenige zerstreute 
Mesodermzellen. 

Der zweite, in Fig. S, Taf. X abgebildete Schnitt aus der- 
selben Serie ist der fünfte nach einwärts von dem der Fig. 7. 
Die letzte Spur der Linse ist auf dem Schnitte vorher zu sehen. 
In dem auf dem vorhergehenden Schnitte von der Linse einge- 
nommenen Raum, dem Glaskörperraum, liegt gefässreiches Binde- 
gewebe. Die obere Wand der Retina ist von der Seite des 
„Sehventrikels*“ her durch eine tiefe Furche in zwei mächtige 
Lappen, einen nasalen und einen temporalen, geteilt. Der Furche 


an der Aussenfläche entspricht eine in den Glaskörperraum von 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. I. 19 


278 CarlRabl: 


der Innenseite vorspringende Leiste. Ein Vergleich der Fig. 7 
und 8 lehrt, dass die die beiden Lappen der Retina trennende 
Furche innen, d. h. medial, viel tiefer als aussen ist. Deshalb 
erscheint auch an Frontalschnitten durch den Kopf, wie ein solcher 
früher erwähnt wurde, die Furche viel tiefer, als an Äquatorial- 
schnitten durch die laterale Hälfte des Auges, wie ein solcher in 
Fig. 7 abgebildet ist. Auf Frontalschnitten sieht man auch ent- 
sprechend der tiefen Furche an der Aussenfläche der Retina eine 
mächtige Leiste nach innen gegen die Linse vorspringen. Zugleich 
kann man hier sehen, dass die Retina im Bereich der die beiden 
Lappen trennenden Furche, beziehungsweise der ihr entsprechenden 
Leiste, dünner ist als sonst und noch keine Spur einer Differenzierung, 
wie eine solche an den beiden Lappen in der Ausbildung des 
„Randschleiers* zum Ausdruck kommt, zeigt. Die Retina oder 
das retinale Blatt der Augenblase ist von diesem Schnitt an nach 
einwärts noch etwa durch sechs oder sieben Schnitte weit zu 
verfolgen, um sodann in die untere Wand des ungefähr drei- 
eckigen Augenblasenstiels überzugehen. In die vordere und hintere 
Wand, die beide ebenso dick sind wie die untere, geht das 
Pigmentblatt der Augenblase, also deren äussere Lamelle, über. 
Die untere, retinale Wand des Augenblasenstiels ist abgeflacht, 
aber noch nicht vertieft. Das Pigmentblatt der Augenblase ist 
auf dem in Fig. S abgebildeten Schnitte nicht mehr senkrecht 
getroffen; dies gilt in erster Linie von der dorsalen Wand, wes- 
halb hier ein mehrschichtiges Epithel vorgetäuscht wird. In der 
dorsalen Wand der Pigmentschicht sieht man dunkel gefärbte 
Körner derselben Art, wie sie früher (vgl. Fig. 6) von der hinteren 
Wand der Retina beschrieben worden sind. Einzelne derartige 
Körner sind auch in der Retina zu sehen; in dieser werden sie 
in den folgenden Schnitten etwas häufiger. 

Der in der „Entwicklung des Gesichtes“ auf Taf. I 
unter der Bezeichnung Stadium \ abgebildete Embryo, dessen 
Kopf ich gleichfalls in Sagittalschnitte zerlegt habe, unter- 
scheidet sich von dem vorigen, was das Auge betrifft, nament- 
lich in zwei Punkten: erstens ist das Linsenbläschen voll- 
ständig von der äusseren Haut getrennt, und zweitens 
zeigt der Umschlagsrand der mehr und mehr vorwachsenden 
Augenblase an zwei sehr charakteristischen und konstanten 
Stellen Einkerbungen. Die eine dieser Einkerbungen ist vorn 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 279 


oben, die andere hinten oben gelegen. Ich will die beiden 
als vordere dorsale und hintere dorsale Randkerbe 
bezeichnen. Zu diesen beiden dorsalen Randkerben kommen später, 
beim weiteren Wachstum des Umschlagsrandes, wie ich schon 
jetzt vorwegnehme, noch zwei ventrale, und zwar gleichfalls eine 
vordere und eine hintere, so dass man also dann im ganzen zwei 
vordere und zwei hintere Randkerben an der Augenblase unter- 
scheiden kann. Die zwei vorderen gehören der nasalen, die zwei 
hinteren der temporalen Hälfte der Retina an. Zwischen die 
beiden Hälften senkt sich ventral, wie wir gesehen haben, die 
anfangs sehr breite und sich nach aussen ungemein erweiternde 
fötale Augenspalte ein ; diese nimmt bald an Breite sehr bedeutend 
ab. Durch die vier Randkerben und die fötale Augenspalte wird 
der Augenblasenrand in fünf Abschnitte geteilt: einen ungefähr 
horizontalen oberen oder dorsalen, dann, in fast rechtem Winkel 
davon abgesetzt, zwei vertikale, einen vorderen nasalen und 
einen hinteren temporalen, und endlich zwei von den vertikalen 
abermals unter ungefähr rechtem Winkel abgesetzten hori- 
zontalen Abschnitt. Zwischen die beiden unteren horizontalen 
Randlappen, von denen der eine der nasalen, der andere der 
temporalen Hälfte der Retina angehört, senkt sich, dem Gesagten 
zutolge, die fötale Augenspalte ein. Ich werde auf diesen Gegen- 
stand später, bei der Beschreibung der Entwicklung der Retina 
des Schafes, Schweines und Menschen, wieder zurückkommen und 
stelle hier nur fest, dass sich beim Kaninchen die erste Scheidung 
des Randes der Augenblase in mehrere Abschnitte in dem der 
völligen Ablösung des Linsenbläschens unmittelbar folgenden 
Stadium bemerkbar macht. Zum genaueren Verständnis des Ge- 
sagten aber will ich etwas vorgreifen und auf einige Figuren 
der Taf. X] und XII verweisen. Zunächst bemerke ich, dass auf 
dem Schnitte der Fig. 2, Taf. XI, der das Auge eines Schaf- 
embryo äquatorial trifft, alle fünf Randlappen der Augenblase zu 
sehen sind: zunächst der dorsale, etwas nach hinten zu abfallend, 
dann die beiden seitlichen, der nasale und temporale, und endlich 
die horizontalen ventralen. Der Schnitt ist so orientiert, dass 
die fötale Augenspalte nach unten gerichtet ist. Von den vier 
Randkerben sind noch sehr deutlich die obere nasale und untere 
nasale, vielleicht etwas weniger deutlich die obere temporale zu 


sehen, während die untere temporale kaum mehr angedeutet ist. 
195 


280 CarlRabl: 


Ferner verweise ich auf Fig. 13 derselben Tafel. welche 
einen Schnitt durch den lateralen, der Oberfläche benachbarten 
Teil des Auges eines Schweineembryo zeigt. Der Schnitt geht zu 
weit medial durch das Auge, also zu nahe dem Äquator, als dass 
man noch etwas von den Randkerben sehen könnte. Wohl aber 
kann man erkennen, dass die Retina hier drei Abschnitte, einen 
grossen dorsalen, der eine geräumige Höhle — einen Teil des 
ursprünglichen „Sehventrikels“ — umschliesst, sowie einen nasalen 
und temporalen unterscheiden lässt. An den weiter nach aussen, 
der Körperoberfläche zu, gelegenen Schnitten sind die oberen 
Randkerben sichtbar, von denen namentlich die nasale sehr schön 
und deutlich ist. An den mehr gegen die Mittelebene folgenden 
Schnitten sieht man zwar die beiden ventralen, horizontal ge- 
stellten Abschnitte der Retina, aber, wenigstens an dieser Serie, 
nichts von den ventralen Randkerben. Endlich verweise ich noch 
auf Fig. 1, Taf. XII, die einen Schnitt durch das Auge eines 
menschlichen Embryo zeigt, an dem am Rande der Augenblase 
sehr deutlich die obere temporale, sodann die obere und untere 
nasale Kerbe zu erkennen sind, während die untere temporale 
hier nicht sichtbar ist. Zweifellos sind aber auch hier Lage und 
Zahl der Randkerben und dementsprechend auch Lage und Zahl 
der Randlappen der Retina genau bestimmt. 

Ich kehre nun wieder zur Beschreibung der Entwicklung 
der Retina des Kaninchens zurück und wende mich zu der Fig. 9, 
Taf. X. Sie stellt einen Schnitt durch das linke Auge des in 
meinem Tafelwerk mit Stadium XI bezeichneten Embryo ‚ar. 
Daselbst findet man auch eine allgemeine Charakteristik dieses 
Stadiums. Die Linse steht zu dieser Zeit in ihrer Entwicklung 
in der Mitte zwischen den in den Fig. S und 9, Taf. \, meiner 
Linsenarbeit abgebildeten Stadien. Sie stellt also auf dem Quer- 
schnitt ein dreieckiges Bläschen dar, dessen eine Seite nach aussen 
gegen das Ektoderm gewendet ist, dessen zweite Seite nach unten 
gewendet ist und ungefähr horizontal steht, während die dritte, 
welche gewissermassen die Hypothenuse des rechtwinkeligen Drei- 
ecks bildet, schief von aussen und oben nach innen und unten 
zieht. Diese Wand allein ist Linsenfaserwand; äussere und untere 
Wand liefern das Linsenepithel. Alles dies macht ein Blick in 
meine zitierte Arbeit verständlich. Der Linsenfaserwand liegt 
noch ein Rest des erwähnten Zellhaufens an und weiter nach innen. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 251 


gegen das Lumen des Bläschens folgt dann der aus diesen Zellen 
hervorgegangene Detritus. Die Zellen der Linsenfaserwand sind im 
Stadium XI schon zu beträchtlicher Länge ausgewachsen. Ob aber 
diese Wand bereits in Form eines Polsters ins Lumen des Bläschens 
vorspringt, wie dies die Fig. 9 der Linsenarbeit zeigt, vermag ich 
nach der Sagittalschnittserie, auf der, wie gesagt, das Auge 
äquatorial durchschnitten ist, nicht zu entscheiden. Was die Augen- 
blase selbst in diesem Stadium betrifft, so fällt, wenn man die 
Serie von aussen nach innen verfolgt, vor allem die Lappung ihres 
Randes auf, die eine Folge der Einkerbungen ist, welche in den- 
selben einschneiden. Von solchen Einkerbungen sind jetzt nur 
zwei, und zwar die zwei oberen, vorhanden; von diesen selbst ist 
wieder die nasale Kerbe die tiefere und deutlichere. Verfolgt 
man die Serie weiter medianwärts, so sieht man in der dorsalen 
Wand der Augenblase, also gegenüber der auf solchen Schnitten 
noch sehr breiten fötalen Augenspalte zwischen den beiden Blättern 
der Blase eine enge Höhle auftreten, die natürlich ein Rest des 
„Sehventrikels“ ist. Die äussere, vom Pigmentblatt der Augen- 
blase gebildete Wand der Höhle ist über dieser etwas dicker als 
sonst und dieser breite, nach den Seiten in keiner Weise scharf 
begrenzte, verdickte Epithelstreifen zieht, wie die Serie lehrt, 
über eine ziemlich grosse Strecke des vertikalen Meridians nach 
hinten. Er ist auch an dem in Fig. 9 dieser Abhandlung abge- 
bildeten Schnitte zu sehen, der die Augenblase dicht hinter dem 
Aquator trifft. Er bildet hier die Mitte des Daches des auf diesem 
und ähnlichen Schnitten ungefähr dreieckigen Restes des „Seh- 
ventrikels.“ 

Nun tritt in der Serie auch alsbald die Lappung der Retina 
in die Erscheinung. Die Furche, die die beiden Lappen voneinander 
trennt und die von dem „Sehventrikel“ aus zwischen sie einschneidet, 
wird nach innen zu, also in der Richtung gegen den Augenblasen- 
stiel, immer tiefer und sieht an der medialen Wand in der Tat 
einer tiefen Spalte gleich. Sie ist auch an der Fig. 9, deren Schnitt 
eben noch die mediale Wand des Linsenbläschens getroffen hat, 
sehr gut sichtbar, wenn sie auch hier nicht halb so tief ist, wie 
auf den medianwärts folgenden Schnitten. Wie früher, entspricht 
der Furche an der Aussenfläche der Retina wieder eine Leiste 
an ihrer inneren, der Linse und dem Glaskörperraum zuge- 
wendeten Fläche. Und geradeso, wie dies schon bei den jungen 


282 CarlRabl: 


Embryonen der Fall ist, zeigt auch jetzt die Retina im Bereiche 
dieser Leiste oder Falte keine Differenzierung, während eine 
solche in ihren beiden Lappen, dem nasalen und temporalen, an 
dem Auftreten eines Randschleiers bereits deutlich erkennbar ist. 
Wie schon früher gesagt wurde, beginnt also die Differenzierung 
der Retina, wenigstens soweit der Randschleier in Betracht 
kommt, in den beiden Lappen zuerst, früher als an der sie 
trennenden, in ihrem Verlauf ungefähr dem vertikalen Meridian 
folgenden Leiste. 

Der Glaskörperraum zeigt eine für dieses und die ähnlichen 
Stadien sehr typische Form: er wiederholt genau die Form der 
Retina. Wie diese aus zwei Lappen besteht, zeigt jener zwei 
Buchten: eine vordere nasale und eine hintere temporale. In 
diese beiden Buchten springen von der Retina feine Glaskörperfasern 
vor, die sich aber alsbald in dem Faserwerk verlieren, das den 
srössten Teil des Raumes erfüllt. Wiewohl diese Fasern nur bei 
sehr starker Vergrösserung gut sichtbar sind, so habe ich sie 
doch in die Figur eingetragen. Im übrigen enthält der Glas- 
körperraum nur Blutgefässe und einige Mesodermzellen, die beide 
von unten her durch die auf diesem Schnitte sehr enge fötale 
Augenspalte eindringen. (Wie schon erwähnt, nimmt die Breite 
der Spalte von innen nach aussen sehr rasch zu.) Die Blut- 
gefässe führen sehr zahlreiche Blutkörperchen. Auf den Schnitten, 
die etwas weiter nach aussen durch das Auge gehen und also 
auch noch die Linse voll treffen, sieht man um diese herum den 
von mir schon früher in einer kleinen Abhandlung über die 
Entwicklung des Glaskörpers erwähnten „perilentikulären Fasertilz“, 
durch welchen die Äste der Art. hyaloidea, die zur Ernährung 
der Linse dienen, an dieser festgehalten werden. Die Gefässe 
liegen also in einem die Linse umgebenden, von ihr und dem 
Faserfilz begrenzten Raume, der als perilentikulärer Raum be- 
zeichnet werden kann. 

Einen Schnitt durch den in meinem Tafelwerk unter 
der Bezeichnung Stadium XII abgebildeten Embryo, den ich 
gleichfalls in Sagittalschnitte zerlegt habe, habe ich, um Figuren 
zu sparen, nicht abgebildet. Was sein Auge betrifit, er- 
wähne ich folgendes. Die ersten Schnitte der Sagittalschnitt- 
serie, die etwas vom Auge zeigen, treffen nur die Linse. Erst 
der vierte zeigt die erste Spur der Augenblase und zwar die 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 283 


Anschnitte des dorsalen, nasalen und temporalen Abschnittes des 
Randes. Die drei Anschnitte sind durch breite, mit gefäss- 
reichem Bindegewebe erfüllte Lücken voneinander getrennt. Der 
erwähnte Schnitt geht also gerade durch die beiden oberen Rand- 
kerben der Augenblase. Am folgenden Schnitte beginnen sich die 
drei Abschnitte miteinander zu vereinigen, indessen sind die Rand- 
kerben zwischen ihnen noch deutlich erkennbar. Die nächst- 
folgenden Schnitte erinnern an den auf Taf. XI, Fig. 13 abge- 
bildeten Schnitt durch das Auge eines Schweineembryo, von dem 
schon die Rede war. Erst vom neunten oder zehnten Schnitt an 
beginnen sich an den nasalen und temporalen Abschnitt der 
Augenblase auch die beiden, durch die fötale Augenspalte von- 
einander getrennten ventralen Abschnitte anzusetzen. Diese gehen, 
ohne durch eine deutliche Randkerbe von ihnen getrennt zu sein, 
aus den ventralen Enden des nasalen und temporalen Abschnittes 
des Randes hervor. So können wir dann wieder an einem der 
Äquatorialebene parallel geführten Durchschnitt durch die Augen- 
blase eine dorsale, ventrale, nasale oder vordere und temporale 
oder hintere Wand unterscheiden, wobei zu bemerken ist, dass 
die ventrale Wand durch die fötale Augenspalte in zwei Hälften 
geteilt ist und dass die obere Wand den Rest des „Sehventrikels“ 
enthält, ähnlich wie dies auf Taf. XI, Fig. 13 auf dem Schnitt 
durch das Auge des Schweineembryo zu sehen ist. Der „Seh- 
ventrikel“ stellt auf den am meisten lateral geführten Schnitten 
die Form einer unregelmässigen Spalte dar, wird aber bald regel- 
mässig dreieckig, mit dorsaler, vom Pigmentblatt der Augenblase 
gebildeter und vorderer und hinterer, von den beiden Lappen 
der Retina beigestellter Wand. Der „Sehventrikel“ hat also 
schon auf diesen lateralen Schnitten die Gestalt, die er auf 
Taf. XI, Fig. 9 des Stadiums XI zeigte. Auch jetzt ist das Dach 
des „Sehventrikels“ in der Mitte etwas verdickt, behält aber 
überall deutlich den Charakter eines einschichtigen Epithels. Die 
Furche, die sich zwischen die beiden Lappen der Retina einsenkt, 
hat sich beträchtlich vertieft und die Lappen sind infolgedessen 
noch schärfer voneinander geschieden. Die der Furche ent- 
sprechende an der Glaskörperseite vorspringende Leiste oder 
Falte der Retina ist nur durch einige wenige Mesodermzellen 
oder enge (iefässe von der Linsenfaserwand des Linsenbläschens 
getrennt und lässt ebensowenig wie früher irgend eine Spur 


284 CarlRabl: 


einer Differenzierung erkennen. Der Randschleier, der immer 
schärfer und deutlicher wird, hört seitlich von der Leiste voll- 
ständig auf. Im Bereiche der Leiste selbst, also auch der ihr 
an der Aussenfläche entsprechenden Furche, ist die Wand der 
Retina am dünnsten. 

Der Glaskörperraum zeigt wieder die zwei mächtigen seit- 
lichen Buchten, die er schon in den vorhergehenden Stadien sehen 
liess. Die fötale Augenspalte ist, wie früher, aussen sehr weit, 
um aber sehr rasch sich zu verschmälern. Sie ist nirgends 
völlig geschlossen, wenn auch im medialen Drittel des Auges, 
auf den Schnitten, welche nichts mehr von einer Linse zeigen, 
die Ränder der Spalte bis zur Berührung einander genähert 
sind. Von da setzt sich die Spalte, wieder breiter werdend, jetzt 
auch schon auf den Augenblasenstiel fort. Dieser hat, wie früher, 
die Form eines.sehr hohen gleichschenkeligen Dreieckes, nur ist 
jetzt die schmale nach unten gekehrte Basis durch die Fort- 
setzung der fötalen Augenspalte in das Lumen des Augenstiels 
hineingestülpt. Wie früher, geht auch jetzt die untere Wand 
des Augenblasenstiels in die Retina über, während seine beiden 
hohen Seitenwände sich in das Pigmentblatt der Augenblase fort- 
setzen. Noch weiter nach innen gegen das Hirn zu verschwindet 
die Furche des Augenblasenstiels, seine untere Wand wird dünner, 
die Seitenwände dicker und schliesslich geht sein Lumen in den 
dritten Ventrikel über. 

Fassen wir alles über die Retina dieses Stadiums Gesagte 
in ein paar Worte zusammen, so können wir sagen, dass sie jetzt 
aus zwei, bis zu einem gewissen Grade selbständigen Lappen, 
einem nasalen und einem temporalen, besteht. 

In Beziehung auf den Glaskörperraum gilt im wesentlichen 
das schon früher Gesagte. Die Linse ist beträchtlich weiter ent- 
wickelt; die Zellen ihrer medialen Wand sind sehr in die Länge 
gewachsen und bilden nunmehr ein ins Lumen des Linsen- 
bläschens vorspringendes Polster, wie ein solches auf dem (@uer- 
schnittsbilde der Fig. 9, Taf. I meiner Linsenarbeit zu sehen ist. 
In der Höhle des Bläschens finden sich von dem mächtigen Zell- 
haufen früherer Stadien nur mehr ganz unscheinbare Detritus- 
massen. Die Epithelwand des Bläschens lässt schon deutlich die 
Einschichtigkeit, die sie zeitlebens charakterisiert, erkennen, 
während diese, so lange die Wand sehr dick war, höchstens aus 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 285 


der Stellung der Mitosen erschlossen werden konnte. Das Auge 
als Ganzes zeigt jetzt auf Äquatorialschnitten die Form eines 
Rechtecks; obere und untere Wand sind länger als vordere und 
hintere oder nasale und temporale. 

Ich komme nun zu dem in meinem Tafelwerk als Stadium XIII 
bezeichneten Embryo. Ich habe auch den Kopf dieses Embryo 
in Sagittalschnitte zerlegt. Die ersten Schnitte, die das Auge 
treten, zeigen wieder nur die Linse. Der erste, der etwas von 
der Augenblase zeigt, lässt den Anschnitt des vorderen oder 
nasalen Abschnittes ihres Randes erkennen: der folgende zeigt 
auch den oberen Abschnitt; dabei sind vorderer und oberer Ab- 
schnitt durch eine breite, von Bindegewebe erfüllte Lücke ge- 
trennt. Der nächstfolgende Schnitt lässt auch schon etwas vom 
hinteren. temporalen Abschnitt des Randes sehen; derselbe ist 
wieder durch eine breite Lücke vom oberen Abschnitt getrennt, 
während sich dieser mit dem vorderen oder nasalen zu ver- 
binden begonnen hat. Die Randkerbe zwischen beiden ist aber 
noch gut erkennbar. Es folgt sodann ein Schnitt, auf dem der 
temporale Abschnitt des Umschlagsrandes mächtiger, aber noch 
durch eine Kerbe vom dorsalen Abschnitte geschieden ist. Auf 
den zwei nun folgenden Schnitten zeigt die Augenblase wieder 
die schon früher vom Schwein beschriebene Form: sie lässt einen 
horizontalen dorsalen und zwei vertikale seitliche, einen nasalen 
und temporalen, Abschnitt unterscheiden. Die drei Abschnitte 
eines solchen Schnittes durch die Augenblase stossen unter rechten 
Winkeln zusammen. Nun setzt sich allmählich an die unteren 
Enden der beiden Seitenwände auch die untere, durch die fötale 
Augenspalte in der Mitte geteilte Wand an. Sie geht beim 
Kaninchen zu dieser Zeit ziemlich allmählich, ohne Einkerbung des 
vandes, aus den zwei vertikalen Abschnitten hervor. Gleichzeitig be- 
ginnt wieder in der dorsalen Wand der Augenblase zwischen Pig- 
mentblatt und Retina der zunächst spaltförmige, dann dreieckige 
„Sehventrikel“ aufzutreten, während diesem gegenüber an der 
ventralen Wand der Augenblase sich die Ränder der fötalen 
Augenspalte sehr rasch bis zur Berührung einander nähern. Das 
Pigmentblatt zeigt jetzt über dem „Sehventrikel“ nichts mehr von 
der früheren, auch in Fig. 9 zur Darstellung gebrachten Ver- 
dickung. An keinem der Schnitte, welche eine weite fötale Augen- 
spalte zeigen, ist etwas von einer Differenzierung einer Nerven- 


256 CarlRabl: 


faserschicht in der Retina wahrzunehmen. Diese beginnt also erst 
in beträchtlicher Entfernung vom Umschlagsrand der Augenblase. 
Mit anderen Worten, es hat bereits in diesem und ebenso auch 
in den vorhergehenden Stadien die Differenzierung der Retina in 
eine Pars optica und Pars caeca begonnen. 

Einen Schnitt dicht hinter der Linse, durch den perilenti- 
kulären Raum, zeigt uns die Fig. 10 der Taf. X. Noch deutlicher 
als früher trägt ein solcher Äquatorialschnitt eine rechteckige 
Form zur Schau. Die Längsseiten des Rechteckes stehen horizontal 
oder nahezu horizontal, die Schmalseiten vertikal. Die Ecken sind 
abgerundet und die untere Seite ist durch die fötale Augenspalte 
in der Mitte geteilt und zugleich eingebuchtet. In der Mitte der 
oberen Wand sieht man wieder den dreieckigen Rest des „Seh- 
ventrikels“, sowie die tiefe Furche, die zwischen die beiden 
Lappen der Retina von oben her einschneidet. Ihr gegenüber 
springt in den Glaskörperraum und gegen die Linse, beziehungs- 
weise gegen den perilentikulären Raum mit seinen zahlreichen 
(refässen, die Leiste oder Falte vor, welche den Glaskörperraum 
in die zwei Hälften scheidet, die den beiden Lappen der Retina 
entsprechen. Die Leiste selbst lässt auch jetzt noch nichts von 
einem Randschleier erkennen. 

Was die fötale Augenspalte betrifft, so legen sich an den 
abgebildeten und den benachbarten Schnitten die Umschlagsränder 
der Augenblase oft so dicht und unmittelbar aneinander, dass 
zwischen ihnen nicht eine einzige Mesodermzelle Platz findet. 
An anderen Schnitten sind nur einige wenige derartige Zellen 
in dem engen Spaltraum gelegen. Nach aussen von dem abge- 
bildeten Schnitte bleibt die Augenspalte noch ziemlich lange sehr 
eng, ungefähr solange, als an den Schnitten noch etwas von einer 
Differenzierung der Nervenfaserschicht wahrnehmbar ist. Auf den 
Schnitten, auf denen diese aufhört, beginnt sich die Spalte zu 
erweitern, um schliesslich wieder weit zu klaffen. Die fötale 
Augenspalte ist also zu dieser Zeit im Bereiche der Pars caeca 
retinae weit, im Bereiche der Pars optica dagegen eng. Vertolgt 
man die Serie von dem abgebildeten Schnitt an noch weiter 
gegen den Augenblasenstiel zu, so überzeugt man sich, dass die 
Augenspalte sich allmählich schliesst. An den Schnitten, welche 
noch die Hinterwand der Retina treffen, ist diese mit dem Pig- 
mentblatt der Augenblase, das hier eine vorspringende Leiste 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 287 


bildet, oft nur durch eine dünne, nicht einmal mehr vollständige 
Zellbrücke verbunden. Noch weiter nach innen, also schon im 
Bereiche des Opticus selbst, öffnet sich die Spalte wieder, um 
Bindegewebe und Gefässe aufzunehmen, und erst noch weiter 
gegen das Gehirn zu schwindet die Spalte und schliesslich die 
Furche vollständig. — Der Vollständigkeit halber erwähne ich 
noch, dass in den Umschlagsrändern der Retina, welche auf dem 
Schnitt der Fig. 10 die fötale Augenspalte begrenzen, eine kleine 
Höhle, die natürlich nichts anderes als ein Rest des „Sehventrikels“ 
ist, enthalten ist. 

Aus der Schnittserie des Embryo des Stadiuns XIV meines 
Tafelwerkes habe ich keinen Schnitt abgebildet. Aus der da- 
selbst gegebenen Charakteristik des Stadiums hebe ich nur 
hervor, dass jetzt auch die letzte Spur der Halsbucht oder des 
Sinus cervicalis verschwunden ist. Was das Auge betrifft, so 
unterscheidet es sich hauptsächlich in drei Punkten von dem der 
vorhergehenden Stadien: erstens ist die fötale Augenspalte bereits 
in der ganzen Ausdehnung der Pars optica retinae geschlossen 
und Pigmentblatt und Retina haben sich hier überall voneinander 
getrennt; zweitens ist es im Pigmentblatt zur Bildung von Pig- 
ment gekommen und drittens (und dies wurde schon in den 
vorhergehenden Stadien eingeleitet) ist der Stiel der Augen- 
blase in höchst eigentümlicher, bei keinem zweiten Säugetier 
bisher beobachteter Weise in die Augenblase hineingestülpt, 
wodurch überaus merkwürdige und auf den ersten Blick schwer 
verständliche Bilder zustande kommen. Die Anfertigung eines 
Plattenmodells von dem Auge eines solchen oder eines etwas 
weiter entwickelten Embryo hat mich aber überzeugt, dass es 
sich in der Tat lediglich darum handelt, dass der Optikus hier 
viel tiefer in die Augenblase hineingestülpt ist, als 
es sonst zu geschehen pflegt. Um ein prinzipiell anderes Ver- 
halten des Optikus zur Augenblase und speziell zur Retina handelt 
es sich aber nicht, und ich habe daher nach einiger Überlegung 
davon abgesehen, Bilder von Äquatorialschnitten durch den Augen- 
hintergrund mit dem Optikuseintritt zu zeichnen. Allerdings sind 
diese Bilder, wie erwähnt, oft merkwürdig genug. So sieht man 
z. B. einmal auf einem Schnitte den in der Mitte liegenden, 
seitlich platt gedrückten, in seinem engen Lumen eine spärliche 
Menge gefässführenden Bindegewebes enthaltenden Optikus, dann 


288 CanrlRan!: 


rechts und links oder nasal- und temporalwärts davon die ovalen, 
vollständig voneinander getrennten hinteren Anschnitte der beiden 
Lappen der Retina und um das ganze herum als Gesamthülle 
das Tapetum nigrum. Die Anschnitte der beiden Lappen sind 
eiförmig, die lange Achse senkrecht gestellt, das schmale Ende 
nach oben, das breite, stumpfe nach unten gerichtet. Der zwischen 
‚diesen beiden Anschnitten der Lappen gelegene Optikus ist dabei 
der dorsalen Fläche des Auges näher gelegen als der ventralen, 
eine Eigentümlichkeit, die den definitiven Verhältnissen beim 
Kaninchen, von denen noch die Rede sein wird, entspricht. Medial 
von den Schnitten, welche noch etwas von den beiden Lappen 
der Retina erkennen lassen, also auf Schnitten, die bereits die 
Verbindung des Optikus mit dem Tapetum zeigen, ist die fötale 
Augenspalte wieder geöffnet. Die Spalte ist aber viel länger, 
als es behufs Eintritts des gefässreichen Bindegewebes in ihn 
nötig wäre. 

Was das Tapetum nigrum betrifft, so erwähne ich, dass die 
Pigmentkörnchen in der Pars caeca etwas zahlreicher sind als in 
der Pars optica. Daraus dürfte wohl der auch aus anderen 
Beobachtungen sich ergebende Schluss folgen, dass die Entwick- 
lung des Pigments von der Pars caeca auf die Pars optica fort- 
schreitet. Wie schon längst bekannt und ich schon in meinem 
Vortrage über die „Prinzipien der Histologie“ (1889), sowie ın 
meinem Buch „Über den Bau und die Entwicklung der Linse‘‘ (1900) 
hervorgehoben habe, liegen die Pigmentkörnchen an der freien, 
d. h. der ursprünglichen Ventrikelfläche zugewendeten Seite des 
Tapetum nigrum. Wie sonst in ptgmentierten Epithelien ist also 
die Bildungsstätte des Pigments, gewissermassen die Fabrik, in 
«ler dieses erzeugt wird, in der retinalwärts vom Kern gelegenen 
Hälfte der Zellen gelegen. Umgekehrt entsteht später das Pigment 
in der inneren Epithelschicht der Pars iridica und des vordersten 
Teiles der Pars eiliaris retinae, soweit hier überhaupt Pigment 
auftritt, an der nach aussen, dem Tapetum nigrum zugewendeten 
Seite der Zellen. Die äussere Seite ist aber hier wiederum die 
ursprünglich freie. dem „Sehventrikel“ zugewendete Seite. So 
wird es ohne weiteres aus den Achsenverhältnissen oder dem 
architektonischen Bau der Zellen verständlich, weshalb in den 
Zellen des Tapetum das Pigment innen, in den aus der eigent- 
lichen Retina fortgesetzten Zellen dagegen aussen entsteht. — 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 28% 


Das Pigment fehlt zu dieser Zeit nur in der Leiste, welche an 
der ventralen Seite der Augenblase an der Verschlußstelle der 
fötalen Augenspalte zurückbleibt und, was wichtiger ist, am Um- 
schlagsrand der Augenblase neben der fötalen Augenspalte. In 
ganz besonders grossem Umfang fehlt das Pigment ganz vorn 
am späteren Pupillarrande der Pars caeca. Zum Schluss erwähne 
ich noch, dass die Lappung und Einkerbung des Randes der 
Augenblase in diesem Stadium überaus schön zu sehen ist. Wie 
früher, kann man aber auch jetzt nur die zwei oberen Randkerben 
deutlich erkennen. 

Ich gehe nun zur Beschreibung des Auges des unter der 
3ezeichnung Stadium XV in meinem Tafelwerk abgebildeten Embryo 
über. Embryonen dieses Stadiums sind ungefähr 13 Tage alt. 
Wieweit die Entwicklung des Auges im Vergleich mit dem Sta- 
dium XIII (Embryo ca. 12!/ Tage alt) fortgeschritten ist, lehrt 
ein Blick auf die Fig. 10 und 11. Die Schnitte entsprechen der 
Lage nach einander ziemlich genau, indem beide durch den Bulbus 
dicht oder doch nicht weit hinter der Linse geführt sind. Schon 
die sehr verschiedene Grösse der Schnitte weist darauf hin, dass- 
das Wachstum des- Auges zu dieser Zeit ein sehr lebhaftes ist. 
was übrigens für den Embryo überhaupt gilt. Die ersten zwer 
Schnitte der Sagittalschnittserie, die etwas vom Auge zeigen, 
treffen nur die Linse im Anschnitt. Der dritte zeigt bereits den 
hinteren oder temporalen Lappen des Umschlagsrandes der Augen- 
blase; hier ist noch in keiner ihrer beiden Lamellen etwas vom 
Pigment zu sehen. Der vierte Schnitt zeigt wesentlich dasselbe, 
nur im Pigmentblatt vielleicht schon eine Spur von Pigment. Das 
aus der eigentlichen Retina fortgesetzte innere Blatt der Augen- 
blase. also die innere Lamelle der Pars caeca retinae im weiteren 
Sinne des Wortes, zu der wir Pigment- und Retinalblatt 
rechnen, stellt auf diesem Schnitt ein sehr schönes, regelmässiges 
hohes Zylinderepithel mit zahlreichen, dem hier gut sichtbaren 
spaltförmigen Rest des „Sehventrikels“ zugewendeten Mitosen 
dar. Diese liegen also wieder, wie sonst in Epithelien, an der 
genetisch freien Seite des Epithels. Der nächste, also fünfte 
Sehnitt durchs Auge zeigt bereits einen Anschnitt des dorsalen 
Lappens des Umschlagsrandes der Augenblase; er ist durch eine 
mit Blutgefässen und Bindegewebe gefüllte Lücke vom oberen 
hand des temporalen Lappens getrennt. Der Schnitt geht also 


290 VarlaRarbl: 


durch die hintere obere Randkerbe der Augenblase. Die nächst- 
folgenden Schnitte zeigen einerseits die Verbindung des dorsalen 
und temporalen Lappens, andererseits auch schon den Anschnitt 


des vorderen oder nasalen Lappens, der aber noch durch eine 
Lücke vom oberen Lappen getrennt ist. Auf den folgenden 
Schnitten tritt alsbald der untere hintere und zuletzt der untere 
vordere Lappen des Augenblasenrandes in die Erscheinung. Der 
untere vordere Lappen ist dabei in dieser Serie deutlich durch 
eine Randkerbe vom vorderen oder nasalen Lappen getrennt 
während der untere hintere Lappen direkt, also ohne Randkerbe, 
aus dem ventralen Ende des temporalen Lappens fortgesetzt ist. 
/wischen die beiden unteren Lappen schneidet, wie früher, die 
fötale Augenspalte ein, Ich hebe dies alles mit Absicht hervor, 
weil es so gut wie unbekannt ist, aber andererseits für die ganze 
morphologische Auffassung des Auges, sowie auch für die Deutung 
gewisser Missbildungen, also in klinischer und pathologischer 
Beziehung, von Wichtigkeit ist. Dem Gesagten zufolge ist also 
zu beachten, dass wir am Pupillarrande der Iris — die 
Augenblase bildet ja bekanntlich die Grundlage, auf der sich Iris 
und Chorioidea entwickeln und ohne die sie sieh nicht bilden 
können — ausser der in seiner Mitte einschneidenden fötalen 
Augenspalte noch vier handkerben zu unterscheiden haben. Die 
eine oder andere dieser Randkerben kann unscheinbar sein oder 
vielleicht überhaupt nicht zur Ausbildung kommen. Stets sind 
die Randkerben an ganz bestimmten Stellen des Augenblasenrandes 
gelegen und wir können nach dieser ihrer Lage zwei obere oder 
dorsale, nämlich eine nasale und eine temporale und zwei untere 
oder ventrale, und zwar wieder eine nasale und eine temporale, 
unterscheiden. Zwischen den beiden ventralen Randkerben, also 
in der Mitte des unteren Randes, schneidet die fötale Augenspalte 
ein. Diese zieht, wie wir gesehen haben, über die ganze untere 
Fläche der Augenblase und über den lateralen Teil des Optikus, 
während die Randkerben nur sehr seichte Einbuchtungen des 
Pupillarrandes der Pars iridica retinae darstellen. h 

So wie wir am ganzen Auge zu dieser Zeit (vgl. den Aqua- 
torialschnitt der Fig. 11) und ebenso auch an den nächst Jüngeren 
und nächst älteren Embryonen vier Wände unterscheiden können, 
die unter abgerundeten rechten Winkeln aneinander stossen, so 
können wir auch am Pupillarrande der Augenblase vier Ränder 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges, 291 


unterscheiden. An der Pars caeca retinae im weitesten Sinne des 
Wortes (vgl. oben sowie das weiter unten Gesagte) unterscheidet 
man schon jetzt zwei Teile: der dem Pupillarrande zunächst 
liegende, also sicher die Grundlage der Iris liefernde Teil, stellt 
zwei einschichtige Epithelien dar; er ist sehr schmal und reicht 
nur über einige wenige Schnitte (bei einer Schnittdicke von 10 1). 
Sein inneres oder retinales Blatt wird alsbald dieker und mehr- 
reihig, behält aber, wie ich glaube, die Binschichtigkeit bei. 
Dieser Teil stellt die Anlage der retinalen Lamelle der Pars 
eiliaris retinae dar und bildet zu dieser Zeit in seinem Bau Inso- 
fern einen Übergang zwischen Pars iridiea und Pars optiea retinae, 
als er zwar sehr viel dicker als jene ist, aber keine Spur einer 
Differenzierung einer Nervenfaserschicht erkennen lässt. Während 
die fötale Augenspalte an der Pars iridiea der Augenblase noch 
offen ist, beginnt sie sich beim Übergang in die Pars eiliaris zu 
schliessen. An der Verschlußstelle tritt ein, wohl aus der Kon- 
flnenz der beiden in den Umschlagsrändern enthaltenen >palt- 
räume entstandener dreieckiger Raum auf, den man nun bis zur 
medialen Wand des Bulbus verfolgen kann. Schon an diesem 
dreieckigen Raume ist die Verschlußstelle der Augenspalte überall 
deutlich erkennbar, Von der eigentümlichen Art des Sehnerven- 
eintritts war schon die Rede; das früher Gesagte gilt auch für 
dieses Stadium. Dicht medial vom Bulbus öffnet sieh die fötale 
Augenspalte wieder, um nebst einer geringen Menge Bindegewebes 
eineinfaches Gefäss, die Art. hyaloidea, von der aus sich bekannt- 
lich später die A, centralis retinae entwickelt, eintreten zu lassen. 
Eine die Arterie begleitende Vene fehlt. Ich hebe diese übrigens 
seit langem bekannte Tatsache hervor und bemerke, dass das Gleiche 
für alle von mir untersuchten Säugetiere gilt. Das Blut muss 
also aus dem die Linse umgebenden Gefässnetz über den Pupillar- 
rand dureh die vier Kerben abfliessen. Davon wird am Schluss 
der Abhandlung noch die Rede sein. 

Von der Linse bemerke ich, dass die Fasermasse schon sehr 
mächtig gewuchert ist und die Höhle des Linsenbläschens fast 
vollständig ausfüllt. Im übrigen verweise ich auf meine Linsen- 
arbeit (Fig. 11, Taf. I und Fig. 1, Taf. II). Dort sieht man 
auch, dass die Zellmasse, die ursprünglich in so grosser Mächtig- 
keit den Hohlraum des Linsenbläschens erfüllt hat, jetzt bis auf 
einige wenige unscheinbare Reste geschwunden ist. 


292 CarlRrabl: 


Was nun den Schnitt der Fig. 11, Taf. X der vorliegenden 
Abhandlung betrifft, so ist er der dritte, medial vom letzten Rest 
der Linse durchs Auge geführte. Der erste dieser drei Schnitte, 
der unmittelbar neben der Linse durchs Auge gelegt ist, zeigt 
in Beziehung auf die Gefässe und das sie begleitende Bindegewebe 
dasselbe Verhalten, wie der in Fig. 10 abgebildete Schnitt aus 
dem Stadium XIII. Der abgebildete Schnitt zeigt zunächst wieder 
die ungefähr rechteckige Form des Bulbus und damit im Zu- 
sammenhang die Teilung der Retina in zwei Lappen. Zwischen 
diese schneidet von oben her wieder die schon erwähnte 
Leiste oder Falte ein, während zugleich an der ventralen Seite 
von der Verschlußstelle der fötalen Augenspalte eine zweite Falte 
vorspringt, die indessen ganz anders aussieht als die dorsale. 
Diese ventrale Falte enthält eine dreieckige Höhle, deren Boden 
von dem auffallenderweise hier nicht pigmentierten Tapetum nigrum 
gebildet wird. Dem Boden des dreieckigen Raumes liegen auf 
diesem Schnitt drei Zellen auf, die wohl während des Verschlusses 
der fötalen Augenspalte aus den Rändern der Blase ausgetreten 
sind. Über die Kante der von unten her in den Glaskörperraum 
vorspringenden Falte setzt sich die Nervenfaserschicht oder der 
Rkandschleier der Retina kontinuierlich von dem einen Lappen 
auf den anderen fort. Dadurch unterscheidet sich diese Falte 
sehr wesentlich von der dorsalen, die auf diesem und den nach 
innen zu folgenden Schnitten auch jetzt noch keinerlei Differenzie- 
rung erkennen lässt, so dass also durch sie die Nervenfaser- 
schichten oder Randschleier der beiden Lappen sehr scharf aus- 
einander gehalten werden. Der frei vorspringende Teil der Falte 
zeigt sogar auf diesem und den nächst vorhergehenden Schnitten 
noch insofern eine Eigentümlichkeit,. als er von dem basalen Teil 
der Falte durch eine Furche geschieden ist (auf dem abgebildeten 
Schnitte nur auf der rechten Seite zu sehen). So sieht, was ich 
mit grossem Nachdruck betone, die Falte jetzt nur auf Schnitten 
aus, welche das Auge medial von der Linse, also schon in 
der Nähe des Augenhintergrundes treffen. An allen 
mehr nach aussen geführten Äquatorialschnitten, also an allen, 
welche noch die Linse treffen, ist die Falte sehr viel niedriger 
als an dem abgebildeten Schnitt, und die beiden Hälften oder 
Lappen der Retina gehen hier in flachem, sanftem Bogen inein- 
ander über. Die Falte hat also in dem äusseren, der 


. < - r. . ‘ 9 
Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 293 


Haut benachbarten Teil des Bulbus zu schwinden 
begonnen, so dass die Retina hier allmählich ein glatteres 
Aussehen bekommt. Vom Augenhintergrund aber springt die Falte 
noch ungemein scharf in den Glaskörperraum vor. In der grösseren 
äusseren Hälfte des Bulbus, wo die Falte nur mehr ganz wenig 
vorspringt und die beiden Lappen der Retina dadurch allmählicher 
ineinander übergehen, hat sich bereits eine Verbindung der Nerven- 
faserschicht oder des Randschleiers der beiden Lappen herzu- 
stellen begonnen. Freilich ist sie noch recht dünn und unschein- 
bar, aber sie ist zweifellos vorhanden. 

So hat also in diesem Stadium die Entwicklung der Retina 
bedeutende Fortschritte gemacht, Fortschritte, die sich vor allem 
darin kundgeben, dass die, ihre beiden Lappen voneinander 
trennende Falte in der grösseren äusseren Hälfte des Bulbus sich 
abzuflachen begonnen hat und nur mehr im Augenhintergrund 
noch so scharf wie in früheren Stadien nach innen vorspringt. 
Die Falte schwindet also in der Richtung von aussen nach innen. 

Von den Stadien XVI und XVII meines Tafelwerkes über 
(Gesichtsentwicklung habe ich wieder, um Figuren und Kosten zu 
sparen, keine Schnitte gezeichnet. Ich will aber kurz das Wich- 
tigste beschreiben, was an ihnen zu sehen ist. Embryonen aus 
dem Stadium XVI sind ungefähr 13’/2 Tage alt. Genau habe ich 
ihr Alter nicht bestimmt. — Die Augen solcher Embryonen stehen 
schon etwas schief, d. h. ihre Achsen konvergieren nach hinten, 
so dass also Sagittalschnitte durch die Embryonen nicht mehr 
reine Äquatorialschnitte durch das Auge geben. Die temporale 
Seite wird demnach früher getroffen als die nasale. Dies war 
auch schon beim Embryo aus dem Stadium XV der Fall, indessen 
ist jetzt die Schiefstellung des Auges merklicher. Zu dieser Zeit 
sind die beiden dorsalen und die untere nasale Randkerbe noch 
sehr schön zu sehen. Dagegen ist die fötale Augenspalte bis 
an den Pupillarrand geschlossen. Die Verschlußstelle ist an einer 
kleinen spaltförmigen Höhle zu erkennen, die medianwärts zu 
mehr dreieckig wird, aber immer sehr viel kleiner bleibt, als sie 
z. B. auf dem Schnitt der Fig 11 des vorigen Stadiums ist. An 
der Pars iridica retinae kann man wieder das äussere, aus mehr 
kubischen Zellen bestehende Pigmentblatt und das innere, aus 
Zylinderzellen bestehende, aus der eigentlichen Retina fortgesetzte 


Blatt unterscheiden. Letzteres ist überall, ersteres am Pupillar- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt.I. 20 


294 CarlRabl: 


rande frei von Pigment. Die Pars ciliaris retinae unterscheidet 
sich, wie im vorigen Stadium, durch die Dicke und Mehrreihigkeit 
ihres retinalen Blattes von der Pars iridica, dagegen von der 
Pars optica durch den gänzlichen Mangel einer Nervenfaserschicht. 
Weder an der Pars iridica noch an der Pars ciliaris ist jetzt an 
der dorsalen Wand der Augenblase etwas von einer nach unten 
vorspringenden Falte zu sehen. Eine solche tritt erst auf den 
Schnitten auf, welche durch den Übergang zwischen Pars caeca 
und Pars optica führen. Zunächst aber gibt sie sich nur als eine ganz 
geringfügige Hervorwölbung der dorsalen Augenblasenwand in den 
Glaskörperraum, an der sich jetzt auch das Tapetum nigrum be- 
teiligt, zu erkennen. Zwischen Tapetum und Retina ist hier 
keine Spur eines „Sehventrikels“, wie er noch im vorigen Stadium 
hier zu sehen war, mehr vorhanden. Die Nervenfaserschicht der 
einen Hälfte der Retina geht hier kontinuierlich in die der anderen 
Hälfte über, ist aber in der Mitte noch ausserordentlich dünn 
und je weiter nach aussen zu um so weniger sicher erkennbar. 
Weiter medianwärts aber wird sie sehr deutlich. Gegenüber dem 
letzten Rest der dorsalen Falte der Retina springt auch von der 
ventralen Wand eine ganz unansehnliche Falte ins Innere des 
Auges vor. Sie entspricht der Stelle. an der die Ränder der 
fötalen Augenspalte zur Verwachsung gekommen sind. Hier, aber 
nur an einer sehr beschränkten Stelle, ist die Nervenfaserschicht 
etwas dünner als weiter nasal- und temporalwärts und ausserdem 
springt von unten her die an der Verwachsungsstelle eben noch 
erhalten gebliebene dreieckige Höhle vor. Die Retina ist infolge- 
dessen an der Verwachsungsstelle der fötalen Augenspalte ein 
wenig dünner als sonst. Schnitte, die das Auge in diesem Stadium 
in denselben Ebenen treffen, wie die, welche in den Fig. 10 und 11 
zur Darstellung gekommen sind, zeigen nichts von einer so scharf 
vorspringenden dorsalen Falte oder Leiste der Retina, wie sie an 
diesen Figuren zu sehen ist. Erst wenn man sich in der Unter- 
suchung der Serie noch mehr dem Augengrund nähert, sieht man 
zunächst dicht unter der dorsalen Wand der Augenblase, aber 
von dieser vollkommen getrennt, innerhalb des Glaskörperraumes 
eine rundliche Zellmasse, die sich schon auf dem nächsten Schnitt 
mit der Retina verbindet und alsbald auf den folgenden Schnitten 
mächtiger wird. Die die beiden Lappen der Retina und damit 
zugleich die beiden Buchten des Glaskörperraumes voneinander 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 295 


trennende Falte schickt also jetzt einen kleinen, auf dem Quer- 
schnitt rundlichen Fortsatz nach vorn. Die Falte nimmt sehr 
rasch gegen den hinteren Augengrund an Höhe zu und erstreckt 
sich hier bis zur Eintrittsstelle des Optikus, die auch jetzt noch 
die schon früher beschriebene Eigentümlichkeit zeigt. Der Optikus 
ist also wieder in die dorsale Hälfte des Bulbus hineingestülpt. 
Im Bereiche der Falte zeigt die Retina auch in diesem Stadium 
noch keine Differenzierung; es ist also auch jetzt noch im Augen- 
hintergrund dorsal vom Optikus die Nervenfaserschicht des nasalen 
Lappens der Retina von der des temporalen getrennt. Ventral 
vom Optikus aber geht die Nervenfaserschicht des einen Lappens 
kontinuierlich in die des anderen über. Auch jetzt ist sicher nur 
ein einziges Gefäss im Optikus enthalten. 

Endlich bemerke ich, dass man zu dieser Zeit das Auge 
schon mit voller Sicherheit orientieren kann, indem die Augen- 
muskeln bereits deutlich auf den Schnitten kenntlich sind. Der 
Rectus superior liegt unmittelbar über der Mitte 
der dorsalen Wand der Augenblase, genau an der 
Stelle, an welcher die die beiden Lappen derRetina 
trennende Falte in den Glaskörperraum vorspringt. 
Auch Rectus medialis und lateralis sind schon deutlich erkennbar, 
dagegen ist der Rectus inferior jetzt noch undeutlich. Hat man 
die Anlagen der Augenmuskeln bei Embryonen dieses Stadiums 
einmal erkannt, so gelingt es leicht, sie auch in frühere Stadien, 
etwa bis in das Stadium XII, zurückzuverfolgen. Dadurch 
rechtfertigtsich also auch die Orientierung, welche 
ich meinen Figuren gegeben habe. 

Der letzte in meinem Tafelwerk gezeichnete Kaninchen- 
embryo (Stadium XVII) war ungefähr 14 Tage alt. Er zeigte 
schon die Anlagen von ein paar Schnurrhaaren an der Oberlippe, 
die Ohrmuschel trat mit ihrer Spitze vom Vorderrande des zweiten 
Kiemenbogens oder Hyoidbogens scharf hervor und auch sonst 
entsprach dieser Embryo dem von Minot und Taylor auf Taf. II, 
Fig. 30 abgebildeten Embryo. Die Augen stehen zu dieser Zeit 
noch mehr schief als früher und im Zusammenhang damit er- 
scheint auf der Sagitalschnittserie der temporale Rand der Augen- 
blase viel früher (8—9 Schnitte bei einer Schnittdicke von 10 u) 
als der nasale. Die Randkerben der Augenblase oder die Incisuren 
des Pupillarrandes beginnen zu schwinden; am deutlichsten ist 


20* 


296 CarlRabl: 


jetzt noch die vordere ventrale. Wie schon im früheren Stadium 
ist auch jetzt die fötale Augenspalte bis zum Pupillarrande ge- 
schlossen; höchstens der erste Schnitt durch den unteren Rand 
der Augenblase lässt vielleicht noch eine Spur davon erkennen. 
Die Verwachsungsstelle der Spalte ist aber in der nächsten Nähe 
des Pupillarrandes noch deutlich an einer kleinen Höhle zwischen 
den beiden Lamellen der Augenblase erkennbar. Weiter nach innen 
zu schwindet diese Höhle, so dass also Pigmentblatt und eigent- 
liche Retina an der ventralen Wand der Augenblase von nun an 
bis zum Optikuseintritt aneinander liegen. Anders ist dies an 
der dorsalen Wand. Hier liegen zwar auch in den zwei äusseren 
Dritteln des Auges die beiden Blätter der Augenblase unmittelbar 
aneinander, im medialen Drittel aber, also auch entsprechend dem 
Augengrund, sind sie voneinander durch einen ungefähr dreieckigen 
Raum getrennt. Hier bleibt also ein letzter Rest des „Sehven- 
trikels“ noch sehr lange Zeit erhalten. Dieser Rest erweitert 
sich nach hinten zu beträchtlich und hat die grösste Ausdehnung 
in der Nähe des Optikuseintritts. Die Wand dieses dreieckigen Restes 
des „Sehventrikels“ wird oben vom Tapetum gebildet (man vel. zum 
Verständnis des Gesagten die Fig. 11, Taf. X), das aber hier 
etwas anders beschaffen ist als überall sonst. Zunächst ist es 
dorsalwärts etwas ausgebuchtet: sodann stehen seine Zellen viel 
dichter nebeneinander und die Zellkerne färben sich ungemein 
intensiv. Dadurch hebt sich dieser Teil des Tapetum schon bei 
schwacher Vergrösserung sehr scharf von der Umgebung ab. Was 
die Retina selbst und die von ihr vorspringende Falte betrifft, 
so erscheint zunächst die Augenblase als Ganzes an der dorsalen 
und ventralen Wand in der Mitte etwas eingesunken, wodurch 
die schon früher auffallende Lappung der Retina und die damit 
zusammenhängende Scheidung des Glaskörpers in zwei Buchten 
sehr deutlich zum Ausdruck kommt. Aber eine eigentliche Falte 
der. Retina, wie sie früher überall bestand, fehlt sicher jetzt in 
den zwei äusseren Dritteln des Auges; erst im medialen Drittel, 
also schon in der Nähe des Augenhintergrundes, tritt die Falte 
wieder auf. Wie im vorigen Stadium schickt sie von ihrem Vorder- 
ende einen kleinen Fortsatz nach vorn, der auf dem Äquatorial- 
schnitt unmittelbar zwischen Retina und dem Stamm der Art. 
hyaloidea liegt. An dieser Stelle und von hier an noch etwas 
nach aussen zu, also an den Schnitten, welche noch die Linse 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 297 


treffen, ist die Retina in der Mitte der dorsalen Wand des Auges 
auffallend dünn. Von aussen schneidet hier der Rest des „Seh- 
ventrikels“ ein und von innen eine sehr schmale Furche, auf 
deren Grund die Retina, wie auch früher, solange eine Falte 
vorhanden war, noch keine Differenzierung zeigt. Im Bereiche 
dieser Furche ist also auch jetzt noch eine Strecke weit die 
Nervenfaserschicht der beiden Lappen der Retina geteilt. Die 
Falte, die im medialen Drittel der Augenblase in den Glaskörper- 
raum vorspringt, verhält sich wie in dem vorigen Stadium, zeigt 
also auch jetzt noch keine Differenzierung. 

Ich besitze noch einige weitere Sagittalschnittserien durch 
Embryonen desselben oder ähnlichen Alters und Entwieklungs- 
grades, wie die soeben beschriebenen. Sie stimmen alle mitein- 
ander überein und zeigen alle dasselbe. Auf allen sieht man 
ohne weiteres die Lappung der Retina und die Scheidung des 
Glaskörperraumes in eine nasale und eine temporale Bucht. Ein 
besonderes Interesse bietet dann noch die Untersuchung der 
Augen solcher Embryonen auf @uer- und Horizontalschnitten. 
Ich habe eine ganze Reihe solcher Serien untersucht und teile 
nach meinen Beobachtungen zur Ergänzung und Vervollständigung 
des Gesagten noch folgendes mit. Ich brauche nach dem bereits 
Gesagten kaum noch zu erwähnen, dass es, wenn man sich einmal 
durch die Untersuchung von Sagittalschnittserien, die, wie er- 
wähnt, das Auge parallel zur Äquatorialebene treffen, davon über- 
zeugt hat, dass die Retina von der frühesten Zeit der Entwick- 
lung an aus zwei Lappen besteht, mit leichter Mühe gelingt, 
sich auch an Schnitten, die das Auge in irgend einer anderen 
Richtung treffen, von dieser Tatsache zu überzeugen. Man staunt, 
dass diese Beobachtung nicht längst gemacht wurde. Auch davon, 
dass die. die beiden Lappen trennende Falte zu einer Zeit, wo 
die Lappen selbst bereits eine deutliche Nervenfaserschicht er- 
kennen lassen, noch keine Differenzierung aufweist, kann man 
sich leicht überzeugen. Ebenso davon, dass der Optikus in eigen- 
tümlicher Weise in das Auge hineingestülpt ist und dass sich die 
Eintrittsstelle mehr und mehr dorsalwärts verschiebt. Was das 
Tapetum nigrum betrifft, so sieht man, dass es vorn, also im 
Bereiche der Pars caeca, beträchtlich dicker ist als hinten am 
Augenhintergrund. Dieser Diekenunterschied beruht auf der Ver- 
schiedenheit des Epithels der Pars caeca und Pars optica. Es 


29 


[o 6) 


GamaBrsanıl: 


ist zwar überall einschichtig, aber in der Pars caeca sind die 
Zellen hoch, zylindrisch, im Bereich der Pars optica niedrig, 
mehr oder weniger kubisch. Die Kerne sind in der Pars caeca 
tief bodenständig und zugleich oval, in der Pars optica stehen 
sie, wenn sie auch der basalen Seite etwas näher stehen als der 
freien, doch nicht so weit von dieser entfernt, als in der Pars 
caeca. In dieser sind die Pigmentkörnchen viel zahlreicher und 
dichter gestellt als in jener, wo sie in jüngeren Stadien ganz 
zerstreut und vereinzelt liegen können. Stets kann man sich 
überzeugen, dass die Bildungsstufe der Pigmentkörnchen die 
innere, der Retina zugewendete, also genetisch freie Seite der 
Zellen ist. Über den vertikalen Meridian des Bulbus verläuft, 
wie es scheint, in gewissen Stadien ein pigmentloser oder wenig 
pigmentierter Streifen (vgl. dazu die Fig. 11, Taf. X). Unter 
meinen Serien befindet sich eine durch einen Embryo von etwa 
14!/.s Tagen, bei dem im äusseren Blatt der Retina überhaupt 
kein Pigment vorhanden ist; es handelte sich also um einen 
albinotischen Embryo. Enalich bemerke ich, dass man häufig 
auch später noch im Pupillarrande einen kleinen Rest des „Seh- 
ventrikels“ findet. 

Das Wachstum der Embryonen und damit zugleich die 
weitere Ausbildung und Differenzierung ihrer Organe schreitet 
nun sehr rasch fort. Was das Längenwachstum betrifft, so führe ich 
einige Zahlen von Minot und Taylor an, wozu ich bemerke, 
dass dieselben mit meinen Erfahrungen gut übereinstimmen. Die 
Maße sind nach Fixierung in Zenkerscher Flüssigkeit genommen 
und das Alter nach dem Zeitpunkt der Kohabitation bestimmt. 
Letzteres ist natürlich zu hoch angegeben, da die Befruchtung 
des Eies nicht unmittelbar auf die Kohabitation folgt, worüber 
man namentlich in van Benedens Arbeiten nachlesen mag (vel. 
auch meine Monographie über E. van Beneden etc.). Wenn aber 
auch nach dieser Art der Bestimmung das Alter zu hoch ange- 
geben ist, so lässt sich doch keine andere brauchbare Methode 
der Altersbestimmung finden. Die nach den genannten Autoren 
für die Zeit von 10—20 Tagen zusammengestellten Werte sind 
folgende: 

10 Tage alt 3,3 mm grösste Länge 
10'Ja » » 4,8 2 2 ” 
11 TE 5,4 


II 


” n ” 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 299 


11!/z Tage alt 6,0 mm grösste Länge 


1 2 ” 2 — 6,0 P2] Pr] 7] 
1 2 !la )) 7 — 7,6 ”» P)] P)] 
15 ” ” == 9,8 P)) P)] 2 
14 nn i10,6 ” » 
15 ] ” — 12,4 ” ” „ 
1 6 ” P7] = 16,2 pP] >] ” 
16'/2 aa. 116,,., ” D) 
1 7 ” P)] — 2 1 ‚0 P)] r)} 2 
18 P)] ” —— 24,4 „ P)] ” 


20 ” » = 29,0 7 2] ” 

Die angeführten Zahlen sind keine Mittelwerte, sondern 
beziehen sich auf spezielle Fälle. Es sind daher natürlich auch 
Abweichungen davon zu erwarten und man darf keineswegs 
glauben, dass ein Embryo von 14 Tagen auch immer 10,6 mm 
in der grössten Länge messen müsse. Dies erhellt schon aus 
der Tabelle selbst; so heisst es, dass ein Embryo von 11'/s Tagen 
6,0 mm lang war und dasselbe Maß wird für einen Embryo von 
12 Tagen angegeben. Unter meinen Serien befindet sich eine, 
welche ich vor 25—30 Jahren angefertigt habe, auf der notiert 
ist, dass der Embryo 16 Tage alt war, bei einer grössten Länge 
von 16.0 mm; eine andere Serie aus derselben Zeit trägt den 
Vermerk: Alter 16 Tage, grösste Länge 17 mm. Beide Angaben 
können richtig sein und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, 
dass sie es in der Tat sind. — Von 15 und 16 Tage alten Em- 
bryonen besitze ich mehrere Quer- und Sagittalschnittserien. 
(sanz besonders schön sind zwei Sagittal- und eine Querschnitt- 
serie von 15 Tage alten Embryonen. Die grösste Länge habe 
ich bei ihnen leider unmittelbar nach der Fixierung, vor dem 
Einbetten, nicht gemessen. An der einen der beiden Sagittal- 
schnittserien, auf der der Embryo in seiner ganzen Länge ge- 
schnitten ist, beträgt sie auf dem Medianschnitt 11,2 mm. Nun 
geben Minot und Taylor für einen Embryo von 14 Tagen eine 
grösste Länge von 10,6 mm und für einen solchen von 15 Tagen 
eine solche von 12,4 mm an; dagegen hatte ein Embryo von 
16 Tagen eine solche von 16,2 mm. Wenn man nun die Schrumpfung 
in Rechnung zieht, die die Embryonen beim Einbetten in Paraffin 
erfahren, so wird man finden, dass das Längenmaß von 11,2 mm 
ganz gut zu dem notierten Alter von 15 Tagen stimmt. Wie wir 


300 CarlRabl: 


gesehen haben, geben Äquatorialschnitte durch das Auge von 
Embryonen aus dem Stadium XV, also von Embryonen von unge- 
fähr 15 Tagen, Bilder, wie ein solches auf Taf. X, Fig. 11 zur 
Darstellung gebracht ist. Hier scheiden zwei Falten, eine dor- 
sale und eine ventrale, den Glaskörperraum unvollständig in eine 
nasale und eine temporale Hälfte. Nach hinten, also median- 
wärts, reichen die beiden Falten bis zum Sehnerveneintritt. Die 
dorsale Falte, die, wie die Untersuchung gelehrt hat, zuerst 
auftritt, also die ursprünglichere ist, können wir als primäre, 
die ventrale, die erst während und nach dem Verschluss der 
fötalen Augenspalte entsteht (man vgl. das Stadium der Fig. 11 
mit den Stadien der Fig. 10, 9 und 8), als sekundäre 
bezeichnen. Die dorsale Falte hat sich im Stadium der Fig. 11 
in der grösseren äusseren Hälfte des Auges schon rückgebildet: 
an ihrer Stelle ist hier nur eine unansehnliche Erhebung zurück- 
geblieben. Denkt man sich an der Figur den von der dorsalen 
Falte nach unten vorspringenden Zapfen weg, so erhält man 
ungefähr das Bild, das die weiter nach aussen durch das Auge 
gelegten Schnitte geben. Während also in der grösseren äusseren 
Hälfte des Auges die dorsale Falte bis auf eine mässig hohe 
Vorragung oder Erhebung geschwunden ist, ist sie im medialen 
Drittel des Auges bis zum Optikuseintritt im Stadium der Fig. 11 
noch mächtig entwickelt. Die ventrale oder sekundäre: Falte, die 
der Lage und Entstehung nach der fötalen Augenspalte entspricht, 
reicht ihrerseits auch bis zum Augenhintergrund, also bis zum 
Optikuseintritt. Dieser befindet sich aber, wie schon erwähnt 
wurde, zu dieser Zeit und auch schon bei etwas jüngeren Em- 
bryonen bereits dorsal vom hinteren Augenpol oder dorsal vom 
horizontalen Meridian. Die ventrale Falte zieht also auch über 
die tiefste Stelle des Augengrundes bis zu dem dorsal vom 
horizontalen Meridian gelegenen Sehnerveneintritt. Im horizon- 
talen Meridian selbst aber befindet sich später die von Kühne 
und anderen beschriebene Sehleiste, eine horizontal verlaufende 
Area centralis, über deren Mitte die Papilla nervi optici liegt. 
Die Area gehört also (beim Kaninchen) dem ventral 
vom Optikus liegenden Teil der Retina an, mit 
welchem die primäre Falte der Retina nichts zu tun 
hat. — Denkt man sich nun an der Fig. 11, Taf. X den Zapfen, 
der sich ventralwärts an die dorsale Falte anschliesst, weg, und 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 301 


die Falte selbst etwas flacher und stellt man sich weiter vor, 
dass auch die ventrale, von der Verschlusslinie der fötalen Augen- 
spalte vortretende Falte flacher ist, so bekommt man das Bild, 
das Äquatorialschnitte durch das Auge eines Embryo von 15 oder 
16 Tagen geben. Wie früher, ist das Auge noch rechteckig mit 
abgerundeten Winkeln: wie früher, lässt es noch eine nasale und 
eine temporale Hälfte der Retina und eine nasale und eine 
temporale Bucht des Glaskörperraumes erkennen, aber die Schei- 
dung ist bei weitem nicht mehr so scharf, als sie in früheren 
Stadien war. Am Augenhintergrund hat die Differenzierung der 
Retina, die, wie wir gesehen haben, mit der Bildung der Nerven- 
faserschicht bezw. des „Randschleiers“ beginnt, weitere Fort- 
schritte gemacht, indem hier bereits eine Ganglienzellenschicht 
und mit ihr zugleich eine innere retikuläre Schicht deutlich zu 
unterscheiden sind. Davon wird übrigens gleich noch bei Be- 
sprechung eines älteren Embryo die Rede sein. Der Optikus ist 
bei Embryonen von 15 und 16 Tagen bei weitem nicht mehr so 
tief in das Auge hineingestülpt als dies bisher in einer grösseren 
Reihe von Stadien der Fall war. Infolgedessen sind auch die 
Bilder, welche AÄquatorialschnittserien durch den Bulbus, also 
Sagittalschnittserien durch den Embryo geben, sehr viel leichter 
verständlich. Begreiflicherweise bieten daher auch Horizontal- 
schnitte durch den Optikuseintritt dem Verständnis keinerlei 
Schwierigkeiten. Wie früher, ist auch jetzt im Optikus nur ein 
einziges (efäss, die Art. hyaloidea, eingeschlossen. 

Die Pars caeca retinae setzt sich jetzt etwas deutlicher und 
schärfer von der Pars optica ab als früher. Die letztere lässt 
auf Schnitten in der Richtung des horizontalen Meridians, wie 
schon aus dem Gesagten geschlossen werden kann, zwei Strecken 
erkennen: eine hintere, bei weitem grössere, die sich vom Augen- 
hintergrund bis zum Aequator bulbi oder selbst noch etwas darüber 
hinaus nach vorn erstreckt und eine vordere kleinere, an welche 
sich schliesslich die Pars caeca anschliesst. Im hinteren, grösseren 
Bereich ist die Pars optica höher differenziert, indem sie hier 
schon eine Ganglienzellen- und innere retikuläre Schicht erkennen 
lässt: im vorderen Bereich aber ist, wie früher, nur eine Nerven- 
faserschicht vorhanden und diese wird gegen die Pars caeca zu 
allmählich dünner, um hier ganz zu verschwinden. Wie früher, 
kann man auch jetzt die Pars caeca wieder in zwei Teile teilen: 


302 CarlRabl: 


in die mächtigere, breitere und dickere Pars ciliaris und die 
sehr schmale und viel dünnere Pars iridica; im Bereiche der 
letzteren ein einfaches, einreihiges Zylinderepithel. Von den 
Kerben des Pupillarrandes sind die vorderen vielleicht eben noch 
angedeutet. Von einem Rest der fötalen Augenspalte ist nirgends 
etwas zu sehen. Die Stelle, an der sie sich geschlossen hat, ist 
nur an der schon erwähnten Einbuchtung der ventralen Wand 
der Retina zu erkennen. Der „Sehventrikel“ ist gänzlich ge- 
schwunden. 

Der nächste Embryo, dessen beide Augen ich in Äquatorial- 
schnitte zerlegt habe, war 20mm lang. Minot und Taylor geben 
von einem Embryo von 17 Tagen an, dass er 21,0 mm lang war. 
Dagegen hatte, wie aus der obigen Tabelle hervorgeht, ein Em- 
bryo von 16!/e Tagen nur eine Länge von 17,6 mm. Die Grössen- 
differenz ist also eine sehr beträchtliche. Dem raschen Wachstum 
des ganzen Embryo entspricht nun natürlich auch ein rasches 
Wachstum seiner Organe. Einen Schnitt durch das linke Auge 
dieses Embryo habe ich bei schwächerer Vergrösserung auf Taf. X, 
Fig. 12 abgebildet. Der Schnitt ist nicht ganz genau äquatorial 
geführt, sondern ein klein wenig schief; indessen tut dies der 
Klarheit des Bildes keinen Eintrag. Zur Orientierung habe ich 
auch einen Teil der Umgebung eingetragen: den Rectus sup: (T. 8.), 
inferior (r. 1.) und lat. (r. 1.); ebenso den hier bereits mit der 
Sklera in Verbindung getretenen Rect. medialis (r. m.); ausser- 
dem sieht man den Öbliquus sup. (ob. s.) und lateralwärts neben 
ihm den Levator palpebrae sup. (l. p.), endlich unter dem Rect. 
inf. den Obl. inf. (ob. i.); natürlich wird dieser auf den vorhergehen- 
den und nachfolgenden Schnitten der Serie in anderer Lage zum Rect. 
inf. angetroffen als hier. — Das, was zunächst an dem Bild in die 
Augen fällt, ist, dass der Aquatorialschnitt durchs Auge nicht 
kreisrund, sondern elliptisch ist mit horizontal gestellter langer 
Achse. Wir werden sehen, dass dies auch für das menschliche 
Auge in einem korrespondierenden Entwicklungsstadium gilt. So 
auffallend diese Erscheinung ist, so wird sie uns vielleicht einiger- 
massen verständlich, wenn wir bedenken, dass während einer 
langen Zeit der Entwicklung Äquatorialschnitte durchs Auge eine 
viereckige Form hatten, wobei die langen Seiten horizontal, die 
kurzen vertikal standen; man erinnere sich nur an die Fig. 11, 
10 und 9. Diese Form aber selbst wird vielleicht wieder dadurch 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 303 


etwas verständlich, dass das Auge, oder vielmehr sein wesent- 
licher Bestandteil, die Retina, zu dieser Zeit aus zwei Lappen, 
einem nasalen und einem temporalen, besteht. Die Frage dreht 
sich also vielleicht in letzter Linie doch wieder darum: Warum 
besitzt das Auge anfangs zwei Lappen, wie ist diese Bildung zu 
verstehen und zu erklären? Darauf werde ich am Schluss der 
Arbeit zurückkommen. — An dem abgebildeten Schnitt, der hinter 
der Linse durch den Bulbus geht, ist weder oben noch unten 
etwas von einer Falte der Retina oder auch nur von dem Rest 
einer solchen Falte zu sehen; höchstens könnte man vielleicht 
eine etwas dünnere Stelle der dorsalen Wand der Retina, unter- 
halb der Mitte des Querschnittes des Rectus sup., als eine Re- 
miniszenz der ursprünglichen Scheidung der Retina in eine nasale 
und temporale Hälfte betrachten. Während an den Schnitten, die 
noch die Linse treffen, der Glaskörper fast überall der Innen- 
fläche der Retina anliegt, hat er sich an dem abgebildeten 
Schnitte und ebenso an den folgenden weit von ihr abgehoben; 
mit anderen Worten, er hat sich, was auch Frontalschnitte zeigen, 
von der Innenfläche der Retina gegen die Linse zusammengezogen. 
In der dorsalen Hälfte des geschrumpften Glaskörpers sieht man 
den Querschnitt der Arteria hyaloidea; zerstreut sehr zahlreiche 
Gefässe und lockeres, diese begleitendes Bindegewebe. Eine Vena 
hyaloidea gibt es ebensowenig wie früher; das Blut fliesst 
offenbar auch jetzt noch um den Pupillarrand durch die äusseren 
Gefässe des Bulbus ab. Wenn man sich die Art. hyaloidea, so 
wie sie auf dem abgebildeten Schnitte zu sehen ist, auf den 
Augenhintergrund projiziert denkt, so würde man ziemlich genau 
zur Eintrittsstelle des Optikus kommen. Wie schon erwähnt, tritt 
dieser ja beim Kaninchen nicht, wie beim Menschen, medial vom 
hinteren Pol des Augapfels ein, sondern dorsal davon. 

Zwischen Glaskörperrest und Innenfläche der Retina findet 
sich an dem abgebildeten Schnitte und ebenso an den benach- 
barten reichliches, flockiges Gerinnsel, das sich zweifellos aus der 
bei der postmortalen Ablösung des Glaskörpers ausgetretenen 
Flüssigkeit niedergeschlagen hat und selbstverständlich mit dem 
Gewebe des Glaskörpers nicht das geringste zu tun hat. — Ich 
habe es daher auch nicht in die Zeichnung eingetragen. — Die 
Differenzierung der Pars optica retinae hat weitere Fortschritte 
gemacht. Schon bei ganz schwacher Vergrösserung kann man an 


304 CarlRabl: 


einem AÄquatorialschnitt, der den Bulbus hinter der Linse trifft, 
von innen nach aussen folgende Schichten unterscheiden: zu 
innerst die Nervenfaserschicht, ihr zunächst die Ganglienzellen- 
schicht, dann einen weder nach aussen noch nach innen irgend- 
wie begrenzten helleren Streifen, der bei sehr schwacher 
Vergrösserung deutlicher in die Erscheinung tritt als bei 
starker. die innere retikuläre oder piexiforme Schicht, dann 
eine reichlich die Hälfte der Dicke der ganzen Retina ein- 
nehmende, ungemein kernreiche Schicht, von deren Bedeutung 
gleich noch gesprochen werden soll, endlich nach aussen zu einen 
hellen Streifen, in welchem oder in dessen unmittelbarer Nähe 
fast sämtliche Mitosen der Retina liegen. Auf diese, die eigent- 
liche Retina zusammensetzenden Schichten folgt dann das Tapetum 
nigrum als einfache Lage pigmentierter kubischer Epithelzellen. 
Das ganze Auge, soweit es aus der sekundären Augenblase ent- 
steht, ist von einer mässig dicken Schicht sehr derben Binde- 
gewebes eingehüllt, die nach aussen etwas lockerer wird und sehr 
zahlreiche parallel zur Oberfläche der Retina gestellte, lang- 
gestreckte und sich sehr stark färbende Kerne enthält. In dieser 
Schicht haben wir die gemeinsame Anlage der Chorioidea und 
Sklera zu erblicken. In ihr sind, dem Tapetum benachbart, zahl- 
reiche Blutgefässquerschnitte zu sehen. Die meisten davon sind 
vom Tapetum nur durch eine einfache Kernreihe getrennt oder 
liegen ihm wohl auch direkt an: nur wenige sind etwas weiter 
von ihm entfernt. Es ist wohl klar, dass diese Blutgefässe dem 
zur Chorioidea sich entwickelnden Anteil der gemeinsamen Binde- 
sewebshülle angehören. 

in Fig. 13 nun ist ein Stück des abgebildeten Schnittes 
aus der temporalen Seite (t in Fig. 12) bei starker Vergrösserung 
abgebildet. In der Nervenfaserschicht treten aus dem Gewirr 
von Fasern solche zweierlei Art besonders deutlich hervor: Zu- 
nächst senkrecht zur Oberfläche verlaufende, von denen einzelne 
noch die Oberfläche überschreiten; diese erscheint übrigens in- 
folge der gewaltsamen Ablösung der Limitans hyaloidea, die dem 
Glaskörper bei dessen Schrumpfung gefolgt ist, rauh und flockig. 
Die zweite Art von Fasern verläuft schief von oben und innen 
nach unten und aussen. Hier und da kann man eine dieser 
Fasern in einen nach oben und innen verlaufenden Fortsatz einer 
Zelle der Ganglienzellenschicht übergehen sehen. Der schiefe 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 30» 


Verlauf der Fasern erklärt sich sehr einfach, wenn man die Serie 
bis zum Eintritt des Optikus verfolgt. Von hier treten nämlich 
die Fasern, wie längst bekannt ist, in den nasalen und temporalen 
Abschnitt der Retina ein; sie liegen dabei anfangs so dicht bei- 
sammen, dass Krause geradezu ein nasales und ein temporales 
Bündel von Optikusfasern unterschieden hat. Unterhalb des 
Optikuseintrittes liegt, wie erwähnt, im horizontalen Meridian 
die Sehleiste, die Stelle des schärfsten Sehens. Die Fasern ziehen 
natürlich nicht bloss zu dieser, sondern auch darüber hinaus nach 
unten und oben. Da nun das abgebildete Stück des Äquatorial- 
schnittes (Fig. 13) aus der temporalen Hälfte, aber ventral von 
der Sehleiste genommen ist, müssen die Fasern den geschilderten 
schiefen Verlauf nehmen. Die Ganglienzellenschicht lässt zwei 
Arten von Kernen und dementsprechend natürlich zwei Arten von 
Zellen unterscheiden: erstens grosse, rundliche, blasse mit relativ 
wenig chromatischer Substanz: einige Zellen, die solche Kerne 
führen, oder wohl auch die Kerne der Zellen selbst sind in der 
Richtung der schief verlaufenden Optikusfasern abgebogen. Zweitens 
finden sich langgestreckte, dunkler gefärbte, häufig unregelmässig 
geformte und wie geschrumpft aussehende Kerne, die sich intensiv 
färben und deren Längsachsen senkrecht gestellt sind. — Die 
innere retikuläre Schicht ist, wie erwähnt, eben nur angedeutet. 
Auf sie folgt dann die ungemein mächtige, verhältnismässig kleine 
Kerne führende Schicht, die wohl sicher später die innere Körner- 
schicht, die äussere retikuläre und die äussere Körnerschicht 
hervorgehen lässt. Eine Differenzierung ist in dieser Schicht zu 
dieser Zeit nur insofern angedeutet, als geradeso, wie in der 
Ganglienzellenschicht, zwei Arten von Kernen wahrzunehmen sind: 
rundliche oder ovale, blasse, chromatinarme und längliche, dunkle, 
chromatinreiche. Die letzteren dürften wohl — wenigstens zum 
Teil — Stützfasern angehören. Die rundlichen oder ovalen Kerne 
bilden weitaus die Mehrzahl. Irgend etwas, was auf eine Diffe- 
renzierung von Stäbchen- und Zapfenzellen bezogen werden könnte, 
ist nicht zu sehen. An der Aussenseite dieser kernreichen Haupt- 
schicht der Retina liegen, wie schon erwähnt, die sehr zahlreichen 
Mitosen. Solche fehlen in grösserer Tiefe nicht vollständig, sind 
aber hier nur äusserst seltene Ausnahmen. Nach aussen von den 
Kernen folgt eine helle Zone, die eine senkrechte Streifung er- 
kennen lässt, ohne dass ich aber an meinen Präparaten etwas 


306 CarlRabl: 


(renaueres daran zu erkennen vermochte. Zur genaueren Analyse 
dieser Zone wären andere Methoden notwendig. Von der Pigment- 
schicht ist nichts weiter zu vermerken. 

Ein zweiter Embryo, der eine Scheitelsteisslänge von 20 mm 
und eine Nackensteisslänge von 17 mm hatte, zeigte wesentlich 
dasselbe, wie der eben beschriebene. Nur war an ihm eine deut- 
liche Limitans externa zu sehen und die körnerreiche Haupt- 
schicht der Retina zeigte nur wenige schmale, dunkle, lang- 
gestreckte Kerne, dagegen fast nur rundliche oder ovale. 

Endlich besitze ich noch eine Quer- und eine Äquatorial- 
schnittserie durch die Augen eines 47 mm langen, also der 
völligen Reife schon ziemlich nahen Embryo. Ich bemerke zunächst, 
dass zu dieser Zeit die Scheidung der Retina in eine Pars optica 
und eine Pars caeca schon eine ganz scharfe ist. — 

Da nun in der Definition dessen, was man als P. optica und 
P. caeca zu bezeichnen hat, keine Übereinstimmung herrscht und 
der Ausdruck Pars caeca zuerst von mir in meiner Monographie 
„Über den Bau und die Entwicklung der Linse“ gebraucht wurde, 
darf ich wohl ein paar Worte über die hier in Frage kommenden 
Begriffe und den Gebrauch der erwähnten Bezeichnungen ein- 
schalten. Dabei erhebe ich natürlich nicht den geringsten An- 
spruch, in historischer Beziehung vollständig zu sein; ich verfolge 
nur denZweck, zu zeigen, dass der jetzt herrschende Zustand völliger 
Verwirrung in der Nomenklatur unhaltbar ist. — Gegenbaur 
hat seinerzeit in seinem Lehrbuch der Anatomie zwar eine Pars 
ciliaris, aber keine Pars iridica retinae unterschieden. Dagegen 
hat er allerdings, wie dies übrigens schon längst geschehen war, 
eine Pigmentschicht an der hinteren Fläche der Iris („Uvea“ bei 
Henle) unterschieden. Die Pars ciliaris retinae liess er nur aus 
einer einzigen Lage von Zylinderzellen bestehen; er bezeichnete 
also mit diesem Namen nur die Fortsetzung desinneren Blattes 
der sekundären Augenblase. Anders Schwalbe in seinem „Lehr- 
buch der Anatomie der Sinnesorgane“ aus dem Jahre 1887; er 
rechnete das Pigmentepithel oder Tapetum nigrum zur Retina 
und bezeichnete es direkt als deren Epithel („Epithel der Retina“). 
Demnach liess er beide Lamellen oder Blätter der sekundären 
Augenblase zur Retina werden. Ausserdem unterschied er eine 
Pars ciliaris und eine Pars iridica retinae und liess beide folge- 
richtig aus zwei Epithelschichten bestehen, die er von den beiden 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 307 


Blättern der sekundären Augenblase ableitete; die eine liess er 
also eine Fortsetzung des Tapetum nigrum, die andere eine solche 
der Retina nach Abrechnung ihres Epithels sein. Ähnlich lautete 
auch die Darstellung in der noch von Rauber selbst heraus- 
gegebenen 5. Auflage seines Lehrbuches der Anatomie aus dem 
‚Jahr 1898. Hier unterschied Rauber ein Aussen- und ein 
Innenblatt der Retina und an dem Aussenblatt ein Stratum 
pigmenti retinae, Stratum pigmenti corporis ciliaris und Stratum 
pigmenti iridis. Ebenso an dem Innenblatt eine Pars optica, Pars 
eiliaris und Pars iridiea. — Während aber Rauber ganz richtig 
das Stratum pigmenti oder Pigmentepithel als Aussenblatt der 
Retina bezeichnete, also zu dieser selbst rechnete, führt Kopsch 
in der Bearbeitung des Lehrbuches (10. Auflage 1916) das Pigment- 
epithel als durchaus selbständige Schicht des Auges neben der 
Retina an. Die Bezeichnungen und Unterscheidungen von „Aussen- 
und Innenblatt“ der Retina sind geschwunden. — In dem weit ver- 
breiteten Lehrbuch der Histologie von Stöhr endlich werden die 
Pars ciliaris und Pars iridica retinae als einschichtige Epithelien 
beschrieben, es wird also, wie beiGegenbaur, nur das „Innen- 
blatt der Retina“ Raubers unter dieser Bezeichnung verstanden. 
Das (resagte dürfte genügen, um die Differenzen zu zeigen, die 
hinsichtlich der Definition der Abschnitte der Retina bestehen. 
Es kann daher von weiteren Beispielen abgesehen werden. Was 
sollen wir nun Retina nennen ? 

Wie Hyrtl (Onomatologia anatomica 1880) gezeigt hat. 
ist das Wort Retina geradezu „absurd“, „zweifach barbarisch“ 
und „unbarmherzig zu verurteilen“. Es stammt weder aus 
‚dem Lateinischen, noch aus dem Griechischen, sondern leitet 
sich aus dem Arabischen her und bedeutet ursprünglich 
Hülle oder Überwurf. Es soll damit die Umhüllung des Glas- 
körpers, die schon Galen kannte und mit einem passenden 
griechischen Worte, das aber keinen Anklang an das Wort Retina 
hatte. bezeichnete, dieselbe Hülle, die Vesal „Jnvolucrum corporis 
vitrei“ nannte, verstanden werden; jeder weiss, dass diese Hülle 
nicht im entferntesten eine Ähnlichkeit mit einem Netz hat. 
Diese Bedeutung einer Hülle des Glaskörpers soll der Retina, 
wie ich denke, bleiben; abschaffen lässt sich das Wort ja doch 
nicht. Aber man kann ganz gut den entwicklungsgeschichtlichen 
Erfahrungen Rechnung tragen und — vom Glaskörper und der 


308 CarlRabl: 


Zonula abgesehen — alles Retina nennen, was aus der sekun- 
dären Augenblase entsteht. Die Retina als Ganzes aber teilen 
wir wieder in eine Pars optica und Pars caeca,a Namen, die 
sich selbst erklären und rechtfertigen. An jedem dieser beiden 
Abschnitte aber können wir, wie dies schon Rauber getan 
hat, ein Aussen- und ein Innenblatt, entsprechend seiner Ent- 
stehung aus den beiden Lamellen der Augenblase, unterscheiden. 
Wie an der ganzen Pars caeca unterscheiden wir selbstverständ- 
lich auch an ihren beiden Abschnitten, der Pars ciliaris und Pars 
iridica, wieder zwei Blätter, wie Rauber, und nicht eines, wie 
Gegenbaur, Kopsch und andere. Will man dann noch weiter- 
gehen, so kann man eventuell noch das Innenblatt der Pars optica 
retinae, also den eigentlichen lichtempfindlichen Apparat, als 
Retina im engeren Sinne bezeichnen. 

Nach dieser Abschweifung gehe ich zur Beschreibung der 
Augen des 47 mm langen Kaninchenembryo über. Ich habe gesagt, 
dass an diesem die Scheidung der Retina in eine Pars caeca und 
Pars optica schon ganz scharf war. An der Grenze zwischen 
beiden, oder vielleicht schon etwas hinter derselben, wird das 
Tapetum nigrum retinae rasch höher, bleibt aber immer ein ein- 
schichtiges Zylinderepithel. Die Kerne der Zellen, die weiter 
hinten, also näher dem hinteren Augenpol, kugelig sind, werden 
oval, die Zellen selbst, die in der Nähe des hinteren Augenpoles 
kaum mehr als kubisch bezeichnet werden können, werden hoch- 
zylindrisch, wobei die Kerne der basalen Seite sehr viel näher 
als der freien stehen. Wie schon wiederholt bemerkt, ist als 
freie Seite die dem Innenblatt der Augenblase zugewendete zu 
bezeichnen. Reichlich die Hälfte dieser Zylinderzellen ist mit 
Pigmentkörnchen dicht gefüllt; namentlich unmittelbar über dem 
Kern häufen sich diese in grosser Menge an; dann folgt zuweilen 
nach innen zu ein etwas hellerer, weniger Körnchen enthaltender 
Streifen (von dem ich übrigens nicht vollkommen sicher bin, ob er 
nicht ein Kunstprodukt ist) und zuletzt wieder eine dunklere, d.h. 
dichter mit Körnchen erfüllte Zone. Die Pigmentkörnchen sind 
kugelig, von verschiedener Grösse, die grösseren in der Mehrzahl, 
die kleineren in der Minderzahl. An der nach aussen gerichteten, 
also genetisch basalen Seite finden sich zwar auch Pigment- 
körnchen oder Pigmentkügelchen, aber in viel geringerer Zahl. 

Die Pars ciliaris zerfällt schon jetzt in zwei Zonen: eine 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 909 


hintere, d. h. dem hinteren Augenpol nähere, die sich unmittelbar 
an die Pars optica anschliesst, und eine vordere, die in die Iris 
übergeht. ‚Jene ist der Orbiculus ciliaris (Henle) oder die Pars 
non plicata, diese der epitheliale Überzug der Processus eiliares. 
Im Bereiche des Orbieulus ist das Innenblatt ein sehr hohes mehr- 
reihiges Zylinderepithel, das ziemlich unvermittelt aus dem Innen- 
blatt der Pars optica retinae hervorgeht und sich durch seine 
ausserordentlich langen, schmalen, fast stabförmigen, oft sehr dunkel 
gefärbten Kerne auszeichnet. Nach vorn setzt sich dieses Epithel 
auf die Ciliarfortsätze fort, aber nicht, ohne dass es gewisse Ver- 
änderungen erfährt. Ciliarfortsätze zähle ich im ganzen unge- 
fähr 70; ihre Zahl genau anzugeben, ist schwer, da zwischen 
den hohen Falten zuweilen noch niedrige stehen oder auch wohl 
zuweilen eine Falte sich teilt. Das Epithel ist nur in den Tälern 
zwischen den Falten so hochzylindrisch und die Kerne so schmal 
und stabförmig, wie in der Zona orbicularis; an den Seitenflächen 
der Falten wird es niedriger und die Kerne mehr oval, und auf 
der Höhe der Falten ist das Epithel, wenn es auch noch ein 
Zylinderepithel genannt werden kann, doch deutlich niedriger und 
die Kerne nähern sich mehr der Kugelform. Zugleich treten die 
letzteren mehr und mehr an die Oberfläche der Falten, also, 
wenn man die Genese des Innenblattes bedenkt, ebenso wie die der 
Pigmentschicht der basalen Seite der Zellen näher, als der freien. 
Z/uweilen sieht man in der inneren Lamelle der Pars eiliaris 
Mitosen und dann liegen diese stets in der Nähe der Pigment- 
schicht; also auch in dieser Hinsicht bleibt der Charakter der 
Epithelzellen, der Unterschied zwischen genetisch freier und basaler 
Seite, erhalten, indem, wie wir gesehen haben, die Mitosen in 
Epithelien immer in der Nähe der freien Seite gefunden werden. 
Das Innenblatt der Pars eiliaris ist pigmentfrei. 

Was die topographischen Beziehungen zwischen Corpus ciliare 
und Linse betrifft, so bemerke ich, dass der Orbiculus unmittelbar 
nach aussen vom Äquator der Linse, also nach aussen von der 
Übergangsstelle des Linsenepithels in die Linsenfasermasse liegt, 
während die Processus ciliares unmittelbar nach vorn davon, also 
schon vor der Vorderfläche der Linse gelegen sind. Sie berühren 
diese nicht, sondern sind von ihr durch eine sehr dünne Lage 
gefässführenden Bindegewebes getrennt. 


Die Pars iridica retinae bildet zu dieser Zeit noch die Haupt- 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 9. Abt. 1. 21 


310 CarlRabl: 


masse der Iris; sie ist ja, wie gesagt, die Grundlage, auf der 
sich das Stroma iridis bildet und ausbreitet. Bleibt die Bildung 
der Pars iridica aus, mit anderen Worten, wächst die sekundäre 
Augenblase nicht über die Linse vor, so fehlt die Grundlage, auf 
der sich das bindegewebige Stroma der Iris mit dem vorderen 


Epithel — einem „Bindegewebsepithel“, wie ich solche Epithelien 
in meinem Vortrage „über die Prinzipien der Histologie“ in Berlin 
im Jahre 1889 genannt habe, — bilden und ausbreiten könnte 


und die Folge davon muss eine Aniridie oder Irideremie sein. 
Die Aniridie ist also, wie ich schon seit fast 30 Jahren meinen 
Hörern auf Grund meiner Erfahrungen vorzutragen pflege, eine 
Hemmungsbildung der Retina. Ich freue mich, zu sehen, dass 
diese Auffassung auch von anderer Seite übernommen und akzeptiert 
worden ist. Auf einem Meridionalschnitt durchs Auge zeigt die 
Pars iridica retinae eine S-förmige Biegung, wobei der Umschlags- 
rand oder Pupillarrand nach vorn gewendet ist. Hier ist das 
Aussenblatt ein wenig verdickt und ausnahmsweise an der vorderen 
Fläche mit Pigmentkörnchen stärker durchsetzt als hinten. Ob 
in dieser Verdickung eine erste Spur einer Sphinkterbildung zu 
erblicken ist, kann ich, da ich die späteren Stadien nicht mehr 
untersucht habe, nicht sagen. Während die innere Lamelle der 
Pars ciliaris retinae frei von Pigment ist, zeigt sie in der Pars 
iridica zu dieser Zeit schon eine Pigmentierung. Diese ist am 
Pupillarrand am stärksten und nimmt gegen den Ciliarkörper 
allmählich ab. In der Nähe des Pupillarrandes sind die Pigment- 
körnchen in der Aussenhälfte der Zellen stärker angehäuft als 
innen, verhalten sich also so, wie im äusseren Blatt der Pars 
iridica. Das noch mässig dicke bindegewebige Stroma der Iris 
führt zahlreiche Gefässe und setzt sich als eine sehr dünne, gleich- 
falls gefässführende Membran (Pupillarmembran) über die Linse 
fort. Eine vordere Augenkammer ist nur in der Peripherie als 
ringförmiger Raum entwickelt, dagegen fehlt sie hinter der Mitte 
der Cornea noch vollständig. 

