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ARCHIV
FÜR
OHEEN
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ILKÜNDE
1 VEREIN MIT
Prof. A. BÖTTCHEL in Dorpat, Prof. AD. FICK in Wüezbüro,
Prof. V. HENSEN in Kiel, Prof. C. E. E. HOFFMANN in Basel,
Prof. M. KOPPE in Halle, Prof. A. LUCAE in Berlin, Prof.
E. MACH IN Prag, Dr. A. MAGNUS in Königsberg, Prof.
A. PRUSSAK IN St. Petersburg, Prof. E. ZAüFAL in Prag
HERAUSGEGEBEN VON
Prof. v. TROLTSCH Prof. ADAM POLITZER
in würzbürg. in WIEN.
UND
Prof. H. SCHWARTZE
in halle.
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ZEHNTER BAND
(Neue Folge. Vierter Band.)
m.
Mit 2 Holzschnitten und 4 Tafeln.
LEIPZIG,
VERLAG VON F. C. W. VOGEL.
1876.
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Inhalt des zehnten Bandes.
Erstes Heft
(ausgegeben am 16. Juli 1875). ^
Seite
< I. Anatomische Bemerkungen über die Gestalt und Lage des Ostium
pbar^^ngeum tnbae beim Menschen. Von Dr. Victor Urban-
tschitscb, Docent für Ohrenheilkunde an der Universität in
Wien (Tafel I.) 1
n. lieber eine efgenthümlich^QI^SMft« von Epithelialauflagerang am
Trommelfell und im äusseren Gehörgang. Von Dr. Victor
ürbantschitsch (Tafel I.) 7
i m. Die Lichtreflexe des Trommelfelles. Von Dr. F. Traut mann
(Fortsetzung) 10
t IV. Die normalen Bewegungen der Pharyngealmündung der Eustachi-
schen Röhre. Dritter Artikel. Von E. Zaufai . . . . . 19
V. Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. Von
H. Schwartze (Fortsetzung) 23
VL Besprechungen.
1. Die Krankheiten der Nasenrachenhöhle und des Bachens.
Von Herrn. W e n d t. (Ziemssen's Handbuch der speciellen
Pathologie und Therapie VII. Bd. 1. Hälfte.) Angezeigt
von V. Tröltsch 47
2. Annales des maladies de Toreille et du larynx (Otoscopie,
Laryngoscopie, Kbinoscopie), fond^es et publikes par La-
, dreit de Lacharriere, Isambert et Erishaber.
I Angezeigt von Schwartze 51
! VII. Wissenschaftliche Kundschau.
' 1. Zur Morphologie der Tuba Eustachü von Prof. Gerlach.
(v. Tröltsch) . .< 53
2. Die Fossa jugularis und ihre individuelle Grössenverschie-
denheit. Vorläufige Mittheilung von Prof. Dr. Rü ding e r.
(Zaufai) 54
3. Zur Therapie der mit adenoiden Vegetationen im Rachen-
raum complicirten Erkrankungen des Mittelohres von
Prof. Dr. Adam Politzer. (Trautmann) 55
4. Ein neues Verfahren zur Herausbeförderung flüssiger Sub-
stanzen aus den Räumen des Mittelohres, von Prof. Dr.
Jos. Gruber. (Trautmann) 56
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GlAHBlTDB JOHsBl-aKI.
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IV Inhalt des zehnten Bandes.
S«ite
5. Ein Fall von Ausstossung des ganzen Annulus tympanicus
sammt einem beträchtlichen Theile der Schuppe des
Schläfenbeines durch den äusseren Grehörgang. Gene-
sung des Patienten. Von Prof. Gruber. (Trautmann) 57
6. lieber Entfernung beweglicher Exsudate aus der Trommel-
höhle, von Prof. Dr. A. Politzer. (Trautmann) . . 58
7. Zur Anatomie des Gehörorganes, von Prof. A. Politzeif.
tTrantmann) ^ . 59
8. Zur pneumatischen Ohrenlnpe, von Prof. Voltoiini.
(Trautmann) 61
9. lieber Mvringomycosis aspergillina, von Dr. Cassels.
(Jacoby) 65
10. Bericht über klinische Fälle von Ohrkrankheiten, deren
Hauptsymptom subiective Geräusche waren, von Dr.
Lawrence Turn bull, Ohrenarzt am Howard-Hospital zu
Philadelphia. (Jacoby) 67
11. Transactions of the american otological society seventh
annual meeting. (Jacoby) 70
12. 13. De la maladie deMeni^re von Eduard Voury. — Maladie
de Meni^re von Joseph Bertrand. (Jacoby) .... 83
Berichtigung von^Dr. Urbantschitsch 86
Zweites nnd dbrittes (Doppel-) Heft
(ausgegeben am 17. December 1875).
Vin. Die Lichtreflexe des Trommelfelles. Von Dr. F. Trautmann.
(Schluss) 87
IX. Zur Casuistik der Knochengeschwtilste des äusseren Gehörganges.
Von Dr. L. B. in Hamburg 1 10
X. lieber die Entzündung des Mittelohres bei Neugeborenen und
Säuglingen. Von Dr. Kutscharianz aus Tiflis .... 119
XI. Ein neuer Apparat zur Untersuchung des Nasenrachenraumes
und des Kehlkopfes. Von Dr. Schalle, Stabsarzt a. D. in.