Was nun die Pars optica retinae betrifft, so beginne ich 
mit der Beschreibung des Sehnerveneintrittes, der, wie erwähnt, 
beim Kaninchen in einiger Entfernung dorsal vom horizontalen 
Meridian, über dem hinteren Pol der Augenachse liegt. Desgleichen 
wurde erwähnt, dass vom Sehnerveneintritte nach der nasalen 
und temporalen Seite zwei geschlossene Bündel von Nervenfasern 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 311 


verlaufen, und dass ventral von der Eintrittsstelle und von diesen 
beiden Bündeln die Sehleiste oder Area centralis, dem horizon- 
talen Meridian entsprechend, über den Augenhintergrund zieht. 
Ein sehr instruktives vergrössertes Bild des Sehnerveneintrittes 
und seiner Umgebung beim lebenden Tiere hat schon vor einer 
langen Reihe von Jahren (1882) M. W. af Schulten in Helsingfors 
gegeben. („Über die Beobachtung des Augenhintergrundes unter 
hochgradiger Vergrösserung“, Archiv für Anatomie und Physiologie, 
Physiologische Abteilung 1882). In demselben Bande des erwähnten 
Archivs findet sich auch eine Beschreibung des Augenhintergrundes 
von J. Hirschberg („Zur vergleichenden Ophthalmoskopie“ ), in 
der es u. a. heisst, dass man hier „die querovale, zart rötliche, 
zum grossen Teil exkavierte Sehnervenscheibe sieht, von der nach 
rechts und links je ein kreideweisser, flügelförmiger Fortsatz 
ausgeht oder ausstrebt“. Die horizontal verlaufende Sehleiste tritt 
bekanntlich als stärker gefärbter Purpurstreif (Kühne) hervor. 
Mit dieser Beschreibung Hirschbergs und der Abbildung af 
Schult&@ns stimmen nun die Bilder, welche man auf einer parallel 
zum vertikalen Meridian durch den Bulbus geführten Schnittserie 
sieht, vortrefflich überein. Die Exkavation des Optikus ist zu 
dieser Zeit, wenigstens an meinen Präparaten, sehr tief. Aus 
ihrem Grunde tritt die Art. hyaloidea hervor, die in gestrecktem 
Verlauf nach einer etwas dorsal vom hinteren Linsenpol gelegenen 
Stelle zieht. Noch bevor sie die Linse erreicht, teilt sie sich in 
ihre Äste, die dann auch sofort in das die Linse einhüllende 
Gefässnetz übergehen. Verfolgt man die Serie von dieser, die 
tiefste Stelle der Exkavation treffenden Stelle nach der medialen 
oder nasalen und nach der lateralen oder temporalen Seite, SO 
kann man sehr gut die beiden erwähnten Sehnervenbündel eine 
ziemlich grosse Strecke weit verfolgen. Untersucht man einen 
vertikalen Schnitt, der den Optikuseintritt trifft, genauer, so kann 
man schon bei relativ schwacher Vergrösserung erkennen, dass 
der dorsal von der Eintrittsstelle gelegene Abschnitt der Pars 
optica retinae einen anderen Bau besitzt, als der grössere ven- 
trale, dem nach dem Gesagten auch die Sehleiste angehört. Die 
dorsale kleinere Hälfte der Retina zeichnet sich vor allem dadurch 
aus, dass die, jetzt sowohl nach innen als nach aussen gut be- 
grenzte Ganglienzellenschicht sehr dünn ist, viel dünner als in 


der ganzen ventralen Hälfte der Retina, mit einziger Ausnahme 
21* 


312 CarlRabl: 


eines horizontal, unmittelbar unterhalb des Optikuseintrittes 
verlaufenden Streifens, in dessen Bereich die Ganglienzellenschicht 
gleichfalls sehr dünn ist. Auffallend und vorderhand nicht ver- 
ständlich ist, dass die Ganglienzellenschicht der dorsalen Netz- 
hauthälfte kurz vor dem Übergang in die Pars ciliaris wieder 
etwas dicker wird. In der ventral vom Optikuseintritt und den 
beiden Nervenbündeln gelegenen Hälfte der Retina ist die Gang- 
lienzellenschicht im Bereiche der Sehleiste weitaus am dicksten. 
Hier kann man fünf oder selbst sechs Zellkerne übereinander 
zählen. Dieser horizontale Streifen ist aber keineswegs scharf 
begrenzt. Er geht namentlich ventralwärts ohne scharfe Grenze 
in den dünneren Teil der Ganglienzellschicht über. In der Ganglien- 
zellenschicht kann man zwei Arten von Zellen und Zellkernen 
uuterscheiden. Die einen Zellen, die weitaus in überwiegender 
Zahl vorhanden sind, zeichnen sich durch die kugelige oder, wenn 
auch seltener, ovale Form ihrer Kerne aus, die am gefärbten 
Präparate heller erscheinen, also relativ chromatinarm sind; die 
anderen Zellen, die nur in spärlicher Menge zwischen den genannten 
zerstreut sind, haben längere, dunklere Kerne. Häufig kann man 
das Protoplasma der Zellen nach aussen und innen in Fortsätze 
auslaufen sehen. — Die innere retikuläre Schicht ist keineswegs 
frei von Kernen, hebt sich aber trotzdem sowohl nach aussen als 
nach innen ziemlich scharf von der Umgebung ab. Die Kerne 
der retikulären Schicht sind ebenso gross, rund und blass, ja 
vielleicht noch blasser, also chromatinärmer, als die Hauptart der 
Kerne der Ganglienzellenschicht. Sehr auffallend ist, dass dunkel 
gefärbte, also chromatinreiche Kerne hier vollständig fehlen. 
Dieser Umstand mag auch dazu beitragen, die retikuläre Schicht 
schon bei schwacher Vergrösserung als etwas Besonderes in die 
Erscheinung treten zu lassen. — Auf diese Schicht folgt nach 
aussen eine ungemein mächtige und überaus kernreiche Schicht, 
die die Hauptmasse der ganzen Dicke der Retina einnimmt. In 
dieser dicksten Schicht haben wir wohl sicher den Inbegrift der 
inneren Körnerschicht, der äusseren retikulären und der äusseren 
Körnerschicht zu erblicken. Sie setzt sich also sowohl aus Be- 
standteilen der sogenannten Hirnschicht, als der Neuroepithel- 
schicht zusammen. Diese Hauptschicht der Retina, die erst in 
späterer Zeit eine Sonderung in drei weitere Schichten erfährt, 
ist dieselbe, die wir schon beim Embryo von 20 mm grösster 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 313 


Länge (vgl. die Fig. 12 und 13, Taf. X) gesehen haben. Indessen 
hat sie doch eine merkliche Weiterbildung erfahren. Vor allem 
macht sich an ihrer der inneren retikulären Schicht zugewendeten - 
Seite eine Lage besonders gestalteter Zellen bemerkbar. Diese 
Lage stellt zweifellos die Spongioblastenschicht Max Schultzes 
oder die jetzt sogenannte Lage der amakrinen Zellen vor. Die 
Zellkerne sind in dieser Lage beträchtlich grösser als sonst in 
der Hauptschicht, oval, mit senkrecht gestellter langer Achse, und 
unterscheiden sich, abgesehen von ihrer Grösse, auch durch ihre 
ausserordentliche Blässe und ihr überaus feines Kernnetz von 
allen übrigen Zellen dieser Schicht. In dieser Lage der amakrinen 
Zellen schieben sich zwei oder höchstens drei Zellkerne übereinander. 
Die Lage nimmt an Dicke und Deutlichkeit gegen den Äquator 
ab und ist über diesen hinaus geschwunden. Alle übrigen Zellen 
der Hauptschicht der Retina haben kleinere und sehr viel dunkler 
gefärbte Kerne. Wie schon bei dem Embryo von 20 mm grösster 
Länge, kann man auch hier zwei Hauptarten von Kernen und 
demnach wohl auch von Zellen unterscheiden : kleine, mehr rund- 
liche oder ovale, weniger chromatinreiche und grössere, langge- 
streckte, schmale, die sich sehr intensiv färben und durch diese 
Eigenschaften ohne weiteres von den etwas kleineren runden 
Kernen zu unterscheiden sind. Unter diesen runden Kernen gibt 
es wieder zwei Abstufungen: grosse und kleine. Je grösser ein 
Kern ist, um so blasser erscheint er, je kleiner, umso dunkler. 
Vielleicht enthalten beide Kernarten gleiche Mengen chroma- 
tischer Substanz, die sich nur das eine Mal auf einen grösseren, 
das andere Mal auf einen kleineren Raum verteilt. Möglicherweise 
stellen die langgestreckten dunklen Kerne die Kerne von Stütz- 
fasern, die kleineren helleren solche von bipolaren Ganglienzellen, 
sowie von Stäbchen- und Zapfenzellen dar. Etwas Bestimmtes 
kann ich darüber nicht sagen; die Literaturangaben hierüber sind 
mangelhaft und anfechtbar. Endlich erwähne ich, dass die Kerne, 
die unter der äusseren Oberfläche der Hauptschicht liegen, etwas 
dichter angeordnet sind, als die übrigen. Infolgedessen sieht man 
aussen einen, übrigens keineswegs scharf begrenzten, dunkleren 
Saum. Dass darin eine Andeutung einer äusseren Körnerschicht 
zu erblicken ist, dürfte wohl kaum zu bestreiten sein. Im Be- 
reiche der Area tritt nach innen von dieser dichteren Lage von 
Kernen eine hellere, eben merkliche Zone auf, die etwas ärmer 


314 CarlRabl: 


an Kernen und reicher an Fasern ist, und in der wohl die erste 
Anlage der äusseren retikulären Schicht zu erblicken ist. Wie 
früher sind auch jetzt noch, bei dem sehr viel älteren Embryo, 
in der Nähe der äusseren Fläche der Retina im engeren Sinne 
sehr zahlreiche Mitosen sichtbar. Dass, wie unlängst behauptet 
worden ist, die oberflächlichsten Kerne der Retina, die zu Zapfen- 
körnern werden sollen, an der äusseren Seite „eine tiefe Ein- 
dellung“ besitzen, habe ich nie gesehen und möchte glauben, 
dass es sich hier um geschrumpfte Kerne gehandelt habe. Zu 
dieser Zeit dürften wohl auch die ersten Spuren von Stäbchen 
und Zapfen vorhanden sein, nur sind diese Gebilde noch ausser- 
ordentlich hinfällig. Gewöhnlich sieht man an der Aussenfläche 
der zelligen Retina, welche eine scharfe Kontur (Limitans externa ?) 
erkennen lässt, flockige Fortsätze, die vielleicht Reste von Stäb- 
chen und Zapfen sind. Etwas Sicheres kann ich darüber nicht 
aussagen. — Zum Schlusse teile ich noch einige Dickenmaße der 
Retina in diesem Stadium mit. Dicht über und unter dem Optikus- 
eintritt beträgt die Dicke ungefähr 0,140 mm. In der dorsalen 
Hälfte eines vertikalen Schnittes durch das Auge, der die Exka- 
vation des Optikus in der Mitte trifft, misst die Retina im Äquator 
0,180 mm und dicht vor dem Übergang in die Pars caeca 0,160 mın. 
In der grösseren ventralen Hälfte beträgt die Dicke der Retina 
in der Area centr. 0,230, im Äquator 0,184 und dicht vor dem 
Übergang in die Pars caeca 0,128 mm. Sie ist also, wie beim 
erwachsenen Tier, in der Area centralis am dicksten und wird 
gegen die Pars caeca zu allmählich dünner. — 

v. Szily hat gemeint, die oft in grosser Menge im Augenblasenstiel 
und der Augenblase auftretenden färbbaren Körner aus degenerierenden 
Zellkernen ableiten und zur Entwicklung der Nervenfasern in Beziehung 
bringen zu sollen. Ich will daher im Folgenden kurz und im Zusammen- 
hang meine Notizen über diese Körner in den aufeinander folgenden Stadien 
mitteilen. Ich schicke voraus, dass die Beobachtungen v. Szilys erst mit 
zwölf Tage alten Kaninchenembryonen beginnen, dass sich also meine 
Beobachtungen über einen sehr viel grösseren Zeitraum erstrecken. Auch 
beschränken sich die Beobachtungen v. Szilys, wie es scheint, aus- 
schliesslich auf den Augenstiel. Da aber die Bildung der Nervenfasern, 
wie man weiss, sicher von der Retina ausgeht, hätte er mit dieser beginnen 
MUSSEN. 

Ich habe notiert: 


Fig. 1. Ganz vereinzelte Körnchen in der ventralen Wand der Augen- 
blase, dagegen keine Spur von Kernzerfall. Dieselben Körnchen trifft man 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 315 


auch sonst in der Wand des Hirnrohres; an einzelnen Stellen finden sie 
sich in grosser Menge. 

Fig. 2. Gleichfalls nur vereinzelte Körnchen; desgleichen im Hirnrohr. 
Wie es scheint, sind sie besonders häufig dort zu finden, wo es zahlreiche 


Mitosen gibt, also gerade dort, wo von Kernzerfall oder Kerndegeneration 
keine Rede ist. 


Fig. 3. Bei zehn Tage und einige Stunden alten Embryonen sind die 
Körnchen gleichfalls nur in geringer Zahl vorhanden, und zwar sowohl in 
der Nähe der freien, als der basalen Seite der Augenblasenwand. Sie sind 
auch dort vorhanden, wo später keine Nervenfasern entstehen. 


Fig. 5. Es finden sich bei diesem Embryo, aber nicht gerade in dem 
abgebildeten Schnitt, vereinzelte Körner auch im Pigmentbilatt. Nirgends 
aber sind Spuren von Kernzerfall oder Degeneration zu sehen. 


Fig. 6. Die Körner sind sehr zahlreich und zwar auch im dorsalen 
Teil des Pigmentblattes, also dort, wo überhaupt nie Nervenfasern auftreten. 
Nirgends Kernzerfall. Die Körner im Pigmentepithel sind sehr viel grösser 
als die erst später auftretenden Pigmentkörnchen, können also direkt mit 
ihnen gar nichts zu tun haben. 


Fig. 7 und 8. Sehr zahlreiche Körner in der dorsalen Wand des 
Pigmentblattes, wenige im retinalen Blatt. Ausserdem auch Körner in der 
Wand der Linse. Die aus Kernzerfall hervorgehenden Körner in der Linse 
haben ein anderes Aussehen als die Körner v. Szilys. Vor allem färben 
sie sich stärker als diese. Die grösseren v. Szilyschen Körner haben oft 
Bläschenform. 


Fig. 9. Verhältnismässig wenig Körner, und zwar in der dorsalen 
Falte der Retina, ausserdem wieder im Pigmentepithel; hier ziemlich weit 
auf die nasale und temporale Wand übergreifend. 


Fig. 10. Die Körnchen sind in der dorsalen Falte etwas zahlreicher als 
in der ventralen, woselbst jetzt auch Körnchen aufzutreten beginnen. Dagegen 
finden sich im Pigmentblatt keine Körnchen mehr, wohl aber Pigment, und 
zwar durchaus an der freien Seite. Auch jetzt ist in der Retina nirgends 
etwas von Kernzerfall zu sehen. 


Fig. 11. In der dorsalen Falte kommen nur äusserst spärliche Körnchen 
vor; auf dem Kamm der ventralen Falte dagegen, also dort, wo sich kurz 
zuvor die fötale Augenspalte geschlossen hat, kommen sehr zahlreiche 
Körnchen vor. 


Aus dem Gesagten erhellt ohne weitere Erläuterung die völlige Halt- 
losigkeit der Theorie v. Szilys. Später wird noch von den Beziehungen 
der Körner zu den Nervenfasern des Optikus bei den Selachiern und im 
Bereich des Optikus die Rede sein. 


Meine Auffassung geht dahin, dass die Körnchen nicht die Produkte 
eines Kernzerfalles oder einer Kerndegeneration sind, sondern Stoffwechsel- 
produkte der Zellen, die hauptsächlich dort zur Ausbildung kommen, wo die 
Proliferation der Zellen eine besonders lebhafte ist. 


3116 CarlRabl: 


Meine Beobachtungen über die Entwicklung anderer Säuge- 
tiere sind bei weitem nicht so vollständig wie diejenigen über 
das Kaninchen. 

II. Schaf. Der jüngste Schafembryo, den ich bisher zu 
untersuchen Gelegenheit hatte, mass in der Nackensteisslinie 8,6 mm 
und in der Scheitelsteisslinie 6,3mm. Seine Kopflänge betrug 
5,8 mm. Embryonen dieser Grösse sind noch sehr stark zu- 
sammengebogen und daraus erklärt es sich, dass ihre Nacken- 
steisslinie länger ist als der Abstand des Scheitels vom Steiss. 
Die beiden ersten Kiemenbogen, Mandibular- und Hyoidbogen, 
waren mächtig ausgebildet, dritter und vierter am Boden einer 
gut entwickelten Halsbucht (Sinus cervicalis) gelegen. Dorsal 
davon war eine deutliche Retrobranchialleiste (His) zu sehen und 
eine ähnliche, breite Leiste befand sich vor der Herzwölbung. 
Ich habe notiert, dass bei dem Embryo schon im auffallenden 
Licht bei schwacher Vergrösserung zu erkennen war, dass das 
Auge eine bilateral-symmetrische Form hatte, mit anderen Worten 
einen vorderen nasalen und hinteren temporalen Lappen unter- 
scheiden liess. An der oberen Seite liess das Auge schon bei 
der Untersuchung des Embryo in toto eine leichte Einsenkung 
erkennen, welche die beiden Lappen voneinander trennte. Die 
Schnittserie zeigte, dass die Nasengrube schon zu einem Blindsack 
vertieft war, dass aber dieser Sack mit seinem Grunde den Gaumen 
noch nicht erreichte. Linse und Gehörbläschen waren vom Ekto- 
derm abgeschnürt. Die Anlage der Thyreoidea war auf dem 
medianen Sagittalschnitt dreieckig, etwas gelappt, mit einer kleinen 
Höhle versehen und vom Boden der Mundhöhle schon weit ent- 
fernt. Ein Ductus thyreoglossus bestand also nicht. Das Organ 
sass der Teilungsstelle des Truncus arteriosus unmittelbar auf. 
Die Hypophysis stellte einen langgestreckten Schlauch dar, dessen 
vordere Wand dicker als die hintere war, und der mit seinem 
Grund den Infundibularfortsatz der Hirnbasisberührte. Er mündete 
noch mit enger Öffnung in den Pharynx. Hinter der Einmündungs- 
stelle war eine deutliche Seesselsche Tasche vorhanden. — Das 
Gesagte möge genügen, um die Entwicklungsstufe des Embryo 
zu charakterisieren. Der Embryo war also in der Entwicklung 
schon ziemlich weit fortgeschritten. — Der erste Schnitt der 
Sagittalschnittserie, der etwas vom Auge zeigte, enthielt bloss 
einen Anschnitt der Aussenwand der Linse; aber schon der zweite 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 317 


liess etwas vom hinteren Rand der Augenblase erkennen; der 
dritte zeigte bereits fast den ganzen Rand. Aber dieser und der 
nächstfolgende liessen deutlich erkennen, dass der Augenblasen- 
rand, abgesehen von der, ihn in der Mitte in zwei Hälften teilenden 
fötalen Augenspalte, wie beim Kaninchen, vier Randkerben, 
zwei dorsale und zwei ventrale, besitzt. Die Kerben haben dieselbe 
typische Lage wie beim Kaninchen. Am deutlichsten sind die 
beiden vorderen oder nasalen, dann folgt, was die Deutlichkeit 
angeht, die obere temporale und am undeutlichsten ist wieder 
die untere temporale. Alsbald tritt sodann in der Serie am Um- 
schlagsrande eine kleine, ungefähr spindelförmige Höhle, ein Rest 
des Sehventrikels, auf. Sie entspricht der Höhle, die auf den 
Fig. 9, 10 und 11 vom Hund und 13 Taf. XI vom Schwein in der 
dorsalen Wand der Augenblase zwischen deren beiden Blättern 
zu sehen ist. Sie liegt direkt gegenüber der fötalen Augenspalte. 
Sie verschwindet beim Schaf alsbald wieder, ja sie ist, bei einer 
Schnittdicke von 15 u, nur auf einem einzigen Schnitte gut sichtbar. 

Der auf Taf. XI, Fig. 1 abgebildete Schnitt ist der neunte 
der Serie, der das Auge trifft. Er zeigt vor allem die zwei Blätter 
‚der Augenblase, die an der ventralen Seite gelegene fötale Augen- 
spalte, durch welche Bindegewebe und, an den weiter nach innen 
zu folgenden Schnitten, auf denen die Spalte breiter wird, auch 
“Gefässe in den Glaskörperraum eindringen, und endlich, an der 
dorsalen Wand, die schon im auffallenden Licht sichtbare, mässig 
tiefe Einbuchtung, durch die eben die ganze Augenblase in einen 
nasalen und temporalen Lappen geteilt wird. Zwischen den 
beiden Blättern der Augenblase ist hier kein Hohlraum vorhanden, 
‚dagegen findet sich ein solcher jederseits neben der fötalen Augen- 
spalte im Umschlagsrand der Augenblase. Er ist hier sogar 
auffallend gross und erinnert an die Verhältnisse, die wir beim 
Hund und Menschen kennen lernen werden. Das äussere Blatt 
‚der Augenblase zeigt keine Differenzierung. Seine runden oder 
auch ovalen Kerne liegen nur selten in einfacher Reihe, gewöhnlich 
zu zweien oder dreien übereinander. Man muss also wohl das 
Epithel als ein mehrreihiges bezeichnen. Alle Kerne liegen näher 
an der genetisch basalen, also an der der Aussenfläche der Augen- 
blase zugewendeten Seite, als an der freien, dem Innenblatt 
zugekehrten. Sie lassen gegen das Innenblatt zu einen hellen 
Saum frei. Die Mitosen finden sich stets an der genetisch freien 


318 CarlRabl: 


Seite. Das Innenblatt der Augenblase zeigt bereits den Beginn 
einer Differenzierung. Zunächst ist zu bemerken, dass sich an 
seiner Glaskörper- und Linsenseite, die genetisch, wie erinnerlich, 
die basale ist, bereits eine helle Zone, ein Randschleier (His), 
als erste Anlage der Nervenfaserschicht zu bilden begonnen hat. 
Diese reicht indessen nicht bis zur Umschlagsstelle der Augenblase, 
also auch nicht bis zum Pupillarrand, wenn sie auch nur in 
geringer Entfernung davon aufhört. Man kann also vielleicht 
jetzt schon von einer beginnenden Scheidung in eine Pars optica 
und Pars caeca sprechen. Ganz besonders schön sind die von 
der Glaskörperseite ausgehenden Gliafasern. Die Innenfläche der 
tetina ist nicht flach und eben, sondern trägt eine Unmasse 
kleiner Zacken und Spitzen, die sich in Gliafasern fortsetzen. 
Von den von mir untersuchten Säugetieren eignet sich ausser 
dem Schwein keines so vortrefflich zur Untersuchung der ersten 
Entwicklung des Glaskörpers, als das Schaf. Am wenigsten 
geeignet von allen ist das Kaninchen, etwas, aber nicht viel besser 
ist in dieser Beziehung der Hund, sehr gut, wenn auch vielleicht 
nicht in demselben Grade, wie das Schaf und Schwein, ist der 
Mensch. Die Gliafasern sind natürlich zu dieser Zeit noch sehr 
kurz, aber sie lassen sich schon deutlich in einen Faserfilz ver- 
folgen, der mit einer Membran abschliesst, die in einigem Ab- 
stand die Linse umgibt und die Gefässe an dieser festhält. 

Dadurch, dass die Augenblasenwand an der dorsalen Wand 
eingebuchtet ist und auf Schnitten, wie dem der Fig. 1, Taf. XI, 
bis an die Linse heranreicht, ja deren dorso-mediale Wand sogar 
etwas eindrückt, wird der Glaskörperraum in zwei Hälften, eine 
nasale und eine temporale, geteilt, wodurch die Lappung des 
Auges auf dem Schnitt noch deutlicher hervortritt. Diese Lappung 
der Augenblase tritt an den Schnitten, welche die Linse nicht 
mehr treffen, noch schärfer hervor, als an dem abgebildeten. 
Namentlich schön ist sie auf den Schnitten, welche den Rand- 
schleier oder die erste Anlage der Nervenfaserschicht treffen. 
An solchen Schnitten ist das Innenblatt der Augenblase mit dem 
Aussenblatt wie durch einen Stiel verbunden, zu welchem der 
Umschlagsrand in die Länge gezogen erscheint. Ein ähnliches, 
nur nicht so auffallendes Bild eines solchen Stieles des Innen- 
blattes zeigt die Fig. 8, Taf. XI, vom Hund; allerdings geht der 
Schnitt hier viel weiter nach aussen durch das Auge. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 319 


Was endlich noch die Linse betrifft, so ist sie auf dem 
Schnitt der Fig. 1 so getroffen, dass auch ihre dorso-mediale Wand 
zu sehen ist. Diese ist viel dicker als die laterale, und zugleich, 
wie schon erwähnt, durch die Retina eingedrückt. Die Wand des 
Linsenbläschens ist ungemein kernreich, die Kerne liegen in vielen 
Reihen übereinander, die Mitosen sind alle der Höhle des Bläs- 
chens zugewendet. Im Lumen findet sich ein Rest eines Zell- 
detritus, aus dem zu schliessen ist, dass hier ebenso wie beim 
Kaninchen zahlreiche Zellen aus der Linsenfaserwand austreten. 

Der nächste Embryo, von dem ich eine Sagittalschnittserie an- 
gefertigt habe, hatte eine Nackensteisslänge von 9,2 mm und eine 
Scheitelsteisslänge von 8,2 mm; die Kopflänge betrug 6,0 mm. 
Auch er war noch stark zusammengebogen. Obwohl der Embryo 
in allen seinen Maßen grösser war als der vorige, zeigte er sich 
doch, wie die Schnittserie lehrte, nicht weiter, ja kaum so weit 
entwickelt, wie dieser. Ich habe schon wiederholt in meinen 
Arbeiten darauf hingewiesen, dass die Grösse eines Embryo kein 
sicherer Maßstab für seinen Entwicklungsgrad ist, dass kleinere 
Embryonen weiter entwickelt sein können als grössere und um- 
gekehrt. Trotzdem die Entwicklung bei diesem Embryo ungefähr 
ebensoweit fortgeschritten war, wie beim vorigen, habe ich doch 
aus der Sagittalschnittserie zwei Schnitte abgebildet, weil sie 
manches von dem früher Gesagten überaus deutlich vor Augen 
zu führen vermögen. — Bevor ich darauf eingehe, bemerke ich, 
dass ich mir über diesen Embryo nach der Untersuchung in toto 
bei auffallendem Licht notiert habe, dass der dritte Kiemenbogen 
viel oberflächlicher gelegen war, als der vierte, welch letzterer 
den Boden des tiefen Sinus cervicalis einnahm. Ferner war die 
kräftige Ausbildung des Operkularfortsatzes auffallend; bekannt- 
lich ist das ein Fortsatz des hinteren Randes des zweiten Kiemen- 
bogens oder Hyoidbogens, den Dursy zuerst beschrieb und mit 
dem Operkulum oder Kiemendeckel der Knochenfische verglich. 
Er hat ihn daher als Operkular- oder Kiemendeckelfortsatz 
bezeichnet. Ich besitze nun eine Anzahl gut ausgeführter Zeich- 
nungen von Schafembryonen, die ich vor 25—30 Jahren ange- 
fertigt habe und die über die Verhältnisse des zweiten Kiemen- 
bogens und seines Operkularfortsatzes gute Auskunft geben. Die 
Embryonen, deren Gesichter ich gezeichnet habe, hatten eine 
Nackensteisslänge von 10,0, 11,0, 11,5 und 13,0 mm, schlossen 


320 CarlRabl: 


sich also gut aneinander an. Beim jüngsten war der Operkular- 
fortsatz nur angedeutet, der dritte Kiemenbogen lag erheblich 
tiefer als die beiden ersten, und der vierte wieder tiefer als der 
dritte; der letztere am Boden eines dreieckigen Sinus cervicalis. 
Ich bemerke dazu, dass beim Schaf, ähnlich wie auch beim 
Schwein, der Sinus cervicalis ein etwas anderes Aussehen hat 
als beim Kaninchen (vgl. mein Tafelwerk) und beim Hund. Die 
Bilder, welche Schafembryonen geben, sehen denen von Schweine- 
embryonen viel ähnlicher, als denen von Kaninchen-, Hunde- oder 
menschlichen Embryonen. Beim zweiten und dritten der genannten 
Schafembryonen war der Operkularfortsatz ausserordentlich schön 
und deutlich. Beim zweiten schob er sich schon reichlich bis 
zur Hälfte über den dritten Kiemenbogen hinweg, beim dritten 
war hinter dem zweiten Kiemenbogen nur mehr ein schmaler 
Streifen des dritten Bogens zu sehen und beim vierten war auch 
dieser verschwunden. Der Sinus cervicalis stellte beim zweiten 
und dritten Embryo eine tiefe Bucht dicht hinter dem dritten 
Kiemenbogen dar. Der erste Embryo stand auf dem Stadium 
des Schweineembryo I meines Tafelwerkes, der zweite auf dem des 
Embryo III, der dritte auf dem des Embryo IV und der vierte 
auf dem des Embryos V. Beim vierten Embryo zeigte der Hinter- 
rand des zweiten Kiemenbogens, dort, wo beim ersten und zweiten 
ein sehr schöner Operkularfortsatz zu sehen war, nur eine leichte 
Vorwölbung. Ganz ähnliche Bilder wie der zweite und dritte 
Schafembryo gab ein Damhirschembryo, den ich einmal zu 
untersuchen Gelegenheit hatte. — Es ist nun sehr merkwürdig, 
‚ass beim Kaninchen und Schwein so gar nichts oder fast gar 
nichts von einem Operkularfortsatz zu sehen ist. Beim Hund und 
der Katze, von denen ich gleichfalls Zeichnungen besitze, ist der 
Fortsatz nur angedeutet, und wenn man ihn nicht kennte, würde 
man ihn sicher übersehen. Beim Menschen ist er nur ausnahms- 
weise gut entwickelt (vgl. mein Tafelwerk Taf. VII. Hier war 
€! beim Embryo der Figuren 6 und 7 sehr deutlich zu sehen, 
während er bei dem nur um eine Spur älteren Embryo der Fig. 11 
fehlte. Bei Eidechsenembryonen ist er, wie ich an meinen Zeich- 
nungen sehe, eben noch zu erkennen, bei Hühner- und Iinnten- 
embryonen dagegen ungemein deutlich Ja, hier bildet er sich 
später noch deutlicher aus und kann bei älteren Embryonen 
schon ohne weiteres mit freiem Auge gesehen werden. Er schiebt 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 321 


sich bei der weiteren Entwicklung des Halses mehr und mehr 
distalwärts vor und bezeichnet ziemlich genau die jeweilige distale 
Grenze des Halses. Diese Tatsachen scheinen darauf hinzuweisen, 
dass der Operkularfortsatz, wie überhaupt der ganze Hyoidbogen 
in ihrer Ausbildung der Entwicklung des Halses parallel gehen 
und dass bei Tieren mit langem Hals der Fortsatz sehr gut ent- 
wickelt und der Hyoidbogen sehr breit ist, während bei Tieren 
ohne oder mit kurzem Hals das Gegenteil zutrifft. Dabei kommt, 
wenigstens soweit es die Säugetiere betrifft, die Zahl der Wirbel 
nicht in Betracht, sondern vielmehr der ganze Habitus des Tieres. 
Bekanntlich besitzen Giraffe, Schaf und Schwein sehr verschieden 
lange Hälse und doch die gleiche Zahl von Halswirbeln: der 
Habitus ist also von der Zahl der Wirbel unabhängig. So mag 
also der Umstand, dass bei Schaf- und Hirschembryonen der 
Operkularfortsatz so gut entwickelt ist, mit der Länge des Halses 
der erwachsenen Tiere in einem gewissen Zusammenhang stehen: 
wir haben es hier wieder. wie so oft oder, genau genommen, 
immer, mit prospektiver Entwicklung zu tun. Nebenbei bemerke 
ich bei dieser Gelegenheit, dass die Troddeln der Schafe und 
Schweine und wohl auch anderer Tiere, die solche besitzen, wohl 
sicher Produkte des zweiten Kiemenbogens sind. Ich verweise 
übrigens mit Beziehung auf das Gesagte auf meinen Vortrag 
„Über die Entwicklungsgeschichte des Halses“ aus dem Jahre 1885. 

Nach dieser Abschweifung, die ich damit zu .entschuldigen 
bitte, dass ich nicht so leicht wieder Gelegenheit haben werde, 
auf diesen Gegenstand zurückzukommen, kehre ich zur Beschreibung 
des Auges zurück. Der erste Schnitt der Sagittalschnittserie 
durch den Schafembryo von 9,2 mm Nackensteisslänge, den ich 
auf Taf. XI, Fig. 2 abgebildet habe, ist der vierte, der überhaupt 
das Auge triftt. Er lässt ganz prachtvoll von den vier erwähnten 
Incisuren des Augenblasenrandes drei erkennen: die beiden vorderen 
oder nasalen, die ja immer am deutlichsten zu sehen sind und 
die obere temporale. Eine untere temporale ist nicht zu sehen. 
Ausser den drei genannten Incisuren ist selbstverständlich noch 
die tiefe und breite fötale Augenspalte, die ungefähr die Mitte 
des unteren Randes einnimmt, vorhanden. Diese lässt reichliches 
Bindegewebe mit weiten blutstrotzenden Gefässen durchtreten. 
Zwischen den beiden Blättern der Augenblase sind an mehreren 
Stellen Spalträume, Reste des Sehventrikels, wahrzunehmen. Der 


DD Gall Rabt;: 


grösste und deutlichste gehört der dorsalen Wand an und ent- 
spricht dem schon früher erwähnten und auch auf den Figuren 
9 und 10 vom Hund und 13 vom Schwein abgebildeten Raume. 

Weder das dünnere äussere, noch das diekere innere Blatt 
der Augenblase lassen etwas von Differenzierung auf diesem 
Schnitte erkennen. Das innere Blatt wölbt sich an der dorsalen 
Seite etwas gegen die Linse vor und drückt sie ein wenig ein. 
Dieses Verhalten wird auf den folgenden Schnitten noch deutlicher: 
diese geben ein Bild ganz ähnlich dem der Fig. 1 derselben Tafel. 
Auf solchen Schnitten ist der Glaskörperraum vollständig in eine 
nasale und temporale Hälfte geteilt. Die Linse umschliesst auf 
dem Schnitte der Fig. 2 ein sehr weites Lumen; der Innenfläche 
der vorderen Wand liegt ein Rest des von mir in meiner Linsen- 
arbeit beschriebenen Zellhaufens auf. In seiner Nähe, aber auch 
sonst im Lumen zerstreut, findet sich ein Detritus, der durch . 
Zerfall der oberflächlichen Zellen dieses Haufens entstanden ist. 
Der zweite Schnitt aus dieser Serie, den ich in Fig. 3, Taf. XI 
abgebildet habe, trifft bereits den Augenhintergrund. Er schneidet 
das innere Blatt der Augenblase gerade so, dass die Nervenfaser- 
schicht, die dem Randschleier des Zentralnervensystems von His 
entspricht, getroffen ist. Die bilaterale Symmetrie der Augenblase 
springt an diesem Schnitt ohne weiteres in die Augen; der Schnitt 
kann durch eine von der Mitte der fötalen Augenspalte bis zur 
Mitte der dorsalen Wand ziehende Ebene in zwei symmetrische 
Hälften, eine nasale und eine temporale, zerlegt werden. Es 
besteht also auch beim Schaf, wie beim Kaninchen, die Retina 
aus zwei Lappen. Zwischen den beiden Blättern der Augenblase 
findet sich nur zu beiden Seiten der fötalen Augenspalte, inner- 
halb der Umschlagsränder, eine Höhle. Sie ist auffallend gross, 
ähnlich wie beim Schnitt der Fig. 1, der weiter nach aussen durch 
das Auge gelegt ist. Die Nervenfaserschicht, oder besser, der 
Randschleier, der dem Gesagten zufolge der Fläche nach getroffen 
ist, zeigt folgendes Bild. Er lässt ein überaus feines Netzwerk 
von Linien erkennen, das sehr verschieden grosse und verschieden 
gestaltete Maschenräume umschliesst, die offenbar mit Flüssigkeit 
gefüllt waren. Am Präparate zeigen sie keinen Inhalt. Inner- 
halb der Linien des Netzes, nie innerhalb der 
Maschenräume, gewahrt man stark lichtbrechende, glänzende, 
bei Färbung mit alkoholischem Boraxkarmin intensiv tingierbare 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 323 


Körner. Durch Höher- und Tieferstellen des Tubus überzeugt 
man sich leicht, dass die glänzenden Körner die Querschnitte von 
senkrecht gegen die Oberfläche ziehenden Fasern sind. Nun 
sieht man, wie schon die Fig, 1, dann aber noch sehr zahlreiche 
andere Figuren dieser und der anderen Tafeln zeigen, auf Schnitten, 
welche senkrecht durch die Retina geführt sind, in der Nerven- 
faserschicht oder dem Randschleier eine grosse Menge senkrecht 
zur Innenfläche ziehender Streifen oder Fäden, wodurch der Rand- 
schleier eine senkrechte Streifung annimmt. Es ergänzen und 
erklären sich also die Flach- und Querschnitte gegenseitig. 

Innerhalb der Linien des Netzwerkes, das man an einem 
Flachschnitt durch die Nervenfaserschicht sieht, bemerkt man, 
was gleichfalls an dem Schnitte der Fig. 3 zu sehen ist, vereinzelte 
Zellkerne, wie solche ja auch auf senkrechten Schnitten durch 
die Retina zerstreut vorkommen. 

Der dritte Schafembryo, dessen Kopf ich in Sagittalschnitte 
zerlegt habe und dessen Auge ich schildern will, hatte eine 
Nackensteisslänge von 10,3 mm und eine Scheitelsteisslänge von 
8,3 mm; seine Kopflänge betrug 6,6 mm. Er entsprach ungefähr 
der als Stadium II bezeichneten Entwicklungsstufe des Schweines 
in meiner Arbeit über Gesichtsentwicklung. Nach der Unter- 
suchung in toto, im auffallenden Licht. habe ich notiert, dass der 
dritte Kiemenbogen tiefer lag als der erste und zweite, was 
übrigens auch bei den vorigen Embryonen der Fall war, dass 
hinter ihm der Sinus cervicalis folgte, auf dessen Grund der vierte 
Kiemenbogen lag, und dass der Sinus cervicalis von der Herz- 
wölbung durch eine schmale Leiste getrennt war. — Die Serie 
zeigt zunächst wieder den gelappten Pupillarrand der Augenblase 
mit den zwei dorsalen und der vorderen ventralen Randkerbe, 
während die hintere ventrale Randkerbe, wenn man überhaupt 
von einer solchen hier sprechen kann, nur ganz undeutlich ist. 
Der obere Randlappen umschliesst wieder eine ganz kleine spalt- 
förmige Höhle, die alsbald schwindet. Die obere Wand der Augen- 
blase senkt sich, wie früher, in die dorso-mediale Wand des 
Linsenbläschens ein und drückt diese etwas ein. Es ist dies auch 
an dem auf Taf. XI, Fig. 4 abgebildeten Schnitte aus .dieser Serie 
zu sehen. Infolge dieser Einbuchtung der dorsalen Wand erscheint 
erstens das ganze Auge auf dem Äquatorialschnitt wieder in einen 
nasalen und temporalen Lappen geteilt und zweitens wird durch 


324 CarlRabl: 


sie der Glaskörperraum in der Mitte bis auf einen ganz minimalen 
Spaltraum, in welchem nur ein paar flache Bindegewebszellen 
Platz finden, verdrängt. Wie früher, ist also auch jetzt auf solchen 
Schnitten der Glaskörperraum in zwei Hälften geteilt, entsprechend: 
den beiden Lappen, in die das ganze Auge geteilt erscheint. 
Nach innen zu werden die beiden Räume etwas grösser, als sie 
auf dem abgebildeten Schnitte zu sehen sind. Bezüglich der 
Differenzierung der Retina gilt im wesentlichen das schon früher 
(resagte. — Die fötale Augenspalte ist aussen sehr weit und lässt 
hier reichliche Mengen gefässführenden Bindegewebes eintreten; 
sodann wird sie, wie dies auch der abgebildete Schnitt zeigt, 
sehr schmal, um sich schliesslich weiter nach innen gegen den 
Augenblasenstiel zu, aber noch am Bulbus selbst, wieder etwas. 
zu erweitern und hier die ziemlich weite Arteria hyaloidea in Be- 
gleitung von einer geringen Menge Bindegewebes eintreten zu 
lassen. Der Augenblasenstiel zeigt zu dieser Zeit noch recht 
einfache Verhältnisse; er ist lange nicht so kompliziert wie beim 
Kaninchen, wo er in die mediale Wand der Augenblase hinein- 
gestülpt ist, woraus, wie erwähnt, sehr merkwürdige Bilder von 
Äquatorialschnitten resultieren. — Die fötale Augenspalte erstreckt 
sich bei diesem Embryo kaum zwei Schnitte weit (bei einer 
Schnittdicke von 15 «) auf den Augenblasenstiel. Dann nimmt 
dieser auf dem Schnitte alsbald die Form eines gleichschenkeligen 
Dreieckes mit kurzer ventraler Basis und hohen Seitenflächen an, 
um schliesslich mit dem Hirn in Verbindung zu treten. 

Der vierte Embryo, dessen Auge ich beschreiben will und 
dessen Kopf ich in Sagittalschnitte zerlegt habe, entsprach in 
der Ausbildung und Konfiguration des Kopfes dem von mir in 
meinem Tafelwerk abgebildeten und als Stadium IV bezeichneten 
Schweineembryo. Er hatte eine Nackensteisslänge von 12,4 mm 
und eine Scheiteisteisslänge von 12,0 mm. Nach der Untersuchung 
ın toto habe ich notiert, dass der dritte Kiemenbogen schon vom 
zweiten bedeckt war und dass sich hinter diesem eine kleine 
Grube als letzter Rest des Sinus cervicalis einsenkte. Im Grunde 
dieser Grube steckte wohl sicher, wie früher, der vierte Kiemen- 
bogen. Die Grube war kleiner als beim dritten hier beschriebenen 
Schafembryo. Wie schon die Tatsache, dass das Auge dieses 
Embryo schon reichliches Pigment enthält, beweist, hat die 
Differenzierung im Vergieich mit dem vorigen Stadium beträcht- 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 325 


liche Fortschritte gemacht. Die Inceisuren des Augenblasenrandes 
sind wieder sehr gut sichtbar, vor allem die beiden oberen; 
weniger deutlich ist die vordere untere; eine hintere untere ist 
nur angedeutet. Im oberen Randlappen ist, wie im vorigen 
Stadium, wieder ein allerdings nur auf einigen wenigen Schnitten 
sichtbarer Spaltraum zwischen den beiden Blättern der Augen- 
blase zu sehen. Die Pigmentierung des Innenblattes beginnt 
schon bald hinter dem Umschlagsrand: vom Rande der fötalen 
Augenspalte hält sie sich aber noch zunächst sehr weit fern. 
Erst auf Schnitten, auf denen die Augenspalte enger wird, tritt 
sie näher an diese heran. Die Pigmentkörnchen sind ausschliess- 
lich auf die genetisch freie Seite des Blattes beschränkt. Das 
Blatt wird nach aussen, gegen den Augenblasenrand zu, dicker 
und hier liegen die Kerne mehrreihig übereinander. Auf dem 
Schnitt durch den Äquator bulbi aber liegen sie in einfacher 
Reihe, sind- rundlich und nehmen die genetisch basale Seite der 
Zellen in Anspruch. Alles dieses entspricht den Verhältnissen 
beim Kaninchen. Neben der fötalen Augenspalte treten in den 
Umschlagsrändern alsbald enge Hohlräume auf. Die Spalte wird 
ungefähr in der Äquatorialebene des Bulbus so eng, dass sich 
kein Bindegewebe mehr zwischen die Ränder eindrängen kann. 
Auf den Schnitten, welche dicht hinter der Linse durch das Auge 
gehen, zeigt die Scheidewand, welche die beiden in den Umschlags- 
rändern gelegenen Spalträume trennt, die Neigung zu schwinden. 
Darin ist die erste Spur des völligen Schwindens der fötalen Augen- 
spalte zu erblicken. Erst weit hinten, beim Übergang in den Augen- 
blasenstiel, erweitert sich die Spalte wieder, um die Arteria hyaloidea 
eintreten zu lassen. Die Spalte setzt sich dann eine Strecke weit 
auf den Augenblasenstiel fort. Dieser erscheint, nachdem der 
letzte Rest der fötalen Augenspalte an ihm geschwunden ist. 
ungefähr kreisrund mit eben solcher Höhle, wird dann oval mit 
senkrecht gestellter längerer Achse, das Lumen wird lanzettförmig 
und schliesslich setzt sich der Stiel mit dem Hirn in Verbindung. — 
Der auf Taf. XI, Fig. 5 abgebildete Schnitt geht ziemlich genau 
durch den Äquator des Auges. Er trifft noch die Linse, zeigt 
an ihr die in Entwicklung begriffene Linsenfasermasse und an 
der Innenfläche ihrer ventralwärts gekehrten Wand den uns schon 
bekannten Zellhaufen, der eigentümlicherweise hier mit der Wand 


direkt in Verbindung steht. Die Symmetrie des ganzen Auges, 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 99 


326 CarlRabl: 


der Retina sowohl, als des Glaskörperraumes, tritt ganz unver- 
kennbar zu Tage. Ganz prachtvoll sind an Äquatorialschnitten 
durch das Auge in diesem Stadium die von den kegelförmigen 
Fortsätzen der Innenfläche der Retina auslaufenden Gliafasern zu 
sehen. Diese gehen radiär verlaufend und zahlreiche seitliche 
Äste abgebend in den ungemein dichten und feinen Faserfilz über, 
der den Glaskörperraum erfüllt. — Was das Pigmentblatt der 
Retina betrifft, so beachte man an dem abgebildeten Schnitt, dass 
das Pigment erst in einiger Entfernung von der fötalen Augen- 
spalte aufzutreten beginnt, dass die Pigmentkörnchen alsbald in 
grosser Menge in den Zellen erscheinen, dann aber, gegen die 
dorsale Wand zu, immer spärlicher werden. Ebenso sind sie, 
wie man sich bei der Verfolgung der Serie überzeugen kann, an 
der medialen Wand, also dem Augenhintergrund entsprechend, 
nur in geringer Menge vorhanden. Besonders wichtig für die 
Orientierung des Auges ist, dass jetzt schon die Anlagen der 
Augenmuskeln mit Sicherheit zu erkennen sind. Der Querschnitt 
durch die Anlage des Rectus superior liegt über der Mitte der 
dorsalen Wand der Augenblase, direkt gegenüber der fötalen 
Augenspalte; die Anlage des Rectus inferior, etwas nasal von 
der fötalen Augenspalte. Diese Angaben gelten für den Äquatorial- 
schnitt durch das Auge. 

Der letzte Schafembryo, dessen Augen ich untersuchte, war 
schon bedeutend älter. Er mass in der Scheitelsteisslinie 17,6 mm 
und in der Nackensteisslinie 15,0 mm. Die Augen waren schon 
ziemlich stark schief gestellt, so dass die Augenachsen nach hinten 
und zugleich etwas nach oben konvergierten. Infolgedessen gaben 
natürlich die Sagittalschnitte durch den Kopf keine reinen Äqua- 
torialschnitte mehr durch die Augen; diese waren vielmehr schief 
getroffen und es musste die obere temporale Wand in der Schnitt- 
serie früher erscheinen, als die untere nasale. Wie die ganze 
Augenblase war natürlich auch die Linse nicht rein äquatorial, 
sondern gleichfalls schief getroffen. Zufälliger-, und ich muss 
in diesem Falle sagen, glücklicherweise war nun die Serie nicht 
ganz genau sagittal, sondern ein klein wenig schief geführt und 
infolgedessen gingen die Schnitte durch das rechte Auge der 
Äquatorialebene mehr parallel, als die durch das linke, wenngleich 
auch sie keine reinen Äquatorialschnitte waren. Ich habe daher 
von diesem Embryo einen Schnitt durch das rechte, nicht, wie 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 327 


bisher und auch sonst in fast allen Fällen, durch das linke Auge 
abgebildet (Fig. 6, Taf. XD). Der Kopf war, wie die anderen 
Köpfe, von der linken zur rechten Seite geschnitten; der abge- 
bildete Schnitt ist also von der medialen Seite gesehen, zeigt 
daher die gleiche Orientierung, wie der eines linken Auges, das 
von aussen nach innen geschnitten ist. Die mit n bezeichnete 
Wand ist also wieder die nasale, die mit t bezeichnete die tem- 
porale. Das Querschnittsbild der Retina und das der Linse zeigen 
sofort, dass die Schnittebene schief zur Äquatorialebene verläuft. 
Die obere temporale Wand ist näher dem hinteren Pol der Augen- 
achse getroffen, als die vordere nasale. Da nun der Grad der 
Differenzierung vom hinteren Augenpol nach vorn allmählich 
abnimmt, muss die Retina auf einem solchen Schnitt im hinteren 
temporalen Quadranten am höchsten, im vorderen nasalen am 
wenigsten entwickelt sein. Das, was zunächst an dem abgebildeten 
Schnitt in die Augen fällt, ist die eigentümliche viereckige Form 
des Schnittes; sie war, wenn auch weniger ausgeprägt, schon in 
den früheren Stadien (vgl. namentlich die Figuren 5 und 4) zu 
erkennen. Wie beim Kaninchen, erscheint also der Bulbus von 
oben nach unten zusammengedrückt. 

Die Retina zeigt im oberen temporalen Quadranten, also 
dort, wo der Schnitt den höchsten Grad der Differenzierung 
erkennen lässt, im wesentlichen denselben Bau, den wir schon 
von dem allerdings relativ beträchtlich älteren Stadium der Retina- 
entwicklung des Kaninchens kennen, von dem die Fig. 12, Taf. XI 
eine Vorstellung gegeben hat. Sie lässt also von innen nach 
aussen folgende Schichten erkennen: 1. die Nervenfaserschicht, 
die aus dem „Randschleier“ hervorgegangen ist; 2. die Ganglien- 
zellenschicht, die dort, wo sie am dicksten ist, mehrere Reihen 
von Kernen erkennen lässt; 3. die Anlage der inneren retikulären 
Schicht, die aber noch zahlreiche Kerne enthält und weder nach 
innen gegen die Ganglienzellenschicht, noch nach aussen gegen 
diejenige Schicht, die ich wieder, da sie die mächtigste ist, als 
Hauptschicht der Retina bezeichnen will, eine scharfe Grenze zeigt; 
endlich 4. die eben genannte Hauptschicht, die mehr als die halbe 
Dicke des ganzen Schnittes durch die Retina einnimmt. Sie ist 
aussen von einem hellen Saum begrenzt, der senkrecht gestreift 
ist und in dem zahlreiche Mitosen, die fast ausnahmslos dicht 


unter der äusseren Oberfläche des Innenblattes der Retina, also 
22* 


os 
t 
5 


F GamsleRabl:: 


dem Tapetum nigrum zugekehrt, liegen, wahrzunehmen sind. 
Die Kerne dieser Hauptschicht sind wieder, wie beim Kaninchen, 
zweierlei Art: ovale, blasse und langgestreckte, dunkle: gross ist 
übrigens der Unterschied zwischen beiden Arten jetzt noch nicht. 
Man kann nun an der Figur ganz gut sehen, dass die Differenzie- 
rung der Retina von hinten nach vorn allmählich abnimmt. wenn 
man von rechts oben, d.h. von einer dorsal und temporal gelegenen 
Stelle, nach links unten, also nach einer ventral und zugleich 
nasal gelegenen Stelle des Schnittes weiter schreitet. An der 
letztgenannten Stelle ist die Differenzierung noch am weitesten 
zurück, hier ist sie nicht weiter fortgeschritten, als im vorigen 
Stadium, dem die Fig. 5 entnommen ist. Die Retina lässt also 
hier nur die dünne, in der Anlage begriffene Nervenfaserschicht 
oder den Randschleier und eine mächtige zellige Schicht, die fast 
die ganze Dicke des Querschnittes einnimmt, erkennen. Die Gang- 
lienzellenschicht schwindet allmählich von der dorsalen zur ven- 
tralen Wand dieses Schnittes, also in Wirklichkeit von 

nach vorn, und es macht namentlich an der rechten Seite des 
Auges den Eindruck, als ob sie sich mit der Hauptschicht ver- 
einigte. 

Das äussere oder Pigmentblatt der Retina ist an der dorsalen 
Wand, also näher dem hinteren Augenpol, sehr viel dünner und 
ärmer an Pigment, als an der dem vorderen Augenpol näheren 
ventralen. Am dicksten, gleichzeitig aber auffallend pigmentarm, 
erscheint sie an einer ganz kleinen Stelle’ungefähr in der Mitte 
der unteren Wand (vgl. die Figur). Es kann keinem Zwe fe] 
unterliegen, dass diese Stelle der Verschlußstelle der fötalen 
Augenspalte entspricht. Als letzter Rest der Spalte ist jetzt nur die 
Eintrittsstelle der Arteria hyaloidea an derUinterfläche des Optikus 
zurückgeblieben. Während aber an der Pars optica retinae die 
fötale Augenspalte jetzt völlig geschwunden ist, ist sie am vorderen 
Teil der Pars caeca, aus dem die Pars iridica hervorgeht, noch 
erhalten. Der untere Pupillarrand zeigt an diesem Embryo ein 
eigentümliches Verhalten, das ich nicht unerwähnt lassen will. 
Man findet nämlich in beiden Augen nasalwärts von der hier 
schon im Verschluss begriffenen Augenspalte eine Randkerbe, 
Ganz dasselbe sehe ich an einer Sagittalschnittserie durch einen 
Embryo von 14,5 mm SS und 13 mm NS, also bei einem etwa® 
jüngeren Embryo als dem vorliegenden. Bei einem Embryo von 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 329 
20 mm SS und 17 mm NS kann ich aber von dieser Randkerbe 
nichts mehr wahrnehmen. Die beiden zuletzt erwähnten Serien 
gehören zu denen, die ich schon vor 25—50 Jahren angefertigt 
habe. Namentlich die erste davon zeigt den Embryo in tadel- 
loser Fixierung. 

Im Glaskörperraum liegt die Linse, umgeben von einem 
dichten Gefässnetz und von Glaskörperresten. Die Linse ist nur 
mehr im Anschnitt oder wenigstens nahe dem Ende getroffen. 
Ventral und zugleich nasal sind zahlreiche Kerne von Linsenfasern 
zu sehen. Zwei Schnitte weiter nach innen ist auch dieser Rest 
der Linse verschwunden. 

Ich habe in die Figur auch die Kontur des (Querschnittes 
des Rectus superior eingetragen. Er liegt wieder ziemlich genau 
gegenüber der Stelle, wo an der ventralen Wand das Pigment- 
blatt der Retina weniger pigmentiert ist, einer Stelle, die, wie 
gesagt, der Verschlußstelle der fötalen Augenblase entspricht. 


Ill. Hund. Der jüngste Hundeembryo, dessen Kopf ich 
in Sagittalschnitte zerlegt habe, stand ungefähr in der Mitte 
zwischen den Stadien IX und X des Kaninchens, die ich in meinem 
Tafelwerk über die Entwicklung des Gesichtes abgebildet habe. 
Die Kopflänge des Embryo betrug 5,5 mm, die anderen Maße 
habe ich leider nicht notiert; aber ich habe den Kopf eines Embryo 
von genau derselben Kopflänge in drei Ansichten gezeichnet und 
auf den Zeichnungen angegeben, dass die NS-Linie des Embryo 
7,‘ mm betragen habe. Es ist auffallend, dass Hundeembryonen 
dieser Entwicklungsstufe Kaninchenembryonen korrespondierenden 
Alters sehr viel ähnlicher sehen, als Schaf- oder Schweine- 
embryonen. Kaninchen-, Hunde- und, wie ich hinzufügen kann, 
Katzenembryonen haben, wenn ich mich so ausdrücken darf, ein 
viel feiner ausgearbeitetes Gesicht, als Schaf- und Schweine- 
embryonen. Dies gilt von den jungen Embryonen geradeso wie 
von älteren. Auf die Verschiedenheit der Physiognomien junger 
Säugetierembryonen habe ich übrigens schon in dem erwähnten 
Tafelwerk hingewiesen. 

Der Hundeembryo, dessen Auge ich zunächst beschreiben 
will, zeigte noch eine weit offene Halsbucht, in deren Grund der 
dritte und vierte Kiemenbogen sehr deutlich sichtbar waren. Die 
Bucht war nach der dorsalen Seite von der Retrobranchialleiste 


330 CarlRabl: 


(His) begrenzt, die sich um das Hinterende der Halsbucht ventral- 
wärts in einen vor der Herzwölbung gelegenen Streifen fortsetzte. 
Wie überall, ist die Retrobranchialleiste nicht in der proximalen 
Verlängerung der Extremitätenleiste gelegen, wie His einmal 
meinte, sondern ventral davon. Retrobranchial- und Extremitäten- 
leiste haben also nichts mit einander zu tun. Ich habe mich 
darüber schon vor 30 Jahren („Zur Entwicklungsgeschichte des 
Halses“ 1886) geäussert. Das Auge dieses Embryo nun zeigte 
folgendes. Von den Randkerben war merkwürdigerweise nur die 
untere temporale deutlich zu sehen, also diejenige, welche bei 
allen bisher untersuchten Embryonen vom Kaninchen und Schaf 
am undeutlichsten war. Der aus dieser Serie auf Taf. XI, Fig. 7 
abgebildete Schnitt dürfte das Auge noch etwas nach aussen von 
der Äquatorialebene treffen. Das Linsenbläschen ist noch ziemlich 
voll getroffen ; es schwindet aber schon am dritten Schnitt hinter 
diesem. In der Höhle des Bläschens, und zwar auf diesem Schnitt 
an der Linsenfaserwand, liegt etwas Zelldetritus, wie er aus der 
hier ausgeschiedenen Zellmasse hervorzugehen pflegt. Solcher 
Detritus findet sich auch in den älteren, noch zu beschreibenden 
Entwicklungsstadien, sowie auch bei einem jüngeren Embryo, 
dessen Nackensteisslänge ungefähr 5,0 mm betrug und von dessen 
einem Auge ich eine Frontal-, von dessen anderem ich eine 
Horizontalschnittserie besitze, nur in verhältnismässig geringer 
Menge vor. Es treten also wohl beim Hund während der Ent- 
wicklung der Linse aus der Wand des Linsenbläschens sehr viel 
weniger Zellen aus als beim Kaninchen (vgl. meine Monographie 
über den Bau und die Entwicklung der Linse). Das, was in erster 
Linie an Äquatorialschnitten von Augen junger Hundeembryonen 
auffällt, und was auch schon an der Fig. 7, namentlich, wenn man 
sie mit den Figuren 1 und 4 vom Schaf vergleicht, unverkennbar 
ist, ist ihre beträchtliche Höhe. Namentlich in den folgenden 
Stadien (vgl. Fig. 8 und 9 derselben Tafel) übertrifft der vertikale 
Durchmesser des Auges den horizontalen oder naso-temporalen 
ganz beträchtlich. Diese Eigentümlichkeit habe ich in dieser 
starken Ausprägung bei keinem zweiten Säugetier bisher gesehen. 

Die fötale Augenspalte ist an dem abgebildeten Schnitte 
noch ziemlich breit: sie wird nach innen zu alsbald ganz eng, 
um sich erst ganz hinten in der Nähe des Augenblasenstieles 
wieder etwas zu verbreitern. Auf den Stiel aber setzt sie sich 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 331 


nicht fort. — Der Glaskörperraum ist auf diesem und den benach- 
barten Schnitten noch recht eng; der Form nach ist er vielleicht, 
namentlich auch im Hinblick auf das nächst folgende Stadium, 
als fünfeckig zu bezeichnen, mit nach oben gerichteter Basis und 
nach unten, der fötalen Augenblasenspalte zu gewendeter Spitze. 
Die bilaterale Symmetrie ist am ehesten noch in der Nähe des 
Augenhintergrundes ausgesprochen; sehr deutlich ist sie aber 
auch hier zu dieser Zeit nicht. Die Bildung des Randschleiers 
hat bereits begonnen. Am meisten ist sie an der dorsalen Wand 
und am Augenhintergrund vorgeschritten. Vorn und hinten ist 
sie eben erst angedeutet. 

Der nächste Embryo hatte eine Kopflänge von 6,0 mm. 
Nach der Untersuchung im auffallenden Licht in toto habe ich 
notiert, dass er dem Kaninchenembryo des Stadium XI (vgl. 
Gesichtsentwicklung) entsprach. Von den Randkerben der Augen- 
blase waren die beiden oberen und die vordere untere deutlich; 
die hintere obere schien in die hintere untere überzugehen. Der 
aus dieser Serie abgebildete Schnitt (Fig. 8) trifft noch das Lumen 
des Linsenbläschens; aber schon der nächste geht durch die 
mediale Wand desselben. Der zweitnächste Schnitt zeigt an ihrer 
Stelle eine sehr weite Arteria hyaloidea. Die Fig. S ist in mehr- 
facher Hinsicht von Interesse: erstens übertrifft hier der Höhen- 
durchmesser des Auges ganz ausserordentlich den horizontalen; 
zweitens ist das Innenblatt der Augenblase unten, an der fötalen 
Augenspalte, wie mittels eines Stieles mit dem äusseren Blatt 
verbunden, und drittens ist die Form des Glaskörperraumes jetzt 
deutlich bilateral-symmetrisch, indem er eine obere nasale und 
obere temporale Ecke unterscheiden lässt. Am äusseren Blatt 
ist noch auffallend, dass es sowohl im Bereiche des Stieles, wenn 
wir diesen noch zu ihm rechnen wollen, als auch rechts und links 
davon auffallend dick ist. Im übrigen stellt das äussere Blatt 
ein schönes, einreihiges und einschichtiges kubisches Epithel mit 
bodenständigen, runden Kernen dar. Die Differenzierung des 
inneren Blattes hat nur geringe Fortschritte gemacht. Die Augen- 
blasenspalte erweitert sich nach innen etwas, geht aber ebenso- 
wenig, wie früher, auf den Augenblasenstiel über. Die Schnitte, 
die gerade noch das äussere Blatt der Augenblase treffen, geben 
hier Bilder, wie ich sie später von einem menschlichen Embryo 
beschreiben werde. 


332 CarlRabl: 


Der dritte Embryo, dessen Auge ich auf Sagittalschnitten 
untersucht habe, hatte eine Kopflänge von 7,6 mm. Die Scheitel- 
steisslänge betrug 10,0 mm, die Nackensteisslänge 10,5 mm. Die 
Halsbucht war vollständig geschwunden; der vordere Extremitäten- 
stummel noch rund. Schon bei der Untersuchung des Embryo 
im auffallenden Licht konnte man die bilaterale Symmetrie des 
Auges, d.h. seine Teilung in eine vordere oder nasale und hintere 
oder temporale Hälfte sehr deutlich und sicher erkennen. Im Grad 
seiner Ausbildung entsprach dieser Embryo, wenigstens was den 
Kopf betraf, dem Embryo des Stadiums XIV des Kaninchens 
(siehe (Gesichtsentwicklung). Schon die ersten Schnitte, die die 
Augenblase treffen, zeigen eine tiefe Einbuchtung ihrer dorsalen 
Wand. Alsbald nimmt dann die Augenblase eine Form an, die 
an den Schnitt der Fig. 13, Taf. XI, vom Schwein erinnert; man 
kann also an ihr eine dorsale, vordere und hintere Wand unter- 
scheiden. Die drei Wände gehen zwar mit abgerundeten Winkeln 
ineinander über, stehen aber doch entschieden senkrecht aufeinander. 
An den unteren Rand der beiden Seitenwände setzt sich dann 
an den nächsten Schnitten die ventrale Wand an, die in der 
Mitte durch die fötale Augenspalte geteilt ist. Der Äquatorial- 
schnitt bekommt dann die typische viereckige, beim Hund fast 
quadratische Form, wie sie auf der Fig. 9, Taf. XI in die Augen 
springt. In der dorsalen Wand tritt jetzt eine Höhle auf, ähn- 
lich wie eine solche auch beim Schwein zu sehen ist und wie 
sie uns besonders schön auf den Fig. 8$—10, Taf. XI vom Kaninchen 
entgegengetreten ist. Der Schnitt der Fig. 9, Taf. XI geht 
knapp vor dem Äquator, der zweite, in Fig. 10 aus dieser Serie 
abgebildete, etwas weiter nach innen von ihm durch das Auge. 
Jener trifft noch die Linse, zeigt deren Lumen und die sehr 
schöne Linsenfaserwand mit ihren dicht gedrängten, der basalen 
Seite näher als der freien stehenden Kernen. Die Differenzierung 
der Retina hat weitere Fortschritte gemacht. Ihre Nervenfaser- 
schicht ist namentlich an der oberen Wand sehr dick, nimmt 
dann an den Seitenwänden allmählich ab und schwindet an der 
ventralen Wand in ziemlicher Entfernung von der fötalen Augen- 
spalte vollständig. Das Innenblatt der Augenblase wölbt sich 
schon an den vorhergehenden Schnitten etwas gegen die Linse 
vor, ähnlich wie dies auch an dem abgebildeten Schnitte zu sehen 
ist, aber sie drückt die Linsenwand nicht, wie beim Schaf, ein 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 333 


(vgl. damit die Fig. 1 und 4). Gegen den Augengrund zu wird 
die Vorwölbung stärker, so dass man schliesslich fast von einer 
flachen, in den Glaskörperraum vorspringenden Falte sprechen 
kann. Eine solche ist auch auf dem Schnitt der Fig. 10 zu sehen, 
der der sechste hinter dem der Fig. 9 ist und zugleich der erste, 
der keine Spur von der Linse mehr erkennen lässt, sondern an 
ihrer Stelle lockeres, gefässführendes Bindegewebe. Noch weiter 
nach hinten gegen den Augenhintergrund zu wird diese Falte 
noch höher und springt schliesslich soweit vor, dass der Glas- 
körperraum so niedrig wird, dass der horizontale Durchmesser 
mehr als fünfmal so lang wird, als sein vertikaler. Gleichzeitig 
vertieft sich auch die von oben und aussen her in das innere 
Blatt der Augenblase einschneidende Furche, so dass also in der 
Tat die obere Wand des Innenblattes der Retina zwei recht 
scharf voneinander geschiedene Lappen erkennen lässt. Die 
Scheidung in zwei Lappen wird am Auge noch dadurch deutlicher 
und schärfer, dass geradeso, wie beim Kaninchen. von unten her 
und zwar von der Stelle, an der sich die fötale Augenspalte 
geschlossen hat, eine Falte gegen die Linse und den Glaskörper 
vorspringt. 

Auf dem Schnitt der Fig. 9, der, wie gesagt, das Auge 
dicht vor dem Äquator trifft, ist die Augenspalte noch offen. 
aber schon auf dem nächsten Schnitt zeigt sie die Tendenz, sich 
zu schliessen und auf dem zweitnächsten ist die Verbindung der 
beiden Blätter der Augenblase gelöst und der Zustand erreicht, 
den dann auch die Fig. 10 vor Augen führt, wo die beiden 
Blätter der Augenblase überall weit voneinander abstehen und 
zwischen ihnen in der Mitte der oberen und der unteren Wand 
der Augenblase ein grösserer dreieckiger Raum vorhanden ist. 
So wird also hier im Prinzip genau so, wie auf dem Schnitt der 
Fig. 11, Taf. X vom Kaninchen, durch zwei von der Mitte der 
dorsalen und der ventralen Wand vorspringende Falten der Glas- 
körperraum in zwei symmetrische, ungefähr gleichgrosse Hälften, 
eine nasale und eine temporale, geteilt. Auf der Fig. 10, Taf. XI, 
erscheint der Glaskörperraum und natürlich auch der ganze Bulbus 
als ein verschobenes Viereck mit etwas eingedrückten Wänden; 
die dorsale und ventrale Wand sind dabei tiefer eingedrückt als 
die nasale und temporale. — Die Augenspalte ist also jetzt 
ungefähr vom Äquator bulbi an bis zum Augenhintergrund ge- 


334 OarlRabl: 


schlossen; erst hier, wo der Stiel der Augenblase an das Auge 
herantritt, öffnet sie sich wieder und lässt drei oder vier Schnitte 
weiter nach innen (bei einer Schnittdicke von 15 «) die Arteria 
hyaloidea eintreten. Sie bleibt im ganzen ungefähr auf zwölf 
Schnitten offen, um nach innen zu allmählich breiter zu werden 
und sich schliesslich ganz zu verflachen. Dem Gesagten zufolge 
lässt also das Auge des Hundes in diesem Stadium ganz unver- 
kennbar eine Teilung in eine nasale und eine temporale Hälfte 
erkennen, eine Teilung, die auf einer Lappung des Innenblattes 
der Retina beruht und von dieser erzeugt wird. 

Der nächste Hundeembryo, dessen Kopf ich in Sagittalschnitte 
zerlegt habe, hatte eine Scheitelsteisslänge von 14,0 mm und eine 
Nackensteisslänge von 13,3 mm. Er war also schon beträchtlich 
grösser als der vorige. Auch standen die Augen nicht mehr so 
rein seitlich wie bisher, sondern hatten schon begonnen, sich 
nach vorn zu drehen. Daher wurden sie von der Sagittalschnitt- 
serie nicht mehr rein äquatorial, sondern etwas schief ge- 
troffen. Die bilaterale Symmetrie der Augen war schon bei der 
Betrachtung des unzerschnittenen Embryo im auffallenden Licht 
deutlich erkennbar. Die vorderen Extremitätenstummel zeigen zu 
dieser Zeit schon die ersten Spuren der Zehen, die hinteren noch 
nicht. — Was das Auge dieses Embryo betrifft, so bemerke ich 
zunächst, dass ich am Pupillarrand, natürlich abgesehen von der 
fötalen Augenspalte, keine Inzisuren mehr sehen kann. Die Augen- 
blase selbst ist, abgesehen vom Pupillarrand, am ganzen Bulbus 
seschlossen, die beiden Blätter der Augenblase haben sich von- 
einander getrennt und an der Verschlußstelle ist eine kleine 
Höhle aufgetreten, die sich in der Serie bis zum Augenhinter- 
grund verfolgen lässt. Eine ähnliche Höhle tritt auch in der 
dorsalen Wand der Augenblase direkt gegenüber dieser unteren 
Höhle auf; diese beiden Höhlen sind uns schon in früheren 
Stadien begegnet. Die obere oder dorsale tritt in der Serie 
früher auf als die untere oder ventrale, schwindet aber früher, 
während diese, wie erwähnt, bis zum Augenhintergrund reicht. 
Die Art. hyaloidea tritt dicht am Auge in den Optikus ein. Auch 
beim Hund ist, wie beim Kaninchen und Schaf, im Optikus nur 
ein einziges Gefäss enthalten. Auffallend ist die ausserordentlich 
geringe Grösse des (uerschnittes des Nervs auf allen nun folgen- 
den Schnitten der Serie; man hat in der Tat oft Mühe, den Nerv 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 33% 


zwischen den vielen anderen Gebilden in dieser Gegend — den 
Nerven, Gefässen und Muskelquerschnitten — herauszufinden. 

Der Schnitt der Fig. 11 geht ungefähr durch den Äquator 
bulbi; er ist aber, wie gesagt, kein reiner AÄquatorialschnitt; 
damit hängt es zusammen, dass die Wand des Auges oben und 
rechts weiter nach innen gegen den Augenhintergrund zu ge- 
troffen ist, als unten und links. Demnach erscheint auch die Retina 
dort höher differenziert als hier. Wenn auch die Differenzierung 
noch nicht so weit gediehen ist als bei dem ältesten Schafembryo, 
dessen Auge ich oben beschrieben habe (vgl. Fig. 6), so erinnert 
doch das Bild, welches man auf Schnitten erhält, sehr an das 
von jenem Embryo. Vor allem sieht man, dass die Retina im 
grössten Teil der Pars optica ausser einer Nervenfaserschicht 
schon eine Ganglienzellen- und eine innere retikuläre Schicht 
unterscheiden lässt. Darauf folgt dann wieder die ungemein 
mächtige Hauptschicht, die sich im weiteren Verlauf der Ent- 
wicklung zur inneren Körnerschicht, äusseren retikulären, äusseren 
Körnerschicht, sowie zur Stäbchen-Zapfenschicht weiter differenziert. 
Dort, wo die Ganglienzellenschicht undeutlich zu werden beginnt, 
kann man sie auf diesem und den benachbarten Schnitten in die 
Hauptschicht übergehen sehen. 

Das äussere Blatt der Augenblase ist noch nicht im eigent- 
lichen Sinne des Wortes pigmentiert. Wohl aber kann man bei 
genauer Untersuchung mit sehr starker Vergrösserung an der 
genetisch freien Seite des Pigmentepithels bei Färbung mit Borax- 
karmin blassrosarot tingierte Körnchen sehen, die wohl zweifellos 
als Vorstufen der Pigmentkörnchen zu betrachten sind. Wie diese 
in früheren Stadien der Pigmentierung, fehlen sie unmittelbar 
am Umschlagsrand der beiden Blätter, sind in der Pars caeca 
viel zahlreicher als in der Pars optica und schwinden hinter dem 
Äquator. 

Die Linse sowie der Glaskörper mit den Gefässen geben 
dasselbe Bild wie beim Schaf. 

Im Anschluss an das über das Auge des Hundes Gesagte will 
ich noch erwähnen, dass ich aus alter Zeit eine Anzahl von Serien von 
Katzenembryonen aufbewahre, von denen für die vorliegende 
Arbeit besonders eine Sagittalschnittserie in Betracht kommt, 
weil sie zeigt, dass hier das Auge die bilaterale Symmetrie, die 
wir an den bisher betrachteten Augen kennen gelernt haben, 


336 Carl Rahl: 


unzweideutig zur Schau trägt. Ich habe leider damals versäumt 
(es sind etwa 30 Jahre verflossen), im frischen Zustand oder 
doch nach der Fixierung vor dem Einbetten die Masse abzu- 
nehmen. An den sehr schönen Medianschnitten durch den Embryo 
beträgt nun die Scheitelsteisslänge 9,0 mm, die Nackensteiss- 
länge 9,5 mm und die Kopflänge ungefähr 7,5 mm. Es kommt 
aber natürlich in Betracht, dass beim Einbetten in Paraffin die 
Objekte schrumpfen. Die Maße müssen also ursprünglich durch- 
wegs grösser gewesen sein als die angegebenen. Vor der Ein- 
bettung dürfte der Embryo vielleicht noch ein klein wenig grösser 
gewesen sein als der Hundeembryo Nr. III, dessen Auge ich oben 
beschrieben habe. Jedenfalls stand er diesem Embryo in seiner 
Entwicklung näher als dem zuletzt beschriebenen. Die Sagittal- 
schnittserie zeigt, dass das Auge, geradeso wie beim Hund, einen 
fast quadratischen Querschnitt hat. Der Glaskörperraum lässt 
also ebenfalls zwei Buchten, eine nasale und eine temporale, 
unterscheiden. Die fötale Augenspalte ist in der ganzen Aus- 
dehnung des Bulbus geschwunden, die beiden Blätter der Augen- 
blase haben sich voneinander getrennt und zwischen ihnen ist 
an der Verschlußstelle ein kleiner dreieckiger Raum aufgetreten. 
Das, was am Auge dieses Embryo ganz besonders auflällt, ist 
die ausserordentlich starke Pigmentierung der vorderen Bulbus- 
hälfte. Namentlich im Bereich der Pars caeca, und hier umso- 
mehr, je weiter nach vorn, ist die Pigmentanhäufung an der 
genetisch freien Seite des äusseren Blattes der Augenblase sehr 
stark. Im Bereiche des Äquators ist sie viel geringer, und noch 
weiter nach hinten scheint sie allmählich ganz zu schwinden. 
Während also selbst bei dem zuletzt beschriebenen Hundeembryo, 
der doch entschieden relativ älter und weiter entwickelt war als 
dieser Katzenembryo, die Pigmentierung erst gewissermassen in 
Vorbereitung war, war sie bei der Katze schon sehr weit fort- 
geschritten. 


IV. Schwein. Vom Schwein habe ich eine ziemlich grosse 
Zahl von Embryonen in Sagittal-, Quer- und Frontalschnitte zer- 
legt. Zur Untersuchung der Lappung der Retina und überhaupt 
der Symmetrie des Bulbus sind, wie schon erwähnt, die Sagittal- 
schnittserien, die das Auge bei jüngeren Embryonen, bei denen 
es noch eine rein seitliche Lage hat, äquatorial treffen, weitaus 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 337 


am geeignetsten. Von den in meinem Tafelwerk über die Ent- 
wicklung des Gesichtes in je drei Ansichten gezeichneten Schweine- 
embryonen habe ich die ersten fünf in Sagittalschnitte zerlegt. 
Der jüngste dort gezeichnete Embryo hatte eine Nackensteisslänge 
(NS) von 8,8 mm und eine Scheitelsteisslänge (SS) von 7,7 mm 
Länge; er war also noch stark zusammengebogen. Ausserdem 
habe ich den Kopf eines genau gleichweit entwickelten zweiten 
Embryo in Querschnitte zerlegt. Solche Schnitte durch den Kopf, 
welche ventral die stärkste Vorwölbung des Vorderhirnes und 
dorsal die dem Isthmus rhombencephali entsprechende Einsenkung 
treffen, müssen, wovon man sich bei der Betrachtung meiner 
Figuren leicht überzeugen kann, das Auge zu dieser Zeit ungefähr 
in der Richtung seines horizontalen Meridians schneiden. Später, 
wenn das Öbergesicht, vor allem die Rüsselregion, sich stärker 
ausbildet, nimmt das Auge eine etwas andere Stellung ein, so dass 
Schnitte in der oben angegebenen Richtung nicht mehr dem 
horizontalen Meridian entsprechen, sondern diesen in spitzem 
Winkel schneiden. In meiner Gesichtsentwicklung habe ich eine 
sehr ausführliche Charakteristik von Embryonen dieses Entwick- 
lungsstadiums gegeben. Über die Entwicklung des Auges habe 
ich folgendes gesagt: „In Beziehung auf die Ausbildung des 
Auges, der Nase, des (sehörbläschens und der Kiemenbogen ent- 
spricht der Embryo am meisten dem Kaninchenembryo des 
Stadiums IX ...... Über der Wölbung, welche vom Auge vor- 
getrieben wird, bemerkt man im auffallenden Lichte eine kleine 
trichterförmige Grube, so dass man den Eindruck bekommt, dass 
das Linsenbläschen noch nach aussen offen ist. Dies ist aber 
nicht der Fall. Auf Querschnitten sieht man, dass die Öffnung, 
wie schon Keibel richtig bemerkt hat, durch einen Zellpfropf 
verschlossen wird. Dieser Pfropf ragt ziemlich weit in die Höhle 
des Bläschens hinein. Er ist von zahlreichen Körnchen durchsetzt, 
wie sie sich auch sonst in den Rändern der Einstülpungsöffnung 
finden. Eine andere Eigentümlichkeit des Linsenbläschens besteht 
darin, dass sein Boden ganz frei von jener Zellwucherung ist, 
welche ich für das Kaninchen beschrieben habe. Bei meiner Be- 
arbeitung des Baues und der Entwicklung der Linse hatte ich 
vom Schwein kein so junges Stadium untersucht, und wir lernen 
also jetzt eine neue, sehr interessante Modifikation kennen, eine 
Modifikation, welche zeigt, dass die Entwicklung der Organe 


338 CarlRabl: 


je nach den einzelnen Tierarten spezifische Unterschiede auf- 
weist.“ 

In Beziehung auf die Retina lehrt die Sagittalschnittserie, dass 
der Rand der Augenblase ausser der fötalen Augenspalte noch die 
erwähnten Randkerben zeigt; und zwar ist hier auch die temporale 
untere Kerbe deutlicher als gewöhnlich zu erkennen. Von einer 
Lappung lässt das Innenblatt der Augenblase nur insofern etwas 
wahrnehmen, als die dorsale Wand ganz deutlich in den Glas- 
körperraum vorgewölbt ist und diesem dadurch die schon wieder- 
holt bemerkte Scheidung in eine nasale und eine temporale Bucht 
aufzwingt. Die äussere Kontur des Innenblattes der Augenblase 
aber, die der Pigmentschicht zugekehrt ist, ist vollkommen rund, 
wie diese selbst. Die Differenzierung der Retina in eine Pars 
optica und Pars caeca hat insofern schon begonnen, als sich an 
jener bereits ein Randschleier als erstes Entwicklungsstadium 
der Nervenfaserschicht gebildet hat. Dieser Randschleier ist an 
dem in den Glaskörperraum vorspringenden Wulst der oberen 
Wand am dicksten. — Vielleicht eignet sich, etwa vom Schaf ab- 
gesehen, kein anderes Säugetier so vortreftllich zum Studium der 
Entwicklung des Glaskörpers, wie das Schwein, das noch den 
Vorzug hat, dass Schweineembryonen in normalen Zeiten stets in 
grosser Menge zu haben sind. Schon in diesem Stadium sieht 
man (und zwar besser auf Horizontal- als auf Sagittalschnitten 
durch das Auge) von den jetzt schon oft und von vielen Unter- 
suchern beschriebenen kegelförmigen Erhebungen der Innenfläche 
der Retina die Gliafasern ausgehen und bis in den von mir be- 
schriebenen perilentikulären Faserfilz ziehen, in welchen anderer- 
seits auch die von den kegelförmig ausgezogenen basalen Enden 
der Linsenzellen auslaufenden Fortsätze übergehen, auf die be- 
kanntlich v. Lenhossck bei seiner Ableitung des Glaskörpers von 
der Linse so grosses Gewicht gelegt hat. Zuweilen sieht man 
einen ganz besonders kräftigen und stark vorspringenden Retina- 
kegel und einen basalen Linsenkegel durch eine Brücke miteinander 
verbunden. — Die fötale Augenspalte ist zu dieser Zeit in ganzer 
Ausdehnung offen und ziemlich weit. 

Der nächste Embryo, den ich in der Arbeit über Gesichtsent- 
wicklung auf Taf. V, Fig. 2 abgebildet habe, war in der Nacken- 
steisslinie (NS) 10,0 mm, in der Scheitelsteisslinie (SS) 9,0 mm 
lang. Ich habe damals bemerkt, dass der Embryo dem Embryo 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 339 


der Fig. 17 der Keibelschen Normentafeln, dessen Alter auf 
21 Tage angegeben ist, am nächsten kommen dürfte. Gegenüber 
dem vorigen hat er nur geringe Fortschritte in der Entwicklung 
gemacht. Diesen Embryo habe ich in Sagittalschnitte zerlegt, 
einen zweiten von derselben Grösse in Querschnitte, auf denen 
also wieder das Auge parallel dem horizontalen Meridian getroffen 
ist. Endlich bewahre ich noch zwei weitere Serien durch je ein 
Auge gleichweit entwickelter Embryonen auf, von denen die eine 
frontal, die andere horizontal durch den Kopf geführt ist. Auch 
in diesem Stadium sind die Einkerbungen des Pupillarrandes, vor 
allem der zwei dorsalen, deutlich erkennbar. In der dorsalen 
Wand der Augenblase tritt alsbald eine Höhle auf, die sich rasch 
vergrössert und bis zum Augenhintergrund reicht. Der auf Taf. XI 
Fig. 12 abgebildete Schnitt aus dieser Serie zeigt das dicke innere 
und das dünne einschichtige und grösstenteils einreihige, äussere 
Blatt der Augenblase und zwischen beiden, nach links oben weit 
‚ausgedehnt, einen mächtigen Hohlraum. Auf den weiter nach 
innen gegen die mediale Wand der Augenblase zu folgenden 
Sehnitten setzt sich dieser Hohlraum auch in die rechte, d.h. 
temporale Wand der Augenblase fort. Wie die erwähnte, parallel 
zur Ebene des horizontalen Meridians geführte Serie zeigt, beruht 
‚die asymmetrische Ausdehnung des Hohlraumes bei dem Embryo, 
dem der Schnitt der Fig. 12 angehört, sicher auf einseitiger 
Schrumpfung; denn an dieser Horizontalschnittserie, die nicht 
die leiseste Spur einer Schrumpfung zeigt, ist der Raum im ver- 
tikalen Meridian am grössten und schwindet von hier aus ganz 
gleichmässig nach vorn und hinten, so dass also an der nasalen 
oder vorderen und temporalen oder hinteren Wand die beiden 
Blätter der Augenblase unmittelbar aneinander liegen. Es ist dies 
ganz gewiss das typische und normale Verhalten dieses Hohlraumes 
zu dieser Zeit der Entwicklung: ein in der Nähe des Pupillar- 
vandes der Augenblase beginnender Spaltraum zieht im vertikalen 
Meridian an der dorsalen Wand der Augenblase nach hinten bis 
zum Optikuseintritt. Dieser Raum zeigt auf dem Schnitt unge- 
fähr mondsichelförmige Gestalt; er ist natürlich auf den Seh- 
ventrikel zurückzuführen; steht er doch zu dieser Zeit noch 
durch den Augenstiel mit dem dritten Ventrikel in Verbindung. 
Im innigsten Zusammenhang mit der Bildung dieses Spaltraumes 
steht die Vorwölbung der dorsalen und medialen Wand des Innen- 


340 CarlRabl: 


blattes der Augenblase in den Glaskörperraum und gegen die 
mediale Fläche der Linse. Von dieser Vorwölbung ist an dem 
abgebildeten Schnitt nur insofern etwas zu merken, als die Innen- 
fläche des retinalen Blattes der Augenblase einen flachen, in den 
(Glaskörperraum vorspringenden Wulst bildet, während an der 
Aussenfläche nur eine Abflachung wahrnehmbar ist. Instruktiver 
ist in dieser Beziehung die erwähnte Horizontalschnittserie. die 
den im vertikalen Meridian verlaufenden, vom Innenblatt der 
Augenblase vorgetriebenen Wulst ungemein deutlich erkennen lässt. 
Demnach ist die Retina und im Zusammenhang da- 
mitder Glaskörperraum in zwei Hälften geteilt,eine 
nasale und eine temporale; ja auf den genau dem horizon- 
talen Meridian folgenden Schnitten erscheint der Glaskörperraum 
vollständig in zwei voneinander getrennte Räume getrennt, indem 
sich in der Mitte zwischen die mediale Wand der Linse und den 
vertikalen Wulst der Retina das gefässreiche Bindegewebe ein- 
schiebt, das durch die fötale Augenspalte eindringt. Wenn also 
auch an dem abgebildeten Schnitt, der das Auge etwas medial vom 
Äquator trifft und die hintere Wand der Linse anschneidet, von 
einer bilateralen Symmetrie wenig zu merken ist, so ist sie doch 
in diesem Stadium schon ganz zweifellos vorhanden. 

Von weiteren Eigentümlichkeiten erwähne ich, dass, wie 
schon Keibel richtig angegeben hat, bei Embryonen dieses 
Stadiums die Pigmentierung der Retina bereits begonnen hat: 
sie beginnt in geringer Entfernung vom Pupillarrand und in 
etwas grösserer von der fötalen Augenspalte (vergl. die Figur) 
und nimmt gegen den Augenhintergrund rasch ab, so dass dieser 
in der Mitte kaum etwas von Pigmentierung erkennen lässt. In 
der vorderen oder äusseren Hälfte des Auges ist das Pigment- 
blatt der Retina viel dicker als in der hinteren, aber überall ein- 
schichtig, wenn auch vorn stellenweise zweireihig. 

An den mit Delafield und Eosin gefärbten Horizontal- 
schnitten ist zu sehen, dass sich die Aussenseite des reti- 
nalen Blattes der Augenblase im Bereiche der vorderen Hälfte 
des Auges ziemlich stark rot färbt. Dieser rote Saum beginnt 
dicht hinter dem Pupillarrand und hört, indem er allmählich 
schmäler wird, in geringer Entfernung hinter dem Äquator 
auf. An der hinteren Wand, also am Augenhintergrund, rücken 
die Zellkerne bis an die Aussenfläche der Retina heran und hier 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 341 


fehlt auch der rote Saum. An einer Frontalschnittserie durch 
einen gleich grossen Embryo reicht der Saum noch ziemlich weit 
über den Äquator hinaus, lässt aber gleichfalls die Mitte des 
Augenhintergrundes frei. 

Über die Linse habe ich schon in der zitierten Arbeit 
bemerkt, dass ihre Höhle nur noch wenige unbedeutende Zell- 
reste enthält. An zwei der erwähnten Serien kann ich in jedem 
Auge höchstens noch zwei Zellen oder Zellreste im Lumen der 
Linse sehen. 

Den nächsten Embryo, den ich in Sagittalschnitte zerlegt 
habe, habe ich in der Arbeit über Gesichtsentwicklung auf Taf. V 
als Stad. III in drei Ansichten abgebildet. Seine Nackensteisslänge 
(NS) betrug 11.6 mm, seine Scheitelsteisslänge (SS) 12.5 mm. 
Ausser dieser Serie besitze ich noch sieben andere durch unge- 
fähr gleichaltrige Embryonen, die zum grössten Teil frontal, eine 
davon auch horizontal durch das Auge geführt und in verschie- 
dener Art gefärbt sind; sie haben mir seinerzeit, sowie zahlreiche 
andere Serien, zum Studium der Entwicklung des Glaskörpers und 
der Linse gedient. Die Grösse der betreffenden Embryonen habe 
ich mit 11, ca. 11, 12, und ca. 12 mm NS notiert. Ich fasse 
alle diese Embryonen mit dem zuerst erwähnten, in Sagittal- 
schnitte zerlegten, als ein Stadium zusammen. Wie aus den für 
den ersten Embryo angegebenen Maßen (NS = 11,6, SS = 12,5 mm) 
hervorgeht, war der Abstand zwischen Scheitel- und Steiss- 
krümmung zu dieser Zeit schon etwas grösser, als der zwischen 
Nacken- und Steisskrümmung; es hatte sich also der Kopf des 
Embryo etwas aufgerichtet. Ich habe in meiner Arbeit über 
Gesichtsentwicklung bemerkt, dass es sehr schwer hält, zu be- 
stimmen, welchem der Keibelschen Embryonen dieser Embryo 
(Stad. III) entspricht: vielleicht steht er in der Mitte zwischen 
den Embryonen 19 und 20, die beide 22 Tage nach der 
Bbegattung dem Uterus des Muttertieres entnommen sind. Eine 
genaue Charakteristik des Embryo habe ich schon damals gegeben. 
Wie aus der Abbildung Illa in jener Arbeit ohne weiteres zu 
ersehen ist, kann man die bilaterale Symmetrie des Auges, d. h. 
die Teilung in eine nasale und temporale Hälfte, jetzt schon bei 
auffallendem Licht am unzerschnittenen Embryo gut erkennen. 

Die Sagittalschnittserie, an die ich mich bei der Beschrei- 


bung halte, gibt ganz prächtige Bilder. Von den Inzisuren des 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt. I. 23 


342 CarlRabl: 


Pupillarrandes ist die obere nasale weitaus die deutlichste. Bei 
der Verfolgung der Serie von aussen nach innen sieht man als- 
bald die Schnitte eine viereckige Form annehmen, wie sie für 
die parallel zur Äquatorialebene geführten Schnitte solcher Säuge- 
tieraugen ganz charakteristisch und typisch ist. Das Rechteck 
ist mit den längeren Seiten horizontal gestellt. Wir können 
also, wie beim Kaninchen, Schaf und Hund, wieder eine dorsale, 
nasale, temporale und ventrale Wand unterscheiden. Letztere 
ist in der Mitte durch die fötale Augenspalte geteilt, die dorsale 
dagegen enthält eine Höhle, die in der Richtung des vertikalen 
Meridians nach hinten läuft, aber bei diesem Embryo den Augen- 
hintergrund nicht erreicht. Die Höhle ist etwas kleiner als im 
früheren Stadium. Trotzdem aber in der dorsalen Wand dieser 
Spaltraum zwischen den beiden Blättern der Augenblase vorhanden 
ist, läuft doch auch noch über die äussere Oberfläche des Auges 
im vertikalen Meridian eine flache Furche, welcher innen eine 
ziemlich mächtige, in den Glaskörperraum vorspringende Falte 
des retinalen Blattes der Augenblase entspricht. Man kann jetzt 
die Lappung der Retina sowie des ganzen Auges mit grosser 
Leichtigkeit sehen. 

Die fötale Augenspalte ist noch nirgends geschlossen, wenn 
sie auch an einer beschränkten Stelle der Pars optica schon die 
Neigung dazu erkennen lässt. Sie erstreckt sich über die ganze 
ventrale Wand des Auges und setzt sich auch noch ein wenig 
auf den Optikus fort. In den die fötale Augenspalte begrenzenden 
Umschlagsrändern der Augenblase ist, wie beim Kaninchen und 
Hund, eine kleine Höhle enthalten. Die Pigmentierung beginnt 
erst in ziemlich grosser Entfernung von der Spalte; sie verhält 
sich im allgemeinen so wie im vorhergehenden Stadium. 

Die Nervenfaserschicht oder der Randschleier der Retina 
hat an Dicke beträchtlich gewonnen. Was die sieben anderen 
Schnittserien durch Augen gleichaltriger oder ungefähr gleich- 
altriger Embryonen betrifft, von denen ich oben gesprochen 
habe, so bestätigen sie, wie zu erwarten war, die an Sagittal- 
schnittserien angestellten Beobachtungen. Die Serien waren 
durchwegs recht dünn (5 bis höchstens 7,5 «) geschnitten und 
in verschiedener Weise gefärbt (Hämatoxylin nach Delafield, 
alk. Boraxkarmin, Cochenille-Alaun und Nachfärbung mit Eosin, 
Säurefuchsin, Methylgrün, Bismarckbraun). Für den Nachweis 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 343 
der Gliafasern des Glaskörpers ist es wichtig, die Präparate 
möglichst stark zu färben; ich habe daher die Grundfarbe (Häma- 
toxylin ete.) möglichst stark angewendet und dann entweder nur mit 
destillierttem Wasser ausgewaschen oder, bei Boraxkarminfärbung, 
nur sehr wenig mit salzsaurem Alkohol differenziert. Treibt man die 
Differenzierung zu weit, so kommt es leicht zur Entfärbung der 
Gliafasern. Wer sich an so behandelten, gut gefärbten Präpa- 
raten von der Entwicklung des Glaskörpers und seiner Fasern 
aus der Retina nicht überzeugen kann, ist überhaupt nicht zu 
überzeugen. Dass an dem Aufbau des Glaskörpers später auch 
das mit den Blutgefässen einwuchernde und eingewucherte Binde- 
gewebe teilnimmt, ist nicht zu leugnen ; deshalb aber den Glas- 
körper als eine Mischung echter, also ektodermaler, Glia und 
mesodermalen Bindegewebes anzusehen, liegt kein Grund vor, 
ebensowenig wie man das Zentralnervensystem deshalb, weil in 
dasselbe mit den Gefässen auch Bindegewebe eindringt, als eine 
Mischbildung aus Ektoderm und Mesoderm bezeichnen wird. 
Die wesentlichen Bestandteile sind doch die Derivate des Ekto- 
derms. 

An den mit Eosin nachgefärbten Präparaten sieht man 
wieder den hellen Saum an der Aussenfläche des Innenblattes 
der Augenblase. Auch jetzt erreicht er den Augenhintergrund 
noch nicht. Dagegen zeigt die Mehrzahl der Serien hier schon 
eine Pigmentierung des Aussenblattes; an zwei Serien ist sie 
sogar ganz besonders stark, während an einer anderen die Pig- 
mentierung überhaupt, also auch vorn, fast völlig fehlt. Immer 
nimmt sie, wie schon geschildert wurde, von vorn nach hinten 
ab. In Beziehung auf die Stärke zeigt sie eine beträchtliche 
Variabilität. 

Vom nächsten Stadium (Tafelwerk Taf. VI, Stad. IV) besitze 
ich wieder eine Sagittal-, eine Frontal- und eine Horizontal- 
schnittserie; in die Sagittalschnittserie wurde wieder der abge- 
bildete Embryo zerlegt. Dieser mass in der Nackensteisslinie (NS) 
12,4 mm, in der Scheitelsteisslinie (SS) 12,9 mm. Er dürfte 
dem Embryo der Fig. 21 der Keibelschen Normentafeln ent- 
sprochen haben. Der Fortschritt, den er gegenüber dem früheren 
zeigt, ist nicht sehr gross. Wie die Figuren IVa und IV b (Tafel- 
werk) sehr deutlich zeigen, war die bilaterale Symmetrie des 
Auges schon ohne weiteres am unzerschnittenen Embryo zu sehen. 


23* 


344 CarlRabl: 


Sie gibt sich hier vor allem durch die eigentümliche Form des 
Pupillarrandes zu erkennen. Ich habe auf Taf. XI, Fig. 15 den 
vierten Schnitt der Serie gezeichnet, der die Augenblase trifft. 
Der erste dieser vier Schnitte enthält nur den Anschnitt der 
dorsalen Wand; am nächstfolgenden tritt in dieser schon die 
Höhle auf, die auch an dem abgebildeten Schnitte zu sehen ist. 
Zugleich sind der vordere und hintere Randlappen im Anschnitt 
getroffen und man erkennt die beiden dorsalen Inzisuren des Pupil- 
larrandes. Auf dem dritten Schnitt beginnt im oberen Randlappen 
die Pigmentierung aufzutreten, um dann auf dem vierten, dem 
abgebildeten, stärker zu werden. Man sieht an der Figur, wie 
weit vom Umschlagsrand entfernt die Pigmentierung beginnt. 
Der Schnitt geht durch die Pars caeca, weshalb noch keine Nerven- 
faserschicht am inneren Blatt zu sehen ist. Eine solche tritt 
erst an den weiter nach innen zu folgenden Schnitten auf. 

Auf den nächstfolgenden Schnitten setzt sich allmählich an 
den unteren Rand der nasalen und temporalen Wand auch die 
ventrale, durch die Augenblasenspalte geteilte Wand an. Von den 
ventralen Inzisuren des Umschlagsrandes ist nur die vordere zu 
erkennen. Dadurch erhält der Schnitt endlich das Aussehen der 
Fig .14, Taf. XI, der der sechste medianwärts vom vorigen (Fig. 13) 
ist. Es ist das wieder ein typisches Bild eines ziemlich genau 
durch den Äquator geführten Schnittes durch ein Auge aus diesem 
Entwicklungsstadium. Die Form des Schnittes ist ein Viereck 
mit abgerundeten Ecken und einer dorsalen, nasalen, temporalen 
und ventralen Wand; die erstere enthält eine Höhle, die letztere 
ist in der Mitte durch die Augenspalte geteilt. In ziemlich 
grosser Entfernung von dieser und zwar auffallenderweise nasal- 
wärts in grösserer, als temporalwärts, beginnt die Pigmentierung. 
In den Umschlagsrändern sind kleine Hohlräume enthalten, im 
nasalen ein grösserer als im temporalen; jedoch wird auch dieser 
schon auf dem nächsten Schnitt grösser und ist dann fast ebenso 
weit, wie der im nasalen Rande. Die Spalträume in den Um- 
schlagsrändern sind natürlich dort, wo sich diese an der Augen- 
spalte aneinander legen, durch eine aus zwei Lamellen bestehende 
Wand voneinander getrennt. Diese Wand setzt sich aus dem 
äusseren, hier nicht pigmentierten Blatt der Augenblase fort. Das 
dadurch gebildete Septum zwischen den beiden Spalträumen zeigt 
schon auf dem zweitnächsten Schnitt die Tendenz zu schwinden 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 345 


und ist auf dem drittnächsten nicht mehr ganz vollständig. Die 
Fig. 15 zeigt die Mitte der unteren Wand des fünften Schnittes der 
Serie, nach einwärts von dem in Fig. 14 abgebildeten. Die Höhlen 
der beiden Umschlagsränder sind miteinander zu einem grossen, 
auf dem Schnitt dreieckigen Raum zusammengeflossen, wie wir 
ihn schon beim Hund (Taf. XI, Fig. 11) und Kaninchen (Taf. X, 
Fig. 11) kennen gelernt haben. Die Spalte bleibt an diesem 
Auge im ganzen an sieben Schnitten der Serie geschlossen. Auf 
dem Schnitt, dem die Fig. 15 entnommen ist, ist nichts mehr 
von der Linse zu sehen; der letzte Schnitt, der noch etwas von 
ihr zeigt, ist der zweitvordere. — Nun geht es in der Serie rasch 
zum Augenhintergrund. Der in Fig. 16 abgebildete Schnitt ist 
der zehnte medianwärts von dem in Fig. 14 abgebildeten (bei 
einer Schnittdicke von 15 «). Er trifft das Innenblatt der 
Augenblase am Augenhintergrund und zeigt die Lappung mit einer 
Deutlichkeit, die kaum übertroffen werden könnte. Die Furche, 
die dem vertikalen Meridian entlang läuft und uns schon an dem 
Schnitt der Fig. 14, ja selbst an dem der Fig. 13 begegnet ist, 
schneidet also in die dorsale Wand des Innenblattes der Augen- 
blase bis zum Augenhintergrund ein. Schnitte, die etwas weiter 
lateral durch den Augenhintergrund geführt sind und die Nerven- 
faserscbicht der Retina treffen, geben Bilder, ähnlich dem in 
Fig. 3, Taf. XI vom Schaf abgebildeten; nur fehlt an ihnen die 
fötale Augenspalte. Diese ist zwar auf dem Schnitt der Fig. 16 
wieder vorhanden; sie hat aber erst auf dem unmittelbar vorher- 
gehenden Schnitte begonnen, sich wieder bemerkbar zu machen. 
Sie ist sehr eng und enthält eine Bindegewebslamelle, die oben 
und unten je einen Gefässquerschnitt umschliesst. Der Schnitt 
der Fig. 17 ist der dritte Schnitt medianwärts von dem der Fig. 16. 
Er zeigt das Tapetum nigrum schräg geschnitten, daher scheinbar 
mehrreihig, obwohl es, wie Frontal- und Horizontalschnitte lehren, 
fast überall sehr deutlich einschichtig und einreihig ist. Die 
Augenspalte ist hier bedeutend erweitert. Sie setzt sich auch 
noch, wie die Fig. 18 zeigt, die den dritten Schnitt nach innen vom 
vorigen zeigt, auf den Optikus fort. Der Schnitt der Fig. 18 ist 
übrigens der erste, der keine Spur des Tapetum mehr zeigt; er 
trifft also den Optikus unmittelbar vor seinem Eintritt in die Retina. 
Die Rinne an seiner Unterfläche dringt sehr wenig tief ein. Sie 
verflacht sich bald, um nicht sehr weit von hier entfernt zu 


346 CarlRabl: 


schwinden. Sodann zeigt der Optikus im weiteren Verlauf zunächst 
einen elliptischen Querschnitt mit horizontal gestellter langer Achse 
und horizontalem schmalem Lumen. Diese Form des Querschnittes 
ändert sich erst in der Nähe des Gehirns. 

Endlich bemerke ich, dass am rechten Auge desselben Embryo 
die Augenspalte zwar gleichfalls geschlossen ist, dass aber das 
Septum, das die Spalträume der beiden Umschlagsränder von- 
einander trennt und zugleich die beiden Blätter der Augenblase 
miteinander verbindet, nur auf einem einzigen Schnitt und auch 
da nur in ganz minimaler Ausdehnung durchbrochen ist. 