Dresden. (Tafel II u. III.) 128
Xn. Ein Beitrag zur Frage : Enthält die Chorda tympani „Geschmacks-
fasern T*" Von August Carl, approbirt. Arzt in Frankfurt a/M. 1 52
Xni. Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzen fortsatzes. Von
H. Schwartze (Fortsetzung) (Tafel IV) 179
XIV. Besprechun.gen.
The Questions of Aural Surgery by James Hin ton, Aural-
Surgeon to Ouy's Hospital. — An Atlas of diseases of
the Membrana Tympani. One hundred and fifty draw-
ings by band, with descriptive text by James Hin ton.
Besprochen von Dr. James Patterson Cassells
(Glasgow) 206
XV. Wissenschaftliche Rundschau.
1. Ueber die Meni^re'sche Krankheit und den Schwindel bei
Krankheiten des Ohres. Von Dr. Ladreit de Larra-
chi6re. (Jacoby) 216
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ür. Jos. äimrook. {J&cob;)
8. JshreBbericht der Philadel phia-ÄtiBtalt zur BehaDdluDf von
Ohrenkranken von Ch. H. Barnett, (jacoby) . .
XVI. Er^nzuDK der Berichti gang deBHeimDr. Urbantschitscb.
von E. Zaofal
XYII. BerichtigQD^ von Dr. C. Michel (Eüln)
XYin. Antwort anf <iie BerichtigODg des Herrn Dr. C. Michel von
E. Zaufal
Viertes Heft
(ausgegeben am 4. Februar 1876).
XIX. Zar CiehJfrprUfang auf Grund einer Beobachtung von Nekrose
der Schnecke. You Dr. Hercaann Dennert, AssiBtenzarzt
der Berliner Universitats-Poltklinik für Ührenkranke ... 231
XX. Ueber Ansstossubg der nekrotischen Schnecke mit Bemerkun-
gen über den relativen Werth der üblichen Methode der Hör-
prUfang. Von August Looae 236
XXI. Ueber die Stärke des bei der Luftdonche erforderlichen Luft-
druckeB. Von H, Schwartze 240
XXn. Kleinere Mitthcilungen.
1. Eine einfache Methode, den Bcfieispiegel vor dem Auge
zu befestigen. Von Dr. FoerBter, Assistenzarzt im
1- Schles. GrenBd.-Reg. Nr. 10 au Breslau 243
2. Nachtrag zu dem im .vorigen Hefte enthaltenen Anfsatze:
Ein neuer Beleuchtungsapparat für Pharyngoskopie etc.
Von Dr. Schalle 244
XXUI. Wissenschaftliche Rundschau.
1. Zur Perforation des 'Troninielfelles von Dr. A. Bing.
(Jacobj;) 245
2. Schwindel in Folge von Ohrenkrankheiten, [^ach einem
klinischen Vortrage von Prof. Cbarcot. (Jacoby) . 246
3. Die Ohrkrankheiten der Kaninchen von Prof. Zum.
(v. TröltBChl 247
4. Zwei] Warzenfortsatz - Operationen von 0. Kappeier.
(V. Tröltsch) 248
yi Inhalt des zehnten Bandes.
Seite
5. Das Verhältniss der Tabenmtindnng zum Gaumensegel am
Lebenden betrachtet durch die Nase, von Dr. Michel.
(Schwartze) 250
6. Ueber chronischen Rachenkatarrh und dessen Heilung durch
die Galvanokaustik von Dr. Mich eh (Schwartze) . 251
7. Charcot, Gu^rison de*lamaladie de Meni^re parle sulfate
de quinine. (Kuhn) 251
8. Roudot, Sarcome du Jobule de Toreille. (Kuhn) . . . 252
9. Darolles, Otite aigne mo;^enne; paralysie /aciale et me-
ningite aigue par irruption du pus dans Taqu^duc de
Fallope. (Kuhn) 253
10. Herpin, Absc^s du cerVelet, cons^cutif ä une l^sion du
rocher. (Kuhn) 254
^11. Loewenberg, lieber die nach Durcbschneidung derBo-
y gengänge des Ohrlabyrinthes auftretenden Bewegungs-
störungen. (Schwartze) 255
12. Infection purulente, suite d'otite interne, obs^rvöe par le
Dr. Goldschmidt , par M. E. Tourneret. (Schwartze) 255
13. Caries des Felsenbeines. Drehbewegungen. Facialisläh-
mung. Erweichung des Ganglion Gasseri mit Ernährungs-
störung des Auges von T^donat. (Schwartze) . 256
14. Ueber Nekrose des Gehör-Labyrinths von Ernst Böters»
Diss. inaug. Halle 1875. (Jacoby) 256
15. Otitis und ihre Beziehungen zur sogenannten Erkältung.
Klinischer Vortrag des Prof. C, B, Agnew. (Jacoby) 258
16. Zur Morphologie der Tuba Eustachi! von Prof. Dr. Ger-
lach. iZaufal) 259
17. Notiz zur Beurtheilung des normalen Situs der Eustachi-
schen Röhre von Prof. Dr. W. Flemming. (Zaufal) 259
18. Ueber ein neues Verfahren zur Wegsammachung der Eusta-
chi'schen Ohrtrompete und zur Ventilation der Trommel-
höhle. Von Prof. Dr. Jos. Gruber. (Zaufal) ... 261
19. Ueber einen Recessus salpingo-pharyngeus von Dr. Emil
Zuckerkandl. (Zaufal) 261
20. Zur Anatomie der Tuba Eustachi! des Menschen, von Dr.
Victor Urbantschitsch. (Zaufal) 262
21. Subcutane Injectionen von Strychninum nitricum gegen
nervöse Schwerhörigkeit und Innervationsstörungen der
Binnen-Muskeln des Mittelohres. Vorläufige Mittheilung
von Dr. Hagen. (Jacoby) 265
XXIV. SitzungsprotocoU der Section für Ohrenheilkunde auf der 48. Ver-
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte inGratz 1875 266
XXV. CoDgr^s international des Sciences m^dicales — Brüssel 1875
(Section d'Otologie) 283
Literatur 303
f(^'< 'I
^ MAy23 1902
I.
Anatomiscbe BemerknngeD aber die Gestalt nnd L^;e des
Ostinm pharyngenm tnbae beim Henscben
von
Dr. Tietor Urbantsehitseh,
Docent für Ohrenheilliunde an der Uniyersitftt in Wien.
(Hierzu Tafel T.)
Bei Untersuchung einer grösseren Anzahl von Eustachischen
Ohrtrompeten des Menschen findet man an dem Ostium pharyn-
genm sowohl hezüglich der Formation und Grösse des Tuben-
knorpels^ als auch hinsichtlich des Lumens der Rachenmündung
bedeutende Verschiedenheiten, welche auch bei Individuen im
gleichen Alter, ja selbst bei Vergleichung beider Ostien des-
selben Individuums, oft in auffälliger Weise hervortreten. Die
Veränderungen in der Gestalt des Tubenknorpels betreffen so-
wohl die mediale, wie auch die laterale Platte. So erscheint
der mediale Knorpel bald nach hinten spitz auslaufend
(s. Fig. I. w«.), bald in seinem unteren Ende kolbenförmig ver-
dickt (Fig. IV. m.) oder höckerig gegen das Lumen der Pharynx-
mtmdung vorspringend, zuweilen wieder gegen den Boden der
Tuba eingerollt (Fig. II. m.). An manchen Präparaten zeigt die
mediale Platte an ihrem unteren Rande eine gabelige Spaltung
und zwar gewöhnlich in der Weise, dass das eine Theilstück
nach hinten, das andere nach vorn verläuft (Fig. II. m.). Sehr
häufig ist die mediale Platte am Ostium pharyngeum in ihrer
ganzen Breite nach vom gekrümmt, was mir besonders an
jugendlichen Individuen auffiel, während in anderen Fällen der
Knorpel vollkommen gestreckt nach hinten unten verläuft. Die
concave Gestalt des Knorpels tritt zuweilen gleichzeitig nach
zwei verschiedenen Richtungen auf, nämlich einerseits nach vom,
andererseits nach innen in Folge des Vorspringens beider Enden
ArchiT für Ohrenheilkunde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 1
2 I. ÜRBANTSCHITSCH
des Tubenknorpels gegen die Mittellinie des Pharynx (Fig. I).
Zu erwähnen wäre noch die plötzliche Verbreiterung des unteren
Theiles der medialen Platte; während nämlich ungefähr an den
oberen ^/a der Tuba eine allmähliche trichterförmige Verbrei-
terung gegen die Rachenmündung stattfindet, so nimmt dagegen der
mediale Knorpel in seinem untersten Drittel gewöhnlich plötzlich
an Breite zu, so zwar, dass er dadurch mit dem anstossenden mitt-
leren Drittel entweder einen stumpfen Winkel bildet oder einen
Bogen, dessen Concavität nach hinten unten gekehrt ist (Fig. I. m,).
In ähnlicher Weise wie die mediale Platte erscheint auch der
laterale Knorpel am Ostium pharyngeum verschieden ge-
formt ; nur selten trifft man ihn hirtenstabähnlich eingerollt, son-
dern meistens als eine vollkommen gestreckte Platte, welche mit
dem medialen Knorpel bald einen spitzen, bald einen rechten,
ja selbst einen stumpfen Winkel bildet (Fig. V. /.). Zuweilen
lässt der laterale Knorpel eine kleine Spiraldrehung erkennen,
indem sein freies Ende gegen die Mitte desCavum pharyngeale
vorspringt, während der andere, in den medialen Knorpel über-
gehende Theil nahezu senkrecht auf der Längsaxe der Tuba
steht (Fig. III. /.). An anderen Präparaten wieder tritt die
laterale Platte nur als eine knopfformige Verdickung der me-
dialen auf (Fig. n. /.).
Ich möchte jedoch hierbei betonen, dass die beschriebenen
Formationen beider Tubenknorpel nur speciell dem Ostium pha-
ryngeum zukommen und för die höher gelegenen Partien der
Ohrtrompete keine Geltung besitzen, wie dies besonders deutlich
am lateralen Knorpel ersichtlich ist, welcher regelmässig aus der
gestreckten Stellung im weiteren Verlaufe der Tuba allmählich
in die bekannte hirtenstabförmige Krümmung übergeht.
Selbstverständlich können die oben angeführten Variabili-
täten im Bau des Tubenknorpels auch auf die Gestaltung der
Bachenmündung von Einfluss sein. So findet beispielsweise bei
beträchtlicher Verdickung des unteren Theiles der medialen
Platte eine Verengerung des Ostium pharyngeum statt, besonders
wenn der Knorpel an seinem unteren freien Ende gleichzeitig
nack vom gekrümmt ist, also in das Lumen des Kanales vor-
springt (Fig. IV. m\). Im Uebrigen jedoch ergeben die Prä-
parate, dass die Weite der Rachenmündung nicht immer von
der Beschaffenheit des Knorpels abhängt und oft in Fällen von
gleichgestalteten Tubenknorpeln ein verschiedenes Verhalten
aufweist.