Die Frontal- und Horizontalschnitte durch das Auge gleich- 
altriger Embryonen, die mit Boraxkarmin und Delafieldschem 
Hämatoxylin vorgefärbt und mit Eosin nachgefärbt sind und die 
eine Dicke von 7,5 u besitzen, bestätigen in allen Punkten das 
(resagte. Der helle rosarote Saum an der Aussenfläche des Innen- 
blattes reicht jetzt bis zum Augenhintergrund, ebenso die Pigmen- 
tierung des äusseren Blattes. Auch an diesen Schnitten sind die 
Gliafasern ganz wunderbar klar und deutlich zu sehen. — 

Was ältere Schweineembryonen betrifft, so habe ich aus den 
zahlreichen Schnittserien, die ich von ihnen besitze, keine Schnitte 
mehr abgebildet, da ich die Hauptaufgabe der vorliegenden Arbeit 
in dem Nachweis der primären Scheidung der Retina in einen 
vorderen nasalen und hinteren temporalen Lappen erblicke. Ich 
kann aber doch nicht ganz mit Stillschweigen über die zahlreichen 
interessanten Tatsachen hinweggehen, die meine Präparate zeigen. 
Das Auge des unter der Bezeichnung Stad. V in meinem Tafel- 
werk abgebildeten Embryo, der eine NS von 13,4 mm und eine 
SS von 14,8 mm hatte, gibt auf Schnitten, die dicht hinter der 
Linse geführt sind, Bilder, die sehr an das der Fig. 11, Taf. X 
vom Kaninchen erinnern, mit dorsaler und ventraler Falte, nur 
dass die dorsale Falte mehr der Falte der Fig. 14, Taf. XI vom 
Schwein ähnlich sieht. Wie auf dem Schnitt durch das Kaninchen- 
auge sind in den beiden Falten zwischen den Blättern der Augen- 
blase dreieckige Hohlräume enthalten, die über den vertikalen 
Meridian ziehen, wie die Falte selbst. Von den Falten ist die 
dorsale die primäre, ursprüngliche, die ventrale ist erst gleich- 
zeitig mit und infolge des Verschlusses der Augenblasenspalte 
entstanden. Wie beim Kaninchen ist das Tapetum nigrum unter- 
halb des dreieckigen Raumes der ventralen Falte ganz unpig- 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 347 


mentierte — Die Differenzierung der Retina hat noch keine merk- 
lichen Fortschritte gemacht; sie lässt also, wie bisher, am Innen- 
blatt nur den Randschleier oder die Nervenfaserschicht und die 
Hauptschicht unterscheiden, wenn ich die mächtige, fast die ganze 
Dicke der Retina bildende Schicht, welche die Kerne führt, wieder 
so nennen darf. Aber schon bei einem Embryo, dessen NS-Länge 
15,0 mm und dessen SS-Länge 16,5 mm betrug, war es in der 
hinteren Bulbushälfte bereits zur Differenzierung einer Ganglien- 
zellen- und inneren retikulären Schicht gekommen. Die Bildung 
und Differenzierung dieser beiden Schichten geht Hand in Hand. 
Sowie sich die Ganglienzellenschicht von der Hauptschicht der 
Retina abhebt, zeigt sich auch sofort zwischen ihr und dieser 
ein hellerer, weil zellenärmerer Streifen. Diese Differenzierung 
der Retina ist am Augenhintergrund am weitesten fortgeschritten. 
Hier ist auch die Ganglienzellenschicht am dicksten. Nach der 
Peripherie wird sie dünner und hört zu dieser Zeit schon vor 
dem Äquator auf, indem ihre Zellen sich mit den Zellen der 
Hauptschicht vermischen, also die Ganglienzellenschicht gewisser- 
massen in die Hauptschicht übergeht. Mitosen habe ich, so sehr 
ich darnach suchte, in der Ganglienzellenschicht nie gefunden; 
ebensowenig in den inneren Lagen der Hauptschicht, während 
sie an der Aussenfläche des Innenblattes noch in ausserordent- 
licher Menge vorhanden sind. Gleichzeitig mit dem Auftreten 
der Ganglienzellenschicht machen sich auch am Randschleier, wie 
wir die erste Entwicklungsstufe, oder, wenn man lieber will, die 
Vorstufe der Nervenfaserschicht im Anschluss an His genannt 
haben, horizontal verlaufende, ausserordentlich feine, zum Optikus- 
eintritt hinziehende Fasern bemerkbar. Die oberflächlichsten dieser 
horizontalen Fasern liegen ziemlich tief unter der Innenfläche 
der Retina. Wie schon wiederholt bei anderen Gelegenheiten 
erwähnt wurde, liess der Randschleier in den früheren Stadien 
der Entwicklung nur vertikale, nicht aber horizontale Fasern er- 
kennen. Vielleicht wäre es daher richtiger, erst von dem Stadium 
an, in welchem diese horizontalen Fasern auftreten,. von einer 
Nervenfaserschicht zu sprechen. Man kann also jetzt sehr deut- 
lich nach innen von der Ganglienzellenschicht zwei in rechtem 
Winkel sich kreuzende Fasersysteme erkennen: Das primäre, 
vertikale, das in die Erscheinung tritt, sowie sich ein heller Saum 
an der Innenseite der Retina bemerkbar macht, ein Fasersystem, 


348 CarlRabl: 


das sicher mit der Bildung der Gliafasern in Beziehung steht, 
und ein zweites sekundäres, horizontales Fasersystem, das erst 
jetzt gleichzeitig mit der Differenzierung der Ganglienzellenschicht 
selbst erscheint und das aus Fasern besteht, die wohl sicher als 
Achsenzylinderfortsätze der Ganglienzellen, also als, genetisch ge- 
sprochen, basale Ausläufer derselben entstehen und in den Optikus 
eintreten. 

Bei diesem Embryo von 16,5 mm grösster Länge erfüllt 
die Linsenfasermasse, abgesehen von einem ganz unbedeutenden 
Spaltraum, schon die ganze Höhle des ursprünglichen Linsen- 
bläschens. 

3ei einem Embryo von 19,0 mm SSund 16,5 mm NS, der in 
Platinchlorid-Sublimat fixiert und mit Delafieldschem Häma- 
toxylin und Safranin gefärbt war, hat die Bildung der Ganglien- 
zellen-, Nervenfaser- und inneren retikulären Schicht schon weitere 
Fortschritte gemacht. Die Ganglienzellenschicht reicht jetzt schon 
bis an den Äquator, ist aber hier, also in der Peripherie, noch sehr 
dünn: am dicksten ist sie in der Mitte des Augenhintergrundes. 
Unmittelbar nach innen liegt ihr die Schicht der horizontal ver- 
laufenden Fasern auf, die von den primären Fäden in rechten 
Winkeln gekreuzt werden. Die horizontalen Fasern bilden eine 
geschlossene Schicht, die sich von der inneren Oberfläche der 
Retina ziemlich fern hält. Sie ist am Optikuseintritt am dicksten, 
dagegen am Äquator zu dieser Zeit kaum nachweisbar. 

Bei einem Embryo von 28 mm grösster Länge zeigt die 
tetina ungefähr den Grad der Differenzierung, den sie bei dem 
ältesten von mir früher beschriebenen Kaninchenembryo von 
20 mm grösster Länge aufwies (vergleiche die Figuren 12 und 13 
der Taf. X). Die Zahl der Schichten ist zwar dieselbe wie bei 
der Retina der zuletzt beschriebenen Embryonen, aber ihre 
Differenzierung hat beträchtliche Fortschritte gemacht. Zunächst 
erscheint schon bei schwacher Vergrösserung die Ganglienzellen- 
schicht nach Färbung mit Delafieldschem Hämatoxylin und 
Nachfärbung mit Safranin heller als die äussere, die ich als 
Hauptschicht bezeichnet habe. Man überzeugt sich, namentlich 
wenn man stärkere Vergrösserungen zu Hilfe nimmt, leicht, dass 
diese verschiedene Helligkeit in erster Linie von der Verschieden- 
heit der Zellkerne in beiden Schichten herrührt. In der Ganglien- 
zellenschicht sind weitaus die meisten Kerne rund, kugelig, mit 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 349 


einem lockeren Kernnetz und relativ wenig chromatischer Substanz ; 
dazwischen finden sich vereinzelte, mehr langgestreckte, etwas 
chromatinreichere und daher dunklere Kerne. In der Hauptschicht 
bilden die länglichen, dunkleren, chromatinreichen Kerne die 
Mehrzahl, die mehr kugeligen, hellen, chromatinärmeren die 
Minderzahl. Aber auch die letzteren sind noch immer erheblich 
dunkler, d. h. sie enthalten relativ mehr chromatische Substanz 
als die runden Kerne der Ganglienzellenschicht. Die chromatin- 
reichen, langen, schmalen Kerne sind zuweilen pfriemenförmig 
nach aussen zugespitzt. Die Nervenfaserschicht zeigt wieder die 
zwei schon in früheren Stadien, seit dem Auftreten der Nerven- 
fasern, unterscheidbaren Lagen: eine innere, im allgemeinen 
senkrecht gestreifte, und eine äussere, der Ganglienzellenschicht 
unmittelbar aufliegende, horizontal gestreifte. Die vertikalen 
Streifen sind leicht durch die Lage der horizontalen Streifen, also 
der Nervenfasern, hindurch in die Ganglienzellenschicht zu ver- 
folgen und setzen sich wohl zweifellos von da auch noch weiter 
nach aussen fort. — Wie schon früher, ist auch jetzt die Nerven- 
faserschicht in der Umgebung des Optikuseintrittes am dicksten, 
während die Ganglienzellenschicht die grösste Dicke in der Mitte 
des Augenhintergrundes zeigt; diese dickste Stelle wird ganz 
unmerklich nach der Peripherie zu dünner. Die innere‘ retiku- 
kuläre Schicht lässt ein dichtes Netzwerk von Fasern erkennen. 
Abgesehen von den durchziehenden vertikalen Fasern kann man 
bei der von mir angewendeten Färbung keine bestimmte Richtung 
des Faserverlaufes nachweisen. Die Schicht ist weder nach aussen, 
noch nach innen scharf begrenzt und enthält noch zahlreiche 
Kerne. Die äusserste Oberfläche des Innenblattes der Retina st 
frei von Kernen; davon machen nur die zu dieser Zeit noch sehr 
zahlreichen Mitosen eine Ausnahme, die zum Teil sogar bis ganz 
dicht an die Oberfläche herantreten. Die Teilungsachsen stehen 
zumeist horizontal oder ein klein wenig schief, also im Sinne des 
Flächenwachstums der Retina. Der helle Aussensaum der Schicht, 
in welchem zumeist die Mitosen liegen, nimmt mit Safranin eine 
blassrote Färbung an, die nach aussen an Intensität zunimmt. 
Schliesslich folgt dann noch die an solchen Präparaten dunkelrot 
gefärbte, bei starker Vergrösserung gekörnt aussehende (von den 
Schlussleisten herrührend) Limitans externa. Dieser sitzen dann 
nach aussen die Reste der zu dieser Zeit noch äusserst vergäng- 


350 CarlRabl: 


lichen Stäbchen und Zapfen auf. Die Grenze zwischen Pars optica und 
’ars caeca retinae ist schon recht scharf. Wie in der Hauptschicht 
der Pars optica, mit der sich in der Peripherie die Ganglienzellen- 
schicht vereinigt, sind auch am Innenblatt der Pars caeca zwei Arten 
von Zellkernen zu unterscheiden : lange, sehr dunkle, in dieser Gegend 
fast stabförmige und ovale, sehr blasse, mit sehr zartem Kernnetz, das 
dunkler gefärbte Netzknoten (nukleolenartige Bildungen) aufweist. 

Ein in Platinchlorid-Sublimat fixiertes, mit Delafieldschem 
Hämatoxylin und Safranin gefärbtes, frontal geschnittenes Auge 
eines Embryo von 4 cm grösster Länge (vom Scheitel zum Steiss) 
zeigt folgendes: Die Schichtung ist im wesentlichen noch dieselbe 
wie bisher, zeigt aber doch gegenüber dem früheren Embryo 
einige bemerkenswerte Fortschritte. Zunächst ist die innere 
retikuläre Schicht dadurch, dass sie viel weniger Kerne enthält 
als früher, nach innen und aussen von den anderen Schichten 
schärfer abgegrenzt. Gegen die Peripherie der Pars optica 
wird sie undeutlich, um schliesslich dort, wo sich die Ganglien- 
zellenschicht mit der Hauptschicht vereinigt, zu verschwinden. 
Sodann ist die Ganglienzellenschicht am Augenhintergrunde, der 
späteren streifenförmigen Area entsprechend, also im Bereiche 
des schärfsten Sehens, weitaus am dicksten und nimmt von da 
auf dem Frontalschnitt nach oben und unten rasch ab. Um- 
gekehrt ist die Hauptschicht dort. wo die Ganglienzellenschicht 
am dicksten ist, merklich dünner als weiter nach der Peripherie, 
Hinsichtlich der Kerne in der Ganglienzellenschicht, sowie auch 
in der Hauptschicht gilt im wesentlichen das früher Gesagte. 
Mitosen finden sich auch jetzt noch in grosser Menge. Ich habe 
von der Pars optica retinae folgende Dickenmaße genommen: 
in der Mitte der Area betrug die ganze Dicke der Retina 220, 
die Dicke der Hauptschicht 108 und die Dicke der Ganglien- 
zellenschicht 60 u. Am Äquator dagegen betrug die ganze Dicke 
172, die Dicke der Hauptschicht 120 und die Dicke der Gang- 
lienzellenschicht 18 «u. Die Ganglienzellenschicht war also in 
der Mitte der Area mehr als dreimal so dick als am Äquator, 
während die Hauptschicht am Äquator nicht unerheblich dicker 
war als in der Mitte der Area. Es sind dies Tatsachen, die 
gewiss in physiologischer Beziehung interessant sind. Die Area 
bildet, wovon später noch die Rede sein wird, einen horizontalen 
Streifen, wie beim Kaninchen. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 351 


Was die Pars caeca retinae betrifft, so nimmt an ihr die 
Dicke des inneren Blattes bis zum Pupillarrand rasch ab; im 
übrigen ist sie wesentlich so gebaut wie im vorigen Stadium. 
Pigment ist in ihr noch nicht zur Ausbildung gekommen. An 
der dem Aussenblatt oder Tapetum nigrum zugewendeten Fläche 
finden sich wieder Mitosen. Da mir nur Frontal-, nicht auch 
Äquatorialschnitte durch ein solches Auge zu (Gebote stehen, 
wage ich nicht die Frage zu entscheiden, ob nicht vielleicht schon 
die ersten Spuren der Processus ciliares vorhanden sind. Zonula- 
fasern sind zu dieser Zeit schon zweifellos gebildet; sie sehen 
genau so aus wie die Gliafasern des Glaskörpers in früheren 
Stadien und gehen, wie diese, von kegelförmigen Fortsätzen der 
dem Äquator der Linse zugekehrten Enden der Zellen des inneren 
Blattes der Pars ciliaris retinae aus. Sie sind also, wie ich wieder- 
holt betont habe, basale Ausläufer der Epithelzellen, die das 
innere Blatt der Retina ursprünglich zusammensetzen. — 

Die folgenden Bemerkungen, die mit der Entwicklung der 
Retina nichts zu tun haben, möge man damit entschuldigen, dass 
sie ein gewisses allgemeines Interesse besitzen und vielleicht zu 
weiteren Untersuchungen Veranlassung geben können. Bei dem 
zuletzt erwähnten Embryo von 4 cm Länge waren die Augenlider 
bereits über das Auge vorgewachsen und miteinander zur Ver- 
lötung gekommen. Ich besitze nun eine Serie durch die vordere 
Bulbushälfte eines Embryo von 3,6 cm grösster Länge, also eines 
nur sehr wenig jüngeren Embryo, bei dem die Lider noch nicht 
über das Auge vorgewachsen waren, sondern sich nur eine Strecke 
weit über den Rand der Cornea vorgeschoben hatten. Ähnlich 
verhielten sich die Lider auch an dem Auge des früher erwähnten 
Embryo von 25 mm grösster Länge. Bei diesen beiden Embryonen 
nun, deren Uornea noch nicht von den Lidern bedeckt war, war 
diese in der Mitte ausserordentlich dick und wölbte sich polster- 
artig zwischen den Lidrändern vor. Dabei war das Gewebe der 
Substantia propria corneae in der nicht bedeckten Mitte der 
Cornea ausserordentlich sukkulent und aufgelockert. Nur in der 
Tiefe war es dichter gefügt. Zugleich war bei dem Embryo von 
3,6 em Länge unter dem Epithel eine sehr deutliche vordere 
Basalmembran mit ganz bestimmter Struktur zu sehen. Diese 
Basalmembren war am Hornhautscheitel am dicksten und wurde 
nach der Peripherie dünner. Bei solchen und auch jüngeren 


352 CarlRabl: 


Embryonen ist das Corneaepithel stets sehr schön zweischichtig 
und lässt eine innere Schicht von kubischen und eine äussere von 
sehr flachen Zellen unterscheiden. Sobald sich nun die Augen- 
lider über die Cornea vorgeschoben haben, also bei einem Embryo 
von 4 cm Länge, ist die polsterartige Vorwölbung, die bis dahin 
zu sehen war, geschwunden, das Gewebe der Cornea ist auch in 
der Mitte nur von mässiger Sukkulenz und zugleich, und das ist 
das merkwürdigste, kann man von der vorderen Basalmembran 
nur mehr mit Mühe etwas sehen. 

Während bei Embryonen von 28 und 40 mm grösster Länge 
noch nichts von Augenkammern zu erkennen ist, — man müsste 
denn die Spalträume im Bindegewebe, die sich nach innen vom 
Pupillarrand in sehr beschränkter Ausdehnung finden, für Vor- 
stufen der Augenkammern halten, — sind sie bei einem Embryo 
von 5,7 em Länge schon deutlich erkennbar; dies gilt namentlich 
von der vorderen Kammer. Die beiden Augenkammern werden 
durch die Pars iridica retinae, sowie durch das dieser vorn auf- 
liegende bindegewebige Stroma der Iris und die vom Pupillarrand 
auf die Vorderfläche der Linse fortgesetzte Pupillarmembran 
voneinander getrennt. Die beiden Kammern zeigen nicht das 
gleiche Verhalten. Die vordere ist schon jetzt weitaus grösser 
als die hintere, ist aber ausschliesslich auf die Peripherie be- 
schränkt und stellt einen auf dem Meridionalschnitt schlitz- 
förmigen Spalt dar, der vorn von der Hinterfläche der Cornea 
und hinten von dem bindegewebigen Stroma der Iris und der 
Pupillarmembram begrenzt wird. Dieser ringföürmige kaum liegt 
also nur hinter der Peripherie der Hornhaut, während er zwischen 
dem grösseren mittleren Teil der Hornhaut und der Linse noch 
fehlt. Hier liegen Hornhaut und Linse noch direkt aufeinander. 
Die vordere, von der Hornhaut gebildete Wand der vorderen 
Kammer wird von dem sogenannten Hornhautendothel überkleidet, 
das sich durch die lockere Beschaffenheit des chromatischen 
Netzes seiner Kerne von den dunkel gefärbten, ungemein flachen 
Kernen der Hornhautkörperchen sehr wohl unterscheidet. Die 
hintere Wand der vorderen Augenkammer wird vom Irisstroma 
und der davon ausgehenden Pupillarmembran gebildet, die beide 
an der der Augenkammer zugewendeten Seite gleichfalls von 
einer Art Endothel überkleidet sind. Dass es sich dabei nicht 
um wirklich reine Epithelien handelt, sondern um „Bindegewebs- 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 355 


epithelien“, wie ich sie in meinem Vortrag „über die Prinzipien 
der Histologie‘ genannt habe, brauche ich kaum zu sagen. Die 
hintere Kammer ist viel weniger geräumig und wird hinten von 
der vorderen Linsenkapsel und dem ihr aufliegenden Gefässnetz 
begrenzt. Beide Kammern sind am Präparate mit Gerinnsel ge- 
füllt, das in der vorderen Kammer viel feiner ist als in der 
hinteren. 

Aber nicht bloss durch die Bildung der Augenkammern 
zeichnet sich das Auge eines 5,7 cm langen Embryo vor den 
jüngeren, bisher betrachteten aus, sondern auch durch die Bildung 
der Ciliarfortsätze. Diese springen schon gegen den Aquator 
der Linse etwas vor und sind von den beiden Lamellen der Pars 
eiliaris retinae überzogen. Wenn auch beide Lamellen aus sehr 
hohem Zylinderepithel bestehen, von denen das äussere pigmen- 
tiert ist, so sind doch die Zellen des inneren Epithels auch jetzt 
noch sehr viel höher als die des äusseren. Das Innenblatt der 
Pars iridica retinae ist vom Pupillarrand an eine Strecke weit 
schon pigmentiert; die Pigmentierung nimmt vom Pupillarrand 
an nach aussen rasch ab. Die Pigmentkörnchen liegen durchwegs 
an der, der äusseren Lamelle zugewendeten, also genetisch freien 
Seite. In den Zellen des äusseren Blattes der ganzen Pars caeca 
sind jetzt auch an der genetisch basalen Seite Pigmentkörnchen 
in ziemlicher Menge vorhanden. 

Höchst eigentümlich ist — und das muss mit Nachdruck 
betont werden — dass zu dieser Zeit auch von der basalen 

eite der sicher schon zum Irisepithel zu rechnen- 
den Zellen Zonulafasern ausgehen, um sich an dem 
perilentikulären Faserfilz, der die Gefässe an der Linsenkapsel 
festhält, anzusetzen. 

Bei einem 6,5 cm langen Embryo war wesentlich das gleiche 
zu sehen. Da ich von diesem wie auch vom vorigen Embryo 
nur die vorderen zwei Drittel des Auges geschnitten habe (ich 
hatte die Serien seinerzeit zu meiner Monographie über die Linse 
angefertigt), kann ich leider nichts über den Augenhintergrund, 
also auch nichts über die Area centralis mitteilen. Soviel aber darf 
ich sagen, dass sich zu dieser Zeit von der Hauptschicht bereits die 
äussere Körnerschicht als etwas Besonderes abzuheben beginnt: 
damit zugleich machen sich auch die allerersten, freilich noch kaum 
merkbaren Spuren einer äusseren retikulären Schicht bemerkbar. 


394 Carl Rabl: 


Die übrigen Schichten zeigen dasselbe Bild wie früher. Auch 
die Pars caeca hat keine bemerkenswerten Fortschritte gemacht. 
Auffallend ist, wie kurz zu dieser Zeit noch die Iris ist, d.h. 
wie wenig weit sie über die vordere Linsenfläche hinüberreicht. 
Äquatorialschnitte lassen die Ciliarfortsätze gut sehen und be- 
stätigen im übrigen das Gesagte. 

Bei einem Embryo von 7 cm Länge haben sich die Ciliar- 
fortsätze dort, wo sie am höchsten sind, durch quere Brücken 
miteinander verbunden, so dass sie hier Buchten umschliessen. 
Das Innenblatt der Pars ciliaris retinae, das wie früher ein hohes 
Zylinderepithel darstellt, ist auch jetzt noch ganz frei von Pigment. 
Ähnlich wie bei diesem Embryo verhält sich die Pars caeca retinae 
auch bei einem Embryo von 8 cm Länge. Von einem Embryo 
von 10 cm Länge habe ich ausser der Linse nur noch die Cornea, 
die Iris und das Corpus ciliare, nicht aber die Pars optica retinae 
untersucht. Ich hebe hervor, dass das bindegewebige Stroma 
der Iris an Dicke jetzt schon ungefähr um das Doppelte die 
epitheliale, von der Pars iridica beigestellte Grundlage der Iris 
übertrifft. Wie früher, geht auch jetzt vom Bindegewebe die 
sehr zarte Pupillarmembran aus. 

V. Mensch. Was ich über die Entwicklung der Retina 
des Menschen zu bringen habe, ist nicht viel, aber es reicht aus, 
um zu zeigen, dass in den Punkten, auf die es mir in dieser Arbeit 
besonders ankommt, zwischen dem Menschen und den anderen bisher 
betrachteten Säugetieren in Beziehung auf die Entwicklung der 
Retina volle Übereinstimmung herrscht. Diese Punkte sind vor 
allem die bilaterale Symmetrie der Retina, mit anderen Worten, 
ihre Teilung in einen nasalen und temporalen Lappen, zweitens 
die Randkerbenbildung und drittens die Art der ersten Differen- 
zierung der Schichten. Ich beginne mit der Beschreibung des 
Auges des auf Taf. VII, Fig. 6—10 meines wiederholt erwähnten 
Tafelwerkes über die Entwicklung des Gesichtes in fünf ver- 
schiedenen Ansichten abgebildeten Embryo. Er war einer der 
schönsten jungen menschlichen Embryonen meiner Sammlung; 
trotzdem aber war er nicht mehr so gut erhalten, als ich gern 
gewünscht hätte. Er war zwar, wie ich schon seinerzeit bei der 
Beschreibung desselben gesagt habe, als er in meine Hand kam, 
noch durchscheinend und also anscheinend ganz frisch, aber das 
genaue Studium der Serie lehrte doch, dass er bereits einige 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 355 


Zeit, vielleicht ein paar Stunden abgestorben gewesen sein musste. 
Ich schliesse dies daraus, dass die Mitosen, die man sonst bei 
Säugetierembryonen dieser Entwicklungsstadien in allen Organen, 
namentlich aber im Zentralnervensystem in grösster Menge findet, 
fast vollständig geschwunden waren. Nur ab und zu waren noch 
spärliche, unscheinbare Reste davon vorhanden. Es lag dies sicher 
nicht an der Fixierung, an der nichts auszusetzen war, sondern 
zweifellos daran, dass der Embryo, so frisch er auch aussah, 
doch schon abgestorben war. Trotzdem aber gab er noch ganz 
gute Bilder, wie man aus einem Vergleich der Schnittserie mit 
denen anderer Säugetierembryonen ohne weiteres feststellen kann. 
Hochstetter hat einmal mit Recht hervorgehoben, dass zu den 
Organen, die sich zu allererst postmortal zu verändern pflegen, 
die Augen gehören, indem das innere Blatt des Augenbechers 
sich in Falten zu legen beginne. Bei dem vorliegenden Embryo 
war von einer derartigen postmortalen Veränderung des Augen- 
bechers nicht das Geringste zu sehen, und ich würde auch kaum auf 
den (Gedanken gekommen sein, dass er nicht mehr ganz lebensfrisch 
war, wenn mich nicht der Mangel an Mitosen darauf aufmerksam 
gemacht hätte. Ich glaubte das vorausschicken zu müssen, um 
zugleich meine Bemerkung in der erwähnten Arbeit, der Embryo 
sei „noch ganz frisch und durchscheinend“ gewesen, als er in 
meine Hand kam, zu mildern; gewiss war der Embryo noch 
durchscheinend, aber er war nur anscheinend frisch, während 
die genaue Untersuchung der Serie lehrte, dass er schon abge- 
storben war. 

Aus dieser Serie hat schon Seefelder auf Taf. VII seines 
Atlas mehrere Schnitte abbilden lassen. Nichtsdestoweniger habe 
ich gemeint, noch dreiZeichnungen davon geben zu müssen, ja, eines 
der schon im Atlas abgebildeten Präparate noch einmal zeichnen 
zu sollen. Der Embryo mass im konservierten Zustande in der 
Nackensteisslinie (NS) 8,5 mm. Sein Kopf wurde sagittal ge- 
schnitten, das Auge also äquatorial getroffen. Über dem Auge 
war das Ektoderm ein wenig eingesunken, wie das auch, nach 
dem Atlas Seefelders zu schliessen, bei dem im Besitz 
wobert Meyers in Berlin befindlichen Embryo der Fall war, 
dessen Alter und Entwicklungsstufe genau dieselbe gewesen sein 
dürfte. Seefelder gibt die Länge dieses Embryo auf 8,5 mm an. 

Ich beginne mit der Beschreibung des linken Auges (der 


356 CarlRabl: 


Embryo war von links nach rechts geschnitten, die Schnittdicke 
betrug 10 «), gehe aber dann alsbald zu der des rechten, von 
dem die Zeichnungen genommen sind, über. Der erste Schnitt, 
der das linke Auge trifft, zeigt ausser dem Anschnitt der Linse den 
Anschnitt einesTeilesdes Augenbecherrandes, und zwar den dorsalen, 
den oberen nasalen und eine eben erkennbare Spur des unteren 
nasalen Randlappens; demnach waren auch die beiden nasalen 
Randkerben des Becherrandes zu sehen. — Auf dem nächsten 
Schnitt waren dorsaler und nasaler oberer Randlappen miteinander 
verbunden, aber die Stelle der Randkerbe noch deutlich. Oberer 
und unterer nasaler Randlappen hatten sich aneinander gelegt, 
die Randkerbe zwischen ihnen war aber noch gut erhalten. 
Von den anderen Randlappen war nur eine Spur des unteren 
temporalen zu sehen. Diese war auf dem nächsten Schnitt 
viel deutlicher. Der folgende Schnitt zeigte diesen unteren 
temporalen Lappen dorsalwärts in den oberen temporalen fort- 
gesetzt, aber an der Übergangsstelle dieser beiden kaum etwas, was 
mit Sicherheit als untere temporale Randkerbe hätte in Anspruch 
genommen werden können. Auch der nächste Schnitt zeigt von 
einer solchen nichts. Dagegen zeigt er im dorsalen handlappen 
eine Höhle und ausserdem in den beiden nasalen Lappen einen 
schmalen Spaltraum. — Die nunmehr folgenden Schnitte zeigen den 
Becherrand schon in ganzer Ausdehnung. Ich brauche kaum zu er- 
wähnen, dass an allen die fötale Augenspalte deutlich sichtbar ist. 

Ich will nun, da es von Wichtigkeit ist, die Randkerben, 
die uns auch sonst noch in vergleichend-entwicklungsgeschichtlicher 
Beziehung beschäftigen werden, genauer kennen zu lernen, auch 
die Schnitte durch das rechte Auge beschreiben, zumal die Bilder 
Seefelders dem rechten Auge entnommen sind und auch ich 
drei Schnite durch dieses abgebildet habe. Der erste Schnitt 
durch die Augengegend — von der Körperoberfläche an gerechnet — 
zeigt wieder die grubige Vertiefung des Ektoderms, von der 
schon die Rede war; der zweite den Anschnitt der äusseren Wand 
des Linsenbläschens; der dritte schon etwas vom Lumen desselben, 
ferner aber auch den oberen Randlappen und, eben bemerklich, 
einen dünnen Anschnitt des unteren temporalen. Den vierten 
Schnitt hat Seefelder auf Taf. VII, Fig. 4 abbilden lassen.') 


!) Einen Schnitt, ähnlich dem der Fig. 3 bei Seefelder, kann 
ich weder unter den Schnitten durch das rechte, noch durch das linke 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 357 


Im Lumen des Linsenbläschens gewahrt man an dem abgebildeten 
Schnitte ein paar Zellreste. Um das Bläschen herum liegen die 
Anschnitte der Randlappen des Augenbechers und zwischen ihnen 
die Randkerben. Vor allem gewahrt man die breite, die Mitte 
der ventralen Wand einnehmende fötale Augenspalte, ferner die 
beiden dorsalen und die vordere ventrale Randkerbe. Eine hintere 
ventrale Randkerbe ist also auch an den Schnitten durch dieses 
Auge nicht zu sehen. Den fünften Schnitt durchs rechte Auge 
hat Seefelder auf Taf. VII, Fig. 5 abbilden lassen. Ich selbst 
habe davon ein Bild auf Taf. XII, Fig. 1 gegeben. Der Zeichner 
Seefelders hat, abgesehen von anderen Ungenauigkeiten, zu 
wenig Zellen, beziehungsweise zu wenig Zellkerne und diese zu 
gross gezeichnet. Seefelder selbst möchte ich das nicht allzusehr 
zur Last legen. Wer die Zeichnungen zu seinen Arbeiten nicht 
selbst anfertigt, ist vor Ungenauigkeiten nie sicher; das weiss ich 
aus eigener Erfahrung und dieselbe Erfahrung hat gewiss schon 
mancher gemacht, der sich einem Zeichner anvertraut hat. Selbst 
bei der genauesten Kontrolle können noch Fehler mit unterlaufen. 
Gewisse Zeichnungen erfordern übrigens auch die Beachtung von 
allerhand Kautelen, die die wenigsten Beobachter und vor allem auch 
die wenigsten Zeichner kennen. Will man, um nur ein einziges 
Beispiel anzuführen, in eine Figur, die bei relativ schwacher Ver- 
grösserung gezeichnet ist, die Zellkerne in einigermassen richtiger 
Grösse eintragen, so muss man diese zuerst bei sehr starker, genau 
bestimmter Vergrösserung mit dem Zeichenapparat entwerfen und 
dann die Grösse aufs richtige Maß reduzieren. So habe ich z. B. 
in meinem Entwurf der Figuren 1, 2 und 3 der Taf. XII, die bei 
150facher Vergrösserung gezeichnet sind, die Zellkerne bei 
600facher Vergrösserung gezeichnet und dann auf Viertelgrösse 
reduziert. Es ist ganz unmöglich (wenigstens bin ich dazu nicht 
imstande), in anderer Weise bei schwacher Vergrösserung die 
richtige Grösse kleiner und kleinster Objekte zu treffen. Nebenbei 
bemerkt, beträgt die Vergrösserung der Zeichnungen bei 
Seefelder nicht 100:1, sondern etwa 130 oder 140:1, wie man 
daraus ersehen kann, dass meine Zeichnungen 1, 2 und 3, Taf. XII 
bei 150facher Vergrösserung angefertigt sind. Das Gesagte ist 


Auge finden, es müsste denn sein, dass der Zeichner ein mit Blutkörperchen 
vollgepfropftes Gefäss für den Anschnitt des. oberen temporalen Lappens 
gehalten hat. 


Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 24 


358 CarlRabl: 


nicht ganz unwichtig und gleichgültig, denn, wenn die Zeichnungen 
Seefelders in Beziehung auf Zellenzahl und Zellengrösse richtig 
wären, müsste der Mensch grössere und weniger zahlreiche Zellen 
in seiner Retina haben als ein Kaninchen von korrespondierendem 
Alter, während doch das gerade Gegenteil der Fall ist. Es ist 
in physiologischer Beziehung von grossem Interesse, dass das 
Auge des Menschen schon in einem so frühen Stadium der Entwick- 
lung sehr viel zellenreicher ist als das eines Kaninchens 
derselben Entwicklungsstufe. 

Was nun den abgebildeten Schnitt (Fig. 1, Taf. XII) betrifft, 
so sind an ihm ausser der breiten fötalen Augenspalte, in welcher 
ein weites mit Blutkörperchen gefülltes Gefäss liegt, noch sehr 
deutlich drei Randkerben zu sehen: die zwei dorsalen und die 
vordere ventrale; von einer hinteren ventralen ist nichts zu 
sehen. Der dorsale Lappen enthält eine Höhle, genau so wie 
beim Schaf oder Schwein (vergleiche die Figuren 2 und 13 der 
Taf XI: eine kleinere Höhle findet sich auch im vorderen 
ventralen Lappen. Die beiden hinteren Lappen gehen ineinander 
über. — Die Linse enthält hier schon eine ziemlich grosse Höhle. 
An ihrer Aussenfläche finden sich die bekannten, in feine Fäden aus- 
laufenden Linsenkegel, denen v. Lenhossek so grosse Bedeutung 
für die Bildung des Glaskörpers zugeschrieben hat. Im Glas- 
körperraum, wo in der Zeichnung des erwähnten Atlas ein dichtes, 
grobes Fasergewirr zu sehen ist, kann ich nur sehr feine Fäserchen 
sehen, die zum Teil vom Innenblatt der Retina, zum Teil von 
der Aussenfläche der Linse kommen. Im Text des Atlas heisst 
es: „Ausser der ventral gelegenen grossen Becherspalte kann man 
manchmal an beliebigen anderen Stellen (nur hier durch- 
schossen) des Becherrandes eine Einkerbung beobachten 
(Rabl, v.Szily, Wolfrum, Seefelder).“ Als Seefelder dies 
schrieb, wusste ich allerdings noch nicht, dass die Randkerben an 
Zahl und Lage konstante Erscheinungen sind. — Auf den nächsten 
Schnitten schwinden die Randkerben allmählich; einen dieser 
Schnitte hat Seefelder in Fig. 6 abbilden lassen. Auch die 
Höhle in der Mitte der dorsalen Wand der Augenblase, die auf 
dieser Figur zu sehen ist, schwindet bald bis auf einen ganz 
engen unbedeutenden Spaltraum. Überaus schön ist auf 
den folgenden Schnitten der Faserfilz im Glaskörperraum zu 
sehen; sehr oft kann man von den Kegeln der Retina feine 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 359 


Fäden auslaufen und sich direkt mit den Kegeln der Linse ver- 
binden sehen. 

Der nächste auf Taf. XII, Fig. 2 abgebildete Schnitt ist 
der 13., der etwas vom Auge zeigt, zugleich der 10. nach ein- 
wärts von dem Schnitt der Fig. 1. Er zeigt von der Linse nur 
mehr eine eben noch merkbare Spur der medialen Wand. Die 
letzten Schnitte, die noch etwas vom Lumen der Linse zeigen 
und diesem vorangehen, lassen am Boden des Linsenbläschens 
einen Zellhaufen erkennen, während sonst, wie auch auf dem 
Schnitt der Fig. 1, nur ganz vereinzelte, zerstreute Zellen oder 
Zellreste zu sehen sind. Der Schnitt der Fig. 2 bietet in mehr- 
facher Beziehung Interesse: vor allem wegen der ausserordent- 
lichen Breite des Randschleiers, der mehr als die Hälfte der 
Dieke des Innenblattes der Augenblase einnimmt. Der Rand- 
schleier zeigt die schon erwähnte senkrechte Streifung, aber noch 
keine horizontalen, parallel zur Oberfläche der Retina verlaufen- 
den Fasern. Er stellt also nach der früher gegebenen Schilderung 
noch eine Vorstufe, oder, wenn man lieber will, das erste, der 
eigentlichen Faserbildung vorausgehende Stadium der Entwicklung 
der Nervenfaserschicht der Retina dar. Eine zweite Eigentüm- 
lichkeit, die uns an diesem Schnitt auffällt und die uns an die 
beim Hund zu einer bestimmten Zeit beobachteten Verhältnisse 
erinnert (vgl. Taf. XI, Fig. 8), besteht darin, dass das Innenblatt 
der Augenblase gewissermassen mittels eines Stieles dem Aussen- 
blatt aufsitzt oder dass, mit anderen Worten, der Umschlagsrand 
der beiden Blätter sehr stark in die Länge gezogen ist. Merk- 
würdigerweise aber ist weder an diesem noch an einem der vor- 
hergehenden Schnitte etwas von einer Lappung des Innenblattes 
der Augenblase wahrzunehmen, und doch entspricht der Embryo 
in Beziehung auf den Grad seiner Differenzierung ungefähr dem 
Stad. IX des Kaninchens, also dem Stadium, dem die Schnitte 
der Figuren 7 und 8, Taf. X entnommen sind. Erst noch viel 
weiter nach innen, und zwar nur an einigen wenigen Schnitten, 
die die Hinterwand des Innenblattes treffen, ist eine sichere 
Andeutung einer Lappung zu erkennen. — Der dritte aus dieser 
Serie auf Taf. XII, Fig. 3 abgebildete Schnitt bietet ein sehr merk- 
würdiges Bild. Vom Innenblatt der Augenblase ist nur mehr ein 
Anschnitt seiner kernhaltigen Hauptschicht zu sehen; um diesen 
Rest des Innenblattes herum, durch einen weiten Abstand davon 


24* 


360 CarlRabl: 


getrennt, sieht man das Aussenblatt und an diesem ventral den 
peripherischen Teil des Optikus, schon nach seiner Verbindung 
mit dem Auge. Beide Abschnitte des Schnittes, der dorsale, der 
dem dünnen Aussenblatt der Augenblase angehört, und der ventrale, 
dickwandige, der sich, wie die Verfolgung der Serie zeigt, nach 
aussen ins Innenblatt der Augenblase fortsetzt, sind durch eine 
ins Lumen einspringende niedrige Falte voneinander getrennt, 
welche zwei Schnitte weiter nach innen zu einer die beiden 
Höhlen voneinander trennenden Brücke wird und schliesslich noch 
weiter nach dem Gehirn zu in die dorsale Wand des hier auf 
dem Querschnitt kreisrunden Optikus wird. Weder an dem ab- 
gebildeten Schnitte, noch weiter nach innen zu, ist etwas von einer 
fötalen Augenspalte zu sehen; diese reicht also zu dieser Zeit 
nicht über den Bulbus hinaus. Dagegen springt der Boden des 
Optikus auf dem abgebildeten und den zwei vorhergehenden 
Schnitten in Form zweier eben erkennbarer Lappen oder Wülste 
ins Lumen vor. 

Die beiden Embryonen, deren Augen ich nunmehr kurz 
beschreiben will, maßen in der Nackensteisslinie (NS) nach 
Fixierung in Platinchlorid-Sublimat 11,3 mm. Es waren Zwillinge, 
die ich im Oktober 1894 von Kollegen Piering in Prag erhielt. 
Ich habe schon in meiner Arbeit über Gesichtsentwicklung über 
die beiden Embryonen berichtet und den einen von ihnen auf 
Taf. VIII, Fig. 1—4 in vier verschiedenen Ansichten abgebildet. 
Die Embryonen stimmen am besten mit dem Embryo 14 der 
Hisschen Normentafeln überein, der auf Taf. XII, Fig. 6 der 
„Anatomie menschlicher Embryonen“ bei 12facher Vergrösserung 
noch ein zweites Mal abgebildet ist. Nach dieser Zeichnung 
berechnet sich die Nackensteisslinie des Hisschen Embryo auf 
1l mm. Das Alter der Pieringschen Zwillinge habe ich nach 
den sehr wertvollen, von mir seinerzeit mitgeteilten anamnesti- 
schen Daten auf 30--31 Tage berechnet. Leider war, wie die 
Untersuchung der beiden Serien lehrte, der eine der Embryonen 
als er in meine Hände kam, nicht mehr frisch; er zeigte schon 
deutliche Kennzeichen von Mazeration. Immerhin war er noch 
soweit erhalten, dass ich die Serie aufbewahren zu müssen glaubte. 
Seefelder hat nach ihr die Taf. XII seines Atlas zeichnen 
lassen. Man braucht nicht viel Erfahrung zu haben, um den 
Figuren anzusehen, dass der Embryo nicht mehr frisch war. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 361 


Zu histogenetischen Untersuchungen war er daher ganz ungeeignet. 
Trotzdem hat die Serie und haben auch die Zeichnungen doch 
insofern einen, wenn auch geringen, Wert, als sie, wenn man 
einmal die Lappung der Retina und die Faltenbildungen im 
vertikalen Meridian des Auges von anderen Säugetieren her kennt, 
sofort erkennen lassen, dass auch bei menschlichen Embryonen 
des angegebenen Alters die gleichen Erscheinungen zu beobachten 
sind. Die Figuren lassen die dorsale und die ventrale Falte der 
retina sicher erkennen: die dorsale ist die primäre, tritt, wie uns 
die übrigen bisher untersuchten Säugetiere gelehrt haben, zuerst auf 
und teilt die Retina von oben her in zwei Lappen, die ventrale 
ist die sekundäre und bildet sich erst mit und nach dem Ver- 
schluss der fötalen Augenspalte. In der Tat ist, wie auch die 
Fig. 3 der Taf. XiI des Seefelderschen Atlas zeigt, die 
Augenspalte schon zum Teil geschlossen. Der Verschluss beginnt 
an den letzten AÄquatorialschnitten, die noch die Linse treffen. 
Die Spalte bleibt dann bis zum Augenhintergrund geschlossen 
und öffnet sich erst wieder am Optikus. An den Schnitten, die 
das Auge nahe an dem Augenhintergrund treffen, aber noch das 
Innenblatt der Augenblase zeigen, trägt dieses die Teilung in 
zwei Lappen ganz deutlich zur Schau. Solche Schnitte hat 
Seefelder nicht mehr abbilden lassen. — Viel wichtiger aber, 
weil noch frisch, war der zweite der Zwillinge. Den Kopf habe 
ich in Schnitte zerlegt, die so geführt sind, dass sie parallel 
einer Ebene lagen, die vorn die Stirnwölbung, hinten die dem 
Isthmus rhombencephali entsprechende Einsenkung trafen. Da- 
durch wurde das Auge in Horizontalschnitte zerlegt. Seefelder 
hat nach dieser Serie die Taf. XIII seines Atlas zeichnen lassen. 
Die Figuren 2 und 3 lassen die bilaterale Symmetrie, die Lappung 
der Retina und die zwei Buchten des Glaskörperraumes mit aller 
nur wünschenswerten Deutlichkeit erkennen. Ich bemerke zu 
diesen Figuren, dass die nach links unten gerichtete Seite der 
Fig. 2 die nasale, die nach rechts oben gekehrte die temporale 
ist. In Fig. 3 ist die nach links oben gerichtete Wand die 
nasale, die nach rechts unten gekehrte die temporale. Es ist 
dies zum Verständnis, namentlich des letzteren Schnittes, nicht 
ganz unwichtig. Die primäre oder dorsale Falte der Retina, die 
diese in zwei Lappen und den Glaskörper in zwei Buchten teilt, 
ist an den beiden Augen der Seefelderschen Fig. 2 ausser- 


362 GramaleRrranbıe 


ordentlich klar zu sehen. Sie ist nicht sehr hoch, lange nicht 
so hoch wie etwa beim Kaninchen. Kennt man sie aber einmal 
von da her, so wird man sie auch am menschlichen Embryo leicht 
finden. Auch die ventrale, mit dem Verschluss der Augenspalte 
verknüpfte Falte ist auf den betreffenden Schnitten, also Schnitten, 
die weiter ventralwärts durchs Auge geführt sind, gut zu sehen. 
An der Fig. 3 (bei Seefelder), die einen Horizontalschnitt durch 
das Lumen des Augenblasenstiels zeigt, ist von der Lappung 
selbstverständlich nichts zu sehen, da die beiden Falten, die 
dorsale und die ventrale, nur bis zur oberen, beziehungsweise 
unteren Wand des Augenblasenstiels reichen, an einem Schnitt 
aber, der das Lumen des Stieles trifft, selbstverständlich nicht 
mehr zu sehen sein können. Der Schnitt der Fig. 5 ist noch 
deshalb interessant, weil er, temporalwärts vom Eintritt des Optikus, 
in der Mitte des Augenhintergrundes, den Beginn der Bildung 
einer Ganglienzellen- und einer inneren retikulären Schicht erkennen 
lässt. Wie bei den Amphibien — ich habe dies schon im Jahre 
1395 sehr ausführlich vom Axolotl beschrieben — beginnt also 
auch beim Menschen die Differenzierung der Retina in der Mitte 
des Augenhintergrundes, d. h. an der Stelle des schärfsten Sehens. 
Wir können darin wieder, wie in so vielen anderen Erscheinungen, 


ein Beispiel prospektiver Entwicklung — U. E.v. Baer würde 
gesagt haben von „Zielstrebigkeit“ — erblicken. 


Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um einen Irrtum 
richtig zu stellen, der sich in meine Arbeit über Gesichtsentwick- 
lung eingeschlichen hat. Die Berichtigung kann zugleich dazu 
dienen, andere vor ähnlichen, sehr nahe liegenden Irrtümern zu 
bewahren. Ich hatte damals als letzten menschlichen Embryo 
einen mir im Jahre 1895 von Prof. von Weltrubsky geschenkten 
Embryo abgebildet, in der Meinung, er sei noch durchaus lebens- 
frisch gewesen. Ich hatte ihn, da er nur sehr wenig weiter- 
entwickelt zu sein schien als die beiden Pieringschen Zwillinge, 
nicht in eine Serie zerlegt. Dies ist erst kürzlich geschehen aus 
Anlass der vorliegenden Arbeit, und dabei hat sich zu meinem 
Ertsaunen herausgestellt, dass der Embryo schon recht stark 
mazeriert war. Nicht bloss die beiden Augen, sondern auch das 
(rehirn zeigte eine Unmenge von Falten, und wenn auch im Auge 
die primäre Falte der Retina besonders scharf hervortrat, so 
konnten die Schnitte selbstverständlich doch nicht weiter verwertet 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 369 


werden. Damals hatte ich notiert, dass der Embryo, als er in 
meine Hand kam, „noch ziemlich durchscheinend“ war. Daraus 
und aus dem ganzen sonstigen Aussehen glaubte ich schliessen zu 
dürfen, dass er frisch war. Nun hatte mir, wie aus meiner 
damaligen Schilderung deutlich zu entnehmen ist, in diesem 
Fall die Altersbestimmung des Embryo sehr grosse Schwierigkeiten 
gemacht, aus denen ich mich durch allerhand mehr oder weniger 
gewagte Annahmen herauszufinden suchte, was mir freilich, wie ich 
selbst und jedermann merken musste, nur schlecht gelang. Nachdem 
ich nun aber jetzt den Embryo in eine Serie zerlegt habe, ist die 
Ursache dieser Schwierigkeiten sofort klar; der Embryo war eben 
bereits in Verwesung als ich ihn konservierte. Seit jener Zeit, 
also seit mehr als 20 Jahren, ist es mir übrigens wiederholt 
aufgefallen, dass menschliche Embryonen, die nicht mehr ganz 
frisch sind, die oberen Extremitäten sinken lassen. Und nun 
vergleiche man einmal die Embryonen 1 und 5 meiner letzten 
Embryonentafel. So ähnlich sie im übrigen einander sehen, so 
sind sie doch in Beziehung auf die Haltung der oberen Extremi- 
täten auffallend voneinander verschieden: der frische Embryo 
(Fig. 1) hält sie horizontal, parallel der Querebene des Körpers, 
der faule lässt sie nach unten sinken. Man hat also auch hierin 
wieder ein Erkennungsmittel des Erhaltungsgrades junger mensch- 
licher Embryonen. — 

Ich habe nun vor langer Zeit aus der Klinik Zweifel 
zwei prächtige Embryonen aus dem zweiten Schwangerschafts- 
monat bekommen, die mir bei der vorliegenden Arbeit vorzügliche 
Dienste geleistet haben. Beide waren, wie auch die Schnittserien 
lehrten, ausgezeichnet erhalten und namentlich der eine von ihnen, 
dessen Augen ich genauer beschreiben werde, zeigte noch tadellos 
erhaltene Mitosen. Ich will den einen der beiden Embryonen 
mit Z, den anderen mit F bezeichnen. Der Embryo 7 hatte eine 
Scheitelsteisslänge (SS) von 14,0 und eine Nackensteisslänge (NS) 
von 15,5 mm; die Länge des Kopfes betrug 10,0 mm. Der 
Embryo F zeigte folgende Maße: SS = 18,0 mm, NS= 15,0 mm 
und Kopflänge 11,0 mm. Die Augen waren bei beiden ziemlich 
gleichweit entwickelt, jedenfalls bestand kein irgendwie in Be- 
tracht kommender Unterschied, so dassich mich auf die Beschreibung 
des einen der beiden Embryonen beschränken darf. Der Embryo 
(Z) zeigte noch Spuren von den früher erwähnten Randkerben. 


364 ee reile 


Die fötale Augenspalte war höchstens noch auf zwei Schnitten 
often; sie schloss sich also fast sofort, nachdem die Ränder der 
Augenblase aneinander getreten waren. Sofort traten dann auch 
die beiden Falten der Retina auf; beide Falten zogen wieder 
über den vertikalen Meridian nach hinten bis in die Nähe des 
Optikuseintrittes. Ein Schnitt, der eben noch die Linse im 
medialen Anschnitt traf, gab das in Fig. 4, Taf. XII wieder- 
gegebene Bild. Mitn und t sind die nasale und temporale Seite 
des Auges bezeichnet. Der Schnitt ist nicht ganz genau parallel 
der Äquatorialebene geführt; trotz vieler Mühe wollte es mir nicht 
gelingen, das Auge vollkommen genau zu orientieren. — Zunächst 
fällt uns wieder die eigentümliche Form des Äquatorialschnittes auf. 
In noch höherem Grade als beim Kaninchen, Schaf, Hund und 
Schwein ist beim Menschen der Bulbus von oben nach unten 
zusammengedrückt. An dem abgebildeten Schnitt beträgt der 
horizontale Durchmesser ungefähr um ein Drittel mehr als der 
vertikale. Dabei ist wie bei den genannten Tieren der Äquator- 
schnitt mehr oder weniger viereckig. Es sind dies Eigentüm- 
lichkeiten, die ganz gewiss zum grössten Teil mit der Lappung 
der Retina und der damit verbundenen Lappung des Glaskörpers 
verbunden sind. Das äussere Blatt der Augenblase ist zu dieser 
Zeit ein der Hauptsache nach zweireihiges, aber einschichtiges 
kubisches Epithel, dessen runde Kerne grösstenteils in der basalen, 
nach aussen gerichteten Hälfte des Epithels sitzen, während die 
freie Seite von den übrigens nicht sehr zahlreichen und auch 
nicht sehr dunkel gefärbten Pigmentkörnchen eingenommen wird. 
Solche finden sich jetzt schon, aber nur in verhältnismässig ge- 
ringer Zahl, auch an der basalen Seite. Das innere Blatt ist 
sehr dick und ausserordentlich zellenreich. Von den beiden 
Falten, die gegen die Linse und an den folgenden Schnitten in 
den Glaskörper vorspringen, ist die ventrale, die später entsteht 
und deren Bildung, wie wir gesehen haben, mit dem Verschluss der 
fötalen Augenspalte zusammenhängt, die grössere, die dorsale, 
die wir, da sie selbständig und früher auftritt, als primäre bezeichnet 
haben. die kleinere. Die dreieckigen Höhlen zwischen den 
Falten und dem Tapetum nigrum lassen sich bis zum Augen- 
hintergrund verfolgen, wo !sie konfluieren. Das Innenblatt der 
Augenblase lässt auf Äquatorialschnitten, wie dem abgebildeten, 
nur zwei Schichten, eine äussere, an Zellkernen überaus reiche 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 365 


und eine innere, wie früher, senkrecht gestreifte unterscheiden. 
Während jene auf dem Schnitt der Fig. 2 dünner war als diese, 
ist jetzt das umgekehrte der Fall; die Zellen haben sich also 
absolut und relativ (d.h. im Verhältnis zur Dicke der Wand) 
vermehrt. Horizontal, d. h. parallel mit der inneren Oberfläche 
der Retina verlaufende Fasern sind, wenigstens auf solchen 
Schnitten, nicht zu sehen. Während aber im Äquator bulbi zu 
dieser Zeit noch keine Ganglien- und innere retikuläre Schicht 
zu sehen sind, treten beide gegen den Augenhintergrund zu 
alsbald auf den Schnitten in die Erscheinung, ja, es sind beide 
schon von recht ansehnlicher Dicke. Der Glaskörper enthält 
ausser den Gefässen — den Ästen der Arteria hyaloidea — 
ziemlich zahlreiche Bindegewebszellen mit verästelten Fortsätzen 
und ein ausserordentlich zartes Netzwerk feinster Fasern, über 
deren Anordnung und Verlauf ich an diesen Schnitten nicht ins 
Klare kommen konnte. Ausser diesem Fasernetz finden sich auch 
noch kleine, runde, stark lichtbrechende, mit Boraxkarmin sich leicht 
rosa tingierende Körner, die stets in den Fasern, nie zwischen 
ihnen oder in den von ihnen umschlossenen Maschenräumen ge- 
legen sind. Was diese Körner zu bedeuten haben, dürfte schwer 
zu sagen sein. Wie Gerinnungsprodukte sehen sie nicht aus. — 
An den Schnitten durch den Augenhintergrund, an denen noch, 
wie gesagt, die Ganglienzellenschicht und innere Körnerschicht zu 
sehen sind, ist die Lappung der Retina ungemein deutlich. 

Der Optikus zeigt in einiger Entfernung vom Bulbus das 
sehr typische in Fig. 5 wiedergegebene (uerschnittsbild. Seine 
beiden Lamellen sind hier nahezu gleich dick und stehen an den 
einander zugewendeten Seiten durch Interzellularbrücken mit- 
einander in Verbindung. Die Rinne an seiner Unterseite stellt 
zu dieser Zeit einen langgezogenen, über viele Schnitte sich er- 
streckenden Schlitz dar, der überall von Bindegewebe erfüllt ist 
und sich an der ventralen und zugleich etwas medialen Seite 
öffnet. Eine die Arteria hyaloidea begleitende Vene ist auch hier 
nicht vorhanden. In der Retina selbst gibt esnoch keine Gefässe. 

Zum Schluss will ich noch ein paar Worte über das Auge 
eines 31 mm langen Embryo sagen. Ich will mich dabei auf die 
Punkte beschränken, die für uns in erster Linie in Betracht 
kommen. Ich beginne gleich mit der Beschreibung des auf Taf. XII, 
Fig. 6 abgebildeten Äquatorialschnittes. Das erste, was uns 


366 CarlRabl: 


an diesem Schnitt, der den Bulbus schon medial von der Linse 
trifft, auffällt, ist seine eigentümliche Form. Die Falten der 
Retina haben sich vollkommen ausgeglichen, die Retina ist ganz 
glatt geworden, aber der Bulbus weicht in seiner Form noch sehr 
von der definitiven Form ab. Er ist so stark in vertikaler Richtung 
zusammengedrückt, dass der AÄquatorialschnitt keinen Kreis, 
sondern eine sehr lange Ellipse mit horizontal gestellter langer 
Achse darstellt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese 
Form durchaus normal und für dieses Stadium charakteristisch 
ist. Der in Zenkerscher Flüssigkeit fixierte Embryo zeigte 
nicht die geringste Spur einer Schrumpfung oder einer Veränderung 
durch Druck oder dergleichen. Er war auch noch vollkommen 
frisch, wie die tadellose Erhaltung der zahlreichen Mitosen beweist. 
Ich verweise übrigens auch darauf, dass auf einer diesem Stadium 
ungefähr entsprechenden Entwicklungsstufe des Kaninchens der 
Äquatorialschnitt durch den Bulbus ebenso elliptisch ist, wie der 
des Menschen (vergl. Fig. 12, Taf. X). Ich glaube nicht fehlzu- 
gehen, wenn ich die Form des Äquatorialschnittes, die der Bulbus 
jetzt zeigt, mit der, die er früher (vergleiche Fig. 4, Taf. XII) 
zeigte, in Zusammenhang bringe. Früher stellte er ein langge- 
strecktes, horizontal gestelltes Viereck mit abgerundeten Ecken 
dar, jetzt eine Ellipse mit horizontal gestellter langer Achse. 
Die Zeichnung ist so orientiert, dass die nasale Seite des Bulbus 
nach rechts, die temporale nach links sieht. Bei rs, ri und rm sind 
die Querschnitte des Rectus superior, inferior und medialis ein- 
getragen. Der Rectus lateralis ist gerade an seiner Insertion 
getroffen, konnte aber bei der schwachen Vergrösserung nicht 
eingetragen werden (Vergrösserung = 46). Am Präparat ist ausser- 
dem unterhalb des Rectus inferior der etwas schräg geschnittene 
Obliquus inferior zu sehen. Auch der Querschnitt durch den 
Obliquus superior ist schon in seiner definitiven Lage aufzufinden 
und endlich auch der Levator palpebrae superioris. Von einer 
Wiedergabe aller dieser Muskeln habe ich aber, da das Bild sehr viel 
grösser hätte werden müssen, abgesehen. Das, was uns besonders 
interessiert. ist das Querschnittsbild der Retina. Vor allem sind 
ihre Dicke und ihr ganz ausserordentlicher Zellenreichtum auf- 
fallend. Die Schichtenbildung hat sehr interessante Fortschritte 
gemacht. Die relative Dicke der aus dem Randschleier hervor- 
gegangenen Nervenfaserschicht hat ausserordentlich abgenommen. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 367 


Während bei dem Embryo von 14 mm Scheitelsteisslänge an der 
temporalen Seite des auf Taf. XII, Fig. 4 abgebildeten Schnittes, 
wo die Retina voll getroffen ist, voller als an der nasalen, das Ver- 
hältnis der Dicke des Randschleiers zur Dicke der ganzen Retina 
(ohne Pigmentschicht) 20:84 u beträgt, der Randschleier oder 
die Vorstufe der Nervenfaserschicht also nur etwa den vierten 
Teil der ganzen Dicke der Retina einnimmt, beträgt dieses 
Verhältnis bei dem 31 mm langen Embryo an der auf dem Schnitt 
der Fig. 6, Taf. XII voller getroffenen nasalen Seite 20:148 u, 
mit anderen Worten, die Nervenfaserschicht bildet kaum den 
siebenten Teil der ganzen Dicke der Retina. Wenn auch diese 
Zahlen auf absolute Genauigkeit keinen Anspruch erheben können, 
so sind doch die unvermeidlichen Fehler der Messung sicher nur 
sehr gering und ohne grosse Bedeutung und ändern nichts an 
der Hauptsache. In der Nervenfaserschicht sieht man jetzt auch 
schon eine ungeheuere Menge von feinen Nervenfasern, die natürlich 
je nach der Gegend des Schnittes einen verschiedenen Verlauf 
zeigen. An dem abgebildeten Schnitt ist in der Mitte der nasalen 
Seite die übergrosse Mehrzahl der Fasern quer getroffen, die 
Fasern erscheinen daher als feine Punkte, als welche sie auch in 
der Fig. S, Taf. XII zu sehen sind. An anderen Stellen, so vor 
allem in der dorsalen und ventralen Wand der temporalen Hälfte, 
verlaufen sie schief und zwar an der dorsalen Seite schief von 
rechts unten nach links oben und an der ventralen schief von 
rechts oben nach links unten. Verfolgt man die Serie nach dem 
Augenhintergrund zu, so kommt man schliesslich zum Eintritt des 
Optikus, der ganz an die nasale Seite der betreffenden Schnitte 
gerückt erscheint und von wo aus die Fasern zum Teil direkt 
nach aussen, also nach der Stelle der späteren Macula lutea, 
zum grösseren Teil aber nach aussen und oben sowie nach aussen 
und unten ziehen. Der Faserverlauf ist also jetzt, was eigentlich 
selbstverständlich ist, schon genau derselbe wie im voll entwickelten 
Auge. 

An den nun folgenden Schichten der Retina (der Ganglien- 
zellen-, inneren retikulären und Hauptschicht) fällt schon bei 
der Untersuchung mit ganz schwachen Vergrösserungen auf, 
dass die Zellkerne beziehungsweise die Zellen, denen sie angehören, 
eine ganz bestimmte hichtung einhalten. Sie bilden 
Reihen, die senkrecht von der inneren zur äusseren 


368 VaraRRipE 


Oberfläche derketina ziehen, also senkrecht gegen die Fläche 
orientiert sind, die ursprünglich an den Sehventrikel grenzte. An 
dem abgebildeten Schnitt (Fig. 6) hat sich das Innenblatt der 
vetina, die Retina im engeren Sinne des Wortes, vom Aussenblatt, 
dem Tapetum nigrum, abgehoben, und so ist zwischen beiden 
ein Spaltraum entstanden, der dem ursprünglichen Hohlraum des 
Sehventrikels, wie er z.B. auf dem Schnitt der Fig: 2, TAI 
zu sehen ist, entspricht. Ich habe schon vor langer Zeit, vor 
mindestens 20 Jahren, auf einem Neurologenkongress in Prag 
eine grosse Zahl von Präparaten des Zentralnervensystems 
der Amphibien und Säugetiere demonstriert, welche zeigten, dass 
ganz allgemein während der Zeit der lebhaftesten Zellvermehrung 
die Neuroblasten und wohl auch die Spongioblasten 
eine ganz bestimmte Stellung oder Richtungin der 
Wand des Zentralnervensystems einhalten. Die Zellen 
bilden Reihen, die senkrecht gegen den betreffenden 
Ventrikel, beziehungsweise gegen den Zentralkanal des 
Rückenmarks gestellt sind. Jede Reihe bildet gewissermassen 
eine Zellfamilie; die ältesten Glieder der Familie liegen am 
tiefsten, der inneren Oberfläche der Wand des Zentralnerven- 
systems am weitesten abgekehrt, die jüngsten liegen am weitesten 
nach innen, dicht unter der Ventrikelfläche. Hier findet auch 
die Zellvermehrung statt. Von je zwei aus einer Teilung hervor- 
gehenden Tochterzellen rückt die eine weiter nach aussen, die 
andere bleibt dicht unter der Ventrikelfläche liegen und wächst 
wieder zu einer Mutterzelle heran. Diese Art der Verschiebung 
der neugebildeten Zellen führt natürlich zu einem Dickenwachstum. 
Andererseits erfolgen aber auch selbstverständlich Teilungen im 
Sinne des Flächenwachstums, also Teilungen mit parallel zur 
Ventrikeltläche gestellter Achse. Oft sieht man die Ventrikel- 
oberfläche des Gehirns eines Embryo mit Mitosen geradezu über- 
schwemmt. Sicher hat dabei jede einzelne dieser unzähligen 
Mitosen ihre ganz bestimmte Bedeutung und bei jeder Mitose 
ist die Stellung der Teilungsachse von allem Anfang an bestimmt; 
die eine dient dem Flächenwachstum, die andere dem Dicken- 
wachstum und alles ist gesetzmässig festgelegt. Eine Zelle teilt 
sich nicht, wann es ihr beliebt und auch nicht, so oft es ihr 
beliebt, sondern Zeit und Zahl der Teilungen sind genau geregelt; 
wären sie es nicht, so müsste Missbildung auf Missbildung folgen. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 369 


Alles dies gehört in das grosse, ungemein wichtige und höchst 
interessante Kapitel des allgemeinen Gerichtetseins der 
zelligen Elemente des Organismus und ihrer Derivate, ein Thema, 
über das ich demnächst eine kurze Abhandlung zu veröffentlichen 
gedenke, um in ihr zugleich einigen Angriften aus älterer und 
neuerer Zeit entgegenzutreten. 

Zu solchen senkrecht zur inneren und äusseren Oberfläche 
gestellten Reihen sind nun auch, wie gesagt, die Zellen der Gang- 
lienzellen- und der Hauptschicht angeordnet. In der Ganglien- 
zellenschicht sind die Kerne zu mehrreihigen Streifen geordnet, 
die durch eben merkbare, hellere, d.h. an Zellkernen ärmere 
Zwischenräume undeutlich voneinander geschieden sind. In der 
Hauptschicht dagegen stehen die Kerne viel dichter und die 
Reihenordnung kommt fast nur darin zum Ausdruck, dass nahezu 
sämtliche Kerne mit ihrer Längsachse, die die Querachse bedeutend 
übertrifft, senkrecht gestellt sind. Die Ganglienzellenschicht 
ist gegen die innere retikuläre Schicht zu dieser Zeit noch in 
keiner Weise scharf abgesetzt. Diese enthält überall reichlich 
Kerne, aber trotzdem macht sie sich, und zwar vor allem bei 
schwacher Vergrösserung, als hellerer Streifen sofort bemerkbar. Die 
Kerne der Ganglienzellenschicht sind rundlich (Fig. 8, Taf. XII), 
und wenn sie auch keineswegs durchaus die gleiche Grösse be- 
sitzen, so macht sich der Grössenunterschied doch erst bemerkbar. 
wenn man die Aufmerksamkeit direkt darauf richtet. Sie sind 
verhältnismässig blass, d. h. chromatinarm, das Kernnetz zart und 
die nukleolenartigen Anschwellungen desselben nicht von beson- 
derer Grösse. Zwischen den runden Kernen kommen nur einige 
wenige langgestreckte, senkrechtstehende zur Beobachtung. 
Zwischen den Kernen bemerkt man feine, fast durchwegs senkrecht 
verlaufende Fäden. Die Hauptschicht lässt an der Aussenfläche (a) 
einen helleren Saum frei. Die an diesen anstossenden Kerne 
sind etwas dichter angeordnet und häufig auch mehr in die Länge 
gestreckt, so dass sich hier die Bildung einer neuen Schicht, der 
äusseren Körnerschicht, einzuleiten beginnt. Irgend eine scharfe 
Grenze gegenüber den mehr im Inneren der Hauptschicht gelegenen 
Zellen oder Zellkernen aber ist nicht vorhanden. Während 
nun die Kerne, die unmittelbar oder in geringer Entfernung von 
dem hellen Saum liegen, nach aussen zu abgerundet sind, er- 
scheinen die tiefer liegenden, also die der inneren retikulären 


370 CarlRabl: 


Schicht genäherten, die sich später zu den Kernen der inneren 
Körnerschicht entwickeln, sehr häufig nach aussen etwas zuge- 
spitzt und der dünne, sie umschliessende Zelleib ist nicht selten 
in einen senkrecht nach aussen verlaufenden Fortsatz zu ver- 
folgen. Die Hauptschicht, in der die Kerne viel dichter stehen 
als in der Ganglienzellenschicht, wird nach aussen durch eine 
sehr deutliche, mit Körnchen versehene Limitans externa abge- 
schlossen, der stellenweise längliche, gekrümmte oder unregel- 
mässig gebogene, flockige Gebilde aufsitzen, die wohl Reste der zu 
dieser Zeit noch sehr hinfälligen Stäbchen und Zapfen sein dürften. 

Das Tapetum nigrum zeichnet sich jetzt schon durch grossen 
Pigmentreichtum aus. Die Pigmentkörner bilden eine geschlossene 
Schicht, die ziemlich genau die innere Hälfte der Dicke des 
Epithels einnimmt, also in der genetisch freien Seite der Zellen 
liegt; die äussere Hälfte wird von den runden Zellkernen ein- 
genommen. Zwischen ihnen, vor allem auch an der basalen Seite 
der Zellen, finden sich nur einzelne zerstreute Pigmentkörner; 
wenn aber solche Körner auch in geringer Zahl an der basalen 
Seite der Zellen angetroffen werden, so sind sie doch sicher nicht 
hier entstanden. Weitaus die Hauptmasse findet sich an der 
freien Seite. 

Der Glaskörper enthält vor allem zahlreiche Fasern, die in 
den verschiedensten Richtungen getroffen erscheinen; ausserdem 
enthält er ein sehr dichtes und zartes Retikulum mit zahlreichen 
feinsten auf- und eingelagerten Körnchen, von denen man, ebenso 
wie vom Retikulum selbst, schwer sagen kann, wieviel davon 
vorgebildete, feste Struktur, wieviel Gerinnungsprodukt ist. Die 
(serüstbalken des Netzes sind fast stets gegen die (refässe zentriert; 
vor allem gilt dies von den Netzbalken in der Nähe der grösseren 
“refässäste, die einen ganz entschiedenen Einfluss auf die Anord- 
nung der Netzbalken haben. Am Optikuseintritt ist sicher nur 
ein Gefäss, die Arteria hyaloidea, vorhanden, keine Vene; und 
ebenso wie früher ist auch jetzt die Netzhaut selbst noch ganz 
und gar gefässlos. Es scheint, dass sich die Vena centralis retinae 
erst entwickelt, wenn von der Arteria hyaloidea Äste in die Retina 
hineinwachsen und diese dadurch zur Arteria centralis retinae 
wird, während sich die Äste der Arteria hyaloidea zurückbilden. 
Indessen stehen mir über die Bildung der Gefässe der Retina 
selbst keine Erfahrungen zu Gebote. — 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 371 


Ich habe endlich noch auf Taf. XII, Fig. 7 einen Querschnitt 
durch den Optikus dieses Embryo abgebildet. Ein paar Worte 
werden genügen, um das Bild zu erläutern. Der Optikus ist von 
einer derben Hülle umgeben, die eine Trennung in die bekannten 
späteren „Scheiden“ noch nicht erkennen lässt. An einzelnen 
Stellen der Hülle sieht man platte Gefässlumina. Der abgebildete 
Schnitt trifft gerade den Bindegewebszug, der die Arteria hyaloidea, 
den Vorläufer der Arteria centralis retinae, auf ihrem Verlauf 
ins Innere des Optikus begleitet. Dieser Bindegewebszug hat 
ganz wie beim Erwachsenen eine etwas schiefe Lage, indem er 
nicht genau senkrecht von unten nach oben zieht, sondern so, 
dass sein unteres Ende ein wenig nasalwärts abgelenkt ist. 
Der Bindegewebszug erreicht die Mitte des Optikus nicht. 

Auf dem abgebildeten Schnitt ist der Optikus kreisrund. 
Diese Form ändert sich erst unmittelbar vor dem Eintritt in den 
Bulbus. Der Querschnitt wird nämlich zuletzt elliptisch mit 
senkrecht gestellter langer Achse. In dieser letzten Strecke 
liegt die Arterie rein nasal von der Achse des Nervs, nicht 
zugleich nach der ventralen Seite verschoben. Andererseits 
nimmt auch die Querschnittsfigur des Nervs von der Eintrittsstelle 
der Arterie, also von dem abgebildeten Schnitt an nach hinten 
gegen das Chiasma eine andere Form an. Sie wird gleichfalls 
elliptisch, wobei aber zugleich die Ellipse schief gestellt ist. 
Merkwürdigerweise nimmt dabei die Dicke des Optikus von vorn 
nach hinten recht beträchtlich ab. Beim Eintritt der Arterie, 
also an dem abgebildeten Schnitt, beträgt sowohl der vertikale, 
als der horizontale Durchmesser ungefähr 360 «u, 15 Schnitte 
weiter nach innen gegen das Chiasma (Schnittdicke 15 u) beträgt 
der längere Durchmesser der Ellipse 330 «, der kürzere aber 
nur 277 u. Kurz vor dem Eintritt in den Bulbus endlich, also 
an seinem Vorderende, beträgt der vertikale Durchmesser der 
Ellipse 435, der horizontale 375 «u. Der Optikus wird also, 
wie gesagt, entschieden nach hinten dünner. Nun 
ist zu bedenken, dass das Wachstum seiner Fasern von der Gang- 
lienzellenschicht der Retina nach hinten zum Gehirn gerichtet 
ist, und man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass 
der Nerv vorn weiter entwickelt ist als hinten; möglicherweise 
sind die Nervenfasern vorn etwas dicker als hinten, woraus sich 
die Abnahme der Grösse des Querschnittes ungezwungen erklären 


312 CarlRabl: 


würde. (Unmittelbar vor dem Eintritt in den Bulbus enthält 
der Optikus zwar etwas mehr Gliazellen als weiter hinten, aber 
der Unterschied ist nicht so bedeutend, dass sich daraus die 
Abnahme der Grösse des Querschnittes erklären liesse.) 

Die Nervenfasern sind zu Bündeln von sehr verschiedener 
(Wuerschnittsgrösse vereinigt, ohne dass sich eine bestimmte Art 
der Verteilung dieser Bündel feststellen liesse. Nur ganz im 
allgemeinen kann man vielleicht sagen, dass sich an der Oberfläche 
auffallend viele dünne, dagegen neben dem Bindegewebszug, der die 
Arterie in den Nerv hineinbegleitet, auffallend dicke Bündel 
finden. Dies gilt zunächst für den abgebildeten Schnitt, auf 
anderen Schnitten ist die Verteilung eine etwas andere. Die 
Bündel geben zu dieser Zeit auf dem Querschnitt genau dasselbe 
Bild, wie die Bündel anderer Nerven. In den Räumen zwischen 
den Bündeln finden sich zahlreiche Zellen mit verzweigten Fort- 
sätzen. Ich halte sie alle für Gliazellen und glaube, dass echtes, 
mesodermales Bindegewebe erst mit der Ausbildung von Gefässen 
in die Retina und den Optikus hineingelangt. Die Gliazellen 
treten bis unmittelbar an die Wand der Arterie heran, um sich 
mit ihr zu verbinden. (regen diese Gliazellen, die sich zu einer 
Limitans gliae verbinden, besitzt das die Arterie begleitende 
echte Bindegewebe eine sehr scharfe Grenze. — Wenn man mit 
einem solchen embryonalen Optikus den Optikus eines Erwachsenen 
vergleicht, so erkennt ‘man sofort, dass auch hier das echte, 
mesodermale, Bindegewebe die Gefässe begleitet. Dieses Binde- 
zewebe fasst stets eine grössere Zahl von embryonalen Bündeln, 
wie wir sie auf dem Bilde (Fig. 7) sehen, samt den zwischen 
ihnen gelegenen Gliazellen zu Bündeln von grösserem 
(Juerschnitt zusammen. Man kann die embryonalen Bündel, die 
durch Glia voneinander getrennt sind, als primäre Optikus- 
bündel und die späteren grösseren, die aus einer grösseren Zahl 
solcher embryonaler oder primärer Bündel bestehen und von 
echtem mesodermalem Bindegewebe umschlossen werden, als 
sekundäre Optikusbündel bezeichnen. — 

Welche Bedeutung mögen nun die mitgeteilten Tatsachen, 
vor allem die Bildung der Randkerben und die Teilung der 
Retina in einen nasalen und temporalen Lappen haben? Wie 
mögen sie zu erklären sein? Eine Reihe minder auffallender, 
hier mitgeteilter und bisher unbekannter Tatsachen ist ohne 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 575 


weiteres verständlich, oder bietet doch wenigstens dem Verständnis 
keine grossen Schwierigkeiten. Hierher gehört vor allem die 
Tatsache, dass der Querschnitt des Optikus oder des Stieles der 
Augenblase nach dem Auftreten der Fasern, aber noch vor der 
Ausbildung der Markscheiden, in der Nähe des Bulbus grösser 
ist, als in der Nähe des Gehirns. Wir wissen, dass die Optikus- 
fasern von den Zellen der Ganglienzellenschicht der Retina aus- 
wachsen und dass sie von ihrer Ursprungsstätte an nach der 
Peripherie an Dicke abnehmen; in derselben Richtung muss also 
auch der ganze Optikus an Dicke abnehmen. 

Auch die Tatsache, dass ursprünglich nur ein einziges (Grefäss, 
die Arteria hyaloidea, im Optikus eingeschlossen ist, während dieser 
doch, wie jedermann weiss, beim Erwachsenen stets ausser einer 
Arterie auch eine Vene umschliesst, sowie die weitere, damit 
einhergehende Tatsache, dass der junge, embryonale Optikus 
ausser dem spärlichen, die Arteria hyaloidea begleitenden Binde- 
gewebe, das sich streng an die Arterie hält und über die Mitte 
des Querschnittes nicht hinausgreift, kein Bindegewebe mesoder- 
maler Abkunft enthält und dass seine Nervenfaserbündel nur 
durch Glia miteinander verbunden, beziehungsweise voneinander 
getrennt werden, wird einigermassen verständlich, wenn wir be- 
denken, dass in diesen frühen Stadien der Entwicklung die Retina 
noch ganz ohne Gefässe ist. Diese bilden sich zweifellos aus der 
Arteria hyaloidea in sie hinein, die kleinen Arterien gehen in 
Kapillaren und die Kapillaren in Venen über, die sich schliesslich 
zur Vena centralis verbinden, die nun in Begleitung der aus der 
Arteria hyaloidea entstandenen Arteria centralis retinae nach 
rückwärts läuft. Mit den Gefässen wächst aber auch Binde- 
gewebe mesodermaler Abkunft in die Retina hinein und ebenso 
gelangt auch Bindegewebe in den Optikus. Dieses Gewebe fasst 
eine grössere oder geringere Zahl primärer, nur durch Glia ver- 
bundener Nervenfaserbündel zu Komplexen höherer Ordnung, zu 
sekundären Bündeln, wie ich sie genannt habe, zusammen. 
Während der embryonale marklose Optikus noch kein mesoder- 
males Gewebe und im Zusammenhange damit keine Blutgefässe 
führt, sind solche im entwickelten Nerv in grosser Menge ent- 
halten. Der Nerv wird also vaskularisiert gleichzeitig mit der 
Vaskularisation der Retina. 


Andere Erscheinungen hat man schon vor längerer Zeit 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 25 


374 CameRtarhıl: 


erklären zu können vermeint; man denke nur an die sehr wohl- 
feile, aber als geistreich gerühmte Theorie Boveris über die 
phylogenetische Entwicklung des Wirbeltierauges, die durch die 
Einstülpung der primären Augenblase in ihrer kausalen Bedeutung 
völlig klargestellt sein sollte. — Ebenso leicht hat man es sich mit der 
fötalen Augenspalte machen zu dürfen geglaubt. Man hatte ge- 
funden, dass die Arteria hyaloidea, die Vorläuferin der Arteria 
centralis retinae, mit etwas Bindegewebe in die Spalte und durch 
sie in den Glaskörperraum eindringt; und nun war man sofort 
mit dem Schlusse fertig, dass der ganze Glaskörper aus diesem 
Bindegewebe den Ursprung nehme. Nichts war selbstverständ- 
licher, als dass dem „Bildungsgewebe“ des Glaskörpers der Weg 
zu seinem Bestimmungsort offen stehen müsse, und diesen Weg 
glaubte man denn in der fötalen Augenspalte gefunden zu haben. 
So war denn, um eine alte, einst sehr beliebte, von Zöllner in 
seiner „Natur der Kometen“ geprägte Phrase zu gebrauchen, 
das „Kausalitätsbedürfnis der menschlichen Vernunft“ in der 
einfachsten Weise befriedigt. — Später fand man, dass bei den 
Vögeln der Fächer, bei den Fischen der Processus faleiformis (die 
Leiste nach H. Virchow) diese Pforte benutzen, um in den 
(Glaskörperraum einzutreten, und so hatte man denn allen Grund, 
mit der Erklärung, die man sich ausgedacht hatte, zufrieden zu 
sein. Als man dann aber vor etwa 14 Jahren fand, dass der 
Glaskörper nicht aus jenem Bindegewebe den Ursprung nimmt, 
sondern dass er der Hauptsache nach aus der Augenblase selbst 
entsteht, hätte man sich doch wohl die Frage vorlegen sollen, ob 
nicht eine viel kleinere Öffnung für den Eintritt der Arteria 
hyaloidea, die doch anfangs nur zur Ernährung der Linse dient, 
auch genügend wäre. Warum musste denn die ganze ventrale Seite 
des Augenbechers und noch ein Teil des Optikus sozusagen aufge- 
schlitzt werden, wenn der Nutzen der Einrichtung nur darin zu suchen 
ist, ein so unbedeutendes Gefäss eintreten zu lassen ? Konnte nicht 
vielleicht die ganze, denn doch sehr merkwürdige Bildung mit der 
bisher immer übersehenen bilateralen oder nasotemporalen Symme- 
trie des Auges im Zusammenhang stehen? Wir werden auf diese 
Fragen noch am Schlusse unserer Betrachtungen zurückkommen. Zu- 
nächst wollen wir noch die Frage zu beantworten suchen, ob und unter 
welchem Bild auch beianderenWirbeltieren eine bilaterale Symmetrie 
in der Anlage der Retina zu erkennen ist, wie bei den Säugetieren. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. » 


Bemerkungen über die Entwicklung der Retina der 
Sauropsiden, Amphibien und Fische. 


A. Vögel. Es ist mir schon seit mehr als 25 Jahren be- 
kannt, dass am Auge von Hühnerembryonen eines gewissen Alters 
gegenüber der fötalen Augenspalte im vertikalen Meridian ein 
senkrechter, am konservierten Material heller Streifen zu sehen 
ist. Ich habe auf Taf. XIII, Fig. 10 und 11 zwei solche Embryonen 
abgebildet. Die Zeichnungen stammen noch aus meiner Prager 
Zeit; ich habe sie vor etwa 14 Jahren, zusammen mit zahlreichen 
anderen, die ich noch aufbewahre und die bestimmt waren, in 
ein zweites Heft meines Tafelwerkes über die Entwicklung des 
Gesichtes aufgenommen zu werden, angefertigt. Der Embryo der 
Fig. 10 war 3 Tage 22 Stunden, der der Fig. 11 war 4 Tage 
6 Stunden alt. Beide Embryonen zeigen den erwähnten Streifen 
mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit. 

Ich will indessen, bevor ich näher darauf eingehe, noch ein 
paar Worte über das Gesicht junger Hühnerembryonen überhaupt 
sagen, wobei ich mich aber lediglich auf das Auge und die Kiemen- 
gegend beschränke. Zu diesem Exkurs bestimmt mich der Umstand, 
dass die bisher vorliegenden Abbildungen und Beschreibungen 
von Hühnerembryonen recht viel zu wünschen übrig lassen. Der 
bekannte Atlas der Embryologie von Duval ist ganz ungenügend, 
und auch die Darstellung in den Normentafeln von Keibel und 
Abraham reicht weder textlich noch bildlich aus. Ich erwähne 
zunächst, dass schon bei Hühnerembryonen von 13 und 15 Urwirbeln 
wenigstens insofern andeutungsweise eine bilaterale Symmetrie 
der primären Augenblasen ausgesprochen ist, als dieselben von 
vorn nach hinten zusammengedrückt sind, also eine nasale und 
temporale Wand unterscheiden lassen, die dorsal und ventral im 
Bogen meinander übergehen; der naso-temporale Durchmesser ist 
also kürzer als der dorso-ventrale, ganz wie dies auch für Säuge- 
tiere korrespondierenden Alters gilt. Diese Verkürzung des 
horizontalen Durchmessers ist bei Embryonen mit 15 Urwirbeln 
grösser als bei solehen mit 13. Bekanntlich stehen Hühner- 
embryonen dieser Entwicklungsstufe am Ende des zweiten oder 
Anfang des dritten Tages. Die gleiche Verkürzung des horizon- 
talen Durchmessers der primären Augenblase kann man übrigens 


auch bei Entenembryonen konstatieren. Bei Embryonen von 8 
35* 


376 CarlRabl: 


und 9 Urwirbeln ist die Augenblase von oben betrachtet ungefähr 
kugelig, bei einem Embryo von 10 Urwirbeln beginnt sich schon 
eine Verkürzung des horizontalen Durchmessers bemerkbar zu 
machen und bei Embryonen von 11, 12, 13 und 14 Urwirbeln 
tritt diese ebenso deutlich hervor wie bei den erwähnten Hühner- 
embryonen. — Viel schärfer aber ist die bilaterale oder naso- 
temporale Symmetrie des Auges bei Embryonen aus der zweiten 
Hälfte des dritten Tages ausgeprägt. An einer Sagittalschnittserie 
durch einen Embryo von 2 Tagen 16 Stunden, bei dem natürlich 
schon längst eine sekundäre Augenblase vorhanden ist und das 
Linsenbläschen nur mehr mit ganz enger, ovaler, senkrecht ge- 
stellter Öffnung nach aussen mündet, ist die Augenblase stark 
von vorn nach hinten zusammengedrückt, so dass sich der hori- 
zontale Durchmesser zum vertikalen wie 23:32 verhält. Zieht 
man von der fötalen Augenspalte eine Linie senkrecht nach oben, 
so teilt man den Augenbecher in zwei symmetrische Hälften. 
Die Symmetrie wird noch dadurch erhöht, dass der Glaskörper- 
raum eine leichte nasale und temporale Ausbuchtung besitzt, dass 
in der oberen Wand des Augenbechers eine Höhle auftritt, etwa 
ähnlich wie bei einem Schweineembryo korrespondierenden Alters, 
dass auch vorn und hinten in den Umschlagsrändern des Bechers 
Höhlen erscheinen, dass vom Augenhintergrund in der Mitte ein 
flacher Wulst vorspringt und dass endlich auf den Schnitten, die 
das Augenbläschen gerade in der Mitte treffen, also sein Lumen 
in der grössten Ausdehnung zeigen, der Augenbecher ganz deut- 
lich eine dorsale, nasale und temporale Wand unterscheiden lässt; 
die drei Wände gehen in ungefähr rechten, abgerundeten Winkeln 
ineinander über. Dabei sind ausserdem vordere und hintere 
Wand noch deutlich in zwei Abschnitte geteilt, so dass man an 
der Wand der Augenblase dieselben Abschnitte unterscheiden 
kann wie etwa bei einem Schaf oder Schwein. Zwischen die 
ventralen, gegeneinander gebogenen Hälften der vorderen und 
hinteren Wand schneidet die fötale Augenspalte ein. 

Bei ein wenig älteren Embryonen kann man schon bei der 
Untersuchung in toto die Symmetrie ohne weiteres erkennen. So 
liegen mir drei Ansichten eines Hühnerembryo von 2 Tagen 
21 Stunden vor, von denen die Seitenansicht nicht bloss die Kom- 
pression des Auges in der Richtung von vorn nach hinten, sondern 
vor allem auch die Lappung des Becherrandes sehr deutlich 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 377 
erkennen lässt. Man bemerkt deutlich eine vordere und hintere 
dorsale Randkerbe, genau in derselben Lage, wie etwa bei einem 
Schafembryo. Und wenn nun auch eigentliche ventrale Kerben 
nicht vorhanden sind, so weist doch der flache Bogen, den vorderer 
und hinterer Rand beschreiben, auf solche Kerben hin. 

Am deutlichsten aber, so klar, dass sich selbst der Un- 
gläubigste überzeugen muss, ist die bilaterale oder nasotemporale 
Symmetrie des Auges wohl bei Embryonen vom Ende des vierten, 
oder Anfang des fünften Tages, also zur Zeit, wo schon äusser- 
lich die Symmetrie durch einen hellen vertikalen Streifen gegen- 
über der fötalen Augenspalte angezeigt ist (Fig. 10 und 11 der 
Taf. XIII). Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass der helle 
Streifen in einem Pigmentmangel des äusseren Blattes der Augen- 
blase seine Ursache haben möge. Nun kann ich aber auf 
Schnitten von einer pigmentfreien Stelle in der Mitte der dorsalen 
Wand nichts finden. Nichtsdestoweniger halte ich diese Erklärung 
für wahrscheinlich. Wenn auf einem Schnitte eine oder zwei 
Zellen des äusseren Blattes der Augenblase nicht pigmentiert 
sind, so fällt dies nicht ohne weiteres auf, ja, es kann selbst, 
wie mir scheint, bei speziell darauf gerichteter Aufmerksamkeit 
schwer festzustellen sein. Jedenfalls ist der Gegenstand noch 
einer weiteren Untersuchung bedürftig. Dass aber an der Sym- 
metrie des ganzen Auges nicht zu zweifeln ist, zeigen die unten- 
stehenden Skizzen (Textfiguren 1—3) von drei Äquatorialschnitten 


1 2 3 
Textfig. 1-3. Äquatorialschnitte durch das Auge eines Hühnerembryo mit 
ca. 40 Urwirbeln. 80 x vergrössert. n nasal, t temporal. 


© 


18 CarlRabl: 

durch ein Auge eines Hühnerembryo mit ca. 40 Urwirbeln. 
Embryonen dieser Entwicklungsstufe stehen ungefähr am Ende 
des vierten Tages, sind also beiläufig so alt wie der in Fig. 10 
abgebildete Embryo. Freilich ist bei solchen Altersangaben immer 
zu bedenken, dass der Ausbildungsgrad gleichalter Embryonen 
ein sehr verschiedener sein kann. Daher halte ich im allgemeinen 
Angaben nach der Zahl der Urwirbel für zweckmässiger als solche 
nach der Bebrütungsdauer. — Die erste der drei Skizzen (A) 
zeigt einen Schnitt, der ungefähr durch die Mitte des Auges geht. 
Die Linse ist noch eben getroffen. Der Augenbecher ist 
deutlich bilateral-symmetrisch: eine Ebene, welche senkrecht 
von der fötalen Augenspalte zur Mitte der dorsalen Wand 
zieht, teilt ihn in eine nasale (n) und temporale (t) Hälfte. — 
Ebenso ist auch auf der nächsten Skizze (B) die Symmetrie 
deutlich zu erkennen. Der Schnitt trifft das Auge schon näher 
dem Hintergrund und zeigt einen von der dorsalen Wand in den 
Glaskörperraum vorspringenden Wulst des inneren Blattes der 
Augenblase; der Wulst erinnert an die Falte, die wir bei allen 
untersuchten Säugetieren kennen gelernt haben. Durch die fötale 
Augenspalte dringt hier ein Gefäss ein, das wohl sicher später zur 
Arterie des Fächers wird. — Die dritte Skizze (U) zeigt einen 
Schnitt ganz weit innen. Hier springt in der Tat die dorsale 
Wand deutlich in Form einer sehr flachen Falte nach unten vor. — 
Der hier nur mehr sehr enge Glaskörperraum wird fast ganz von 
einer Arterie eingenommen. Ausser den beiden engen Räumen 
in den Umschlagsrändern der Augenblase ist noch ein sehr grosser 
taum in der dorsalen Wand derselben enthalten. Alle diese 
Eigentümlichkeiten tragen dazu bei, die Symmetrie des Auges 
deutlich hervortreten zu lassen. 

Was nun die Kiemenbogenregion, die fast an allen bisher 
vorliegenden Abbildungen von Hühnerembryonen sehr mangelhaft 
wiedergegeben ist, betrifft, so bemerke ich folgendes: Bei einem 
Embryo von 2 Tagen 21 Stunden, demselben, von dem ich schon 
gesprochen habe, übertrifft bereits der zweite Kiemenbogen 
oder Hyoidbogen alle anderen an Grösse ; auch lässt er bereits die 
Andeutung einer Teilung in einen dorsalen und ventralen Abschnitt 
erkennen. Das dorsale Ende der ersten äusseren Kiemenfurche 
ist deutlich vertieft. Die zweite Kiemenfurche trifft in ihrer 
dorsalen Verlängerung eben noch die hintere Wand des Gehör- 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 379 


bläschens. Der dritte Kiemenbogen ist nach hinten gut begrenzt, 
der vierte dagegen noch nicht; von einem fünften ist noch keine 
Spur zu sehen. Bei zwei Embryonen von 3 Tagen 6 Stunden, 
von denen mir je drei Ansichten vorliegen, sind fünf Kiemenbogen 
in guter Begrenzung sichtbar. Wie früher, ist auch jetzt der zweite 
der grösste, sein Operkularfortsatz (Dursy), der bei der Entwick- 
lung des Halses eine wichtige Rolle spielt, tritt deutlich hervor. Der 
dritte Kiemenbogen ist sehr viel kleiner als der zweite, aber ebenso 
viel grösser als der vierte, der tiefer liegt und keine weitere 
Gliederung aufweist. Der vierte Kiemenbogen ist kaum halb so 
breit als der dritte und zugleich recht unansehnlich. Der fünfte 
ist weitaus der kleinste, kaum halb so breit als der vierte, weshalb 
es begreiflich ist, dass er so lange übersehen werden konnte. 
Bekanntlich hat ihn Kastschenko entdeckt. Weder bei Duval 
noch bei Keibel findet sich aber eine Abbildung, die diesen 
Kiemenbogen zeigt. Dorsal vom dritten, vierten und fünften 
Kiemenbogen findet sich auch beim Huhn die von His beschriebene 
tetrobranchialleiste, die genau so wie bei den Säugetieren dorsal 
hinter der Kiemenbogenregion ventralwärts umbiegt und zur 
Herzwölbung zieht. Wie ich schon in meinem Vortrag „über 
die Entwicklung des Halses“ (1886) gesagt habe, hat die Retro- 
branchialleiste mit der Extremitätenleiste, die man fälschlich als 
W olffsche Leiste zu bezeichnen pflegt, gar nichts zu tun: denkt 
man sich die Extremitätenleiste proximalwärts verlängert, so 
würde sie nicht die Retrobranchialleiste treffen, sondern dorsal- 
wärts von ihr zu liegen kommen. Die Angabe von His, dass 
die erstere eine Fortsetzung der letzteren sei, ist also unrichtig, 
wie ich schon vor langer Zeit bemerkt habe. — ‘Der nächste 
Embryo, von dem ich gleichfalls drei Bilder besitze, war 3 Tage 
8 Stunden alt. Obwohl er ein wenig älter war als die beiden 
vorigen, schien er doch etwas weniger weit entwickelt gewesen zu 
sein; jedenfalls war an ihm nichts von einem fünften Kiemenbogen 
zu sehen. Dieser ist übrigens nur eine ganz vorübergehende Er- 
scheinung. Er rückt sehr bald in die Tiefe und verschwindet. 
Dies ist schon bei einem Embryo von 3 Tagen 16 Stunden der Fall. 

Dann kommen die zwei Embryonen, die ich in Seitenansicht 
auf Taf. XIII abgebildet habe; daran sind die Kiemenbogen gut 
zu sehen. Vor allem sieht man, wie der dritte Kiemenbogen 
vom mächtigen zweiten überwachsen und in die Tiefe gedrängt 


550 CarlRabl: 


wird. Auch von diesen Embryonen besitze ich noch je zwei 
andere Ansichten, muss es mir aber, wenigstens für dieses Mal, 
versagen, sie reproduzieren zu lassen. Bekanntlich wächst später 
der zweite Kiemenbogen auch über den vierten hinweg, wie er 
denn überhaupt einen sehr wesentlichen Anteil an der Bildung 
der oberflächlichen ventralen Gebilde des Halses nimmt. 

Ausser an Hühnerembryonen habe ich auch an Enten- 
embryonen die bilaterale Symmetrie des Auges untersucht. Von 
Sagittalschnittserien, die hier besonders in Frage kommen, besitze 
ich solche von Embryonen von 4, 5 und 6 Tagen. Die drei 
Embrvonen von 5 Tagen waren sehr verschieden weit entwickelt. 
3ei den zwei weiter entwickelten von ihnen war ohne weiteres 
die Ähnlichkeit mit den Verhältnissen bei Hühnerembryonen zu 
erkennen. Hierbei fiel mir aber noch eine andere Eigentümlichkeit 
auf. Das äussere Blatt der Augenblase war an der nasalen und tempo- 
ralen Wand mindestens doppelt so dick als in der Mitte der dorsalen. 
Die Pigmentierung hatte bereits begonnen, war aber noch nicht 
sehr kräftig. Und nun machte ich an diesen beiden Embryonen 
eine Beobachtung, die mit allen bisherigen Angaben über Pigment- 
bildung im Vogelauge im Widerspruch steht. Ich hatte schon 
vor langer Zeit (1889 in meinem Berliner Vortrag „über die 
Prinzipien der Histologie“) hervorgehoben, dass das Pigment in 
einem Epithel stets nur an der freien Seite der Zellen zur Aus- 
bildung komme; später, wenn die Pigmentkörnchen sich häufen, 
können sie allerdings an der Seite des Kerns nach der Basis 
verschoben werden; die eigentliche Bildungsstätte oder gewisser- 
massen die Fabrik des Pigments sei aber stets an der freien 
Seite der Zelle zu suchen. Diese Angabe trifft, wie ich schon da- 
mals hervorhob, auch für das Pigmentepithel der Retina vollkommen 
zu, und wir haben gesehen, wie streng sich die Pigmentbildung 
der Säugetiere an dieses Gesetz hält. Nun wurde aber diese 
Angabe bestritten ; es wurde gesagt, sie gelte zwar für die meisten 
Säugetiere, aber nicht für die Vögel. Ich muss gestehen, dass 
ich anfangs selbst in Zweifel geriet; ich hatte ältere Vogel- 
embryonen (Hühner und Enten) untersucht und glaubte bestätigen 
zu müssen, dass hier das erste Pigment an der basalen Seite der 
Zellen erscheine. Nun stellte sich später heraus, dass ich in den- 
selben Irrtum verfallen war, wie meine Kritiker: ich hatte zu 
alte Embryonen untersucht. Untersucht man Entenembryonen 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 381 


von 5 Tagen, so kann man unmöglich darüber im Zweifel bleiben, 
dass auch hier, genau so wie bei den Säugetieren und bei allen 
anderen Wirbeltieren, das Pigment an der freien Seite der Zellen 
entsteht. Die Zellen des Pigmentepithels werden aber bei den 
Vögeln bald sehr niedrig und dann rückt das alte Pigment nach 
der basalen Seite und nur die neu entstehenden Körnchen 
bleiben, wenigstens zunächst, an der freien Seite liegen, um dann 
der Mehrzahl nach gleichfalls nach der basalen zu rücken. Die 
Bildungsstätte des Pigmentes ist also auch hier, 
genau so wie bei den Säugetieren, die freie, nicht 
die basale Seite. 

Nach dem Gesagten kann es also nicht im geringsten 
zweifelhaft sein, dass das Auge der Vögel, geradeso wie 
das der Säugetiere, eine strenge bilaterale Sym- 
metrie in Beziehung auf die nasale und temporale Hälfte erkennen 
lässt. Der vertikale Meridian teilt das Auge in zwei symmetrische 
Hälften. — 

Was die Literatur betrifft, so konnte ich ebensowenig 
wie hinsichtlich der Säugetiere irgend eine Andeutung finden, 
die darauf hätte schliessen lassen, dass man von der seitlichen 
Symmetrie des Vogelauges schon früher Notiz genommen hat. 
Nur in den Normentafeln von Keibel und Abraham finde 
ich auf Taf. I, Fig. 24, 25 und 26 drei Embryonen mit hellem 
Streifen im dorsalen Meridian abgebildet. Im Text konnte ich 
aber keinen Hinweis auf diese Eigentümlichkeit finden. Sollte 
der ungenannte Zeichner der Tafeln den Streifen gesehen, Keibel 
ihn aber weder an den Embryonen, noch auch, was kaum glaublich 
wäre, an den Zeichnungen bemerkt haben? Einer der drei 
Embryonen war 3 Tage 16 Stunden alt, die beiden anderen 4 Tage 
S Stunden. Keibels Zeichner hat also den Streifen genau 
zur selben Zeit oder in demselben Alter der Embryonen gesehen, 
wie ich. — Nun aber sind noch drei etwas ältere Embryonen 
abgebildet, die ausser dem vertikalen noch einen nasalen und 
temporalen horizontalen Streifen besitzen. Die Embryonen 
waren 4 Tage 18!/, 5 Tage 1!/g und 5 Tage 15 Stunden alt. Bei 
älteren Embryonen war davon nichts mehr zu sehen. Was 
für eine Bewandtnis es mit diesen zwei horizontalen Streifen hat, 
muss ich vorderhand dahingestellt sein lassen. Ihre Existenz 
zu leugnen, halte ich angesichts der sehr klaren Zeichnungen 


382 CarlRabl: 


nicht für möglich. Mir fehlt aber bisher jede Erfahrung darüber. 
Seitdem ich die Streifen an den Keibelschen Zeichnungen be- 
merkte, hatte ich keine (Grelegenheit, die Richtigkeit der Angabe 
zu kontrollieren. Jedenfalls wird hier noch eine weitere Unter- 
suchung notwendig sein. Natürlich müssten die Streifen eine 
andere Bedeutung haben, wie der vertikale. Das Auge würde 
also dann in vier Quadranten zerfallen. 

B. Reptilien. Nachdem es mir gelungen war, bei den 
Vögeln, vor allem beim Huhn, die bilaterale Symmetrie des Auges 
festzustellen, hielt ich es natürlich für sehr wahrscheinlich, dass 
derselbe Nachweis auch für Reptilien gelingen müsse. Ich wandte 
mich zuerst an das nächstliegende Objekt, die Eidechse, und fand 
sowohl bei Lacerta agilis als viridis meine Erwartung vollkommen 
erfüllt. Schon bei Embryonen von etwa 17 Urwirbeln und weit 
offenem Gehörbläschen, dann bei solchen mit 23 Urwirbeln und 
fast abgeschnürtem (rehörbläschen, ist auf Sagittalschnitten durch 
die Embryonen, also Äquatorialschnitten durchs Auge, die bila- 
terale Symmetrie ohne weiteres erkennbar. Wie bei jüngeren 
Hühnerembryonen gibt sie sich auch hier zunächst durch eine 
Verkürzung der Augenblase im naso-temporalen und eine Ver- 
längerung im dorso-ventralen Durchmesser zu erkennen. Wie sich die 
bilaterale Symmetrie bei einem Embryo von L. viridis mit 33 Ur- 
wirbeln auf dem Äquatorialschnitt ausnimmt, zeigt die Textfig.4. Die 
Augenblase ist sehr stark von vorn nach 
hinten zusammengedrückt und eine senk- 
recht von der Mitte der sehr weiten fötalen 
Augenspalte zur Mitte der dorsalen Wand 
gezogene Ebene teilt den Bulbus in zwei 
einander spiegelbildlich vollkommen gleiche 
Hälften. In der oberen Wand findet sich 
zwischen den beiden Blättern der Augen- 
blase eine ansehnliche, sichelförmige Höhle, 
ein Rest des „Sehventrikels“. Die innere 

Textfig. 4. Kontur des inneren Blattes der Augen- 
Äquatorialschnitt durch blase bildet über der Linse einen Spitz- 
das Auge eines Embryo pogen und die Wand der Blase erscheint 
ne en Bo NR im Bereiche dieses Bogens, also in der Mitte 

arössert. der dorsalen Wand, beträchtlich dünner als 
n nasal, t temporal. vorn und hinten, alles Eigentümlichkeiten, 


3ilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 383 
die keinen Zweifel daran lassen, dass auch hier das Auge bi- 
lateral-symmetrisch gebaut ist. 

Wesentlich die gleichen Verhältnisse, wenn auch etwas 
weniger schön, zeigte ein Embryo von Lacerta agilis von der 
gleichen Urwirbelzahl. Nebenbei bemerke ich, dass Embryonen 
der Smaragdeidechse im allgemeinen für embryologische Unter- 
suchungen günstiger sind, als solche der Zauneidechse. — 
Ein Embryo von Lacerta viridis mit 35—36 Urwirbeln liess 
zwar auch die bilaterale Symmetrie des Auges erkennen, jedoch 
war dieses von vorn nach hinten nicht so stark zusammengedrückt, 
sondern näherte sich bereits mehr der Kugelform. Sehr eigentüm- 
lich war in diesem Fall, und ebenso auch bei einem Embryo von 
Lacerta agilis mit 40 Urwirbeln, das Verhalten des Augenblasen- 
stiels zur Augenblase. Es erinnerte einigermassen an das Ver- 
halten beim jungen menschlichen Embryo, von dem ein diese 
Eigentümlichkeit zeigender Schnitt auf Taf. XII, Fig. 3 abge- 
bildet ist. Der Stiel der Augenblase tritt nämlich bei Lacerta- 
embryonen des erwähnten Alters von unten her an die Augenblase 
heran, so dass man auf einem und demselben Sagittalschnitt durch 
den Kopf noch etwas vom Augenhintergrund und zugleich bereits 
den Augenblasenstiel zu Gesicht bekommen kann. Natürlich ist 
diesem Verhalten keinerlei prinzipielle Bedeutung beizumessen. 

Endlich war ich noch in der glücklichen Lage, ein paar 
Hatteria-Embryonen auf die Symmetrie des Auges hin zu unter- 
suchen. Das Material stammte aus der von Thilenius im 
Jahre 1898 mitgebrachten Sammlung von Hatteria-Embryonen, 
von denen mir Waldeyer einen Teil zur Untersuchung überliess. 
wofür ich ihm zu grossem Dank verpflichtet bin. Über dieses 
Material vergleiche man meine Mitteilung in der Monographie über 
van bBeneden 1915, S. 344. Allerdings ist das für die vor- 
liegende Frage in Betracht kommende Material nur auf zwei 
Sagittalschnittserien älterer Embryonen beschränkt; der eine 
von Ihnen hatte 40—45, der andere ungefähr 48 Urwirbel. Bei 
beiden war der vertikale Durchmesser der Augenblase grösser 
als der horizontale, in beiden Fällen waren also die Augen von 
der nasalen zur temporalen Seite etwas zusammengedrückt. Bei 
dem jüngeren der beiden Embryonen betrug das Verhältnis 
zwischen vertikalem und horizontalem Durchmesser auf einem 
Aquatorialschnitt, der eben noch die Linse an der hinteren 


384 CamFRramıl: 


Fläche streifte, 32:25. Zugleich sprang bei diesem Embryo, 
ähnlich wie bei Hühnerembryonen korrespondierenden Alters, von 
oben und hinten in den Glaskörperraum ein Wulst vor, der mit 
der dorsalen vertikalen Falte des Innenblattes der Augenblase 
eines Säugetieres zu vergleichen ist. Bei dem älteren der beiden 
Hatteria-Embryonen war das Verhältnis zwischen vertikalem und 
horizontalem Durchmesser auf einem Äquatorialschnitt durch die 
hintere Fläche der Linse 35:32; das Auge hatte sich also schon 
der Kugelform genähert. Weiter lateralwärts, auf Schnitten, 
welche die Linse in ihrer äusseren Hälfte trafen, betrug das 
Verhältnis 30:27 und hinter dem Äquator, in der Nähe des 
Augengrundes, 37:31. Übrigens gleicht sich das Verhältnis 
zwischen Höhen- und (Querdurchmesser auch bei Lacerta später 
aus. — Ich besitze noch Sagittalschnittserien durch den Kopf von 
Embryonen von Lacerta agilis vom 1,6, 2,0, 2,4, 2,9, 3,3—3,4, 
4,6 und 5,6 em Länge, ferner von Lac. vivipara-Embryonen von 
2,0 und 3,5 em und eine von Anguis fragilis von 5,5—6,0 cm 
Länge; aus den Schnittbildern geht hervor, dass überall das 
ursprüngliche Höhen-Breitenverhältnis verloren geht und dass 
sich das Auge mehr der Kugelform nähert; ja es scheint sogar, 
als ob später der Höhendurchmesser geringer würde als der 
Breitendurchmesser. In letzterer Hinsicht ist es aber schwer, nach 
den Sagittalschnittserien ein sicheres Urteil abzugeben, da die 
Augen sich allmählich schief stellen und die Sagittalschnitte durch 
den Kopf die Augen nicht mehr senkrecht auf ihre Achse treffen. 

C. Anamnier. a) Amphibien. Über die bilaterale 
Symmetrie des Amphibienauges kann ich wenig mitteilen, obwohl 
ich eine sehr grosse Zahl von Serien durch die Köpfe von Urodelen 
besitze. Es stehen mir Schnittserien vom Axolotl, Triton, Salamander 
und Necturus in grosser Zahl zur Verfügung: aber es handelt 
sich grösstenteils um Querschnittserien und solche sind zur Lösung 
unserer Frage ungeeignet. Viel weniger zahlreich sind meine 
Sagittal- und Horizontalschnittserien, ja von Necturus fehlen mir 
solche ganz. Dazu kommt noch als erschwerender Umstand, dass 
die Augen anfangs nach aussen und unten, dann kurze Zeit zwar 
direkt nach aussen, zuletzt aber nach aussen und oben sehen 
und dass die Augenachsen nach hinten konvergieren. Es ist 
daher in jedem einzelnen Fall schwer, die beste Schnittrichtung 
zu treffen. In der Tat hat mir eine Serie, die nach jeder Richtung 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 3355 


etwas schief geraten war und die ich nur durch einen Zufall 
aufbewahrt habe, die besten Dienste geleistet. Hätte ich nicht 
schon durch meine Untersuchungen an Sauropsiden und vor allem 
an Säugetieren Kenntnis von der bilateralen Symmetrie des 
Auges gehabt. so würde ich kaum bei den Amphibien so hartnäckig 
darnach gesucht haben; ja ich glaube fast, dass ich sie übersehen 
hätte. Nun aber habe ich doch einiges gefunden, was mich 
nicht daran zweifeln lässt, dass auch die Amphibien hinsichtlich 
der bilateralen oder naso-temporalen Symmetrie des Auges keine 
Ausnahme machen. 

Dass schon in sehr frühen Stadien der Entwicklung. zur 
Zeit, als die erste Spur einer Linsenplatte bemerkbar wird, ein 
auffallender Unterschied zwischen den beiden Blättern der Augen- 
blase wahrnehmbar ist, habe ich schon in meiner ersten Ab- 
handlung über den Bau und die Entwicklung der Linse (1895) 
mitgeteilt. In einem Stadium, in welchem ein Axolotl-Embryo 
ungefähr 24 Urwirbel besitzt und die Linsenanlage eine dicke, 
aus Zylinderzellen zusammengesetzte Platte bildet, sind die beiden 
Wände der Augenblase schon ganz typisch voneinander verschieden. 
„Die mediale Wand“, so schrieb ich damals, „ist ungemein dünn 
und aus sehr flachen Zellen zusammengesetzt, die laterale, 
äussere, dick und schon deutlich von aussen her an der Stelle, 
wo sich die Linsenplatte findet, eingebuchtet.*“ Ebenso teilte ich 
damals mit, dass „der typische Unterschied zwischen den beiden 
Wänden der Augenblase sich beim Axolotl schon lange vor dem 
ersten Auftreten der Linse zu erkennen gibt. Ja sogar bei 
Embryonen mit 13 Urwirbeln erscheint die laterale Wand der 
primären Augenblase dicker als die mediale“. Von Embryonen 
dieser Stadien besitze ich leider keine Sagittalschnittserien. Die 
ersten besitze ich von Stadien, in welchen die Linsenplatte bereits 
zu einem tiefen Säckchen, etwa wie es auf Taf. XXX, Fig. 3 
meiner Linsenarbeit abgebildet ist, eingesenkt war. Eine sichere 
bilaterale Symmetrie lässt sich an den Schnitten allerdings nicht 
erkennen, abgesehen von der fötalen Augenspalte; andererseits 
war aber auch nichts zu sehen, was gegen das Vorhandensein 
einer solchen Symmetrie gesprochen hätte. — Der Schnitt, den ich 
auf Taf. XIII, Fig. 9 dieser Abhandlung abgebildet habe, gehört 
der erwähnten, etwas schief geratenen Sagittalschnittserie an. 
Das Auge des Embryo war ungefähr so weit entwickelt wie das 


386 Gamer abi: 


auf Taf. XXX, Fig. 5 meiner Linsenarbeit abgebildete; die Linsen- 
tfasermasse füllte also die Höhle des Linsenbläschens bis auf einen 
ganz engen spaltförmigen Raum vollständig aus. Die Achsen der 
beiden Augen konvergierten etwas nach innen und unten; die 
Augen sahen also ein wenig nach oben. Am Schnitt fällt ohne 
weiteres die bilaterale Symmetrie auf; die Augenblase besteht 
aus zwei Lappen, die an der ventralen Seite durch eine breite 
Lücke getrennt, dorsalwärts aber durch eine mächtige Brücke 
verbunden sind. Bevor ich auf dieses Bild genauer eingehe, will 
ich über die weiter lateralwärts gelegenen Schnitte der Serie 
ein paar Worte sagen. Der abgebildete Schnitt ist bei einer 
Schnittdicke von 7,5 « der vierte, von aussen gerechnet, der 
etwas vom Auge zeigt; der erste zeigt bloss einen Anschnitt der 
äusseren Linsenwand; der zweite trifft die Linse voller und 
enthält auch bereits die Anschnitte eines nasalen und temporalen 
vandlappens der Augenblase. Der nasale ist weniger voll getroffen 
und daher kleiner als der temporale. Die beiden Lappen sind 
durch eine Brücke dorsalwärts miteinander verbunden, die erheblich 
schmäler ist als sie selbst. Die beiden Lappen und die sie ver- 
bindende Brücke bestehen zunächst aus dem ungemein flachen 
Pigmentepithel, das über den beiden Lappen auch noch die An- 
schnitte des inneren Blattes der Augenblase bedeckt. Der dritte 
Schnitt zeigt die Linse wesentlich so, wie der abgebildete Schnitt; 
von der Augenblase lässt der Schnitt wieder einen etwas kleineren 
nasalen und grösseren temporalen Lappen unterscheiden, die durch 
eine dorsale Brücke miteinander verbunden sind. Am temporalen 
Lappen ist das innere Blatt völlig freigelegt, das äussere oder 
Pigmentblatt ist also mit dem zweiten Schnitt vollständig entfernt; 
natürlich wird aber das Innenblatt lateralwärts vom Pigmentblatt 
bedeckt. Der nasale Lappen ist, wie gesagt, kleiner, also weniger 
voll getroffen, und an ihm ist bloss in der Mitte das Pigmentblatt 
entfernt, so dass man nur hier, nicht am ganzen Lappen, das 
innere Blatt sieht. Die die beiden Lappen verbindende Brücke 
besteht fast nur aus dem Pigmentblatt; nur unmittelbar dorsal 
von der Linse ist das innere Blatt, also die innere Lamelle der 
Pars caeca retinae, angeschnitten. — Der nun folgende vierte Schnitt 
ist, wie gesagt, in Fig. 9 abgebildet. Auch er zeigt noch den 
nasalen, dünneren und den temporalen, dickeren Lappen, beide 
an der ventralen Seite durch eine breite Lücke getrennt, die sich 


jilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 357 


schon am zweitnächsten Schnitt zur fötalen Augenspalte verengt, 
und dorsalwärts durch eine jetzt schon recht breite Brücke ver- 
bunden. Der nasale Lappen ist in seinem unteren Drittel noch 
vom Pigmentblatt bedeckt, das aber schon den Anschnitt des 
inneren Blattes durchschimmern lässt; in seinen beiden oberen 
Dritteln besteht der Lappen aus dem inneren dicken Blatt der 
Pars optica retinae und dem ihm aufliegenden, dünnen, aber 
jedenfalls noch schief geschnittenen, äusseren oder Pigmentblatt. 
Der hintere oder temporale Lappen zeigt wesentlich dieselben 
Verhältnisse, nur ist das Innenblatt an ihm dicker, weil es 
bereits um eine Spur weiter medial getroffen ist, und zugleich 
das Pigmentblatt dünner, und zwar aus dem gleichen Grund. 
Die die beiden Lappen dorsal verbindende Brücke, die auf dem 
vorigen Schnitt in ihren zwei dorsalen Dritteln aus dem Pigment- 
blatt, in ihrem unteren Drittel aus der inneren Lamelle der Pars 
caeca bestand, besteht jetzt umgekehrt in ihrem dorsalen Drittel 
aus dem noch ziemlich flach angeschnittenen Pigmentblatt, in 
ihren zwei ventralen Dritteln aber schon aus dem vordersten Teil 
der inneren Lamelle der Pars optica retinae. — Zwei Schnitte 
weiter medianwärts treten die unteren Ränder der beiden Lappen 
zur Begrenzung der fötalen Augenspalte aneinander. Nun ist es 
in hohem Grad auffallend, dass auf diesem Schnitt, der die Linse 
ziemlich genau in der Mitte trifft, diese die dorsale und ventrale Wand 
der Augenblase berührt, dagegen nasal und temporal ein sehr 
ansehnlicher Glaskörperraum übrig bleibt. Ein Glaskörperraum 
findet sich also auf diesem Schnitt nur im nasalen und temporalen 
Lappen der Augenblase, nicht auch dorsal und ventral von der 
Linse. Dies ist erst auf dem nächstfolgenden, aber auch einzig 
und allein auf diesem Schnitt der Fall. Nur hier also stehen 
der vordere und hintere Glaskörperraum dorsal von der Linse 
in Verbindung. Schon am zweitfolgenden Schnitt legt sich die 
Linse dicht an die dorsale Wand der Augenblase an, löst sich 
aber von der ventralen Wand los, so dass die beiden Hälften 
des Glaskörperraumes nur ventral, nicht dorsal miteinander in 
Verbindung stehen. Zugleich zeigt dieser Raum auf diesem und 
allen folgenden Schnitten, soweit er zu sehen ist, also auch an 
den Schnitten medial von der Linse, eine ausgesprochene bilaterale 
oder naso-temporale Symmetrie. An den ersten Schnitten hinter 
der Linse hat er die Form eines hohen gleichschenkeligen 


388 CarlRab!: 


Dreiecks mit ventraler Basis und dorsaler Spitze. — Es kann 
also keinem Zweifel unterliegen, dass bei diesem Embryo die 
Augenblase ganz in demselben Sinne eine bilaterale 
oder naso-temporale Symmetrie aufweist, wie bei 
den Embryonen der Sauropsiden und Säugetiere. 

Desgleichen konnte ich mich an einer Sagittalschnittserie 
eines etwas jüngeren Embryo — ich hatte notiert, dass er 36 
bis 37 Urwirbel besass — von der bilateralen Symmetrie der 
Augenblase überzeugen. Auch diese Serie wich etwas von der 
Medianebene ab, aber sie ging doch mehr sagittal durch den 
Kopf als die vorige. Der erste Schnitt, der die Augenblase 
traf, zeigte den nasalen und temporalen Lappen, beide sowohl 
dorsal als ventral voneinander vollständig getrennt; erst auf 
dem zweiten Schnitt trat die Verbindung der beiden Lappen an 
der dorsalen Seite ein. An den Augen dieses Embryo war auch 
ganz deutlich eine allerdings nur sehr niedrige, flache Falte 
sichtbar, die von der dorsalen Wand der Augenblase gegen die 
Linse und den Glaskörperraum vorsprang, und wenn sie auch 
nur wenig entwickelt war, so erinnerte sie doch sofort an die 
dorsale Retinafalte der Säugetierembryonen. Sie unterschied 
sich aber andererseits doch wieder von dieser insofern, als die 
Augenblase in ihrem Bereiche dünner war, als im Bereiche der 
beiden Lappen. Der Glaskörperraum wies also auch hier eine 
bilaterale Symmetrie auf. In beiden Fällen war die fötale 
Augenspalte bis auf einen kleinen lateralen Rest geschlossen. 

Aber auch in späteren Stadien kann man manche Erschei- 
nung beobachten, die wohl sicher im Sinne einer bilateralen oder 
naso-temporalen Symmetrie zu deuten ist. Dies gilt namentlich 
von der Form der Retina und des Glaskörpers auf Horizontal- 
schnitten. Die Bilder von Horizontalschnitten durch die Augen 
junger Tritonlarven, deren vordere Extremitäten erst zwei Finger- 
stummel aufweisen, erinnern in hohem Grad an die Bilder von 
Horizontalschnitten junger, eben aus dem Ei geschlüpfter Stör- 
larven, wie ich ein solches auf Taf. XIII, Fig. 5 wiedergegeben 
habe und von denen später die Rede sein wird. Die Scheidung 
in eine Pars optica und Pars caeca retinae ist schon ganz 
deutlich, deutlicher und schärfer bei Triton als bei Acipenser, 
und in beiden Fällen sind die Schichten der Retina schon mit 
voller Sicherheit und in voller Zahl zu erkennen. Allerdings ist 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 389 


auch in dieser Beziehung die Differenzierung beim Triton schon 
etwas weiter fortgeschritten als beim Stör. So wie man nun einen 
Horizontalschnitt durch das Auge eines Störs, wie er in Fig. 5, 
Taf. XIII abgebildet ist, durch einen senkrechten Schnitt in zwei 
symmetrische Hälften, eine nasale und eine temporale, zerlegen 
kann, so ist dies auch bei einem Horizontalschnitt durch das 
Auge eines Triton der erwähnten Entwicklungsstufe möglich: 
eine vertikale Ebene scheidet die Retina und das ganze Auge in 
eine nasale und eine temporale Hälfte; die nasale ist das Spiegel- 
bild der temporalen. Der Glaskörperraum ist auf dem Horizontal- 
schnitt in der nasalen Hälfte von derselben Grösse und Form 
wie in der temporalen, genau so wie beim Stör. Während aber 
hier der vordere und hintere Winkel abgerundet sind, also Pars 
caeca und Pars optica im Bogen ineinander übergehen, sind sie 
bei Triton scharf zugespitzt. Dadurch, dass dies für die nasale 
und temporale Seite in gleicher Weise zutrifft, wird der Eindruck 
der nasotemporalen Symmetrie noch erhöht. 

Ich bin überzeugt, dass weiter fortgesetzte und namentlich 
auch auf die anuren Amphibien ausgedehnte Untersuchungen über 
die bilaterale Symmetrie des Auges noch manche neue, vielleicht 
überraschende Tatsache bringen werden. 

b) Fische. Ich beginne mit den Selachiern, denen manche 
bekanntlich, vor allem seit den Untersuchungen Gegenbaurs, 
eine besonders tiefe Stellung und damit im Zusammenhang eine 
besonders grosse Bedeutung in phylogenetischer Beziehung zu- 
schreiben. Ich habe sowohl Squaliden als Rajiden untersucht und bei 
beiden die bilaterale Symmetrie des Auges mit aller nur wünschens- 
werten Sicherheit nachweisen können. Die Fig. 1 und 2 der 
Taf. XII zeigen zwei aufeinander folgende Schnitte durch das linke 
Auge eines Embryo von Pristiurus melanostomus von ca. 83 Ur- 
wirbeln. Der erste Schnitt (Fig. 1) ist der zweite, der den Rand 
der Augenblase trifft; die ersten vier Schnitte der Serie, welche 
etwas vom Auge zeigen, haben bloss die Linse getroffen (Schnitt- 
dieke=104). Der zweite Schnitt (Fig. 2) ist der nächstfolgende. 
Beide Schnitte zeigen nun ungemein schön und deutlich ausser 
der breiten, ventral gelegenen fötalen Augenspalte noch die 
vier Randkerben der Augenblase, die wir schon von den Säuge- 
tieren her kennen. Geradeso wie dort, können wir auch hier zwei 


dorsale und zwei ventrale Randkerben unterscheiden. Zwei 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt.I. 26 


390 Carl Rabl: 


Randkerben gehören der nasalen, zwei der temporalen Hälfte 
der Augenblase an. Wir zählen also wieder, wie beim Schaf, 
Schwein oder Menschen eine dorsale und ventrale nasale und 
eine dorsale und ventrale temporale Randkerbe. Demnach sind 
auch wieder, wie dort, fünf Randlappen zu unterscheiden. Nur 
sind die beiden ventralen, durch die fötale Augenspalte von- 
einander getrennten, nicht horizontal, sondern schief oder doch 
sehr steil gestellt. Auf dem Schnitt der Fig. 2 und ebenso auch 
auf den sich unmittelbar daran anschliessenden Schnitten der 
Serie kann man also eine dorsale, nasale und temporale Wand 
der Augenblase unterscheiden und sehen, dass nasale und temporale 
Wand nach unten gegen die Augenspalte sich einander nähern. 
Die Seitenwände sind also an den Stellen der ventralen Rand- 
kerben etwas abgebogen. Bei Säugetierembrvonen war an der 
korrespondierenden Stelle eine förmliche Abknickung zu sehen. 
Schon die beiden abgebildeten Schnitte lassen erkennen, dass die 
Augenblase sehr stark von der nasalen zur temporalen Seite 
zusammengedrückt ist. An dem ersten Schnitt, der die Linse 
nicht mehr trifft, und der mit der Äquatorialebene ziemlich genau 
zusammentretfen dürfte, beträgt das Verhältnis des vertikalen 
zum horizontalen Durchmesser 25:20. — An einer Sagittalschnitt- 
serie durch einen Embryo mit 66 Urwirbeln, bei dem die sechste 
Kiemenfurche in Bildung begriffen war, waren zwei dorsale Rand- 
kerben sicher zu konstatieren, ebenso die Kompression des Auges 
in naso-temporaler Richtung. Sehr deutlich waren sowohl die vier 
Randkerben, als auch die fünf Randlappen an einer Sagittalschnitt- 
serie durch einen Embryo von 96—97 Urwirbeln zu sehen. 
Dabei war aber noch folgendes festzustellen: Der dorsale Rand- 
lappen, der sich medianwärts in die dorsale Wand der Augenblase 
fortsetzt, war grösser geworden, die dorsale Wand war also dem- 
entsprechend breiter als früher; auch die oberen Hälften der 
beiden Seitenwände, also die Wände, soweit sie zwischen der 
dorsalen und ventralen Randkerbe liegen, waren. in die 
Länge gewachsen; dagegen hatten sich die unteren Hälften der 
Seitenwände, die in der Mitte durch die fötale Augenspalte 
getrennt sind und bis zu den ventralen Randkerben reichen, 
verkürzt und zugleich mehr horizontal gestellt. — Bei einem 
etwas älteren Embryo ist dies noch mehr ausgeprägt und noch 
deutlicher ist es bei einem Embryo von 18 mm Länge. Hier 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 391 


besitzt ein Äquatorialschnitt durch das Auge geradezu die Form 
eines Trapezes, dessen untere, ventrale Wand am kürzesten ist 
und durch die fötale Augenspalte in zwei gleiche Hälften geteilt 
wird. Dass das Auge auch in diesem Stadium durch eine im 
vertikalen Meridian gezogene Ebene in zwei spiegelbildlich gleiche 
Hälften geteilt werden kann, braucht nicht erst gesagt zu werden. 
Bei dem letzterwähnten Embryo erscheint auf den Schnitten durch 
die laterale Hälfte des Auges die dorsale Wand der Augenblase 
ein wenig dünner als die übrigen Wände, wodurch schon auf 
die späteren Verhältnisse hingewiesen wird. Ich werde darauf 
bei der Besprechung der Schnittbilder von Rochen wieder zurück- 
kommen. 

Die Fig. 3, Taf. XIII zeigt uns einen Schnitt durch das 
Auge eines Embryo von Torpedo ocellata von 21 mm Länge. 
Der Schnitt gehört wieder einer Sagittalschnittserie an, trifft 
also das Auge parallel dem Äquator. Die Linse ist auf sechzehn 
Schnitten getroffen; der abgebildete Schnitt ist der 13., der sie 
trifft. Sie ist also schon sehr nahe dem medialen Pol durchschnitten. 
Das Auge ist im ganzen in 48 Schnitte zerlegt. Da aber nur 
39 davon das innere Blatt der Augenblase treffen und der abge- 
bildete Schnitt der 13. von diesen 39 ist, so dürfte es wohl das 
Richtigste sein, zu sagen, dass der Schnitt genau an der Grenze 
zwischen äusserem und mittlerem Drittel des Auges durchgeht. 
Dahinter kommt allerdings noch der zwischen den beiden Blättern 
der Augenblase liegende, am Augengrund besonders grosse 
Zwischenraum, der einen Rest des „Sehventrikels“ darstellt. Der 
abgebildete Schnitt lässt ohne weiteres die bilaterale Symmetrie 
des Auges erkennen. Zieht man von der fötalen Augenspalte eine 
Linie senkrecht zur Mitte der dünnen dorsalen Wand der Augen- 
blase, so teilt man das Auge in zwei symmetrische Hälften, eine nasale 
oder vordere (n) oder eine temporale oder hintere (t); erstere 
ist auf den Schnitten etwas grösser als letztere, was darin den 
Grund hat, dass das Auge ein wenig schief stand, so dass die 
nasale Hälfte der Augenblase um zwei Schnitte früher getroffen 
wurde als die temporale. Die leichte Asymmetrie, die der 
Schnitt aufweist, ist also lediglich die Folge der Schiefstellung 
des Auges und beruht nicht auf einer wirklichen Asymmetrie. 
Zur Erläuterung dieses Bildes, sowie zum Verständnis der Form 


des Auges überhaupt, muss ich ein wenig weiter ausholen. Der 
26 * 


392 Carl Rabl: 


erste Schnitt der Serie, der etwas vom Auge zeigt, trifft bloss 
das Epithel der äusseren Linsenfläche. Der zweite enthält schon 
den Anschnitt des vorderen Randes oder des nasalen Lappens der 
Augenblase. Noch voller ist dieser Lappen auf dem dritten Schnitt 
getroffen. Der vierte enthält den Anfang der dorsalen und 
ventralen Wand, jene aus zwei Epithellamellen bestehend, diese 
schon mit der fötalen Augenspalte. Der Umstand, dass dorsale 
und ventrale Wand der Augenblase gleichzeitig auf dem 
Schnitt erscheinen, ist meiner Ansicht nach wichtig. Der fünfte 
Schnitt zeigt auch schon die temporale Wand und demnach die 
ganze Augenblase. Abgesehen von der fötalen Augenspalte, die 
gleich auf dem ersten Schnitt, der sie enthält, ganz schmal ist, 
bildet diese ein einheitliches geschlossenes Ganzes. Von hier an 
bis zu dem abgebildeten 15. Schnitt der Serie ändert sich das 
Bild im wesentlichen nicht. 

Was nun zunächst das Bild der Linse auf der Figur betrifft, 
so sieht man die Kerne der Linsenfasern in zwei Felder, ein 
dorsales und ein ventrales, verteilt; es entspricht dies der be- 
kannten, auch von mir genau beschriebenen Tatsache, dass sich 
an der hinteren Fläche der Linse der Selachier eine horizontale 
Spalte ausbildet, die sich später zur horizontalen hinteren Linsen- 
naht schliesst. Auch die Tatsache, dass die hintere Linsennaht 
horizontal, die vordere senkrecht steht, worüber man in meiner 
Linsenarbeit nachlesen mag, spricht im Sinne einer bilateralen 
oder naso-temporalen Symmetrie des Auges. An der Augenblase 
können wir an dem Schnitt eine dorsale, eine vordere und hintere 
oder nasale und temporale und eine ventrale Wand unterscheiden. 
Als dorsal will ich bloss die dünne Strecke bezeichnen, als vordere 
und hintere die beiden dicken, etwas oberhalb der Mitte im 
stumpfen, abgerundeten Winkel abgebogenen Wände und als 
untere die sehr schmale und dünne Strecke, welche in der Mitte 
die fötale Augenspalte enthält: diese untere oder ventrale Wand 
reicht von der Abknickungsstelle der vorderen bis zur Abknickungs- 
stelle der hinteren Wand. Diese Abknickungsstellen entsprechen, 
wie ich nach meinen Befunden an Pristiurusembryonen sagen 
kann, den Stellen, an welchen am Rande der Augenblase die 
ventralen Randkerben gelegen hatten (vergl. die Fig. 2 von 
Pristiurus). Ich habe schon oben erwähnt, dass die ventral von 
diesen Randkerben gelegenen Teile der Augenblasenwand später 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 395 


im Wachstum relativ gegenüber den dorsalen Abschnitten zurück- 
bleiben und sich ventralwärts umbiegen. bis sie schliesslich dieselbe 
Stellung zur fötalen Augenspalte einnehmen wie bei Torpedo. 
Da kein Zweifel besteht, dass die breitere dorsale und die 
schmälere ventrale Wand dieses Schnittes später zu Teilen der 
Pars caeca retinae werden, muss man sagen, dass die nasale 
und temporale Wand der Pars optica der Augenblase 
weiter nach vorn reichen, also grösser sind, als die 
dorsale und ventrale Wand. Die dorsale und ebenso die 
ventrale Wand bestehen, wie die ganze Augenblase, aus zwei 
Lamellen. Davon ist die äussere oder das äussere Blatt ein Teil 
des Pigmentepithels, die innere oder das innere Blatt eine Fort- 
setzung der Pars optica im engeren Sinne des Wortes, d. h. der 
Pars optica schlechtweg nach Abzug des Pigmentepithels. Da 
der Schnitt die obere Wand schief trifft, erscheinen die Kerne 
des Pigmentblattes in mehreren Reihen übereinander; am nasalen 
und temporalen Lappen der Augenblase dagegen erscheint dieses 
Blatt als ein schönes regelmässiges kubisches Epithel. Es ist dies 
namentlich dort der Fall, wo das Epithel senkrecht getroffen ist. 
Das innere Blatt der dorsalen Wand ist ein mehrreihiges Zylinder- 
epithel, dessen Kerne senkrecht gegen die Oberfläche in die Länge 
gestreckt und sehr schmal sind. Ähnliches gilt von den beiden 
Lamellen der unteren schmalen Wand, die in der Mitte durch 
die fötale Augenspalte geteilt ist; nur ist die äussere Lamelle 
etwas dicker und ihre Zellen höher, die innere etwas dünner 
und ihre Kerne stehen nicht so zahlreich und dicht übereinander 
als in der oberen Wand. Das innere Blatt der vorderen und 
hinteren Wand der Augenblase macht den Eindruck eines sehr 
hohen, dieken, mehrreihigen Zylinderepithels mit sehr langen, 
schmalen, fast stabförmigen Kernen, die nur die Innenfläche der 
Lamelle frei lassen, ohne dass aber von einem eigentlichen Rand- 
schleier gesprochen werden könnte. An der Aussenfläche der 
Lamelle, also dem Pigmentblatt zugewendet, stehen wieder sehr 
zahlreiche Mitosen. Wie bei den Säugetieren und sonst geht 
also auch hier die Vermehrung der Zellen lediglich an der Aussen- 
fläche des inneren Blattes der Augenblase vor sich. Endlich 
erwähne ich, dass im Glaskörperraum sehr viele kleine Zellen 
zerstreut sind. Franz hat einmal bemerkt, dass er einer Zeich- 
nung von mir in meiner ersten Linsenarbeit, die im Glaskörper 


394 Carl Rabl: 


von Pristiurus einige Zellen zeigt, nicht trauen könne. Er meinte, 
wenn ich meine Präparate noch einmal daraufhin untersuchte, 
würde ich mich überzeugen, dass es solche Zellen nicht gibt. 
Ich hoffe, dass ihn die Fig. 3, Taf. NIII davon überzeugen wird, 
wie unbegründet sein Verdacht war. 

Für die richtige Beurteilung der Lappung der Augenblase 
ist es von einiger Bedeutung, die Ausdehnung der dünnen Partie 
der dorsalen Wand zu beachten. In dieser Hinsicht bemerke ich, 
dass das innere Blatt, wenigstens in seiner nasalen, dorsalen und 
ventralen Wand (die temporale Wand tritt, wie gesagt um einen 
Schnitt später auf), auf 39 Schnitten zu sehen ist, und dass auf 
14 von ihnen, also auf mehr als auf einem Drittel, die dorsale 
Wand in der Mitte so dünn ist, wie dies der abgebildete Schnitt 
zeigt. Erst mehrere Schnitte hinter der Linse wird diese Strecke 
dicker und schmäler, um allmählich so diek zu werden wie die 
nasale und temporale Wand. Aber auch dann ist die bilaterale 
Symmetrie der Augenblase noch deutlich erkennbar. Ich erwähne 
alles dies deshalb, weil es zeigt, dass die Ursache des eigentüm- 
lichen Schnittbildes der Fig. 3, Taf. XIII nicht etwa darin zu 
suchen ist, dass das Auge schief steht und infolgedessen dorsale 
und ventrale Wand nicht in gleichem Abstande vom Augengrund 
getroffen sind. Dagegen spricht schon die früher erwähnte Tatsache, 
dass in der Schnittserie dorsale und ventrale Wand gleichzeitig 
auf einem und demselben Schnitt getroffen sind. Die Erfahrungen, 
die ich an Knochenfischen, Ganoiden und Amphibien gemacht 
hatte, hatten auch bei mir anfangs den Verdacht wachgerufen, 
es könnte die Form des Äquatorialschnittes mit der Schiefstellung 
des Auges zusammenhängen; aber die erwähnten Tatsachen haben 
mich doch davon überzeugt, dass die Schiefstellung, wenn über- 
haupt zu dieser Zeit der Entwicklung von einer solchen gesprochen 
werden könnte, nicht oder wenigstens nicht die wichtigste Ursache 
des eigentümlichen Schnittbildes sein kann. Übrigens ist bei den 
Haifischen, und zwar sowohl bei den Squaliden als den Rajiden, 
eine ganz ähnliche Stellungsänderung der Augen während der 
Entwicklung zu konstatieren wie bei den übrigen Wirbeltieren. 
Anfangs, bei jungen Embryonen, sind die Augen mit ihrer Achse 
nach aussen unten gerichtet; dann stellen sie sich mit ihrer 
Achse horizontal und schliesslich drehen sie sich ein wenig nach 
oben, sodass die Achse von innen unten nach aussen oben 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 395 


gerichtet ist. In dem Stadium, in welchem das in Fig. 1 und 2 
abgebildete Auge von Pristiurus und ebenso auch in dem, in 
welchem das Auge von Torpedo (Fig. 3) getroffen ist, steht die 
Achse genau oder fast genau horizontal. Bei einem jüngeren 
Torpedoembryo, einem solchen von 17 mm Länge, ist die 
Augenachse vielleicht ein ganz klein wenig nach aussen unten 
geneigt, die dünne Strecke der dorsalen Wand ist viel weniger 
ausgedehnt, aber auch hier tritt an allen Schnitten der Serie 
die bilaterale Symmetrie des Auges ganz deutlich in die Erscheinung. 
Nebenbei bemerkt, sind an dieser Serie die beiden dorsalen Rand- 
kerben der Augenblase sehr schön zu sehen. Bei einem Embryo 
von 24 mm Länge ist die Achse eben merklich nach aussen oben 
gerichtet; die Symmetrie des Auges ist auch hier sehr klar 
zu sehen. Die Schnittbilder sind ähnlich dem in Fig. 3 wieder- 
gegebenen. 

Noch will ich ein paar Worte über den Processus faleiformis 
(die Leiste nach H. Virchow) und den N. opticus sagen. Auf 
dem Schnitt der Fig. 3 ist von dieser Bildung nichts zu sehen; 
sie tritt erst zwei Schnitte weiter medial, also näher dem Optikus- 
eintritt, auf; wie schon aus meiner ersten Linsenarbeit aus dem 
Jahre 1895 zu ersehen ist, besteht sie in einer Einwucherung 
gefässhaltigen Mesodermgewebes durch die fötale Augenspalte. 
Sie ragt wie ein Pilz aus der überall ganz schmalen Augenspalte in 
den Glaskörperraum hinein. In ihrem distalen, der Linse be- 
nachbarten Ende bemerkt man auf der Serie ein einziges sehr 
weites Gefäss, weiter nach innen, also näher dem Optikuseintritt 
zwei, dann drei und vier und schliesslich beim Optikuseintritt 
selbst wieder nur zwei (Gefässquerschnitte. Aus der Reihe der 
Schnitte ergibt sich, dass beim Optikuseintritt ein Gefäss in die 
Leiste eintritt, nach vorn läuft, hier sich etwas erweitert und 
dann nach hinten läuft; es handelt sich also im wesentlichen um 
eine Gefäßschlinge, an der wir einen zuführenden und abführenden 
Schenkel und den im vordersten Ende der Leiste gelegenen 
Scheitel unterscheiden können. Ob der zuführende oder der 
abführende Schenkel oder beide sich während ihres Verlaufes 
durch die Leiste teilen, vermag ich nicht zu entscheiden ; jedenfalls 
findet eine Teilung statt; sonst liesse sich die Vermehrung der 
(Gefässquerschnitte in der Leiste nicht erklären. Von den Binde- 
gewebszellen an der Oberfläche der Leiste strahlen in radiärer 


396 CarlRabl: 


Riehtung zahlreiche feine Fäden oder Fasern in den Glaskörper- 
raum aus. 

Bei dem nächst jüngeren Embryo von 17 mm Länge ist 
die Leiste viel kleiner, unansehnlicher und springt viel weniger 
weit in den Glaskörperraum vor. Bei dem Embryo von 24 mm 
Länge dagegen ist die Leiste nicht bloss grösser, sondern reicht 
auch etwas weiter nach vorn, so dass Schnitte, welche noch die 
Linse trefien, auch das vordere Ende der Leiste zeigen. Der 
Querschnitt der Leiste ist bei diesem Embryo mehr rund als 
pilzförmig, und da die fötale Augenspalte in der Nähe des Optikus- 
eintrittes schon geschlossen ist, so müssen wohl die Gefässe jetzt 
etwas weiter vorn eintreten. Von den in den Glaskörper radiär 
ausstrahlenden Faserzügen gilt dasselbe wie von dem zuerst er- 
wähnten Stadium. 

Was den Optikus betrifft, so möchte ich Folgendes bemerken. 
Ich habe früher gesagt, dass auf dem Schnitt der Fig. 3 zwar 
noch kein eigentlicher Randschleier, wohl aber eine kernfreie 
Zone an der Innenfläche der Retina zu sehen ist. Verfolgt man 
aber die Serie weiter gegen den Augenhintergrund, so sieht man 
in der kernfreien Zone ganz zweifellos Nervenfasern auftreten, 
welche deutlich gegen den Optikuseintritt konvergieren. Sie liegen 
dann zu mehreren, dicht aneinander angeschlossenen Bündeln 
vereinigt an der Aussenseite der Augenblase. Am Augenblasen- 
stiel beschränken sie sich ausschliesslich auf seine dickere, ventrale 
Wand und sind vom Lumen durch eine Lage von Gliakernen 
getrennt. Dass der Augenblasenstiel noch im Wachstum begriften 
ist, beweisen die Mitosen in ihm. Der Querschnitt durch die 
Faserbündel des Optikus wird allmählich kleiner und kleiner, 
ist aber doch mit Sicherheit bis zur Hinterwand des Recessus 
opticus an der Hirnbasis zu verfolgen. Die Grösse des Querschnittes 
beträgt hier allerdings ein Drittel von der in der Nähe des Auges. 
Der Recessus opticus läuft bekanntlich nach vorn und unten in 
eine scharfe Spitze aus und das Bündel von Optikusfasern liegt 
unmittelbar hinter der Spitze an der Aussenfläche der Wand des 
Recessus. 

Bei dem nächst jüngeren Torpedo-Embryo von 17mm Länge 
sind am Augenhintergrund gleichfalls schon Nervenfasern nachweis- 
bar; allerdings nur in geringer Menge. Sie laufen in der Richtung 
gegen den Augenblasenstiel, sind aber nicht weit zu verfolgen. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 397 


Bei dem älteren, erwähnten Embryo von 24mm Länge ist 
der Optikus schon sehr mächtig; seine Bündel strömen am Augen- 
hintergrund gegen die Eintrittsstelle des Nervs zu und sammeln 
sich jetzt keineswegs bloss vom Augenhintergrund und seiner 
nächsten Umgebung, wie bei dem Embryo von 21 mm Länge, 
sondern wohl schon von der ganzen Pars optica retinae. An der 
Eintrittsstelle des Optikus und ihrer Umgebung sind die radiär 
zusammenlaufenden Bündel durch reihenweise geordnete Zellen der 
Ganglienzellenschicht voneinander getrennt, wodurch ein äusserst 
elegantes Bild von sich abwechselnden radiären Zelireihen und 
dazwischen liegenden Nervenfaserbündeln zustande kommt. Die 
Bündel des Optikus sind durch gliöse Septa voneinander getrennt. 
Der Augenblasenstiel ist zu dieser Zeit noch in der ganzen Aus- 
dehnung offen, d. h. er enthält noch, wie früher, ein Lumen. 
Dieses ist allerdings in der Mitte seines Verlaufes ausserordentlich 
eng. sein Durchmesser kaum halb oder ein Drittel so gross als 
ein Zellkern. Trotzdem ist der Kanal leicht zentralwärts bis in 
den Recessus opticus zu verfolgen. Die Wand des Kanals ist an 
der dorsalen Seite sehr dünn und besteht hier aus einer einfachen 
Lage kubischer Zellen; diese sind leicht zentralwärts bis zum 
Ependym des Recessus zu verfolgen. Das Lumen des Augen- 
blasenstiels hat also eine ganz exzentrische Lage. Auch an der 
ventralen Seite ist das Lumen von Zellen begrenzt, die zweifellos 
als Gliazellen zu bezeichnen sind und dem Optikus zugerechnet 
werden müssen; unterhalb dieser Gliazellen des Optikus folgt 
dann die mächtige Masse von Optikusfaserbündeln. Die erwähnten 
gliösen Septen, welche, wie gesagt, die Bündel voneinander trennen, 
ziehen im allgemeinen von der dorsalen Seite, also von der Gegend, 
in der ım Augenblasenstiel das Lumen liegt, divergierend ventral- 
wärts. Die Anordnung ist also eine andere als im Optikus der 
Säugetiere, was in letzter Linie darin den Grund hat, dass sich 
bei den Selachiern, wie überhaupt bei den niederen Wirbeltieren, 
die fötale Augenspalte nicht auf den Augenblasenstiel zentral- 
wärts fortsetzt. Es bildet sich also auch nie im Optikus ein 
Kanal aus, der demjenigen zu vergleichen wäre, der die Arteria 
und Vena centralis retinae, beziehungsweise in früheren Stadien 
die Arteria hyaloidea aufnimmt. Genau, wie ich dies für den 
Embryo von 21 mm Länge feststellen konnte, nimmt auch bei 
diesem Embryo die Grösse des Optikusquerschnittes in zentripetaler 


398 Carl Rabl: 


Richtung sehr erheblich ab. So bestätigen also meine Beobachtungen 
durchaus die Angaben Frorieps, die sich gleichfalls auf einen 
Embryo von Torpedo (die Art nennt Froriep nicht) beziehen. 
Bekanntlich war Froriep der erste, der den einwandfreien Nach- 
weis für das zentripetale Wachstum der Optikusfasern bei Selachier- 
embryonen erbrachte. Meine Beobachtungen bestätigen dagegen 
nicht die sehr merkwürdigen, bereits früher erwähnten Angaben 
von v. Szily über die Bildung und das Wachstum der Optikus- 
fasern. Geradeso wie bei Säugetier-, speziell bei Kaninchen- 
embryonen, finden sich auch bei Selachierembryonen im Augen- 
blasenstiel die bekannten mit alkoholischem Boraxkarmin oder 
Cochenille-Alaun gut färbbaren Körner, die nach v. Szily aus 
dem Zerfall von Zellkernen entstehen und beim Wachstum der 
Optikusfasern eine wichtige Rolle spielen sollen. Aber diese 
Körner sind gerade dort in ganz besonders grosser Zahl vor- 
handen, wo sich nie eine Optikusfaser bildet, nämlich in der 
dorsalen Wand des Augenblasenstiels. von der mitgeteilt wurde, 
dass sie in das Ependym des Recessus opticus verfolgt werden kann. 

Dasselbe wie Torpedoembryonen lehren auch solche von 
Raja. Ich besitze eine Sagittalschnittserie von Raja alba mit 
116—118 Urwirbeln, eine ebensolche Serie von Raja clavata 
mit ca. 127 Urwirbeln, eine dritte Serie von Raja clavata mit 
156 Urwirbeln und eine vierte Serie, wieder von Raja alba, bei 
der ich die Zahl der Urwirbel nicht sicher feststellen konnte; 
ich habe nur die Länge des Embryo notiert, die 4 cm betrug. 
Nebenbei bemerkt, darf man aus der Zahl der Urwirbel ver- 
schiedener Arten oder gar Familien und Ordnungen keinen Schluss 
auf die Entwicklungshöhe ziehen. Obwohl die Rajiden oder 
Batoiden bekanntlich einen sehr gedrungenen Habitus besitzen, 
während sich die Squaliden durch einen schlanken Körperbau 
auszeichnen, zeigen doch beide in korrespondierenden Entwick- 
lungsstadien sehr verschieden grosse Zahlen von Urwirbeln. Bei 
Pristiurusembryonen von 66—68 Urwirbeln z. B. ist die Linse 
bereits vom Ektoderm abgeschnürt, bei dem erwähnten Embryo 
von Raja alba mit 116—118 Urwirbeln dagegen noch nicht: hier 
senkt sich noch in die solide Linsenmasse eine trichterförmige 
Grube ein, ähnlich wie bei Pristiurusembryonen von 63 Urwirbeln. 
Rajidenembryonen sind bekanntlich anfangs ebenso schlank und 
schmächtig wie Squalidenembryonen, wie jeder, der nicht selbst 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 399 


solche Embryonen gesehen hat, durch die schönen Wachsmodelle 
von Ziegler bestätigt sehen kann. Erst mit der Verbreiterung 
der Brustflossen ändert sich der Habitus. Wir beobachten hier 
dasselbe wie unter den Reptilien bei den Schildkröten. Junge 
Schildkrötenembryonen sind so schlank wie Eidechsenembryonen: 
freilich wird sie niemand, der einige Erfahrung hat, mit solchen 
verwechseln; haben sie doch von — ich möchte fast sagen — 
allem Anfang an eine ganz andere Physiognomie als die Eidechsen 
oder auch als die Krokodile. 

Was nun die Augen des jüngsten der vier genannten haja- 
embryonen betrifft, so sind sie sehr deutlich in naso-temporaler 
Richtung zusammengedrückt, ihr senkrechter Durchmesser also 
grösser als ihr horizontaler. Die fötale Augenspalte, die auch 
hier nicht auf den Augenblasenstiel übergreift, ist noch sehr 
weit. Das Auge ist also nicht bloss in Beziehung auf die Linse, 
sondern auch in Beziehung auf die Retina weniger weit entwickelt 
-als bei dem Pristinrusembryo von 83 Urwirbeln, dem die beiden 
Schnitte der Fig. 1 und 2 Taf. XIII angehörten. Der zweite 
der genannten Embryonen zeigt wesentlich dieselben Verhältnisse. 
Vor allem ist bemerkenswert, dass an der Serie vom Auge zuerst 
die Anschnitte der vorderen und hinteren Wand erscheinen, zu 
denen erst auf dem nächstfolgenden Schnitt der Anschnitt der 
oberen Wand kommt. Ferner ist bemerkenswert, dass an der 
Augenblase die zwei dorsalen Randkerben zu sehen sind. 3. Ist 
der Glaskörperraum im grossen und ganzen dreieckig mit oberer 
Basis und unterer, in der fötalen Augenspalte gelegener Spitze: 
diese Form tritt vor allem an den Schnitten zu Tage, die die 
Linse nicht mehr treffen; an den ersten von diesen Schnitten ist 
die dorsale Wand des inneren Blattes der Augenblase etwas nach 
unten vorgewölbt. 4. Sieht es fast aus, als ob am Augengrund 
von oben und hinten ein Wulst in den Glaskörperraum vorspringe, 
ähnlich, wie wir dies beim Huhn gesehen haben. Und endlich 
5. ist mir die beträchtliche Grösse der Linse dieses Embryo auf- 
gefallen. Ebensowenig, wie früher, setzt sich auch jetzt die 
nunmehr schon enger gewordene Augenblasenspalte auf den Stiel 
der Augenblase fort. Von der Anlage eines Processus faleiformis 
oder einer Leiste ist nur an ein paar Schnitten ganz hinten in 
der Nähe des Augenhintergrundes etwas zu sehen. 

Was nun endlich den letzten Embryo von 4 cm Länge 


400 Carl Rabl: 


betrifft, so kann ich über ihn folgendes berichten: Die ersten 
Schnitte treffen wieder nur die Linse: dann folgen Schnitte durch 
die hintere und sehr bald darauf auch solche durch die vordere Wand 
der Augenblase. Vordere und hintere Wand biegen sich sodann 
ventralwärts gegeneinander, um hier die fötale Augenspalte zu 
begrenzen. Zuletzt folgt die dorsale Wand, die geradeso wie 
bei Torpedo viel dünner ist als die vordere und hintere. Das 
Bild wird dann alsbald dem in Taf. XIII, Fig. 3 von Torpedo mit- 
geteilten sehr ähnlich. Es kann wohl kaum einem Zweifel unter- 
liegen, dass zu dieser Zeit bei Raja die Augen ein klein wenig 
schief stehen, d. h. nach aussen und oben gerichtet sind; die 
Form des Schnittbildes mag also zum Teil auf diese schiefe 
Stellung zu beziehen sein. Mir erscheint auch weniger der Umstand 
von Wichtigkeit, dass die dorsale Wand im Vergleich mit der 
vorderen und hinteren so dünn ist, als vielmehr die ganze Form 
des Querschnittes; diese ist, wie schon gesagt und wie man auch 
an der Fig. 3 sieht, im ganzen und grossen ein Dreieck mit nach 
oben gerichteter Basis, nach unten gegen die fötale Augenspalte 
gerichteter abgestutzter Spitze. 

Was den Optikus dieses Raja-Embryo betrifft, so gilt von 
ihm ungefähr dasselbe wie von dem des Torpedo-Embryo von 
2] mm Länge Ja, vielleicht ist er noch nicht einmal so weit 
entwickelt. Die Grösse des Querschnittes der Faserbündel nimmt 
auch hier von der Retina gegen das Gehirn ab. — 

Zum Schlusse will ich, gewissermassen nebenbei, erwähnen, 
dass ich ausser den früher erwähnten Sagittalschnittserien von 
Pristiurus-Embryonen und zahlreichen anderen durch Jüngere 
Embryonen, die für unsere Frage nicht näher in Betracht kommen, 
noch Sagittalschnittserien von älteren Pristiurus - Embryonen 
folgender Grösse besitze: 18, 22, 24, 27, 28 und 30 mm; ausserdem 
besitze ich noch ein paar Sagittalschnittserien von älteren Embryonen 
von Seyllium eanieula. Über die Pristiurus-Embryonen habe ich 
folgende Notizen gemacht. Embryo von 18 mm Länge: Bilaterale 
Symmetrie des Auges unverkennbar, ähnlich wie bei den nächst 
jüngeren, früher besprochenen Embryonen; von Optikusfasern ist 
noch nichts zu sehen. Embryo von 22 mm Länge: Auf der Serie 
ist zuerst nasale und temporale Wand getroffen, darauf erscheinen 
nahezu gleichzeitig dorsale und ventrale. Der erstere Umstand 
steht wieder im Einklang mit der naso-temporalen Symmetrie. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 401 


Einige der folgenden Schnitte zeigen sodann eine gewisse 
Ähnlichkeit mit dem abgebildeten Schnitt von Torpedo. Es 
sind schon ein paar sehr zarte, aus einigen wenigen Fasern 
bestehende Optikusbündel zu sehen; sie sind aber nur am Ansatz 
des Augenblasenstiels, nicht in diesem selbst, zu finden. Im 
äusseren Blatt der Augenblase ist Pigment aufgetreten, allerdings 
nur in Form einiger weniger Körnchen, und auch diese sind nur 
in der Nähe des Augenblasenrandes innerhalb der nasalen und 
temporalen Wand der Augenblase zu sehen. Embryo von 24 mm 
Länge: Auch hier ist zunächst nur die nasale und temporale Wand 
getroffen, dann folgt die ventrale, die durch die fötale Augen- 
spalte in zwei Hälften geteilt ist, und den Schluss macht die 
dorsale, die zunächst ähnlich wie bei Torpedo dünn ist, dann 
aber bald, früher als hier, dicker wird. Die bilaterale Symmetrie 
des ganzen Auges tritt auf den Äquatorialschnitten unverkennbar 
hervor. Pigment findet sich etwas reichlicher als bei dem früheren 
Embryo, aber nur wieder im peripherischen äusseren Teil der 
Augenblase und auch da nur in der nasalen und temporalen Wand. 
Die Optikusfaserbündel bilden bei diesem Embryo ausnahmsweise 
keine geschlossene Masse, sondern sind durch grössere Zwischen- 
räume voneinander getrennt. Immerhin liegen sie aber alle, wie 
auch sonst, an der Aussenseite der ventralen Wand des Augen- 
blasenstiels. Eines der Bündel lässt sich bis in die Nähe des 
Recessus opticus verfolgen, die übrigen verschwinden früher. 
Embryo von 27 mm Länge: Zuerst erscheint in der Sagittalschnitt- 
serie wieder vordere und hintere, dann ventrale und zuletzt dorsale 
Wand. Vom Pigment gilt im wesentlichen das früher Gesagte. 
Was den Optikus betrifft, so sieht man in der Nähe der Retina 
zwei mächtige Bündel von ungleicher Grösse. Üerebralwärts 
werden sie schwächer und scheinen sich dann aneinanderzulegen. 
Jedenfalls ist weiter nach innen nur ein einziges Bündel zu 
sehen, das sich auch bis in die hintere Wand des Recessus optieus 
verfolgen lässt. Der Embryo von 283 mm Länge zeigt ähnliche 
Verhältnisse, nur ist er ein wenig schief geschnitten, so dass auf 
der linken Seite die ventrale Wand der Augenblase früher 
erscheint als die dorsale, während auf der rechten Seite das 
Umgekehrte der Fall ist. Beim Embryo von 30 mm Länge trifft 
man wieder das gewöhnliche Verhalten, indem zuerst nasale und 
temporale, dann dorsale und zuletzt ventrale Wand auf den 


402 Carl Rabl: 


Schnitten erscheinen. Alles in allem kann man sagen, dass die 
bilaterale Symmetrie des Auges in der ganzen Form des Auges, 
vor allem auf Schnitten, welche der Aquatorialebene parallel gehen, 
zum Ausdruck kommt. 

Was die Ganoiden betrifft, so besitze ich einige Sagittal-, 
(Juer- und Horizontalschnittserien von jüngeren Larven von 
Acipenser sturio, die ich vor 25 Jahren in Glückstadt, nördlich 
von Hamburg, gesammelt habe. Leider beschränkt sich das 
Material auf zwei Stadien. Als ich nach Glückstadt kam, wollte 
es nicht mehr gelingen, gleichzeitig je ein geschlechtsreifes Männchen 
und Weibchen zu bekommen, um die künstliche Befruchtung aus- 
führen zu können. So war ich also auf das Material angewiesen, 
das aus Eiern stammte, an denen einige Tage vor meiner Ankunft 
der freundliche Gastwirt Mohr, der mich damals in jeder Weise 
unterstützte, die künstliche Befruchtung ausgeführt hatte. Die 
jüngeren Larven waren eben aus dem Ei geschlüpft, die älteren 
waren sechs Tage alt. Was zunächst die jungen Larven betrifft, 
so habe ich von ihnen eine grössere Zahl von Schnittserien in 
den drei erwähnten Richtungen angefertigt. Ich beginne mit der 
Beschreibung des Bildes, welches man auf einem Querschnitt 
durch die Mitte des Auges erhält. Ein solcher Schnitt ist auf 
Yaf. XIII, Fig. 4 abgebildet. Das, worauf ich zunächst die Auf- 
merksamkeit lenken möchte, ist die Schiefstellung des Auges. 
Die Augenachse ist schief von aussen und oben nach innen und 
unten gerichtet. Es ist dies um so auffallender, als die Haifische 
andere Verhältnisse bieten, indem die Augenachsen bei ihnen rein 
oder fast rein horizontal stehen; es gilt dies sowohl für die 
Squaliden als für die Rajiden. Bei letzteren scheinen im er- 
wachsenen Zustand die Augen ein klein wenig nach aussen und 
oben gerichtet zu sein. 

Ferner besitze ich drei Querschnittserien von Embryonen von 
Lepidosteus osseus: der jüngste der Embryonen war 8,3 mm lang, 
der zweite 12,6 mm und der dritte 16,5 mm. Bei allen dreien 
stehen die Augenachsen rein horizontal. Dagegen muss ich be- 
merken, dass bei zwei jungen Amien meiner Sammlung (Amia calva) 
die Augen etwas schief nach oben gerichtet zu sein scheinen. 
Bei der Forelle sehen die Augenachsen anfangs (11 mm Länge) 
schief nach unten, dann (17 mm) ziemlich genau nach aussen 
und schliesslich (30, 40 und 50 mm) vielleicht um eine Spur 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 403 


nach oben. Sicher bin ich aber letzterer Angabe nicht. Bei 
unseren Störlarven stehen also die Augen sehr schief, was jedenfalls 
unter den Fischen eine Ausnahme bildet. Die Beachtung dieser 
Eigentümlichkeit ist natürlich für die Beurteilung der Bilder, 
welche Sagittal- und Horizontalschnitte geben, von Wichtigkeit. 

Die Linse bietet genau dasselbe Bild wie die Linse eines 
Axolotl (vergl. meine erste Linsenarbeit). Die Retina ist bereits 
ziemlich weit differenziert. Nicht bloss, dass sie eine Scheidung 
in eine Pars optiea und Pars caeca erkennen lässt, zeigt jene 
auch bereits eine Sonderung in mehrere Schichten. Diese ist in 
der Mitte des Augenhintergrundes am deutlichsten und am meisten 
fortgeschritten — man betrachte nur die Stäbchen und Zapfen — 
and nimmt nach der Peripherie mehr und mehr ab. Der Optikus 
besitzt schon sehr gut entwickelte Fasern. Er tritt tief ventral 
am Augengrund ein und mit ihm dringt zugleich Bindegewebe 
in den Glaskörperraum, das nur aus einer geringen Zahl von 
Zellen besteht und gegen die Linse zieht. Es kann keinem 
Zweifel unterliegen, dass wir es hier mit dem Processus falciformis 
(Leiste nach H. Virchow) zu tun haben. Das Bindegewebe 
führt ein Gefäss. 

Sehr eigentümlich sind die betreffenden Verhältnisse bei 
Lepidosteus. Auch hier entspringt der Optikus tief ventral von 
der Mitte des Augenlintergrundes und mit und unter ihm tritt 
wieder gefässführendes Bindegewebe in den Glaskörperraum ein. 
Ein Gefäss zieht von hier im vertikalen Meridian nach oben an 
der Aussenseite des Glaskörpers, zwischen ihm und der Limitans, 
ein zweites zieht nach vorn gegen die Linse; diese Gefässe sind 
auch schon bei dem jüngsten der drei von mir untersuchten 
Lepidosteusembryonen vorhanden. Für unsere Frage sind sie 
deshalb von Wichtigkeit, weil die (Grefäßstämme im vertikalen 
Meridian, der hier wieder der Grenze zwischen nasaler und 
temporaler Hälfte der Retina entspricht, verlaufen. Ebenso gehört 
ja auch der durch die fötale Augenspalte eindringende Processus 
faleiformis, geradeso wie die fötale Augenspalte selbst, der Grenze 
zwischen nasaler und temporaler Bulbushälfte an. 

Wie die Fig. 4 zeigt, erscheint der Glaskörperraum auf 
dem Vertikalschnitt dreieckig. Eine Seite des Dreieckes wird 
von der Linse, die zweite vom Augenhintergrund und die dritte 
von der ventralen Wand der Augenblase gebildet. Diese Ver- 


404 Carl Rabl: 


hältnisse eines Vertikalschnittes sind für die Beurteilung der 
Bilder von Sagittal- und Horizontalschnitten von Wichtigkeit. 
Zunächst habe ich auf Taf. XII, Fig. 6 und 7 zwei Schnitte 
aus einer Sagittalschnittserie einer gleich weit entwickelten Stör- 
larve abgebildet. Der erste Schnitt der Serie, der etwas vom 
Auge sehen lässt, zeigt den Anschnitt der Linse und des tempo- 
ralen Lappens. Der nächstfolgende zeigt auch schon den An- 
schnitt des nasalen Lappens, diesen natürlich jetzt entsprechend 
kleiner als den temporalen. Beide Lappen sind schief gegen- 
einander gestellt und fassen die Linse zwischen sich. Dorsal 
sind sie sehr weit voneinander getrennt, ventral scheidet sie bloss 
die sehr schmale fötale Augenspalte. Dritter, vierter und fünfter 
Schnitt geben wesentlich dasselbe Bild, nur erscheinen die Lappen 
grösser und ebenso natürlich auch die Linse. Den sechsten 
Schnitt der Serie zeigt uns die Fig. 6. Auch hier sehen wir 
die beiden Lappen der Augenblase, wobei der nasale kleiner ist 
als der ein klein wenig weiter zentralwärts getroffene temporale. 
Oben sind auch hier wie an den vorhergehenden Schnitten die 
Lappen durch eine breite Lücke voneinander getrennt, während 
unten die ausserordentlich enge fötale Augenspalte zu sehen ist. 
Über ihr liegt das Bindegewebe des Processus faleiformis mit 
einem Gefässquerschnitt. Von dem Bindegewebe strahlen radiär 
Fäden in den nasalen und temporalen Glaskörperraum, Auf den 
nun folgenden Schnitten treten die beiden Lappen dorsalwärts 
miteinander in Verbindung und den zweitfolgenden habe ich in 
Fig. 7 abgebildet. Man sieht hier die beiden Lappen durch eine 
dünne, breite Brücke miteinander in Verbindung stehen. Diese 
Brücke besteht natürlich aus den beiden Lamellen der Augen- 
blase. Die innere Lamelle besteht aus zylindrischen, die äussere 
aus kubischen Zellen. Diese letzteren werden in nasaler und 
temporaler Richtung, also nach links und rechts auf der Figur, 
niedriger und gehen in das ungemein flache Pigmentepithel der 
Retina über. An der Brücke selbst weisen die Zellen kein Pigment 
auf. Vom Processus faleiformis strahlen wieder Fäden in den 
Glaskörperraum. Ähnliche Fäden entspringen augenschein- 
lich auch direkt von den Zellen der inneren Lamelle 
der Augenblase neben der fötalen Augenspalte. Der 
Glaskörperraum wird nur oben durch die Linse in eine temporale 
und eine nasale Hälfte geteilt. Die Differenzierung ist an dem 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 405 


weiter medial getroffenen temporalen Lappen deutlicher als an 


dem nasalen. — Zwei Schnitte weiter nach der Mittelebene zu 
schwindet die Linse und noch zwei Schnitte weiter auch der 
Glaskörperraum. 


Der Optikus enthält schon sehr schöne Fasern, die zu 
Bündeln vereinigt sind und sich leicht bis in die hintere Wand 
des Recessus optieus verfolgen lassen. Auf Querschnitten kann 
man die Optikusfasern der beiden Seiten sich schon kreuzen 
sehen. Dasselbe gilt auch von den korrespondierenden Embryonen 
von Lepidosteus. 

Und nun betrachten wir noch den in Fig. 5 abgebildeten 
Horizontalschnitt durch das rechte Auge eines Störembryo des 
gleichen Stadiums. Ich bemerke, dass die beiden Augen so zu- 
einander stehen, dass ihre Axen sich in einem nach vorn offenen, 
äusserst stumpfen Winkel schneiden würden. Die Schief- 
stellung ist zu dieser Zeit so gering, dass ich sie vielleicht 
übersehen hätte, wenn mir nicht aufgefallen wäre, dass auf allen 
meinen Sagittalschnittserien zuerst der temporale und erst einen 
Schnitt später der nasale Lappen zur Ansicht kommt. — Das 
Bild der Fig. 5 ist sehr lehrreich, denn es lässt, wie mir scheint, 
keinen Zweifel darüber zu, dass auch beim Stör das Auge eine 
nasotemporale Symmetrie aufweist. Im vertikalen Meridian ist 
der Glaskörperraum ungemein seicht, vorn und hinten aber, im 
nasalen und temporalen Lappen, erweitert er sich zu einer an- 
sehnlichen Höhle. Wie auf dem Vertikalschnitt ist auch hier 
die Teilung der Retina in eine Pars optica und Pars caeca ohne 
weiteres zu erkennen. Beide gehen im Bogen ineinander über. Wie 
ich früher erwähnt habe, sind beide Abschnitte der Retina in einem, 
diesem Stadium des Störs korrespondierenden Stadium bei Triton 
in spitzem Winkel gegeneinander abgesetzt. Hier, wie dort, weist 
aber der Glaskörperraum eine deutliche naso-temporale Symmetrie 
auf. Der Eindruck dieser Symmetrie wird noch dadurch erhöht, 
dass der Abstand der Linse von der Mitte des Augenhintergrundes 
geringer ist als nach vorn oder hinten zu. Übrigens fällt die 
naso-temporale Symmetrie des Auges, die Teilung in eine vordere 
und hintere Hälfte, sofort in die Augen, wenn man die Horizontal- 
schnitte nach der ventralen Seite zu, also gegen die Augenblasen- 
spalte hin, verfolgt. Man sieht dann, dass diese, beziehungsweise 


der durch sie eintretende Processus faleiformis, eine scharfe Grenze 
Archiv f mikr. Anat. Bd. %. Abt. I. 97 


406 Carl Rabl: 


zwischen nasalem und temporalem Lappen der Retina bildet. Die 
Verlaufsrichtung der Spalte ist zu dieser Zeit eine fast rein quere. 

Vom älteren Stadium von Acipenser besitze ich je eine 
Sagittal-, Quer- und Horizontalschnittserie. Die Querschnittserie 
lehrt, dass die Augen auch jetzt noch etwas nach oben blicken, 
wenn auch vielleicht nicht mehr so stark als bei den eben aus- 
geschlüpften Larven. Die Horizontalschnittserie lehrt, dass die 
Augen stärker nach vorn gedreht sind als früher. Die Augen 
sehen also nach aussen, oben und vorn. Die Schnitte, welche 
das Auge in halber Höhe, also in der Höhe des horizontalen 
Meridians treften, lassen die bilaterale oder naso-temporale Sym- 
metrie ohne weiteres erkennen, obwohl jetzt der Abstand der 
Linse von der Mitte des Augenhintergrundes, also die Länge der 
Augenachse, zugenommen hat. Die beiden Augenachsen würden sich 
also, nach hinten verlängert, in einem nach vorn offenen, stumpfen 
Winkel schneiden. Der Optikus aber verläuft, wie die Horizontal- 
schnittserie zeigt, wie man sich aber natürlich auch an der Quer- 
schnittserie überzeugen kann, nicht in der Richtung der Augen- 
achsen zum Gehirn, sondern biegt vom Auge an nach vorn und 
innen um; er beschreibt also mit der Augenachse einen sehr flachen, 
mit der Konkavität nach vorn gerichteten Bogen. Verfolgt man 
die Horizontalschnittserie nach der ventralen Seite, so sieht man 
wieder, wie die fötale Augenspalte und der durch sie in den 
Glaskörperraum eindringende Processus faleiformis das Auge in 
seiner ventralen Hälfte in einen nasalen und temporalen Lappen 
teilt. Solche Bilder lassen keinen Zweifel darüber zu, dass der 
Verlauf oder die Richtung der fötalen Augenspalte durch die 
bilaterale Symmetrie des Auges bedingt ist, ja vielleicht hängt 
sogar ihre Existenz damit zusammen. Denn um ein Gefäss in 
den Glaskörperraum treten zu lassen und mit dem Gefäss etwas 
Sindegewebe, ist die Spalte denn doch zu lang. Eine kleine 
Einkerbung des Umschlagsrandes würde dazu vollkommen aus- 
reichen. Ich werde darauf gleich weiter unten noch zurückkommen. 

Die Sagittalschnittserie, aus der ich einen Schnitt auf Taf. XIII, 
Fig. 5 abgebildet habe, lehrt folgendes: Der lateralste Schnitt 
durchs linke Auge trifft nur das Pigmentepithel des temporalen 
Lappens. Der nächste trifft den Lappen schon etwas voller und 
legt auch schon sein inneres Blatt bloss. Auch das Epithel der 
Linse ist gestreift. Der dritte Schnitt trifft temporalen Lappen 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 407 


und Linse voller und legt auch schon das Pigmentepithel des 
nasalen Lappens bloss. Dass der nasale Lappen erst zwei Schnitte 
nach einwärts vom temporalen getroffen wird, erklärt sich natürlich 
aus der Schiefstellung des Auges. Auch die Schnitte durch das 
rechte Auge lehren das Gleiche. Der vierte Schnitt zeigt alle 
drei genannten Teile, die beiden Lappen und die Linse, in 
grösserem Umfang. Desgleichen der fünfte, an dem die beiden 
Lappen bereits zur Begrenzung der fötalen Augenspalte aneinander 
getreten sind. Hier schlagen sie sich nach oben um und 
erreichen die Linse. Dieser nach oben umgeschlagene Teil 
der Lappen gehört der Pars caeca an und besteht, wie der 
ganze Lappen. aus den bekannten zwei Blättern. Beide sind 
hier epithelial. Das aus dem Pigmentepithel fortgesetzte Blatt 
ist dünn und pigmentiert, das aus dem Innenblatt fortgesetzte 
ist dicker und besteht aus einer einfachen Lage von Zylinder- 
zellen; Pigment fehlt in ihm. Zwischen den beiden Lappen 
ist nur ganz oben, dicht unter der Linse, eine Mesodermzelle zu 
sehen. — Der nächste Schnitt, also der sechste, der das Auge 
trifft, zeigt in der fötalen Augenspalte etwas pigmentiertes Binde- 
gewebe und zugleich ein weites Gefässlumen. Desgleichen ist 
auch unterhalb der fötalen Augenspalte ein weiteres Gefässlumen 
zu sehen. Die oberen Ränder der beiden Lappen wenden sich 
nach innen und nehmen den Charakter der Pars caeca an. Auf 
dem nächsten Schnitt erscheint das Gefässlumen innerhalb der 
Augenspalte enger, während das Lumen an der ventralen Seite 
dieselbe Weite hat wie früher. Die Pars caeca am oberen Ende 
der beiden Lappen schiebt sich über die Linse vor. — Der achte 
Schnitt zeigt wesentlich dasselbe wie der siebente, nur ist die 
Pars caeca an der dorsalen Seite des Auges etwas grösser. Der 
neunte Schnitt zeigt die Teilung des oberen, nunmehr aus der 
fütalen Augenspalte heraustretenden Gefässes. Der zehnte zeigt 
die Schiefschnitte der aus dieser Teilung hervorgegangenen Äste, 
den einen in der nasalen, den anderen in der temporalen Hälfte 
des Glaskörperraumes. Die Linse lässt die hintere, horizontal 
gestellte Linsennaht erkennen. Dorsal von der Linse treten 
nasaler und temporaler Lappen der Augenblase aufeinander zu, 
um sich miteinander zu verbinden. Auf dem nächsten, dem 
elften Schnitt hat diese Verbindung schon stattgefunden. Dies 
ist der Schnitt, der auf Taf. XIII, Fig. S abgebildet ist. Er 


27* 


408 Carl Rabl: 


entspricht dem Schnitt der Fig. 7 aus dem jüngeren Stadium. 
Man sieht, wie kolossal das Auge in den sechs Tagen seit dem Aus- 
schlüpfen der Larven gewachsen und wie weit die Differenzierung 
fortgeschritten ist. Einer ins einzelne gehenden Erläuterung 
bedarf das Bild nach dem bereits Gesagten wohl nicht. Wenn 
auch die naso-temporale Symmetrie, welche das Auge auf einem 
solchen Schnitte zeigt, zum Teil durch die Schiefstellung des 
Auges vorgetäuscht wird, indem die dorsale Hälfte der Pars caeca 
später getroffen wird, als die ventrale, die schon auf früheren 
Schnitten erscheint, so ist doch an der Tatsache der Symmetrie 
an sich nicht zu zweifeln. Diese ist auch auf den folgenden 
Schnitten ohne weiteres erkennbar, auch nachdem die dünne 
dorsale Wand der dicken Pars optica Platz gemacht hat. Ich 
erwähne,. dass schon auf dem nächsten Schnitt die Linse nur 
mehr im hinteren Anschnitt getroffen ist und dass auf dem 
darauffolgenden der Glaskörperraum herzförmig erscheint, wobei 
die Spitze des Herzens nach der fötalen Augenspalte sieht und 
die beiden Lappen den beiden Lappen der Retina angehören. 
Diese Form des Glaskörperraumes lässt also auch nicht den ge- 
ringsten Zweifel an der naso-temporalen Symmetrie des Auges. — 
Der Optikus sammelt seine Bündel am ventralen Rande des Augen- 
hintergrundes, wo er das Auge verlässt, um, wie schon erwähnt, 
in flachem Bogen nach innen und zugleich etwas nach vorn zur 
Hirnbasis zu ziehen. 

Dass auch die Knochenfische keine Ausnahme machen 
und also gleichfalls eine bilaterale Symmetrie des Bulbus aufweisen 
werden, ist nach dem bisher Gesagten wohl schon von vornherein 
wahrscheinlich. Indessen stört hier die schiefe Stellung der Augen, 
so unauffällig sie sein mag, doch die Untersuchung in hohem 
(Grade. Am besten scheinen mir noch Horziontalschnittserien 
geeignet zu sein, um an Forellenembryonen und eben aus- 
geschlüpften jungen Forellen die naso-temporale Symmetrie zu 
erweisen. Bei den Knochenfischen, wenigstens bei der Forelle, 
sind die Umschlagsränder der Augenblase an der fötalen Augen- 
spalte weit ins Innere des Glaskörperraumes hineingeschlagen, 
so dass durch die hier gebildete Doppelfalte der ganze ventrale 
Bulbusraum in eine nasale und eine temporale Hälfte geteilt ist. 
Dies tritt, wie begreiflich, namentlich an Horizontalschnitten durch 
die ventralen Bulbushälften sehr deutlich hervor; hier erscheint 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 409 


auf den Schnitten der Raum durch ein im vertikalen Meridian 
des Auges parallel zur Augenachse verlaufendes Septum in zwei 
Hälften geteilt. Das Septum wird gegen die Linse zu höher und 
tritt an deren ventrale Seite heran. Dieser vorderste, an die 
Linse herantretende, wulstförmig verdickte Teil des Septum ist 
wohl sicher die Anlage des Linsenmuskels (Retractor lentis nach 
Th. Beer), der demnach, wie schon von mehreren Seiten angegeben 
ist. ektodermalen Ursprungs sein dürfte. Auch das Pigmentblatt 
der Retina, das bis zur Anlage des Linsenmuskels nach vorn 
reicht, zeigt hier gewisse Eigentümlichkeiten. Indessen würde es 
mich zu weit von meinem Gegenstand ablenken, wenn ich darauf 
näher eingehen wollte. Auf alle Fälle scheint mir eine eingehende 
Untersuchung der Entwicklung des Auges der Knochenfische, 
namentlich auch mit Rücksicht auf die Entwicklung des Linsen- 
muskels, viele schöne Resultate zu versprechen. 


Rückblick und Schluss. 


Die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind: 
erstens der Nachweis einer bilateralen oder naso-tempo- 
ralen Symmetrie der primären und in noch höherem Grad 
der sekundären Augenblase oder des Augenbechers und zweitens 
der vielleicht auch in pathologischer und klinischer Beziehung 
nicht ganz unwichtige Nachweis von Inzisuren am Um- 
schlagsrand des Augenbechers, die eine ganz bestimmte 
und typische Lage haben. Dazu kommen noch Ergebnisse von, 
wenigstens vorderhand, geringerer Bedeutung, welche sich auf 
die Differenzierung der Retina, auf die Bildung des Optikus usw. 
beziehen. Dass namentlich die erste Tatsache, die bilaterale 
Symmetrie der Retina und damit zugleich der Grundlage des 
ganzen Auges ein hohes physiologisches und pathologisches Interesse 
in Anspruch nimmt, brauche ich kaum zu betonen. Indessen 
will ich zuerst ein paar Worte über die Randkerben des 
Augenbechers sagen. In seinem bekannten Atlas zur Entwicklungs- 
geschichte des menschlichen Auges (1914, S. 13) führt Seefelder 
mich als ersten an, der diese Randkerben gesehen hat. In der 
Tat sind sie mir seit mindestens 17 Jahren bekannt. Seefelder 
leitet, wie schon früher erwähnt, seine Beschreibung mit den 
Worten ein: „Ausser der ventral gelegenen grossen Becherspalte 
kann man manchmal an beliebigen anderen Stellen des Becher- 


410 Carl Rabl: 


randes eine Einkerbung beobachten.“ Als ich mit Seefelder 
über diese Randkerben sprach und auch noch später, als er sie 
mit meinem Einverständnis nach meinen Präparaten in seinem 
Atlas zeichnen liess, wusste ich allerdings noch nicht. dass Zahl 
und Lage der Kerben ganz bestimmt sind, aber ich erinnere mich 
andererseits auch nicht, dass ich mich dahin geäussert hätte, sie 
könnten an „beliebigen“ Stellen des Randes vorkommen. Auch 
darüber. dass man sie nur „manchmal“ finde, habe ich, soweit 
ich mich erinnere, nichts gesagt. Dass sie regelmässig, in be- 
stimmter Zahl und in bestimmter Lage vorkommen, und dass 
nicht bloss die Säugetiere, sondern auch die tieferstehenden 
Wirbeltiere, ja sogar die Haifische zu einer bestimmten Zeit der 
Entwicklung durch solche Randkerben ausgezeichnet sind, dass 
sie endlich sogar bei den Haifischen in der gleichen Lage und 
Zahl wie beim Schaf oder Mensch vorkommen, wusste ich damals 
freilich noch nicht. Aber gerade diese Regelmässigkeit der Zahl 
und Lage und die Allgemeinheit des Auftretens sind Momente, 
die der Erscheinung eine grössere Bedeutung verleihen. Dass 
das eine Mal an einem Embryo eines Säugetieres statt der 
typischen vier nur drei oder selbst nur zwei Randkerben mit 
voller Sicherheit nachzuweisen sind, hat gegenüber der höchst 
interessanten Tatsache, dass sie bei einem Pristiurus genau ebenso 
zur Entwicklung kommen wie beim Schaf oder Menschen, gar 
nichts zu sagen. So zweifellos aber das allgemeine und regel- 
mässige Vorkommen dieser Randkerben in der ganzen Wirbel- 
tierreihe ist, so lässt sich doch über die physiologische Bedeutung 
derselben zur Zeit nur wenig sagen. Auffallend ist allerdings, 
dass man bei den Säugetieren, vor allem bei dem menschlichen 
Embryo von 8,3 mm NS Länge (vergl. Taf. XII, Fig. 1) und 
auch sonst in den Randkerben Gefässe findet, wodurch es wahr- 
scheinlich gemacht wird, dass diese Gefässe mit der Art der 
Zirkulation des Auges selbst im Zusammenhang stehen. In der 
Tat ist ja, wie ich schon im beschreibenden Teil hervorgehoben 
habe, keine die Arterie begleitende Vena hyaloidea vorhanden. 
Das durch die fötale Augenspalte in der Arteria hyaloidea ein- 
tretende Blut kann wohl nicht anders als über den Becherrand 
den Abfluss finden. Und so liegt denn, wie mir scheint, die An- 
nahme nahe, dass die primäre, erste und ursprüngliche Zirkulation 
im Wirbeltierauge die ist, dass die Arteria hyaloidea oder, wie man 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 411 


vielleicht besser sagen könnte, die Art. optica, durch die fötale 
Augenspalte das Blut zum Auge bringt, und dass dieses durch 
vier Venen, welche sich in die Kerben des Augenrandes einlegen, 
das Auge wieder verlässt. Dies würde aber schon auf eine 
bilaterale oder naso-temporale Symmetrie des Auges 
hinweisen. Wir hätten dann eine Arterie, die in der vertikalen 
oder gewissermassen’in der entwicklungsgeschichtlichen Hauptebene 
des Auges einträte und vier Venen, die auf die vier Quadranten 
des Auges verteilt wären. Zwei davon würden der nasalen, die 
beiden anderen der temporalen Hälfte des Auges angehören und 
diese vier Venen wären genau bilateral symmetrisch verteilt. 
Dieser Annahme bin ich bereits im beschreibenden Teile gefolgt. So 
würden denn auch die Erwägungen Seefelders bis zu einem 
gewissen, allerdings nur sehr beschränkten Grade eine Bestätigung 
erfahren. Diese Erwägungen lauten: „Die Einkerbung des Becher- 
randes ist genetisch ganz unabhängig von der Bildung der 
ventralen Becherspalte. (Nach dem Gesagten würde dies nicht richtig 
sein, insofern die „ventrale Becherspalte* zum Eintritt für die 
Arterie, die Randkerben zum Austritt für Venen zu dienen hätten, 
beide also in einem gewissen kausalen Zusammenhang miteinander 
stünden.) „Ihr Zustandekommen (augenscheinlich sind hier die 
Randkerben gemeint) wird einzig und allein durch Hindernisse 
verursacht, die ihren Sitz ausserhalb der Augenanlage haben, 
und zwar sind es Gefässverbindungen der Arteria hyaloidea mit 
der Ringarterie, sowie letztere selbst, die sich dem Auswachsen 
des Becherrandes entgegenstellen. (Hier werden drei nach 
meinen Präparaten angefertigte Zeichnungen zitiert.) Mit dem 
Wegfallen des Hindernisses durch Rückbildung der Gefässverbin- 
dungen bestehen diese Einkerbungen nur mehr kurze Zeit weiter 
und es erfolgt mit ihrem allmählichen Verschwinden eine Abrun- 
dung des Becherrandes. In den Fällen, wo die Ursache der Spalt- 
bildung des Becherrandes dauernd bleibt, wird die Ausbildung des 
retinalen Anteils der Iris, event. auch desZylinderkörpers, gehemmt 
und es kommt zur Bildung sogenannter atypischer Kolobome.“ 
Bevor die Gefässverhältnisse des Auges in so jungen Stadien 
nicht ganz klargestellt sind, möchte ich mich nicht weiter darüber 
äussern. Das oben Gesagte soll auch bloss eine Vermutung zum 
Ausdruck bringen. Ich kann nur sagen, dass ich fast stets, 
wenn ich an den vier typischen Stellen nach einem Gefäss gesucht 


412 CarlRabl: 


habe, es auch finden konnte. Auch Teile eines „Ringgefässes“ — 
ob es sich um eine Arterie handelt, wie Seefelder meint, weiss 
ich nicht — kann ich gewöhnlich sehen. Aber in diesen Fragen 
lassen uns gerade die Selachier im Stich. Bei dem Pristiurus- 
embryo mit 83 Urwirbeln, bei welchem die Randkerben so überaus 
klar und deutlich zu sehen sind (vgl. die Fig. 1 und 2, Taf. XIID, 
ist in der Nähe des Augenblasenrandes noch kein Gefäss zu 
finden; dasselbe gilt von einem Embryo mit 96—97 Urwirbeln. 
Freilich gebe ich dazu folgendes zu bedenken. Es könnten die 
Inzisuren ganz wohl schon auftreten, lange bevor die Gefässe 
gebildet sind, zu deren Einlagerung sie dienen. So findet man 
z.B. — ich teile hier eine Beobachtung mit, die ich schon vor 
langer Zeit gemacht habe — bei Schweineembryonen die tiefen 
Einschnitte an der Oberlippe schon ausgebildet, lange bevor die 
Hauer, denen sie später zur Einlagerung dienen, zum Durchbruch 
durch die Schleimhaut gekommen sind. Es ist das ein Fall von 
prospektiver Entwicklung, oder — wie ich mich in meinen „Bau- 
steinen zu einer Theorie der Extremitäten der Wirbeltiere“ 1911 
ausgedrückt habe, von prospektiver funktioneller Anpassung, 
wie es deren so ungemein viele in der Entwicklung der Tiere gibt. 

Seefelder nennt die Randkerben „Colobome des Becher- 
randes“ und meint, dass es, wenn sie bestehen bleiben, zur Bil- 
dung von „atypischen Golobomen“ kommen könne. Es will mir 
scheinen, dass man die Bezeichnung Colobome auf angeborene 
Spaltbildungen des Auges (der Iris, Chorioidea, des Optikus etc.) 
beschränken sollte, die auf das Ausbleiben oder auf Unregel- 
mässigkeiten das Verschlusses der fötalen Augenspalte zurück- 
zuführen sind. Alle anderen sogenannten Colobome (z. B. Colobom 
der Macula oder das Coloboma traumaticum) haben mit der 
fötalen Augenspalte nichts zu tun. Der Name Colobom selbst 
drückt bekanntlich keinerlei Beziehung zur Augenspalte aus; denn 
er bedeutet einfach „Verstümmelung“. 


Wichtiger und interessanter ist die bilaterale oder 
naso-temporale Symmetrie der Anlage der Retina. Dass es 
sich dabei nicht etwa um Artefakte handelt, beweist schon die 
tadellose übrige Erhaltung der betreffenden Objekte. Nirgends 
ist an ihnen die Spur einer Schrumpfung oder abnormen Faltung 
zu sehen. Ürigens würden schon die Fig. 3, 4 und 5 der Taf. X, 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 413 


welche die primäre Augenblase des Kaninchens mit den zwei 
Netzhautwülsten zeigen, genügen, um jeden Zweifel daran 
auszuschliessen, dass die Retina schon von den frühesten Stadien 
an in einen nasalen und temporalen Lappen geteilt ist. Diese 
Scheidung geht später allerdings scheinbar wieder verloren, aber 
eben nur scheinbar; in Wirklichkeit bleibt, wie wir sehen werden, 
die bilaterale Symmetrie stets erhalten und zwar nicht bloss an 
der Retina, sondern am ganzen Auge. 

Sehr auffallend ist, dass von den hier mitgeteilten Tat- 
sachen so gut wie gar nichts bekannt ist. Zum Teil mag dies 
daher rühren, dass man bisher fast nur Querschnittsserien unter- 
sucht hat; schon Horizontalschnitte durchs Auge von Embryonen 
findet man relativ selten abgebildet und Bilder von Sagittal- 
schnitten, also von Schnitten, welche das Auge parallel der 
Äquatorialebene treffen, sind ungeheuere Raritäten. Ich will 
das Wichtigste, was ich darüber gefunden habe, mitteilen. Die 
meisten derartigen Abbildungen finden sich bei Kölliker in der 
„Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere“ 
aus dem Jahre 1879. Hier ist auf Seite 629, Fig. 392, ein 
Horizontalschnitt durch den Kopf eines Schafembryo von 15 mm 
Länge abgebildet, der am linken Auge eine eben merkliche An- 
deutung der vertikalen Falte der Retina zeigt; das rechte Auge 
ist tiefer unten getroffen und der Schnitt hat die fötale Augen- 
spalte blossgelegt. Ferner sind auf Seite 634, Fig. 394 und 395, 
zwei Horizontalschnitte durch die Augen von Kaninchenembryonen 
abgebildet; der eine Embryo war 12 Tage 6 Stunden, der andere 
14 Tage alt. An beiden Figuren ist die vertikale Falte der 
Retina, wenn auch lange nicht so gut, wie es sein könnte, zu 
sehen. Endlich ist auf Seite 651, Fig. 410 ein Horizontalschnitt 
durch das Auge eines Rindsembryo von 23 mm Länge abgebildet, 
der die Falte gleichfalls zeigt. Merkwürdigerweise wird aber 
diese Eigentümlichkeit, die doch zum mindesten dem Zeichner 
aufgefallen ist, im Text nicht mit einem Worte erwähnt. Einen 
Äquatorialschnitt durch das Auge eines Schweineembryo von 12 mm 
Scheitelsteisslänge finde ich bei Bonnet in seinem „Lehrbuch 
der Entwicklungsgeschichte“ (2. Auflage 1912), abgebildet (Seite 304, 
Fig. 241). Das Bild zeigt eine geringe, eben merkbare Andeutung 
einer Faltung des Innenblattes der Augenblase und über der Falte 
die Höhle, welche z. B. an meinen Fig. 13 und 14 der Taf. XI 


414 Carl Rabl: 


zu sehen ist. Damit bin ich eigentlich mit der Literatur zu 
Ende. Weder bei Kessler (1877), noch bei O. Hertwig 
(Lehrbuch, 10. Auflage, 1915), noch in der Bearbeitung des 
Kapitels „Auge“ von Froriep im Handbuch der Entwicklungs- 
lehre OÖ. Hertwigs, noch in dem von Keibel bearbeiteten 
Kapitel über die Entwicklung der Sinnesorgane in Keibel und 
Malls Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen“ 1911, 
noch bei Broman in seiner „normalen und anormalen Entwicklung 
des Menschen“ 1911, noch endlich im Lehrbuch (1895) und Hand- 
atlas (1907) der Entwicklungsgeschichte des Menschen von 
Kollmann findet sich etwas, was man darauf beziehen könnte. 
Höchstens käme vielleicht ein „kombiniertes Bild“ eines Schnittes 
durch das Auge und den Augenstiel eines menschlichen Embrvo 
von 10,2 mm Länge in Betracht, das in den beiden letztgenannten 
Werken wiedergegeben ist und möglicherweise einem Hori- 
zontalschnitte entspricht; der Augengrund zeigt auf diesem Bild 
eine leichte Vorwölbung; von einer Falte der Retina ist aber 
keine Rede. Davon erwähnt auch der Text nichts. 

Das Interesse, das der Nachweis einer nasotemporalen Sym- 
metrie der Retina in pathologischer Beziehung bietet, scheint 
mir darin zu liegen, dass durch ihn vielleicht ein neues Licht 
auf jene Sehstörung geworfen wird. die man als Hemianospie 
(Hemiopsie oder Hemiopie) zu bezeichnen pflegt. Ich sage aus- 
drücklich „vielleicht“: denn die Ergebnisse der entwicklungs- 
geschichtlichen Untersuchungen decken sich nicht mit den 
klinischen Erfahrungen. Meine Untersuchungen haben gezeigt, 
dass die Retina entwicklungsgeschichtlich durch eine 
Ebene, die senkrecht durch den Optikuseintritt zieht, 
in eine nasale und temporale Hälfte zerlegt wird. Beim Kaninchen 
sind es zunächst zwei Wülste, ein nasaler und ein temporaler, 
an der ventralen Wand der primären Augenblase, die später zum 
inneren Blatt der Augenblase wird, welche diese Symmetrie zum 
Ausdruck bringen. Später tritt dann eine Falte auf, welche in 
der dorsalen Hälfte der Augenblase die aus den beiden Wülsten 
hervorgegangenen Lappen voneinander scheidet, während gleich- 
zeitig an der ventralen Seite die fötale Augenspalte entsteht, 
die zunächst nur bis zum Augenblasenstiel reicht, dann aber, 
wenigstens bei den Säugetieren, — dagegen nicht bei den anderen 
Tieren — auf diesen übergreift. Die dorsale Falte und 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauses. 415 
> 


die ventrale Spalte bilden also eine vertikale Grenze 
zwischen nasalem und temporalem Lappen. Später 
(vel. z.B. ‘die Rie. 11, Vaf. X und die' Fig.’6, 10, 11’ und 
Taf. XD), wenn sich die fötale Augenspalte schliesst, — und in 
offensichtlichem Zusammenhang mit diesem Vorgang —, bildet 
sich an deren Stelle auch ventralwärts eine Falte, so dass nun- 
mehr in den Glaskörperraum in einer vertikal durch den Optikus- 
eintritt gelegten Ebene zwei Falten vorspringen: eine dorsale, 
die wir als primäre bezeichnet haben und eine ventrale, die 
später und im Zusammenhang mit dem Verschluss der fötalen 
Augenspalte entstanden ist, und die als sekundäre bezeichnet 
werden kann. Die Ebene dagegen, welche bei der Hemianopsie 
nasale und temporale Gesichtsfeldhälfte voneinander scheidet, ist 
die Ebene, die durch den physiologischen vertikalen Meridian 
gelegt wird, nicht die Ebene, die senkrecht durch den Optikus- 
eintritt zieht. Die entwicklungsgeschichtliche Trennungsebene 
zwischen den beiden Netzhauthälften fällt also mit der physio- 
logischen, die zugleich die hemianoptische ist, nicht zusammen. 
Übrigens spielt doch hierbei vielleicht noch die Frage nach 
der „überschüssigen Gesichtsfeldpartie“ und der Doppelversorgung 
der Macula lutea eine Rolle. Auf Seite 301—302 des 3. Bandes 
der 1. Abteilung der „Neurologie des Auges“ (1905) von Wilbrand 
und Saenger lese ich: „Wenn nun auch diese, also nur 
unter bestimmten pathologischen Bedingungen, manitest werdende 
Trennungslinie der Gesichtsfeldhälften mit dem vertikalen Meridian 
der Netzhaut zusammenfällt und den Fixierpunkt durchschneidet, 
so ist dies doch eigentlich die Ausnahme, denn meist verläuft 
‘die Trennungslinie mehr oder weniger weit jenseits des vertikalen 
Meridians am Fixierpunkte vorbei innerhalb des Gebietes der 
vom anderen Faszikel versorgten anderen Netzhaut — resp. 
Gesichtsfeldhälfte.“ Weil damit die so verlaufende Trennungslinie 
der Gesichtsfeldhälften ein Gebiet umgrenzt, das, soweit es vom 
vertikalen Meridian ab in die andere Gesichtsfeldhälfte hinein- 
ragt, eigentlich überschüssig ist, wurde diese Partie von Wilbrand 
mit der Bezeichnung „überschüssige Gesichtsfeldpartie* 
belegt. 
Wahrscheinlich aber ist ein Zusammenhang zwischen 
Hemianopsie und bilateraler Symmetrie in anatomischem und ent- 
wicklungsgeschichtlichem Sinne nicht. Vielmehr dürfte die In- 


416 Carl Rabl: 


kongruenz zwischen der entwicklungsgeschichtlichen Grenz- oder 
Trennungslinie der beiden Netzhauthälften und der hemianoptischen, 
die zugleich die physiologische Trennungslinie der beiden Gesichts- 
feldhälften ist, auf die Lageveränderung des Auges zurück- 
zuführen sein. Diese musste natürlich störend auf die ursprüngliche 
Symmetrie des Auges einwirken. 