Anat. Bemerk, über. d. Grestalt u. Lage des Ost. pharyng. tubae. 3
Zuweilen wird die Weite der Rachenmündung von der ver-
schiedenen Stärke der häutigen Tuba beeinflusst. Diese nämlich
stellt sich bald als eine zarte Membran dar, bald wieder als
ein resistentes, dickes Gewebe, welches stark in das Lumen des
Eustachischen Kanals hineinragt und dadurch eine bedeutende
Verkleinerung des Ostium pharjmgeum herbeizuführen vermag
(Fig. IV. h,). An manchen Präparaten ist unterhalb des late-
ralen Knorpels eine Hervorwölbung der membranösen Tuba er-
kennbar, an deren Stelle ein andermal wieder eine Einbuchtung
sichtbar wird.
In den von mir untersuchten Fällen lag der Grund dieser
Hervorwölbung, resp. Vertiefung, in dem verschiedenen Bau der
inneren Lamelle des Processus pterygoideus des Keilbeines,
welche bald unmittelbar am lateralen Knorpel endet, bald wieder
weiter nach hinten unten reicht. Im ersten Falle sinkt die
membranöse Tuba, besonders wenn sie dünn, also wenig resistent
ist, nach vorne in die Fossa pterygoidea ein, während im zweiten
Falle die weiter nach abwärts steigende Lamelle eine Hervor-
wölbung der häutigen Tuba herbeiführen kann (Fig. VL Pr. pL).
Die Gestalt und das Lumen der Pharynxmündung ergibt im
Allgemeinen eine grosse Mannigfaltigkeit und erscheint bald als
Spalte, bald in Form einer Birne, deren Basis gewöhnlich nach
aufwärts, ein andermal wieder nach abwärts gekehrt ist; zu-
weilen bildet das Ostium pharyngeum eine ellipsoidische oder
auch eine dreieckähnliche Figur (Fig. VI.), eine Nierenform
(Fig. Vn.) etc.
Auf diese verschiedenen Formationen der Rachenmündung
erweist sich in vielen Fällen das Ligamentum salpingo-palatinum
von grossem Einfluss.
Als Lig. salp. pal. bezeichnet Zuckerkandl*) eine Gruppe
sehniger Fäden, welche vom pharyngealen Ende des lateralen
Knorpels nach abwärts zum Gaumen zieht und dabei das Ostium
pharyngeum nach- vom umgrenzt (Fig. V. bei /.). In Verbindung
mit dem unteren Theile des Lig. salp. pal. finde ich an vielen
Präparaten eine Reihe von Sehnenfäden, welche nach vorn von
dem Ligam. salp. pharyng., von dem unteren Ende des medialen
Knorpels entspringen und sich theils zu den Gaumenmuskeln
begeben, theils mit dem Lig. salp. phar. vereint nach rückwärts
zu den Pharynxmuskeln treten. Sie verstärken sich noch durch
*) Monatsschrift für Ohrenheilkunde. 1875. Nr. 2.
1*
I. URBANTSCHITSCH
andere Fasern*, welche vom Tubenboden» ausgehen und bereits
von Moos*) und Zuckerkandl**) beschrieben wurden (Fig. I.
u. V. X. s, /?.).
Die Stärke des Lig. salp. palat. ist sehr variabel; so treten
in manchen Fällen die einzelnen Portionen dieses Ligamentes
schön entwickelt auf und heben die Schleimhaut in Form einer
mehr minder scharfen Leiste empor; ein andermal wieder sind
sie erst nach Abhebung der vollkommen glatten Schleimhaut
nur als schwache Faserztige erkennbar. Auch die Richtung,
welche die vom lateralen und medialen Knorpel stammenden
Stränge einschlagen, ist keineswegs constant. Man findet nämlich,
dass einerseits die vom lateralen Knorpel abgehende Portion
mit dem Haupttheile ihrer Fasern bald direct nach innen unten
zieht, bald wieder mehr nach hinten unten, wobei sie den Tuben-
eingang in einem verschieden weiten Bogen umkreist; anderer-
seits verlaufen die, dem medialen Knorpel angehörenden Sehnen-
fäden nicht immer zum Gaumen, sondern lenken zuweilen in die
Bahn de^ Ligam. salp. pharyngeum ein, mit welchem sie sich
nach hinten zu den Constrictoren des Pharynx begeben, während
nur vereinzelte! schwache Fasern vom medialen Knorpel zu den
Gaumenmuskeln treten und sich hier mit dem lateralen Antheile
des Lig. salp. palat. vereinen.
Solche diflferirende anatomische Verhältnisse vermögen auch
unter Anderem die früher erwähnten dreieckähnlichen und ovalen
Formationen der Pharyngealmtindung zu bilden, von denen die
erstere bei stark entwickelten und spitzwinkelig aneinander
stossenden Portionen des lateralen und medialen Lig. salp. pal.
zu Stande kommt (Fig. V.), indess die ovale Form durch einen
bogenförmigen Verlauf des lateralen Lig. salp. pal. bedingt sein
kann.