Wir wollen nun untersuchen, ob die Retina auch beim er- 
wachsenen Tier, also auch nach ihrer vollen Entwicklung, eine 
naso-temporale Symmetrie, d. h. eine Symmetrie, bei welcher die 
Symmetrieebene senkrecht durch den Optikuseintritt gezogen wird, 
aufweist. Zu diesem Zweck wollen wir zuerst die Art der Gefäss- 
verteilung in der Retina untersuchen. Hierbei kommen 
bekanntlich nur die Säugetiere in Betracht, da bei den übrigen 
Wirbeltieren die Netzhaut fast durchweg gefässlos ist. Hyrtl 
hat diese Netzhäute daher als anangische bezeichnet (1861). Wie 
H. Virchow gezeigt hat, kommen aber doch unter den Fischen 
sehr merkwürdige Ausnahmen vor; so ist z. B. beim Aal die Netz- 
haut ausserordentlich gefässreich, ja sie übertrifft in der „Aus- 
giebigkeit der Vaskularisation“ sogar die Netzhaut der Säuge- 
tiere. In anderen Fällen, wie z. B. bei den Knochenganoiden (für 
ältere Lepidosteusembryonen kann ich dies aus eigener Erfahrung 
bestätigen), bestehen zwar Geefässe der Hyaloidea, aber sie schicken 
keine Aste in die Retina selbst hinein. — Was nun die Säuge- 
tiere betrifft, so wird ein Urteil über die Art der Gefässverteilung 
dadurch erschwert, dass es nicht immer mit Sicherheit festzu- 
stellen ist, ob die Arterien, die man gesehen und beschrieben 
hat, auch wirklich Äste einer Arteria centralis retinae sind, oder: 
aber hintere Ciliararterien. Am wichtigsten für unsere Frage 
ist aber zweifellos die Verästlungsweise der A. centralis retinae, 
womit freilich nicht gesagt sein soll, dass dem Verästlungsmodus 
der cilioretinalen Gefässe keine Bedeutung zukommt. Es wäre 
sehr zu wünschen, dass diese Frage nach der Versorgung der 
vetina noch genauer untersucht würde. Das meiste, was wir dar- 
über wissen, gründet sich auf ophthalmoskopische Befunde und 
diese reichen für anatomische Zwecke nicht aus. So sind z. B. die 
Mitteilungen von Lindsay Johnson ausschliesslich auf ophthal- 
moskopische Untersuchungen basiert und in den meisten Fällen 
ist den kostspieligen und farbenprächtigen Bildern nicht anzusehen, 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 417 


ob die Gefässe, um die es sich dabei handelt, Äste der A. centralis 
retinae oder hintere Ciliararterien sind. Es ist dies aber durch- 
aus nicht gleichgültig; wir wissen, dass selbst nahe verwandte 
Familien, wie Hund und Katze, hierin voneinander abweichen 
können. Beim Hund wird z. B. die Retina von einer Art. centr. ret. 
versorgt, während bei der Katze nach OÖ. Schultze die Netzhaut- 
gefässe Äste der hinteren Ciliararterien sind; „die Art. centr. ret. 
hat hier für die Ernährung der Retina keine wesentliche Bedeutung: 
sie wird durch cilioretinale Gefässe ersetzt“ (Leber). 
Nachdem schon Lindsay Johnson versucht hatte, mehrere 
Typen der „Netzhautvaskularisation“ aufzustellen, hat Leber 
folgende Einteilung getroffen: er unterschied holangische, 
merangische, paurangische und anangische Netzhäute. Der Ein- 
teilung ist die Ausbreitung der Gefässe zu Grunde gelegt; je 
nachdem die Netzhäute in ganzer Ausdehnung oder nur zum 
grösseren Teil, oder drittens nur sehr wenig oder endlich gar 
nicht vaskularisiert sind, werden sie in die vier genannten Gruppen 
gebracht. Eine solche Einteilung ist, so wertvoll sie in ophthal- 
moskopischer Hinsicht sein mag, in vergleichend-anatomischer und 
entwicklungsgeschichtlicher doch kaum verwendbar. Dasselbe gilt 
von der Einteilung Lindsay Johnsons; der lange Titel. den 
er seinem in der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin 
gehaltenen Vortrage gegeben hat, lässt zwar ganz grossartige 
Aufschlüsse erwarten, der Inhalt aber rechtfertigt diese Erwartungen, 
wenn er auch in anderer Beziehung alle Anerkennung verdient, 
in keiner Weise. Was die Abbildungen Lindsay Johnsons 
betrifft, so sind sie, da sie nur die Gefässe auf und in unmittel- 
barer Nähe der Eintrittsstelle des Optikus zeigen und keine voll- 
ständige Übersicht über die ganze Art und Weise der Gefäss- 
verteilung geben, nur in beschränktem Maße für unsere Zwecke 
verwendbar. 

(Ganz gefässlos — anangisch nach der Bezeichnung Hyrtls — 
ist die Netzhaut beim Rhinozeros, dem Stachelschwein (Hvstrix), 
dem Armadill(Dasypus), dem Faultier (Bradypus) und dem Ameisen- 
igel (Echidna); diese Formen kommen daher für uns nicht in 
Betracht. Das gleiche gilt von den Formen mit „paurangischer“ 
Netzhaut nach Leber. Diesen Typus zeigen die Fledermäuse, 
das Pferd, der Tapir, der Elefant, der Ameisenbär (Myrmecophaga) 
und Hyrax, dann ein Teil der Nager, wie der Biber und das 


A418 Carl Rabl: 


Meerschweinchen und endlich noch die meisten Beuteltiere. 
Hinsichtlich des genaueren Verhaltens der Netzhautgefässe des 
Pferdes sind aber die Angaben noch geteilt. (Man vergleiche 
darüber, sowie über andere, hier erwähnte Punkte die Zusammen- 
stellung Lebers.) 

Wichtig für uns sind eigentlich nur die „merangischen“ 
und „holangischen“ Netzhäute. Was die Netzhautgefässe des 
Kaninchens und des Hasen betriftt, so weiss man seit langem, 
dass ihr Verbreitungsgebiet ein sehr beschränktes ist. Vom Augen- 
hintergrund des Kaninchens gibt es begreiflicherweise eine sehr 
grosse Zahl von Abbildungen, wie bereits oben erwähnt wurde. 
Eine der lehrreichsten ist die von Lindsay Johnson. Das 
Kaninchen besitzt eine horizontal gestellte, ovale oder lang- 
gestreckte (Lindsay Johnson) Papille, von der die Äste der 
Art. centralis nach der nasalen und temporalen Seite ausstrahlen. 
Die Papille und die grösseren Grefäßstämme der Retina stehen 
also genau senkrecht auf der vertikalen Grenzlinie zwischen 
den beiden entwicklungsgeschichtlich so scharf unterscheidbaren 
Lappen. Was die holangischen Netzhäute betrifft, so halte ich 
mich lieber als an die ophthalmoskopischen Bilder, die nur aus- 
nahmsweise eine beschränkte Übersicht über die Verbreitungsweise 
geben, an die, wenn auch weniger eleganten und zum Teil wohl 
sehr schematischen Abbildungen Chievitzs und Slonakers; 
namentlich die Skizzen Slonakers geben nur eine ungefähre 
Vorstellung der grösseren Arterienstämme. Zu diesen Abbildungen 
kommen dann noch einige andere, wie das schöne Bild des Augen- 
hintergrundes des Rindes in Zürns Arbeit über die Retina und 
die Area centralis der Haussäugetiere und dergleichen. 

Ich beginne mit der Besprechung der Gefässverteilung in 
der Retina der Primaten. Das Schema der Gefässverteilung von 
E. v. Jäger, das auch Leber in seine Darstellung aufge- 
nommen hat, ist allgemein bekannt; weniger bekannt ist das 
Bild Langenbachers, das das Gefässnetz der Retina bis zur 
Ora serrata zeigt; es ist gleichfalls von Leber in seine grosse, 
höchst dankenswerte Darstellung der Zirkulationsverhältnisse des 
Auges aufgenommen (S. 8). Für unsere Zwecke ist die Figur 
Langenbachers vielleicht noch instruktiver als die v. Jägers. 
Eine senkrechte Linie, die genau der entwicklungsgeschichtlichen 
Grenze der beiden Hälften der Retina entspricht, trennt die nasalen 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 419 


und temporalen Gefässgebiete. Das nasale wird bekanntlich von 
der Arteria nasalis sup. et inf., das temporale von der Arteria 
temporalis sup. et inf. versorgt. Kleinere Arterien wie die Arteria 
macularıs an der temporalen und die A. mediana an der nasalen 
Seite stören diese nasotemporale Symmetrie in keiner Weise. 
Ein eigenartiges Interesse bietet dann noch die Tatsache, dass 
„der mittlere Teil der Fovea eine gefässlose Insel“ darstellt; 
diese Insel ist, wie die von O. B. Becker nach einem Präparat 
von H. Müller gegebene Abbildung (vergleiche Leber, S. 11) 
zeigt, im horizontalen Durchmesser länger als im vertikalen. 
Der Längsdurchmesser der Insel steht also, nasalwärts verlängert, 
senkrecht auf der entwicklungsgeschichtlichen Grenzlinie. Wie 
aus den Untersuchungen Slonakers (Gorilla) und namentlich 
Lindsay Johnsons (zahlreiche niedere Affen) hervorgeht, 
zeigen alle Primaten denselben Verästelungstypus wie der Mensch. 

Aber auch sonst lässt sich bei allen holangischen Netzhäuten 
durch eine, der entwicklungsgeschichtlichen Grenzlinie zwischen 
temporaler und nasaler Hälfte der Retina entsprechende senkrechte 
Linie das (Gefässgebiet der Retina in zwei symmetrische Hälften 
zerlegen. Wenn wir den Teilungsmodus der Primaten 
als den ersten Typus der Gefässverteilung bezeichnen 
wollen, so können wir den der Karnivoren als einen 
zweiten anführen. Aus den Skizzen Slonakers geht 
klar hervor, dass wir hier (Hund, Fuchs, Katze) eine dorsale, in 
der entwicklungsgeschichtlichen Grenzlinie senkrecht nach oben 
ziehende Arterie unterscheiden können, die symmetrisch nach der 
temporalen und nasalen Seite ihre Äste abgibt, und zwei ventrale, 
die einen nach unten offenen rechten oder stumpfen Winkel 
einschliessen, und von denen die eine an der nasalen, die andere 
an der temporalen Seite gelegen ist. Auch einige Bilder von 
Lindsay Johnson (ich erwähne das von Procyon lotor und 
Ursus americanus) lassen eine nasotemporale Symmetrie der 
Gefässyerteilung vermuten. Andere Bilder, wie das der Ge- 
fässverteilung beim Serval, geben das umgekehrte Bild, wie 
die vom Hund oder Fuchs, zeigen aber gleichfalls eine nasotemporal- 
symmetrische Verteilung. Ein dritter Verbreitungsmodus 
ist der der Ungulaten, soweit diese überhaupt gefässhaltige 
Netzhäute besitzen. Die Abbildungen der Gefässverteilung des 
Rindes, Schafes, Hirsches, Schweines, Kamels usw. lassen keinen 


420 Carl Rabl: 


/weifel an der nasotemporalen Symmetrie der Gefässverteilung 
zu. Der Verbreitungsmodus ist nur wenig von dem der Karni- 
voren verschieden. Auch hier haben wir eine von der Optikus- 
papille senkrecht nach oben ziehende, also dorsale Arterie, die 
symmetrisch nach der temporalen und nasalen Seite Zweige abgibt 
und zwei oder drei ventrale Gefässe, die man, wie namentlich 
die genauesten darüber vorliegenden Abbildungen zeigen, als 
eine horizontale nasale, eine horizontale temporale und eventuell 
noch als eine vertikale ventrale bezeichnen kann. Die vertikale 
ventrale kann, wie es scheint, rückgebildet sein. Alsein vierter 
Verbreitungsmodus ist vielleicht der der Nager, so- 
weit diese überhaupt gefässhaltige Netzhäute besitzen, zu unter- 
scheiden. Wenigstens lassen die Abbildungen einer Eichhörnchen- 
netzhaut bei Chievitz und zwei ophthalmoskopische Bilder des 
Augenhintergrundes der Ratte und des Eichhörnchens bei Lindsay 
Johnson die Annahme einer nasotemporalen Symmetrie der 
(sefässverteilung auch in diesen Fällen nicht unwahrscheinlich 
erscheinen. Dabei ist es sehr eigentümlich, dass beim Eichhörnchen 
die Papille ein langes, horizontales Band darstellt, aus dem nach 
der dorsalen, ventralen, temporalen und nasalen Seite die Gefässe 
hervortreten. Die Bilder sowohl bei Lindsay Johnson als bei 
Chievitz sind ohne die geringste Schwierigkeit mit der naso- 
temporalen Symmetrie in Einklang zu bringen. Die Verhältnisse 
des Eichhörnchens erinnern zugleich ein wenig an die oben 
geschilderten des Kaninchens. — 

Aber nicht bloss die Art der Gefässverteilung in der Retina 
steht in vollem Einklang mit der nasotemporalen Symmetrie, wie sie 
sich in der Entwicklung des Auges kundgibt, sondern auch die 
Konfiguration der Regionen des schärfsten, oder vielleicht besser 
gesagt, des scharfen Sehens. Die entwicklungsgeschichtliche 
Trennungslinie der beiden Hälften der Retina steht, wie wir gesehen 
haben, vertikal; es ist nun gewiss nicht ohne tiefere Bedeutung, 
dass die Region des scharfen Sehens, die man als Area centralis 
zu bezeichnen pflegt, in weitaus der Mehrzahl der Fälle, wo sie 
bisher genauer untersucht ist, dem horizontalen Meridian 
entspricht, also genau senkrecht auf der ent- 
wicklungsgeschichtlichen Grenzlinie der beiden 
Retinahälften steht. Es ist dies ein Gegenstand, der 
namentlich, was die niederen Wirbeltiere betrifft, noch nicht seit 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 421 


sehr langer Zeit bearbeitet ist und dessen weitere Verfolgung 
sicher noch schöne Resultate zeitigen wird. Wir werden sehen, dass 
die Tatsache, dass eine band- oder streifenförmige Area centralis 
retinae gerade in den ursprünglichsten Fällen senkrecht auf jene 
Grenzlinie zieht und im horizontalen Meridian verläuft, ein Licht 
auf die physiologische Bedeutung und zugleich auf die phylo- 
genetische Entstehung der nasotemporalen Symmetrie zu werfen 
geeignet ist. Ich hebe zunächst einige Angaben hervor, die für 
unsere Frage von Wichtigkeit sind. Dabei beginne ich mit den 
Selachiern und steige allmählich zu den Säugetieren auf. Über 
die Retina der Selachier hat Franz mitgeteilt, dass sie „zentral 
dicker und reicher an den verschiedenen Elementen“ ist, als in 
der Peripherie. Er fährt dann fort — und darauf möchte ich 
ganz besonders die Aufmerksamkeit lenken —: „Derhorizontale 
MeridiandesSelachierauges dürfte als Gebiet des schärfsten 
Sehens insofern wirken, als er und nur er den hierfür geeigneten 
Abstand von der Linse hat, während dorsal und ventral die Netz- 
haut der Linse näher liegt. Dies kommt physiologisch auf das- 
selbe wie eine streifenförmige Area hinaus, doch sind histiologische 
Unterschiede, die damit einhergingen, bis jetzt nicht bekannt, 
ausser, dass bei manchen Arten das Tapetum der ÜUhorioidea in 
diesem Gebiete bevorzugt entwickelt ist“ (1905 und 1913). Mit 
den Angaben Franz’ stimmen diejenigen Slonakers im all- 
gemeinen überein. Er schreibt: „Fishes seem to be characterized, 
as a rule, by the absence of both a fovea and a well-defined 
area. Nothing is visible to the naked eye excepting in a few 
cases, which will receive special mention. If sections of the eye 
however, are subject to the microscopical measurement, an oblong 
or oval region, slightly thicker than the rest of the retina, is 
found located on the temporal side and a little above the center. 
In fact, the whole upper half of the retina is somewhat thicker 
than the lower half in all fishes which J have examined. That 
region indicated above, however is the thickest, and .J have 
designated it the area centralis“. (S. 482.) Dementsprechend führt 
Slonaker auch in der Übersicht Acanthias, Torpedo und einige 
andere Fische als Formen mit „oval area“ an. In der Tat lässt 
sich dagegen kaum etwas einwenden. 

Was die Ganoiden betrifit, so hat Dogiel einen Unterschied 


im feineren Bau der Retina des Störs zwischen der Mitte des 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 28 


4223 Carl Rabl: 


Augengrundes und der Peripherie konstatieren können. — An 
einer Querschnittsserie durch den Kopf eines jungen Lepidosteus 
von 16,5 mm Länge finde ich die Retina in der Mitte etwas dicker 
als in der Peripherie; aber das will deshalb nicht viel sagen, weil 
geradeso wie ich dies schon im Jahre 1398 vom Axolotl gezeigt 
habe, die Differenzierung der Retina auch bei den Fischen in der 
Mitte des Augenhintergrundes beginnt und von hier nach der 
Peripherie weiterschreitet. Es könnte also immerhin später die 
Retina in der Peripherie ebenso dick werden als im Zentrum. 
Dagegen ist die Tatsache, dass hier, also gerade in der Gegend 
des scharfen oder schärfsten Sehens, die Differenzierung ihren 
Anfang nimmt, sowohl in physiologischer als phylogenetischer 
Hinsicht von grossem Interesse. Ich habe darauf schon in meiner 
ersten Linsenarbeit hingewiesen. — Was die Knochenfische betrifft, 
so liegen hier augenscheinlich sehr verschiedene Verhältnisse vor. 
Beim Seepferdchen (Hippocampus) glaubte Carriere (1885) eine 
runde Area mit kleiner Fovea gefunden zu haben; die Abbildung 
ist oft reproduziert worden, so erst unlängst wieder von Franz, 
obwohl schon vor langer Zeit H. Virchow, wohl mit Recht, 
sehr scharfe Kritik an sie gelegt hat (allerdings in Beziehung auf 
einen anderen Punkt; indessen macht die ganze Zeichnung keinen 
sehr vertrauenswürdigen Eindruck). Nach Krause (1889) soll 
auch bei der Seenadel (Syngnathus) eine runde Area mit kleiner 
Fovea vorhanden sein und Slonaker hat (1897) dasselbe für 
Siphonostoma behauptet, so dass also, wenn man den Angaben 
Vertrauen schenken dürfte, bei allen Lophobranchiern eine Area 
mit Fovea vorhanden wäre. Ausserdem haben Schiefferdecker 
(1554) für Pleuronectes und Gulliver (1868) für Pagellus eine 
Fovea beschrieben. In den meisten Fällen dürfte aber wohl bei 
den Knochenfischen eine längliche, horizontal gestellte Area in 
dem von Slonaker erwähnten Sinne vorhanden sein; dabei bleibt 
aber doch immer noch die Frage offen, ob nicht auch eine Area 
in Form eines horizontalen Bandes oder Streifens vorkommt. Die 
Untersuchungen reichen bisher noch nicht weit. Ich finde auf 
einer (uerschnittsserie durch den Kopf einer jungen 5 cm langen 
Forelle folgendes: Die Retina hat auf den Schnitten, welche den 
Optikuseintritt, die Leiste (Processus faleiformis) und den Linsen- 
muskel (Campanula Halleri) zeigen, in der Mitte des Augen- 
hintergrundes eine Dicke von 0,195 mm; in einiger, aber geringer 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 423 


Entfernung dorsal davon messe ich dagegen nur 0,157—0,165 mm. 
Die dickere Mitte geht ganz allmählich in die dünnere Umgebung 
über. Es scheint, dass auch hier die dickere Region die Form 
einer horizontal gestellten Ellipse oder vielleicht sogar eines hori- 
zontalen Bandes hat, worüber ich allerdings nichts Sicheres sagen 
kann. — Ein von dem gewöhnlichen abweichendes Verhalten findet 
man bei den Tiefseefischen, jedoch soll davon, da es für die 
Frage nach der Entstehung und Bedeutung der nasotemporalen 
Symmetrie ohne Belang ist. hier nicht die Rede sein. 

Was die urodelen Amphibien betrifft, so liegen unsere 
Kenntnisse hinsichtlich regionärer Verschiedenheiten der Retina 
noch sehr im Argen. Nach Hulke (1367) soll bei Salamandra 
atra und Triton cristatus eine kleine Area vorhanden sein (nach 
Slonaker zitiert, bei Hulke selbst konnte ich die Angabe 
nicht finden) ; Chievitz hat eine solche bei Salamandra maculosa 
und Triton punctatus nicht finden können ; ebensowenig Slonaker 
bei Diemycetylus. Dazu kann ich folgendes mitteilen. Es kann 
keinem Zweifel unterliegen, dass Salamandra maculosa eine 
sehr schöne bandförmige, im horizontalen Meridian 
verlaufende Area centralis besitzt. Sie zieht über den 
Augengrund namentlich nach der temporalen Hälfte zu, liegt 
unmittelbar dorsal vom Optikuseintritt und springt sehr deutlich 
gegen den Glaskörper vor. Ich kann sie an Sagittal- und Quer- 
schnittserien von jungen Salamandern von 5,5 und 6,2 cm Länge 
sehr deutlich schon mit freiem Auge sehen. Auf den Sagittal- 
schnitten, welche den Augengrund treffen, wird dieser durch den 
Streifen geradezu in eine dorsale und ventrale Hälfte geteilt. 
Ich bemerke ausdrücklich, dass von einer Schrumpfung und einer 
dadurch entstandenen Faltung keine Rede sein kann. Ich bin 
nach dieser Erfahrung überzeugt, dass bei allen Urodelen eine 
horizontale bandförmige Area nachzuweisen sein wird, wenn man 
nur mit Geduld und mit den geeigneten Methoden darnach sucht. 

Was die Anuren betrifft, so kennt man sie vom Frosch seit 
langer Zeit. Dass Rana esculenta eine bandförmige Area besitzt, 
hat Chievitz im Jahre 1891 gefunden. Sie wurde seither oft 
gesehen und abgebildet. Das schönste Bild von ihr, sowie des 
ganzen Augenhintergrundes, gibt Gaupp in der Bearbeitung der 
Anatomie des Frosches (begründet von A. Ecker undR. Wieders- 
heim, III. Abteilung, 1904, S. 808). Er schreibt über sie und 


28* 


424 Carl Rabl: 


die Area anderer anurer Amphibien: „.. Die Area centralis 
retinae ist schon makroskopisch zu erkennen. Sie erscheint an 
der mit Salpetersäure behandelten Netzhaut von Rana esculenta 
in Form eines ca. 1—1,5 mm breiten horizontalen Streifens von 
gesättigt weisser Farbe, der in einer Entfernung von etwa 1 mm 
oberhalb des Optikuseintrittes quer durch die ganze Retina geht. 
Nasal wie temporal reicht er bis fast an die Ora optica: seine 
Grenzen gegen die übrige Netzhaut sind nicht scharf. Dieser 
von J. K. Chievitz entdeckten und beschriebenen Partie kommt 
ein besonders modifizierter Bau und wahrscheinlich ein besonders 
scharfes Sehvermögen zu. Bei Rana fusca ist sie ebenfalls vor- 
handen, jedoch nur schwach ausgebildet. Eine besondere Ver- 
tiefung, wie sie bei höheren Wirbeltieren (als Fovea centralis 
retinae) vielfach vorkommt, fehlt bei den Fröschen (Bufo calamita 
und B. vulgaris besitzen nach Chievitz eine Andeutung davon).“ 
An dem Bilde des Augenhintergrundes des Frosches ist auch die 
Form der Papilla nervi optiei von Wichtigkeit. Diese liegt etwas 
temporal vom proximalen Pol, ist makroskopisch gut erkennbar 
und besitzt die Form eines länglichen schmalen Ovales, dessen 
Längsachse vertikal steht. Wen das Bild des Augenhintergrundes 
des Frosches, wie es bei Gaupp zu sehen ist, von der naso- 
temporalen Symmetrie der Retina nicht zu überzeugen vermag, 
ist überhaupt nicht zu überzeugen. 

Was die Reptilien betrifft, so ist in allen Fällen, die daraufhin 
untersucht worden sind, eine Area, in vielen ausserdem auch eine 
Fovea gefunden worden. Schon im Jahre 1839 hat Chievitz die 
„streifenförmige Area mit der seichten rinnenförmigen Fovea“ 
des Alligators (A. mississipiensis) beschrieben. Eine ebensolche 
Area besitzt nach demselben Forscher auch das Krokodil. Nach 
Slonaker ist bei Phrynosoma cornutum die Area bandförmig. 
bei allen anderen Lacertiliern, ferner allen Schlangen und Schild- 
kröten soll sie rund sein. Ich sage ausdrücklich „soll“, denn ich 
halte es durchaus nicht für ausgeschlossen, dass eine erneute 
daraufhin gerichtete Untersuchung die Area als bandförmig er- 
weisen wird, wobei allerdings eine Stelle besonders ausgezeichnet 
und höher differenziert sein mag. Die Fovea wird bald als seicht, 
bald als tief bezeichnet. Eine auffallend tiefe Fovea besitzt nach 
Kallius Hatteria, was in Anbetracht der tiefen systematischen 
Stellung dieser Form ein besonderes Interesse bietet. Sehr tief 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 425 


ist auch die Fovea der Uhamaeleons, die schon Soemmering 
kannte und später H. Müller, Hulke und Ramön y Cajal 
beschrieben. 

Was die Vögel betrifft, so verdanken wir auch hier das 
meiste, was wir über die Areae und Foveae derselben wissen, 
Chievitz (1891) und Slonaker (1597). Eine gute Zusammen- 
stellung hat kürzlich Franz gegeben. Wir wissen durch Chievitz, 
dass bei den Vögeln meistens zum mindesten eine runde Area mit 
Fovea vorhanden ist: letztere ist beim Huhn und Perlhuhn allerdings 
sehr fraglich. Wie zuerst H. Müller gezeigt hat, kommt bei 
gewissen Vögeln ausser dieser einen, zentralen, noch eine zweite, 
laterale Fovea vor. Dies ist vor allem bei den Tagraubvögeln 
(die Eulen besitzen nur eine laterale Fovea) und einem Teil der 
Singvögel, vor allem den Schwalben, der Fall. Schon H. Müller 
hat die eine Fovea mit dem monokulären, die andere mit dem 
binokulären Sehen in Beziehung gebracht. Ausser der runden 
Area mit ihrer Fovea findet sich häufig eine streifenförmige, auf 
welcher dann stets die zentrale Fovea sitzt. Die streifenförmige 
Area liegt stets im horizontalen Meridian, wie bei den Amphibien 
und Reptilien, soweit eine solche vorhanden ist. Sie soll sich 
hauptsächlich bei solchen Vögeln finden, die ihre Nahrung am 
Erdboden suchen, und ausserdem bei Schwimmvögeln. In seltenen 
Fällen soll der streifenförmigen Area die Fovea fehlen. Bei den 
schnellsten aller Vögel, den Schwalben (dem Cypselus oder Segler 
und der Hirundo oder Schwalbe), sowie bei einer Möwe, Sterna 
(Seeschwalbe), findet sich sogar ausser den zwei Foveae, die 
denen der Tagraubvögel entsprechen, noch eine streifenförmige 
horizontale Area, die nach der Zeichnung Chievitz’ mit einer 
unne versehen ist und die eine der beiden runden Foveae trägt. 
Wahrscheinlich mit Rücksicht auf die rinnenförmige Vertiefung 
der streifenförmigen Area spricht man auch von drei Foveae bei 
den genannten Vögeln, nämlich zwei runden und einer streifen- 
förmigen. — Auf die anderen regionären Verschiedenheiten der 
Netzhaut der Vögel, so interessant sie namentlich in physiologischer 
und biologischer Hinsicht sind, gehe ich hier nicht ein, ich lasse 
daher auch die ungleiche Verteilung der farbigen Ölkugelarten 
der Zapfen ausser Betracht. Nur eine Tatsache will ich noch 
erwähnen, da sie auch für uns mit Rücksicht auf unsere späteren 
Erörterungen von Interesse ist. Hess hat gefunden, dass die 


426 Carl Rabl: 


Netzhaut bei der Schwalbe in der ventralen Hälfte dünner ist 
als in der dorsalen, welch letztere beim Fliegen vorwiegend ge- 
braucht wird. Wie ich in meiner Linsenarbeit gezeigt habe, 
zeigen die Schwalben den höchsten Grad der Differenzierung im 
3au der Linse unter allen Vögeln; mit dieser Tatsache stimmt 
es ganz vorzüglich, dass auch ihre Retina den höchsten Grad der 
Differenzierung zeigt. — 

Die ersten genauen Angaben über die Area der Säugetiere 
verdanken wir Chievitz. Nachdem schon im Jahre 1881 
H. Müller ein paar kurze Angaben gemacht hatte, aus denen zu 
entnehmen war, dass bei den Säugetieren eine Area centralis vor- 
kommt, und nachdem im Jahre darauf Ganser und 1857 Schwalbe 
die Area der Katze und die des Schafes entdeckt hatten. nahmen 
durch die schönen Arbeiten Chievitz’ aus den Jahren 1359—1891 
unsere Kenntnisse rasch einen grossen Aufschwung. In zweiter 
Linie ist die schon oft genannte Arbeit Slonakers (1897) 
hervorzuheben und endlich die im Jahre 1902 erschienene 
Abhandlung Zürns über die Retina und die Area centralis 
retinae der Haussäugetiere. So weit unsere bisherigen Kennt- 
nisse reichen, dürften die Säugetiere der Mehrzahl nach eine 
streifen- oder bandförmige, horizontal verlaufende Area be- 
sitzen, also eine Area, die die entwicklungsgeschichtliche Grenz- 
linie zwischen den beiden Lappen der Retina in rechtem Winkel 
kreuzt. Eine geringe Zahl besitzt eine ovale oder rundliche 
Area wie der Mensch; ist sie oval, so steht wohl ausnahmslos 
der längere Durchmesser horizontal; nur eine verhältnismässig 
geringe Zahl scheint überhaupt keine Area zu besitzen. Es sind 
dies durchaus Tiere mit wenig scharfem Sehvermögen, vor allem 
nächtliche und Dämmerungstiere; so hat schon Chievitz ange- 
geben, dass der Maus, der Ratte, der Feldmaus (Arvicola) und 
dem Igel die Area fehle; nach Slonaker fehlt sie auch den 
Fledermäusen. Dass der Maulwurf keine Area besitzt, ist wohl 
selbstverständlich. Ausser den genannten Tieren sollen auch 
der Dachs, das Meerschweinchen und die Spitzmaus (Sorex), die 
doch kaum zu den nächtlichen oder Dämmerungstieren zu rechnen 
sein dürften, keine Area besitzen. In manchen Fällen, in welchen 
ursprünglich eine runde Area, ähnlich der Macula lutea des 
Menschen, beschrieben wurde, wurde später eine bandförmige 
gefunden. So hatte schon Schwalbe die Area des Schafes als 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 427 


einen runden Fleck beschrieben und ihm war auch Chievitz 
gefolgt; Slonaker dagegen beschreibt beim Schaf die Area als 
„a white band-like region, about 1—2 mm broad, extending hori- 
zontally across the retina“. Auch die Abbildung, die er gibt, 
lässt keinen Zweifel an der Existenz einer bandförmigen Area zu. 
Merkwürdigerweise aber sagt der letzte Untersucher Zürn, dass 
den „kleinen Wiederkäuern“ (darunter sind Schaf und Ziege 
gemeint), eine streifenförmige Area fehle (l. c. S. 124). Er be- 
schreibt nur die schon von Schwalbe gesehene „runde“ Area; 
es handelt sich aber zweifellos auch bei dieser „runden“ Area 
um eine ovale, wie aus der Angabe hervorgeht, dass sowohl beim 
Schaf als bei der Ziege der „sagittale Durchmesser“ — darunter 
ist der vertikale gemeint — um ein weniges geringer sei als 
der grösste horizontale. Beim Fuchs soll die Area nach Chievitz 
rund sein, nach Slonaker stellt sie ein horizontales Band un- 
mittelbar über dem Optikuseintritt dar. Beim Hund, wo Chievitz 
gleichfalls eine runde Area beschrieben hat, eine Angabe, die 
von Zürn bestätigt wird, soll nach Slonaker die Verteilung 
der Blutgefässe der Retina eine streifenförmige Area andeuten. 
Bei der Katze hat Ganser eine runde Area beschrieben und ihm war 
Chievitz gefolgt; Slonaker beschreibt eine „area-like region“ 
von ungefähr länglicher Form: indesssen ist seine ganze Be- 
schreibung recht unbestimmt und unsicher. Sicher und unbestritten 
band- oder streifenförmig ist die Area beim Kaninchen und 
der Feldmaus, beim Rind, Kameel, Schwein und Pferd; die instruk- 
tivsten Abbildungen finden sich bei Chievitz. Von der Area 
oder „Sehleiste“ des Kaninchens liegen, wie schon früher erwähnt, 
zahlreiche Abbildungen vor. Eine sehr sorgfältige Abbildung 
des Augenhintergrundes des Rindes gibt Zürn. Diese ist noch 
deshalb von grossem allgemeinen Interesse, weil sie ausser der 
schon lange bekannten horizontalen Area auch noch die „runde 
oder laterale“ Area zeigt. Diese liegt, wie aus der Figur zu 
entnehmen ist, innerhalb des horizontalen Bandes, als welches 
die horizontale Area erscheint und stellt allem Anschein nach 
eine besonders difterenzierte Stelle derselben dar. Zürn sagt 
von der streifenförmigen Area, sie liege „dicht oberhalb der 
Tapetgrenze, etwa in der Mitte zwischen den beiden von der 
Papille ausgehenden, horizontal verlaufenden Gefässen und den 
beiden ersten in horizontaler Richtung abtretenden Zweigen des 


428 CarlRabl: 


dorsalen Gefäßstammes. Sie erstreckt sich als ein etwa 1 mm 
hoher Streifen quer durch die ganze Retina. Ihre Richtung ist 
eine solche, dass sie, wenn man den ganzen Kopf von der Seite 
her betrachtet, einen nach hinten offenen Winkel von 50° mit 
der vorderen Profillinie des Gesichtes bildet. Dieselbe Richtung 
hat der längste Durchmesser der elliptischen Pupille, sowie der 
ebenfalls oblongen Cornea (Chievitz)* (S. 221). Diese Stellung 
der streifenförmigen Area, sowie der Cornea und Pupille ist, wie 
wir noch sehen werden, in physiologischer und biologischer Hinsicht 
wichtig. Von der „runden“ Area sagt er, dass sie „lateral und 
etwas nach oben von der Mitte der Papille und 6,5 bis 7 mm 
medial des Übergangssaumes“ liege. „Ihr horizontaler Durch- 
messer beträgt 2—2,5 mm, ihr sagittaler 1,3 bis 1,5 mm“; die 
„runde Area“ ist also ebensowenig wie die des Schafes rund, 
sondern gleichfalls oval. Aber nicht bloss beim Rind, sondern 
auch bei allen anderen untersuchten Haussäugetieren (dem Pferd, 
Schwein, Schaf, der Ziege, dem Hund und der Katze) konnte 
Zürn „eine runde Area centralis für binokulares Sehen“ finden. 
Es darf also wohl daraus geschlossen werden, dass überall eine 
bestimmte Stelle des horizontalen Streifens einen höheren Grad 
von Differenzierung aufweist. „Ein, analog der Fovea centralis 
der menschlichen Netzhaut, stäbchenfreies Gebiet findet sich nur 
innerhalb der Area centralis einiger, erfahrungsgemäss besonders 
scharfsichtiger Hunderassen (Rattler, Jagdhunde), während andere 
Hunderassen (insbesondere die Erdhunde) nur eine geringgradig 
ausgebildete Area centralis aufweisen. Im Bereiche des Zapfen- 
gebietes der genannten Hunderassen ist die Membrana limitans 
externa eingebuchtet, Desgleichen fand ich eine Fovea centralis 
externa in der Mitte der Area centralis der Katze, woselbst die 
Zahl der Sehzellen nahezu auf die Hälfte reduziert ist.“ 

Endlich erwähne ich, dass eine längliche (oblonge) Area 
beim Murmeltier, mehreren Eichhörnchenarten, dem Backenhörn- 
chen, lauter Nagern, und bei dem zu den Musteliden, also den 
Karnivoren, gehörenden Stinktier (Mephitis) beobachtet wurde. 
Eine runde Area endlich zeichnet alle Primaten aus und wurde 
ausserdem auch bei einer Anzahl von Karnivoren, darunter dem 
Hermelin und dem Seehunde, gefunden. — 

Wenn nun auch die regionale Differenzierung der Retina 
auf den ersten Blick mit unserer Frage nach der bilateralen oder 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 429 


nasotemporalen Symmetrie der Retina nichts zu tun zu haben scheint, 
so hat sie doch zweifellos einen physiologischen oder biologischen 
Grund, und da, wie wir sehen werden, auch die nasotemporale 
Symmetrie auf bestimmte biologische Momente zurückzuführen 
ist, so besteht zwischen beiden, wenn auch indirekt, ein ganz 
bestimmter Zusammenhang. 


Wir haben bisher nur die Pars optica retinae in Betracht 
gezogen. Die Konfiguration der Pars caeca ist natürlich ganz 
und gar von der Art der Differenzierung des Ciliarringes und 
der Iris abhängig und kann nur im Zusammenhang mit diesen 
beurteilt werden. Nun hat uns vor allem Hess eine Reihe ganz 
prachtvoller Bilder des Ciliarringes und der Iris von Wirbeltieren 
aller Klassen mitgeteilt. Mag man den vorderen Augenabschnitt 
eines Haifisches (Sceyllium catulus, Katzenhai), oder eines Knochen- 
fisches (Zeus faber, Petersfisch) oder eines Salamanders (Sala- 
mandra maculosa) oder einer Kröte (bufo agua), oder eines 
Alligators oder endlich sogar einer Taube betrachten, stets 
fällt uns auf den ersten Blick die bilaterale oder nasotemporale 
Symmetrie des Bildes ins Auge. Die Art der Anordnung und 
Verteilung der Ciliarfortsätze, die Leiste bei den Hai- und Knochen- 
fischen, die Form der Iris und der Pupille der Amphibien, die 
Knötchen am unteren und oberen Rand der Pupille, sowie manche 
an die früher bestandene fötale Augenspalte erinnernde Erschei- 
nung am Auge der Fische und Amphibien legen Zeugnis für die 
naso-temporale Symmetrie ab. Hierher gehören z. B. die „Papille“ 
des Ciliarringes der Haifische, die den rudimentären Linsenmuskel 
trägt, und der ventrale Pupillarknoten der Amphibien; der dorsale 
Knoten der Anuren kann natürlich mit der fötalen Augenspalte 
nichts zu tun haben. Zwei sehr schöne Bilder des vorderen 
Bulbussegmentes des Frosches teilt Gaupp mit (l. c. S. 794 
und 795); beide betreffen hana esculenta; das eine zeigt das 
vordere Bulbussegment eines „sehr grossen“, das andere das 
eines „mittelgrossen“ (8 cm langen) Tieres. Über das Corpus ciliare 
schreibt Gaupp u. a.: „Seine proximale Begrenzungslinie, die 
durch die Ora optica retinae gebildet wird, verläuft zirkulär und 
im wesentlichen parallel zum Äquator, weicht jedoch dadurch 
von der genauen Kreisform ab, dass sie in ihrem temporalen 
und nasalen Abschnitt mehr geradlinig von oben nach unten ver- 


430 Carl Rabl: 


läuft. (Dadurch schon wird die Form bilateral symmetrisch, wie 
ein Blick auf die Figuren Gaupps zeigt. R.) Auch kann die 
Begrenzungslinie in ihrer unteren Hälfte etwas stärker nach unten 
ausladen, als der Kreisform entspricht. Dadurch wird die Breite 
der Oberfläche des Corpus eiliare (d. h. der Abstand zwischen der 
Ora optica und dem ciliaren Irisrand) sehr ungleich: oben und 
unten in der Mitte ist die Breite am bedeutendsten, temporal 
ist sie erheblich geringer und nasal wird sie ganz klein“. Die 
Asymmetrie zwischen temporaler und nasaler Seite ist so gering, 
dass sie beim ersten Blick auf die Bilder gar nicht in die Augen 
fällt. Das gilt auch von der Verschiedenheit in Beziehung auf 
die Länge der Ciliarfortsätze, die Gaupp sehr genau beschreibt. 
Interessant ist ferner auch die verschiedene Verlaufsrichtung der 
Ciliarfortsätze an der dorsalen und ventralen Seite: auch sie weist 
auf eine bilaterale Symmetrie hin. Kleine Unregelmässigkeiten in 
der Länge der Falten an der nasalen und temporalen Seite sind 
nicht imstande, dieses Bild der Symmetrie zu stören. — Ganz 
besonders lehrreich sind auch die Bilder, die Tretjakoff (1906) 
von der vorderen Bulbushälfte einer 60 mm langen, kurz vor der 
Metamorphose stehenden Larve einer Rana esculenta und anderer- 
seits von derjenigen eines erwachsenen Frosches gegeben hat. 
Beide zeigen deutlich eine bilaterale oder naso-temporale Sym- 
metrie und doch sind beide voneinander so verschieden als nur 
möglich ; die Verschiedenheit kommt sowohl in der Form der Pupille 
als in dem Verlauf und in der Anordnung der Ciliarfalten zum 
Ausdruck. Beide Bilder zeigen die Pupillarknoten. Tretjakoff, 
der die Entwicklung der beiden Knoten genau verfolgt hat, sagt 
ausdrücklich, dass der ventrale Pupillarknoten ein „Derivat der 
Augenblasenspalte“ sei. 

Gegenüber dieser ganz zweifellosen Symmetrie kommen die 
Abweichungen kaum ernstlich in Betracht. Es gibt keine 
bilaterale Symmetrie oder Eudipleurie im Sinne 
Haeckels (vgl. die „Generelle Morphologie“), die nicht‘eine 
Störung erleiden könnte. Nicht bloss ein Organismus als 
Ganzes, sondern auch jedes einzelne eudipleure Organ kann mehr 
oder weniger asymmetrisch werden. Man denke nur an die 
Pleuronektiden, bei denen die ursprüngliche Symmetrie einer höchst 
merkwürdigen Asymmetrie Platz gemacht hat. Niemand wird 
behaupten wollen, dass die Pleuronektiden ursprüngliche Formen 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 451 


seien und dass ihre Dysdipleurie der Eudipleurie der übrigen 
Knochenfische vorausgegangen sei; geradeso, wie niemand be- 
haupten wird, dass die Dysdipleurie des Schneckenkörpers eine 
primäre, ursprüngliche Erscheinung sei. Ich wollte dies voraus- 
schicken, weil mir scheint, als habe sich M. Nussbaum durch 
gewisse Störungen der Symmetrie der Pars ciliaris retinae ver- 
leiten lassen, die Asymmetrie als etwas Primäres anzusehen und 
ihr eine grössere Bedeutung einzuräumen, als ihr zukommt. Wenn 
z. B. beim Huhn das Corpus ciliare an der temporalen Seite um 
32 mm breiter ist als an der nasalen, und etwas Ähnliches. wenn 
auch in geringerem Grad an der Taube zu beobachten ist, so 
liegt darin kein Grund vor, an der Symmetrie des ganzen Auges 
zu zweifeln. Ganz ähnliche Beobachtungen, wie sie Nussbaum 
hinsichtlich der Vögel mitteilt, hat Hess, abgesehen von zahl- 
reichen anderen hierher gehörigen Tatsachen, auch hinsichtlich 
der Säugetiere mitgeteilt. So bildet er die vordere Bulbushälfte 
einer Fischotter (Lutra) ab, die dieselbe Asymmetrie des Ciliarkörpers 
aufweist, die Nussbaum beim Huhn und der Taube gefunden 
hat. Übrigens erzählt Nussbaum selbst, dass O. Schultze beim 
Menschen eine entschiedene Asymmetrie des Ciliarkörpers nach- 
gewiesen habe, indem er darauf hinwies, dass hier die Ora serrata 
auf der nasalen Seite ungefähr I mm weiter nach vorn reicht, 
als auf der temporalen. Und kommt schliesslich nicht auch in 
der nicht genau zentralen Stellung der Pupille des Menschen eine 
Asymmetrie zum Ausdruck? Wie mir scheint, ist auf die naso- 
temporale oder bilaterale Symmetrie der vorderen Bulbushälfte, 
die im vollen Einklang mit der früher betrachteten Symmetrie 
der Pars optica retinae steht, um so grösseres Gewicht zu legen, als 
die Untersuchungen Hess’ gezeigt haben, dass genau dieselbe 
Symmetrie auch dem Cephalopodenauge zukommt. Das 
Bild des vorderen Abschnittes eines Octopus-Auges, von rückwärts 
gesehen, das er auf Seite 276 seiner vergleichenden Physiologie des 
(resichtssinnes (1912) nach einer früher von ihm gegebenen Darstel- 
lung reproduziert, lässt ohne weiteres erkennen, dass dieselben 
Bildungsgesetze, die dem Auge der Wirbeltiere zu 
Grunde liegen, diees zudem gemacht haben, was es 
ist, auch dem höchstentwickelten Auge der Wirbel- 
losen, soweit dieseAugen den Typus der Wirbeltier- 
augen besitzen, Form und Bau aufgeprägt haben. 


432 Carl Rabl: 


Zum Schluss will ich noch ein paar Worte über die Gefässe 
des Auges sagen. Von der Arteria centralis retinae der Säuge- 
tiere war bereits die Rede; es hat sich gezeigt, dass die Art 
ihrer Verästelung, mag sie was immer für einem Typus (dem der 
Primaten, der Ungulaten, der Karnivoren oder sonst einem) folgen, 
mit der naso-temporalen Symmetrie des Auges in vollem Einklang 
steht. Nun ist die A. centralis retinae, wie man seit langem 
weiss (vgl. darüber Leber) und auch oben erwähnt wurde, ein 
ziemlich spät entstehender Ast der A. hyaloidea. Bei den anderen 
Wirbeltieren kommt, wie schon erwähnt wurde, eine der A. centr. 
retinae genau entsprechende Arterie nicht vor, auch dann nicht, 
wenn die Retina, wie beim Aal, sehr reich vaskularisiert ist. 
Dagegen zeigt die A. hyaloidea zuweilen eine sehr reichhaltige 
Verzweigung und lässt in dieser eine naso-temporale Symmetrie 
ganz unverkennbar zur Schau treten, geradeso wie eine solche 
auch in den Venen der Membrana hyaloidea zum Ausdruck 
kommt. Das Meiste und Beste, was wir über die Glaskörper- 
getässe der niederen Wirbeltiere wissen, verdanken wir bekanntlich 
H. Virchow. Es kann natürlich nicht meine Aufgabe und Absicht 
sein, hier im einzelnen auf diese Untersuchungen, die sich über 
viele Jahre, ja über mehrere Jahrzehnte erstrecken, einzugehen, 
sondern ich muss mich begnügen, einige für unsere Frage besonders 
wichtigen Ergebnisse kurz hervorzuheben. In seiner grossen zu- 
sammenfassenden Arbeit über „Fächer, Zapfen, Leiste, Polster, 
(refässe im Glaskörperraum von Wirbeltieren, sowie damit in Ver- 
bindung stehende Fragen“ in Merkel-Bonnets „Ergebnissen der 
Anatomie und Entwicklungsgeschichte“ (X. Bd. 1900—1901) sagt 
er bei Besprechung der inneren Augengefässe der Knochenfische: 
„Häufig ist in der Anordnung der oberflächlichen 
(Glaskörpergefässe von Fischen, obwohl dieselben 
eine sphärische Oberfläche zu bedecken haben, die 
bilaterale Symmetrie sehr deutlich ausgeprägt, d.h. 
Symmetrie zwischen der nasalen und temporalen 
Seite, z. B. beim Aal und einigen Cyprinoiden; in 
anderen Fällen ist eine sehr ausgesprochene Asym- 
metrie, d. h. nicht Regellosigkeit, sondern Abände- 
rung einer Symmetrie, die zu Grunde liegt, vor- 
handen, wie bei CGonger“ (S. 779—780; im Original nur 
zum Teil gesperrt gedruckt). Aber auch bei den Amphibien liegen 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 433 


Verhältnisse vor, die nicht ganz ohne Beziehung zur naso-tempo- 
ralen Symmetrie des Auges zu sein scheinen. Bekanntlich fehlen 
bei den Urodelen innere Augengefässe vollständig. Dagegen sind 
sie bei den Anuren sehr wohl entwickelt; hier wurden sie durch 
Hyrtl (1861) bekannt. Seither wurden sie oft beschrieben und 
sind, wie H. Virchow sagt, „ein besonders beliebtes Objekt für 
ophthalmoskopische Untersuchungen“ geworden. Die genaueste 
Darstellung der Gefässe der Hyaloidea des Frosches hat H. Virchow 
gegeben. Seine sehr übersichtliche Abbildung ist u. A. auch in 
die „Anatomie des Frosches“ von Gaupp übergegangen. Wenn 
nun auch die Ringgefässe der Hyaloidea eine sehr auffallende 
Asymmetrie zur Schau tragen, so scheint sich mir doch in der 
ganzen Konfiguration des Wurzelgebietes des dritten „Astes“ der 
Vena hyaloidea, „welcher in der Gegend des hinteren Poles ent- 
steht und an der ventralen Seite nach vorn fliesst“, eine ent- 
schiedene naso-temporale Symmetrie auszuprägen. Die Störung 
der Symmetrie und die daraus hervorgehende Asymmetrie der 
beiden vorderen Venen, sowie der beiden Äste der Arterie mag 
in, uns in ihren ursächlichen Momenten noch nicht bekannten 
Wachstumsverhältnissen des Auges oder seiner Umgebung den 
(rund haben. So sagt z. B. der jüngste Untersucher der Gefässe, 
Tretjakoff, in seiner Arbeit über die vordere Augenhälfte des 
Frosches: „Die unsymmetrische Entwicklung der Irisarterien, der 
Arterien und Venen des Glaskörpers (im Original nicht ge- 
sperrt gedruckt) erfolgt infolge eines ungleichmässigen Wachstums 
der verschiedenen Augenquadranten in der Embryonalperiode“. 
Die Frage geht eben dahin, was die Ursache dieses ungleich- 
mässigen Wachstums sei. 

Was endlich noch die Gefässe der Chorioidea betrifft, so 
will ich nur die zusammenfassenden Schlussworte H. Virchows 
aus seiner in den „Ergebnissen“ enthaltenen grossen Arbeit hierher 
setzen. Sie lauten: „Das Ergebnis aller dieser Untersuchungen 
scheint mir das zu sein, dass die Chorioides der Wirbel- 
tiere zwei Arterien im horizontalen Meridian, eine 
nasale und eine temporale, und zwei Venen im senk- 
rechten Meridian, eine dorsale und eine ventrale 
besitzt.“ Er hebt dann hervor, dass dieses „typische Bild“ 
Abänderungen von mehr sekundärer Bedeutung erfahren kann. 
In der Tat kann ja auch das Gefässgebiet der Chorioidea des 


434 Carl Rabl: 


Menschen sehr leicht durch eine der entwicklungsgeschichtlichen 
Grenze der beiden Hälften des Auges entsprechende Vertikal- 
ebene in eine nasale und temporale Hälfte geteilt werden. Die 
zwei primären Venen, von denen die eine an der dorsalen, die andere 
an der ventralen Seite verlief, sind nur beim Menschen in je 
zwei Venen aufgelöst. Die zwei aus dieser Auflösung entstandenen 
dorsalen Venen gehören den dorsalen, die zwei ventralen den 
ventralen Quadranten des Bulbus an. Dieses für den Menschen 
typische Bild kann dann freilich noch eine leichte Störung 
durch die Auflösung einer oder zweier Venen erleiden, wie dies 
beim Menschen bekanntlich oft beobachtet wird. Es verdient 
hier ganz besonders hervorgehoben zu werden, dass H. Virchow 
der erste und bisher auch der einzige war, der voll- 
kommen klar die bilaterale oder nasotemporale Sym- 
metrie des Wirbeltierauges, allerdings nur, soweit die 
Blutgefässe in Betracht kommen, erkannt hat. Ganz 
allgemein bekannt ist das höchst instruktive „Schema der Gefäss- 
verbreitung in der Chorioidea vom proximalen Pol aus gesehen“, 
das er in seiner Arbeit über die Gefässe im Auge und in der 
Umgebung des Auges beim Frosch vor 35 Jahren gegeben hat 
und das auch in die Darstellungen Gaupps und Franz’ über- 
nommen worden ist. Hier teilt eine Symmetrieebene, die die 
Eintrittsstelle des Optikus nur ein klein wenig seitlich lässt, das 
(efässgebiet der Chorioidea in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften: 
eine nasale und eine temporale. 

(rewiss ist auch manchem anderen Beobachter schon früher 
etwas von der nasotemporalen Symmetrie des Wirbeltierauges 
aufgefallen; es ist auch kaum denkbar, dass sie bei der Untersuchung 
der vorderen Bulbushälfte nicht hätte bemerkt werden sollen. 
Aber man hat sich, wie mir scheint, allzusehr an solche Dinge 
gehalten, welche die Symmetrie zu stören geeignet sind, als 
dass man das Gesamtbild auf sich hätte einwirken lassen: auch 
stand der vollen Erkenntnis der nasotemporalen Symmetrie im 
Wege, dass man nicht die Gesamtheit der Erscheinungen kannte, 
dass vor allem anderen nichts von der embryonalen Lappung der 
Retina, die doch die Grundlage des ganzen Auges bildet, bekannt war. 


Und nun erhebt sich die Frage: Wenn, wie es jetzt feststeht, 
das Wirbeltierauge bilateral symmetrich gebaut ist, wenn es, 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 435 


mit anderen Worten, durch eine vertikale Symmetrieebene in 
zwei spiegelbildlich gleiche Hälften, eine nasale und eine temporale, 
zerlegt werden Kann, wie ist diese Symmetrie entstanden, was 
hat sie für eine Bedeutung? Dass die Ursache eine physiologische 
sein muss, dass sie begründet sein muss in der Lebensweise und 
den Lebensbedingungen der Wirbeltiere überhaupt und der tiefst- 
stehenden unter ihnen, die die Verhältnisse der Vorfahren der 
Wirbeltiere am reinsten widerspiegeln, im besonderen, braucht 
wohl kaum näher erörtert zu werden. 

Bevor wir aber an die Beantwortung dieser Frage herantreten, 
ist es wichtig, uns über die Stellung der Augen im Körper 
der Fische, vor allem der tiefststehenden unter ihnen, Rechen- 
schaft zu geben. Bekanntlich hat Gegenbaur die Selachier 
für die tiefststehenden gnathostomen Wirbeltiere gehalten, ja 
er scheint der Ansicht gewesen zu sein, dass die Cyklostomen 
durchweg rückgebildete Formen darstellen. Mag nun die Ansicht 
Gegenbaurs richtig sein oder nicht, daran, dass den 
Selachiern eine sehr tiefe Stellung im Stamme der Wirbeltiere, 
vor allem der Gmnathostomen, zukommt, kann wohl kein 
Zweifel sein. Nun sagt Franz in einer grossen Arbeit 
„Zur Anatomie, Histologie und funktionellen Stellung des Selachier- 
auges“ unter der Überschrift: „Lage des Auges im Kopf“: 
„Die Lage des Auges im Kopf ist stets eine ausgesprochen 
seitliche, die Augenachse ist meist gar nicht oder nur sehr 
wenig nach vorn und oben gerichtet. Eine Ausnahme bildet 
Squatina mit einer Augenachse, die im Winkel von 45° gegen 
die Horizontale seitlich aufwärts gerichtet ist. Die seitliche Lage 
des Auges ist bei Fischen im allgemeinen überall zu finden, sie 
schützt das Auge vor dem Druck des beim Schwimmen zu durch- 
teilenden Wassers. Trotz dieser Lage erlaubt die Wölbung der 
Cornea im Verein mit der periskopischen Eigenschaft der Linse 
in allen Fällen das Blicken in der Vorwärtsrichtung, wenn das 
Auge nur ein wenig entweder durch seine natürliche Lage oder 
durch einen geringen Muskelzug nach vorwärts gerichtet ist.“ 
(S. 829.) Ich habe früher von der Stellung der Augen bei 
eben ausgeschlüpften und bei 6 Tage alten Störlarven gesprochen. 
Wir haben gesehen, dass die Augenachsen etwas schief nach 
aussen vorn und oben gerichtet sind; die Richtung nach oben 
ist auffallender als die nach vorn. Leider bin ich gegenwärtig 


436 CarlRabl: 


ausserstande, zu erfahren, wie die Augen bei älteren oder 
erwachsenen Tieren stehen. In Anbetracht des Umstandes, dass 
die Störe zweifellos gleichfalls eine sehr tiefe Stellung unter den 
Fischen einnehmen, wäre es nicht unwichtig, dies zu wissen. 
Nun sind die Acipenseriden, wie unter anderem Günther inseinem 
„Handbuch der Ichthyologie* 1886 mitteilt, entweder gänzlich 
auf das Süsswasser beschränkt, oder sie bringen, um zu laichen, 
nur einen Teil des Jahres in Flüssen zu. Zu den letzteren 
gehört auch Acipenser sturio, der zur Zeit der Fortpflanzung 
unter anderem in die Elbe und die Flüsse Holsteins, von denen 
einer von sehr kurzem Lauf, aber grosser Breite und Tiefe 
geradezu den Namen Stör führt, hinaufsteigt. Der Stör besitzt 
an der Unterseite der Schnauze vier in einer Querreihe ange- 
ordnete, sehr mächtige Bartfäden. Anlagen davon findet man 
schon bei den eben ausgeschlüpften. jungen Larven; sie stellen hier 
vier plumpe, relativ grosse papillenartige Zapfen dar, die zusammen 
einen flachen, mit der Höhlung nach hinten sehenden Bogen 
bilden. Schlanker und länger sind diese Barteln bei den 6 Tage 
alten Larven. Sie sind hier schon mit sehr zahlreichen Haut- 
sinnesorganen übersät; allererste Spuren von solchen sieht man 
übrigens auch schon an den jungen Larven. Ausserdem sind schon bei 
diesen sehr dicke Nerven in den Anlagen der Bartfäden vorhanden. 

Barteln scheinen auf gründelnde Lebensweise zu deuten, 
wie denn auch unter den Physostomen die Welse, bei denen die 
Bartfäden ganz besonders gut entwickelt sind, fast durchwegs 
Süsswasserformen sind, oder aber, wenn sie, was selten ist, im Meere 
leben, sich sehr nahe an der Küste aufhalten (vgl. darüber Günther). 
Die Störe können sicher das, was sie mit ihren Bartfäden tasten, 
nicht sehen. Die Bartfäden dienen eben zum Tasten auf dem 
Boden. Die Störe sehen sicher nur wenig, wenn überhaupt, in der 
tichtung nach unten; am besten sehen sie nach vorn, aussen und 
oben. Schon bei der Untersuchung meiner Schnittserien von Jungen 
Haifischen und Knochenfischembryonen ist mir der Gedanke ge- 
kommen, dass die Fische besser nach oben als nach unten sehen 
dürften. Dies ist auch nach ihrer Lebensweise sehr begreiflich und 
verständlich. Wie erwähnt, hat Hess gefunden. dass bei den 
Schwalben die Netzhaut in der dorsalen Hälfte dicker ist als in der 
ventralen. Er hat daraus den Schluss gezogen, dass sie nach unten 
besser sehen als nach oben ; auch das wird aus der Lebensweise ohne 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 437 


weiteres verständlich. Wie sehr auch bei den Fischen die Lebens- 
weise die Stellung und Bewegung der Augen beherrscht, zeigt 
kaum ein Tier besser als der Schlammspringer, Periophthalmus, 
mit seinen weit nach oben aus dem Kopf hervortretenden Augen. 
Sein Sehvermögen, vor allem mit Rücksicht auf das Verhalten 
der Refraktion und Akkommodation, hat Hess zum Gegenstand 
sehr sorgfältiger und interessanter Untersuchungen gemacht. Über 
die Lebensweise von Periophthalmus schreibt Hess u. a.: „Der 
merkwürdige Fisch lauert meist in der Weise auf Beute, dass 
der Körper unter der Wasseroberfläche verborgen bleibt, während 
die weit nach oben aus dem Kopf hervorstehenden Augen wie die 
Periskope der Unterseeboote allein über den Wasserspiegel her- 
vorragen“. Die Abbildung, die Hess beigegeben hat, „lässt 
erkennen, wie beträchtlich der binokulare Gesichtsraum bei diesen 
Fischen ist“. „Die Vorderflossen“, heisst es dann weiter, „sind 
zu fussartigen (rebilden verwandelt, die dem Tier ermöglichen, 
bei Ebbe auf dem feuchten Schlamm mit überraschender Schnellig- 
keit Käfern ete. nachzujagen.“ Diese Lebensweise, die Art und 
Weise, die Beute zu erjagen, sowie auch die Abbildung bei Hess 
lassen keinen Zweifel darüber zu, dass auch bei Periophthalmus, 
wie wohl bei den meisten Fischen, ja den meisten Tieren über- 
haupt, das Sehen innerhalb der Horizontalebene weit- 
aus das Wichtigste ist. Daher hat denn auch die Stellung 
der Augen, wie sie junge Störe zeigen, so interessant und lehrreich 
sie für den speziellen Fall sein mag, doch nur eine mehr neben- 
sächliche Bedeutung. 

Ein Fisch erjagt seine Beute hauptsächlich in horizontaler 
Riehtung, jedenfalls nicht vertikal nach oben oder unten 
und dementsprechend sind denn auch seine Augen für die 
Horizontalebene eingestellt und in dieser am empfindlichsten. Es 
ist für unsere Betrachtung ganz gleichgültig, ob wir annehmen, 
der Fisch schwimme der Beute entgegen, oder die Beute werde 
von der Strömung gegen ihn getrieben. Nehmen wir letzteres 
an und denken wir uns, es würde von der rechten Seite her die 
Beute angeschwommen kommen (Textfig. 5). Das Bild der Beute 
wird auf der Retina einen ganz bestimmten Weg beschreiben : 
Es wird zunächst weit hinten und aussen in der Nähe der Grenze 
der Pars optica auf der temporalen Seite erscheinen, dann, je 


näher die Beute herankommt, mehr und mehr gegen die Mitte 
Archiv f. mikr. Anat. Bd. 90. Abt.I. 29 


438 Carl Rabl: 


des Augengrundes rücken, dabei immer grösser und grösser 
werden, bis es endlich, in der Mitte des Augengrundes an- 
gekommen, seine maximale (Grösse erreicht. Von hier an 
wird das Bild über die nasale Hälfte nach vorn wandern, 
bis es weit vorn und aussen, 
an der Grenze der Pars 
optica angekommen, ver- 
schwindet. Wir können also 
durch die Mitte des Augen- 
grundes mitten zwischen 
nasaler und temporaler 
Hälfte der Retina eine senk- 
rechte Ebene durch das 
Auge legen. Diese Ebene 
ist die Grenzebene 
zwischen: ‚steigender 
und abfallender oder 
wachsender und sin- 
kender Bildgrösse (vgl. 
die Figur) und zugleich 
die Grenze zwischen 
nasalem und tempo- 
ralem Sehlappen, na- 
saler und temporaler 
Augenhälfte. So scheint 
sich uns also die ganze naso- 
temporale oder bilaterale 
Textfig. 5. Symmetrie in überaus ein- 

facher Weise zu erklären. 

Ebenso erklärt sich aber auch die Tatsache, dass überall, 

wo eine Sehleiste, eine streifen- oder bandförmige Area centralis 
vorkommt, beim Salamander und Frosch ebenso wie beim 
Schwein, Kaninchen oder Rind, diese horizontal, also zugleich 
senkrecht auf die Trennungsebene zwischen nasaler und tempo- 
raler Hälfte der Retina, verläuft. Erst, wenn der Blick so- 
zusagen freier wird, wie bei den Primaten mit Inbegriff des 
Menschen unter den Säugetieren und den Raubvögeln und Schwalben 
unter den Vögeln tritt an die Stelle eines horizontalen Streifens 
ein einfacher runder oder ovaler Fleck mit besonders differenzierter 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 439 


Stelle des schärfsten Sehens. Ja, bei höchst entwickeltem Seh- 
vermögen können sogar zwei derartige Stellen zur Ausbildung 
kommen, von denen die eine vielleicht dem monokularen, die 
andere dem binokularen Sehen zu dienen hat. 

In meiner Monographie über den Bau und die Entwicklung 
der Linse habe ich gezeigt, welch tiefgehenden Einfluss die 
Lebensweise eines Tieres, vor allem die Art, Richtung und 
Schnelligkeit seiner Bewegung, auf den Bau und die Entwicklung 
der Linse ausübt. Hier zeigt sich das gleiche für den Bau 
und die Entwicklung der Retina, wie des ganzen Auges. 


Leipzig, Mitte Juli 1916. 


Literaturverzeichnis. 


(Ausser den hier angeführten Arbeiten kommen noch mehrere bereits im Text 
mit Titelangabe und Angabe der Zeit und des Ortes ihres Erscheinens erwähnte 
in Betracht.) 


L. Bach und R. Seefelder: Atlas zur Entwicklungsgeschichte des mensch- 
lichen Auges. 3 Lieferungen. Leipzig, Engelmann, 1911—1914. 

Th. Boveri: Über die phylogenetische Bedeutung der Sehorgane des Amphi- 
oxus. Zool. Jahrb., Suppl. 7, 1904. 

J. H. Chievitz: Untersuchungen über die Area centralis retinae. Arch. f. 
Anat. u. Entwicklungsgesch., 1889, Suppl. 

Derselbe: Über das Vorkommen der Area centralis retinae in den vier höheren 
Wirbeltierklassen. Arch. f. Anat. u. Entwicklungsgesch., Jahrg. 1891. 

H. Curschmann: Lehrbuch der Nervenkrankheiten. Darin Liepmann: 
Über Hemianopsie. 1909. 

A. Dogiel: Die Retina der Ganoiden. Arch. f. mikr. Anat., 22. Bd., 1883. 

M. Duval: Atlas d’Embryologie. Paris 1889. 

V. Franz: Zur Anatomie, Histologie und funktionellen Gestaltung des 
Selachierauges. Jen. Zeitschr. f. Naturw., 40. Bd., 1905. 

Derselbe: Der feinere Bau des Processus falciformis im Auge der Knochen- 
fische. Arch. f. vergl. Ophthalm. Herausgegeb. von Gustav Freytag. 
I. Jahrg., 1910. 

Derselbe: Sehorgan. VII. Teil des Lehrbuchs der vergl. mikrosk. Anatomie 
der Wirbeltiere. Herausgeg. von A. Oppel, Jena 1913. 

Derselbe: Histogenetische Theorie des Glaskörpers. Arch. f. vergl. Ophthalm. 
Herausgeg. von Gustav Freytag. 3. Jahrg., 1913. 

A. Froriep: Über die Entwicklung des Sehnerven. Anat. Anzeiger 1891, 
VI. Jahrgang. 

Derselbe: Die Entwicklung des Auges der Wirbeltiere. In: O0. Hertwig: 
Handbuch der vergl. u. experim. Entwicklungsgesch. der Wirbeltiere, 
II. Band, II. Teil, 1906. 

29* 


440 Carl Rabl: 


E. Fuchs: Lehrbuch der Augenheilkunde, 9. Aufl., 1903. 

E. Gaupp: Anatomie des Frosches. 3. Abt., 2. Aufl., 1904. 

C. Hess: Beiträge zur Kenntnis regionärer Verschiedenheiten der Netzhaut 
und des Pigmentepithels in der Wirbeltierreihe. Arch. f. vergl. Oph- 
thalmol., I. Bd., 1910. 

Derselbe: Beiträge zur vergleichenden Akkommodationslehre. Zoolog. Jahr- 
bücher, Abt. f. allgem. Zoologie und Physiologie der Tiere, 30. Bd., 1911. 

Derselbe: Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie und Morphologie 
des Ciliarringes. Festschr. z. 60. Geburtstage Spengels, 3. Bd., 1912, 
Suppl. 15 der Zool. Jahrb. 

Derselbe: Vergleichende Physiologie des Gesichtssinnes. Abdruck aus dem 
Handbuch der vergleichenden Physiologie, herausgeg. von H. Winter- 
stein, Bd. 4, 1912. 

J. Hirschberg: Zur vergleichenden Ophthalmoskopie. Arch. f. Physiologie, 
Herausgeg. von E. du Bois-Reymond, Jahrg. 1882. 

J. W. Hulke: On the Retina of Amphibia and Reptiles. Journ. of Anat. 
and Phys., I. Vol., 1867. 

E. Kallius: Über die Fovea centralis von Hatteria punetata. Anat. Anz., 
Bd. 14, 1898. 

F. Keibel: Normentafel zur Entwicklungsgeschichte des Schweines (Sus 
scrofa dom.). I. Heft der von Keibel herausgegebenen Normentafeln 
zur Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. Jena 1897. 

Derselbe und K. Abraham: Normentafel zur Entwicklungsgeschichte des 
Huhnes. II. Heft der Normentafeln. Jena 1900. 

L. Kessler: Zur Entwicklung des Auges. Leipzig 1877. 

A. Kölliker: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. 
Leipzig 1879. 

W. Krause: Die Anatomie des Kaninchens in topographischer und opera- 
tiver Rücksicht. 2. Aufl., 1884. 

Derselbe: Die Retina. II. Die Retina der Fische (Forts... Intern. Monats- 
schrift f. Anat. u. Histologie, Bd. III, 1886. 

E. Krückmann: Über die Entwicklung und Ausbildung der Stützsubstanz 
im Sehnerven und in der Netzhaut. Klinische Monatsblätter für 
Augenheilkunde. Herausgeg. von Axenfeld und Uhthoff. 14. Jahrg., 
1906. (Neue Folge, I. Bd., Februar— März.) 

W. Kühne: Über den Sehpurpur. Untersuchungen aus dem physiologischen 
Institut der Universität Heidelberg, I. Bd., 1878. 

Th. Leber: Die Zirkulations- und Ernährungsverhältnisse des Auges. Hand- 
buch der ges. Augenheilkunde von Graefe-Saemisch, II. Aufl., 2. Bd., 
2. Abt., Leipzig 1903. 

M. v. Lenhossek: Die Entwicklung des Glaskörpers. Vorgelegt der unga- 
rischen Akademie der Wissenschaften am 20. Oktober 1902. Leipzig 1903. 

Derselbe: Die Entwicklung und Bedeutung der Zonulafasern nach Unter- 
suchungen am Hühnchen. Arch. f. mikr. Anat., 77. Bd., Abt. I, 1911. 

Derselbe: Die Entwicklung und Bedeutung der Zonula ciliaris. Verhandl. d- 
Anat. Ges. auf der 25. Versammlung in Leipzig, 1911. (Ergänzungs- 
heft zu Bd. 38 des Anat. Anz.) 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges.. 441 


G. Lindsay Johnson: Contributions to the Comparative Anatomy of the 
Mammalian Eye, chiefly based on Ophthalmoscopie Examination. Philos. 
Transact. Royal Society of London. Series Vol. 194, London 1901. 

Derselbe: Ein Versuch zur Klassifizierung der Säugetiere, Reptilien und 
Amphibien in Familien und Ordnungen nach den ophthalmoskopischen 
Erscheinungen des Augenhintergrundes und den während des Lebens 
auftretenden Graden der Exophorie. Sitzungsber. der Gesellsch. der 
naturf. Freunde, Berlin, Jahrg. 1909. 

Charles S. Minot and Ewing Taylor: Normal plates of the develop- 
ment of the rabbit (Lepus cuniculus L.). In: Fr. Keibel: Normen- 
tafeln zur Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. V. Heft, Jena 1905. 

H. Müller: Gesammelte und hinterlassene Schriften zur Anatomie und 
Physiologie des Auges. I. Band, Gedrucktes. Zusammengestellt und 
herausgegeben von Otto Becker, Leipzig 1872. 

W. Müller: Über die Stammesentwicklung des Sehorgans der Wirbeltiere. 
Beiträge zur Anatomie und Physiologie, als Festgabe Carl Ludwig 
gewidmet. Leipzig 1874. 

M. Nussbaum: Die Pars ciliaris retinae des Vogelauges. Arch. f. mikr. 
Anat., 57. Bd., 1901. Darin zitiert: O. Schultze: Sitzungsber. d. 
phys.-med. Ges. zu Würzburg, Jahrg. 1900. 

Derselbe: Die Entwicklung der Binnenmuskeln des Auges der Wirbeltiere. 
Arch. f. mikr. Anat.. 58. Bd., 1901. 

C. Rabl: Über den Bau und die Entwicklung der Linse. Drei Abhandlungen 
in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 63, 1898; Bd. 65, 1898—1899; Bd. 68, 
1900. Die drei Abhandlungen zusammen als Buchausgabe bei W. Engel- 
mann, Leipzig, 1900. 

Derselbe: Die Entwicklung des Gesichtes. I. Heft: Das Gesicht der Säuge- 
tiere, I. Leipzig 1902. 

Derselbe: Zur Fragenach der Entstehung des Glaskörpers. Anat.Anz., Bd.22,1903. 

A. W. afSchult&n: Über die Beobachtungen des Augenhintergrundes unter 
hochgradiger Vergrösserung. Arch. f. Physiologie. Herausgeg. von 
E. du Bois-Reymond, Jahrg. 1882. 

G. Schwalbe: Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen 1887. 

R. Seefelder: Siehe bei L. Bach und R. Seefelder. 

Derselbe : Beiträge zur Histogenese und Histologie der Netzhaut, des Pigment- 
epithels und des Sehnerven. Graefes Arch. f. Ophthalmologie, Bd. 73, 
1910. 

James Rollin Slonaker: A comparative study of the Area of acute 
Vision in Vertebrates. Journ. of Morphology, XIII. Vol., 1897. 
Aurel von Szily: Zur Glaskörperfrage. Eine vorl. Mitteilung. Anat. Anz., 

24. Bd., 1904. 

Derselbe: Über die Entstehung des melanotischen Pigmentes im Auge der 
Wirbeltierembryonen und in Chorioidealsarkomen. Arch. f. mikr. Anat., 
77. Bd., I. Abteilung, 1911. 

Derselbe: Über die einleitenden Vorgänge bei der ersten Entstehung der 
Nervenfasern im Nervus opticus. Graefes Archiv f. Ophthalmologie, 
81.Bd., 1912. 


442 Carl Rabl: 


D. Tretjakoff: Die vordere Augenhälfte des Frosches. Zeitschr. f. wiss. 
Zoologie, 80. Bd., 1906. 

Hans Virchow: Über die Gefässe im Auge und in der Umgebung des: 
Auges beim Frosch. Zeitschr- f. wiss. Zoologie, 35. Bd., 1881. 
Derselbe: Über die Glaskörper- und Netzhautgefässe des Aales. Morph. 

Jahrb., 7. Band, 1882. 

Derselbe: Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Auges. Habilitations- 
schrift, Berlin 1882. 

Derselbe: Fächer, Zapfen, Leiste, Polster, Gefässe im Glaskörperraum von 
Wirbeltieren, sowie damit in Verbindung stehende Fragen. Merkel- 
Bonnet: Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, X. Bd., 
1900. Wiesbaden 1901. 

H. Wilbrand und A. Saenger: Die Erkrankungen des Chiasmas. VI. Bd. 
der Neurologie des Auges. Wiesbaden 1915. 

J. Zürn: Vergleichend-histologische Untersuchungen über die Retina und 
Area centralis retinae der Haussäugetiere. Arch. f. Anatomie und Ent- 
wicklungsgeschichte, Jahrg. 1902, Supplement-Band. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel X—XIII. 


Tafel X. 


Kaninchen: Äquatorialschnitte durch das linke Auge. Fig. 1—11 bei 155- 
facher Vergrösserung, Fig. 12 46 mal vergr., Fig. 13 360 mal vergr. 
Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: o, u, n, t = oben, unten, 
nasal, temporal. 


Fig. 1. Kaninchen von 9 Tagen 7 Stunden. Stadium I meines Atlas zur 
Entwicklung des Gesichtes. 

Fig. 2 5 Etwas älterer Embryo. Stadium IV des Atlas. 

Rio, .@, 5 10 Tage und einige Stunden alt. Stadium V des Atlas. 

Fig. 4. R Stadium VI des Atlas. 

Fig. 5 s Stadium VII des Atlas. 

Fig. 6 ) Stadium VIII des Atlas. Embryo 11 Tage 2 Stunden alt. 
e — Einstülpung der unteren Wand der Augenblase. 

Rio. 7. e Stadium IX des Atlas. 

Big. =8. 5 Schnitt aus derselben Serie wie Fig. 7. 

Fig. 9. 2 Stadium XI des Atlas. Embryo ca. 12 Tage alt. 

Fig. 10. e Stadium XIII des Atlas. Embryo ca. 12!/s Tage alt. 

Fig,./11. 2 Stadium XV des Atlas. Embryo ca. 13 Tage alt. 

Fig. 12 R Embryo ca. 17 Tage alt. Scheitelsteisslänge (SS) = 


20 mm. Ip Levator palpebrae sup.: ob. i. M. obliquus 
inf.; ob. s. Obliquus sup.; ri Rect. inf.; rl Rect. late- 
ralis; rm Rect. medialis; rs Rect. sup. 

lan 1la% 2 Aus dem Schnitt der Fig. 12; ein kleines Stück von der 
temporalen Seite, dicht unter dem horizontalen Meridian. 
a = aussen, i = innen. 


Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie des Wirbeltierauges. 443 


Tafel XI. 


Schaf, Hund und Schwein. 
Figuren 1—6, Schaf. Fig. 1—5 linkes Auge, 104 fache Vergr. Fig. 6 rechtes 
Auge, 8Ofache Vergr. 


rt! 
Fig. 2 
EI0273 
Fig. 4 
Fig. 5 
Fig. 6 
Figuren 
Fiea7 
Fig. 8 
Fig. 9 
Fig. 10. 
wg. 11. 
Figuren 
Fig. 12. 
Fig. 13. 
Fig. 14. 
Fig. 15. 
Fig. 16. 


Schaf. 


n 


7—11. 


Hund. 


„ 


1218. 


NS —= 8,6 mm, SS = 6,8 mm, Kopflänge = 5,8 mm. 

NS = 9,2 mm, SS = 8,2 mm, Kopflänge = 6,0 mm. Rand- 
kerben. 

Aus derselben Serie. Augenhintergrund. 

NS = 10,3 mm, SS = 8,8 mm, Kopflänge = 6,6 mm. 

NS = 12,4 mm, SS = 12,0 mm. 

NS = 15,0 mm, SS = 17,6 mm. Rechtes Auge. Da aber 
der Kopf von der linken zur rechten Seite geschnitten 
ist, erscheint die Zeichnung gleich orientiert, wie von 
einem linken Auge, das von aussen nach innen ge- 
schnitten ist. 

Hund. Fig. 7—10. Linkes Auge von der lateralen zur 
medialen Seite geschnitten; Fig. 11 rechtes Auge von 
der medialen zur lateralen Seite geschnitten. Vergr. 
bei allen Figuren 104 mal. 

Kopflänge des Embryo = 5,5 mm. Der Embryo steht in 
Beziehung auf seine Entwicklung zwischen Stadium IX 
und X des Kaninchens (Atlas zur Gesichtsentwicklung). 

Kopflänge = 6,0 mm. Der Embryo entspricht einem 
Kaninchenembryo vom Stadium XI (Atlas zur Gesichts- 
entwicklung). 

Kopflänge = 7,6 mm. Der Embryo entspricht einem 
Kaninchenembryo vom Stadium XIV. (Die SS des 
Hundeembryo betrug 10,0 mm, die NS 10,5 mm.) 

Aus derselben Serie wie der vorige Schnitt, nur mehr medial. 

S9r— 14.0 mm, NS = 133. mm: 

Schwein. Vergr. = 104 fach. 


Schwein. Ca. 21 Tage alter Embryo aus dem Stadium II des Atlas 


zur Gesichtsentwicklung. NS — 10,0 mm, SS= 9,0 mm. 

Aus dem Stadium IV des Atlas zur Gesichtsentwicklung. 
NS = 124 mm, SS = 12,9 mm. Vierter Schnitt, 
der die Augenblase trifft. Am weitesten nach aussen 
liegt der mittlere Teil, der die grosse Höhle enthält. 
Der Schnitt geht durch die Pars caeca retinae. 

Aus derselben Serie. Der sechste Schnitt medial vom 
vorigen (Fig. 13). 

Aus derselben Serie. Der fünfte Schnitt medial vom 
vorigen. Die Spalte schliesst sich auf dem dritten 
Schnitt medial von dem der Fig. 14 und bleibt auf 
sieben Schnitten geschlossen. 

Aus derselben Serie, etwas weiter medial. Augenhinter- 
grund. 

Aus derselben Serie. Nahe dem hinteren Pol der Augenblase. 


444 


Carl Rabl: Bilaterale oder nasotemporale Symmetrie usw. 


Fig. 18. Schwein. Aus derselben Serie. Der dritte Schnitt nach einwärts 


Mensch. 
nike, IL 


von dem vorigen (Fig. 17). Unmittelbar nach innen 
von der Augenblase, durch den Augenblasenstiel. 


Tafel XII. 


Schnitt durch das Auge eines menschlichen Embryo aus dem Ende 
der vierten oder Anfang der fünften Woche. NS —= 8,3 mm. Ab- 
gebildet im Atlas zur Entwicklungsgeschichte des Gesichtes auf 
Tafel VII, Fig. 6—10. Der Embryo steht ungefähr auf derselben 
Entwicklungsstufe wie der Kaninchenembryo des Stadiums IX, dem 
die Schnitte der Figuren 7 und S auf Taf. X entnommen sind. — 
Derselbe Schnitt ist bei Bach und Seefelder (siehe Literatur- 
verzeichnis) auf Taf. VII, Fig. 5 abgebildet. Vergr. 150. 

Aus derselben Serie, weiter einwärts. Vergr. 150. 

Aus derselben Serie, noch weiter einwärts. Vergr. 150. Erklärung 
des Bildes im Text. 

Schnitt durch das Auge eines menschlichen Embryo von ca. 34—35 
Tagen. SS = 14,0 mm, NS —= 13,5 mm, Kopflänge = 10,0 mm. 
Vergr. 104. 

Durch den Augenblasenstiel desselben Embryo. Vergr. 104. 
Menschlicher Embryo von 31 mm SS. Ziemlich genau in der Ebene 
des Äquators. Vergr. 46. 

Nervus opticus desselben Auges. Vergr. 155. 

Stück aus der nasalen Hälfte (n) des Schnittes der Fig. 6. Vergr. 
300. (1 — innen, a = aussen.) 


Tafel XIII. 


Pristiurus, Torpedo, Acipenser, Axolotl, Huhn. 
Fig. 1 und 2. Zwei aufeinanderfolgende Schnitte aus einer Sagittalschnitt- 


Fig. 3. 
Fig. 4. 
Big, 38. 
Fig. 

Fig. 8. 
Bio. 
Fig. 10. 
Bio, 


serie durch einen Embryo von Pristiurus melanostomus mit 
ungefähr 83 Urwirbeln. Die Schnitte zeigen die Randkerben. 
Vergr. 155. 

Aus einer Sagittalschnittserie durch einen Embryo von Torpedo 
ocellata von 21 mm Länge. Vergr. 80. 

Aus einer Querschnittserie durch eine eben ausgeschlüpfte Larve 
von Acipenser sturio. Vergr. 155. 

Aus einer Horizontalschnittserie durch eine eben ausgeschlüpfte 
Larve von Acipenser sturio. Vergr. 155. 


6 und 7. Aus einer Sagittalschnittserie durch eine eben ausgeschlüpfte 


Larve von Acipenser sturio. Vergr. 155, Fig. 7 zeigt den zweiten 
Schnitt medianwärts von dem der Fig. 6. 

Aus einer Sagittalschnittserie durch eine sechs Tage alte Larve 
von Acipenser sturio. Verer, 155. 

Aus einer etwas schief geführten Sagittalschnittserie durch den 
Kopf einer jungen Axolotllarve. Vergr. 155. 

Huhn, 3 Tage 22 Stunden alt. Verer. 15. 

Huhn, 4 Tage 6 Stunden alt. Vergr. 15. 


445 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekret- 
kügelchen, nach Beobachtungen an Pilanzenzellen. 
Zugleich eine Fortsetzung meiner Diskussion mit Benda. 


Von Friedrich Meves in Kiel. 


Hierzu Tafel XIV. 


Die Plastosomenstudien auf pflanzlichem Gebiet haben Resul- 
tate ergeben, welche auch für die tierische Zytologie von grösster 
Wichtigkeit sind. 

Pensa, Lewitsky, Guilliermond u. a. haben zunächst 
gefunden, dass die Plastosomen denjenigen (sebilden, welche man 
als Chromatophoren zusammenfasst, den Chlorophyll-, Stärke- und 
Farbkörpern, Entstehung geben. In der Botanik war man seit 
den Arbeiten von Schimper und A. Meyer (1883) von einem 
gemeinsamen Ursprung der Chromatophoren überzeugt; die Körner, 
welche Schimper und A. Meyer als Chromatophorenanlagen 
beschrieben haben, sind aber, wie ich (1917)gegenüber Guillier- 
mond (1914) nachgewiesen habe, keine Plastochondrien, sondern 
teils metaplasmatische Elemente, teils junge Chlorophylikörper 
gewesen. Die Bildungsweise der Chromatophoren bei den höheren 
Pflanzen ist erst durch die neueren Arbeiten, welche mit Hilfe 
der Plastosomenmethoden ausgeführt worden sind, aufgeklärt. 
Besonders von Guilliermond ist ferner gezeigt worden, dass 
die Stärke auch direkt aus den Plastosomen entstehen kann. 

Durch weitere Untersuchungen konnte der Beweis erbracht 
werden, dass die Rolle der Plastosomen „sich keineswegs auf die 
Herstellung von Chlorophyll, Stärke und von Xantophyll- und 
Carotinpigmenten beschränkt“,sondern dass noch verschiedene andere 
Zellbestandteile aus den Plastosomen hervorgehen. Nach den 
Beobachtungen von Guilliermond (1912, 2) sind auch die 
- „Phenolkörper und Anthocyanpigmente, die man in den Vakuolen 
vieler höheren Pflanzen findet“, das Produkt einer Lebenstätigkeit 
der Plastosomen. Derselbe Autor (1913) hat gezeigt, dass bei 
den Pilzen die „metachromatischen Körperchen“, welche Reserve- 


stoffe darstellen, in Plastochondrien gebildet werden. Lewitsky 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.20. Abt.I. 30 


446 Friedrich Meves: 


(1913) ist bei seinen Studien über die Plastosomen der Pilze 
„beinahe zu denselben Schlüssen über ihre Rolle wie Guillier- 
mond gekommen“; er beschreibt ausserdem, dass die Plasto- 
chondrien bei einem niederen Pilz, Albugo Bliti, zu „gelben 
Körnern“, deren chemische Beschaffenheit nicht aufgeklärt ist, 
umgewandelt werden. 

Ich selbst (1917) bin zu dem Ergebnis gelangt, dass die 
„Mikrosomen“, welche sich nach zahlreichen, zum Teil schon 
alten Beobachtungen (Crüger, Dippel, Schmitz, Stras- 
burger! u. a.) am Aufbau der Verdickungsleisten der Zell- 
membran beteiligen, mit Plastochondrien identisch sind. In der- 
selben Abhandlung habe ich ferner bereits vorläufig mitgeteilt, 
dass ich in der Luftwurzel einer monokotylen Pflanze, Chloro- 
phytum Sternbergianum (Liliaceae), in denjenigen Meristemzellen 
des Zentralzylinders, aus denen die Siebröhren hervorgehen, eine 
Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen beobachtet 
habe. Über diesen letzteren Befund möchte ich nunmehr wegen 
des prinzipiellen Interesses, welches er darbietet, Genaueres mit- 
teilen. 


Die Siebröhren sind Bestandteile des Leitungssystems, und 
zwar sind sie nach der verbreitetsten Ansicht in erster Linie für 
den Transport der Eiweibßstoffe bestimmt. Sie gehen (de Bary 
1577, S. 180), ähnlich wie die Gefässe, aus Längsreihen gestreckter 
Meristemzellen hervor, welche noch späterhin als „Röhrenglieder“ 
deutlich unterscheidbar sind. Die Glieder treten an den Quer- 
wänden, mit denen sie aneinander grenzen, in offene Kommuni- 
kation durch die „Siebplatten“, weiche von zahlreichen Poren 
durchsetzt werden und sich früher oder später mit einer eigen- 
tümlichen, stark lichtbrechenden Substanz, dem sogenannten 
Callus, bedecken.”) Der Kern der Siebröhrenglieder geht früh- 
zeitig unter. Ihr Inhalt besteht aus einem protoplasmatischen 
Wandbeleg, dem „Hüllschlauch“, welcher „nichts anderes ist als 
der bekannte Primordialschlauch“*, und aus einer wässerigen 
Flüssigkeit, dem sogenannten Siebröhrensaft. Speziell bei den 


') Zitiert: bei Meves 1917. 

:) In den Siebröhren der Monokotylen im Vergleich mit denjenigen 
der Dikotylen und Gymnospermen ist die Callusbildung nach Russow 
(1883, S. 315) „eine geringe, meist sehr geringe‘. 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 447 


Monokotylen hat Russow (1853, S. 315—316) grössere An- 
sammlungen von Schleim an den Siebplatten und Schleimstränge, 
wie man sie bei Dikotylen in der Mehrzahl der Fälle beobachtet, 
stets vermisst. Stärkekörner, welche in den Siebröhren der 
meisten Dikotylen vorhanden sind, konnten in der Abteilung der 
Monokotylen nur bei den Scitamineen (Musa, Strelitzia und Canea) 
und in den Wurzeln einiger Palmen (Cocos chilensis und Coper- 
nicia sp.?) nachgewiesen werden (Russow, S. 300). „Dafür 
ist aber der Inhalt meistenteilsausgezeichnet durch 
die Anwesenheit zahlreicher kleiner durch Chlor- 
zink-Jodjodkalium-Lösung sich gelb bis gelbbraun 
färbender glänzender Kügelchen‘, die dem Hüllen- 
schlauch besonders reichlich in der Nähe der Siebplatten dicht 
anliegen. „Die dünnen Callusbelege der Siebplatten sind oft dicht 
bedeckt mit diesen Kügelchen, woher es den Anschein gewinnt, 
als seien die Platten von geknüpften Verbindungssträngen dureh- 
setzt“. Die Kügelchen sind nach Russow (S. 327) „protein- 
haltig“. Sie kommen ebenfalls bei den Pteridophyten vor, wo 
sie auch von Janczewsky (1882) gesehen worden sind; unter 
den Dikotylen wurden sie von Russow bei Hippuris vulgaris 
beobachtet (S. 327). 

Ebenfalls Lecomte (1889, S. 236— 287) beschreibt in Sieb- 
röhren von Monokotylen „globules de matiere albuminoide“, 
„assez r&egulierement arrondis, tres refringents et toujours doues 
d’un &clat qui les fait reconnaitre facilement“. Er findet sie auch 
bei den Dikotylen, aber weniger reichlich als bei den Monoko- 
tylen und besonders den Pteridophyten. 

Strasburger (1901, S. 349) erwähnt, dass man in dem 
zarten protoplasmatischen Wandbeleg der Siebröhren von Zea 
Mavs unschwer „Leukoplasten“ als stark lichtbrechende Körner 
erkennen könne, fügt aber hinzu, dass mit Jodkalium, selbst 
bei Zuhilfenahme von Chloralhydrat, Stärke in diesen Körnern 
nicht nachzuweisen sei. Unter diesen Umständen darf man füg- 
lich bezweifeln, dass es sich tatsächlich um Leukoplasten ge- 
handelt hat. 

Ich selbst habe Kügelchen, wie sie Russow zuerst be- 
schrieben hat, in den Siebröhren aller von mir untersuchten Mono- 
kotylen angetroffen (ausser bei Chlorophytum z. B. bei Trades- 
cantia in der Stengelspitze, bei Elodea ebendort, in jungen Blättern 

30* 


445 Friedrich Meves: 


und in der Wurzel, bei Phragmites in jungen Internodien) 
und an ihnen überall eine feinere Zusammensetzung aus einer 
Grundmasse und darin eingebetteten kleinen Körnchen nachweisen 
können. Wenn man mit modifiziertem Flemmingschen (Gemisch 
fixiert und mit Eisenhämatoxylin oder auch, wie ich es bei Phrag- 
mites getan habe, mit Kristallviolett nach Benda färbt, gibt 
die Grundmasse den Farbstoff bei der Differenzierung grössten- 
teils ab, während die kleinen Körnchen ihn energisch festhalten 
(Fig. 9). Schon aus diesem Grunde können die letzteren keine 
Stärke darstellen; die Stärkekörner zeigen in denselben Präpa- 
raten ein ganz helles Aussehen. Die ganzen Kügelchen aber 
können keine Leukoplasten oder Stärkebildner sein, weil diese 
letzteren dieselben Färbungsreaktionen wie die Plastosomen geben 
(vgl. Guillermond 1914, 5. 297—298). 


Die in der beschriebenen Weise zusammengesetzten Kügelchen 
in den Siebröhren der Luftwurzel von Chlorophytum Sternbergianum 
sind es nun, auf deren Entstehung sich meine nunmehr zu 
schildernden Beobachtungen beziehen. Die Präparate, welche 
meiner Darstellung zugrunde liegen, sind mit modifiziertem 
Flemmingschen Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin ge- 
färbt; sie haben mir schon früher gedient, um die Chloroplasten- 
bildung und die direkte Entstehung von Stärke in den Plasto- 
somen bei dieser Pflanze zu beschreiben. 


Von den Zellreihen in der Luftwurzel von Chlorophytum, 
welche sich zu Siebröhren entwickeln, setzen sich einige aus 
kleineren, d. h. kürzeren und schmäleren (Fig. 5 und 6), andere aus 
grösseren Zellen zusammen. Die in Fig. 1 wiedergegebene, läng- 
liche Zelle, aus dem Anfangsteil einer aus grösseren Zellen ge- 
bildeten Reihe, zeigt einen zentral gelegenen Kern und ein Proto- 
plasma, in welchem neben Zellsaftvakuolen eine Anzahl zum Teil 
gewundener und geknickter Plastokonten verstreut liegen. Geht 
man in einer solchen Reihe nach rückwärts, so findet man, dass 
die Zellen stark an Länge zunehmen und dass alsbald an 
den Plastokonten charakteristische Veränderungen auftreten, 
welche von Zelle zu Zelle weiter fortschreiten. Die in den 
Fig. 2—8 abgebildeten Zellen stammen aus verschiedenen Reihen 
und sind ihrer Grösse nach nicht abgestuft. Wäre letzteres 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 449 


der Fall, so könnten sie einer einzigen Reihe angehört haben, in 
welcher sie sich unmittelbar aneinander anschliessen würden. 

Die Veränderungen, welche sich an den Plastokonten ab- 
spielen, sind nun folgende. Die Plastokonten verdicken sich zu- 
nächst in ganzer Länge und schwellen an ihrem einen Ende leicht 
keulen- oder knopfförmig an (Fig. 2). In der nächsten Zelle 
(Fig. 3) sind die Endanschwellungen grösser geworden; die Fäden 
haben sich verkürzt, wobei mitunter auch an ihrem anderen Ende 
oder in ihrem Verlauf Knoten aufgetreten sind. Betrachtet man 
die darauf folgende Zelle (Fig. 4), so sind die zuerst sichtbar 
gewordenen Endanschwellungen der Plastokonten wiederum ge- 
wachsen, und zwar augenscheinlich auf Kosten der Plastokonten 
selbst, deren Substanz sie in sich einbezogen haben. Die Zellsaft- 
vakuolen haben sich vergrössert und zeigen das Bestreben, an 
dem Kern entlang zu einer einzigen zusammenzufliessen, welche 
sich durch die ganze Länge der Zelle erstreckt. In der Folge 
(Fig. 5 und 6) formen sich die Plastokonten mehr und mehr zu 
kleinen Kügelchen um, denen vielfach noch längere Zeit hindurch 
ein dünnes schwanzartiges Fädchen ansitzt. Die Kügelchen nehmen 
weiter an Durchmesser zu (Fig. 7); sie erscheinen zunächst noch 
durch und durch schwarz gefärbt, beginnen aber auf einem 
nächsten Stadium (Fig. 8), auf welchem der Kern plötzlich und 
anscheinend, ohne eine Spur zu hinterlassen, verschwindet, die 
oben beschriebene Scheidung in eine Grundmasse und darin ein- 
gelagerte kleine Körnchen zu zeigen. Die Grundmasse erscheint 
in meinen Präparaten anfangs in dunkelgrauem, später in hell- 
grauem Ton, während die Körnchen sich in derselben Weise wie 
die ganzen Kügelchen vorher bezw. die Plastokonten, d.h. also 
intensiv schwarz färben. 

Bei den fertigen Siebröhrengliedern von Chlorophytum ist 
die Wand des Protoplasmaschlauchs stark verdünnt (Fig. 9). Die 
Kügelchen, deren Entstehung wir verfolgt haben, liegen der Innen- 
seite des Protoplasmaschlauchs an oder auch ganz frei im Zell- 
saft (Siebröhrensaft) vorwiegend in den Schlauchenden. Daneben 
findet man in verschieden grosser Anzahl kleine Körnchen von 
dem Kaliber und der Färbbarkeit derjenigen, welche in der 
Grundmasse der grossen Kügelchen eingelagert sind; wie ich 
glauben möchte, sind sie mit diesen identisch und durch Auf- 
lösung der Grundmasse frei geworden. 