Die Richtung, welche das Ostium pharyngeum einnimmt,
ist meistens eine schiefe, von vorn oben nach hinten unten ; nur
ausnahmsweise zeigt sich die Rachenmtindung -fast vertical oder
auch im Gegentheil beinahe horizontal gestellt. Bei Neugebomen
und bei sehr alten Individuen bemerkte ich häufig ein annähernd
kreisrundes Ostium pharyngeum. Was schliesslich die Lage der
Pharyngealmtindung betriflft, so erwähnt schon Kunkel***), dass
sich das Ostium pharyngeum tubae im fötalen Zustande unter-
*) Beiträge z. Anat. u. Phys. der Eustach. Röhre. Wiesbaden, 1874.
**) s. oben.
***) Hasse, Anat. Studien. 1873.
Anat. Bemerk, über d. Gestalt a. Lag
halb des weichen Gaumens befindet
mählich über denselben hinaufrückt.
Individuen der verschiedensten Leb<
dass die Stellung der Pharynxmtindi
dem Alter zuweilen nicht unbedeutei
worfen ist, wie dies aus der nachi
sich auf 35 Fälle bezieht, hervorgeht,
bedeuten Centimeter.)
Erklärung der Abbi
(Tafel i.)
Bei sämmtlichen 7 Figuren bedeutet:
m = medialer Tubenknorpel.
/ = lateraler Tubenknorpel.
L. s, p» = Ligamentum salpingo-palatinu
Z. s, ph. =^ Ligamentum salpingo-pharyn
h = häutige Tuba.
Pr, pt. = Processus pterygoideus (Lamii
Fig. I, IV— VII betreffen die Rachenmtin
leren Lebensalter.
Fig II Tuba einer 70jährigen Frau.
Fig. III Tuba eines 12jährigen Knaben.
ÜRBANTSCHITSCH, Ostium pharyngeum tubae.
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11.
Ueber eine e^enthflmlielie Form von Epithelialasftagen i
am Trommelfell und im äusseren Gehörgang
Yon
Dr. Vietor Urbantsehitsch.
(Hierzu Tafel I.)
Herr College Dr. B., praktischer Arzt in Wien, consulti
mieh im Jahre 1872 wegen einer acuten Otitis externa diffi i
des rechten Ohres, welche, wie die Untersuchung ^rgab, e
Perforation des unteren Trommelfellsegmentes bedingt ha
Patient behandelte sich selbst mittelst Einträufelungen adstric i
render Mittel und der Luftdouche, worauf im Verlaufe Ton z\
Monaten die Eiterung gänzlich sistirte. Bei einer im driti
Monate nach dem Auftreten der Otorrhöe vorgenommenen Ocul
inspection fand ich den äusseren Gehörgang normal , wogeg :
das Trommelfell einen höchst auifälligen Befund darbot. I
im Uebrigen vollkommen normal erscheinende Membrana tympi
zeigte nämlich an mehreren Stellen glänzend weisse, seh;i
umschriebene Auflagerungen , als ob das Trommelfell an dies :
Partien von kleinen Perlen besetzt wäre. Von diesen pei
artigen Oebilden befanden sich 2 am unteren Trommelfellsc i
mente, während am hinteren oberen Quadranten weitere 4
einer Gruppe enge beisammen standen (Fig. A).
Obgleich in diesem Falle die beschriebenen Geschwülste wol
kaum eine Verwechselung mit Trommelfell -Ektasien zuliesse
so versuchte ich doch durch Veränderung des Luftdruckes i
äusseren Gehörgange ah denselben irgend eine Bewegung zu e
zielen. Es zeigte sich hierbei, dass, trotzdem die Membrai
tympani bei Verdichtung resp. Verdünnung der Luft im Meati
auditorius externus deutlich eingesunken oder hervorgewölbt e
schien und zwar speciell auch jene Stellen, welchen die pei
8 IL ÜRBANTSCHITSCH
artigen Massen aufsassen, doch diese letzteren selbst vollkommen
unverändert blieben.
Dr. B. stellte sich mir nach mehreren Monaten abermals
vor, wobei ich einen dem früheren Trommelfell bilde identischen
Befund antraf.
Da ich bei diesem Patienten über die Natur der Erkrankung
völlig im Unklaren blieb, so war es für mich von desto grösse-
rem Interesse, dass mir ein zweiter Fall Gelegenheit bot, die
allmähliche Entwickelung solcher Tumoren zu beobachten und
diese selbst einer mikroskopiscl^-chemischen Prüfling zu unter-
ziehen.
Dieser zweite Fall betrifft einen Mann von etlichen 50 Jahren,
welcher seit dem Jahre 1874 an der allgemeinen Poliklinik we-
gen eines chronischen bilateralen Paukenhöhlenkatarrhs in Be-
handlung steht. Das Trommelfell zeigte bei der Auihahme des
Patienten eme bedeutende Einziehung und eine diffuse geringe
Trübung bei verschwommenem Lichtkegel. Während der fol-
genden Monate blieb das Trommelfell, trotz der zunehmenden
Gehörverbesserung, vollkommen unverändert. Ungefähr 4 Mo-
nate nach der Au&ahme fiel mir am hinteren Trommelfell-
segmente, in unmittelbarer Nähe des Proc. brevis mallei, ein
weisser Punkt auf, welcher anfänglich verschwindend klein er-
schien, später jedoch deutlich wuchs und nach mehreren Wochen
in der Grösse eines Stecknadelkopfes als eine perlartige Masse
dem Trommelfell aufeass, identisch der früher an Dr. B. beob-
achteten Auflagerung. In gleicher Weise entwickelten sich später
zwei andere derartige Neubildungen, von denen die eine an der
oberen Peripherie des Trommelfelles sass, während sich die
andere etwas höher bereits im äusseren Gehörgange befand.