450 Friedrich Meves: 


In jungen Internodien von Phragmites waren die grossen 
Kügelchen in einem Teil der Siebröhren sämtlich verschwunden; 
dagegen war der Siebröhrensaft hier von zahlreichen 
kleinen Körnchen durchsetzt, welche sich nach Fixierung mit 
modifiziertem Flemmingschen Gemisch sowohl mit Eisen- 
hämatoxylin als auch mit Eisenalizarin -Kristallviolett färben 
liessen. Meines Erachtens können diese Körnchen nur von zer- 
fallenen grossen Kügelchen übrig geblieben sein. In anderen 
Siebröhren meiner Phragmitespräparate haben sie sich an den Sieb- 
platten einseitig zu einem dicken Belag angehäuft, welcher sich aber 
wahrscheinlich erst infolge der durch das Ab- und Zerschneiden der 
Pflanze herbeigeführten Entleerungsströmungen gebildet hat und 
somit ein Kunstprodukt darstellt (vgl. Alfr. Fischer, 1884). 

Über die Beschaffenheit und Bedeutung der geschilderten 
Kügelchen vermag ich nichts auszusagen; von Russow werden sie, 
wie gesagt, als „proteinhaltig“ und in gleicher Weise von Lecomte 
als „globules de matiere albuminoide“ bezeichnet. Keinesfalls 
sind es „Leukoplasten“ (siehe oben). Bei der Grundmasse, welche 
den Hauptbestandteil der Kügelchen ausmacht, dürfte es sich um 
einen Sekretstoff handeln, welcher dem Siebröhrensaft beigemischt 
wird. Ob die in der Grundmasse eingelagerten Körnchen, die 
sich ebenso wie Plastosomen färben, tatsächlich noch aus plasto- 
somatischer Substanz bestehen, möchte ich dahin gestellt sein 
lassen; möglich ist, dass sie trotz der Färbungsreaktionen, welche 
mit denjenigen der Plastosomen übereinstimmen, eine „para- 
plastische“ oder metaplasmatische Beschaffenheit besitzen. 

Als Nebenbefund erwähne ich noch, dass die sogenannten 
(releitzellen der Siebröhren bei Phragmites!) mit Plastosomen 
vollgepfropft sind. Der von verschiedenen Untersuchern hervor- 
gehobene Reichtum der Geleitzellen an protoplasmatischem Inhalt 
beruht auf ihrem Gehalt an Plastosomen. Auch die Zellen des 
„Vasalparenchyms“ (Strasburger), besonders diejenigen, welche 
die (refässe unmittelbar umgeben („Gefässbelegzellen“, Stras- 
burger 1902, S. 195), schliessen bei Phragmites ausserordent- 
lich zahlreiche Plastosomen ein. 


Die mitgeteilten Beobachtungen liefern eine neue Bestätigung 
zu dem von Altmann (1890) aufgestellten Satz, dass die Plasto- 


1) In der Luftwurzel von Chlorophytum fehlen sie. 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 451 


somen (Bioblasten) durch morphologische Beobachtung als „Ort 
der Sekretbildung“ erkannt werden können. 

Diese Ansicht ist kürzlich (1914) von Benda in einem 
Vortrag bekämpft worden, zu dessen Inhalt ich (1915) teilweise 
bereits Stellung genommen habe. Das Verhältnis der „Mito- 
chondrien“ zu den Sekretgranulationen, dem Benda seit 1899 
sein Interesse zugewendet hat, bildet nach ihm „den schwierigsten 
Punkt des ganzen Gebietes“. In direktem Gegensatz dazu erklärt 
Guilliermond, derjenige Botaniker, der sich bisher am ein- 
gehendsten mit den Plastosomen beschäftigt hat (1914, S. 293), 
dass „die hauptsächliche und einzig bewiesene Funktion der Mito- 
chondrien die der Sekretion ist!“ Hieran ist jedenfalls richtig, 
dass man sich bei den Pflanzenzellen leicht davon überzeugen 
kann, dass Sekrete und Reservestoffe entweder direkt durch die 
Plastosomen oder indirekt durch besondere Organe, Plasten oder 
Plastiden, gebildet werden, welche von den Plastosomen ab- 
stammen. In dem Vortrag von Benda haben die botanischen 
Befunde keine Berücksichtigung erfahren. 

Benda, dem seine Untersuchungen „von Anfang an das 
Gegenteil der üblichen Ansicht zu beweisen schienen“, glaubt für 
seine abweichende Auffassung selbst an den eigenen Bildern 
Altmanns Beweise erbringen zu können. „Wenn man“, sagt 
er, „wie nach heutiger Kenntnis nicht schwer, in den ‚vegetativen 
Fäden‘ Altmanns die besten Darstellungen von Mitochondrien 
und Chondriomiten!) wiedererkennt“ (z. B. auf Taf. XX seiner 
zweiten Auflage), „so kann man eigentlich an keiner Stelle den 
von ihm behaupteten Übergang von kleinen Körnchen der vege- 
tativen Fäden in Sekretgranula erkennen, sondern sieht die wunder- 
bar scharfe Abgrenzung der Fädenzone gegen die Körnerzone, die auch 
Mislawski beschreibt und [die] in meinen gelungenen Präparaten 
stets hervortritt.“ „Ich meine auch zu sehen,“ fährt er fort, „dass 
man selbst bei den ungeeigneten Färbungen mit Säurefuchsin und 
ebenso mit Eisenhämatoxylin, die prinzipiell Mitochondrien und 
Sekretgranula gleichartig färben, bei guter Härtung beinahe jedes 
einzelne Sekretkorn durch sein viel grösseres Kaliber von den 
Mitochondrien unterscheidet. Bei meiner spezifischen Färbung 
besteht an gelungenen Präparaten ausser durch das Kaliber auch 


') Unter Chondriomiten versteht Benda diejenigen Gebilde, welche 
wir heute gewöhnlich als Chondriokonten oder Plastokonten bezeichnen. 


452 Friedrich Meves: 


durch den Ton der Violettfärbung ein deutlicher Unterschied, 
wenn ich auch nicht in Abrede stellen kann, dass hin und wieder 
bei geringerer Differenzierung auch die Sekretgranula ähnlich 
gefärbt sind.“ 

Derartige Bilder, wie ich sie hier bei Chlorophytum habe 
beschreiben können, sind nun allerdings bei Tieren bisher wohl 
nicht zur Beobachtung gekommen. In tierischen Drüsenzellen, 
in denen die Plastosomen in Form von Fäden vorhanden sind, 
verläuft der Sekretionsprozess, wie es auch der Vorstellung von 
Altmann entspricht, wohl meistens in der Weise, dass aus diesen 
Fäden durch Zerfall oder Abschnürung Granula hervorgehen, 
welche sich ihrerseits in Sekretkügelchen umwandeln. 

Dass zwischen Plastosomen und Sekretkügelchen in Bezug 
auf Kaliber und Färbbarkeit Unterschiede bestehen, wie Benda 
hervorhebt, kann ich durchaus nicht wunderbar finden. Die 
Frage kann meines Erachtens nur sein, ob sich Übergänge 
zwischen den beiden Strukturen nachweisen lassen. Diese Über- 
gänge scheinen allerdings in vielen Fällen zu fehlen, was aber 
nicht beweist, dass sie in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. 
Hoven (1912, S. 598) sagt mit Recht: „On peut supposer que, 
dans certaines glandes ...... les chondriosomes presentent au 
cours de la secr&tion des modifications chimiques complexes, d’oü 
formation d’elements de transition entre les chondriocontes et les 
grains de secretion, que nos moyens d’investigations actuels ne 
nous permettent pas d’observer.“ Wissen wir doch in der Tat, dass 
auch die Sekretgranula selbst zum Teil ausserordentlich leicht lös- 
lich und schwer zu fixieren sind! Zum Beispiel kann man die 
Mucigenkörner der Schleimdrüsen nur in Osmiumsäurelösungen 
konservieren, „bei denen nicht Wasser, sondern Kochsalzlösung 
verschiedener Konzentration als Lösungsmittel benutzt wurden“ 
(vgl. Metzner 1907, 8. 915). 

„Die eigentlichen sogenannten Übergangsbilder der Mito- 
chondrien in Sekretgranula“ erklärt Benda „sämtlich für Kon- 
servierungsfehler, über deren Zustandekommen man sich leicht 
unterrichten kann.“ „Bei der geringen Tiefenwirkung der Osmium- 
gemische, die zur Konservierung der Mitochondrien nötig sind, 
kann man in jedem Präparat eine Grenzzone zwischen richtig 
und ungenügend konservierten Mitochondrien feststellen. Es zeigt 
sich, dass an allen Stellen, wo die intensive Osmiumwirkung auf- 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 455 


hört. die feinen intensiv gefärbten Mitochondrien und selbst die 
Faden- und Stäbchenstrukturen in runde grössere Körner und 
Bläschen zerfallen und verquellen, die alle Stadien der Sekretion 
konstruieren lassen, und das ist in jedem Organ, auch in solchen, 
die gar keine Sekrete liefern, zu erkennen.“ 

Veränderungen, welche an den Plastosomen infolge unge- 
nügender Fixierung aufgetreten waren, haben nun allerdings be- 
sonders in der ersten Zeit der Plastosomenforschung wohl zweifellos 
Veranlassung zu wirtümlichen Darstellungen gegeben. Auch 
Duesberg (1912, S. 777) sagt von Altmann, dass er nicht 
immer absolut richtige Bilder von Plastokonten vor Augen ge- 
habt, sondern oft Körner und kurze Fäden gesehen habe, die nur 
Zerfallsprodukte von längeren schlecht konservierten Fäden ge- 
wesen sind; z. B. habe er in Nierenzellen nur Körner abgebildet. 
Hoven (1912, S. 568) führt einen Fall (Laguesse) an, in 
welchem nach seiner Meinung bläschenförmig aufgequollene Plasto- 
chondrien für Sekretionsstadien gehalten worden sind. Die zahl- 
reichen neueren Autoren aber, welche für eine Beteiligung der 
Plastosomen bei der Sekretbildung eintreten, haben die Veränder- 
lichkeit der Plastosomen durch meine Beschreibung (1910, S. 151) 
sowie durch diejenige von Duesberg (1910, S. 605—606) ge- 
kannt und Bilder, wie man sie bei ungenügender Konservierung 
der Plastosomen antrifft, für ihre Schlussfolgerungen nicht ver- 
wertet. Für Regaud, Mawas, Hoven, O.Schultze, Eklöf u.a. 
trifit sicher nicht zu, dass sie „artefizielle Verunstaltungen der 
Mitochöndrien, die mit gleicher Deutlichkeit auch in denjenigen 
Zellen auftreten, in denen mit keiner anderen Methode vegetative 
Strukturen nachweisbar sind und die da fehlen, wo eine typische 
Konservierung der Mitochondrien vorliegt“, für „Übergänge der 
Mitochondrien in jene vegetativen Strukturen“ gehalten hätten. 

Besonders starke Formänderungen der Plastosomen sind von 
Pensa, Lewitsky, Guilliermond, mir selbst bei der 
Entstehung der pflanzlichen Sekrete, Reservestoffe und Plasten 
beschrieben worden; es ist aber völlig ausgeschlossen, dass diese 
auf fehlerhafter Fixierung beruhen. 

„Auch andere Bilder“, fährt Benda fort, „die zuerst von 
Altmann, dann auch von mehreren Mitochondrienforschern 
herangezogen sind, beweisen gar nichts, nämlich der angebliche 
Schwund der „vegetativen Fäden (Altmann)“ oder der Chondrio- 


454 Friedrich Meves: 


miten. Hierfür gibt es mehrere sehr einfache Erklärungen: erstens, 
dass die schwer konservierbaren Körnerfäden in den sekretreichen 
(und ebenso in den fettreichen) Zellen nicht genügend Härtungs- 
tlüssigkeit erhalten haben und nur in den Randpartien der Zellen 
konserviert sind und zweitens, dass sie tatsächlich gar nicht ver- 
mindert, sondern nur durch die Sekretkörner auseinandergedrängt 
oder in bestimmte Zellabschnitte verschoben sind, so dass man 
sie bei sorgfältiger Musterung sehr wohl findet.“ Es gibt nun 
zweifellos Darstellungen, für welche dieser Einwand von Benda 
zutrifft. Nach Altmann z. B. (1894, S. 124 und Taf. XXIV, 
Fig. 1) zieht sich in den Zellen der Katzenparotis, welche mit 
Sekretkörnern vollgestopft sind, zwischen den Sekretkörnern eine 
durch Fuchsin rot färbbare Substanz netzförmig hin, in der eine 
Differenzierung von Granulis angeblich nicht gelingen soll. 
Hoven (1912, S. 584) hat aber gezeigt, dass die Protoplasma- 
balken immer noch einige Plastochondrien und Plastokonten ent- 
halten; er meint, dass der erwähnten Figur von Altmann ein 
Präparat zugrunde gelegen hat, welches überfärbt oder unge- 
nügend fixiert war. 

In den Meristemzellen der Luftwurzel von Chlorophytum, 
welche sich zu Siebröhrengliedern entwickeln, werden dagegen 
tatsächlich alle Plastokonten zu Sekretkügelchen umgewandelt. 
Das gleiche dürfte in solchen tierischen Drüsenzellen der Fall 
sein, welche bei der Sekretion untergehen. In den übrigen bleiben 
auch auf der Höhe der Sekretbildung immer noch Plastosomen 
zurück, welche, wie Benda sagt, durch die Sekrete zusammen- 
gedrängt und verdrängt werden. Nach verschiedenen Autoren 
(z. B. Regaud und Mawas, Hoven u.a.) ist die Menge der 
Sekretkügelchen derjenigen der Plastosomen umgekehrt pro- 
portional. 

Die gleichen Einwände, wie die angeführten, und noch einige 
weitere erklärt Benda „gegen die Beziehung zwischen Mitochon- 
drien und Fettspeicherung oder -resorption“ machen zu müssen. 
Zunächst hält er „Altmanns Bilder von Ringkörnern ebenfalls 
für Trugbilder von mangelhaft konservierten Stellen.“ „An gut 
osmierten Stellen gibt es keine Ringkörner. Das Ringkorn kommt 
dadurch zustande, dass an einem grossen Fettropfen nur eine 
dünne Schale osmiert und gehärtet ist und das flüssig gebliebene 
Zentrum durch die Präparatbehandlung (Alkohol, ätherische Öle) 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 455 


aufgelöst wird. Wenn in der Höhle ein Farbstoffpartikelchen 
bleibt, so ist das Granulum im Ringkorn fertig, öfter bleibt ein 
ungefärbtes Zentrum, wie es Altmann auch abbildet. Mit einer 
so elektiven Färbung wie der Kristallviolettmethode ist nun und 
nimmermehr ein Mitochondrium innerhalb eines Fettropfens 
sichtbar.“ 

Diese Kritik erscheint mir berechtigt, soweit sie sich gegen 
die Einzelheiten der Altmannschen Darstellung richtet. Nach 
Altmann sollen die „Ringkörner“ an der Peripherie Fett, im 
Innern aber plastosomatische Substanz enthalten. Nach Dubreuil 
(1911, 1912) dagegen entsteht das Fett in den Fettzellen des 
Bindegewebes von Schafembryonen in Form einer „Lipoidvakuole“ 
im Innern von Plastochondrien oder Plastokonten; diese wird 
immer grösser, wobei ihre plastosomatische Rinde sich mehr und 
mehr verdünnt und schliesslich ganz schwindet; gleichzeitig wandelt 
sich der Inhalt der Vakuole in Fett um. Nach Dubreuil (1912 
S. 105) und Guilliermond (1914 S. 294) ist diese Bildungs- 
weise des Fettes derjenigen der Stärke bei den Pflanzen vergleichbar 
(Guilliermond 1912 u. a. a.St.; siehe auch Meves 1917). 
Die Altmannsche Anschauung, dass die Plastosomen der Ort 
der Fettbildung sind, wird ausser von Dubreuilauch von Hoven 
(1912) und neuerdings für Pflanzenzellen von Guilliermond 
(1915) aufrecht erhalten. 


Neben diesen „negierenden Betrachtungen“ haben wir nach 
Benda noch folgende „positive Anhaltspunkte“ für eine Unab- 
hängigkeit der Mitochondrien und Sekretgranulationen. 

Zunächst soll die grosse Verschiedenheit der Darstellungs- 
methoden beider Strukturen in gewissem Grade beweisend sein. 
Benda hat auf diesen Punkt schon 1899 hinsichtlich der Leuko- 
zytengranulationen aufmerksam gemacht und kann die gleiche 
Betrachtung, wie er sagt, auf die meisten Sekretgranulationen 
ausdehnen. Als besonders wichtig sieht er das Verhalten der 
Leukozytengranulationen an. „In den Mitochondrienpräparaten sind 
zugleich nur die eosinophilen Granulationen sichtbar.“ Wenn man 
dagegen die spezifischen Darstellungsmethoden der Leukozyten- 
granula anwendet, so ist von Mitochondrien nichts zu sehen. 
Benda kommt jedoch selbst zu dem Resultat, dass dieser „Be- 
weis“ insofern nicht stichhaltig ist, „weil es Strukturen gibt, die 


456 Friedrich Meves: 


aus Mitochondrien hervorgegangen sind und die ebenfalls eine 
derartige erweiterte Darstellungsfähigkeit besitzen“; er denkt 
dabei, wie er sagt, besonders an die Muskelstruktur. 

Einwandfreier sind nach Benda die Ergebnisse, wenn man 
Leukozytengranula-Präparate „und ebenso die Fett-, Glykogen- 
und Vitalfärbungen mit Mitochondrien-Präparaten hinsichtlich der 
Örtlichkeit der verschiedenen Körnungen vergleicht“. Hierbei 
sind aber nach ihm zunächst diejenigen Organzellen von der Be- 
trachtung auszuscheiden, bei denen sehr umfangreiche und stark aus- 
geprägte Mitochondrienstrukturen vorliegen, obgleich gerade diese 
Zellen natürlich mit Vorliebe von den Vertretern der entgegenge- 
setzten Anschauung gewählt worden seien Benda hat hierbei be- 
sonders „Muskel-, Nieren- und Darmepithelien“ im Auge. „Es ist 
einleuchtend, dass in diesen Zellen die gesamte Architektur der 
Zelle derartig von den genannten Strukturen beherrscht wird, 
dass alle anderen Strukturen sich notwendig den Mitochondrien 
anpassen.“ Wählt man dagegen Zellen mit spärlichen Mitochon- 
drienformationen, so erhält man nach Benda einen völlig anderen 
Eindruck. „Schon bei den viel bearbeiteten Zellen der Verdauungs- 
drüsen sollte jeder unbefangene Untersucher auf den ersten Blick 
erkennen, dass in den Anfangsstadien der Sekretion weder die 
Örtlichkeit noch die Anordnung der primären Sekretablagerungen 
den bekannten Mitochondrienstrukturen entspricht. Die Sekret- 
körner nehmen die Zelloberfläche, die Mitochondrien die Basis 
ein“ ..... Den Hauptbeweis bilden aber für Benda die Leukozyten. 
„Ob wir... . die genuinen Max Schultze-Ehrlichschen 
(Granulationen im Ausstrich oder Schnitt färben, ob wir Vitalfärbung, 
Farbstoffspeicherung, Oxydase-, Fettfärbung anwenden, überall tritt 
uns das gleiche Bild der gleichmässigen Ausbreitung dieser vege- 
tativen Strukturen im Zelleib entgegen, die nur den Kern und 
den kleinen Fleck um Mikrozentrum und Zentrotheka freilassen. 
(Gerade hier ist aber die Gegend, in der die äussert spärlichen 
Mitochondrien etwas reichlicher liegen, während sie sonst ganz 
vereinzelte Fäden im Zelleib bilden.“ 

Auf diese „prinzipiellen Abweichungen in der Lage der 
Mitochondrien und der Sekretgranulationen in einigen Zellarten 
mit charakteristischen Anordnungen beider Gebilde wie den 
Leukozyten“ erklärtt Benda das grösste Gewicht legen zu 
müssen. 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 457 

Darin kann ich mich ihm nun meinerseits durchaus nicht 
anschliessen. Ich kann keine Schwierigkeit darin finden, mir 
vorzustellen, dass die Plastosomen oder Plastosomenteilchen, indem 
sie sich zu Sekretkügelchen umwandeln, von dem basalen in den 
oberen Teil der Zelle verlagert werden. Die Tatsache, dass die 
gröberen Körner in einem granulierten Leukozyten einen „kleinen 
Fleck um Mikrozentrum und Zentrotheka freilassen“, ist von anderer 
Seite dahin gedeutet worden, dass sie durch die Existenz der von 
dem Zytozentrum ausgehenden Strahlen in die grösseren interfilaren 
Räume verdrängt werden. 

Benda gibt übrigens weiterhin selbst zu, dass der „Einwand 
bliebe, ob etwa bei der Entstehung die Mitochondrienformation 
besteht und sich erst dann in die Granulationen umwandelt“. 
„Hier ermöglicht aber“, sagt er, „unser Objekt [die granu- 
lierten Leukozyten] eine Feststellung, die jeden Einwand völlig 
ausschliesst und zugleich ein besonderes Licht auf den Charakter 
der vegetativen Struktur wirft: die Tatsache, dass der mit 
(Granulationen beladene Leukozyt teilungsfähig ist 
unddassdiegenuinen Granulationen auf die Tochter- 
zellen übergehen. Hieraus folgt in erster Linie, dass die 
granuläre Struktur nicht etwa bei der Teilung in eine differente 
Mitochondrienstruktur zurückkehrt, sondern dass auch bei der 
Mitose beide Strukturen nebeneinander persistieren. In zweiter 
Linie gibt diese Tatsache einen gewissen, ganz bescheidenen Anhalt 
dafür, dass die genuine Granulation des Leukozyten eine eigene, 
von den Mitochondrien unabhängige primitive Zellstruktur darstellt 
oder mit einer solchen in Zusammenhang steht.“ In gleichem 
Sinne lassen sich nach Benda die dotterhaltigen Zellen der ersten 
Embryonalperiode verwerten, deren Dotterkugeln nach einer ver- 
breiteten Ansicht durch Umbildung von Mitochondrien entstehen. 
„Bei der Furchung und noch eine ganze Zeit länger, bis in die 
Keimblattbildung hinein, teilen sich dotterhaltige Zellen, ohne dass 
die Dotterelemente etwa wieder in Mitochondrien ,.. . . zurück- 
gebildet werden oder in den Tochterzellen aus diesen Struktur- 
elementen neu gebildet werden. Es wäre für unsere Frage von 
Wichtigkeit. genauer festzustellen, ob das nur die alten vom Ei 
überkommenen Dotterelemente sind, die als Nährmaterial über- 
tragen werden oder ob vielleicht noch weiter eine Neubildung 
derselben stattfindet.“ Wäre letzteres der Fall, so würde nach 


458 Friedrich Meves: 


Benda auch dieser Vorgang dafür sprechen, dass neben Mitochon- 
drien im Zelleib ein weiteres unabhängiges Strukturelement besteht, 
von dem diese Bildung ausgeht. 

Ich kann nun aber nicht finden, dass die Tatsachen, welche 
Benda anführt, zu den Schlüssen, welche er daraus ziehen möchte, 
irgendwie berechtigen. In jungen Blättern, z. B. von Tradescantia 
albiflora, kann man leicht feststellen, dass Zellen mit jungen 
Chloroplasten sich durch Teilung vermehren. Die Chloroplasten 
gehen in die Tochterzellen über. Es kann aber (trotz A.Meyer 1916) 
nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, dass die Chloro- 
plasten bei den höheren Pflanzen von Plastosomen abstammen. 


Die angeführten Gründe veranlassen Benda nun, „prinzipiell“ 
zu bezweifeln, dass die Funktionen der „Stoffspeicherung, Assi- 
milation und Ausscheidung“ „durch die sicher schon mit anderen 
Aufgaben überlasteten Mitochondrien“ übernommen werden. „An- 
dererseits ist sicher eine so weitgehende Verwandtschaft dieser 
Funktionen vorauszusetzen, dass ihre Ausübung durch ein gemein- 
sames Organ verständlich wäre.“ Nach Benda wäre daher „vor- 
läufig die Hypothese zulässig, dass Dotterkugeln, genuine Leuko- 
zytengranulationen und Sekretgranula dasselbe Strukturelement 
zum Substrat haben, welches dann in gleicher Weise für Fett- 
und Glykogenablagerungen und vitale Färbung in Frage käme“. 
„Für seine histologische Darstellung im ursprünglichen Zustand 
besitzen wir jedenfalls noch keine beweisenden Methoden. Es ist 
aber anzunehmen, dass es dieses Strukturelement ist, welches den 
langjährigen und sorgfältigen Beobachtungen J. Arnolds vorge- 
legen hat.“ Benda hält es deshalb für angemessen, es vorläufig 
auch mit dem von Arnold gebrauchten Namen als Plasmo- 
somen zu bezeichnen. Die Identität der Plasmosomen mit den 
Mitochondrien, der er früher zugestimmt habe, würde dann fallen 
müssen. 

„Für die Frage, ob die Plasmosomen in demselben Sinne 
wie die früher besprochenen Strukturelemente ein eigenes primi- 
tives Zellorgan sind, sind die Daten noch zu lückenhaft. Immerhin 
wird dieser Gesichtspunkt diskutabel* .... „Die wesentliche Be- 
dingung für die Bewertung der Plasmosomen als Zellorgan wäre, 
dass sich Methoden finden, die ihren Nachweis in den Embryonal- 
und Fetalzellen ermöglichen und gestatten, ihre Kontinuität in der 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 459 


somatischen Zellbahn bis zu den Drüsenzellen und den Leukozyten 
des entwickelten Organismus zu verfolgen. Bis dahin bleibt es 
noch eine „Metastruktur“, wie es Heidenhain nennt, das 
heisst auf deutsch unsichtbar und hypothetisch.“ 

Hierzu möchte ich mir folgende Bemerkungen erlauben. 
Wenn Benda die „Mitochondrien“ als „sicher schon mit anderen 
Aufgaben überlastet“ bezeichnet, so setzt mich dieser Ausspruch 
in Erstaunen, da doch Benda selbst über die funktionelle Be- 
deutung der „Mitochondrien“ in seinem Vortrag nicht allzuviel 
anzugeben weiss. Er kann auch heute noch, wie er sagt, „daran 
festhalten, dass ihre Verwendung zu motorischen Strukturen 
(Muskelfibrillen, Spermienhüllen, Wimperwurzeln) am sichersten 
feststeht und dass auch in den Zellen, in denen die motorische 
Funktion bisher nicht beachtet ist, die reichlichen Mitochondrien- 
strukturen darauf hinweisen könnten.“ Im übrigen meint er, dass 
wir uns vorerst dabei beruhigen müssten, „dass wir über die spe- 
zielle funktionelle Bedeutung dieses Organs [der „Mitochondrien“ ] 
noch ebensowenig aussagen können, wie über die der anderen 
Zellorgane, und dass sein konstantes Vorhandensein beweist, dass 
es zu den fundamentalen Strukturen der Zelle gehört.“ 

Ich selbst habe auf Grund meiner hier und a. a. 0. mitge- 
teilten Beobachtungen erkannt, dass bestimmte Sekrete und Reserve- 
stoffe in den Pflanzenzellen durch die Umwandlung oder durch die 
Tätigkeit der Chondriosomen oder Plastosomen gebildet werden. 
Unter diesen Umständen sehe ich nicht ein, warum ich in anderen 
Fällen an der Beteiligung der Plastosomen bei der Sekretbildung 
zweifeln und mit Benda nach einem besonderen „Assimilations- 
organ“ suchen sollte. Gesetzt aber, dass neben den Chondriosomen 
oder Plastosomen noch andere bisher unbekannte Elemente des Proto- 
plasmas zu der Sekretion beitrügen, so würde es jedenfalls sehr 
unzweckmässig sein, für diese die Arnoldsche Bezeichnung 
Plasmosomen anzuwenden. In erster Linie spricht dagegen, dass 
die Plasmosomen Arnolds, wie ich schon wiederholt bemerkt 
habe. der Mehrzahl nach überhaupt Kunstprodukte sind, welche 
durch die von Arnold angewandte Technik in den Zellen erzeugt 
worden sind. Was speziell die Körnchen und kürzeren oder längeren 
körnigen Fädchen anlangt, welche durch „Vitalfärbung“ mit 
Neutralrot oder Methylenblau sichtbar gemacht werden können, 
so glaube ich seit 1905 guten Grund zu der Annahme zu haben, 


460 Friedrich Meves: 


dass sie in zahlreichen Fällen weiter nichts als Farbstoffnieder- 
schläge darstellen. Diejenigen „Plasmosomen“ aber, welche als 
präformierte Strukturelemente anerkannt werden müssen, sind 
weit davon entfernt, einheitlicher Natur zu sein. Duesberg 
(1912 S. 823) hat den Eindruck, dass die von Arnold gesehenen 
Bilder, welche die Umwandlung der „Plasmosomen“ zu Sekret- 
körnern in Schleim- und serösen Drüsen der Froschhaut beweisen 
sollen, „ganz einfach die Vorgänge der Färbbarkeitsänderungen 
darstellen, welche die Sekretkörner bei der Reifung zeigen“; dass 
also die Plasmosomen Arnolds in diesem Fall junge Sekret- 
körner sind. 

Arnold selbst hat ausserdem zuletzt (ebenso wie früher 
benda) die Meinung vertreten, dass die als „Plasmosomen“ be- 
zeichneten Gebilde mit Chondriosomen oder Plastosomen identisch 
seien; was allerdings sicher unzutreffend ist, und zwar schon des- 
halb, weil Chondriosomen oder Plastosomen durch Neutralrot oder 
Methylenblau nicht vital gefärbt werden können.!) Immerhin ist 
es auch wegen dieser von Arnold (und noch heute von ver- 
schiedenen anderen) behaupteten Identität kein glücklicher Ge- 
danke, wenn Benda seinem noch zu entdeckenden „Assimilations- 
organ“ die Benennung „Plasmosomen“ beilegen möchte. 


Literaturverzeichnis. 


Altmann, R., 1390: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu 
den Zellen. Leipzig. (1894, zweite Auflage.) 

de Bary, A., 1877: Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane der 
Phanerogamen und Farne. Handbuch der physioiog. Botanik, heraus- 
gegeben von W. Hofmeister, Bd. 3. 

Benda, C., 1899: Weitere Beobachtungen über die Mitochondria und ihr 
Verhältnis zu Sekretgranulationen nebst kritischen Bemerkungen. 
Verh. d. phys. Ges. zu Berlin, Jahrg. 1899/1900. 

Derselbe, 1914: Die Bedeutung der Zelleibstruktur für die Pathologie. Verh. 
d. Deutsch. path. Ges., 17. Tagung in München. 

Dubreuil, G., 1911: Transformation directe des mitochondries et des 
chondriocontes en graisse dans les cellules adipeuses. Compt. rend. 
de la Soc. de Biologie, t. 70. 


‘) Wohl aber durch Dahlia (v. la Valette St. George), Methyl- 
violett (Pfeffer) und Janusgrün (Michaelis). 


Über Umwandlung von Plastosomen in Sekretkügelchen. 461 


Derselbe, 1912: Le chondriome et le dispositif de l’activite s6cretoire aux 
differents stades du d&eveloppement des @l&ments cellulaires de la lignee 
connective, descendants du lymphocite. Arch. d’anat. mier., t. 15. 

Duesberg, J., 1910: Les chondriosomes des cellules embryonnaires du 
poulet et leur röle dans la genese des myofibrilles, avec quelques 
observations sur le d&veloppement des fibres musculaires strides. 
Arch. f. Zellforschung, Bd. 4. 

Derselbe, 1912: Plastosomen, „apparato reticolare interno“ und Chromidial- 
apparat. Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 20. 

Eklöf, H., 1914: Chondriosomenstudien an den Epithel- und Drüsenzellen 
des Magen-Darmkanals und den Ösophagusdrüsenzellen bei Säugetieren. 
Anat. Hefte, Bd. 51. | 

Fischer, A., 1884: Untersuchungen über das Siebröhrensystem der Cueur- 
bitaceen. Berlin. 

Guilliermond, A., 1911: Sur la formation des chloroleucytes aux depens 
des mitochondries. Compt. rend. de l’Acad. des Sciences de Paris, t. 153. 

Derselbe, 1912, 1: Quelques remarques nouvelles sur le mode de formation 
de l’amidon dans les cellules vegetales.. Compt. rend. de la Soc. de 
Biologie, t. 72. 

Derselbe, 1912, 2: Sur la formation de l’anthocyane au sein des mitochondtries. 
Compt. rend. de l’Acad. des Sciences, Paris, t. 156. 

Derselbe, 1913: Sur le röle du chondriome dans l’&laboration des produits 
de reserve des Champignons. Compt. rend. de l’Acad. des Sciences, 
Paris, t. 197. 

Derselbe, 1914: Bemerkungen über die Mitochondrien der vegetativen Zellen 
und ihre Verwandlung in Plastiden. Eine Antwort auf einige Ein- 
würfe. Ber. d. Deutsch. bot. Ges., Bd. 32. 

Derselbe. 1915: -Nouvelles observations sur le chondriome des cellules &pi- 
dermiques de la fleur d’Iris Germanica. 2. Production de globules 
graisseux au sein des mitochondries et des plastes. Fixation du chon- 
driome. Compt. rend. de la Soc. de Biologie, t. 78. 

Hoven, H., 1912: Contribution & l’&tude du fonetionnement des cellules 
elandulaires. Du röle du chondriome dans la s&eretion. Arch. f. Zell- 
forsch., Bd. 8. 

v. Janczewski, E., 1882: Etudes comparees sur les tubes cribreux. Ann. 
des Sciences nat., ser. 6, Bot., t. 14. 

Lecomte,. H., 1889: Contribution & l’etude du liber des Angiospermes. 
Ann. des scienc. nat., ser. 7, Bot., t. 10 

Lewitsky, G@., 1910: Über die Chondriosomen in pflanzlichen Zellen. Ber. 
d. Deutsch. bot. Ges., Bd. 28. 

Derselbe. 1915: Die Chondriosomen als Sekretbildner bei den Pilzen. Ber. d. 
Deutsch. bot. Ges., Bd. 31. 

Metzner, R., 1907: Die histologischen Veränderungen der Drüsen bei ihrer 
Tätigkeit. Handbuch der Physiologie des Menschen, herausgeg. von 
W. Nagel, Bd. 2. 

Meves, Fr., 1905: Kritische Bemerkungen über den Bau der roten Blut- 


körperchen der Amphibien. Anat. Anz., Bd. 26. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. 1. Sl 


> 


462 Friedrich Meves: Über Umwandlung von Plastosomen. 


Derselbe, 1910: Über Strukturen in den Zellen des embryonalen Stütz- 
gewebes, sowie über die Entstehung der Bindegewebsfibrillen, insbe- 
sondere derjenigen der Sehne. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 75. 

Derselbe, 1915: Was sind die Plastosomen? Il. Bemerkungen zu dem 
Vortrag von ©. Benda: Die Bedeutung der Zelleibstruktur für die 
Pathologie. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 87, Abt. 1. 

Derselbe, 1917: Historisch-kritische Untersuchungen über die Plastosomen 
der Pflanzenzellen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 89, Abt. 1. 

Meyer, A., 1883: Das Chlorophylikorn in chemischer, morphologischer und 
biologischer Beziehung. Leipzig. 

Derselbe, 1916: Die Allinante. Zugleich eine Antwort auf die Darstellung 
von Guilliermond im 32. Bande dieser Berichte S. 282. Ber. d. 
Deutsch. bot. Ges., Jahrg. 34. 

Pensa, A., 1910: Alcune formazioni endocellulari dei vegetali. Boll. Soc. 
med.-chir. di Pavia. Seduta 8 luglio 1910 und Anat. Anz., Bd. 37. 

Regaud, Cl. 1909: Partieipation du chondriome ä la formation des grains 
de segregation dans les cellules des tubes contournes du rein (chez 
les ophidiens et les amphibiens). Compt. rend. de la Soc. de Biol., t. 66. 

Derselbe und J. Mawas, 1909: Sur la structure du protoplasma (eryasto- 
plasme, mitochondries, grains de segregation) dans les cellules sero- 
zymogönes des acini et dans les cellules des canaux excreteurs de 
quelques glandes salivaires de Mammiferes. Compt. rend. de l’Assoc. 
des Anatomistes, Nancy. 

Russow, 1883: Über den Bau und die Entwicklung der Siebröhren. Sitz.- 
Ber. d. Naturforscher-Ges. bei d. Univers. Dorpat, Bd. 6, Heft 2, 1882. 

Schimper, A., 1883: Über die Entwicklung der Chlorophylikörner und 
Farbkörper. Bot. Zeitung. 

Schultze, 0., 191: Über die Genese der Granula in den Drüsenzellen. 
Anat. Anz., Bd. 38. 

Strasburger, E., 1891: Histologische Beiträge, Heft 3. Über den Bau 
und die Verrichtungen der Leitungsbahnen in den Pflanzen. Jena. 

Derselbe, 1902: Das botanische Praktikum. 4. Aufl., Jena. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. 


Die Abbildungen der Tafel XIV sind mit Zeiss’ Apochromat 2 mm 
(Apertur 1,40) und Kompensationsokular 12 unter Benutzung des Abbeschen 
Zeichenapparates bei Projektion auf Objekttischhöhe entworfen. Die zu 
Grunde liegenden Präparate der Luftwurzel von Chlorophytum Stern- 
bergianum sind mit modifiziertem Flemmingschem Gemisch fixiert und 
mit Eisenhämatoxylin gefärbt. 

Die Figuren 1-6 betreffen Meristemzellen des Zentralzylinders, Fig. 7 
und 8 Teile von solchen, welche sich zu Siebröhrengliedern entwickeln. Über 
die dargestellten Veränderungen, welche sich an den Plastokonten abspielen, 
siehe Text S. 448449, 

Fig. 9. Aneinanderstossende Enden zweier ausgebildeter Siebröhren- 
glieder. Text S. 447 u. 449. 


463 


Aus dem Anatomischen Institut zu Greifswald. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 
Von 
Wilhelm von Moellendorff. 


Hierzu Tafel XV und XVI. 


Enhatlt: Seite 
I. Einleitung . . . 0 2 Ab3 
II. Morphologie der anulären Färbung art sauren Karbenoiien . 465 
III. Morphologie der vitalen Färbung mit basischen Farbstoffen . . 470 
a) Die vitale Färbung der Dotterplättchen . . . . ......472 
b) Die vitale Färbung der Zellgranula . . . . . 415 
IV. Die Färbung saurer Farbstoffgranula durch he Farbstoffe 477 
a) Vitale Versuche an Kaulquappen. . . . : { . 478 

b) Supravitale Versuche an Kaulquappen: die Granhlkfärkungs ist 
ein reaktiver Vorgang . . . BR a RE ALON 


V. Supravitale Färbungen an Manserkganen: die Färbbarkeit der 
sauren Farbstoffgranula und normaler Zellgranula durch basische 
Farbstoffe sind analoge Vorgänge . . . 485 

VI. Schluss: Für die vitale Färbung mit hasıschen Farbstoffen in nur 
die chemische oder kolloidehemische Struktur der Granula mass- 


gebend, keine besondere vitale Tätigkeit derselben . . . . . 490 
Literaturverzeichnis See RE RATEN AT aa AIG 
Erklärung der eelabhildungen NEN Ra ns se de NE te | 


I. Einleitung. 

Die Färbung unfixierter Gewebe hat seit den achtziger 
Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Fülle von Beobachtungen 
gefördert, die für die mannigfachsten Fragen der Morphologie 
und der Physiologie verwertet worden sind. Die Durchsicht der 
unzähligen Arbeiten, in denen mit wechselndem Erfolge Färbungen 
in unfixierten Geweben von verschiedenstem Grade des Lebens- 
zustandes mitgeteilt sind, liefert das auffallende Ergebnis, dass 
die Geschichte dieses Gebietes unserer Färbetechnik in tech- 
nischer Beziehung kaum einen Fortschritt zu verzeichnen hat. 
Seitdem besonders durch Ehrlich Farbstoffe eingeführt worden 
waren, deren Anwendung auf lebende Gewebe in ihrer Klarheit 

31* 


464 Wilhelm von Moellendorff: 


fast unübertreffliche Färbungen gestattete, ist mit diesen Farb- 
stoffen an allen möglichen Objekten experimentiert worden; die 
dabei gewonnenen Bilder waren in den meisten Fällen ähnlich. 
Nur von der Fragestellung, von der jeweils gegebenen Deutung 
hing es ab, welche Bedeutung diesen Bildern zugesprochen wurde. 

Durch Erweiterung der Versuche auf eine grosse Anzahl 
von Farbstoffen ist mehrfach versucht worden, in den Mechanismus 
der Färbung einzudringen. Überblicken wir aber das bisher er- 
reichte Ergebnis, so muss gesagt werden, dass wir erst in den 
allerersten Anfängen eines Verständnisses der Farbstoffwirkung 
stehen. Es ist in erster Linie die Histophysiologie, die bisher 
wirklichen Nutzen aus den Farbstofiversuchen gezogen hat, nach- 
dem es den Bemühungen R. Hoebers, W. Ruhlands, 
W. Schulemanns, W. von Moellendorffs u. a. gelungen 
ist, den Wirkungsmechanismus einer ganzen Gruppe von Farb- 
stoffen einigermassen aufzuklären: durch die Erkenntnis, dass 
für die Wirkung fast aller sauren Farbstoffe in erster Linie ihr 
Lösungszustand massgebend ist, wurden die Probleme der Zell- 
permeabilität, der Phagozytose, der Nieren- und Leberphysiologie 
nicht unwesentlich gefördert. Die Zytomorphologie ist dabei bis 
zu einem gewissen Grade leer ausgegangen, da theoretische 
Erwägungen und experimentelle Beobachtungen den Schluss nahe 
legten, dass die granulären Abscheidungen der sauren Farbstoffe 
Neubildungen im Zellenbau seien, dass präformierte, dem Zell- 
forscher auch sonst zugängliche granuläre Bildungen mit der 
Speicherung saurer Farbstoffe nicht betraut seien (W. Schule- 
mann und H. M. Evans, von Moellendorff). 

Über die Auffassung der Wirkung basischer Farbstoffe 
herrscht dagegen noch eine grosse Unsicherheit, diese kommt 
besonders gut zum Ausdruck in dem grossen Werke von 
J. Arnold (1914). Hier wogt der Streit, ob präformierte 
(ranula gefärbt werden, oder ob die bei der Wirkung gewisser 
basischer Farbstoffe auftretenden Granulabilder Kunstprodukte 
sind, ob lebenswichtige Organellen die Farbspeicherung besorgen, 
ob Abfallsprodukte des Stoffwechsels gefärbt werden. Man weiss 
auch nicht, ob die Farbspeicherung als chemischer Vorgang 
einer Reaktion zwischen Granulumsubstanz und Farbstoff aufge- 
fasst werden soll, oder ob eine Lösung der Farbstoffe in einem 
als spezifisches Lösungsmittel bezeichneten Substrate stattfindet. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 465 


Wenn ich angesichts dieser Sachlage mit einigen Arbeiten 
die grosse Literatur über diesen Gegenstand vermehre, so tue 
ich dies in der Hoffnung, gerade die Wirkungsweise der basischen 
Farbstoffe von einem umfassenden Standpunkt aus beleuchten zu 
können. Alle Spekulationen, ob eine wirkliche Vitalfärbung, d.h. 
eine Farbspeicherung in zweifellos funktionierenden Elementen 
der Zelle ohne Beeinträchtigung ihrer Leistung möglich ist, ob 
ferner die Färbung als Leistung der Granula oder anderer Zell- 
gebilde aufzufassen ist, können ja doch erst erörtert werden, 
wenn wir die Bedingungen kennen, unter denen eine Färbung 
möglich ist. 

Zu diesem Zwecke war es notwendig, zunächst an geeig- 
neten Objekten den Vorgang der Granulafärbung genauer zu 
verfolgen, wobei Beobachtungen gemacht wurden, die schon vielfach 
auch von anderer Seite beschrieben sind, deren Deutung aber 
erst möglich wurde, als es gelang, die gleichen Bilder an experi- 
mentell erzeugten Granulis von bekannter Zusammensetzung zu 
machen. Dadurch konnte ich zu einer befriedigenden Deutung 
der Morphologie der Granulafärbung gelangen, die den Vorgang 
auf Phänomene zurückführt, die im Reagenzglas nachgeahmt 
werden können. Einige Ergebnisse dieser Forschungen hat schon 
meine Schülerin E. Herzfeld (1917) veröffentlicht. 

In dieser ersten Mitteilung ist es meine Aufgabe, den Vor- 
gang der basischen Granulafärbung klarzulegen; eine kurze Zu- 
sammenstellung unserer Auffassung der sauren Granulabildung 
stelle ich voran, weil sie zum Verständnis der weiteren Aus- 
einandersetzungen notwendig ist und durch einige neue Ergebnisse 
ergänzt werden konnte. 

In einer zweiten Mitteilung werden sodann die allgemeinen 
Grundlagen aufgedeckt, die zu der vitalen Farbstoftwirkung 
notwendig sind; durch die Beachtung der physikalischen und 
chemischen Eigenschaften der Farbstoffe konnte auch hier ein 
befriedigendes Ergebnis gewonnen werden. 


II. Morphologie der granulären Färbung mit sauren 
Farbstoffen. 


In einer Reihe von Untersuchungen habe ich meine Ansicht 
begründet, dass saure Farben in den Zellen, in denen sie ab- 


466 Wilhelm von Moellendorff: 


gelagert werden, meist neue Granula bilden. Diese Ansicht 
widerspricht der der meisten älteren Untersucher, die entweder 
in der Ablagerungsart saurer und basischer Farben keinen 
prinzipiellen morphologischen Unterschied annahmen (so Arnold, 
Goldmann u.a.) oder sogar ausdrücklich angeben, dass saure 
Farbstoffe an präformierte, zum Teil plastosomale Bestandteile 
der Zellen gebunden werden (Gross, Aschoff und seine Schule 
u. v.a.). Eine erfreuliche Übereinstimmnng mit meiner An- 
sicht geben die Untersuchungen von botanischer Seite (Ruhland) 
und die Schulemanns und seiner Mitarbeiter. 

Neuere Untersuchungen lehren mich, dass auch saure Farb- 
stoffe unter gewissen Umständen an präformierte Zellgranula 
herangehen. 

Ein Fall, der allerdings aus meinem jetzigen Thema heraus- 
fällt, ist die sog. „postvitale“ Färbung mit sauren Farben; er ist 
schon aus einer Reihe früherer Untersuchungen bekannt. Ihrer 
Natur nach bedürfen diese Vorgänge allerdings noch einer 
Klärung. Zu dieser Gruppe von Färbungen rechne ich die Färbung 
der eosinophilen Leukozytengranula durch saure Farbstofte 
(Trypanblau nach Schulemann, Pappenheim, Nakano). 
Diese Färbung kommt wohl nur an abgetötetem, z.B. formolisiertem 
Material vor, ist aber weitgehend different. Hierhin gehört auch 
die von mir (1913) seinerzeit als vital beschriebene, aber wahr- 
scheinlich auch nur postvital in der Fixierungstlüssigkeit oder 
ohne dieselbe nach dem Absterben auftretende Färbung der 
eosinophilen Zellen der Darmwand mit Trypanblau, Natronkarmin, 
Nigrosin und anderen sauren Farbstoffen. Auch die damals 
beschriebene Färbung der Granula in Becherzellen und Paneth- 
schen Zellen dürfte zu diesen Vorgängen zu rechnen sein. 

Neuerdings habe ich an Kaulquappen und erwachsenen 
Fröschen mit zahlreichen sauren Farbstoffen supravitale Färbungen 
an unfixiertem Material erzielt. Hier sind es stark lichtbrechende 
Granula in sehr formvariablen Bindegewebszellen, die besonders 
mit Eosin und verwandten Farbstoffen nach dem Tode des Tieres 
rasch und intensiv reagieren. 

In allen diesen Fällen werden also saure Farbstoffe, besonders 
nach Ausschaltung des Lebenszustandes, an zweifellos präformierte 
Granula rasch und intensiv abgelagert. Ob dieser Färbung physi- 
kalische oder chemische Vorgänge zugrunde liegen, ist unbekannt. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 467 


Jedenfalls ist das Gebiet dieser postvitalen Färbungen 
mit sauren Farbstoffen streng abzusondern von der Granula- 
bildung saurer Farben, die nur im lebenden Gewebe vor- 
kommt, also ein spezifisch vitaler Vorgang ist. 

Es darf geradezu als ein Beweis für die Erhaltung des 
Zellenlebens im Carrelschen Präparat angesehen werden, 
dass Hofmann (1914) zeigen konnte, dass im Plasma wachsende 
embryonale Lebersternzellen Trypanblau aus dem Plasma granulär 
abzulagern vermögen. 

Die Granulabildung ist charakterisiert durch die Art ihres 
Werdens; die allmähliche Zunahme der Grösse, der Dichte. sowie 
der Zahl der Granula in der Zelle lassen bei genauer Unter- 
suchung den Vorgang relativ leicht beobachten. Dass jedoch 
nicht stets neue Granula von einem in die Zelle eintretenden Farb- 
stoffe gebildet zu werden brauchen, lehren folgende Beobach- 
tungen. 

Bei gleichzeitiger Anwendung zweier saurer Farbstoffe 
erhält man vielfach neben getrennten Granulis auch Misch- 
granula; nur handelt es sich hier um eine richtige 
Mischung, nicht um ein gelöstes Reaktionsprodukt. wie es 
bei der Kombination eines sauren mit einem basischen Farb- 
stoffe entsteht. 

Die oft zu beobachtende Entstehung von Mischgranula bei 
der Anwendung eines Gemisches zweier saurer Farbstoffe lehrt, 
dass nicht unbedingt der saure Farbstoff neue Granula bei 
seinem Eintritt in die Zelle zu bilden braucht. Die Konzentration, 
bis zu der ein Granulum mit einem oder mehreren Stoffen be- 
laden ist, dürfte dafür ausschlaggebend sein, ob ein neu in 
die Zelle eintretender Stoff sich in ein „präformiertes“ Granulum 
zumischen kann, oder ob für ihn ein neues Granulum gebildet 
werden soll. Zu der gleichen Vorstellung führen Beobachtungen 
an Tieren, deren Nierenzellen mit reichlichem gelbem, wohl einem 
dem Leberstoffwechsel entstammenden, auf dem Ausscheidungs- 
wege befindlichen Pigmente angefüllt waren; dies Pigment ist 
granulär angeordnet und hindert das Zustandekommen einer 
sranulären Ablagerung saurer Farbstoffe empfindlich. Ein Teil der 
Pigmenttropfen nimmt jedoch spärliche Mengen sauren Farbstoftes 
auf, wodurch bei blauen Farbstoffen eine verschieden intensive 
Grünfärbung der Pigmenttropfen hervorgerufen wird (Siehe Fig. 2 


468 Wilhelm von Moellendorff: 


und 3, Taf. XV). Dies ist also ein Fall, in dem mit Sicherheit 
saure Farbstoffe in Granula eintreten, die vorher schon in der Zelle 
vorhanden waren. Hier sind aber trotzdem ganz andere Vor- 
gänge beobachtet, als bei der Färbung mit basischen Farbstoffen. 
Es handelt sich hier um das Konkurrieren zweier in gleicher 
Weise zur Granulabildung befähigter Substanzen um den Sitz in 
einem Granulum, nicht um die Reaktion des einen Stoffes mit 
dem anderen. 

Fig. 1 zeigt dagegen zwei Vornierenzellen einer Kaulquappe 
aus einer Trypanblaukultur; das Tier, das schon reichlich Trypan- 
blau abgelagert hatte, wurde vor der Untersuchung zwei Tage 
in einer Lösung von Vitalneurot (1:5000) belassen. Hier sind 
beide sauren Farbstoffe in getrennten Granulis abgelagert. So 
klare Resultate erhält man nur, wenn der eine Farbstoff (Trypan- 
blau) schon lange abgelagert ist, so dass die von ihm gebildeten 
Granula „fertig“ (Schulemann) sind. 

Die genannten Beobachtungen lehren einmal, dass, wie auch 
besonders für die Säugetiere schon seit längerer Zeit bekannt 
ist, unter bestimmten Umständen dem Körper entstammende 
Substanzen in den Nierenzellen in ähnlicher Form granulär ab- 
gelagert werden können wie saure Farbstoffe. Aus dem Umstande, 
dass in solche Pigmentgranula ein Teil des sauren Farbstoffes 
einzudringen vermag, ist weiterhin zu schliessen, dass Pigment- 
granula und Farbstoffgranula in weitem Umfange analoge 
Bildungen sind. Es ist anzunehmen, dass auch ungefärbte Sub- 
stanzen des Körpers zur Granulabildung befähigt sind, dass ein 
Teil der zahlreichen Granula in Nierenzellen solche durch 
Konzentration in den Zellen abgelagerte Substanzen, vielleicht 
Eiweisskörper sind. 

Ich bin trotzdem weit davon entfernt, etwa anzunehmen, 
alle granulären Bildungen in den Zellen seien in dieser Weise 
entstanden, eine Vermutung, die in einem Satze der Arbeit von 
Schulemann und Evans (1915) enthalten ist. Sie sagen 
S. 208: „Seine (Tschaschins) Arbeiten aber geben uns den 
Anlass, mit allem Vorbehalt darauf hinzudeuten, ob nicht die 
echten Chondriosomen gleichwertig (nicht identisch!) den 
durch die Vitalfärbung (sc. mit sauren Farbstofien. D. Verf.) ent- 
stehenden Farbstoffgranula seien.“ Die Veranlassung zu. diesem 
Satze gaben die Arbeiten Tschaschins, der auf Grund blosser 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 461) 


Ähnlichkeit von Mitochondrienpräparaten und Vitalfärbungsbildern 
die Behauptung aufgestellt hatte, die Chondriosomen seien die 
Farbstoffträger, die Begründung des Schulemannschen Satzes 
erfolgte aus ähnlichen Gesichtspunkten, wie sie von mir oben 
angedeutet wurden. In einer ganzen Reihe von Fällen können 
aber Mitochondrien sicherlich von den einer Vitalfärbung mit 
basischen Farbstoffen im allgemeinen zugänglichen Gebilden ab- 
gesondert werden, während die sauren Farbstofigranula sowohl, 
wie andere der Zelle eigene Granula den basischen Farb- 
stoffen zugänglich sind. Ich möchte die fast ausnahmslose 
Regel, dass typische Plastosomen einer vitalen Färbung schwer 
zugänglich sind (s. Duesbergs Referat), geradezu als grund- 
legend für die Abtrennung dieser Granula von Plastosomen be- 
trachten. 

Der Vorgang der Granulabildung bei sauren Farbstoften 
ist durch eine langsame, allmählich eintretende Verminderung 
der Dispersität charakterisiert. Dieselbe ist begleitet und vor- 
wiegend wohl verursacht durch die zunehmende Konzentrierung 
des Farbstoffes in den Granulis. Morphologisch sind diese Stufen 
in der Granulaentwicklung hauptsächlich an dem Dunklerwerden 
der Granula zu erkennen. Einen besonders schönen Fall, gleich- 
zeitig einen guten Beweis für unsere Auffassung, entdeckte 
Schulemann (1914) in dem Verhalten verschiedener Farbstoffe 
(Bordeaux extra usw.), bei deren Konzentrierung Metachromasie 
eintritt. Vorher rot gefärbte Granula enthielten eine zunehmende 
Zahl blauer Körnchen — der Farbstoff flockt in den Granulis blau 
aus. Durch diese Beobachtungen werden auch Bilder verständlich, 
die man bei nicht metachromasierenden Farbstofien erhält. Auch 
bier ist bei zunehmender Konzentrierung vielfach in vorher 
homogen durchgefärbten Granulis (s. Fig. 2) das Auftreten 
kleinster Substanzkörnchen zu beobachten (Fig. 3, Taf. XV). Dass 
es sich hier um das Ausflocken des Farbstoffes handelt, darin ist 
wohl Schulemann unbedingt beizustimmen. 

Durch diese und andere, in früheren eigenen Arbeiten und 
den Veröffentlichungen Schulemanns niedergelegte Beobach- 
tungen halte ich die Frage der Granulabildung saurer Farbstofie 
nach der morphologischen Seite hin für im wesentlichen geklärt. 
Anders steht es mit der Morphologie der Granula, die mit 
basischen Farbstoflen färbbar sind. 


470 Wilhelm von Moellendorff: 


III. Morphologie der vitalen Färbung mit basischen 
Farbstoffen. 


Bezüglich der älteren Literatur verweise ich auf die über- 
sichtliche Zusammenstellung Fischels in dem Abschnitt „Vitale 
Färbung“ in der Enzyklopädie f. mikr. Techn. Eine wesentliche 
Förderung über die dort referierten Angaben hinaus hat unsere 
Kenntnis über die Wirkung der basischen Farbstoffe nicht erfahren. 

Fischel, dem neben Arnold u.a. ein grosses Verdienst 
an dem Ausbau unserer Kenntnisse auf diesem schwierigen Gebiete 
zukommt, gibt zu. dass in vielen Fällen eine vitale Färbung mit 
basischen Farbstoffen auch „tote“ Zellbestandteile, wie durch 
Phagozytose aufgenommene Fremdkörper, Abfallsprodukte des 
Stoffwechsels usw. darstellt. Über diese hinaus färben sich aber 
nach seiner Ansicht zweifellos auch integrierende Bestandteile 
der Zellen, die er deswegen als integrierend betrachtet, weil sie 
sich konstant und in „anscheinend unveränderlicher Form im Zell- 
leib“ vorfinden; „sie weisen den Farbstoffen gegenüber eine viel 
hochgradigere Elektivität auf, als die anderen (Gebilde und finden 
sich schliesslich in einzelnen Zellarten in typischer Form und 
Anordnung vor“. Sie „bilden zum Teil vielleicht auch einen 
lebenden Anteil des Protoplasmas“. Was die Konstanz der Granula 
angeht, so ist auf die Erörterung im 2. Abschnitt dieser Arbeit 
zu verweisen. Auch dauerndem Wechsel unterworfene Granula 
müssen eine annähernd konstante Anordnung in der Zelle ein- 
nehmen, da sie an den Bau des Protoplasmas gebunden sind. 
Die schwer zu beweisende Konstanz ist also jedenfalls kein Be- 
weis für die funktionelle Wichtigkeit eines Strukturelements. 

Fischel, der im wesentlichen Vitalfärbung nur mit 
basischen Farbstoffen beobachtet zu haben scheint, hebt ferner 
mit aller Schärfe hervor, dass auch die letztere Art von granu- 
lären Einschlüssen jedenfalls präformiert sei; wir können bei der 
eingehenden Kenntnis des Ausfalls der vitalen Färbung mit sauren 
Farbstoffen mit aller Bestimmtheit den Satz an den Anfang 
unserer Betrachtungen stellen: 

Basische Farbstoffe, im Gegensatz zu sauren, 
färben, d.h. die Farbstoffe lagern sich an vorher in den Zellen 
sichtbare, meist granuläre Bildungen an, während saure Farb- 
stoffe im allgemeinen abgelagert werden an Stellen, die vorher 
von sichtbaren Strukturelementen nicht eingenommen wurden. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 471 


Von diesem Satze ist eine Ausnahme in den Fällen zu sehen, 
in denen es nach Fischel zu einem Auskristallisieren der Farb- 
stoffsubstanz kommt; bei Anwendung von Bismarckbraun Nilblau- 
sulfat und -chlorhydrat scheiden sich in wechselnder Menge in 
und zwischen den Zellen Kristallnadeln aus, die nach dem Autor 
die normale Funktion in keiner ersichtlichen Weise beeinträch- 
tigen. Ob und in welchem Umfange ein Teil der gefärbten 
Granula erst durch die Farbeinwirkung entstehen, ist eine ebenfalls 
noch nicht entschiedene Frage. Wir werden im Verlaufe der nach- 
stehenden Mitteilung die Entstehung derartiger „Kunstprodukte“ 
teilweise kennen lernen. 

Dass eine Färbung präformierter Zellbestandteile vorkommt, 
darf heute als so gesichert angesehen werden, dass es eines näheren 
Eingehens auf diese Vorgänge nicht bedürfte, wenn wir nicht 
an unserem Material eine Reihe von Beobachtungen gemacht 
hätten, die meines Erachtens den Mechanismus der Granula- 
färbung genauer beleuchten. 

Die nachfolgenden, in Kürze mitgeteilten Ergebnisse ent- 
stammen Versuchen meiner Frau (Sommer 1915), die auch die 
Zeichnungen sämtlich frisch nach dem überlebenden Präparat 
anfertigte. Wir arbeiteten mit Quappen von Rana fusca und 
esceulenta, die im wesentlichen die gleichen Resultate ergaben; 
Verschiedenheiten z. T. interessantester Natur ergaben sich nur 
bezüglich des Alters der Larven, worauf öfters eingegangen 
werden wird. 

Folgende Farbstoffe wurden verwandt: 


Neuralrot, Diazingrün, 
Nilblausulfat, Naphtholblau, 
Bismarckbraun, Nilblauchlorhydrat, 
Janusgrün, Methylenblau rectif., 
Toluidinblau, Methylenblau BX, 


sämtlich von Grübler in Leipzig bezogen. 

Von diesen Farbstoffen ergaben Nilblauchlorhydrat, Diazin- 
grün, Toluidinblau, Janusgrün bezüglich der Nieren in unseren 
Versuchen ein völlig negatives Resultat bei starker Giftwirkung. 
Deshalb wurde von ihrer Anwendung bald abgesehen. Die 
stärkere Giftwirkung der basischen Farbstoffe verlangt ganz 
allgemein, wie auch Fischel hervorhebt, eine vorsichtige 
Dosierung. Wird z. B. Neutralrot in so verdünnter Lösung 


472 Wilhelm von Moellendorff: 


(ca. 1:300000) angewandt, dass das Wasser noch eben einen 
rötlichen Schimmer besitzt, so wird der Farbstoff gut vertragen. 
Will man dagegen rasch eine kräftige Färbung erzielen, so ver- 
wendet man Lösungen 1:10000 bis 1:50000. In solchen Lösungen 
aber werden die Quappen schon nach zwei Stunden sehr matt, 
so dass sie nach dieser Zeit spätestens in reines Wasser über- 
tragen werden müssen. 

In ähnlicher Geschwindigkeit tritt die Farbreaktion mit Nilblau- 
sulfat ein. Lösungen 1:300 000 genügen bei jungen Larven schon, 
um innerhalb einer halben bis zwei Stunden eine kräftige Granula- 
färbung in der Niere hervorzurufen. Bei älteren Individuen scheint 
die Reaktion nicht mehr so stürmisch zu verlaufen ; hier konnten 
wir erst mit Lösungen 1:30000 kräftigere Färbungen erzielen. 

Auch Bismarckbraun färbt in Lösungen 1:10000 bis 
1:60000 rasch und kräftig. Dagegen waren unsere Resultate 
mit Methylenblau nicht so befriedigend. Hier fand sich an der 
Niere nur Pigmentfärbung. In anderen Organen (Darm, Leber 
usw.) reagieren auch unpigmentierte, granuläre Einschlüsse mit 
dem Methylenblau. An der Niere erzielten wir in unseren aller- 
dings mit diesem Farbstoffe nicht sehr zahlreichen Versuchen 
keine schönen Färbungen (siehe dagegen Schultze 1888). 

Entgegen den Angaben Fischels konnten wir uns nicht 
von der langen Haltbarkeit der basischen Färbungen nach Über- 
tragung der Versuchstiere in reines Wasser überzeugen. Aller- 
dings behält die Haut auffallend lange eine gewisse Färbung, 
aber vor allem die Niere zeigt sehr bald (schon nach 24 Stunden) 
eine erhebliche Abnahme der zuerst sehr kräftigen Färbungen. 
Eine gewisse Menge von Farbe bleibt dann allerdings längere 
Zeit in den Zellen erhalten. 

Hauptuntersuchungsobjekt war zumeist die Vorniere mit 
ihren grossen granulareichen Zellen, besonders deshalb, weil an 
ihr auch die sauren Farbstoffe eingelagert werden. Unsere Ver- 
suche erstreckten sich vornehmlich auch auf die jüngsten Ent- 
wicklungszustände dieses Organs, ohne dass dabei die Ergebnisse 
an den übrigen Körperzellen vernachlässigt worden wären. 


a) Die vitale Färbung der Dotterplättchen. 
Bei Larven, die soeben ihre Gallerthülle verlassen haben, 
enthalten die Vornierenzellen ebenso wie alle übrigen Körper- 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 4753 


zellen reichlich Dotterplättchen. Diese nehmen basische Farb- 
stoffe (Neutralrot, Nilblausulfat) mit grosser Avidität auf. Dabei 
ist anfangs das ganze Dotterplättchen durchgefärbt und erscheint 
gelbrot (die Bilder wiederholen sich in allen Körperzellen, siehe 
Bio, A, Ta AV). 

Bei etwas älteren Larven (mit sichtbaren äusseren Kiemen) 
ändert sich das Bild in auffallender Weise. Trotz gleichartiger 
Behandlung (diese Versuche wurden mit ganz dünnen Neutral- 
rotlösungen gemacht) ist nur ein geringer Prozentsatz von 
Dotterplättchen noch intensiv homogen färbbar. Viel häufiger 
erhält man das Bild der Fig. 5: den blass gefärbten Dotter- 
plättchen sitzen flache, stark gefärbte Kappen auf, die wohl meist 
kreisförmig rund, aber flach gestaltet sind und deshalb bei 
Flächen- und Kantenansicht recht verschieden aussehen. Solche 
Bilder wurden sowohl dann erhalten, wenn die Quappen in ver- 
dünnten Farbstofflösungen bis zum Auftreten dieser Zerfalls- 
erscheinungen gehalten wurden, wie dann, wenn entsprechende 
Stadien frisch in die Farbstofflösung gebracht wurden. Zu gleicher 
Zeit treten in den Zellen neben den Dotterplättchen, die anfangs 
neben Pigmentkörnchen die einzigen auffälligen Zelleinschlüsse 
darstellen, mit Neutralrot färbbare kleine Granula auf (siehe 
Fig. 6, Taf. XV). Auch ungefärbte kleine Granula werden jetzt 
sichtbar. Zunächst könnte daran gedacht werden, dass diese eigent- 
artigen Zerfallsbilder auf die Farbstoffwirkung zurückzuführen 
seien. Die relative Grösse dieser Zelleinschlüsse gestattet aber 
mit Sicherheit diese Möglichkeit auszuschliessen. Auch an 
ungefärbten. frisch zerzupften Quappen lassen sich alle diese 
Bilder erkennen. 

Danach zeigt die basische Färbung in diesem Falle einige 
bemerkenswerte Punkte: 1. Mit Sicherheit handelt es sich um 
eine Färbung präformierter, wohl charakterisierter Zelleinschlüsse. 
Die Dotterplättehen — das wird wohl allgemein angenommen — 
sind schon der Eizelle in dieser Form beigegebenes Deutoplasma. 
das bei dem Zellstoffwechsel als Nährmaterial zu dienen hat, 
also eine im wesentlichen passive Rolle spielt. 

2. In den physikalischen oder chemischen Eigenschaften der 
Dotterplättchen muss es begründet sein, dass sie sich mit Neutral- 
rot und anderen basischen Farbstoffen färben — auf diesen 
Punkt einzugehen ist hier nicht der Ort. 


474 Wilhelm von Moellendorff: 


3. Aus den Dotterplättchen tritt eine die basischen Farb- 
stoffe besonders kräftig an sich reissende Substanz aus, die offen- 
bar als Granulum noch eine Zeitlang erkennbar bleibt (s. Fig. 6 
und 7). Diese Tatsache muss besonders bedeutsam erscheinen. 
Sie kann in zweierlei Weise verwertet werden. Entweder es 
entstehen wirklich aus den Dotterplättchen aktive Orte des 
Zellenstoffwechsels, eine Annahme, die mir wenig Wahrschein- 
liches für sich zu haben scheint, oder vielmehr: die beobachteten 
Umbildungs-- und Übergangsformen aus Dotterplättchen in 
typische „Granula“ sind geeignet, der Auffassung eine kräftige 
Stütze zu geben, die die mit basischen Farbstoffen in den Zellen 
darstellbaren Granula als passive Bestandteile der Zellen ganz 
allgemein betrachtet. Mit einer solchen Vorstellung ist die 
Anschauung Pfeffersund Ruhlands vereinbar, dass in Pflanzen- 
zellen die vitale Reaktion mit basischen Farbstoffen auf dem 
Gehalt an Gerbsäure beruhe. Für diese Ansicht sprechen auch 
die Resultate meiner unten mitzuteilenden Versuche mit Kombi- 
nationsfärbungen. Es darf dabei nicht überraschen, dass bei 
älteren Larven in fast allen Zellen Granula in relativ gleich- 
förmiger Beschaffenheit angetroffen werden, die zu basischen 
Farbstoffen Verwandtschaft besitzen. Denn je weiter der Zerfall 
der Dotterplättchen fortschreitet, um so mehr tritt die aktive 
Nahrungsaufnahme der Kaulquappe in den Vordergrund; es ist 
durchaus vorstellbar, dass nunmehr aus anderen Quellen stammende 
Substanzen bei der Verarbeitung in den Zellen in ähnlicher 
Form und Verteilung auftreten, wie dies von den Granulis gilt, 
die beim Dotterplättchenzerfall in Erscheinung treten. Diese 
Auffassung liegt nach den oben beschriebenen Ergebnissen der 
Ablagerungsart saurer Farben um so näher, als wir an ihnen 
die Fähigkeit des Zellenprotoplasmas erkannt haben, gelöste, 
in die Zelle eindringende Substanzen in Granulaform abzu- 
lagern. 

Die Ergebnisse der Dotterplättchenfärbung betrachte ich 
deshalb als wichtig, weil sie uns ein Beispiel geben, wie aus 
anerkannt passiven Nahrungseinschlüssen sich Granula ablösen, 
die bezüglich ihrer Färbbarkeit die Verwandtschaft mit ihren 
Ursprungssubstanzen dartun, bezüglich ihrer Form und Verteilung 
aber auffallend ähnlich sind den Granulis, die in allen späteren 
Stadien der Entwicklung mit basischen Farbstoffen reagieren 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 475 


und von anderer Seite (besonders Fischel, Arnold) als aktive 
Zellorte aufgefasst werden. 

A. Fischel erwähnt ausdrücklich, dass die Dotterplättchen 
in Epithelzellen des Schwanzes von Rana-Larven sich mit Methylen- 
blau, Bismarckbraun und Neutralrot nicht färben: Methylenblau 
färbte nur Pigmentkörnchen, Bismarckbraun einen Teil der in 
den Zellen sichtbaren, verschieden grossen Granula hellgelb, mit 
Neutralrot liessen sich zwei Arten von Granulis färben: 1. solche, 
die offenbar den Bismarckbraungranulis entsprechen, daneben 
2. ganz feine Granula. Die Dotterplättchen blieben gänzlich 
ungefärbt. 

Die Ergebnisse Fischels stehen aber nur scheinbar im 
Gegensatz zu den meinigen: denn seine Quappen waren, nach 
der Grösse zu schliessen, die er auf S—10 mm angibt schon 
wesentlich älter als das von mir erfolgreich verwandte Material. 
Auch ich konnte zeigen, dass mit dem durch das Wachstum und 
die weitere Entwicklung bedingten Zerfall der Dotterplättchen 
ihre Färbbarkeit aufhört und an die teilweise offenbar aus ihnen 
entstandenen kleinen Zelleranula übergeht. 

Hinzufügen möchte ich noch, dass es auch sehr gut gelingt, 
noch in der Gallerthülle befindlichen Laich mit Neutralrot, 
Nilblausulfat usw. zu färben, und dass es hier ausschliesslich 
die Dotterplättchen sind, die eine intensive Färbung annehmen. 


b) Die vitale Färbung der Zellgranula. 

Nach Verlust des Dotters in den Zellen ist die Färbung 
wesentlich verschieden von der anfangs geschilderten. Am 
wenigsten unterscheidet sich die Geschwindigkeit des Färbungs- 
eintrittes. Nach zahlreichen Vorversuchen wurde für Neutralrot 
die Konzentration 1:50000, Nilblausulfat 1:300000, Bismarck- 
braun 1:15000 gewählt; die genauesten Beobachtungen wurden 
mit Neutralrot gewonnen. 

Um zahlreiche präformierte, schön runde, verschieden stark 
lichtbrechende Granula ordnen sich ganz kleine, scharf abgegrenzte, 
intensiv gefärbte Granula an. Die eigenartige kranzförmige 
Anordnung dieser ersten Granula findet eine Analogie in der 
Anordnung, die vielfach die Pigmentgranula besitzen (vgl. Fig. 8 
und 9). 

Diese Analogie in der Lagerung soll hier nur erwähnt werden, 


476 Wilhelm von Moellendorff: 


ohne dass damit zwischen beiden Bildungen eine möglicherweise 
in Betracht kommende Identität behauptet werden soll. Die 
Pigmentfrage ist zu verwickelt, um hier nebenher aufgerollt zu 
werden. 

Die beobachtete ringförmige Anordnung feinster Granula 
ist aber, wo sie beobachtet wird, stets eine vorübergehende 
Erscheinung. Kurze Zeit später tritt unter allmählicher Durch- 
färbung der präformierten, anfänglich noch ungefärbten Granula 
der Farbstoff aus den zuerst beobachteten Umstellungsgranulis aus. 
Typische, in diesem Stadium angetroffene Granulabilder zeigt 
Fig. 9. Im weiteren Verlaufe der Färbung mit Neutralrot 
ändert sich das Bild immer mehr zugunsten der homogen durch- 
gefärbten Granula, die anfänglich beobachteten Umstellungsbilder 
verschwinden völlig. Die zuerst nur hell durchgefärbten prä- 
formierten Granula werden mit weiterem Zutritt basischen Farb- 
stoffes immer dunkler und bekommen damit das Aussehen von 
schwarzroten, ungelösten Farbstoffmassen. 

Diese von uns vielfach beobachtete Reihenfolge in der 
Ausbildung der Granulafärbung ergänzt in manchen Punkten 
die von A. Fischel (1900) und anderen Autoren gegebene 
Darstellung. Eine anfängliche Anhäufung der Farbstoffe am 
Rande der Granula beschreibt Fischel sehr eingehend bei den 
Granulis der Leydigschen Zellen, wo er mit Bismarckbraun 
und Nilblauchlorhydrat im Anfange der Färbung intensive, ring- 
förmig die Granula umgebende Farbstoffanhäufungen beobachtete, 
die im weiteren Verlaufe der Färbung bei Bismarckbraun wieder 
verschwinden, indem an ihre Stelle eine hellere Durchfärbung 
der Granulasubstanz tritt. Bei Nilblauchlorhydrat haben die 
Ringe einen violetten Farbenton. 

Bis zu diesem Stadium geht bei der Neutralrotfärbung die 
Ablagerung von statten. ohne dass die Zellen wesentliche Ver- 
änderungen in Form und Lagerung ihrer Granula erkennen 
liessen. Im weiteren Verlaufe, bei noch längerer Einwirkung 
des Farbstoffes oder bei Anwendung zu hoher Konzentrationen 
verstärkt sich die Färbung natürlich sehr, nicht jedoch ohne 
gleichzeitig intensiv eingreifende Veränderung in dem ganzen 
Aussehen der Zellen hervorzubringen. Die vorher einzeln liegenden 
Granula klumpen sich mit benachbarten zu traubenförmigen 
Bildungen zusammen, um die herum sich Vakuolen bilden, die 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 477 
schliesslich beträchtliche Dimensionen erreichen können. Von 
solchen Bildungen wird hier ganz abgesehen, sie gehören sicherlich 
schon in den Bereich grober pathologischer Veränderungen. 

Von vielen Einzelheiten in der Färbung, besonders von den 
vielfach beobachteten Schwankungen soll hier nicht die Rede 
sein; nur kurz soll erwähnt werden, dass der Pigmentgehalt der 
Zellen von grossem Einfluss auf den Färbungsvorgang ist, indem 
die Pigmentgranula selbst einer intensiven Farbstofispeicherung 
fähig sind, wie schon Fischel sicher beobachtet hat. 

Die geschilderten feineren Vorgänge bei der vitalen Granula- 
färbung mit basischen Farben hätten nun nur geringes Interesse, 
wenn es nicht gelungen wäre, die Bedeutung dieser Erscheinungen 
zu erkennen. 


IV. Die Färbung saurer Farbstoffgranula durch 
basische Farbstoffe. 


Schon in der Arbeit von E. Herztfeld (1916) ist eingehend 
dargelegt worden, dass basische Farbstoffe dann erheblich anders 
wirken, wenn dem Versuchstiere vorher ein saurer Farbstoff, der 
zur Granulabildung befähigt ist, eingegeben worden war. Sie 
konnte die eigenartigen Angaben von R. Hoeber und E.Königs- 
berg (1905) aufklären und durch mannigfach abgeänderte Ver- 
suchsbedingungen zeigen, dass in diesen Fällen der basische 
Farbstoff an die Granula des sauren angelagert wird. Der basische 
Farbstoff wird von den ihm sonst zugänglichen Granulis durch 
die Anwesenheit der den sauren Farbstoff enthaltenden Granula 
abgelenkt. 

Dies Ergebnis wird nur erhalten, wenn der saure Farbstoff 
während der Zufuhr des basischen schon in der Zelle abgelagert 
ist; bei den Versuchen am erwachsenen Tiere ist deshalb ein 
reines Versuchsergebnis schwer zu erzielen, sofern man auf die 
Injektion der Farbstoffe angewiesen ist. Lässt man z. B. Wasser- 
blau, einen sauren Farbstoff, eine bestimmte Zeit einwirken. bis 
es sicher zu Granulabildung gekommen ist, und injiziert darauf 
Neutralrot, so werden zunächst alle Wasserblaugranula von Neutral- 
rot überfärbt ; allmählich macht sich aber der Überschuss des 
basischen Farbstoffes geltend, es kommt zur Farbstoffablagerung 


auch an ungefärbten Zellgranulis. Diese Färbung der genuinen 
Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt. 1. 32 


478 Wilhelm von Moellendorff: 


Zellgranula tritt aber erst nach Absättigung sämtlicher in der 
Zelle enthaltenen Wasserblaugranula auf. 

Eigenartig und bei näherer Überlegung für die Auffassung 
der Granulafärbung von höchstem Interesse war das Ergebnis der 
umgekehrten Versuchsanordnung; nach Ausschaltung aller, der 
Natur der Versuche entspringenden Mängel, konnte gezeigt werden, 
dass ein saurer Farbstoff, der einem mit Neutralrot gefärbten 
Versuchstiere subkutan injiziert wurde, nicht von seiner gewohnten 
Wirkungsweise abgelenkt wurde. 

Der Erhebung dieses Ergebnisses standen erheblich grössere 
Schwierigkeiten im Wege; um noch eine genügend starke basische 
Färbung bei Versuchsende beobachten zu können, war es erforder- 
lich, die Injektion des sauren Farbstoffes schon zu einer Zeit 
folgen zu lassen, wo noch beträchtliche Mengen des basischen 
Farbstoffes im Blute kreisten. Es war also vorauszusehen, dass 
die sich neu bildenden Granula des sauren Farbstoffes zu einem 
Teile von dem ständig noch die Zellen durchsetzenden basischen 
Farbstoffe überfärbt werden würden. Dieser Vorstellung ent- 
sprachen auch die Ergebnisse der Versuche Herzfelds, in denen 
nur unter günstigen Verhältnissen neben rein basisch gefärbten 
und Mischgranulis auch solche Granula beobachtet wurden, die 
den sauren Farbstoff rein enthielten. Näheres über die damaligen 
Ergebnisse muss in der Originalarbeit nachgesehen werden. 


a) Vitale Versuche an Kaulquappen. 

Zur Ergänzung dieser Versuche teile ich hier noch eine 
ähnliche Fragen behandelnde Versuchsreihe besonders deshalb mit, 
weil es uns gelungen ist, in die feinere Morphologie auch dieser 
Vorgänge einzudringen. Die erwähnten Schwierigkeiten, die einer 
Beurteilung der Kombinationsversuche mit basischen und sauren 
Farbstoffen besonders in den Fällen entgegenstanden, wo der 
basische Farbstoff dem sauren vorangeschickt wurde, mussten weg- 
fallen, wenn es gelang, eine Versuchsanordnung zu erzielen, bei 
der einerseits die basische Färbung dauerhaft genug ist, um 
die beträchtliche Zeit in Anspruch nehmende Färbung mit sauren 
Farbstoffen zu überstehen, bei der andererseits die Zufuhr des 
basischen Farbstoffes dann wirklich abgeschnitten ist, wenn die 
Einwirkung des sauren Farbstoffes beginnt. Solche Bedingungen 
herzustellen, ermöglichten Versuche mit Kaulquappen. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 479 


Ich habe schon a. a. ©. (1916,1) ausgeführt, dass entgegen 
früheren Ansichten (Fischel) eine vitale Färbung mit sauren 
Farbstoffen auch an diesem für Versuche so bequemen Materiale 
gelinet; man muss nur darauf achten, dass die Farblösung nicht 
zu schwach ist und dass der durch Diffusionsversuche zu ermit- 
telnde Dispersitätsgrad der Lösung den geeigneten Wert besitzt. 
Die Technik ist im übrigen denkbar einfach: man bringt die 
(Juappen in Lösungen der Farbstoffe in gut abgestandenem 
Brunnenwasser (in Konzentrationen von 1:1000—10000), wo die 
für saure Farbstoffe charakteristische Ablagerung in Sternzellen, 
Hauptstücken der Vor- und Urniere, Histiozyten nach 2—5—8 
Tagen, je nach dem angewandten Farbstoffe beginnt. Die Ab- 
lagerung erreicht im Verlaufe von Monaten ganz beträchtliche 
(Grade, ohne dass die Tiere erkennbare Schädigungen davontrügen ; 
eine nennenswerte Verzögerung in der Entwicklung der Quappen 
gegenüber normalen Tieren wird durch die Farbstoffeinwirkung 
nicht verursacht. 

Bei der frischen Untersuchung ist besonders auf die Kon- 
zentration der als Zusatzmedium zu verwendenden Kochsalzlösung 
zu achten; je nach dem Alter der Quappen muss dieselbe variiert 
werden. In jedem Falle ist bei diesem Material die für die 
erwachsenen Froschgewebe isotonische Konzentration von 0,65°/o 
hypertonisch. Nach zahlreichen Versuchen verwandte ich bei 
(Quappen mittleren Entwicklungsgrades eine 0,32°/sige Kochsalz- 
lösung. Bei noch jüngeren Tieren muss noch eine schwächere 
Konzentration genommen werden. 

Ein Blick auf Fig. 10—12 genügt, um schlagend die Richtig- 
keit der in der Herzfeldschen Arbeit gezogenen Schlüsse zu 
erweisen. Fig. 10 zeigt zwei Zellen der Vorniere eines Tieres, 
das lange Zeit in einer starken Trypanblaulösung gelebt hatte. 
Im Protoplasma liegen meist schön runde, von kleinsten Pigment- 
körnchen umstellte Trypanblaugranula.. Nach einstündiger Ein- 
wirkung von Neutralrot auf ein Tier der gleichen Kultur erhält 
man das Bild der Fig. 11; sämtliche Trypanblaugranula sind violett 
umgefärbt, reine Neutralrotgranula sind noch nicht zu erkennen. 
Sie kommen dagegen nach vierstündiger Neutralroteinwirkung in 
reichlicher Menge zum Vorschein (Fig. 12). Unter den unge- 
färbten Trypanblaugranulis finden sich teilweise solche, diedie Neu- 
tralfarbe in einem helleren Mischton enthalten; sie sind als 

32* 


450 Wilhelm von Moellendorff: 


einfache Mischgranula aufzufassen im Gegensatz zu den fast 
schwarzen, opaken Granulis, die den Mischfarbstoff ausgefällt ent- 
halten. Die gleichen Möglichkeiten der Mischfärbung fand Herzfeld 
in ihren Versuchen an erwachsenen Fröschen und Mäusen. 

Sehr viel klarer und beweisender als an erwachsenen Tieren, 
bei denen man zur direkten Einverleibung der Farbstoffe in den 
Tierkörper gezwungen ist, sind an unserem Material die Ergeb- 
nisse bei umgekehrter Anwendung beider Farbstoffarten. Fig. 13 
zeigt neben rein blauen Granulis, die das saure Wasserblau 
unvermischt enthalten, rein rote mit Neutralrot gefärbte Granula. 
Die letzteren sind der Überrest einer ursprünglich sehr starken, 
der Kaulquappe zuerst beigebrachten Neutralrotfärbung. Die später 
in der Zelle abgelagerten Wasserblaugranula sind keine Bindung 
mit dem Neutralrot, das an die Zellgranula gebunden war, einge- 
gangen. 

Die Versuche waren in folgender Weise angestellt worden: 
nach zweistündigem Aufenthalt in einer Neutralrotlösung 1:30000 
kamen die Quappen in Wasser für einen Tag; in der Wasser- 
blaulösung (1:5000) ist nach 4 Tagen eine deutliche Bildung 
von blauen Granulis zu erkennen: zu keiner Zeit wurde ein 
Mischgranulum beobachtet. 

Für diese Farbstoffkombinationen ergibt sich also folgende 
Auffassung, die auch von Herzfeld vertreten wurde: 

1. Der in einer Zelle abgelagerte saure Farb- 
stoff behält seine Reaktionsfähigkeit mit basischen 
Farbstoffen innerhalb der Granula bei. 

2. Der an Zellgranula gebundene basische 
Farbstoff besitzt innerhalb des Granulums nicht 
mehr die Fähigkeit, mit sauren Farbstoffen zu rea- 
gieren, er muss demnach an die Granulasubstanz 
verankert sein. 

Man darf nun nicht erwarten, mit beliebigen basischen und 
sauren Farbstoffen in den Zellen eine Reaktion erzielen zu können. 
An dem Kaulquappenmaterial gelang uns die Reaktion bei folgenden 
Farbstoffkombinationen ausnahmslos: Trypanblaumit nachfolgender 
Färbung durch Neutralrot und Bismarckbraun, Wasserblau-Neu- 
tralrot, Vitalneurot-Nilblausulfat. Dabei ist es für den Ausfall 
der Reaktion gleichgültig, ob der basische Farbstoff vital oder 
supravital angewandt wird. Im einzelnen ergeben sich natürlich 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 481 


für die einzelnen Farbstoffe charakteristische Verschiedenheiten, 
die aber für unsere Frage nicht von Belang sind. Später zu 
berichtende Versuche an Mäusen mit einem ausgedehnten Farb- 
stoffmaterial werden die Bedingungen genauer kennen lehren, 
die für die Wirkungsweise der verschiedenen Farbstoffe in Be- 
tracht kommen. 

Niemals ist es mir gelungen, an mit Neutralrot oder Bismarck- 
braun gefärbten Tieren durch nachträgliche Behandlung mit 
Wasserblau oder Trypanblau eine Umfärbung der einmal ge- 
färbten Neutralrotgranula zu erzielen. Auch wenn Trypanblau 
supravital, also in bedeutend stärkerer Konzentration als im 
vitalen Versuche an die mit Neutralrot gefärbten Zellen heran- 
gebracht wird, wird niemals auch nur eine Spur des blauen, 
sauren Farbstoffes in das mit basischem Farbstoff beschickte 
Granulum hineingezogen, Im Gegenteil scheint die durch die 
Anwesenheit des Trypanblau in dem Aussenmedium hervor- 
gerufene stark saure Reaktion das Neutralrot schneller aus 
seinen Granulis herauszuziehen, als dies unter normalen Um- 
ständen beim Absterben der Zellen geschieht, es bildet sich in 
solchen Versuchen sehr rasch eine rötliche Diflusfärbung unter 
Verschwinden der granulären Neutralrotfärbung aus. 


b) Supravitale Versuche an Kaulquappen: die Granulafärbung 
ist ein reaktiver Vorgang. 


Um die feineren Vorgänge bei der Wirkung basischen 
Farbstoffes auf abgelagerten sauren Farbstoff zu beobachten, 
ist es zweckmässig, den basischen Farbstoff supravital anzu- 
wenden, weil die Reaktion die ersten Stadien sehr rasch durcheilt; 
am besten nimmt man die Vorniere aus dem Tiere und setzt 
den basischen Farbstoff erst zu, wenn man eine zur Untersuchung 
geeignete Stelle mit Ölimmersion eingestellt hat. Die Unter- 
suchungen haben uns im wesentlichen zwei Arten des Reaktions- 
ablaufes kennen gelehrt, die allerdings zu dem gleichen Ziel, 
der Ausflockung eines Reaktionsgemisches zwischen saurem und 
basischem Farbstoff führten. 

In dem einen Falle verursacht der Zutritt des basischen 
Farbstoffes eine Fällung am Rande der sauren Granula. Fig. 14, 
Taf. XVI zeigt den Ablauf der Reaktion in den Zellen einer mit 
Wasserblau vital beladenen Urniere, der supravital Neutralrot 


452 Wilhelm von Moellendorff: 


zugesetzt wurde. Bei a ein reines Wasserblaugranulum, bei b 
erste Neutralrotwirkung: Randfällung; die Stelle c zeigt die 
durch Hineindiffundieren des basischen Farbstoffes immer mehr 
zunehmende Umfärbung des sauren Granulums, die schliesslich 
bei d zur völligen Rotfärbung der Granula geführt hat. 

Eine Abweichung von diesem Typus, der, wie man sieht, 
eine völlige Übereinstimmung mit den Stadien einer einfachen 
vitalen Granulafärbung mit Neutralrot aufweist, zeigt die Reaktion 
des Oxydasefarbstoffes auf Granula von Bordeaux (Weiler ter Meer). 
Fig. 15 zeigt bei a die roten Granula von feinsten Fällungs- 
granula umstellt ; durch völlige Erreichung des Neutralpunktes (b) 
ändert sich das Bild, indem unter vollständigem Abblassen des 
Granuluminhaltes die Ausflockung des Neutralproduktes voll- 
ständig wird. 

Ganz ähnliche Bilder bekommt man bei Verwendung stark 
verdünnter Oxydasereagenzien auch an normalen Zellen, wie auch 
z.B. S. Graeff (1912) beobachtet und beschrieben hat. Auch 
er zeigte, dass der Farbstoff an der Oberfläche präformierter 
Granula in feinsten Körnchen abgelagert wird. Er glaubt trotz- 
dem, dass die Oxydasewirkung eine Eigenschaft der Granula sei, 
wenn er sich auch nicht unbedingt für diese Ansicht entscheiden 
kann. Die Möglichkeit, die Oxydasewirkung auch an sauren Farb- 
stoffgranulis zu erzielen, dürfte erweisen, dass der Vorgang der 
Farbstoffbildung unter der Einwirkung der Oxydase abzutrennen 
ist von der Fixation des fertigen Farbstoffes an die Granula. 
Beide Vorgänge sind offenbar an verschiedene Substrate der 
Zelle geknüpft. 

Ähnlich sind die Vorgänge in Fig. 16 und 17, Taf. XV1. 
Besonders lehrreich ist Fig. 16, die die Neutralrotwirkung auf 
ein mit Trypanblaugranulis versehenes Vornierenkanälchen 
darstellt. Von links nach rechts sind hier fast schematisch die 
verschiedenen Stadien der Wirkung des basischen Farbstoffes 
zu erkennen. Bei a, wo noch kein Neutralrot hingekommen 
war, sind noch unvermischte Trypanblaugranula erhalten; das 
erste Stadium der Neutralrotwirkung lässt hier aber Randfällungen 
vermissen; der ganze Inhalt des Granulums wird violett und 
etwas opak,ohne dass eine deutliche Substanzausflockung zunächst 
zu erkennen wäre. Unter immer stärkerem Überwiegen des 
roten Farbstoffes wird bei c der Granulainhalt immer deutlicher 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 4853 


inhomogen, um bei d endlich unter Entfärbung der Lösung aus 
einzelnen rotbraun gefärbten Körnchen zu bestehen. Hier hatte 
der basische Farbstoff schon am längsten Zeit, seine Wirkung zu 
entfalten. 

Ganz ähnlich ist Fig. 17 zu verstehen, die die Wirkung 
von Nilblausulfat auf Neuvitalrotgranula zeigt. Hier ist der 
Vorgang besonders gut zu verfolgen durch die Stadien a, b, c, 
weil die Granula des sauren Farbstoffes in dieser Urniere eine 
bedeutende Grösse erreicht hatten. 

Die beiden geschilderten Typen des Reaktionsverlaufes sind, 
wie mich einige Beobachtungen lehren, nicht prinzipiell ver- 
schieden ; ob die Reaktion nach dem ersten oder dem zweiten 
Typus verläuft, hängt wesentlich von der Konzentration ab, in 
der der basische Farbstoff an den sauren herantritt. Setzten 
wir z.B. dem Präparate einer Wasserblauvorniere vorsichtig 
vom Rande aus Neutralrot zu, so blieb die anfängliche Rand- 
fällung aus, es kam gleich zu einer diffusen Durchfärbung des 
Granuluminhaltes, worauf erst nachträglich der Granulainhalt in 
der Gesamtheit ausflockte. Beschleunigten wir dagen den Farb- 
zutritt durch leichtes Anheben des Deckglases, so traten momentan 
die typischen Randfällungsbilder auf. Die Erklärung für diesen 
Einfluss der Konzentration geben Reagenzglasversuche ab. Nur 
am Neutralpunkt tritt völlige Ausfällung des Neutralproduktes ein. 
Geringer Überschuss des sauren oder des basischen Farbstoffes 
bringt das Neutralprodukt in Lösung; besonders trifft dies zu, 
wenn der eine der Farbstoffe hochkolloidal ist; in unserem Falle ist 
Wasserblau ein grobdisperser Farbstoff. 

Tritt nun an ein Granulum, in dem Wasserblau in relativ 
hoher Konzentration enthalten ist, Neutralrot in schwacher 
Konzentration heran, so wird die geringe Menge des jeweils 
gebildeten Neutralproduktes stets rasch von dem Überschuss des 
sauren Farbstoftes gelöst; erst wenn durch genügenden Zutritt 
des basischen Farbstoffes der Neutralpunkt erreicht ist, wird das 
ganze (sranulum inhomogen, das Neutralprodukt flockt aus. 

Zutritt des basischen Fabstoffes in starker Konzentration 
dagegen verursacht handfällung, wobei nun eine Umfärbung des 
Granuluminhaltes vor vollständiger Ausflockung desselben anzeigt, 
dass die anfängliche Menge des zugetretenen basischen Farb- 
stoffes noch nicht genügt hat, um die ganze Menge des sauren 


484 Wilhelm von Moellendorff: 


Farbstoffes zu kompensieren. Vollständige Randausfällung spricht 
entweder für starke Konzentration des basischen Farbstoftes oder 
für schwache Konzentration des sauren Farbstofies in den Granulis. 
Endlich zeigen die basischen Farbstoffe auch eine verschieden 
starke Fällungskraft. 

Besonders hinweisen möchte ich noch auf das prinzipiell 
gleichartige Verhalten des Oxydasefarbstoffes. 

Die Reaktion wurde nach der v. Gierckeschen Vorschrift 
für die supravitale Methode angestellt.. Ich muss mir versagen, 
an dieser Stelle genauer auf den Ablauf der Oxydasereaktion 
einzugehen, da mich dies zu weit von dem hier behandelten 
Thema abführen würde. 

Die Tatsache, dass die Oxydasereaktion auch an Granulis 
erhalten wird, die sicherlich nicht zu dem normalen Inhalt der 
Zellen gehören, sondern die Lösung eines Fremdstoffes enthalten, 
lehrt. dass wohl zum Zustandekommen der Oxydasefärbung eine 
aktive Granulatätigkeit nicht notwendig ist. In der Färbe- 
wirkung gleicht die Oxydasefärbung einer basischen Vital- oder 
Supravitalfärbung fast völlig. Ich bin mir aber bewusst, dass 
zur Bildung des Farbstoffes gleichwohl eine aktive Tätigkeit des 
(sewebes angenommen werden muss: wird ja doch durch das 
Vorhandensein von Gewebsstücken die Bildung des Farbstofies 
aus seinen Komponenten gegenüber einer einfachen Mischung 
beider Komponenten, die man an der freien Luft stehen lässt, 
erheblich beschleunigt! Die Oxydasewirkung, die zur Bildung 
des Farbstoffes notwendig ist, scheint jedoch, das lehren meine 
Ergebnisse, nicht eine Funktion der färbbaren Granula zu sein, 
sondern vielmehr des aktiven, zwischen den Granulis gelegenen 
Protoplasmas der Zellen. 

Die hier genauer geschilderten Einzelvorgänge bei der 
Reaktion eines basischen Farbstoffes mit granulär im lebenden 
Organismus abgelagertem sauren Farbstoff stimmen so auffallend 
mit den oben insbesondere für Neutralrot genau beobachteten 
Bildern überein, dass ich gleich anfangs geneigt war, aus diesen 
Versuchen auf das Wesen der vitalen Granulafärbung mit 
basischen Farbstoffen Rückschlüsse zu ziehen. Die Reaktion des 
basischen Farbstoffes mit den in der normalen Zelle vorkommenden 
Granulis einerseits, den in der gleichen Zellart erzeugten künst- 
lichen Granulis aus saurem Farbstoff andererseits, hat morpho- 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 485 


logisch betrachtet so viel Übereinstimmendes, dass der Schluss sehr 
nahe liegt, es handle sich in beiden Fällen um identische Vorgänge. 

Die weitere auffallende Übereinstimmung der Kombinations- 
wirkung saurer und basischer Farbstoffe auf die Granula mit 
dem Ausfall der Reagenzglasversuche, in denen saurer mit basi- 
schem Farbstoff zusammengebracht wurde, eine Übereinstimmung, 
auf dieE. Herzfeld zuerst eingehend hingewiesen hat, lassen 
es als sehr wahrscheinlich gelten, dass wir in der Auflagerung des 
basischen Farbstoffes auf den granulär abgelagerten sauren Farb- 
stoff eine Reaktion beider Farbstoffe miteinander zu sehen 
haben, wobei ein „Lebendzustand“ des Granulums oder eine 
besondere vitale Tätigkeit desselben nicht notwendig ist. Der 
ganze Vorgang würde also lediglich die Möglichkeit erweisen, 
dass man innerhalb der lebenden Zelle das Reaktionsprodukt 
zwischen einem sauren und einem basischen Farbstoffe gerade 
so gut wie im Reagenzglase erzeugen kann. 

Die im vorigen Absatze erwähnte Übereinstimmung dieses 
Reaktionsvorganges mit dem Verlaufe der basischen vitalen und 
supravitalen Färbung würde aber unseren Kombinationsversuchen 
bezüglich der Auffassung der Granulasubstanz, wenigstens der- 
jenigen Granula, die der supravitalen und vitalen basischen 
Färbung zugänglich sind, eine grössere Tragweite verleihen. 
Man könnte zum mindesten aus der erwähnten Parallele schliessen, 
dass zum Zustandekommen der Granulafärbung eine besondere 
vitale Tätigkeit der Granula nicht notwendig ist; dass also 
die Möglichkeit der Farbstofispeicherung keineswegs als ein 
spezifisch vitaler Vorgang aufgefasst werden kann, wenigstens nicht 
von seiten der Granula. 

Ehe ich aber mit Sicherheit aus den oben erwähnten Ver- 
suchen diese Schlüsse zog, mussten noch weitere Versuche an- 
gestellt werden, die, wie ich hoffe, den Weg zur Lösung dieser 
vielfach bearbeiteten schwierigen Probleme zeigen. 


V. Supravitale Färbungen an Mäuseorganen: Die 

Färbbarkeit der sauren Farbstofigranula und nor- 

maler Zellgranula durch basische Farbstoffe sind 
analoge Vorgänge. 

Wie oben schon ausgeführt wurde, war besonders in 

den Versuchen mit Kaulquappen nur mit einer Auswahl von 


486 Wilhelm von Moellendorff: 


basischen Farbstoffen eine Granulafärbung zu erzielen; der vitale 
Versuch ist zwar zweifellos für viele Fragen, besonders für die 
Frage der Vitalität des Färbungsbildes, entscheidend; andererseits 
stören, wenn man möglichst rein die Reaktion der Zellgranula 
auf basische Farbstoffe prüfen will, die vitalen Eigenschaften 
der Zelle, an der Spitze die Oxydations- und Reduktionskraft der 
Zellen empfindlich die Beurteilung der Versuche. In viel ge- 
ringerem Maße ist diese Schwierigkeit den supravitalen Ver- 
suchen eigen. Andererseits lehren die zahlreichen Versuche 
früherer Autoren, insbesondere die sorgfältigen Arbeiten Arnolds, 
dass bei den vital wirkenden Farbstoffen durchweg ein ent- 
sprechendes Färbeergebnis auch supravital entstehen kann, 
vorausgesetzt, dass die richtigen Bedingungen hergestellt werden. 
Bei allen diesen Versuchen handelt es sich in erster Linie darum, die 
richtige Konzentration des Farbstoffes anzuwenden, die einerseits 
genügt, um in nicht zu langer Zeit die Granula zu färben, 
andererseits nicht zu stark ist, so dass eine zerstörende Wirkung 
auf das Protoplasma ausgeübt wird. 

Für mich kam es in erster Linie darauf an. zu untersuchen, 
ob bei einer grösseren Reihe von Farbstoffen tatsächlich eine 
Parallele besteht zwischen der Fähigkeit, in der normalen Zelle 
Granula zu färben, und der Fähigkeit, mit saurem Farbstoffe, 
der während des Lebens in den Zellen in granulärer Form ab- 
gelagert worden war, in Reaktion zu treten. Hierzu bedurfte 
es nur der supravitalen Methode, die vor allem beträchtlich viel 
weniger mit Mühe verknüpft ist; so konnte ich zur Erreichung 
ausreichender Ergebnisse mit einer viel kleineren Anzahl von 
Versuchstieren auskommen. 

Zu den Versuchen verwandte ich weisse Mäuse, die ent- 
weder ohne Vorbehandlung sofort nach der Tötung durch Chloroform 
zu supravitalen Färbeversuchen genommen wurden; in anderen 
Fällen wurde der Untersuchung eine ausgiebige Behandlung mit 
sauren Farbstoften vorangeschickt. Die Beobachtungen erstreckten 
sich auf Leber und Niere, beides Organe, in denen erfahrungs- 
gemäss saure Farbstoffe intensiv abgelagert werden. 

Abgesehen von der Untersuchung normaler Mäuse, wurde 
die Färbungstendenz basischer Farbstoffe an Mäusen beobachtet, 
die mit folgenden sauren Farbstoffen vorbehandelt waren: Trypan- 
blau, Wasserblau, Pyrrholblau, Neuvitalrot, Brillantkongo. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 487 


Von allen gut löslichen basischen Farbstoffen wurde eine 
n/10000-Lösung angewandt ; eine Reihe von Farbstoffen löst sich aber 
in Wasser so schlecht, dass sich nicht einmal eine n/1000-Lösung 
herstellen lässt. In diesen Fällen wurde darauf geachtet, dass 
die Farblösung etwa so intensiv gefärbt erschien, wie die übrigen 
Farbstofflösungen. Als Ausgangslösung diente in der Regel eine 
n/100-Lösung, von welcher durch Verdünnen mit 0,96 °/o iger 
Kochsalzlösung die geeignete Versuchskonzentration hergestellt 
wurde. 
Von den verwandten basischen Farbstoffen lieferte 
die Aktien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation, 
Berlin: Kristallviolett 6B Pulver, 

die Badische Anilin- und Soda-Fabrik, Ludwigshafen: 
Irisamin G extra, Rhodamin B extra, 3B extra, S extra, 
Safranin B extra, Viktoriablau B, R, 4 RS, 

die Höchster Farbwerke: Auramin conz., Malachitgrün 
Krist. chem. rein, Rhodamin O, Vesuvin 4BG conz., Methylen- 
grün extra gelbl. O, 

die Farbwerke Durand & Huguenin A.-G.. Basel: Basler 
Blau BB, Chrysoidin R, Muskarin, 

die Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer, Leverkusen: Capriblau 
GON, Diamantfuchsin kl. Krist.. Methylenblau BB, Methyl- 
violett 5B, 

die Firma L. Cassella, Frankfurt a. M.: Indazin M, 

die Firma R. Geigy, Basel: Neublau R, 

die Firma Sandoz, Basel: Prune pure, 

die Firma Kalle & Co.. Biebrich a. Rhein: Rosanilin Base, 

die Firma Fr. Merck, Darmstadt: Thionin (Ehrlich), 

die Firma Leonhardt, Frankfurt a. M.: Acridinrot 3B. 

Den genannten Firmen sage ich auch an dieser Stelle für 
die bereitwillige Überlassung von Proben dieser und vieler anderer 
Farbstoffe zu meinen Versuchen aufrichtigen Dank. Durch 
' Überlassung von Farbstoffproben haben mich ferner folgende 
Firmen zu grossem Danke verpflichtet: die Basler chem. 
Fabriken, Weiler-ter-Meer, Ürdingen. 

Ausserdem wurden von Grübler in Leipzig bezogen: 
Bismarckbraun, Methylenblau rectif.. BX, Neutralrot, Nilblau- 
chlorhydrat, Nilblausulfat, Toluidinblau, 

von Kahlbaum, Berlin: Rhodamin B, Rhodamin G extra. 


488 Wilhelm von Moellendorff: 


Aus der Tabelle auf S. 489, in der die Ergebnisse der 
Versuche bezgl. der Granulafärbung zusammengestellt sind, 
ergibt sich zunächst die bekannte Tatsache, dass nicht alle 
basischen Farbstoffe in gleicher Weise zur Granulafärbung ge- 
eignet sind; die Farbstoffe sind in der Tabelle annähernd nach 
der Güte der Granulafärbung geordnet. Welche Eigenschaften 
der basischen Farbstoffe dieselben zur Granulafärbung befähigen 
näher zu umschreiben, soll Gegenstand einer besonderen Mitteilung 
sein. 

Hier möge nur zum Verständnis der Tabelle auf die Be- 
grifte eingegangen werden, die zur Bezeichnung der Färbeergeb- 
nisse bei den einzelnen Farbstoffen gewählt wurden. 

Die Bezeichnung „fehlt“ wurde dann erteilt, wenn nur 
eine starke Diffusfärbung der Zellen eintrat, die, wenn es über- 
haupt zu einer Granulafärbung kam, jedenfalls so stark war, dass 
die Granulafärbung nicht zum Ausdruck kam. Waren saure 
Farbstoffgranula in den Zellen eingelagert, so war oft zu be- 
obachten, dass der basische Farbstoff die Granula ganz frei liess. 

„Schlecht“ ist die Granulafärbung dann, wenn gleichzeitig 
mit einer Granulafärbung eine beträchtliche Diftusfärbune des 
Protoplasmas eintrat. 

„Mittel“ soll bedeuten, dass wohl gleichzeitig mit der 
Granulafärbung eine diffuse Farbstoffverbreitung auch im übrigen 
Protoplasma sich ausbildete, dass aber die Ditfusfärbung in ihrer 
Stärke gegen die Granulafärbung bedeutend zurücktrat. 

„aute“* Granulafärber sind alle Farbstoffe, die sich in erster 
Linie an Granula anlagern, während eine Diftusfärbung entweder 
längere Zeit ganz ausbleibt, oder nur sehr schwach zum Aus- 
druck kommt. 

Die Einteilung der Farbstoffe ist hier also im wesentlichen 
nach dem Grade der Elektivität einer Granulafärbung erfolgt. 

Als wichtigstes hier in Betracht kommendes Ergebnis der Ver- 
suche betrachte ich, dass in keinem Versuche, in dem statt normaler 
Granula die Granula eines sauren Farbstoffes den Zellen ein- 
gelagert waren, die granulafärbende Eigenschaft eines Farbstoftes 
verschlechtert worden wäre. Ganz ausnahmslos gilt die Regel, 
dass in allen Fällen, wo saure Farbstoffe granulär den Zellen 
eingelagert sind, der basische Farbstoff, sofern er beim normalen 
Tiere granulär färbt, an die Granula des sauren Farbstoffes 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 


489 


Granulafärbung bei 


Basischer 
Farbstoff |normalem| Brillant- | Neuvital- | Trypan- Wasser- | Pyrrhol- 
Tier kongo rot blau blau blau 
| 
Rhodamin © fehlt | fraglich | 
Safranin B | 
extra| fehlt schlecht | ' fraglich 
Rosanilin 
Base| fehlt schlecht | schlecht 
Diamant- | 
fuchsin | fehlt schlecht | schlecht fehlt 
Acridinrot 3B| fehlt schlecht | schlecht | schlecht 
Irisamin G | | 
extra| fraglich | schlecht schlecht | schlecht 
Rhodamin G | | 
extra] fraglich | 
Rhodamin B | schlecht schlecht | schlecht | 
Rhodamin B | 
extra | schlecht | | schlecht | 
Rhodamin 3B | 
extra | schlecht | | 
Chrysoidin R| schlecht | mittel mittel mittel 
Malachitgrün | mittel gut gut gut gut 
Viktoriablau 
4RS| mittel mittel | 
Capriblau G0N| mittel gut 
Indazin M mittel gut gut | 
Auraminconz.| mittel gut eut | gut 
Vesuavin 4BG| mittel gut | 
Methylviolett 
5B| mittel gut gut gut 
Kristallviolt. mittel gut gut gut | 
Viktoriablau | 
B| mittel gut | 
Bismarck- 
braun | mittel gut gut gut 
Neublau R gut gut gut gut 
Muskarin gut gut gut 
Viktoriablau 
R gut gut 
Nilblausulfat gut gut gut 
Methylenblau 
BX gut gut | 
Basler Blau 
BB 1 gut 
Neutralrot gut gut gut gut gut 
Methylenblau 
BB gut gut gut 
Methylengrün 
extra gelbl.O gut gut gut gut | 
Toluidinblau gut gut gut gut 
Nilblauchlor- | 
hydrat gut gut 
Methylenblau 
rectif. gut gut gut 
Thionin gut 


490 Wilhelm von Moellendorff: 


gezogen wird. Diese Beobachtung bestätigt also die Befunde 
Herzfelds und erhebt diese wohl zur allgemeinen Regel. 

Sofern also saure Farbstoffe in einer Gewebszelle Granula 
gebildet haben, wird ein Granula färbender basischer Farbstoff 
zuerst so lange an diesen sauren Farbstoffgranulis verankert, 
bis diese letzteren abgesättigt sind. Erst dann, nach intensiver 
Umfärbung der sauren Farbstoffgranula, kommt es zu einer 
Färbung zelleigner Granula. Auch diese bei anderem Material 
genauer beobachtete Erscheinung bestätigte sich in diesen Ver- 
suchen ausnahmslos. 

Auch bei diesen Versuchen sah ich die mannigfaltigsten 
Bilder während der Reaktion der basischen mit den sauren 
Farbstoffen; teils werden homogen erscheinende Mischgranula 
beobachtet, teils kommt es zu typischen Randfällungen, endlich 
auch zu vollkommener Ausfällung, erkennbar an fast schwarzer 
undurchsichtiger Färbung der Granula. 

Die genaue Betrachtung der Tabelle lehrt noch weiter, dass 
die basischen Farbstoffe in ihrer Tendenz, sich an Zellgranula 
zu lagern, zumeist verstärkt werden, wenn die Zellgranula aus 
saurer Farbstoftlösung bestehen. Besonders kommt diese Tatsache 
zum Ausdruck bei den schlechten Granulafärbern (Rhodamin OÖ 
bis Chrysoidin R in der Tabelle S. 489). Auch die Farbstoffe 
Malachitgrün bis Bismarckbraun, beim normalen Tiere mittelgute 
Granulafärber, sind für saure Farbstoffgranula ausgezeichnete 
Färber: die Granulafärbung eilt in diesen Fällen der Diftusfärbung 
viel rascher voraus als bei den zelleigenen Granulis eines mit 
sauren Farbstoften nicht behandelten Tieres. 


VI Schluss: 


Für die vitale Färbung mit basischen Farbstoffen 

ist nur die chemische oder kolloidchemische Struktur 

der Granula massgebend, keine besondere vitale 
Tätigkeit derselben. 


Fasse ich kurz das mir wesentlich Erscheinende an diesen 
Versuchen zusammen, so komme ich zu folgenden Schlüssen : 
1. Es besteht eine ausnahmslose Parallelität zwischen 
der Färbbarkeit normaler, in tierischen Zellen vorkommender 
Granula mit solchen, die durch den Eintritt saurer Farb- 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 491 


stoffe in die Zellen gebildet werden, wenn man zur Färbung 
basische Farbstoffe anwendet. 2. Die feineren Vorgänge zur 
Zeit der Färbung sind bei zelleigenen und sauren Farbstoff- 
granulis identisch und bestehen in allmählicher Zumischung des 
basischen Farbstoffes zu der Granulumsubstanz bis zur Absätti- 
gung, wobei je nach der angewandten Konzentration der Farb- 
stoffe mehr oder weniger deutliche Fällungsbilder erhalten werden. 
3. Vergleicht man die Färbungsergebnisse, die man mit einer 
grösseren Reihe basischer Farbstoffe an zelleigenen Granulis 
einerseits, an sauren Farbstoffgranulis andererseits erhält, so 
ordnen sich die Farbstoffe in gleicher Reihenfolge. 

Es ergibt sich also, dass die durch basische Farbstoffe vital 
und supravital färbbaren Granula den künstlich durch Eingabe 
saurer Farbstoffe erzeugbaren Granulis analoge Bildungen sind. 

Nimmt man weiter an, dass die sauren Farbstoffe abgelagert 
werden, ohne dass hierzu besondere präformierte Granula in 
Betracht kommen, eine Annahme, die m. E. so gut wie sicher 
ist —, so muss notgedrungen nach den Ergebnissen meiner neuen 
Versuche zugegeben werden, dass die durch die basische 
Vital- und Supravitalfärbung dargestellten Granula 
passive eingelagerte Substanzen sind, denen beson- 
dere aktive Eigenschaften für die Funktionen der 
Zellen nicht zugesprochen werden können. 

Dieses Ergebnis deckt sich dem Sinne nach fast vollständig 
mit der von Evans und Schulemann (1915) ausgesprochenen 
Vermutung, dass die sauren Farbstoffgranula gewissen Zell- 
granulationen analog zu betrachten seien. Nur halte ich diese 
Vermutung nunmehr für experimentell erwiesen. Gleichzeitig 
muss ich aber, um Verwirrungen von vornherein vorzubeugen, 
mit aller Entschiedenheit darauf hinweisen, dass von Chondrio- 
somen (d. i. plastosomalen Substanzen) in diesem Zusammenhang 
keine Rede sein kann. Die Plastosomen halte ich mit der Mehr- 
zahl der Autoren (siehe Duesbergs Referat) für der Zelle wesent- 
liche konstante Bildungen, die die Fähigkeit einer Farbstoff- 
speicherung nur ausnahmsweise zu besitzen scheinen. 

Wenigstens kann dies mit Bestimmtheit für die hier ge- 
nauer untersuchten Zellen der Leber und der Niere gesagt 
werden. In den Hauptstücken der Niere, in denen typische 
Chondriokonten (die Heidenhainschen Stäbchen) schon im 


492 Wilhelm von Moellendorff: 


frischen Präparate leicht zu erkennen sind, geht der basische 
Farbstoff nie an diese Bildungen, so lange wenigstens eine 
postmortale Veränderung auszuschliessen ist; Arnold beschreibt 
allerdings eine stäbchenartige blasse Färbung mit Methylenblau, 
die aber der Granulafärbung erst langsam nachfolgte. Dass auch 
die sauren Farbstoffe trotz der bestimmten Versicherung von 
Gross, Aschoff und seiner Schule nicht von den Stäbchen 
gespeichert werden, glaube ich in meiner Nierenarbeit ausreichend 
nachgewiesen zu haben, besonders durch die gleichzeitige Dar- 
stellung der Farbstoffgranula und der Stäbchen im Altmann- 
präparat. Eine Kontrolle der durch Vitalfärbung erhaltenen 
Bilder durch gleichzeitige typische Darstellung der plastosomalen 
Gebilde sollte in allen den Fällen unternommen werden, wo eine 
Identität der vitalfärbbaren Granula mit Plastosomen ausge- 
sprochen werden soll. 

Worauf die Färbungen der Stäbchen in den Nierenzellen 
und anderer Plastosomen mit Januserün (Laguesse 1912u.a.) 
beruht, vermag ich mangels eigener Erfahrungen nicht anzugeben. 

Es ist eine mich ausreichend befriedigende Anschauung, 
anzunehmen, dass im normalen Zellenleben, als Begleiterscheinung 
des Stoffwechsels, eine wechselnde Ablagerung von Substanzen 
in granulärer Form statthat: wir können nach den Farbstoff- 
versuchen darauf schliessen, dass diese Substanzen offenbar einen 
Dispersitätsgrad besitzen müssen, der dem der zur Ablagerung 
befähigten sauren Farbstoffe annähernd entspricht. Ferner 
können wir nach dem Verhalten dieser granulär abge- 
lagerten Substanzen zu basischen Farbstoffen annehmen. dass 
es sich um saure Substanzen handelt. Die ihnen eigentüm- 
liche Azidität kann nicht sehr gross sein, jedenfalls ist sie wohl 
geringer als die der zu meinen Versuchen verwandten sauren 
Farbstoffe, da die Granulafärbung bei allen diesen sauren Farb- 
stoffen gegenüber der normalen Granulafärbung durch basische 
Farbstoffe wesentlich verstärkt wurde. 

In der Tabelle S. 489 sind bzgl. der Granulafärbung nur 
graduelle Unterschiede, nicht prinzipielle Besonderheiten 
der Färbung vermerkt. In der Tat konnte ich bei meinem Material 
prinzipielle Verschiedenheiten (Färbung verschiedener Granulaarten 
durch verschiedene Farbstoffe usw.) nicht beobachten. Im lebenden 
Organismus scheinen dagegen solche spezifische Affinitäten vor- 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 495 
zukommen. Ich erinnere z. B. daran, dass Amphibienlarven aus 
einem Gemische von Neutralrot und Methylenblau den ersten 
Farbstoff in Granulis fast sämtlicher Hautzellen speichern, 
während Methylenblau von den Granulis einer bestimmten Zellart 
immer wieder bevorzugt wird (A. Fischel 1901). Dies Ver- 
halten scheint ohne weiteres nicht erklärlich, ausser wenn man 
chemische besondere Affinitäten anzunehmen geneigt ist. Solchen 
müsste aber genauer nachgegangen werden. Unmöglich wäre 
diese Auffassung nicht, wenn auch meine weiteren Arbeiten, 
über die in dem folgenden Artikel berichtet werden soll, gezeigt 
haben, dass anscheinend nur der Grad der Fällungskraft des 
basischen Farbstoffes für den Ausfall der Granulafärbung be- 
deutungsvoll ist. Es wäre jedenfalls nunmehr, nachdem ein ge- 
nügender Anhalt für die Auffassung der Granulafärbung als 
eines Reaktionsvorganges gewonnen ist, systematisch den „spezi- 
fischen Affinitäten“ nachzugehen. Nach den Anschauungen, die 
ich mir nach den später zu schildernden Versuchen zu bilden 
gezwungen war, neige ich dazu, die „spezifischen Affinitäten“ 
auf den Einfluss des Milieus zurückzuführen, das die Granula 
umgibt. Es ist sehr wohl denkbar, dass Methylenblau vital nur 
da färbt, wo dieser sehr leicht entfärbbare Farbstoff sich halten 
kann; es ist weiter gut vorstellbar, dass verschiedene Zellproto- 
plasmen in verschiedenem Grade befähigt sind, den eindringenden 
Farbstoff zu entfärben. Der Farbstoff könnte also sehr wohl an 
und für sich eine stärkere Affinität zu sämtlichen Zellgranulis 
besitzen als Neutralrot, lässt nur die Granula der meisten Zellen 
ungefärbt, weil er beim Eintritt in diese Zellen sofort entfärbt 
wird. Neutralrot, der viel beständigere Farbstoff entfaltet da- 
gegen ungestört seine Granulafärbung, ohne in nennenswerter 
Weise reduziert zu werden. Es wäre also immerhin denkbar, 
dass die Erklärung für scheinbare Spezifitäten in der an- 
gedeuteten Weise ausfallen müsste. Diese Besonderheiten be- 
dürfen aber noch genauer Untersuchung. 

Ganz kurz hindeuten möchte ich an dieser Stelle auch auf 
das vielfach erörterte Verhalten der oft metachromatisch färbenden 
Substanzen. Ein konkretes Beispiel bietet Neutralrot, das wie 
schon oft hervorgehoben worden ist, die Granula in allen Tönen 
von gelbrot bis violettrot färbt. Zweifellos lässt dies Verhalten, 


wie auch schon Ehrlich hervorhob, einen Schluss auf den 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.%. Abt.I. 33 


494 Wilhelm von Moellendorff: 


wechselnden Reaktionszustand der färbbaren Zellorte zu. Das 
erwähnte Verhalten des Neutralrot steht aber nicht im Wider- 
spruch zu der Ansicht, dass bei der Granulafärbung ein Reaktions- 
vorgang abläuft. 

Ich habe schon angedeutet, dass die Vereinigung des 
basischen mit dem sauren Farbstoff im Reagenzglas vollständig 
nachgeahmt werden kann. Es ist noch nicht entschieden, ob bei 
dieser Verbindung eine Salzbildung statthat, oder ob eine kolloid- 
chemische gegenseitige Fällung der ganzen Farbstoffe anzunehmen 
ist. Von dem Ergebnis der Erforschung der Reaktionsweise von 
Farbstoffen entgegengesetzter Ladung untereinander wird es 
abhängen, welche Vorstellung wir uns von dem Vorgang 
der Granulafärbung machen sollen. Tritt Lackbildung ein 
(M. Heidenhain), so müsste die freie Farbstoffbase mit der 
Granulasubstanz eine neue Verbindung eingehen, die dann in 
der Regel die gleiche Farbe aufweist, wie das zum Versuche 
verwandte Farbstoftsalz. Die z. B. bei Neutralrot so wechselnde 
Tönung der gefärbten Granula würde in diesem Falle einem 
wechselnden Grade von Ionisation der neuen Verbindung innerhalb 
des Granulums entsprechen; durch Anwesenheit von Alkali 
würde die Dissoziation unter Freiwerden der Farbstoffbase be- 
günstigt werden, wodurch der Farbton nach Gelbbraun ver- 
schoben würde. Die Blaurotfärbung würde einer geringeren 
Dissoziation entsprechen, die in schwach saurer Lösung der 
Granulafarbverbindung anzunehmen wäre. Zu dieser Erklärung 
stimmen die Ergebnisse meiner Versuche sehr gut. Aber auch 
bei Annahme einer Kolloidfällung würden sich der Erklärung 
keine nennenswerten Schwierigkeiten in den Weg stellen. 

Man muss sich vorstellen, daß die Reaktion. d.h. ein 
stärkerer oder schwächerer Grad der Dissoziation des Farbsalzes, 
bei der Färbung eine grosse Rolle spielen wird. Darauf lassen 
besonders auch schon vorhandene Untersuchungen (Brodersen 
1914, A.Bethe 1906 u.a.) schliessen, die den grossen Einfluss 
eines minimalen Säure- oder Alkalizusatzes auf Färbungen dar- 
taten. Diese Untersuchungen müssten systematisch fortgeführt 
werden und würden einen guten Prüfstein für die Richtigkeit 
meiner Anschauungen abgeben. 

Aus der Tatsache, dass es mit allen untersuchten basischen 
Farbstoffen, die für sich allein gewisse Granula in den Nieren- 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 495 


zellen färben, gelang, vital in den Zellen eingelagerte saure 
Farbstoffgranula zu überfärben, dass weiterhin eine ausnahms- 
lose Parallelität zwischen der Fähigkeit, normale Granula und 
saure Farbstoffgranula zu färben, bei allen untersuchten basischen 
Farbstoften verschiedenartigster Konstitution gefunden wurde, 
halte ich mich für berechtigt, diese Kategorie von Granula für 
inaktive Elemente der Zelle zn halten. 

Ob diese Auffassung für alle wirklich vital, d.h. ohne 
wesentliche Beeinträchtigung des Zellenlebens färbbaren Granula 
durchgeführt werden kann, ist noch nicht klar zu entscheiden. 
Dass die von Fischel (1900) angeführten Gründe für eine 
aktive Bedeutung der von ihm bei Amphibienlarven gefärbten 
Granula nicht ausreichen, habe ich bereits oben (S. 470) dar- 
gelegt und ist auch schon von anderer Seite hervorgehoben worden 
(s. M. Heidenhain 1911). Ich kann es mir hier umso mehr ver- 
sagen, auf alle so sehr verschiedenartigen Deutungen, die die ba- 
sisch färbbaren Granula von den verschiedenen Untersuchern er- 
fahren haben, einzugehen, als ich demnächst in einem umfassenden 
Referat über das gesamte Gebiet der vitalen Färbung (Merkel 
und Bonnets Ergebnisse) ausführlich auf diese Fragen eingehe. 

Von der Mehrzahl der heutigen Forscher als funktionell 
wichtig angesehene Strukturelemente der Zelle, Zellkern, Zentro- 
soma, Baselkörperchen der Zilien, Plastosomen färben sich nicht vital. 

Beobachtungen über vitale Zellkernfärbungen sind zahlreich 
in der Literatur zu finden, ich halte es für möglich, dass bei 
Protozoen (Brandt, Przesmycki, Prowazek u.a.) und bei 
manchen Pflanzen (Campbell u.a.) mit einer Reihe von Farb- 
stoffen Kernfärbungen zu erzielen sind, ohne dass komplizierte 
Verrichtungen der Zellen (Kernteilung, Körnchenströmung usw.) 
sofort unmöglich gemacht werden. In diesen Fällen aber handelt 
es sich, wie Fischel sehr richtig hervorhebt, stets nur um 
eine difiuse Durchtränkung, also Lösung des Farbstoffes im 
Kernsaft in schwacher Konzentration. Ausserdem ist nicht aus- 
zuschliesen, ob trotz scheinbar normalen Ablaufes der Lebens- 
erscheinungen nicht doch Störungen, für uns nur unsichtbar, in 
der Zelle Platz gegriffen haben. 

Die bei höheren Organismen gefundenen Kernfärbungen im 
lebenden Tiere betreffen dagegen stets, wie man heute sicher 


weiss, grob geschädigte oder gar abgestorbene Zellen. 
33* 


496 Wilhelm von Moellendorff: 


Über eine vitale Färbung von Zentrosomen habe ich in der 
Literatur bisher keine Angabe gefunden. 

Vitale Färbungen der Basalkörnchen der Zilien sind an 
Protozoen (Puetter u. a.) und an den Wimperzelien von 
Metazoen (R. Krause) beobachtet worden. Über die Bedeutung 
des ersteren Befundes steht mir kein Urteil zu, in den Versuchen 
an Metazoenzellen handelt es sich aber sicherlich um eine Färbung 
absterbender Zellen, bei denen allerdings der Geisselschlag noch 
eine Zeitlang erhalten bleibt. 

Was endlich die Plastosomen anlangt, so scheint mir aus 
den vorhandenen Mitteilungen tatsächlich hervorzugehen, dass 
besonders mit Janusgrün solche Gebilde in der unfixierten Zelle 
dargestellt worden sind. Seit Michaelis, der zuerst mit diesem 
Farbstoff die Plastosomen in Speicheldrüsenzellen darstellte. sind 
bis in die neueste Zeit an den verschiedensten Zellen (Knorpel-. 
Samen-, Drüsenzellen usw., worüber genauere Angaben in meinem 
Referat) Strukturen mit Janusgrün gefärbt worden, die mit den 
Plastosomen in Gestalt und Anordnung so grosse Ähnlichkeit 
haben, dass man kaum umhin kann, die Identität beider Bildungen 
zuzugeben. So viel mir bekannt, ist diese Färbung bisher noch 
nicht im lebenden Organismus erzielt worden ; Michaelis zeigte 
ja auch, dass Janusgrün im lebenden Organismus zum grossen 
Teil zerstört wird. Auffällig ist auch die lange Dauer bis 
zum Eintritt der Plastosomenfärbung im supravitalen Versuche 
(30—40 Minuten). Da ich selbst bisher über ausgedehntere 
Erfahrungen mit diesem Farbstoffe nicht verfüge, vermag ich 
ein bindendes Urteil über diese Vorgänge nicht abzugeben. Ich 
glaube aber, dass die Färbung in jedem Falle die absterbende 
Zelle betrifft und vermutlich auf anderen Vorgängen beruht 
als die in Rede stehenden Färbungen mit dem von mir ver- 
wandten basischen Farbstoffe. 

Einige kurze Bemerkungen noch zu dem Arnoldschen 
Begriffe Plasmosomen: Arnold glaubt, dass die mit Neutralrot 
und Methylenblau von ihm vital gefärbten Granula umgewandelte 
Plasmosomen seien, also kleinste Strukturelemente der Zellen zur 
Grundlage haben, die besonders deutlich durch ihre Verbindung 
mit Stoffwechselprodukten der Zellen, auch von aussen den Zellen 
zugeführten Substanzen wie Fett, Eisen usw. in Erscheinung 
treten. Ob tatsächlich für diese Strukturen eine solche Grund- 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 497 


lage angenommen werden muss, ist äusserst schwer zu ent- 
scheiden. Was aber die für die Arnoldschen Gebilde charak- 
teristischen Erscheinungen anlangt, aus denen gerade auf Ihre 
Bedeutung als eines für das Zellenleben wichtigen und unent- 
behrlichen Strukturelementes geschlossen wurde, so geht aus 
meinen Untersuchungen wohl mit Sicherheit hervor, dass zum 
Zustandekommen der vitalen Färbbarkeit eine aktive Tätigkeit 
der Granula nicht angenommen zu werden braucht. Denn erstens 
laufen die gleichen Erscheinungen wie an diesen Granulis auch 
an Tröpfehen einer sauren Farbstofflösung ab, die vital in die 
Zellen eingelagert wurde; und zweitens kann man die Erschei- 
nungen, die sich zwischen saurem und basischem Farbstoff 
innerhalb der Zellen abspielen, im Reagenzglas völlig nachahmen 
und aus physikalisch-chemischen Beziehungen zwischen diesen 
beiden Substanzen erklären. Der weitere Schluss, dass zum 
Zustandekommen der basischen Vitalfärbung nur die Existenz 
eines reaktionsfähigen Stoffes in den Granulis erforderlich sei, 
ist demnach wohl berechtigt. 

Nach diesen Darlegungen könnte es scheinen, als wenn die 
Vitalität der Zellen bei dem Zustandekommen der besagten 
Färbungsserscheinungen überhaupt keine Rolle spielte. Dies 
wäre aber ein Schluss, der mit den allgemeinen Erfahrungen 
in keiner Weise in Einklang zu bringen wäre. Diese Art der 
Granulafärbung ist zweifellos für die lebende Zelle charakte- 
ristisch und ist nicht mehr zu beobachten, wenn die Zelle ab- 
gestorben ist. Die Grenze, wo für diesen Fall das Leben der Zelle 
aufhört, ihr Tod beginnt, ist naturgemäss sehr schwer zu defi- 
nieren. 

Ich finde ein gutes Beispiel, wie man sich den Einfluss des 
Lebenszustandes der Zellen auf den Ausfall der Granulafärbung 
vorstellen kann, in den Versuchen über die Färbbarkeit phago- 
zytierter Massen, die zuerst von Hofer (1890) mit Erfolg be- 
gonnen, später von Plato weiter ausgebaut wurden. Ersterer 
beobachtete, dass abgestorbene Infusorien sich mit Bismarck- 
braun nur ganz hellgelb färben, nach ihrer Aufnahme in den 
Amöbenkörper aber intensiv färbbar werden ; aus diesen Be- 
funden geht deutlich hervor, dass das lebende Protoplasma es 
ist, das durch die Produktion einer den Nahrungskörper durch- 
dringenden (nach unseren jetzigen Erfahrungen sauren) Substanz 


498 Wilhelm von Moellendorff: 


dem Infusor die Färbbarkeit verleiht. Der gleiche Schluss lässt 
sich aus Platos Versuchen über die Färbbarkeit intra- und 
extrazellulärer Gonococcen mit Neutralrot ziehen. 

Ebenso wie hier die Fähigkeit des Protoplasmas erwiesen 
ist, intrazellulär saure Substanzen abzuscheiden, so liegt die 
Annahme nahe, dass auch ohne das Vorhandensein eines phago- 
zytierten Fremdkörpers eine intrazelluläre Abscheidung saurer 
Substanzen (Eiweisse, Fettsäuren) möglich ist. Dass alle färb- 
baren Granula phagozytierte Massen seien, braucht und kann 
man nicht annehmen. 

Noch in vielen anderen Beziehungen wirkt der Lebens- 
zustand der Zelle auf das Ergebnis der Farbstoffreaktion ein. Die 
vielfach beobachteten Anzeichen von reduzierenden und oxydieren- 
den Eigenschaften des Zellenprotoplasmas stehen unter diesen 
Eigenschaften ebenan; sie stören am meisten die Beurteilung der für 
einen Farbstoff typischen Reaktionsweise mit bestimmten Zell- 
bestandteilen. In einer weiteren, fast abgeschlossenen Mitteilung 
werde ich darzulegen haben, dass neben diesen zum Teil noch 
kaum exakt fassbaren Eigentümlichkeiten des lebenden Proto- 
plasmas, auch bestimmte physikalische Zustände des zwischen 
den Granulis gelegenen Protoplasmas von bestimmendem Einfluss 
auf das Ergebnis der Granulafärbung sind. Besonders der Gehalt 
an Lipoiden in demselben ist von grosser Bedeutung. Diese 
später genauer zu erörternden Beziehungen und die in der vor- 
liegenden Mitteilung niedergelegten Beobachtungen über den 
Mechanismus der Granulafärbung lassen es schon heute als sicher 
erscheinen, dass die Granulafärbung mit basischen Farbstoften von 
seiten der Granula ein passiver Vorgang ist. Nur die chemische 
Struktur der Granula ist von ausschlaggebender Bedeutung. 

Aktiv eingreifen kann in den physikalisch-chemischen Vor- 
gang der Färbung nur das intergranuläre Protoplasma dadurch, 
dass es den Farbstoff zerstört. Daneben machen sich von seiten des 
intergranulären Protoplasmas Einflüsse geltend, die ihre Ursache 
in der physikalischen Zusammensetzung des Protoplasmas haben. 

Nicht die Granula also sind es, die als Träger des Stoff- 
wechsels in der Zelle zu betrachten sind, sondern das inter- 
granuläre Protoplasma. In diesem spielen sich alle wichtigen 
Vorgänge des Zellenlebens ab. Welche Rolle hierbei den Plasto- 
somen zukommt, muss unentschieden bleiben. 


10. 


11. 


12, 
13. 


14. 


15. 


16. 


17. 


18. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 499 
Literaturverzeichnis. 


Arnold, J., 1914: Über Plasmastrukturen, Jena, G. Fischer (darin 
ausführliche Literaturangaben). 

Aschoff, L. 1912: Zur Morphologie der Nierensekretion unter normalen 
und pathologischen Bedingungen, nach Untersuchungen von Dr. Suzuki. 
Zentralbl. allg. Pathol. u. pathol. Anat. 23. 

Bethe. A. 1905: Die Einwirkung von Säure und Alkalien auf die 
Färbung und Färbbarkeit tierischer Gewebe. Hofmeisters Beiträge 6, 
399— 425. 

Brandt, (C., 1881: Färbung lebender einzelliger Organismen. Biol. 
Zentralbl. 1. 

Brodersen, 1915: Beobachtungen an der ÖOssifikationsgrenze des 
Knorpels, II. Anat. Anz. 47, 577—59. 

Campbell, Douglas, H., 18837: The Staining of living Nuclei. 
Unters. aus d. botan. Institut Tübingen, Bd. II. 

Duesberg, J., 1912: Plastosomen, „Apparato reticolare interno“ und 
Chromidialapparat. Merkel u. Bonnets Ergebnisse d. Anat. und Ent- 
wickelungsgesch. 20, 567—916. 

Evans, H.M. und Schulemann, W., 1915: Über Natur und Genese 
der durch saure Farbstoffe entstehenden Vitalfärbungsgranula. Fol. 
haemat. Arch. 19, 207—219. 


. Evans, H. M., Schulemann, W. und Wilborn, F., 1913: Die vitale 


Färbung mit sauren Farbstoffen. Jahresber. schles. Gesellsch. vaterl. 
Kultur 1913. 

Dieselben, 1914: Die vitale Färbung mit sauren Farbstoffen in ihrer 
Bedeutung für pharmakologische Probleme. Deutsch. Med. Wochenschr. 
1914, Nr. 30 

Fischel, A., 1901: Untersuchungen über vitale Färbung. Anat. Hefte, 
Bd. 16, 417—519. 

Derselbe, 1910: Vitale Färbung in Enzyclop. der mikr. Technik, II. Aufl. 
Goldmann, E. 1909: Die äussere und innere Sekretion des gesunden 
Organismus im Lichte der vitalen Färbung. Tübingen, Laupp. 
Derselbe, 1912: Neue Untersuchungen über die äussere und innere 
Sekretion des gesunden und kranken Organismus im Lichte der „vitalen“ 
Färbung. Tübingen, Laupp. 

Derselbe, 1913: Vitalfärbung und Zentralnervensystem. Abh. d. Kgl. 
Preuss. Akad. d. Wissensch. 1913, Physik.-Mathem. Kl. 

Giercke, E. von, 1911: Die oxydierenden Zellfermente. Münch. Med. 
Wochenschr. 1911, Nr. 44. 

Graaff, S., 1912: Die Naphtholblau-Oxydasereaktion der Gewebszellen 
nach Untersuchungen am unfixierten Präparat. Frankf. Zeitschr. f. 
Pathol. II, 358—384. 

Gross, W., 1911: Experimentelle Untersuchungen über die Zusammen- 
hänge zwischen histologischen Veränderungen und Funktionsstörungen 
der Niere. Zieglers Beitr. 51, 528-576. 


500 


19. 


38. 


39. 


Wilhelm von Moellendorff: 


Derselbe, 1914: Über den Zusammenhang zwischen Farbstoffausscheidung 
und vitaler Färbung der Nieren. Verh. d. Deutsch. path. Ges. in Zentralbl. 
Pathol. Nr. 9. 

Heidenhain, M., 1911: Plasma und Zelle II v. Bardeleben, Handb. 
d. Anat. 8, 434—487. 


. Herzfeld, E., 1917: Über die Natur der am lebenden Tiere erhaltenen 


granulären Färbungen bei Verwendung basischer und saurer Farbstoffe. 
Anat. Hefte, Bd. 54, 447—523. 


. Hoeber, R. und Königsberg, 1905: Farbstoffausscheidung durch 


die Nieren. Pflüg. Arch. 108, 323. 
Hofer, Br., 1890, Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss 
des Kernes auf das Protoplasma. Jen. Zeitschr. f. Naturw. 24. 105—175. 


. Hofmann, P., 1914: Vitale Färbung embryonaler Zellen in Gewebs- 


kulturen. Fol. haemat. 18, 136-139. 

Krause, R., 1904: Gibt es eine „vitale* Färbung? Anat. Anz. 24, 
400 —403. 

Laguesse, E., 1912: Methode de coloration vitale des chondriosomes 
par le vert Janus, Compt. rend. Soc. Biol. Paris 73, 150—153. 


. Michaelis, L., 1900: Die vitale Färbung, eine Darstellungsmethode 


der Zellgranula. Arch. mikr. Anat. 55, 558—575. 

Möllendorff, Wilh. von, 1914: Vitalfärbung mit sauren Farbstoffen 
und ihre Abhängigkeit vom Lösungszustande der Farbstoffe. Deutsch. 
Med. Wochenschr. 1914, Nr. 41. 

Derselbe, 1915: Die Dispersität der Farbstoffe, ihre Beziehungen zu 
Ausscheidung und Speicherung in der Niere. Anat. Hefte, Bd.53, 81 —324. 
Derselbe, 1916: Die Speicherung saurer Farben im Tierkörper, ein physi- 
kalischer Vorgang. Kolloid-Zeitschr. 18, 81—90. 


. Derselbe, 1913: Über Vitalfärbung der Granula in den Schleimzellen des 


Säugetierdarmes. Anat. Anz. Ergänzungsheft z. Bd. 42, 117—123. 
Pappenheim, A. und Nakano, 1912: Beiträge über Beziehungen 
zwischen Vitalfärbung, Supravitalfärbung und Oxydasereaktion. Fol. 
haemat. 14. 


. Pfeffer, W., 1886: Über Aufnahme von Anilinfarben in lebenden 


Zellen. Unters. bot. Inst. Tübingen 2, 179—332. 


. Prowazek, S. von, 1898: Vitalfärbung mit Neutralrot an Protozoen, 


Zeitschr. wissenschaftl. Zool. 63. 


. Przesmycki, 1897: Über die intravitale Färbung des Kernes und 


des Protoplasmas. Biol. Zentralbl. 17, 321—335 und 353—364. 


. Puetter, A., 1900: Studien über Thigmotaxis bei Protisten, Arch. 


Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. 1900, Suppl. 


. Plato, J., 1900: Über die „vitale“ Färbbarkeit der Phagozyten des 


Menschen und der Säugetiere mit Neutralrot. Arch. mikr. Anat. 56, 
868— 914. 
Ruhland, W., 1912: Studien über die Aufnahme von Kolloiden durch 
die pflanzliche Plasmahaut. Jahrb. wiss. Bot. 51, 376—431. 
Schulemann, W., 1914: Über Metachromasie bei Vitalfarbstoffen. 
Diss. med. Breslau 1914, 31 S. 


Zur Morphologie der vitalen Granulafärbung. 501 


40. Schultze, O., 1887: Die vitale Methylenblaureaktion der Zellgranula. 
Anat. Anz. 2, 684— 688. 

41. Suzuki, T., 1912: Zur Morphologie der Nierensekretion unter physio- 
logischen und pathologischen Bedingungen. Jena, G. Fischer, 244 8. 

42. Tschaschin, $., 1912: Über vitale Färbung der Chondriosomen in 
Bindegewebszellen mit Pyrrholblau. Fol. haem. 14, Archiv. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XVl. 


Sämtliche Abbildungen sind nach frischen, unfixierten Präparaten mit 

Zeiss Apochr. Imm. 2 mm und Komp.-Ok. 4 gezeichnet; die Vergrösserung 

betrug 920. Material: verschieden alte Quappen von Rana temporaria und 

esculenta. 

Fig. 1. Zwei Zellen eines Vornierenkanälchens; die Quappe hat ca. 4 Wochen 
in einer Trypanblaulösung (1:10000), darauf 2 Tage in einer 
Vitalneurotlösung (1:5000) gelebt. Ablagerung rein hellroter 
Granula neben den alten, dunklen Trypanblaugranulis. 

Fig. 2 und 3. Zellen aus der Wand eines Urnierenkanälchens ; Fig. 2 mit 
homogenen Granulis nach viertägigem, Fig. 3 nach sechstägigem 
Aufenthalt in einer Lösung von Wasserblau (1:5000); bei Fig. 3 
Kolloidausflockung. 

Fig. 4 Zwei Zellen einer frisch aus der Gallerthülle geschlüpften Quappe, 
die sich in Neutralrotlösung entwickelt hatte; neben feinen Pigment- 
körnchen verschieden stark homogen durchgefärbte Dotterplättchen. 

Fig. 5. Zelle aus dem 2. Abschnitt eines Vornierenkanälchens einer etwas 
älteren Quappe (mit eben sichtbaren äusseren Kiemen), die sich 
in verdünnter Neutralrotlösung entwickelt hatte. Dotterplättchen 
mit Randkappen, die viel intensiver gefärbt sind als die übrige 
Masse des Plättchens; Zerfallserscheinungen an den Dotterplättchen. 

Fig. 6 und 7. Zellen aus dem Glaskörper aus demselben Tier wie Fig. 5; 
Fig. 6 zeigt neben zerfallenden Dotterplättchen Granula, Fig. 7 
nur noch Granula. 

Fig. 8.  Vorniere einer ca. 12 mm langen Kaulquappe, Neutralrot 1: 300000, 
24 Std.; kranzförmige Anordnung der Neutralrotgranula um präfor- 
mierte Granula der Zellen; bei b eine Granulagruppe stärker ver- 
grössert. 

Fig. 9. Vorniere einer Kaulquappe gleichen Alters wie Fig. 8, Neutralrot 
1:30000, */s Std.; neben Bildungen wie in Fig.8 beginnende 
Durchfärbung der präformierten Granula. 

Fig. 10. Vorniere einer älteren Kaulquappe nach ca. vierwöchentlichem 
5 Aufenthalt in einer Trypanblaulösung 1:10000; Kranzförmige An- 
ordnung von Pigmentgranula um die Trypanblaugranula. 

Fig. 11. Vorniere einer Trypanblaukaulguappe wie in Fig. 10 nach ein- 
stündigem Aufenthalt des Tieres in einer Lösung von Neutralrot 
1:30000; sämtliche Trypanblaugranula sind zu violetten Massen 
ausgefällt. 


502 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


12. 


13. 


14. 


16. 


Wilhelm von Moellendorff: 


Vorniere einer Trypanblauquappe wie in Fig. 10 nach vierstündigem 
Aufenthalt in einer Lösung von Neutralrot 1:30000; nach Aus- 
fällung sämtlicher Trypanblaugranula sind zahlreiche andere Zell- 
granula durch Neutralrot gefärbt. 

Urniere einer älteren Kaulquappe ; dieselbe war nach zweistündigem 
Aufenthalt in Neutralrot (1:30000) in reines Wasser für 24 Stunden 
übertragen worden, worauf sie noch 4 Tage in Wasserblau (1 :5000) 
lebend gehalten wurde. Neben den Überresten der anfänglich 
starken Neutralrotfärbung sind die Wasserblaugranula entstanden, 
ohne dass beide Farbstoffe in den Granulis miteinander reagiert 
hätten. 

Zellen“aus einer mit Wasserblau vital beladenen Urniere; bei a 
reines Wasserblau-Granulum; b bis d verschiedene Stadien der 
Umfärbung nach Zusatz von Neutralrot (supravital); bei b erste 
Wirkung-Randfällung, bei ce beginnende Umfärbung des Granulum- 
inhaltes, bei d vollkommene Rotfärbung der Wasserblaugranula. 
Alle Stadien der Farbwirkung rühren von der gleichen Urniere her. 
Urnierenzellen mit vitaler Ablagerung von Bordeaux (Weiler-ter- 
Mer), nach Zusatz des Oxydasegemisches nach v. Giercke: 
a zeigt die anfänglichen Stadien der Reaktion: Fällungsgranula 
an der Oberfläche der sauren roten Granula; durch weitere Ein- 
wirkung des Oxydasefarbstoffes wird der saure Farbstoff an der 
Oberfläche seines Granulums vollständig ausgeflockt. so dass das 
Granulum selbst farblos wird (b). 

Vornierenkanälchen mit Einlagerung von Trypanblaugranula ; supra- 
vitale Neutralrotwirkung. Durch allmähliches Eindringen des 
basischen Farbstoffes sind alle Stadien der Umfärbung nebeneinander 
ausgebildet. a zeigt unveränderte Trypanblaugranula, b Umfärbung 
derselben durch den ersten zudringenden basischen Farbstoff; bei 
c beginnende, bei d vollständige Ausflockung des Neutralproduktes. 
x Zellkerne. 

Urnierenkanälchenzellen mit vitaler Ablagerung von Neuvitalrot, 
supravitale Einwirkung von Nilblausulfat; die über Kerngrösse 
angewachsenen Granula werden bei a durch den ersten hinzu- 
getretenen basischen Farbstoff ausgeflockt, bei b werden die Flocken 
durch reichlicher hinzuströmenden basischen Farbstoff dunkler; 
nach der völligen Ausflockung sammeln sich die Flocken an der 
Oberfläche des im übrigen farblos gewordenen Granulums an. 
x— Zellkerne. 


503 


Aus dem Anatomischen Institut zu Greifswald. 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden 
für die vitale Farbstofibindung in den Zellen. 
Von 
Wilhelm von Moellendorff. 

(Abgeschlossen Oktober 1916.) 


Inhalt: Seite 
r. Einleitung NEBEET . 503 
. Über die Granuläfärbung berdet de Fällungskraft nl lem. 505 
a) Der Einfluss der Farbstoffkonstitution auf die Granulafärbung 505 

b) Direkte Messung der Fällungskraft basischer sauren 


DD 


Farbstoffen . . . . . 508 

3. Die Diffusfärbung der nisse as Proialaemas in len 
Versuchen. .... .. DIR ee in EL ei) 
Die Batsachen?. . . . ‚910 

> Der Grad der Diftuefkrhing ae von ee Dispereitäs der Farb- 
stoffe nicht abhängig ; das Problem der Zellpermeabilitätt . . 515 
c) Die Diffusfärbung ist von den Zellipoiden abhängig . . . . 921 

4. Die Lipoidlöslichkeit verschlechtert die Elektivität der Ghnulafärheng 
durch: basische Karbstoley ar ey. 2 303 ls aa as DER 
5. ZusammenfassungsundeAuBäbze . ..... irn une ae 6 
6. Literaturverzeichnis . . . . . EP a AL Ra RE ER | 


I. Einleitung. 


In der vorangehenden Arbeit in dieser Zeitschrift habe ich 
zu begründen versucht, dass die vitale und supravitale Färbung 
mit basischen Farbstoffen als Reaktion des basischen Farbstoffes 
mit sauren, granulär in den Zellen abgelagerten Substanzen auf- 
zufassen sei. Die Gründe, die ich in der erwähnten Mitteilung 
anführte, waren morphologischer und experimenteller Art. Mor- 
phologisch verläuft der Vorgang der Granulafärbung unter Fällungs- 
erscheinungen, die besonders gut an den grossen Granulis embryo- 
naler Amphibienzellen beobachtet werden können, aber auch z. B. 
an den Granulis von Zellen der Mäuseniere deutlich werden. Es 


504 Wilhelm von Moellendorff: 


konnte ferner gezeigt werden, dass die Anfärbung saurer Farb- 
stoffgranula unter den gleichen Erscheinungen abläuft, wie die 
der zelleigenen Granula, dass somit die sauren Farbstoffgranula 
geradezu als analoge Bildungen mit den basisch färbbaren Zell- 
granulis aufzufassen sind. Es wurde daraus geschlossen, dass 
zum Zustandekommen der basischen Granulafärbung besondere 
vitale Eigenschaften der Granula nicht erforderlich sind, dass 
vielmehr nur das Vorhandensein eines sauren reaktionsfähigen 
Körpers in den Granulis Voraussetzung für die Vereinigung mit 
dem basischen Farbstoff ist. In einem Falle ist dieser Körper 
(als saurer experimentell eingelagerter Farbstoff) bekannt, seine 
Beziehungen zu dem zur Färbung gewählten basischen Farbstoff 
also in vitro erforschbar; die Eigenschaften der zelleigenen Granula 
dagegen lassen sich aus der gleichartigen Reaktionsweise auf 
denselben basischen Farbstoff bis zu einem gewissen Grade er- 
schliessen. Die vitale Ablagerung saurer Farbstoffe in den Zellen 
ist daher geeignet, ein sehr brauchbares Mittel zur Erforschung 
der Zellgranula zu werden. 

Zweifellos ist die Parallele zwischen der Färbbarkeit der 
Zellgranula und der künstlich in den Zellen abgelagerten sauren 
Farbstoffe überraschend vollkommen; das lehrt die in der erwähnten 
Mitteilung auf Seite 489 abgedruckte Tabelle. Es war damit die 
Möglichkeit gegeben, die Art der Reaktionsweise der basischen 
Farbstoffe mit den Zellgranulis näher zu erforschen. 

Eine kurze Überlegung und die Betrachtung der bereits 
bekannten Tatsachen über die Wirkungsweise der Farbstoffe zeigt, 
dass abgesehen von den Eigenschaften der beiden miteinander 
reagierenden Substanzen (basischer Farbstoff und saurer Farbstoff, 
resp. saure Granulasubstanz) noch mindestens ein besonderer 
Faktor zum Zustandekommen der vitalen Granulafärbung not- 
wendig ist. Denn eine der eigenartigsten Seiten dieses Vorganges 
ist es ja, dass unter einer grossen Zahl bisher versuchter Farb- 
stoffe sich nur relativ wenige als geeignet herausgestellt haben. 
Ehe also nicht gefunden ist, wovon die Reaktionsweise der basi- 
schen Farbstoffe mit den Zellgranulis in so vielen Fällen ungünstig 
beeinflusst wird, kann die bisher hauptsächlich morphologisch 
erschlossene Ansicht von der Bedeutung kolloidchemischer Re- 
aktionen bei dem Zustandekommen der vitalen Granulafärbung 
nicht als bewiesen gelten. 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 505 


Es ist also die schon vielfach aufgeworfene, bislang aber 
nicht befriedigend gelöste Frage, welchen Eigenschaften unsere 
guten vitalen Granulafarbstoffe diese ihre Eignung verdanken, die 
ich durch meine Versuche einer Lösung näher zu bringen hoffe. 


II. Über die Granulafärbung entscheidet die Fällungs- 
kraft nicht allein. 


a) DerEinfluss der Farbstoffkonstitution auf die Granulafärbung. 


Nachstehend sind die von mir verwandten basischen Farb- 
stoffe mit den Molekulargewichten aufgeführt, die nach den 
Angaben in den Farbstofitabellen von Schulz und Julius be- 
rechnet wurden. 

Triphenylmethanfarbstoffe 


Diamantfuehsin kl.'Krist.: (Bayer) . . . us „and .91D 03,409 
Rosasılma Base, (Kalle i& Op.) Kıle..aın Yeah nal: cha 
Auramınakonz. (HochstersHarbw.) a ner IE EIIRS 
Methylviolett 5B (Bayer) . NEE A LA HA De IE EEE 
Kristallviolett 6B Pulver (Akt.-Ges. f. Anil.-Fabr.) . .. . . . 407 
Malachitgrün Krist. chem. rein (Höchst. Farbw.) . . . . .. .. 363 
Xanthoniarbstofie 
Irisamın2G. extra (B34> Anl. =Kahr.) er an en end 
Acridinrot 3B (Leonhardt) . ....... ne a ee a 
Rıhodamms SzexanBadssAnıl- Babe) and: 
G extra (Kahlbaum) . . . Er AR PRORLT 25 Pa 
B C » Ds a TREE 
B ‚extra (Bad. Anil.-Fabr.) .. ...,, a el 
„. .3b,exirat 5 En N Rn RENTE FR 00 
10) (Höchster Warbw.l ..4..0c: d. . 2. 202. .Au8 
Azine 
Imdazın M’(Casselarea@oN EN RE At 
Neutralrot (Gruebler') Br Bar he ve de a EHRT 
Safranin G extra (Bad. Anil.-Fabr.) . .. . EN CE BTSHY: 
Basler’ Blau/R /(Durand’& Hugaenm) Le N ar LINE, 482 
Basler. Blau BB/(Durand & Humuenin) .. 2 un. 205 22. 70BAgA. 
Azoiarbstoife 
Bismarckbrauns (Gruebler) nass us, = aaen..: Ki YES N334 
Vesuyın 2356 ‚(Höchster Harhw. aan en 4,9007 
Chrysoidın R'(Durand & Hououenin) ya. 0m v9 
Oxazine 
Nulblausultan, (Grueblena! 2, Sana nen... 2,340 
Nilblauchlorhydrams (Gruebler)" 2 RN N... 0... 487 


Bapıiblau ı GONI(Bayer) 113.112] DU HMIERZIN ER N URS 


506 Wilhelm von Moellendorff: 


Thiazine 
Tolnidinblan: (Grucblen) es 7 2, 24.115. ml ee 306 
Methylengrün extra gelbl. © (Höchster Farbw.). . . .».... 409 
Methylenblau/ BBr(Bayene 2... >...» acer ee 393 
Methylenblaurectit» (Gruebler) . . . . . „00 2 2 re 393 
Methylenblau BX7(Gzuebler) . ... . „une 2 ee 393 
Diphenylinaphthylmethaniarbstoffe 
ViktoriablauB. (Bade Anıl.Fahr.). . 2... Seen, een 505 
N Ba 2 ee ec. : 447 
3 4RS ( e IE en 519 


Den hier genannten Firmen bin ich für die freundliche 
Überlassung von Proben dieser sowie vieler anderer Farbstoffe 
den grössten Dank schuldig. 

Die Untersuchung der Konstitution der genannten Farbstoffe 
führte zu keinem befriedigenden Ergebnis; ich konnte im wesent- 
lichen die Angaben von Fischel bestätigen. Besonders ergibt 
sich die Verstärkung der granulafärbenden Eigenschaften durch 
Substitution des Wasserstoffrestes in der Ammoniakgruppe durch 
Alkoholradikale; unter den Triphenylmethanfarbstoffen liegen die 
Verhältnisse folgendermassen: 


Farbstoff auxochrome Gruppen | Art der Färbung 
Diamantfuchsin 3 NH,-Gruppen \ Keine bis schlechte 
Rosanilin Base N | Granulafärbung 
Auramin Konz. 1HN,, 2N (CH,), mässiger Granulafärber 
Methylviolett 1NH (CH,), 2N (CH,), | 
Kristallviolett 3N (CH,), . gute Granulafärber 
Malachitgrün 2N (CH;), 


Ebenso ist wohl in der Reihe der Thiazine die Verbesserung 
der Granulafärbung mit zunehmender Substitution aufzufassen. 
Thionin (mit 2 NH,) färbt schlecht, Toluidinblau (NHCH,, N(CH,),) 
und Methylenblau, Methylengrün (2N(CH,), sind gute Granula- 
färber. 

Die Wirkung der auxochromen Gruppen darf aber nicht 
verallgemeinert werden. Zahlreiche Farbstoffe, die eine gute 
Substitution ihrer Ammoniakgruppen zeigen, sind trotzdem nur 
schlechte Granulafärber. Hierher gehören z. B. sämtliche Rhoda- 
mine. Die Feststellung von Fischel, dass die Substitution eines 
H durch einen Anilinrest das Färbevermögen aufhebe, könnte 
vielleicht für Basler Blau R und BB zur Erklärung ihrer schlechten 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 507 


Färbeergebnisse herangezogen werden; doch lässt vor allem die 
schlechte Wasserlöslichkeit die Färbung dieser Stoffe schwer 
beurteilen. Andererseits ist Indazin M ein Granulafärber, trotzdem 
es ein Gemenge aus 


NN 
(CH,). N eV Eee -GH,-HC und 
C el 


N=/\—NH-C.H, N (CH,). 
(CH,), N AS N GH-376 
a 

darstellt, ebenso wissen wir ja aus den Untersuchungen von 
Michaelis, Laguesse u. a., dass Janusgrün trotz der safranin- 
artigen Konstitution als Granulafärber zu betrachten ist. Endlich 
sei darauf hingewiesen, dass Viktoriablau, wie schon Hoeber 
zeigte, Granula zu färben imstande ist. Viktoriablau B besitzt 
ebenfalls, wie auch Fischel hervorhebt, ein durch den Anilin- 
rest substitutiertes Ammoniakradikal. Damit muss man wohl die 
von Fischel an seinem Material erhobene Feststellung, dass die 
Substitution durch den Anilinrest das Färbevermögen verhindert, 
fallen lassen. 

Weiter ist hervorzuheben, dass auch Farbstoffe, die nur 
einfache NH,-Gruppen enthalten, als Granulafarbstoffe zu be- 
zeichnen sind; so besonders die Azofarbstoffe Chrysoidin R mit 2, 
Vesuvin 4BG mit 3 und Bismarckbraun mit 4 NH,-Gruppen. 

Aus diesen Betrachtungen geht nur soviel hervor, dass bei 
gewissen Farbstoffgruppen, die in ihrem Molekül den gleichen 
Grundstock besitzen, das Hinzutreten bestimmter auxochromer 
Gruppen, so besonders der wachsenden Substitution der Ammoniak- 
reste durch Alkoholradikale, die Tendenz zur Granulafärbung in 
bestimmter Weise beeinflusst. Darüber hinaus spielen aber andere, 
noch nicht zu übersehende Einflüsse der Konstitution des Farb- 
stoffmoleküls eine Rolle. Sie zu übersehen, muss immer noch 
"künftiger Forschung vorbehalten bleiben. Vor allem erscheint es 
notwendig, Versuchsreihen, wie die hier mitgeteilten, mit reinen 
Farbstoffen anzustellen, da ja sicherlich die vielfachen Zusätze 
und Verunreinigungen der hier ausschliesslich verwandten tech- 
nischen Farbstoffe für die Beurteilung sehr störend sein müssen. 


508 Wilhelm von Moellendorff: 


b) Direkte Messung der Fällungskraft basischer gegenüber 
sauren Farbstoffen. 


Da also durch die Betrachtung der Strukturformeln ein Zu- 
sammenhang zwischen einer Struktureigenart und dem Vermögen 
der Farbstoffe. mit den Granulis zu reagieren, nicht erkannt 
werden konnte, wählte ich den direkteren Weg, indem ich die 
Reagierfähigkeit der basischen Farbstoffe mit den verschiedenen 
zu den Versuchen verwandten sauren Farbstoffen im Reagenzglas 
prüfte. 

Alle sauren Farbstoffe lassen sich in vitro durch basische 
Farbstoffe fällen; bei der Bildung der Neutralfarbe tritt eine 
messbare Wärmeentwicklung auf (Seyewetz). Im allgemeinen 
reagieren die basischen Farbstoffe mit sauren im Mengenver- 
hältnis 3:1,2: l’oder 1:1 (Vaubel und Bartlet). Ich habe 
allerdings bei meinen zahlreichen Versuchen auch ganz andere 
Mengenverhältnisse angetroffen. 

So reagiert Trypanblau mit 9 Molekülen Akridinrot 
3B, mit 15 Mol. Rhodamin 0. 

Vaubel und Bartlet fanden, dass die Zahl der Sulfo- 
säuregruppen in sauren Farbstoffen eine gewisse Bedeutung für 
die Reaktion mit basischen Farbstoffen besitzt. Ist nur eine 
Sulfogruppe vorhanden, so fixiert sich nur ein Methylenblaumole- 
kül, bei Anwesenheit mehrerer Sulfogruppen zwei. 

„Aus der Gesamtheit dieser Tatsachen ist zu schliessen, 
dass die sauren Farbstoffe sich mit den basischen verbinden. 
indem sie Salze bilden, die übrigens wenig beständig und leicht 
spaltbar sind.“ (Pelet-Jolivet, Theorie des Färbeprozesses 
Seite 43, dessen Darstellung ich auch sonst hier folge.) 

Auf die Ausfällung des Reaktionsproduktes ist der Kolloid- 
zustand der miteinander reagierenden Farbstoffe von bedeutendem 
Einflusse (Teague und Buxton, 1907). 

Ich habe nach der Methodik von Pelet-Jolivet eine 
grosse Anzahl von Farbstoffpaaren untersucht. 

Zu den Versuchen wurden "/ıoo Normallösungen der Farbstoffe ver- 
wandt; von der Lösung des basischen Farbstoffes wurde zu der des sauren 
vorsichtig so lange hinzugemischt, bis eine möglichst vollständige Ausfällung 
des Neutralproduktes erreicht war. Bei manchen Farbstoffkombinationen 
wurde ein scharfer Neutralpunkt nicht erreicht, besonders, wenn der basische 


Farbstoff sehr diffusibel war. Zur Kontrolle wurde jeweils ein Tropfen der 
Mischung auf Fliesspapier aufgetropft; der Überschuss eines der beiden Farb- 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 509 


stoffe kommt dann durch Ringbildung der betreffenden Farbe um den durch 
das Fällungsprodukt gebildeten Fleck herum zum Ausdruck. Hält, wie es 
z. B. beim Überschuss eines hochkolloidalen Farbstoffes die Regel ist, der 
Uberschuss dieses Farbstoffes einen Teil des Fällungsproduktes in Lösung, 
so entstehen häufig drei Zonen: in der Mitte das ausgefallene Produkt, das 
gelöste Fällungsprodukt als Ring in der Mischfarbe und aussen die reine 
Farbe des im Überschuss befindlichen Farbstoffes. 

Für Trypanblau erhielt ich auf diese Weise folgende Er- 
gebnisse: 

1 Mol Trypanblau wird gefällt durch 

1 Mol von Neutralrot, Diamantfuchsin, Chrysoidin, Malachit- 
erün, Toluidinblau, 1 

2 Mol von Auramin, Rhodamin S extra, Safranın B extra, 
Methylviolett, 

3 Mol von Bismarckbraun, Kristallviolett, Methylengrün, 
Rhodamin B extra. 

Schon dieses eine Beispiel zeigt, dass die Erwartung, dass 
etwa die Fällungskraft der basischen Farbstoffe die Erklärung 
für ihre verschiedenartige Eignung zu einer Anfärbung saurer 
Substanzen im biologischen Versuche abgeben könnte, nicht zutrifft. 
Man hätte ja denken können, dass Farbstoffe, bei denen schon 
1 Mol genügt, um eine entsprechende Menge sauren Farbstoffes 
auszufällen, bessere Grannlafärber sein müssten, als solche basische 
Farbstoffe, von denen hierzu 2 oder 3 Mol notwendig sind. 
Dagegen lehrt der Vergleich der obigen Zahlen mit dem Er- 
gebnis der supravitalen Färbungsversuche, dass in allen drei 
Gruppen sowohl gute als auffallend schlechte Granulafärber ent- 
halten sind. 

Gute Granulafärber sind: Neutralrot, Malachitgrün, Toluidinblau, 
Auramin, Methylviolett, Bismarckbraun, Kristallviolett, Methylengrün, ganz 
schlecht färben dagegen Granula: A nn Rhodamin S extra, Safranin 
B extra, Rhodamin B extra 

Es war daher von vornherein kiar, dass zur Erklärung der 
verschiedenartigen Ergebnisse der biologischen Versuche bei den 
einzelnen basischen Farbstoffen noch andere Gesichtspunkte an- 
“gewandt werden mussten. Ich will hier nur darauf hinweisen, 
dass auch für andere saure Farbstoffe ihre Fällbarkeit durch 
basische Farbstoffe untersucht wurde, mit dem gleichen Ergebnis, 
dass Fällbarkeit im Reagenzglas und im biologischen Versuche 
nicht miteinander übereinstimmten. 

Archiv f.mikr. Anat. Bd.90. Abt.]I. 34 


510 Wilhelm von Moellendorff: 


3. Die Diffusfärbung der Grundmasse des Proto- 
plasmas in supravitalen Versuchen. 
a) Die Tatsachen. 

Trotzdem also die morphologische Betrachtung der granulären 
Färbung in ihrem Zustandekommen und die Möglichkeit, dieselben 
Färbungseffekte mit basischen Farbstoffen auch dann zu erzielen, 
wenn saure Farbstoffe den wesentlichen Bestandteil des Granulums 
bilden, trotzdem also diese Tatsachen durchaus für das reaktive 
Zustandekommen der basischen Granulafärbung sprachen, erweist 
sich die rein chemische Beurteilung der Frage nach der Elek- 
tivität gewisser Farbstoffe, nach deren Ursachen als völlig un- 
zureichend. 

Sollte trotzdem an der Deutung der Granulafärbung als 
eines Reaktionsvorganges festgehalten werden, so musste nach 
den Gründen geforscht werden, die für die Behinderung eines 
an sich gut reaktionsfähigen basischen Farbstoftes, die Granula 
zu färben, verantwortlich sein können. 

Wo diese Gründe zu suchen seien, war nur auf dem Wege 
des Experiments zu ergründen. Es war naheliegend anzunehmen, 
dass vor allem andere Teile der Zelle einen solchen hindernden 
Eintluss auf bestimmte Farbstoffe auszuüben imstande sind. Diese 
Annahme war um so naheliegender, als ein Einfluss und eine rege 
Anteilnahme des lebenden und überlebenden Protoplasmas an dem 
Vorgang der vitalen Granulafärbung für bestimmte Fälle sogar 
schon einigermassen analysiert ist. Ich erinnere hier an die 
schon lange zurückliegenden Beobachtungen über die Färbbarkeit 
(phagozytierter Massen) Br. Hofer 1891, A. Plato 1900); hier 
ergab sich, dass Infusorien, Bakterien und andere phagozytable 
Massen, die im freien Zustande nur schlecht oder garnicht färb- 
bar waren, nach der Aufnahme in den Protoplasmaleib von Proto- 
zoen oder Leukozyten intensiv durch basische Farbstoffe gefärbt 
werden konnten. Plato konnte sogar zeigen, dass eine solche 
Färbung nur im Endoplasma eintritt, während Gonokokken im 
Exoplasma die Farbe wieder abgaben. E. Nirenstein konnte 
nachweisen, dass die Färbung der Nahrungsmassen von der Pro- 
duktion von Säure seitens des Protoplasmas abhängig ist. 

Wie sich in diesen Fällen ein Einfluss der Protoplasmatätig- 
keit auf die vitale Färbbarkeit beobachten lässt, so sind die Ein- 
flüsse des lebenden Protoplasmas zum Teil sicher in ihrer Trag- 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. a 


weite noch gar nicht zu übersehen. Ich will hier nur an die 
Möglichkeit erinnern, dass das Protoplasma eine reduzierende 
oder oxydierende Wirkung auf Farbstoffe ausüben kann. 

Wenig beachtet ist dagegen bisher die Tatsache, dass eine 
ganze Reihe von Farbstoffen, denen offenbar die Fähigkeit, Gra- 
nula zu färben, abgeht, trotzdem eine Färbung in den Zellen 
hervorbringen, die anscheinend diffus den ganzen Zelleib durch- 
tränkt, ohne dass einzelne Gebilde stärker gefärbt würden. 

Dass wir es hier mit einer für die Farbstoffwirkung 
charakteristischen Tatsache zu tun haben, lehrt ein kurzer Über- 
blick über meine Ergebnisse an supravitalen Versuchen. 

Über die Technik dieser Versuche siehe die vorhergehende 
Arbeit Seite 486. 

Die folgende Tabelle führt die untersuchten Farbstoffe auf; 
sie sind geordnet nach ihrer Fähigkeit, das Zellenprotoplasma 
ditfus zu färben; gleichzeitig sind in einer dritten Kolumne die 
Angaben aus meiner eingangs erwähnten Arbeit über die Güte 
der Granulafärbung wiedergegeben. Die Tabelle ist das Ergebnis 
zahireicher Versuche; die Diffusfärbung bildet sich bei jedem 
basischen Farbstoff in allen Versuchen in der gleichen, ange- 
gebenen charakteristischen Weise aus, ganz gleich, ob das Ver- 
suchstier vor dem Versuch unbehandelt war, oder ob vorher durch 
saure Farbstoffe eine Granulabildung in den beobachteten Zellen 
hervorgerufen worden war. 

Das Ergebnis der Tabelle stimmt mit den allgemeinen Er- 
fahrungen gut überein; die Tendenz zur Diffusfärbung ist im 
allgemeinen um so stärker, je weniger gut eine Granulafärbung 
zu erzielen ist. Der Begriff „Diffusfärbung“ ist morphologisch 
schwer exakt zu definieren. Er kann nur ausdrücken, dass im 
(egensatz zu anderen Färbungen, bei denen wohl charakterisierte 
Zellelemente gefärbt werden, hier eine mehr allgemeine Färbung 
des Zellprotoplasmas gefunden wird. Es ist dabei möglich, 
dass entweder eine Lösung des Farbstoffes in der Grundsubstanz 
des Protoplasmas (dem Dispersionsmittel, wenn man das Proto- 
"plasma im Sinne Lepeschkins 1913 als eine emulsionskolloide 
Lösung betrachtet) stattfindet, oder dass der Farbstoff sich durch 
Adsorption oder chemische Affinität an kleine Körperchen von 
ultramikroskopischen Dimensionen anlagert. Über die Art der 
Farbstoffbindung an das Protoplasma gibt eben die Betrachtung 

34* 


512 Wilhelm von Moellendorff: 


Tg 


"Grad der ‚färbt Granula | ' I.cem 2°/0 Lezi- 
Farbstoff | Diffus- | beim | Konzen- Wasser- ' thinxylol absorbiert 
| Färbung aan tration | lösliehkeit | aus ID ccm 
| ier | ‚ der n/I0 000 Lsg. 
SafraninGextra | stark | nieht | n,10000 | gut | n/4000 
Rhodamin G | | 
extra ä | fraglich |; n/10000 z | n/5000 
Rhodamin B E ‚ schlecht | n/10000 > | n/10000 
Rosanilin Base : nicht | n 1000 | schlecht n/ 10000 
Kristallviolett F ‘ mittel n/10000 | gut | n/10000 
Methylviolett - ı mittel | n/10000 2 n/10000 
Irisamin G extra 5 fraglich | n, 10000 x | n/15000 
Chrysoidin R . ' schlecht | n/10000 R n/17500 
Rhodamin B | | 
extra i ' schlecht | n/10000 R | n/30000 
Viktoriablau | | | | 
4 RS Ss mittel | n/10000 | e n/40000: 
Rhodamin O nicht.) 0n/10000. 14.8; ' .n/10000 
Rhodamin 3B | | | 
extra | 5 ‚ schlecht | n/10000 4 | n/5000 
Diamantfuchsin | | | 
kl. Krist. che n000O n/15000 
Viktoriablau R mittel gut n/5000 mittel | n/20000 
Auramin konz. = mittel n/10000 gut | n/20000 
Toluidinblau 5 gut n/10000 & n/25000 
Malachitgrün ji mittel | n/10000 e | n/10000 
Vesuvin 4BG : mittel | n/10000 | s n/30000 
Rhodamin S 
extra | „ fehlt | n/10000 | , n'40000 
Indazin M II | mittel@r 61700009 n/40000 
Acridinrot 3B 3 | fehlt | .n/10000 B Spur 
Viktoriablau B n ı mittel n/5000 | schlecht n/3000 
Nilblauchlor- | 
hydrat | schwach gut n/’1000 | schlecht n/25000 
Capriblau GON s mittel | n/10000 gut n/50000 
Nilblausulfat RN Fu n/10000 1.2.0 "soo 
Neutralrot ; | gut n10000 | y n/50000- 
Bismarckbraun 2 | mittel n/10000 ä Spur” 
Methylenblau BB E |. gut n’10000 5 | Spur 
Methylenblau BX > | gut n’10000 5 | Spur 
Methylenblau | | | | 
rectif. au) 2 Spur 
Methylengrün | | 
extra gelb O S | gut ı n,10000 2 Spur 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 08 


des mikroskopischen Bildes keinen Aufschluss. Diftuse Färbungen 
in Zellen sind jedem Beobachter vitaler und supravitaler Färbungs- 
vorgänge geläufig. Im allgemeinen werden sie als Zeichen der 
verlöschenden Vitalität des Protoplasmas aufgefasst; in der Tat 
wissen wir ja, dass stark geschädigtes oder abgestorbenes Proto- 
plasma sowohl saure wie basische Farbstoffe stark anzureichern 
imstande ist. 

Ich erinnere hier an die wiederholten Beobachtungen in 
experimentell geschädigten Organen, in denen bis zu einem ge- 
wissen Grade geschädigte Zellen nicht imstande sind, saure Farb- 
stoffe granulär zu speichern, was an einer diffusen Protoplasma- 
färbung, verbunden mit Kernfärbung, zum Ausdruck kommt. 

In meinen Versuchen aber handelt es sich nicht um geschä- 
diete oder gar abgestorbene Zellen, an die die Farbstoffe heran- 
treten; das völlig gesunde Organ wird sorgfältig dem Tierkörper 
entnommen, die selbstverständlich durch die Herausnahme aus 
dem Organismus verursachte Schädigung ist für alle Versuche 
annähernd gleich. Wenn also in vielen Fällen eine starke, bald 
nach dem Versuche einsetzende diffuse Durchtränkung des Proto- 
plasmas mit dem Farbstoff beobachtet wird, bei anderen Farb- 
stoffen dagegen sich immer wieder nur ganz schwache Diffus- 
fürbung einstellt, so kann aus diesem Ergebnis geschlossen werden, 
‚dass der Grad der Diffusfärbung von der Eigenart der verwandten 
Farbstoffe abhängt. 

Unabhängig von dem von mir hier hauptsächlich behandelten 
Problem der Möglichkeit, Farbstoffe im unfixierten Protoplasma 
zur Speicherung zu bringen, ist die Frage, inwieweit das Proto- 
plasma unzweifelhaft lebender, d. h. im Verbande des lebenden 
Tieres befindlicher Zellen diffus gefärbt werden kann. Hierfür 
sind in der Literatur die Angaben R. Hoebers (1909), der diffuse 
Färbungen mit Rhodaminen beobachtete, vor allem aber von 
A. Garmus (1912), der nach Eingabe von Rhodamin B bei 
Fröschen interessante Beobachtungen machte, zu verwerten. 


Nach Garmus bleibt eine Granulafärbung bei diesem Farbstoffe stets 
- aus; bei vollkommenem Wohlbefinden des Frosches zeigen dagegen besonders 
die Zellen der Nickhautdrüsen, die er bei dem lebenden Tiere durch eine 
sinnreiche Versuchsanordnung beobachten konnte, eine deutliche diffuse Fär- 
bung, die nach 24 Stunden wieder verschwindet. Gleichzeitig injiziertes 
Methylenblau färbt in den durch Rhodamin rot gefärbten Zellen die 
Granula. 


514 Wilhelm von Moellendorff: 


Aus den Beobachtungen von Garmus geht also hervor, 
dass auch im lebenden Organismus eine reparable Diffusfärbung- 
vorkommt. und ich möchte annehmen, dass bei allen Farbstoften 
mit geeigneten physikalisch-chemischen Eigenschaften (siehe 
darüber unten Seite 521 ff.) auch im lebenden Organismus eine diffuse 
Färbung erreicht werden müsste, wenn nicht manche Faktoren 
dieser Diffusfärbung hinderlich wären, Faktoren, die in meinen 
supravitalen Versuchen teils nicht, teils in geringerem Masse in 
Betracht kommen. Vor allem spielt die Giftigkeit der Farbstoffe 
eine grosse Rolle. 

Aus noch unveröffentlichten Versuchen meiner Schülerin L. Kummer 
geht hervor, dass bei einer Reihe nicht granulär sich ablagernder saurer 
Farbstoffe nur dann ein erheblicher Grad von Diffusfärbung in den Zellen 
der Körperparenchyme gefunden wird, wenn die Tiere auch äusserlich schwer 
erkrankt erscheinen. Es muss also, besonders, da mit denselben Farbstoffen 
im supravitalen Versuche stets starke Diffusfärbung zu erzielen ist (so bei 
Rose bengale, Erythrosin, Eosin usw.), angenommen werden, dass das lebende 
Protoplasma bis zu einem gewissen Grade die Fähigkeit besitzt, sich gegen 
die Farbstoffinvasion zu schützen, indem entweder durch Reduktion und 
Oxydation oder durch andere Mechanismen der Farbstoff zerstört wird. 
Ausserdem lassen diese Versuche den Schluss zu, dass die Farbstoffwirkung 
möglicherweise eben durch die diffuse Einlagerung in das Zellenprotoplasma 
zur vollen Geltung kommt und die in diesem sich abspielenden wichtigen 
Lebensvoreänge zu stören vermag. 

Dass aber Diffusfärbung und Giftwirkung nicht identisch 
sind, zeigt schon die oben erwähnte Beobachtung von Garmus; 
es muss jedenfalls für jeden Farbstoff im vitalen Versuche erst 
sorgfältig sein Schicksal verfolgt werden, ehe sich ein Urteil 
gewinnen lässt, wie sich der Farbstoff physikalisch-chemisch zu 
der speichernden Substanz des Protoplasmas verhält. 

Für Protozoen hat E. Nirenstein (1913) eine offenbar 
sehr eingehende Untersuchung dieser Fragen angestellt, die mir 
leider erst bei der Niederschrift dieser Arbeit zu Gesicht kam. 
Er untersuchte an Paramäcien im ganzen 119 Farbstoffe und teilt 
diejenigen, die eine sichtbare Färbung hervorriefen, ein in Granula- 
farbstoffe und diftusfärbende Substanzen. 

Unter bestimmten nicht näher charakterisierten Bedingungen sollen 
sich die kleinen Granula des Paramäcienendoplasmas vergrössern und dann 
viel besser färbbar werden; sie werden von Granulafarbstoffen auch in 
Konzentrationen gefärbt. die die kleinen Granula ungefärbt lassen, und ein 
Teil der diffusfärbenden Farbstoffe färbt nun ausser dem Endoplasma auch 
die grossen Granula solcher Paramäcien. Es ist aus den kurzen Mit- 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 515 


teilungen Nirensteins nicht ersichtlich, warum die grossen Granula aus 
den kleinen Granulis hervorgegangen sein sollen ; ich kann daher auch nicht 
übersehen, warum der Autor den Granulis eine endoplasmatische Natur 
zuschreibt. 

Jedenfalls geht aus diesen Angaben hervor, dass auch bei 
den Versuchen Nirensteins der Unterschied der beiden Farb- 
stoffgruppen nur graduell, nicht prinzipiell besteht. Diese Be- 
stätigung meiner Befunde ist mir um so wertvoller, weil diese an 
gänzlich andersartigem Material erhoben wurden. Allerdings 
bin ich nicht in der Lage, unsere Ergebnisse im einzelnen zu 
vergleichen, da genaue Angaben in der kurzen Mitteilung Niren- 
steins fehlen. 

Ich glaube aber nicht, dass Nirenstein mit der Behauptung 
recht hat, dass alle diffus färbenden Substanzen nur die Granula 
nicht stärker färben als das Protoplasma. Ich konnte bei 
den Versuchen, in denen saure Farbstoffgranula die Stelle von 
zelleigenen Granulis vertraten, bei allen rein diffus färbenden 
Stoffen die reine Farbe des sauren Farbstoffes auf dem diffus 
gefärbten Grunde deutlich erkennen. In diesen Fällen ist eben 
seradezu weniger Farbstoff in die Granula gezogen, als sich in 
deren Umgebung ansammelte. Es ergibt sich daraus, dass es 
auch reine Diffusfärber gibt, die die Granula gänzlich verschmähen. 

Aus der Konstanz, mit der bei den einzelnen Farbstoffen 
in allen Versuchen annähernd der gleiche, in der Tabelle zum 
Ausdruck gebrachte Grad von Diffusfärbung auftrat, ist zu schliessen, 
dass wir es jedenfalls mit einer den einzelnen Farbstoffen eigen- 
artigen Funktion zu tun haben. Die auffallende Beziehung, dass 
die diffusfärbenden Stoffe im allgemeinen die Granula schlecht 
färben, lässt vermuten, dass eine engere Beziehung zwischen den 
beiden unterschiedenen Arten der Färbung besteht. Ehe jedoch 
dieser Schluss gezogen werden kann, muss untersucht werden, 
ob nicht für die Difiusfärbung Momente in Betracht zu ziehen 
sind, die für die Granulafärbung gänzlich ohne Belang sind. 


b) Der Grad der Diffusfärbung ist von der Dispersität der Farb- 
stoffe nicht abhängig; das Problem der Zellpermeabilität. 
Es könnte ja zunächst die naheliegende Vermutung auf- 
kommen, dass ein Farbstoff um so leichter diffus färben wird, je 
leichter er in das Zellenprotoplasma einzudringen befähigt ist. 
Es müssten demnach eben die Faktoren, die die Permeierfähig- 


516 Wilhelm von Moellendorff: 


keit der Farbstoffe bestimmen, auch für den Grad der Diffus- 
färbung ausschlaggebend sein. 

Das Problem der Zellpermeabilität kommt für meine Unter- 
suchungen nur sekundär in Betracht. Bekanntlich hat E. Over- 
ton zum ersten Male nach ausgedehnten Studien den Satz auf- 
gestellt, dass über den Eintritt in das Zellenprotoplasma 
eine Lipoidhaut entscheide, so dass auch nur solche Farbstoffe 
in das Zellinnere eintreten, die sich in Lipoiden lösen. Gegen 
diese Art der Auffassung sind im wesentlichen zwei Arten von 
Einwänden gemacht worden: es ist nachgewiesen, dass eine grosse 
Zahl von Farbstoffen in das Zellinnere eindringt, ohne lipoid- 
löslich zu sein, und andererseits sehr stark lipoidlösliche Farb- 
stoffe in manche Zellen gar nicht, in andere nur schwer permeieren. 
(W. Ruhland, R. Hoeber 1914 u. a.) Welche Hilfshypothesen 
man auch hierbei aufstellen will, die Bedeutung der Lipoide für 
das Problem der Permeabilität ist dadurchsehr zweifelhaft geworden. 
Die andere Gruppe von Einwänden basiert auf der Meinung, dass 
wohl Lipoide für die Stoffaufnahme und Verarbeitung eine grosse 
Bedeutung besitzen können, dass ihre Bedeutung jedoch nicht in 
ihrem Sitze an einer Oberflächenschicht zu suchen sei, sondern 
in ihrer Anwesenheit im Zellenprotoplasma überhaupt. S. Loewe 
zeigte, dass Methylenblau aus verdünnten wässrigen Lösungen 
relativ am meisten, aus konzentrierteren Lösungen dagegen relativ 
wenigerausgezogen wird. Ein kurzer Blick auf meine Tabelle S. 524 
zeigt, dass fast alle lipoidlösliche Farbstoffe diese Eigentümlich- 
keit besitzen. Eine Ausnahme machen hier die extrem lipoid- 
löslichen Farbstoffe, wie die Rhodamine und andere. Jedenfalls 
haben wir es hier mit einer unter Farbstoffen weitverbreiteten 
Eigenschaft zu tun, wie auch E. Herzfeld schon zeigte. 
S. Loewe denkt sich demnach den Vorgang der Lipoidiöslichkeit 
als eine Adsorption des Farbstoffess an die im organischen 
Lösungsmittel kolloidgelöste Lezithinphase. Er zieht aus dieser 
Vorstellung den von R. Hoeber nicht akzeptierten Schluss, 
dass eine Lipoidhaut eher als Speicherungsmedium dienen müsste, 
jedenfalls also ein Hindernis für ein Eindringen lipoidlöslicher 
Farbstoffe in das Zellinnere bilden müsste. Ich kann nicht umhin 
diesen Einwand S. Loewes gegen das Bestehen einer Lipoid- 
haut als berechtigt anzusehen. Denkt man sich nämlich die 
Zellipoide an der Oberfläche der Zelle angeordnet, so würden 


—I 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 51 


sie in der Tat als Speicherungsmedium gerade einem in ver- 
dünnter wässriger Lösung dargebotenen Farbstoffe gegenüber 
dienen und nur schwer an ein lipoidfreies Zellinnere den Farb- 
stoff abgeben. Denn wenn man zum Beispiel eine intensiv ge- 
färbte Lezithinxylollösung über reines Wasser schichtet, so werden 
bei den meisten Farbstoffen nur minimale Mengen an das Wasser 
abgegeben: Der Farbstoff haftet fest am Lipoid. Nur die Gegen- 
wart von besonderen Substanzen in der wässrigen Phase ermög- 
licht einen stärkeren Austritt des zum Beispiel basischen Farb- 
stoffes aus der Lipoidphase (Beeinflussung durch sauren Farbstoff, 
s. S. 555). Man müsste also schon im Protoplasmainneren der- 
artige, den Austritt aus der Oberflächenlipoidhaut bewirkende 
Faktoren annehmen, wenn man sich an das Bestehen einer solchen 
halten will. Schon von früheren Autoren (W. Ruhland, W.Le- 
peschkin) ist hervorgehoben worden, dass eine Anreicherung 
lipoidlöslicher Farbstoffe in den Öbertlächenschichten der Zellen 
nicht beobachtet wurde. Lepeschkin äussert sich auf Grund 
anderer Experimente: „Alles spricht also dafür, dass die chemische 
Beschaffenheit der oberflächlichen Protoplasmaschicht von der- 
jenigen des inneren Protoplasmas qualitativ nicht verschieden ist, 
und dass das Protoplasma keine wässrige Lösung darstellt (S. 189).“ 

Es ist also zum mindesten fraglich, ob mit einer besonderen 
Oberflächenschicht des Protoplasmas, die für das Permeabilitäts- 
problem im Sinne Overtons Bedeutung hätte, zu rechnen ist. 
Die Farbstoffexperimente haben in ihrer Gesamtheit keinen Be- 
weis für das Bestehen einer Lipoidhaut erbracht. Damit ist aber 
die grosse Reihe von Experimenten, die Overton und viele 
andere Forscher angestellt haben und die die Bedeutung der 
Lipoidbeziehungen für den Stoffwechsel der Zelle meines Er- 
achtens ausser Zweifel setzen, nicht so hinfällig geworden, wie 
das wohl von vielen Seiten angenommen wird. Gesetzt den Fall, 
dass wirklich nicht die Lipoide über den Eintritt der Sub- 
stanzen in die Zelle entscheiden, so können und müssen sie durch 
ihre gleichmässige Verteilung in der Zelle eine grosse Rolle für 
alle Fragen des Stoffaustausches spielen. Da solche Beziehungen 
zweifellos festgestellt sind, so muss nun morphologisch versucht 
werden, den Sitz und die Verteilung der Lipoide in der Zelle zu 
ergründen, um das physiologisch gefundene Tatsachenmaterial für 
die Lehre von der Zellfunktion zu verwerten. 


518 Wilhelm von Moellendorff: 


Ich sehe an dieser Stelle von den mannigfachen Versuchen, die Ver- 
teilung und Anordnung der Lipoidsubstanzen in fixierten Präparaten zu er- 
gründen, ab. Um deren Ergebnisse für die wirkliche Anordnung in lebenden 
Zellen zu verwerten, ist wie bei allen Fixationsbildern, die Untersuchung 
der Fixationsmittelwirkung auf die lipoide Substanz erforderlich. Bisher 
sind einheitliche Resultate nicht erzielt. 


Wenn nun die Lipoidhypothese zweifellos dem Verhalten 
der Farbstoffe nicht gerecht wird, so ist doch zu betonen, dass 
auch die anderen bisher aufgestellten Theorien nicht völlig be- 
friedigen. Ohne hier genauere Angaben zu machen, möchte ich 
auf die Schriften W. Ruhlands (1912, 1914) und auf 
R. Hoebers „Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe“ 
verweisen, in denen das Tatsachenmaterial von verschiedenem 
Standpunkt aus kritisch beleuchtet ist. 

Ob die „Ultrafilterregel“ W.Ruhlands wirklich für alle Zell- 
kategorien gültig ist, ist noch heute nicht zu sagen. Bei 
Pflanzenzellen scheinen ja die Verhältnisse einfacher zu liegen 
als im tierischen Organismus, wo wir mit so vielen für ganz 
spezielle Zwecke angepassten Zellarten zu rechnen haben. Es 
ist in der Tat schwer möglich, anzunehmen, dass zum Beispiel in 
dem resorbierenden Dünndarmepithel die so einfachen, für andere 
Zellarten physikalisch gut deutbaren Speicherungsbedingungen 
für saure Farbstoffe fehlen, und nur deshalb bei der ganz 
überwiegenden Mehrzahl derselben keine sichtbare Speicherung 
von Farbstoff zustande komme. Ich glaube viel eher, dass wir 
aus den für verschiedene Zellkategorien gefundenen Tatsachen 
bisher nur den Schluss ziehen können,. dass Farbstoffexperimente 
wenigstens im tierischen Organismus für die Erforschung des 
Permeabilitätsproblems einen engbegrenzten Anwendungsbereich 
haben. 

Wir müssen uns vorläufig damit bescheiden, festgestellt zu 
haben, dass in den Zellarten, in denen bisher saure Farbstoffe 
während des Lebens gespeichert aufgefunden wurden, für das 
Eindringen und für die Speicherung anscheinend lediglich der 
Lösungszustand, die Dispersität, entscheidend ist. Es ist wahr- 
scheinlich, dass diese Zellarten hinsichtlich ihrer Oberflächen- 
beschaffenheit eine gewisse primitive Stufe bewahrt haben und 
zwar aus dem Grunde, weil bei Pflanzen diese Abhängigkeit von 
dem Dispersitätsgrade der zugeführten Substanz viel allgemeiner 
verbreitet zu sein scheint. Bei vielen anderen Zellarten, in 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 51% 


denen Speicherung saurer Farbstoffe bisher nicht, oder doch in 
von dem gewöhnlichen Typus abweichender Weise gefunden 
wurde, kann es für das Verhalten drei Gründe geben: 1. der Farb- 
stoff dringt ein, wird aber zerstört; 2. der Farbstoff dringt ein, 
wird aber nicht sichtbar, weil er nicht gespeichert wird: 3. der 
Farbstoff dringt nicht ein. ; 

Unter diesen Möglichkeiten ist bisher noch nicht entschieden, 
und es ist zweifelhaft, ob die Farbstoffe berufen sind, in diesen 
Fragen eine Entscheidung herbeizuführen. 

Meine Untersuchungen wurden nun aber an einer Zellart 
ausgeführt, der Nierenzelle, für die die Bedeutung der Disper- 
sität wenigstens saurer Farbstoffe für die Permeierfähigkeit in 
diese Zellen festgestellt ist, und auch für basische Farbstoffe sind 
genügend Anhaltspunkte vorhanden (E. Herzfeld 1916), um 
anzunehmen, dass bei dieser Zellart nur die Dispersität der 
Farbstoffe über den Grad der Permeierfähigkeit entscheidet. Es 
war daher möglich, an dieser Zellart zu entscheiden, ob die Diffus- 
färbung nur von dem Grade des Eindringungsvermögens, das 
heisst von der Dispersität der Farbstoftlösung, abhängt. 

Umstehende Tabelle bringt für die verwandten Farbstoffe 
die Diffusionswerte nach 24, 48 und 120 Stunden, wie sie durch 
Ablesung nach dem Traubeschen Verfahren in einem 10°/oigen 
(relatinegel gefunden werden. Es wurde reinste Handelsgelatine 
in der genannten Konzentration aufgelöst, sorgfältig bis zu 
neutraler Reaktion mit Sodalösung versetzt, davon je 10 cem in 
Reagensröhrchen gebracht und nach dem Erkalten mit 1 ccm 
einer n/100 Farbstofflösung überschichtet. 

Es ergibt sich ohne weiteres, dass unter den ausgesprochenen 
Granulafärbern sowohl wie unter den stark diffus färbenden Stoffen 
Substanzen von ganz verschiedener Diffusionsgeschwindigkeit ent- 
halten sind. Es lässt sich wohl sagen, dass die Intensität der 
sich ausbildenden Färbung sehr gering ist wenn die Diffusions- 
geschwindigkeit gering ist. (Basler Blau R und BB, Indazin 
M). im übrigen aber enthalten sowohl die ausgesprochen 
diffus färbenden wie die ausgesprochenen Granulafärber Farb- 
stoffe verschiedenster Diffusionsgeschwindigkeit. 

Die Werte in der obigen Tabelle stimmen im allgemeinen gut mit 


denvonTraube und Koehler angegebenen überein; gewisse Abweichungen 
(Methylgrün, Malachitgrün) mögen aus der Verschiedenheit des Farbstoff- 


520 


Wilhelm von Moellendorftf: 


Diffusionsfortschritt in mm Gradder | Grad der 
Farbstoff ı nach nach nach Granula- Diffus- 
' 24Std. | 48Std. 5 Tagen | färbung färbung 
Malachitgrün 18m I (10) 38 (15) mittel mittel 
Safranin G extra | 18 (3)* | 25 (18) 37 (29) stark stark 
Rhodamin G extra | 17 (7)* | 22 (13) | 40 (22) | fraglich stark 
Methylengrün 17 23 32 | gut schwach 
Methylenblau BB IE 25 (14) 38 (17) gut schwach 
Irisamin G extra | 18 24 | 38 fraglich | stark 
Auramin konz. 15 28 4 mittel mittel 
Capriblau GON 16 23 40 mittel | schwach 
Rhodamin 3B | 
extra | 16 (10)*| 21 (12) , 35 (19) | schlecht | stark 
Rhodamin B | 
(Kahlb.) | 15 (8)* 20 (8) 34 (13) | schlecht | stark 
Rhodamin S extra | 15 (5)* 20 (13) 34 (20) nicht mittel 
Rhodamin OÖ SEM) 2DELLO)T 23013) nicht stark 
Bismarckbraun 15 | 23 40 mittel schwach 
Methylgrün 15 25 37 gut fehlt 
Methylenblau | 
rectif. | 14 | 21 | gut schwach 
Rhodamin B extra | 14 (5)* 21 (11) 35 (19) | schlecht stark 
Methylenblau BX 13 17 28 gut schwach 
Diamantfuchsin 13 | 23 28 nicht stark 
Akridinrot 3B 13 20 22 nicht mittel 
Chrysoidin R 12 25 31 schlecht stark 
Kristallviolett 6 B 11 16 25 mittel stark 
Rosanilin Base Bl 18 23 nicht stark 
Methylviolett 5 B 10 16 27 mittel mittel 
Neutralrot 10 (4)* 15 (6) 22 (8) gut schwach 
Vesuvin 4 BG 10 17 mittel mittel 
Nilblauchlor- 
hydrat 8 (2)* 15 (3) 20 (4) gut schwach 
Nilblausulfat 7 13 17 gut schwach 
Indazin M 7 13 19 mittel mittel 
Toluidinblau 4 21 (11)*) 24 (13) gut mittel 
Viktoriablau R 4 6 8 gut mittel 
Viktoriablau 4RS | 1,5 5 7 mittel stark 
Viktoriablau B 2 2 3 mittel mittel 
Basler Blau R eb (2) (3) 
Basler Blau BB (4)** (5) (7) 


* Die Klammerzahl bezieht sich auf die Zone dunkelster Färbung. 


** Die Klammerzahl bedeutet eine anders gefärbte Vorzone. 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 521 


bezuges herrühren. Es ist aber vor allem immer wieder darauf hinzuweisen, 
dass das Alter der Farbstofflösungen einen grossen Einfluss auf den Dispersi- 
tätsgrad besitzt, so dass man eigentlich vor jedem Versuch mit einer längere 
Zeit nicht benutzten Lösung sich von dem Dispersitätsgrad derselben über- 
zeugen muss. 

Kurz zusammengefasst mag man die Bedeutung der Dis- 
persität, des Lösungszustandes der Farbstoffe für die Permeabilität 
darin erblicken, dass ein gewisses Maß von Dispersität zweifel- 
los Erfordernis ist, falls ein Farbstoff in das Zellenprotoplasma 
eindringen soll. Im übrigen lässt sich aus der Beobachtung 
des Färbungsbildes nicht ohne weiteres ein Rückschiuss auf den 
Grad der Permeierfähigkeit eines basischen Farbstoffes ziehen. 
da offenbar noch andere Einflüsse die Anreicherung dieser Farb- 
stoffe in den Zellen hervorrufen. 