Auch diese beiden letzteren Bildungen erreichten nur die Grösse
eines Stecknadelkopfes, so dass schliesslich sämmtliche 3 perl-
artige Massen ein völlig gleiches Aussehen darboten (Fig. B).
Dieselben blieben jedoch nicht, wie bei Dr. B., unverrückt an
derselben Stelle, sondern wanderten allmählich nach aufwärts,
so zwar, dass die zuerst in der Nähe des Proc. brevis zu Stande
gekommene Auflagerung an die obere Peripherie des Trommel-
felles trat, indess die beiden anderen weiter in die obere Wand
des äusseren Gehörganges hinaufrückten (Fig. 5'). An einer
dieser letzteren entwickelte sich eine zweite kleinere perlartige
Masse, welche an ihrer Basis mit der grösseren verwachsen er-
schien. Bei der Sondirung erwiesen sich diese Gebilde als voll-
Ueber eine eigenthüml. Form v. Epithelialauflagerung am Trommelfell. 9
kommen hart, und es war nicht möglich, selbst bei stärkstem
Druck, gegen welchen sich Patient übrigens ganz unempfindlich
zeigte, irgend eine nachgiebige Stelle anzutreflfen; ja sogar ein
Tenotom, mittelst dessen ich diese Geschwülste aus dem äusse-
ren Gehörgange, behufs ihrer näheren Untersuchung, zu entfernen
trachtete, drang nur unter grossem Widerstände in das Gewebe
ein. Es fand sich jedoch hierbei, dass diese bedeutende Re-
sistenz nur die peripheren Theile dieser Tumoren betraf, während
im Innern eine gelbliche, breiartige Masse angesammelt erschien,
welche mittelst Druck leicht entfernt werden konnte. Meine
Vermuthung, dass es sich um Cholesteatom handle, wurde nicht
bestätigt, indem ich unter dem Mikroskope nur Bruchstücke von
Epithelialschollen ohne eine Spur von Cholestearintafeln antraf
und auch vermittelst Schwefelsäure in verschiedenem Concen-
trationsgrade sowie bei Schwefelsäure und Jod keine Reaction
auf Cholestearin erhielt.
Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte, 8 Wochen nach der
Entfernung der perlartigen Massen, zeigt der Patient weder am
Tronmielfelle noch im äusseren Gehörgange irgend welche An-
deutung einer Recidive.
Anlässlich dieses Falles ersuchte ich Dr. B., mir abermals
eine Untersuchung seines Trommelfelles zu gestatten. Als ich
dieselbe im Januar d. J. vornahm, ungefähr 2 Jahre nach der
letzten Inspection des Trommelfelles, war zu meinem grössten
Erstaunen von den früher so schön entwickelten perlartigen
Massen keine Spur mehr zu erkennen, obwohl, wie mir Dr. B.
auf das Bestimmteste versicherte, seit den verflQssenen 2 Jahren
das betreffende Ohr nicht der geringsten Behandlung unterzogen
worden war.
Nachträglich möchte ich noch eines Falles von chronischer
Otitis media bei einer Frau gedenken, in welchem ich Anfangs
Februar d. J. hinter dem Hammergriff und parallel mit dem-
selben 3 kleine, über einander stehende weisse punktförmige
Auflagerungen bemerkte, wie solche in ganz ähnlicher Weise
bei dem früher entwickelten Falle als Anfangsstadium der perl-
artigen Massen erschienen. Bei. der vor einigen Tagen (Ende
März) neuerdings vorgenommenen Untersuchung waren von den
früher vorhandenen 3 Punkten nur mehr der obere und untere
sichtbar, welche sich wohl in geringem Grade vergrössert hatten,
ohne jedoch die charakteristische perlartige Bildung aufzuweisen.
Wien, März 1875.
III.
Die Lichtrefleze des Tremmelfelles
von
Dr. F. Trautmami.
(Fortsetzung. Siehe Bd. IX. S. 104.)
Im IX. Bande dieses Archivs habe ieh begonnen, die Ab-
weichungen des dreieckigen Lichtreflexes von der
normalen Form zu besprechen, welche durch Yerändernngen
des Oberflächenglanzes bedingt werden. Es war dort die Bede
davon, dass die Strichelung des Lichtreflexes, die meist in der
Länge stattfindet, durch die Zwischenräume des Epithels bedingt
wird, wie man sich durch die von mir angegebenen Vergrösse-
rungstrichter leicht überzeugen kann. Die Längsstrichelung wird
durch den Zug der Radiärfasem auf das Epithel bedingt, wes-
halb ja auch die Längsstrichelung meist durch den ganzen Licht-
reflex geht; die ^Strichelung in der Quere, welche viel seltener
ist, wird durch die Circulärfasem hervorgerufen, weshalb wir
die quere Strichelung auch meist an der Basis des dreieckigen
Lichtreflexes finden. Dann hatte ich erwähnt, dass die Intensität
des Lichtreflexes bei + S — V (S. 104) und Einziehungen (S. 105)
wegen der erhöhten Spannung des Epithels zunimmt; bei Atro-
phie (verminderte Spannung) nimmt sie ab. Der Glanz kann
gesteigert werden durch Flüssigkeiten, welche nicht vom Epithel
aufgenommen werden (Oel etc.), gemindert durch Flüssigkeiten,
welche vom Epithel aufgenommen werden (Wasser, Wasser-
dampf etc.) ; zum Schwinden wird er gebracht durch Liquor Am-
monii caustici, Essigsäure etc.