Nach den Angaben, die ich oben über die Lipoidtheorie 
Overtons gemacht habe, lag es nahe, der Lipoidlöslichkeit der 
Farbstoffe Beachtung zu schenken und zu untersuchen, ob nicht 
diese Eigenschaft vielleicht für die Diftusfärbung verantwortlich 
gemacht werden könnte. Aus den bisherigen Angaben über die 
Lipoidlöslichkeit von Farbstoffen, die ich in der Literatur gefunden 
habe, liess sich ein befriedigendes Bild nicht gewinnen, besonders 
deshalb, weil im allgemeinen nur bemerkt ist, ob ein Farbstoft 
lipoidlöslich ist oder nicht; zahlenmässige Vergleiche zwischen 
einer grösseren Reihe von Farbstoffen sind bisher nicht gemacht 
worden. Deshalb und weil die Farbstoffe vielfach trotz Ver- 
wendung gleicher Fabrikmarken wechselnde Eigenschaften zeigen, 
habe ich die Lipoidlöslichkeit der von mir verwandten Farbstoffe 
untersucht. 


ce) Die Diffusfärbung ist von den Zellpoiden abhängig. 

Nach anfänglichen Vorversuchen habe ich schliesslich alle Unter- 
suchungen auf Lipoidlöslichkeit mit einer 2%/oigen Lösung von Lezithin in 
Xylol angestellt. Das Lezithinpräparat wurde von Merck {Darmstadt) 
bezogen und ist eine wachsartige gelbbraune Masse. In Xylol löst es sich 
leicht und gibt eine klare gelbe Lösung. Wegen seiner Quellbarkeit ist 
Lezithin für derartige Versuche in letzter Zeit verpönt; die Löslichkeits- 
werte, die für die Farbstoffe gefunden wurden, sollen nicht für das Lipoid 
allein charakteristisch sein, sondern zum Teil auf dem Wassergehalt beruhen. 
Ich vermag mangels eigener Erfahrungen die Berechtigung dieses Ein- 
wandes nicht zu beurteilen. Zweifellos trübt für die physikalisch-chemische 
Ausdeutung der Versuche die Tatsache das Bild erheblich, dass das käufliche 
Lezithin keine reine Substanz ist, sondern (nach Nirenstein) durch Zer- 


522 Wilhelm von Moellendorff: 


setzung sowohl Fettsäure als organische Base gelöst enthält. Es ist nach 
den Ergebnissen dieses Autors sowohl, wie nach denjenigen Faure- 
Fremiets (1910) wohl möglich, dass ein gewisser Gehalt an sauren und 
basischen freien Bestandteilen die Lezithinlöslichkeit für basische und saure 
Farbstoffe beeinflusst. 

Weiterhin halte ich es nicht für wahrscheinlich, dass sämtliche zu 
den lipoiden Substanzen gerechneten Körper ein dem Lezithin analoges Ver- 
halten zeigen werden. 

Die Berechtigung, das Lezithin als Untersuchungsmittel für die von 
mir bearbeiteten Probleme zu verwenden, ergibt sich einerseits aus der 
Erwägung, dass wir mit lezithinartigen Substanzen wohl in allen Zellen zu 
rechnen haben. Ferner werden, so hoffe ich, die Versuchsergebnisse die 
Wahl dieses Körpers rechtfertigen. 

Um ein Urteil über das Verhalten der zur Untersuchung 
dienenden Farben zu Lezithinxylol zu bekommen, untersuchte 


ich zunächst die sogenannte maximale Löslichkeit. 

Hierbei kommt folgendes in Betracht: 

1. Die gefundenen Zahlen können nicht als absolute Zahlen aufgefasst 
werden. Sie stellen das Ergebnis von Versuchen dar, in denen in Lezithin- 
xylol die Farbstoffsubstanz bis zur Sättigung in der Kälte aufgelöst wurde. 
Bei stärkerer Erwärmung liess sich bei allen lezithinlöslichen Farbstoffen 
eine beträchtlich höher konzentrierte Lösung herstellen. Die gefundenen 
Zahlen haben ihren Wert nur in der Vergleichung der für die verschiedenen 
Farbstoffe gefundenen Werte. 

2. Bei einer Reihe von Farbstoffen waren die Endkonzentrationen 
in der Lezithinlösung beträchtlich grösser, wenn der Farbstoff der Lezithin- 
lösung in Wasser gelöst dargeboten wurde gegenüber der direkten Auflösung 
der Farbstoffsubstanz in Lezithinxylol. Besonders waren es kristallisierte 
Farbstoffe, bei denen dieses Phänomen beobachtet wurde. Eine Verbesserung 
der Löslichkeit in Lezithinxylol aus Substanz wurde oft schon durch feines 
Zerreiben der Farbstoffkristalle erreicht. 

Die untersuchten Farbstoffe zeigten sehr erhebliche 
Differenzen in ihrer Löslichkeit in Lezithinxylol; um einen zahlen- 
mässigen Anhalt für diese Differenzen zu bekommen, wurde 
grundsätzlich mit äquimolekularen Lösungen gearbeitet. Soweit 
die Farbstoffe sich gut lösten, wurde eine n/100-Lösung als 
Ausgangslösung gewählt. Die Konzentration der Lezithinlösung 
wurde durch Auftropfen auf Fliesspapier und Vergleich dieses 
getrockneten Fleckes mit einer Skala ermittelt, die durch Auf- 
tropfen verschiedener Verdünnungen der wässrigen Lösung 
gewonnen worden war. 

Der Umstand, dass hier die Farbtönung der Lipoidlösung mit der 
Farbtönung einer wässrigen Lösung verglichen wurde, ist zunächst nicht 
unbedenklich. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass möglicherweise gleich- 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 523 


stark gefärbte Lösungen eines Farbstoffes in Wasser einerseits, in Lezithin- 
xylol andererseits keineswegs die gleiche Farbstoffkonzentration besitzen. 
Für unsere Fragen aber, bei denen es sich nur um die Möglichkeit des Ver- 
gleiches handelt, kann dieser möglicherweise den Versuchen anhaftende 
Fehler ausser Betracht bleiben, da einerseits die Wertverschiedenheit bei 
den untersuchten Farben sehr gross ist, andererseits angenommen werden 
kann, dass der aus dem oben erwähnten Umstand sich ergebende Fehler 
bei allen Farbstoffen annähernd gleich gross ist. 

Die Art der Untersuchung ist andererseits so bequem, dass sie jeder- 
zeit leicht durchführbar ist. Aus kolorimetrischen Bestimmungen gewonnene 
Zahlen können ja ohnehin nur bis zu einem gewissen Grade als zuverlässig 
gelten. 

Hier, wo es sich, wie gesagt, darum handelt, in erster Linie Ver- 
gleichswerte zu bekommen, ist die Methode ausgezeichnet brauchbar. 

Ausser diesen direkten Messungen der Löslichkeit der 
Farbstoffe in der Lezithinxylollösung wurde auch die Fähigkeit 
der Lezithinlösung geprüft, die Farbstoffe aus wässrigen Lösungen 
herauszuziehen: es wurde zu diesem Zwecke 1 ccm der Lezithin- 
lösung über 10 ccm einer n/l00 resp. n/10000 wässrigen Lösung 
geschichtet. Lässt man die Versuche eine genügend lange Zeit 
stehen, so erübrigt sich das Umschütteln. In meinen Versuchen 
liess ich die Lösungen stets 5 Tage aufeinander wirken. Die 
Ergebnisse der drei Versuchsreihen zur Prüfung der Farbstoffe auf 
ihr Verhalten zur Lezithinxylollösung zeigt die umstehende 
Tabelle. 

Da in den mir bekannten Arbeiten die Angaben über den 
Grad der Löslichkeit der Farbstoffe in Lipoiden nur allgemein 
gehalten sind, lässt sich nur sagen, dass im grossen und ganzen 
die Ergebnisse mit denen der früheren Untersucher überein- 
stimmen. Nur zu einigen Farbstoffen müssen einige Bemerkungen 
angefügt werden. 

Malachitgrün ist nach Ruhland und Overton sehr 
wenig löslich in Cholesterin-Öllösung, wo es sich erst bei 70° 
ein wenig löst. In Benzol-Lezithinlösung dagegen (OÖverton) 
ist es leicht löslich, wie ich auch bestätigen konnte. In starken 
Benzol-Cholesterinlösungen (40 Teile auf 100 Benzol) löst sich der 
Farbstoff auch in der Kälte leicht (OÖverton). 

Nilblausulfat und Nilblauchlorhydrat lösen sich 
aus n/100 wässriger Lösung recht gut in Lezitbinxylol, zu einem 
grossen Teil aber, wie auch schon andere Beobachter fanden. als 
freie Base mit rötlicher Farbe. Tropft man von solcher Lezithin- 


524 Wilhelm von Moellendorff: 
xylollösung auf Fliesspapier, so wird der Fleck beim Antrocknen 


blau, wahrscheinlich durch die Kohlensäure der Luft. Die so 
schwache Konzentration bei Nilblauchlorhydrat, wenn die Farb- 


Löslichkeit basischer Farbstoffe in 2’, igem 


Lezithinxylol. 
Konzentration 
Farbstoff bei direkter Dei Adsorption aus wässeriger Be- 
Lösung Lösung von der Konzentration merkungen 
n 100 n/10000 
Rhodamin B (Kahlb.) n 110 n’100 | n'10000 | 
Rhodamin O |  n/125 | 2100 n,10000 
Rhodamin B extra  .n/200 n/100 n/30000 
Irisamin G extra | 200 n 1000 n/’15000 
Safranin G extra | n.200 | .n!250 n’4000 
Rhodamin G extra | .n/300 | .n.100 n 5000 a 
£ MILE | 5 stärker 
Rhodamin 3 B extra | n500 \ .n/200 n.5000 f als 1/1100 
Rosanilin Base | .n/600 | ! von der 
Malachitgrün |  n/700 n/700 n.10000 | konz. w. 
Viktoriablau 4 RS | n/1000 | n/300 n 40000 | Lösung 
Chrysoidin R n 2000 n/500 n 17500 
Capriblau GON n,2000 ' .n/20000 n/50000 
Diamantfuchsin kl. Kr. ' 2/2000 |. n/5000 n 15000 
Indazin M. | .n/2000 0/5000 n/40000 
Auramin konz. n 2000 n/1500 n/20000 
Vesuvin 4 BG |  n.3000 n/3000 n/30000 
Methylviolett 5 B n/3000 ' .n.1000 n/’10000 
Kristallviolett 6 B n,3000 |  n/2000 n 10000 
Viktoriablau R n 4500 | n/400 n 20000 
Viktoriablau B | 0/5000 n/3000 
Nilblausulfat | .n/5000 . .n/30000 n 50000 
Methylenblau BX n/5000 | n/15000 | Spur 
Neutralrot n/10000 | n/25000 | n/50000 || 
Methylenblau BB n/20000 n/20000 | Spur 
Rhodamin S extra ' m/20000 n/15000 \  n/40000 
Methylengrün ' n/20000 n/20000 Spur 
Toluidinblau  .n/30000 | 210000  1n/25000 
Bismarckbraun n/50000 n/50000 | Spur 
Nilblauchlorhydrat ' n/80000 \  n.2000 n/25000 
Methylenblau rect. | Spur | Spur | Spur 
Methylgrün O0 0 Spur violett 0 


| 
Acridinrot 3 B 0 ' n10000 | Spur 
| 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 525 


stoffsubstanz in Lezithinxylol aufgelöst wird, findet sich nur in 
Versuchen bei Zimmertemperatur. Schon durch mässiges Er- 
wärmen lassen sich relativ stabile Lösungen bis zu n/4000 in 
Lezithinxylol herstellen; die relativ hohe absolute Löslichkeit 
dieses Farbstoffes in Lezithinxylol zeigt zudem der Versuch aus 
n/100 wässriger Lösung, wo die Konzentration n/2000 in Lezithin- 
xylol erreicht wird. 

Neutralrot war in meinen Versuchen stets mit roter 
Farbe in Lezithinxylol gelöst; mit Ruhlands (08) Angaben 
stimmt die relativ schwache Löslichkeit dieses Farbstoffes 
gegenüber vielen anderen basischen Farbstoffen überein. 

Methylenblau zeigt in den verschiedenen verwandten 
Marken ein recht verschiedenartiges Verhalten. Methylen- 
blau recetif. von Ehrlich ist in Lezithinxylol fast unlöslich: 
während M BBund BX etwamit Nilblausulfat und Nentral- 
rot auf einer Stufe stehen. 

Methylengrün ist nach Overton in Benzol-Cholesterin 
und Lezithin gut löslich. Ruhland, der die Höchster Marke 
extra gelblich verwandte, erklärt den Farbstoff für vollkommen 
lipoidunlöslich. Ich bekam von den Höchster Farbwerken die 
Marke extra gelblich O, die in Lezithinxylol etwa die gleiche 
Löslichkeit besitzt, wie Methylenblau BB. Bismarckbraun, das 
nach Ruhland (08) praktisch lipoidunlöslich, nach Hoeber in 
Terpentin-Cholesterin eine deutlich gegen reines Terpentin ver- 
grösserte Löslichkeit zeigt, was Rost (11) auch für Lezithin- 
xylol bestätigt, ist in meinen Versuchen zwar sehr schwach, 
aber deutlich lezithinlöslich. In Xylol ist es nur in geringer 
Konzentration löslich. 

Methylgrün OO (Grübler) ist mit Methylviolett 
verunreinigt; dies ist der einzige Bestandteil, der sich im Lipoid 
löst. Der grüne Farbstoff wird im Lezithinxylol nicht sichtbar. 
Dies Ergebnis stimmt überein mit der Angabe Rosts (1911), 
während Ruhland (v8), der offenbar auch mit einem von 
Grübler bezogenen Präparat arbeitete, angibt, dass der Farb- 
stoff in Cholesterin löslich sei, auch Overtons Angaben lauten so. 

Aus diesen kurzen Mitteilungen erhellt, dass die Angaben 
schwankend sind. Im allgemeinen kann bestätigt werden, dass 
Cholesterin, wie auch andere Autoren stets betonen, ein schlechteres 
Lösungsmittel für Farbstoffe ist, als Lezithin. Daraus wird ein 

Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt.I. 35 


526 Wilhelm von Moellendorff: 


Teil der unterschiedlichen Angaben erklärlich. Zum Teil handelt 
es sich aber wohl um die Verwendung verschiedener Präparate. 

Das lehren zum Beispiel die hier mitgeteilten Ergebnisse 
mit verschiedenen Marken von Rhodamin. Im Gegensatz zu 
den Marken B (Kahlbaum), O, 3 B extra, G extra, B extra, 
die sämtlich zu den am besten in Lezithinxylol löslichen Farb- 
stoften gehören, ist Rhodamin S extra auffallend wenig lipoidlös- 
lich. Besonders seine maximale absolute Löslichkeit scheint gering 
zu sein, während aus verdünnten wässrigen Lösungen eine relativ 
bedeutende Speicherung in der lipoiden Phase stattfindet. Rhoda- 
min S extra verhält sich auch, wie gezeigt werden soll, biologisch 
etwas abweichend. 

Trotzdem auf den ersten Blick die Verhältnisse nicht ganz 
übersichtlich sind, so ist doch unverkennbar, dass eine auffallende 
Beziehung zwischen der Fähigkeit der Farbstoffe, diffus das 
Protoplasma zu färben, und ihrer Löslichkeit in Lezi- 
thinxylol besteht. Man betrachte hierzu die Tabelle auf S. 512, 
in deren letzter Reihe die Zahlen verzeichnet sind, die die 
Konzentration angeben, in der sich die Farbstoffe in 1 ccm 
2/0 Lezithinxylol bei Überschichtung über eine n/10 000-Farb- 
stofflösung anreichern. 

Diese Zahlen wurden gewählt, weil diese Reihe der Reagenzglas- 
versuche am ehesten als Modell für die biologischen Versuche angesehen 
werden kann, in denen ja auch eine n/10000-Farbstoftlösung jeweils ver- 
wandt wurde. Selbstverständlich sind die im Reagenzglasversuche gewonnenen 
Werte infolge der schwachen Lezithinkonzentration sehr viel kleiner, als sie 
ausfallen würden, wenn etwa reines Lezithin zu den Versuchen verwandt 
worden wäre. Bei den verdünnteren Lösungen hat man jedoch den Vorteil, 
die Abstufung verschieden starker Löslichkeit bei verschiedenen Farbstoffen 
leichter prüfen zu können. Ich wollte diesen Punkt nur hervorheben, weil 
die Zellfärbungen in der Tat beträchtlich stärker ausfallen als die im 
Reagenzglas gefundenen Konzentrationswerte. Entscheidend für die folgenden 
Besprechungen ist nur die charakteristische, mit den Reagenzglasversuchen 
übereinstimmende Abstufung der Farbstoffe. 

Man beachte: 1. von den stark diffusfärbenden Substanzen, 
Safranin G extra, Rosanilin Base, Kristallviolett, Irisamin G extra, 
Chrysoidin R, Viktoriablau 4 RS, Diamantfuchsin kl. Krist., sämt- 
lichen untersuchten Rhodaminen, mit Ausnahme der Marke S extra, 
sind nur Rhodamin B extra (n/30000) und Viktoriablau 4 RS 
(n/40000) etwas weniger stark löslich in Lezithinxylol. Diese 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 527 


beiden Farbstoffe haben aber eine sehr hohe absolute Löslichkeit 
in Lezithinxylol (n/100 resp. n/300 sind die höchsten gefundenen 
Werte). Die starken Diffusfärber sind also sämtlich 
auffallend stark in Lezithin löslich. 


2. In der Gruppe der mittleren Diffusfärber sind die Werte 
schwankend. Die Werte für die Lezithinlöslichkeit sind bei der 
Mehrzahl der Farbstoffe (Viktoriablau R, Toluidinblau, Vesuvin 
4 BG, Rhodamin S extra, Indazin M) n/20000—n/40000. Der 
für diese Gruppe auffallend hohe Wert bei Viktoriablau B er- 
klärt sich daraus, dass die Löslichkeit dieses Farbstoffes in Wasser 
bei kaltem Ansetzen der Lösung sehr begrenzt ist. In dem 
Reagenzglasversuch wurde die Lösung durch Erwärmen herge- 
stellt. Aus dieser Lösung nimmt das Lezithinxylol reichlich 
Farbstoff auf. Auch Viktoriablau R gehört zu den lipoidlös- 
lichsten Farbstoffen (s. auch Ruhland). 


Ich war gleich bei den ersten Versuchen mit diesen Farbstoffen über- 
rascht, dass sie im supravitalen Versuch so rasch und intensiv färben, nach- 
dem Ruhland für Pflanzen ein Eindringen dieser Farbstoffe in Abrede 
gestellt hatte, und auch Hoeber zugegeben hatte, dass mit diesen hoch 
hochkolloidalen Farbstoffen eine relativ schwach ausgedehnte Granulafärbung 
eintritt. 

In meinen Versuchen war regelmässig schon nach 10—15 Minuten 
eine ausgedehnte mittelstarke Diffusfärbung, mit gleichzeitig sich ausbilden- 
der Granulafärbung, zu beobachten. Diese Diskrepanz mit vitalen Versuchen 
liegt zweifellos an der Methodik. Die dem Organismus entnommenen Zellen 
vermögen nicht mehr die dem lebenden Organismus eigenen Schutzkräfte 
auszuüben. Würde sich im lebenden Tiere in lebenswichtigen Organen eine 
so intensive diffuse Protoplasmafärbung ausbilden, so würde in kürzester 
Zeit eine so enorme Schädigung Platz greifen, dass das Tier an der Gift- 
wirkung einginge. Nach meiner Erfahrung gibt es nur ganz ausnahms- 
weise im lebenden Organismus eine Diffusfärbung. Nur, wenn schon äusser- 
lich das Versuchstier schwer geschädigt ist, ist eine ausgeprägte Diffusfärbung 
in vivo zu erkennen. Im supravitalen Versuche fällt diese Lebensfrage 
weg. Wir sehen hier nur die physikalisch-chemische Fähigkeit des Proto- 
plasmas, Farbstoffe aufzunehmen oder nicht. Die Funktion der Zelle, 
über die wir in solchen Versuchen Näheres nicht aussagen können, bleibt 
in diesen Versuchen ausser Betracht. 

In diesem Sinne ist für mich das Resultat mit ViktoriablauB und 
R um so charakteristischer, als für die schlechte Löslichkeit der Farbstoffe 
in Wasser das Zustandekommen einer mittelstarken Diffusfärbung erstaun- 
lich ist. Bekanntlich sind die Farbstoffe sehr grobdispers (Ruhland 1912), 
als solche sind sie zweifellos zum Eindringen in das Protoplasma weniger 
befähigt als die grosse Mehrzahl der Farbstoffe, die zur Gruppe der starken 


35* 


528 Wilhelm von Moellendorff: 


Diffusfärber gehören. Die Lösungen beider Farbstoffe sind aber ausserdem 
recht instabil, besonders in physiologischer Kochsalzlösung, auf deren Ver- 
wendung man natürlich angewiesen ist. 


Nach diesen Erwägungen halte ich es für gerechtfertigt, 
die Viktoriablaufarbstoffe der Gruppe der starken Diffusfärber 
einzureihen, ihre revera relativ schwächere Diffusfärbung dagegen 
auf Rechnung der hohen Kolloidität und der schlechten Löslich- 
keit zu setzen. 

Die umgekehrte Erwägung ist bei Acridinrot 3 B am 
Platze: dieser Farbstoff ist sehr gut wasserlöslich, leicht diffusibel, 
aber von begrenzter Lezithinlöslichkeit. Die Bezeichnung „Spur“ 
soll heissen, dass die Konzentration nicht zu bestimmen war, das 
Ergebnis des Versuches einer Speicherung in Lezithinxylol aus 
einer n/lUÖ-Lösung zeigt aber, dass seine Löslichkeit in der Tat 
nicht gross ist. Die mit diesem Farbstoff gesehene Diffusfärbung 
ist besonders auffallend, weil eine Granulafärbung in diesen Ver- 
suchen nicht zu erzielen war. Wir werden unten darauf zurück- 
kommen. 

3. Sehr klar liegen die Verhältnisse endlich bei der Gruppe 
der schwachen Diftfusfärber. Mit Ausnahme von Nilblauchlor- 
hydrat erreichen diese Farbstoffe keine grössere Konzentration 
in Lezithinxylol (bei Überschiehtung des Lezithinxylol über 
n/1LOOOV-Lösung) als n/5V000. Nilblauchlorhydrat gehört 
möglicherweise aus denselben Erwägungen wie bei Viktoriablau 
B und R zu der Gruppe der mittleren Diffusfärber: seine wässrige 
Lösung ist äusserst instabil, so dass es schwer ist, einwandfreie, 
mit den andern Farbstotffen vergleichbare Ergebnisse zu be- 
kommen. Die Farbstoffe also (Capriblau GON, Nilblau- 
sulfat, Neutralrot, Bismarckbraun, Methylenblau BB, BX und 
rectif., Methylengrün extra gelbl. O), sämtlich ausgezeichnete 
Granulafärber, sind auffallend wenig in Lezithin löslich. 

Einige andere in der Tabelle nicht mit aufgeführte Farbstoffe wurden 
nicht so genau untersucht, ergaben aber keine dem Ergebnis widersprechen- 
den Resultate. Basler Blau R und BB eignen sich zu diesen Versuchen 
schlecht wegen ihrer schlechten Wasserlöslichkeit, Methylgrün OO (Grübler) 
ist gar nicht lezithinlöslich in meinen Versuchen. Das Ergebnis ist dem- 
gemäss besonders interessant. 

Methylgrün OO, aus dessen wässriger Lösung sich nur ein 
violetter Farbstoft ausschütteln lässt (in schwacher Konzentration, 
schon von A. Fischer (1399) für eine Beimengung von Methyl- 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 529 


violett erklärt), gibt wohl granuläre Zellfärbung, auch färbt sich 
der Kernsaft hellgrün ; dass Protoplasma nimmt jedoch nur einen 
sehr langsam zunehmenden violetten Farbenton an. Dement- 
sprechend ist ja auch Methylviolett ein guter Diffusfärber. 

Dies Ergebnis, die völlige Abhängigkeit der supravitalen 
Ditfusfärbung von der Löslichkeit der Farbstoffe in Lezithin, er- 
scheint mir wichtig, besonders deshalb, weil, wie mir scheint, 
die Bedeutung der Lipoide für die Anreicherung von Substanzen 
wieder in das rechte Licht gerückt wird. Seitdem mit Sicher- 
heit erwiesen war, dass für die Farbstoffe, mithin wohl auch für 
ungefärbte Substanzen, die Lipoidlöslichkeit nicht die einzige 
Bedingung für den Eintritt in die Zelle ist, dass also jedenfalls 
nicht an der Oberfläche der Zelle eine Lipoidhaut vorhanden 
sein kann, die ganz allgemein lipoidunlöslichen Substanzen den 
Eintritt verwehrt, war man vielfach in das andere Extrem ver- 
fallen und hatte die Lipoide der Zelle für völlig bedeutungslos 
für den Stoffaustausch der Zellen angesehen. 

Aus meinen Versuchen geht nun zwar nichts hervor, das 
für eine solche Bedeutung der Lipoide im normalen Zellenleben 
sprechen würde. Esist nur, so scheint mir, bestätigt, was von 
anderer Seite auf Grund ganz andersartiger Überlegungen be- 
hauptet worden ist, dass im Zellenprotoplasma in jedenfalls ultra- 
mikroskopischer Weise verteilte Lipoide einen wichtigen Anteil 
an der Zusammensetzung dieses bislang noch unbekanntesten 
Zellenteiles nehmen. 

Ich erinnere hier kurz an die Vorstellungen, die uns 
E. Albrecht über den Bau des Zellenprotoplasmas übermittelt 
hat. In seinem Vortrag auf dem Anatomentag zu Halle (1902) 
äusserte er sich zusammenfassend folgendermassen: „l. Es existiert 
in den Zelleibern aller untersuchten Zellen eine Substanz in 
diffuser Verteilung, welche a) sehr leicht abspaltbar ist, b) schon 
durch Aufbewahrung bei Körpertemperatur (Diffusion von Plasma?) 
zu Ausbreitungserscheinungen (Myelintropfenbildung) gebracht 
werden kann, und welche c) bei Unterbindung und Wiederlösung 
von Nierenarterienligaturen eine diffuse und massenhafte Myelin- 
tropfenbildung (Pseudo -Fettdegeneration) in den Nierenzellen 
erzeugt. 2. Diese Substanz oder Substanzkategorie (Myelin — 
Lezithin?) erscheint demnach geeignet, die Leichtigkeit zu er- 
klären, mit welcher sich durch einfache Salzlösungen, ja auch 


530 Wilhelm von Moellendorff: 


durch Wasser das Zytoplasma entmischen lässt. Wahrscheinlich: 
handelt es sich bei der tropfigen Entmischung um eine Bildung 
minimaler Mengen von Seifen, welche alsdann die entweder nur 
in Eiweiss gelösten (Quincke) oder mit diesem in äusserst 
lockerer Verbindung stehenden Myelinsubstanzen zu einer ex- 
plosionsartigen Ausbreitung an der Oberfläche kleinster dadurch 
gebildeter Tropfen bringt. Die auffällige Gleichmässigkeit dieser 
Tropfen weist auf eine ziemlich eleichmässige Verteilung der 
betreffenden Substanzen in der Zelle hin. (1902.)* 

In neuester Zeit fübrten kolloidehemische Experimente und 
Überlegungen W. W. Lepeschkins (1913) zu der Auffassung, 
dass „die Hauptmasse des Protoplasmas eine emulsionskolloide 
Lösung mit flüssigem Dispersionsmittel darstelle, welche wahr- 
scheinlich zugleich molekular und mehrphasig ist.“ Das Auftreten 
von Granulis, Fibrillen und anderen Strukturelementen fasst er 
als durch eine Dispersionsverringerung bedingt auf. Da Lepesch- 
kin, wie auch schon andere vor ihm, zu einer strikten Ablehnung 
der Hypothese kommt, es gäbe eine besonders differenzierte 
Oberflächenschicht des Protoplasmas, so sucht er den Grund 
dafür, dass eine Vermischung des Protoplasmas mit der umgeben- 
den Flüssigkeit nicht eintritt, in dem Umstande, dass das Disper- 
sionsmittel des Protoplasmas eine ölartige Substanz sei. 
Diese Flüssigkeit muss aber Wasser, und zwar molekular, lösen 
können, weil bei der Plasmolyse und Deplasmolyse Wasser durch 
das Protoplasma bekanntlich sehr schnell durchdringt; hätte sich 
aber Wasser dabei im Protoplasma kolloid gelöst, das heisst, wäre 
es nur in ultramikroskopisch kleine Teilchen zerteilt, so würden 
sich die im Zellsaft molekular gelösten Stoffe auch in diesen 
kolloiden Wasserteilchen gelöst erhalten und mit denselben durch. 
das Protoplasma hindurchgehen, was nicht der Fall ist. (S. 189.) 

Lepeschkin stützt sich für diese Auffassung unter anderem 
auch auf das Verhalten von Farbstoffen. Bei den Farbstoffen, welche 
gleich schnell durch die Zellenwand diffundieren, hat die Löslich- 
keit ın ölartigen Substanzen eine grosse Bedeutung: die öllös- 
lichen Farben diftundieren viel schneller durch das Protoplasma, als 
die in Öl unlöslichen. (S. 190). 

Mit den Lipoiden innig verbunden sind die Eisweisskörper,, 
die das Wasser in Lösung enthalten: „diese Verbindung (der 
Lipoide mit den Eiweisskörpern) muss flüssig sein und nach 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 531 


ihrer Zersetzung Eiweisskörper in fester Form und in ihnen 
gelöstes Wasser ausscheiden, so dass die homogene flüssige 
Grundmasse der lebenden Substanz nach dem Absterben und der 
stattgefundenen Koagulation als eine porige, schwammartige Masse 
erscheint, deren Kanäle mit Wasser erfüllt sind und die infolge- 
dessen für alle in Wasser löslichen Stoffe gleich permeabel 
wird.“ 

An den Ausführungen Lepeschkins interessiert für jetzt 
besonders, dass sie die diffuse Verteilung lipoider Substanzen in 
der Grundmasse des Protoplasmas sehr wahrscheinlich machen. 

Es ergibt sich demnach, dass die Beziehung der Farbstoffe 
zur Grundmasse des Protoplasmas, die meine Experimente dar- 
leeren, sehr wohl so erklärt werden kann, dass wir es in diesem 
Falle tatsächlich mit einem Lösungsvorgange zu tun haben. 
Die Diffusfärbung wäre demnach nichts weiter als der Ausdruck 
für die Lösungsfähigkeit eines Farbstoffes in der kolloiden Lösung 
der Protoplasmagrundmasse. 

Hierbei ist allerdings die Einschränkung zu machen, dass bisher noch 
keine befriedigende Erklärung für die Tatsache der Lipoidlöslichkeit gegeben 
wurde; welcher Art die Lösungsvorgänge in Lipoiden sind, ob es sich dabei 
um Adsorptionserscheinungen handelt, ob andere chemische oder physikalische 
Vorgänge hierbei mitspielen, ist noch nicht genügend erklärt. So lange wir 
jedenfalls die Aufnahme der Farbstoffe in die Lipoide als eine Lösung be- 
trachten, so lange sind wir auch berechtigt, von einer Lösung der Farbstoffe 
im Protoplasma zu sprechen. 

Wie eigene noch unveröffentlichte Versuche und solche 
meiner Schülerin L. Kummer zeigen, ist das Parallelgehen von 
Lezithinlöslichkeit und Ditfusfärbungsgrad nicht auf die basischen 
Farbstoffe beschränkt. In einer Reihe von zirka 40 sauren 
Farbstoffen, die eine mehr oder weniger starke Löslichkeit 
in Lezithinxylol besitzen, stufte sich ebenfalls die im supravitalen 
Versuche gefundene Diffusfärbung nach dem Grade der Lezithin- 
löslichkeit ab. 

Ich halte es für noch nicht an der Zeit, in ausgedehnte 
Erörterungen über das Problem der Farbstoffbindung an Bestand- 
teile des Protoplasmas einzutreten, da bisher wirklich brauch- 
bares ausführlich bearbeitetes Material für diese Fragen noch 
spärlich vorliegt. Auch hier sind es, so viel ich sehe, nur die 
Untersuchungen von E. Nirenstein, die zu dem gleichen 
Problem Stellung nehmen. 


532 Wilhelm von Moellendorff: 


Die Diffusfärbung des Protoplasmas ist nach Nirenstein 
gebunden an ein Lipoid, das sich wie ein Gemisch von Öl und 
etwas fettlöslicher Säure (Ölsäure) und Base (Diamylamin) ver- 
hält. Das käufliche Lezithin hat eine grosse Übereinstimmung 
mit dem oben bezeichneten Gemisch, soll diese aber einer durch 
teilweise Zersetzung bewirkten Verunreinigung durch Säuren 
und Basen verdanken. Die Übereinstimmung mit meinen Er- 
gebnissen ist evident; mir lieferte die Verwendung von Lezi- 
thin die gleiche Beziehung wie Nirenstein das Öl-Ölsäure- 
gemisch. 

Die wesentliche Übereinstimmung mit den mir bei Auf- 
findung der Beziehungen zwischen Lipoidlöslichkeit und Diffus- 
färbungsvermögen der Farbstoffe gänzlich unbekannten Versuchen 
Nirensteins gibt meinem Schlusse eine erhebliche Sicherheit. 
Es ergibt sich also, dass in dem Protoplasma in erheblichen 
Mengen ein Lipoid, vermutlich lezithinartiger Natur, vorhanden 
sein muss. Dieses Lipoid beeinflusst in supravitalen Versuchen 
in ausschlaggebender Weise die Farbstoffspeicherung. Aus der 
Art dieser Farbstoffspeicherung lässt sich schliessen, dass das 
Lipoid im Protoplasma gleichmässig verteilt ist und nicht etwa 
seinen Sitz in Teilen der vital färbbaren Granula hat. 

Diese Tatsache hat meines Erachtens eine weittragende 
Bedeutung für die Auffassung des Zellenbaues. Es muss dabei 
besonders hervorgehoben werden, dass von den zu beobachtenden 
Färbungserscheinungen ausschliesslich die Diffusfärbung mit dem 
Grade der Lipoidlöslichkeit parallel geht. Die Tendenz zur 
Granulafärbung verhält sich geradezu umgekehrt, wie die An- 
gaben der Tabelle auf S. 512 deutlich zeigen. Im wesentlichen 
lässt sich das so ausdrücken, dass geradezu ein relativ geringer 
Grad von Lipoidlöslichkeit nötig ist, um eine Granulafärbung in 
den Zellen zu ermöglichen; vielleicht würde die Granulafärbung 
bei einem vollständig lipoidunlöslichen Farbstoff, sofern er nur 
basisch ist, die höchste Elektivität erreichen. 

Aus dieser Tatsache schliesse ich, dass Lipoide für das 
Zustandekommen der Granulafärbung nicht in Betracht kommen, 
wodurch also auch die Schlüsse ihre Bestätigung finden, die wir 
aus dem morphologischen Bilde und der Entstehung desselben 
bei der basischen Granulafärbung zogen. Wie ich weiter unten 
erörtern werde, befinde ich mich mit dieser Auffassung im 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 533 


Gegensatz zu Nirenstein, der sich die Granula ebenfalls aus 
Lipoiden aufgebaut denkt. 

Ich glaube, dass die Ergebnisse meiner supravitalen Ver- 
suche, die Beachtung der Diffusfärbung und ihrer Abhängigkeit 
von der Lipoidlöslichkeit wohl geeignet sind, zu einer Revision 
der bisherigen Ergebnisse der Lipoidhypothese von Overton 
anzuregen. Viele Tatsachen, die früher auf den Lipoidgehalt 
einer Oberftlächenschicht bezogen wurden und so wohl fälschlicher- 
weise für das Permeabilitätsproblem verwertet wurden, dürften 
durch den Nachweis der Beziehungen der lipoidlöslichen Farb- 
stoffe zum intergranulären Protoplasma in ein neues Licht ge- 
rückt werden. 


4. Die Lipoidlöslichkeit verschlechtert die Elektivi- 
tät der Granulafärbung durch basische Farbstoffe. 


Die Angaben des vorigen Kapitels haben abgesehen von der 
Bedeutung der Zellipoide für die Diffusfärbung auch schon das 
bemerkenswerte Ergebnis gefördert, dass der Grad der Lipoid- 
löslichkeit der basischen Farbstoffe gerade im umgekehrten Ver- 
hältnis steht zu der Güte der Granulafärbung, die mit den Farb- 
stoften erzielt werden kann (vergleiche dazu die Tabelle S. 512). 
Dies Ergebnis ist deshalb wichtig, weil es die erste Feststellung 
einer allgemeinen Eigenschaft der Farbstoffe ist, die mit dem 
wechselnden Wert dieser Farbstoffe für eine vitale Granula- 
färbung parallel geht. 

Fast alle guten Granulafarbstofte sind relativ wenig lipoid- 
löslich; unter den sehr stark lipoidlöslichen Farbstoffen zeigen 
nur die Viktoriablaufarbstoffe eine, allerdings mit beträchtlicher 
Diffusfärbung verknüpfte deutlich ausgeprägte Granulafärbung. 
Unter den Farbstoffen von mittlerer Lezithinlöslichkeit fallen 
durch das Fehlen der Befähigung, Granula zu färben, zwei Farb- 
stoffe auf: Rhodamin S extra, Acridinrot 3B. 

Die Beziehungen sind so auffallend, dass man schon durch 
sie zu dem Schlusse gedrängt wird, dass die Lezithinlöslichkeit 
der basischen Farbstoffe dadurch auf die Granulafärbung hindernd 
einwirkt, dass die Farbstoffe sich zum grössten Teile in dem 
intergranulären, lipoidhaltigen Protoplasma einlagern. Dieser 
naheliegende Schluss liesse aber den Einwand zu, dass Färbung 
des Protoplasmas und Granulafärbung keineswegs so innig mit- 


534 Wilhelm von Moellendorff: 


einander verknüpft seien, sondern dass beide Erscheinungen nur 
nebeneinanderhergehen. Ausserdem mussten die auffallenden, oben 
erwähnten Ausnahmen noch erklärt werden. 

Ich suchte daher die nach den bisherigen Feststellungen 
vermuteten Zusammenhänge zwischen den Lipoiden des Proto- 
plasmas und den Granulasubstanzen im Reagenzglas nachzuahmen 
und ging dabei von folgender Überlegung aus: Der Farbstoff, 
der in dem Aussenmedium enthalten ist, muss jedenfalls. ehe er 
an die Zellgranula kommt, die Grundmasse des Protoplasmas 
durchdringen. Hierbei kommt er in innige Berührung mit den 
gleichmässig in der Zelle verteilten Lipoiden. Ist er in diesen 
sehr gut löslich, so wird er, bevor er die Zellgranula erreichen 
kann, im Protoplasma haften bleiben: er wird diffus färben. Auf 
die Lokalisation des basischen Farbstoffes wirkt aber anderer- 
seits ohne Zweifel der Zug der sauren Substanzen ein, die in den 
Zellgranulis ihren Sitz haben. Ist dieser Zug stark, haftet 
andererseits der Farbstoff nicht zu stark an den Zellipoiden, so 
wird es zu einer vorwiegend granulären Färbung kommen. 

Besteht wirklich dieser Widerstreit zwischen dem Einfluss 
der Lipoide und den sauren (rranulasubstanzen, so kommt es 
darauf an, zu untersuchen, wie der in Lezithinxylol gelöste basische 
Farbstoff sich zu einer mit Lezithin nicht mischbaren Säure ver- 
hält. An Stelle der unbekannten Säuren in den normalen Zell- 
granulis konnte ich in die wässrige Phase gewisse Mengen 
saurer Farbstoffe geben, da ja die Übereinstimmung saurer 
Farbstoffgranula mit den normalen Zellgranulis bei Färbung durch 
basische Farbstoffe erwiesen ist. 

Demnach schichtete ich Lezithinlösungen basischer Farb- 
stoffe von bekannter Konzentration über bestimmte Quantitäten 
in Wasser gelöster saurer Farbstoffe; bemerkenswerterweise 
wird ein Teil der basischen Farbstoffe durch die Anwesenheit 
des sauren Farbstoffes in der wässerigen Phase aus dem Lipoid 
ausgezogen, während andere viel weniger oder gar nicht beein- 
flusst werden. 

Für die Art meiner Versuche mag folgendes Beispiel angeführt 
werden: 

Auramin, das mit Wasserblau im Verhältnis 2:1 ausgeflockt wird, 
wurde durch Erwärmen in Lezithinxylol bis zur Konzentration n/500 gelöst; 


von dieser Lösung wurden je 1 cem über a) 1 ccm Ag. dest., ;b) 1 ccm 
n/1000 Wasserblaulösung geschichtet. Nach gleichmässigem Umschütteln 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 535 


beider Gläschen war die Endkonzentration der Lipoidphase bei a) auf n/600. 
bei b) dagegen auf n/1100 gesunken. Die wässerige Phase im Gläschen a 
hatte einen hellgelben Ton angenommen; im Gläschen b dagegen war die 
Wasserblaulösung vollständig ausgefällt. Auramin war also durch das 
Vorhandensein des Wasserblau in der wässrigen Phase stark aus der lipoiden 
Phase herausgezogen worden. 

Rhodamin S extra, das mit Trypanblau, dem gegenüber sich Auramin 
ebenso verhält wie gegenüber Wasserblau, sich auch im Verhältnis 2:1 gut 
ausflockt, wird aus einer n’2000-Lösung in Lezithinxylol durch einen Gehalt 
von n’2000 Trypanblau in der wässerigen Phase aus dem Lezithin nicht 
stärker ausgezogen als durch die reine wässrige Phase. In beiden Fällen 
stellt sich die Endkonzentration n’3000 ein. 

In dieser Weise fand ich, dass alle guten Granula- 
färber aus der Lezithinlösung durch Trypanblau 
ausgezogen werden, dass dagegen die ausgesprochenen Diffus- 
färber durch die Anwesenheit von Trypanblau nicht be- 
einflusst werden. 


Von Farbstoffen, die mit Trypanblau bei Vermischung beider Farb- 
stoffe in wässriger Lösung im Verhältnis 1:1 reagieren, werden durch Trypan- 
blau aus dem Lipoid herausgezogen: am stärksten Neutralrot, gut, 
aber weniger reichlich Toluidinblau und Malachitgrün, gar nicht 
Diamantfuchsin. 

Dies Verhalten entspricht vollständig der Tatsache, dass Neutralrot 
der beste Granulafärber, Toluidenblau und Malachitgrün neben mittelstarker 
Diffusfärbung gute Granulafärbung, Diamantfuchsin bei starker Diffusfärbung 
sehr schlechte Granulafärbung ergibt. 

2:1 fällen sich mit Trypanblau Auramin, Rhodamin 9 extra, 
Safranin G extra, Methylviolett; Auramin und Methylviolett werden 
etwa so stark durch Trypanblau dem Lipoid entzogen, wie Malachitgrün, 
Safranin in kaum eben erkennbarer Menge, Rhodamin S extra gar nicht. 

3:1 fällen sich mit Trypanblau Kristallviolett, Methylen- 
grün, Rhodamin B extra. Kristallviolett und Methylengrün werden 
wieder mittelstark durch Trypanblau der Lezithinlösung entzogen, während 
Rhodamin B extra durch dieselbe vollkommen unbeeinflusst bleibt. 

Von der Mitteilung weiterer Versuche, die die hier gemachten Angaben 
bestätigen, sehe ich ab. Auch die zahlenmässig von mir bestimmten Werte 
glaube ich nicht mitteilen zu müssen, weil sie nur für den Untersucher 
Wert haben. Ich will hier nur zur Orientierung angeben, dass die Kon- 
zentrationsabnahme der lipoiden Phase in dem günstigsten Fall (Neutralrot) 
von n.3000 nach n/10000 lag, Werte, die beim Auftropfen auf Fliesspapier 
und Vergleich mit einer Fleckenskala sehr leicht annähernd genau bestimmt 
werden können. Bei den mittelstark abnehmenden Farbstoffen (Malachit- 
grün, Methylviolett usw.) betrug die Konzentrationsdifferenz etwa n/2000 bis 
n.4000, also einen Abfall auf die !» Konzentration, was auch noch sehr 
scharf bestimmt werden kann. 


536 Wilhelm von Moellendorff: 


Die mitgeteilten Versuche haben mich überzeugt, dass die 
in dem Modellversuch untersuchte Beziehung zwischen einer 
lipoiden Phase und einer wässrigen sauren Phase in der Tat die 
Verhältnisse wiedergibt. die in der Zelle zwischen Grundmasse 
des Protoplasmas und den durch basische Farbstoffe färbbaren 
Zellgranulis hergestellt sind. 

Damit ist der Weg angebahnt, um zu einem befriedigenden 
Verständnis der Tatsache zu kommen, warum unter einer grossen 
Reihe basischer Farbstoffe die einen Granula färben, andere diffus 
färben, noch andere endlich sowohl Granula wie diffus färben. 
Ehe ich aber dazu übergehe, zusammenfassend darzulegen, wie 
der ganze Vorgang dervitalen Färbung nach diesen Untersuchungen 
aufzufassen ist, muss ich noch auf einige Punkte hinweisen, die 
möglicherweise der Beweiskraft meiner Versuche entgegengehalten 
werden könnten. 

Ich habe zunächst nur gezeigt, dass bei basischen Farb- 
stoffen von gleicher Fällungskraft ein stärkeres Haften an der 
lipoiden Phase die Reaktion mit dem sauren Farbstoffe behindert, 
dass es also darauf ankommt, ob die Zugkraft des Lipoids oder 
die Zugkraft der Säure grösser ist, um eine Granulafärbung zu 
befördern oder zu verhindern. 

Es könnte ja aber auch sein, dass an und für sich die 
stärkere Lipoidlöslichkeit ein Grund wäre für das Versagen der 
Granulafärbung. Demgegenüber ist aber auf die Farbstoffe hin- 
zuweisen, die trotz relativ geringer Lipoidlöslichkeit schlecht 
oder gar nicht zu einer Granulafärbung zu bringen sind. Hierhin 
gehört Rhodamin S extra. Ebenso ist das Ergebnis bei 
Acridinrot 3 B zu erklären: dieser Farbstoff reagiert ganz 
auffallend wenig mit sauren Farbstoffen (mit Trypanblau z. B. 1:9). 
Es ist klar, dass nach dem oben Gesagten eine so geringe 
Fällungskraft selbst bei geringerer Lipoidlöslichkeit keine er- 
kennbare Anreicherung des Farbstoffes in den Zellgranulis be- 
wirken wird. 

Es zeigt sich aber auch weiter, dass unter Farbstoffen, die 
sich annähernd gleich gut in Lezithinxylol lösen, gute Granulafärber 
und schlechte Granulafärber vorkommen. In diesen Fällen werden 
die guten Granulafärber durch Trypanblau aus der lipoiden Phase 
herausgezogen, die schlechten dagegen kaum erkennbar oder gar 
nicht: Auramin, Methylviolett, Kristallviolett, Malachitgrün werden 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 9a 


gut aus der lipoiden Phase herausgezogen, sind demgemäss trotz 
hoher Lipoidlöslichkeit gute Granulafärber, das heisst, die Granula, 
besonders wenn sie sauren Farbstoff enthalten, werden zuerst ge- 
färbt, während Diamantfuchsin weder aus der lipoiden Phase 
extrahiert wird, noch Granula färbt. 

Das Ergebnis der supravitalen Färbung mit basischen Farb- 
stoffen wird also bestimmt durch das Konkurrieren der diffus im 
Zellenprotoplasma verteilten Lipoide mit den granulär abgelagerten 
sauren Substanzen (vermutlich Eiweisse) um den Farbstoff. 

An dieser Deutung, die sich mir aus den Versuchen mit 
allen daraufhin geprüften basischen Farbstoffen ergeben hat, halte 
ich auch fest angesichts der mir erst nachträglich bekannt 
gewordenen Mitteilungen E. Nirensteins(1913). Dieser Autor, 
der bezüglich der Diffusfärbung und ihrer Abhängigkeit von der 
Lipoidlöslichkeit zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam wie ich, 
dehnt seine Theorie der vitalen Färbung auch auf die Färbung 
der Granula aus. Fr nimmt an, dass die Färbung der Granula 
ebenfalls auf einem Lösungsvorgange der Farbstoffe beruht. Diese 
Annahme ist aber, wenigstens in dem Bericht über den Vortrag, 
der mir vorliegt, in keiner Weise gestützt. Im Gegenteil hatte 
schon Nirenstein (1905) ebenso wie schon viele andere Forscher 
vor ihm gezeigt, dass die Färbung der Nahrungsvakuolen bei 
Protozoen von dem Säuregehalt abhängig ist, dass der Inhalt der 
Nahrungsvakuolen nur so lange mit basischen Farbstoffen färbbar 
ist, so lange in der Vakuole saure Reaktion herrscht, ein Ergebnis 
also, das vielmehr für die Deutung der Färbung als einer Reaktion 
des Farbstoffes mit dem Vakuoleninhalt spricht, als für die An- 
nahme eines Lösungsvorganges. Ich möchte zudem noch einmal 
darauf hinweisen, dass die genaue morphologische Betrachtung die 
Frage zu Gunsten einer kolloidehemischen Reaktion entschieden hat. 

Nirenstein fand nun, dass Farbstoffe nur dann imstande 
sind, die Granula stärker zu färben als das übrige Protoplasma, 
wenn ihre Löslichkeit in Öl durch den Zusatz einer fettlöslichen 
Säure (Ölsäure) verstärkt wird. Dies ist der Fall nur bei 
basischen Farbstoffen, während saure und indifferente Farbstoffe 
nur durch den Zusatz einer fettlöslichen Base (Diamylamin) zu 
Öl in ihrer Löslichkeit beeinflusst werden. Ich halte es durch- 
aus für richtig, dass die von Nirenstein gefundene Parallelität 
besteht, sehe aber nicht, wie durch diese Auffassung die Besonder- 


538 Wilhelm von Moellendorff: 


heit der Granulafärbung gegenüber der diffusen Protoplasma- 
färbung erklärt wird. 

Die Beeinflussung der Granulafärbung durch den Säure- 
gehalt der Granula halte ich mit Nirenstein für erwiesen. 
Nirenstein musste aber zu Fehlschlüssen kommen dadurch, 
dass er die Eigenschaften der Lipoidlöslichkeit und der Säure- 
beeintlussung nicht getrennt prüfte; er verwischte das Bild 
geradezu dadurch, dass er eine fettlösliche Säure zu seinen 
Experimenten wählte. Er musste darum zu der Vorstellung 
gelangen, dass auch in den Granulis stark saure Lipoide die 
stärkere Färbung bedingen. Nachdem aber erwiesen ist, dass 
auch an sicher nicht lipoiden (sauren Farbstofi-) Granulis die 
basische Vitalfärbung gelingt, ist die ganze Vorstellung Niren- 
steins bezüglich der Granula hinfällig. 

In der Tat glaube ich, dass bisher einzig das oben S. 554 
beschriebene Modell den tatsächlichen Verhältnissen nahe kommt. 
Der Farbstoff, der in die Zelle eingetreten ist, sieht sich einem 
Milieu gegenüber, das zu einem grossen Teil aus Lipoiden auf- 
gebaut ist. Diese Lipoide sind im Zelleib diffus, möglicherweise 
als Dispersionsmittel für die emulsionsartige Masse des Proto- 
plasmas (Lepeschkin 1913), verteilt. In ihm lösen sich die 
Farbstoffe nach Massgabe ihrer Lipoidlöslichkeit (nach Niren- 
stein gemessen in einem Öl, dem etwas Ölsäure und etwas 
Diamylamin zugesetzt ist, nach mir in Lezithinxylol). Ob ein Farb- 
stoff fähig ist, sich in stärkerem Masse an die im Zelleib 
suspendierten sauren Granula anzulagern hängt ab: 1. von der 
Fällungskraft des basischen Farbstoffes (basische Farbstoffe mit 
minimaler Affinität wie Acridinrot 3 B färben schlecht) oder 
2. bei gleicher Fällungskraft zweier basischer Farbstoffe davon, 
ob die Fällungskraft die Lipoidlöslichkeit überwiegt oder nicht. 

Die Granulafärbung einerseits, die diffuse Protoplasma- 
färbung andererseits sind also nicht etwa graduell voneinander 
verschieden, wie E. Nirenstein meint, sondern sind zwei 
prinzipiell voneinander streng zu sondernde Vorgänge, die sich 
gegenseitig beeinflussen. Die diffuse Färbung ist das Ergebnis 
einer physikalischen Lösung der Farbstoffe in den Lipoiden des 
Zelleibs, die Granulafärbung kommt durch die Reaktion ent- 
gegengesetzt geladener Kolloide zustande und wird durch einen 
stärkeren Grad von Lipoidlöslichkeit behindert. 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 539 


Zusammenfassung und Zusätze. 


a) Morphologische Bewertung der Granula auf Grund vor- 
stehender Versuche. 


1. Die Granula, die mit basischen Farbstoffen vital und 
supravital färbbar sind, sind in der Regel präformierte, aber 
nicht integrierende Bestandteile des Zelleibs. 

Es ist wohl möglich, aber nicht sicher erwiesen, dass im Protoplasma 
gelöst gehaltene Eiweissstoffe durch die Einwirkung basischen Farbstoffes 
ausgefällt werden, wodurch neue Granula entstehen könnten. Prinzipiell 
unterschiede sich diese Möglichkeit nicht von der Fällung saurer Inhalts- 
massen an der Oberfläche der Granula oder im Inneren derselben. ein Vor- 
sang, der von mir genau beobachtet wurde. 

Trotz der vielfach (A. Fischel 1901, E. Goldmann 1909, 1912) 
betonten Tatsache. dass die Granula lange Zeit unverändert im Zelleib 
erhalten bleiben. sind die Granula keine unveränderlichen, zur Zelleibs- 
struktur zugehörigen Bildungen. Ihre lange Lebensdauer hängt mit der Art 
ihres Zustandekommens zusammen. Als anodische Substanzen werden sie 
durch Dispersitätsverminderung solange in den Zellen deponiert, bis die 
zuströmende Flüssigkeit keine neue Zufuhr solcher Substanzen mehr bringt. 
Das dürfte im normalen Zelleben niemals eintreten. Deswegen sind stets 
derartige Granula aufzufmden. Dass sie aber nicht konstant sind, lehrt die 
Granulabildung, die experimentell durch die Zufuhr saurer Farbstoffe her- 
vorgerufen werden kann. Solche Granula entstehen und werden um so 
stärker konzentriert, je länger eine gewisse Konzentration des Farbstoffes 
der speichernden Zelle zuströmt. Hört die weitere Zufuhr auf, so wird 
durch Dispersitätserhöhung der grösste Teil der Granula zum Abblassen 
und zu allmählichem Schwunde gebracht. Hier haben wir also den Beweis 
für die Vergänglichkeit und Veränderlichkeit des Granulainhaltes. 

2. Es ist bisher noch nicht aufgeklärt, unter welchen 
Bedingungen sich Plastosomen, das heisst integrierende Be- 


standteile des Zelleibes, färben. 

Bisher fehlt eine systematische Erforschung dieser Fragen so gut wie 
vollständig. Die zur Plastosomenfärbung angewandten Farbstoffe sind stark 
lipoidlöslich (Janusgrün, Methylviolett, Dahlia). Die Färbung geht, 
soviel aus der Literatur ersichtlich, langsam vor sich im Gegensatz zu der 
schnellen Granulafärbung. Dass tiefgreifende postmortale Veränderungen 
notwendig sind, um Plastosomen zu färben, ist noch nicht auszuschliessen. 


b) Physiologische Bewertung der Granula. 


1. Die Granula haben an der Farbstoffaufnahme keinen 
aktiven Anteil. 

Die Granulafärbung ist zurückzuführen auf den Gehalt der Granula 
an sauren Substanzen. Darüber hinaus haben die Granula keinen Anteil an 
der Färbung. 


540 Wilhelm von Moellendorff: 


Dieser Auffassung bereitet auch die Möglichkeit der Oxydasefärbung 
an diesen Zellgranulis keine Schwierigkeit. Die Oxydasereaktion verläuft 
vollständig ebenso wie die supravitale Granulafärbung, wie auch schon von 
anderer Seite hervorgehoben wurde. Der Oxydasefarbstoff wird sicherlich 
im intergranulären Protoplasma gebildet; den Granulis gegenüber zeigt er 
das Verhalten eines gewöhnlichen basischen Farbstoffes.. Auch an sauren 
Farbstoffgranulis gelingt die Oxydasereaktion ! Die Oxydase hat also in den 
Zellgranulis ihren Sitz nicht. 


2. Die Granula sind einer ständigen Veränderung unter- 
worfene kuglige Einschlüsse des Protoplasmas mit einem flüssigen 
Inhalt, der vermutlich eine wässrige Lösung kolloid gelöster 


Stoffe (Eiweisse, Kohlehydrate, vielleicht auch Fettsäuren) darstellt. 

In die Granula können sich Pigmente einlagern, ebenso wie kolloide 
saure Farbstoffe. Die Zahl der Granula kann vermehrt werden je nach der 
Zufuhr „granulafähiger“ Substanzen. 

Dass der Inhalt der Granula in der Regel flüssig ist, zeigt die 
Beobachtung Brownscher Molekularbewegung, feiner Körnchen in „aus- 
geflockten“ Granulis. Nur bei extremer Konzentration, vollständiger Aus- 
flockung, kann der Inhalt des Granulums fest werden. 

Über die Natur der Inhaltsstoffe ist bisher nichts Bindendes auszu- 
sagen. Er ist jedenfalls sehr veränderlich. Dass Fettsäuren (Nirenstein) 
sich an dem Aufbau der Granula beteiligen, ist nicht völlig auszuschliessen ; 
jedenfalls ist die Anwesenheit von lipoiden Substanzen für die Färbbarkeit 
unwesentlich, die Anwesenheit von Säuren notwendig. 

Das Bestehen der Granula in der vermutlich wesentlich aus Lipoiden 
zusammengesetzten Lösung des Protoplasmas spricht für den Aufbau der 
Granula aus einer mit Lipoiden nicht mischbaren Flüssigkeit. Wahrschein- 
lich sind die Granula also Tröpfchen einer wässerigen Lösung. 

3. Die Granula können wahrscheinlich entgiftend wirken 
durch Bindung basischer Gifte. Möglicherweise kommt dieses 
Verhalten bei der Einwirkung der Alkaloidbasen in Betracht. 

Alle wesentlichen Lebensprozesse spielen sich wahrscheinlich in der 
Grundmasse des Protoplasmas ab; hier hat zum Beispiel die Oxydase ihren 
Sitz usw. Die Granula verhalten sich bei der vitalen Färbung passiv. 
Die Giftwirkung eines Farbstoffes entfaltet sich vermutlich um so stärker, 
je mehr der Farbstoff entweder infolge starker Lipoidbeziehungen oder nach 
Absättigung der Granula sich in die Grundmasse des Protoplasmas einlagert. 
Vermehrt man die Menge der sauren Zellorte im Körper durch granuläre 
Ablagerung saurer Farbstoffe, so wird die Giftwirkung basischer Farbstoffe 
abgeschwächt (s. E. Herzfeld 1916). 


c) Die Färbung der Granula. 
1. Die Färbung der Granula ist bewirkt durch eine Reaktion 


des basischen Farbstoffes mit der in den Granulis vorhandenen 
kolloidalen Säure. 


Die Bedeutung von sauren Kolloiden und Lipoiden. 54l 


Ob die Reaktion unter Salzbildung verläuft oder eine kolloidehemische 
Fällung darstellt, ist nicht entschieden. Die Vorgänge bestätigen jedenfalls 
die Heidenhainsche Ansicht von der Umsetzung zwischen Eiweisskörpern 
und Anilinfarben. Nur muss auch in diesen Fällen die physikalisch-chemische 
Forschung noch entscheiden, ob es sich um Kolloidfällung oder typische Salz- 
bildung handelt. 

Ein Lösungsvorgang kommt nicht in Betracht; jedenfalls ist er stets 
sekundär beteiligt und analog der Lösung des Fällungsproduktes im Über- 
schuss einer der beiden reagierenden Komponenten (saurer und basischer 
kolloidaler Farbstoff). Eine spezifische Löslichkeit der Farbstoffe in einer 
lipoiden Substanz (A. Pappenheim, R. Hoeber, E. Nirenstein u. a.) 
kommt für die Granula nicht in Betracht. 

2. Die Färbung der Granula wird beinflusst durch die im 


intergranulären Protoplasma (Grundmasse) vorhandenen Lipoide. 

Entscheidend ist das Verhältnis zwischen Lipoidbeziehung und 
Fällungskraft jedes basischen Farbstoffes. Ist bei zwei gegebenen basischen 
Farbstoffen die Lipoidlöslichkeit gleich gross, wird derjenige die Granula 
besser färben, dessen Fällungskraft die Lipoidlöslichkeit überwindet. Wenig 
lipoidlösliche Farbstoffe mit starker Fällungskraft sind gute Granulafärber, 
stark lipoidlösliche Farbstoffe mit schlechter Fällungskraft sind vorwiegend 
Diffusfärber. 


7. Literaturverzeichnis. 


1. Albrecht, E., 1902: Artefacte zur Cytologie. Verh. Anat. Ges,, 
Halle a. S., 211—213. 

2. Fischel, A., 1901: Untersuchungen über vitale Färbung. Anat. Hefte, 

Bd. 16, 417—519. 

Derselbe, 1910: Vitale Färbung. Enzykl.d. mikr. Techn. 2. Aufl., 559-601. 

Fischer, A., 1899: Fixierung, Färbung u. Bau d. Protoplasmas. Jena, 1899. 

Garmus, A., 1912: Fortgesetzte Untersuchungen über die physiologische 

Permeabilität der Zellen IV. Zeitschr. f. Biol. N. F. 58, 185—236. 

6. Goldmann, E., 1909: Die äussere und innere Sekretion des gesunden 

Organismus im Lichte der „vitalen“ Färbung. Tübingen, Laupp. 

Derselbe, 192: Neue Untersuchungen über die äussere und innere 

Sekretion des gesunden und kranken Organismus im Lichte der „vitalen“ 

Färbung. Tübingen, Laupp. 

Derselbe, 1913: Vitalfärbung und Zentralnervensystem. Abh. d. Kgl. 

Preuss. Akad. Wissensch. 1913, Physik.-math. Cl. 

9. Heidenhain, M., 1911: Plasma und Zelle, II. v. Bardelebens 

Handb. d. Anat. 8, 434—487 (dort weitere Literatur). 

10. Herzfeld,E., 1916: Über die Natur der am lebenden Tier erhaltenen 
granulären Färbungen bei Verwendung basischer und saurer Farbstoffe. 
Anat. Hefte, Bd. 54, 447—523. 

11. Hoeber,R.,1901 : Über die Resorption im Darm. Pflüg. Arch. 86. 199— 214. 
12. Derselbe, 1909: Die Durchlässigkeit der Zellen für Farbstoffe. Biochem. 
Zeitschr. 20, 56—99. 
Archiv f. mikr. Anat. Bd.90. Abt. 1. 36 


So 


-] 


an 


542 Wilhelm von Moellendorff: Die Bedeutung von sauren Kolloiden. 


31. 


32. 


Derselbe, 1914: Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 4. Aufl. 
(dort weitere Literatur). 

Derselbe und Nast, O., 1913: Weitere Beiträge zur Theorie der Vital- 
färbung. Biochem. Zeitschr. 50, 418—437. 


. Hofer, Br., 1890: Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss 


des Kernes auf das Protoplasma. Jen. Zeitschr. f. Nat. 24, 105—175. 
Laguesse, E., 1912: Methode de coloration vitale des chondriosomes 
par le vert Janus. Compt. rend. Soc. Biol. Paris, 73, 150—153. 


. Lepeschkin, W. W., 1913: Über die kolloidehemische Beschaffenheit 


der lebenden Substanz und über einige Kolloidzustände, die für dieselbe 
eigentümlich sind. Kolloidzeitschrift 13, 181—192. 

Loewe, 8., 1912: Zur physikalischen Öhemie der Lipoide, I—IV. 
Biochem. Zeitschr. 42, 150—218. 

Michaelis, L.: Die vitale Färbung, eine Darstellungsmethode der 
Zellgranula. Arch. mikr. Anat. 55, 958—575. 


. Moellendorff, W. von, 1918: Zur Morphologie der vitalen Granula- 


färbung. Arch. mikr. Anat. (dort weitere Literatur). 

Nirenstein, E., 1905: Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protisten. 
Zeitschr. allg. Physiol. 5, 435—510. 

Derselbe, 1913: Das Wesen der Vitalfärbung. Verh. Ges. Deutsch. 
Naturf. u. Aerzte, 85. Vers. Wien 1913, II. 2, S. 8—78. 

OÖverton, E., 1900: Studien über die Aufnahme von Anilinfarben 
durch die lebende Zelle. Jahrb. wiss. Bot, 34, 669— 701. 
Pappenheim, A., 1911: Über die Vitalfärbung und die Natur der 
vital färbbaren Substanzen der Blutkörperchen. Fol. haemat. 12, Arch. 
289—301 (dort weitere Literatur des Autors). 


d. Pelet-Jolivet, L., 1910: Die Theorie des Färbeprozesses. Dresden, 


Steinkopff, (dort ausführliche Erörterung der physikalisch-chemischen 
Eigenschaften der Farbstoffe mit Literaturangaben). 


;. Plato, J., 1900: Über die vitale Färbbarkeit der Phagozyten. Arch. 


mikr. Anat. 56, 868—917. 

Rost, Fr., 1911: Über Kernfärbung an unfixierten Zellen und inner- 
halb des lebenden Tieres. Pflüg. Arch. 137, 359—421. 
Ruhland, W., 1913: Zur Kritik der Lipoid- und der Ultrafiltertheorie 
der Plasmahaut nebst Beobachtungen über die Bedeutung der elektrischen 
Ladung der Kolloide für ihre Vitalaufnahme. Biochem. Zeitschr. 54, 
S. 59 (dort weitere Literatur des Autors). 

Seyewetz, A., 1900: Sur les combinaisons des matieres colorantes 
acides avec les matieres colorantes basiques. These de Lyon. 


. Teague, OÖ. und Buxton, B. H., 1907: Die Agglutination in physi- 


kalischer Hinsicht, IV. und V. Zeitschr. physik. Chem. 60, 469-506. 
Traube, J. und Koehler, F., 1915: Über Farbstoffe. Intern. Zeitschr. 
physik.-chem. Biol. 2, 197—226. 

Vaubel und Bartlet, 1906: Über die Verwendung von Methylen- 
blau zur quantitativen Bestimmung von Sulfosäuren aromatischer Amido- 
und Oxyverbindungen. Zeitschr. f. Farbenind. 5, 102. 


Die Implantationsstelle eines ganz frühzeitig 
abortiv ausgestossenen menschlichen Eies. 
Von 


Franz Keibel, Strassburg i. Els. 


Mit 7 Figuren im Text. 


Durch meinen Freund, Herrn Professor Sellheim in 
Tübingen, erhielt ich einen Uterus. der hatte entfernt werden 
müssen. weil sich in ihm ein über kindskopigrosses Myom und 
mehrere hühnerei- bis billardkugelgrosse Myome befanden und 
schwere Erscheinungen hervorriefen. 

Aus der Anamnese ist folgendes hervorzuheben. 

Die Frau O., von welcher der Uterus stammt, war 33 Jahre 
alt und seit 6 Jahren kinderlos verheiratet. Die Periode war 
früher ganz regelmässig alle 4 Wochen, zuletzt war sie 6 Wochen 
vor der Operation aufgetreten. So wurde eine „ganz beginnende 
Gravidität“ vermutet ; „jedenfalls konnte sie nicht älter als 
einige Wochen sein.“ 

Bei Eröffnung des Uterus, der in Formol fixiert und dann 
mit Zenker-Formol nachbehandelt worden war, erschien die 
Oberfläche der Schleimhaut gefurcht und gewulstet, ein Ei aber 
konnte ich nicht finden. Es musste sich also, nahm man Gravi- 
dität an, um eine „ganz beginnende“ Gravidität handeln. Es 
wurden nun zunächst einige besonders hervorragende Wülste aus 
der Schleimhaut ausgeschnitten und in Serienschnitte zerlegt. 
Bei der Untersuchung dieser Schnitte fand sich nun freilich kein 
Ei. wohl aber ergab es sich, dass die Schleimhaut, nach dem 
Charakter ihrer Drüsen beurteilt, durchaus den Charakter einer 
graviden Schleimhaut aufwies. Auffällig war dabei die Über- 
 schwemmung der gesamten Schleimhaut mit Leukozyten. So 
wurde die Hoffnung genährt, ein ganz junges Ei zu finden. 
Ich zerlegte daher den Uterus zunächst in Scheiben von 1 mm 
Dicke, aber es fand sich bei der sorgfältigsten Durchmusterung 
dieser Schnitte mit der stereoskopischen Lupe kein Ei. Der eigen- 
tümliche Charakter der Schleimhaut veranlasste mich aber noch 

36* 


544 Franz Keibel: 


weiter zu gehen. Die einzelnen Scheiben des Uterus wurden in 
Serien von 10 « Dicke zerlegt und zunächst jeder zehnte Schnitt 
untersucht: an Stellen, die irgendwie anuffielen, dann jeder Schnitt, 
und so ergab sich denn, freilich erst nach der Untersuchung sehr 
vieler Schnitte und nachdem meine Geduid nahezu erschöpft war, 
des Rätsels Lösung. Es fand sich eine kleine, im grössten Durch- 
messer 3— 4 mm messende Stelle. die von einer Fibrinplatte 
gebildet wurde, auf der sich, der Uteruslichtung zugekehrt, auch 
synzytiale Riesenzellen und vereinzelte Reste von Chorionzotten 
nachweisen liessen. Ich sage „Fibrin“platte, denn die Platte 
sieht nicht nur bei Hämatoxylin-Eosinfärbung wie Fibrin aus, 
sondern gibt auch nach der Kokkelschen Methode Fibrin- 
reaktion. Die Weigertsche Methode wurde in der von Schmorl 
(Die pathologisch -histologischen Untersuchungsmethoden, 5. Aufl., 
1909, S. 126) für mit chromsauren Salzen behandelte Präparate 
angewandt. Auch sie gab ein positives Resultat. Man dürfte 
sonach berechtigt sein, von Fibrin zu sprechen. 

Es handelte sich also in dem vorliegenden Falle sicher um 
eine frühe Gravidität, aber diese Gravidität war kurz vor der 
Operation unterbrochen worden. Dass der Abort schon vor der 
Operation, vielleicht veranlasst durch die der Operation voran- 
gehenden Untersuchungen und die Vorbereitungen zur Operation, 
erfolgte, dafür scheint mir die Anamnese zu sprechen. 

Ob auch die überaus starke Durchsetzung der Schleimhaut 
mit Leukozyten im gleichen Sinne zu verwerten ist, muss zweifelhaft 
bleiben, da ja diese Überschwemmung mit Leukozyten vielleicht 
auch auf die myomatöse Erkrankung zu beziehen ist. 

Die genaue Altersbestimmung des Eies, welche natürlich 
von grösstem Interesse wäre, stösst auf Schwierigkeiten. Aus 
der (Grösse der Implantationsstelle auf die Grösse des Eies zu 
schliessen, dürfte deshalb nicht angehen, weil ja die Muskulatur 
des Uterus sich bei der Operation und beim Einlegen in Formol 
stark zusammengezogen und daher die Insertionsstelle verkleinert 
hat. Wir werden also zunächst nur schliessen dürfen. dass die 
Insertionsstelle einen Durchmesser gehabt hat, der grösser war 
als 3—4 mm. Ein Vielfaches dieser Grösse wird man freilich 
kaum anzunehmen haben, da bei der stark ausgebildeten und 
überaus lockeren Spongiosa der Schleimhaut die Uteruszusammen- 
ziehung sich auf die Kompakta, in der das Ei implantiert war, 


Die Implantationsstelle eines menschlichen Eies. 545 


nicht unvermittelt geltend machen konnte. Auch machen die Zellen 
dieser Schicht durchaus nicht den Eindruck, als wären sie zusammen- 
gepresst, und der Uterus war noch wenig vergrössert, seine 
Wand nur wenig gedehnt. So kommen wir vielleicht der Wahrheit 
nahe, wenn wir annehmen, dass der grösste äussere Durchmesser 
des Eies nicht grösser war als 6—S mm, jedenfalls nicht grösser 
als 10 mm. Man würde dann auf ein Alter des Eies von 
3—4 Wochen schliessen können. Die Reste der Chorionzotten 
sind zu spärlich, um aus ihnen sich ein auch nur einigermassen 
gesichertes Urteil über das Entwicklungsstadium des Bies bilden 
zu können. Jedenfalls widerspricht ihr Bau der oben gemachten 
Annahme nicht. Man kann in ihnen nur ganz kleine Blutgefässe 
in geringer Zahl nachweisen, wobei ja zu beachten ist, dass 
ganz kleine Blutgefässe sich unter den obwaltenden Verhältnissen 
der Beobachtung leicht entziehen können. Es bleiben nun für 
die Altersbestimmung noch die Verhältnisse der Menstruation 
zu erwägen, um so mehr, als die Periode stets einen regelmässigen 
vierwöchentlichen Typus gezeigt hat. Die letzte Menstruation 
hat 6 Wochen vor der Operation stattgefunden, der Abort, meiner 
Ansicht nach, unmittelbar vor der Operation. Dass das Ei von 
einer Ovulation herstammt, welche vor der letzten Menstruation 
liegt, halte ich für ausgeschlossen; das Ei kann keinesfalls älter 


546 Franz Keibel: 


als 6 Wochen sein. Das Ei stammt demnach von einer Ovulation. 
welche zwischen der letzten Periode und der ersten ausgebliebenen. 
stattgefunden hat, und sein Alter würde sich auch auf 3—4 Wochen 
berechnen lassen, was mit meiner vorher ausgesprochenen An- 
nahme übereinstimmt. 

Wenn es nun ja auch bedauerlich ist, dass man das Alter 
der vorliegenden Gravidität doch nur annähernd bestimmen kann. 
so bietet das in seiner Art bis jetzt einzig dastehende Präparat 
doch so viel Interessantes, dass es auf jeden Fall eine sorgfältige 
Beschreibung verdient. 

Die Uterusschleimhaut zeigt an Stellen, welche von der 
Implantationsstelle entfernt liegen. also bestimmt waren, später 
Decidua vera zu bilden, noch keine deutlichen Deziduazellen. 
dagegen ist in der Nähe der Implantationsstelle eine Umbildung 
der Bindegewebszellen in Deziduazellen im Gange, und an der 
Implantationsstelle und in ihrer unmittelbaren Umgebung sind 
die Deziduazellen in der Substantia compacta gut entwickelt. 
Fig. 1 gibt diese Verhältnisse wieder. 

Hier eine Einschaltung über die Nomenklatur. Schlagen- 
haufer und Verocay haben jüngst bei der Beschreibung 
eines jungen menschlichen Eies (Archiv für Gynäkologie, 
Band 105. Heft 2, 1916) betont, dass man von Dezidua. z. B. 
von Decidua basalis oder von Decidua capsularis, nicht sprechen 
dürfe. wenn in den besprochenen Geweben noch keine Dezi- 
duazellen gebildet wären. Sie sagen, es erscheine ihnen besser, 
in jungen Stadien von Dezidua überhaupt nicht zu sprechen, 
denn wo „keine Deziduazellen, da auch keine Dezidua“. Das ist 
doch wohl nicht richtig. Membrana decidua heisst hinfällige Haut, 
und diese Namengebung bezieht sich auf das spätere‘ Schicksal 
der Bildungen, welche man als Deziduae bezeichnet. Die Dezidua- 
zellen haben ihren Namen bekommen, weil sie sich in den Deziduen 
ausbilden, nicht umgekehrt hat man von membranae deciduae 
gesprochen, weil diese besonderen Zellen in ihnen entstehen. 
Die gleiche Überlegung gilt, wenn die Autoren sagen: „Von einer 
decidua compacta oder spongiosa kann wohl nicht die Rede sein, 
da noch keine wirklichen Deziduazellen vorhanden sind, dagegen 
von einem stratum compactum und spongiosum.“ 

Kehren wir jetzt nach dieser Abschweifung zu der Schilderung 
des Präparates zurück, so finden wir, dass sich an den Schnitten 


Die Implantationsstelle eines menschlichen Eies. 547 


feststellen lässt, dass überall im Uterus, soweit ich ihn untersucht 
habe, und das ist an den verschiedensten Stellen geschehen, in 
der Schleimhaut eine kompakte und eine spongiöse Schicht nach- 
zuweisen ist. Die weiten Räume der spongiösen Schicht werden 
durch die mächtig ausgedehnten tiefer gelegenen Teile der Uterus- 
drüsen gebildet, deren Wände gegen die Lichtungen hin gefaltet 
vorspringen und mit dem eigenartigen garbenartigen Epithel 
bekleidet sind, wie wir es bei Hitschmann und Adler schon 
für die Drüsen in der prämenstruellen Zeit beschrieben finden 
(vergl. Grosser, Vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte der 
Placenta (1909), Fig. 143, 147 u. 149 und denselben im Hand- 
buch der Entwicklungsgeschichte des Menschen (1910), Bd. I, 
Fig. S5 und 87). 

In beiden Schichten der Schleimhaut lässt sich durch die 
Methode von Bielschowsky-Maresch ein feines Binde- 
gewebsgerüst nachweisen. Die Figuren 2 und 5 geben Schnitte 
durch die Drüsen der spongiösen Schicht der Uterusschleimhaut 
wieder. 


y \ 
Be SEN 
aD 


v 


u 


2 
RN 
zo 
2 
a] 


548 Franz Keibel: 


Wenden wir uns jetzt zur Implantationsstelle. Sie ist in 
Fig. 4 bei schwacher Vergrösserung dargestellt: die Fig. 5, 6 und 7 
seben Teile der Implantationsstelle bei stärkerer Vergrösserung. 
Wir finden an ihrer dem Uteruslumen zugekehrten Seite spär- 
liche Reste von Zotten, Zellsäulen und Synzytium mit Riesenzellen. 

In den Zotten kann man kleine Blutgefässe vereinzelt nach- 
weisen. Das Bindegewebe der Zotten zeigt mit der Methode von 
Bielschowsky-Maresch behandelt ein reiches Gerüstwerk 
von Bindegewebsfasern, es ist von einer Langhans’schen Zell- 
schicht und von einer Synzytialschicht umgeben. 


Die Implantationsstelle eines menschlichen Eies. 549 


Peripher von den Resten der Zellsäulen und der Zotten, 
wo solche vorhanden sind, lässt sich eine Lage nachweisen, die 
mit der Kokkelschen Methode und der Schmorlschen Modi- 
fikation der Weigertschen Fibrinmethode (angewandt nach 
den Vorschriften von Sechmorl: Die pathologisch-histologischen 
Untersuchungsmethoden, fünfte Auflage, 1909) die Fibrinreaktion 
gibt. Diese Schicht färbt sich, wie schon bemerkt, auch mit Eosin 
wie Fibrin und erscheint dabei basalwärts gegen die Deziduazellen 
nicht scharf abgegrenzt. In ihr finden wir eingebacken Kernreste, 
die zum Teil auf die Kerne von Leukozyten und Deziduazellen 
zurückzuführen sind; ob auch Kernreste des fetalen Synzytiums hier 
zu Grunde gehen, konnte ich nicht feststellen. Es ist nicht 


“2 


%6 
% 
9 


u eier‘ 


550 Franz Keibel: 


wahrscheinlich, da sie sich, wie später noch genauer geschildert 
werden soll, sonst überaus aktiv und lebenskräftig erweisen. 

Jetzt folgt die kompakte Schicht der Decidua basalis. In ihr 
können wir drei Arten von Zellen unterscheiden, zunächst typische 
Deziduazellen. dann Leukozyten, deren Kerne vielfach mehr oder 
weniger hochgradige Zerfallserscheinungen aufweisen und schliess- 
lich ganz eigentümliche grosse Zellen, deren Protoplasma bei 
Hämatoxylin-Eosin Färbung, aber auch bei anderer Färbung 
dunkel erscheint. wie das Protoplasma des Synzytiums. 


Die Implantationsstelle eines menschlichen Eies. 551 


Was die Deziduazellen anlangt, so stehen diese in engsten 
Beziehungen zu dem PBindegewebsnetz, welches die Kompakta 
durchzieht. Vielfach gewinnt man den Eindruck, als wenn die 
Fasern dieses Gerüstwerkes geradezu in der äusseren Schicht der 
Deziduazellen liegen (vergleiche Fig. 1). 

Die Leukozyten liegen vereinzelt oder auch zu mehreren in 
Lücken, welche im Gewebe ausgespart sind. Das meiste Interesse 
erwecken die grossen Zeilen mit dunkelm Protoplasma. Betrachtet 
man die Schnitte, so scheint es sich da meist um grosse Einzel- 
zellen von rundlicher Gestalt zu handeln. In manchen Fällen 
sieht man aber auch zwei oder mehrere Kerne und kann Über- 
gänge zu synzytialen Riesenzellen nachweisen. Vielfach findet 
man die Zellen in Reihen angeordnet, oder auch nur zu zweien, 
aber nicht rundlich, sondern lang ausgezogen. Das Protoplasma 
solcher Zellreihen kann zusammenhängen. Gegen die Umgebung 


20 mm Fig. 6. 


552 Franz Keibel: 

sind die Zellen, um die es sich hier handelt, meist durch einen 
mehr oder weniger ausgeprägten Spaltraum abgegrenzt. Zu dem 
Bindegewebsgerüst der Dezidua haben sie offenbar keine Be- 
ziehungen. In manchen Fällen erscheinen sie längs der Blut- 
gefässe, doch wohl in Lymphspalten angeordnet. In Blutgefässen 
selbst findet man sie nur ganz vereinzelt; auch überschreiten 
die Zellen das Gebiet der Kompakta kaum. 

Wie entlang mancher Blutgefässe, mögen die Zellen auch, 
sonst in den Lymphgefässen und den Lymphspalten stecken, doch 
lässt sich durchaus nicht sagen, dass sie überall in präformierten 
Räumen liegen. ‚Jedenfalls haben sie im Gegensatz zu den Dezidua- 
zellen keinerlei Beziehungen mit dem durch die Silberimprägnation 
so reich zur Anschauung zu bringenden Bindegewebsgerüst der 
Kompakta. 

Wir kommen so zur Frage nach der Natur und der Genese 
dieser auffallenden Zellen. Es kann meiner Meinung nach kein 
Zweifel darüber bestehen, dass es sich um Zellen handelt, die 


Die Implantationsstelle eines menschlichen Eies. 553 


fetaler Natur sind und zwar um Abkömmlinge von den Zellen der 
Zellsäulen und des Synzytiums des Eies. Dafür spricht nicht nur 
ihr ganzes Aussehen, man kann auch Stellen in den Schnitten 
finden. an denen man den Zusammenhang erkennen kann. Die 
Fig. 5, 6 und 7 geben dafür Beispiele. 

Auf den Schnitten erscheinen die meisten der Zellen als 
isolierte einkernige Bildungen. Andere Zellen sind aber mehr- 
kernig und neben den isolierten rundlichen Bildungen erscheinen, 
wie schon erwähnt, Ketten von Zellen. deren Protoplasma mitein- 
ander in Zusammenbang steht, die also als synzytiale Bildungen 
aufzufassen sind. Von den Bildungen, die in den Schnitten sich 
als einkernige isolierte Zellen darstellen, kann man nun natürlich 
auch nicht sagen, dass es sich bei ihnen sicher um einkernige 
Zellen handelt. Es könnten quer durchschnittene Zellketten sein. 
Immerhin sind die isolierten Gebilde so zahlreich, dass man wohl 
annehmen darf, dass es sich nicht bei allen um Querschnitte durch 
solche Zellketten handelt. 

Nieht unwichtig erscheint mir das Präparat für die Ab- 
grenzung des fetalen und des mütterlichen Gebietes. Die Grenze 
des mütterlichen Gebietes wird einwandfrei durch die dem Lumen 
des Uterus zugekehrte Abgrenzung des Bindegewebsgerüstes und 
durch den Fibrinstreifen gegeben. Dagegen ist das fetale Gewebe 
nicht in gleicher Weise scharf abzugrenzen. Wir finden durch 
die ganze Kompakta verteilt fetale Elemente, welche, da sie nicht 
in den Blutgefässen liegen, nicht durch den Blutstrom einge- 
schleppt sein können, sondern selbständig in das mütterliche 
Gewebe eingewandert sein müssen, ja deren Einwanderung man 
an günstigen Stellen direkt beobachten kann. Dass sich in den 
Venen des Präparates nur ganz vereinzelt fetale Zellen nachweisen 
lassen, kann natürlich nicht dafür angeführt werden, dass solche 
nicht doch auch durch den Blutstrom in grösserer Zahl ein- 
seschleppt werden. Bei der Kontraktion des Uterus während der 
Operation und in Formol können solche Zellen mit dem Blute 
entleert worden sein. 


Erklärung der Textfiguren. 


Fig.1. Nach Bielschowsky-Maresch mit Silber imprägniert. Vergr. 300:1. 
Fig.1 stelltein Stück der kompakten Schicht der Uterusschleimhaut 
in der Nähe der Implantationsstelle dar. Nach oben liegt das einschich- 


954 


Fig. 2. 


Franz Keibel: 


tige Uterusepithel. Die Zellen der Kompakta sind durchweg in Dezidua- 
zellen umgebildet, zwischen denen durch die Silberimprägnation nach 
Bielschowsky-Maresch das reiche Gerüstwerk der Bindegewebs- 
fasern zur Darstellung gebracht ist. Gegen das Uterusepithel hört 
dieses Gerüstwerk, gelegentlich etwas verdichtet, mit scharfer Grenze 
auf. Es steht in inniger Beziehung zu den Deziduazellen und scheint 
teilweise in ihrem Protoplasma zu liegen. In zahlreichen kleinen 
Lücken, immer deutlich getrennt von dem Gerüstwerk, wie von dem 
Protoplasmaleibe der Deziduazellen, liegen Leukozyten, deren Kerne 
vielfach in Zerfall begriffen sind. 

Färbung: Hämatoxylin-Eosin. Vergr. 200:1. 

Schnitt durch die gewucherten Drüsen der Spongiosa an der 
Implantationsstelle. Das Protoplasma der Epithelzellen zeigt An- 
deutungen von Granula, wohl die Andeutung von Sekretionsvorgängen. 
Zottenförmige Wucherungen ragen in das Drüsenlumen hinein. Diese 
Wucherungen bestehen nicht nur aus Epithelzellen, ihr Grundstock 
wird von Bindegewebszellen des Gerüstwerks gebildet. Das binde- 
sewebige Gerüstwerk zwischen den Drüsen ist kernreich. Gegen die 
untere Grenze der Figur sind zwei kleine Gefässe quer getroffen. 


g. 3. Imprägnation mit Silber nach Bielschowsky-Maresch. Vergr. 200:1. 


Fig. 4. 


Schnitt durch die gewucherten Drüsen der Spongiosa an der 
Implantationsstelle. Das Epithel und die zottenförmigen Wucherungen 
verhalten sich wie in Figur 2. In den bindegewebigen Septen ist 
das reiche Gerüstwerk zur Darstellung gebracht, das sich auch in 
die zottenförmigen, in die Drüsenlichtungen hineinragendenWucherungen 
fortsetzt. Die Kerne der Bindegewebszellen sind nicht zur Darstellung 
gebracht. 


Färbung mit Hämatoxylin-Eosin. Vergr. 75:1. 

Schnitt durch die ganze Dicke der Uterusschleimhaut an der Im- 
plantationsstelle, unten in der Figur ist auch noch ein kleiner Teil 
der Muskelschicht dargestellt. Man erkennt, dass die Schleimhaut 
in einen kompakten, dem Uteruslumen zugekehrten Teil, — in der Figur 
oben — und in einen spongiösen Teil — unten in der Figur — zerfällt. 
Die basalen, der Uterusmuskulatur benachbarten Drüsen zeigen keine 
so hochgradigen Veränderungen als die anderen, vor allem fällt auf, 
dass ihr Epithel einen anderen Uharakter hat. 

Der dem Uteruslumen zugekehrten Fläche der Schleimhaut sehen 
wir links ein Paar Zotten anlagern. Man kann an ihnen den binde- 
gewebigen Kern, die Langhanssche Zellschicht und die Synzytium- 
schicht unterscheiden. Auch sonst erkennt man synzytiale Wucherungen. 
Links sehen wir unter der Zotte und dem Synzytium eine Endothel- 
schicht, die wohl einem arrodierten Blutgefäss angehört, rechts sehen 
wir die Fibrinplatte nicht scharf gegen die Decidua compacta abgegrenzt, 
in ihr Bruchstücke und Reste zu Grunde gehender Kerne. Die Kom- 
pakta ist in ihrer ganzen Ausdehnung ausserordentlich stark von Leu- 
kozyten infiltriert. deren Kerne, bei der schwachen Vergrösserung des 


Fig.D. 


Fig. . 


[wi 
Di 
OU 


Die Implantationsstelle eines menschlichen Kies. 
Übersichtsbildes, wie kleine Punkte erscheinen. Wesentlich grösser 
erscheinen die Kerne der blassen Deziduazellen, und dann finden wir, 
durch die ganze Kompakta verteilt, grosse dunkle Zellen, die vom 
Synzytium und von den Zellsäulen des Fetus herstammen. 

Färbung Hämatoxylin-Eosin. Vergr. 300:1. 

Ein Teil der dem Uteruslumen zugekehrten Fläche der Implan- 
tationsstelle bei starker Vergrösserung. Der Decidua compacta liegen 
hier einige Zotten an. An den Zotten erkennt man den bindegewebigen 
Kern, die Langhanssche Zellschicht und die Synzytialschicht. 
Man erkennt, wie die Langhanssche Zellschicht in die Zellsäulen 
übergeht. Zwischen den Zotten und der zelligen Dezidua liegt ein 
schmaler Fibrinstreifen mit Kernresten. Etwas links von der Mitte 
des Bildes erkennt man eine Einbruchsstelle von synzytialen Zeilen in 
die Dezidua. In der Dezidua selbst sieht man zwischen den blassen 
Deziduazellen zahlreiche Lücken, in denen einzeln oder auch zu 
mehreren Leukozyten mit mehr oder weniger zerfallenen Kernen liegen. 
Ausser den synzytialen Zellen an der Einbruchsstelle sehen wir eine 
grössere Zahl von grossen Zellen mit dunkelm Protoplasma, sicher 
Zellen fetaler Herkunft. 


. Färbung: Hämatoxylin-Eosin. Vergr. 300:1. 


Ein Teil der dem Uteruslumen zugekehrten Fläche der Implan- 
tationsstelle. Der Uteruslichtung zugekehrt, etwa in der Mitte der 
Figur eine synzytiale Riesenzelle, rechts und links davon fetale Zellen 
die wohl einer Zellsäule angehört haben, und die in die darunter 
gelegene Dezidua einwuchern. Sie ordnen sich dabei zu Strängen oder 
Reihen an. Links in der Figur sieht man, wie ein solcher Zellstrang 
dem Verlaufe eines Gefässes folgt. Die Dezidua ist sehr stark mit 
Leukozyten durchsetzt, diesen und den einwuchernden Zellen gegen- 
über treten die eigentlichen Deziduazellen ganz in den Hintergrund. 
Färbung: Hämatoxylin-Eosin. Vergr. 300:1. 

Ein Teil der dem Uteruslumen zugekehrten Fläche der Implan- 
tationsstelle. Diese Fläche ist hier zum grössten Teil von einem fetalen 
Belag von Synzytium bedeckt, nur etwas rechts von der Mitte liegt 
der Fibrinstreifen mit seinen eingebackenen Kernresten frei. Besonders 
links ist der synzytiale Belag deutlich, und hier sieht man an zwei 
Stellen das fetale, synzytiale Gewebe in die darunter liegende Dezidua 
eindringen. Ganz an der linken Seite der Figur sieht man einen Zell- 
strang, der sich in einzelne Zellen aufzulösen scheint, und etwas 
weiter rechts gehen von einer Stelle des synzytialen Belages gleich 
zwei Zellstränge in die Tiefe, so dass das Bild einer Gabel zustande 
kommt. Rechts sehen wir in der Figur in einer Gewebsspalte einen 
längeren Strang fetaler Herkunft, der sich in einzelne Zellen aufzulösen 
scheint. Die Leukozyten sind nicht ganz so zahlreich wie an anderen 
Stellen, so dass die Deziduazellen etwas mehr zur Geltung kommen, 
Die epitheliale Lamelle am unteren Rande der Figur gehört dem 
Epithel einer Uterusdrüse an. 


fi Bu 


Een Er re 


ra 


fe 
um» 
GV 


Archiv f. mikroskop. Anatomie Ba. XC. Abt. I. 


e 


een TEE TERRR x 
N SR Se nr 2 
STERN x OR 


Sa 
ER 


\ Archiv für mihroskop. Anatomie Bd. XC, Abt. I 


N B 


u 


En 


ah 


nr 


Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. XC, Abt. I | 
|. Taf. III 


rn 


; $ ni 
FR RS, 


ER R 


Is 
(g FR 
7, -®. 
® ® = 


h 


2) DE EN 

a 
„ihn 
Ro 


® 


i 
A 
\ \ 
B 
1 
x 
E | 
i 
2 
’ 
- 
j “si 
j : 
Pa 
n 
f NA 
l 
f 
' 


Kaninchenniere 


Ansatz 


Archiv fmikroskop. Anatomie Bd.XC, Abt.I 
== Mäuseschnauze 2 
: Nez 


Muskel-Sehnen 


Sn ade Zu tel 


Mäuselunge 


TE 


Werner u.Winter, Frankfurt %M. 


Archiv f mikroskop. Anatomie BbadXG, Abt1. - 
Taf v. 


as ae 


WJ Schmidt gez 


Werner « Winter Frankfurt M Pi 


Archiv £ mikroskon. Anatomie Ba XC, AbLI. 


WJ,Schmidt gez 


Taf VI. 


& 


win. 
teedah 


‚Archiv £mikroskop. Anatomie Bd. 1.XXXX, Abt. 


Taf. VAL. 


Bra,” 


Ko 


w2. 


“ 
& 
EG 2 


, Frankfurt ®M. 


Archiv £ mikroskop. Anatomie Bd. 1X, Abt. 


W.J Schmidt gez 
Werne 


Archiv Kmikroskop. Anatomie Bd.X6, Abtl. 


F 


61° 


610 
61° ® 
I 
62» ; 
j en, „* 
3 see 
66 
67 3 
r 


Tat I. 


Tu £ 
a 1 
h. © 
j4 
2 
Lr7 
“ 
f 
» 
\ 
ı 
0 
U 
fi 
en ale 
R 
% 
8 
“- 
7 
KT 
\ 


% 


Archiv Emikroskop. Anatomie bd.XC, Abt. 


San «7 
N 


u ae BET x 
X a Nensle 
[) 


SUR) 


Warnera.inter Frana® 


“a Ri 
Il © 9 a 
Ha 

ab P 


“ 
' v 
{ vis 
|’ & ar s 
Ir 
„. > 
” FR j 
i 
WW ee ee 
„ * £ 
A 
ER” 
N - 
= 5 
’ ei 
MM 
B 
u 
- s 
Me 
> 
% n 
Ai 
vs h 
hr 
ß ” 
M R 
"A 3 
“A . 1# & 
x "@ > ü 
ü 1 


rY 


Bee, 


” 


3 


v 


u 


% 


. 


H 
f 

“ 
E 


Archär Fmikroskop.Inatomie BANG. Abk. Ar 
R 
e 
2 
i FR 
fe ‚r IES Y 
KUHN E 
ET | 
u 
0 
j 
1} 
* 
ML Pe 
ER, ee 
IDEAR a ART 
ENT h 
« ’ 


= = _ — en 
Ihrer u Hinter, Feuer AM, 


| j 
| F h 
' 
T 3 ‘ 
t % 
’ 
3 
( * 
k 
| 2 
' 
Y 2 


A 


Se; 


ty 


H 
Bu 


Lu 


ULLA 


Abt.I. 


r 
+ 


ss 


0 
a 


Kmikroskop. Anatomie bd..XC 


SSNEENN x 


vw. 


Archir 


Archiv Kmikroskop. Anatomie Bd.XC,Abt.]. 


Archiv [mikroskop. Anatomie Bd.XG, AbtI. 


Taf: XIV. 


ta 


Frankbur 


Merner u. Winter 


a j 
“ 
s 
P 
za l 
BU, | 
AR 
f 
B 
» 
\ i 
“ 
j 
” 
\ 
’% v 


> 
f 
’ 
‘ 
N 
1, 
v 
” 
D 
! 


ER - 


Fr 


” 


En nn 


— 


Fa 


ie Bd,XC, AbEI. 


fmikroskop. Anatom, 


rs 


u 


we wu 


\ 


u 


fe: 


ellendorff 


Mo 


M.vor 


; 
£3 
R 
Ss 
5 
SE 
K3 


u 


y 5 
ee DE 
r 


Y 
* 
Fn 


- 


Archiv [ mikroskop. Anatomie Bd.XC, Abt. Taf MM. 


N ar = ——— 
Mvon Moellendorff f2s. Werner uWinter,Frankfurt®M. 


. 
ren E 
DRIN 7 
en 
.. 


Mic} 
ER NEIENH 
Ri a ERDE. 
ae 
BIER IN ö e 

PIERRE TEIL TEN IE} bi . 
De  } LI NE 33 u} DE DE Au IE 7 7} 

Ic BE.) PROncH 


“. s \r 
NE re 

ee ie 
VE - Er) 


- FF - BEN » 
BIT 
e a. 


A 


u A 2 
DEE MENT 
. 
f ve + 
EZ He 
” es 
& 


wir 
ERCHEME) 

# ee 

..... RE EN HE 3 

ee .. IE IE RE 


es 
Pace} EN 
Pu EZ ge DE 22 2 Zu 2} 
ET SCHLIIG| 
z. 9% 
2 »r ne #, 
HELEN NG 
EEE * 


nahen 
EIERN EN 


A * . EI 4 ” x PIC Een 
a a ae EEE EHE MEN} 
DEE IE I Hey BEE NE Me ee 7 
Ta ne BER EEE IE) 4 F *“. 
MUNKENTKEN E 
u. 
* 


+ “+ Een 
EEE IE NEN MR 76 3 ter 
a a P - 
. EEE ; N a 
Es 36) + ‚2% PR PERER) 
Me 6) . De PIE 
A , .. Pr oh . en + no + PEYEIEHLIT, 
Bee JE y ZNe- ” 


s* 
BEINE IE 
en ve “ 
+ 7 Dr 
I 
EEE IE HE ME 


PETE NE Mey) $ + E 
TE a Dee ye} « vr ö 2 en 
c Rh, 


„+ 
Sy) 
ae ) 
PIE NN u 3 


” mv, 4 
rare \ 
Te ee 
PIE EDS) } . ART y 
s Y N 


) 1 
N 


ee in N “ P 
a ie £ F “a. Eure ums 
y eh ae 
aa ee M"