Einen wesentlichen Einfluss auf den Glanz des Epithels, also
den dreieckigen Lichtreflex, haben die Entzündungen. Bei Ent-
zündungen des äusseren Gehörganges, die sich auf das Trommel-
fell übertragen, schwindet der Lichtreflex viel schneller als bei
Die Lichtreflexe des Trommelfelles. 11
Entzündungen des Mittelohres, wo ja das Trommelfell stets mehr
oder weniger betheiligt ist. Im ersten Falle überträgt sich die
Entzündung früher auf die Hautplatte, das Epithel wird also
früher getrübt, als im zweiten Falle. Bei subacuten Entzündun-
gen des Mittelohres bleibt der Lichtreflex sogar meist bestehen,
verliert nur an Intensität des Glanzes. Dasselbe ist der Fall
bei Exsudaten, wenn sie nicht schon lange Zeit bestehen und
die EntzündungserscheinuDgen geringer sind und nicht zu oft
recidiviren. Dass bei Vorwölbungen des Trommelfelles durch
Exsudate sich die Form des dreieckigen Lichtreflexes selbst-
verständUch der Wölbung entsprechend ändert, brauche ich nicht
zu erwähnen und verweise auf den physikalischen Theil meiner
Arbeit und den Theil, in welchem die Veränderungen des Lieht-
reflexes durch Wölbungsanomalien besprochen worden sind. Der
Lichtreflex schwindet bei Entzündungen zuerst an der Basis, zu-
letzt an der Spitze; deshalb sieht man nicht selten bei sub-
acuten Entzündungen die Basis des Lichtreflexes schwinden, die
Spitze bestehen bleiben. Ist die Entzündung abgelaufen, so
stösst sich das Epithel ab und an seine Stelle tritt neues. Bei
den Entzündungen des äusseren Gehörganges vergeht ziemlich
lange Zeit, ehe sich das normale Epithel wieder ergänzt, ja in
vielen Fällen bleibt eine Trübung und Verdickung der Epithelial-
schicht dauernd zurück, so dass der Lichtreflex nicht wieder
zurückkehrt. Diese Diagnose : „ Verdickung der Epithelialschicht"
findet ihre Unterstützung in der Undeutlichkeit des Hammer-
griffes und zuweilen auch sogar noch des kurzfen Fortsatzes. —
Bei den Entzündungen des Mittelohres, wo die Epithelialschicht,
wenn keine Perforation stattgefunden, nicht so intensive Ver-
änderungen erfährt, kehrt der Glanz des Epithels schneller zu-
rück; ja selbst nach acuten eitrigen Mittelohrentzündungen mit
Perforation kehrt der Glanz des Epithels schneller zurück, als
bei Verdickungen der Hautplatte des Trommelfelles nach Ent-
zündungen des äusseren Gehörganges. Das Schwinden des
Lichtreflexes findet, wie ich schon oben erwähnt, bei den Ent-
zündungen von der Basis aus statt, das Wiederauftreten des-
selben von der Spitze aus ; in sehr vielen Fällen kehrt der Glanz
an der Basis gar nicht wieder zurück und es findet sich dann
ein sehr abgekürzter in seinen Contouren verwaschener Lichtreflex,
der aber, wenn er auch noch so kurz ist, immer eine dreieckige
Gestalt erkennen lässt. Selbst wenn man mit blossem Auge
einen punktförmigen Lichtreflex an der tiefsten Stelle des Trichters
1
12 III. TRAÜTMANN
in der Mitte der concaven Seite der sichelförmigen gelben Ver-
breiterung am Ende der vorderen Kante des Hammergriffes sieht,
so kann man sieh mit dem Vergrösserungstrichter tiberzeugen,
dass dieser scheinbare Punkt ein kleines Dreieck ist. Nach
den früher mitgetheilten physikalischen Gesetzen ist es auch nicht
anders möglich, es mtisste denn der Punkt so klein sein, dass
er nur in der absoluten Trichterspitze gelegen ist, was ich bis
jetzt noch nicht beobachtet habe. — Grub er sagt in seinem
Lehrbuche S. 350: „Durch die mit der Hyperämie einhergehende
Vermehrung der Intercellularfltissigkeit erscheint das Trommel-
fell mehr oder weniger durchfeuchtet und durch die veränderten
Ebeneverhältnisse, ebenso wie durch die Anomalien der Substanz
wird der Lichtkegel von seinem Standorte verrückt oder sonst
verändert." ~ Sobald das Trommelfell durchfeuchtet ist, geht
der Glanz des Epithels verloren und eine Verrückung des Licht-
kegels findet nicht statt, sondern derselbe schwindet, wie oben
beschrieben. Der Ausdruck „oder sonst verändert" ist unbe-
stimmt und nichtssagend.
Nicht nur durch Entzündungspröcesse sondern auch durch
Fäulnissprocesse verliert das Epithel seinen Glanz, also nach dem
Tode. Eine bekannte Erscheinung ist dies bei der zu Tage
liegenden Cornea. Das Spiegelbild auf der Cornea verliert sofort
nach dem Tode an Intensität, weil sich die Augenlider nicht
mehr auf- und nieder bewegen und das Epithel der Cornea durch
Feuchtigkeit so glatt erhalten, als dies im Leben der Fall ist.
Man sagt deshalb auch, sobald Jemand gestorben, der Glanz des
Auges sei gebrochen. Es bleibt aber trotzdem noch immer
ein, wenn auch mattes, Sjpiegelbild so lange bestehen, bis ein-
tretende Fäulniss der Cornea auch dieses mattere Spiegelbild
schwinden lässt. Die Erscheinungen des Spiegelbildes resp.
Lichtreflexes auf dem Trommelfell sind nicht ganz dieselben wie
bei der Cornea. Da die Oberfläche des Trommelfells nicht durch
Feuchtigkeit fortwährend stark glänzend erhalten wird, so nimmt
nach den Untersuchungen, die ich bald nach dem Tode vor-
genommen, der Glanz des dreieckigen Lichtreflexes nach dem
Tode nicht sofort ab, sondern bleibt noch ziemlich lange Zeit
nach dem Tode in fast gleicher Intensität bestehen. In den
meisten Fällen 2 bis 3 Tage lang. Selbstverständlich geht er
schneller verloren bei hoher Temperatur und grosser Feuchtig-
keit der Atmosphäre, weil unter solchen Verhältnissen sämmt-
liche Verwesungsprocesse schneller vor sich gehen.
' Die Lichtreflexe, des Trommelfelles. 13
Da Wer die Veränderungen des Lichtreflexes nach dem Tode
besprochen werden, so will ich, obgleich es bei den Wölbungs-
anomalien hätte erörtert werden müssen, noch erwähnen, dass
Veränderungen in der Form des Lichtreflexes vor, während und
nach der Todtenstarre nicht eintreten. Nach dem Tode scheint
also der Tensor tympani und Stapedius keine so merklichen
Veränderungen zu erleiden, dass die Gestalt des Trommelfells
verändert würde. Ich habe den Lichtreflex bei einer Anzahl
von Personen vor, kurze und längere Zeit nach dem Tode (6 bis
48 Stunden) untersucht und niemals eine Veränderung in der
Form des Lichtreflexes gefunden.
Die Farbe des Lichtrefleoces
unterstützt in manchen Fällen die Diagnose. Unter normalen
Verhältnissen und bei Beleuchtung mit Tageslicht und Eeflex-
spiegel hat der Lichtreflex einen gelblichweissen Glanz mit grau-
blauem Schimmer. Liegt das Trommelfell dem Promontorium
an, so wird der Schimmer ein gelblicher, ausserdem, wie früher
auseinandergesetzt, die Form verändert. Exsudate verleihen dem
Lichtreflex den Schimmer ihrer Farbe, einen gelblichen, röth-
lichen oder gelblichgrünen. Blutextravasate der Paukenhöhle
geben ihm einen deutlich rothen Schimmer, natürlich muss man
frühzeitig untersuchen, da sonst der Glanz des Epithels verloren
geht. Blutextravasate des Trommelfells geben demselben die
Farbe des Extravasates, doch bleibt bei diesen Extravasaten der
Lichtreflex nur sehr kurze Zeit bestehen. Ich habe Gelegenheit
gehabt Blutextravasate der hintern Peripherie des Trommelfells
und die bei — S auf denselben auftretenden Lichtreflexe genauer
zu beobachten; die Lichtreflexe schwinden schnell, kehren aber
auch sehr bald (5 — 8 Tage) wieder zurück, allerdings mit noch
lange Zeit bestehender Veränderung der Farbe, die allmählich
braun, gelblich und zuletzt wieder normal wird.
Die Functionsstörung
ist bedingt durch Veränderungen, welche pathologische Processe
hervorrufen. Haben diese pathologischen Processe die Form,
Lage, Intensität, Farbe des Lichtreflexes verändert, so gestatten
diese Erscheinungen einen Eückschluss auf die stattgehabten
pathologischen Processe und somit auch auf die mehr oder
weniger gestörte Function.
14
IIL TRAÜTMANN
Die diagnostische Bedeutung des Lichtreßexes
ist eine ziemlich erhebliche. Aus der normalen Lage und Form
des dreieckigen Lichtreflexes sind wir zu folgenden Schlüssen
.berechtigt :
1) Das Trommelfell hat Oberflächenglanz (Arch. n. F. Bd. IL
S. 5 — 8) mit ganz feinen, nur bei starker Vergrösserung sicht-
baren, spaltfbrmigen, nicht glänzenden Unterbrechungen.
2) Dsts Trommelfell ist keine plane Membran, sondera trich-
terförmig eingezogen (a. a. 0. S. 13—30).
3) Das Trommelfell ist vertical unter einem Winkel von
45^, horizontal unter einem Winkel von 10 ^ geneigt (a. a. O.
S. 26. 27).
4) Der Winkel, unter dem die Trichterwände ziisammen-
stossen, ist grösser als ein rechter (a. a. 0. S. 16 — 20.
26. 27).
5) Die Peripherie des Trommelfells (Annulus tendineus) ist
nicht mit in die trichterförmige Vertiefung hineingezogen, sondern
umgibt das Trommelfell mit einem oberen Rande. Der Licht-
reflex geht deshalb nicht bis zur Peripherie, sondern bleibt von
derselben V2 — ^U Mm. entfernt (a. a. 0. S. 26).
6) verändert der dreieckige Lichtreflex bei -\ V resp. —
+ S seine Gestalt (Arch. IX. Bd. S. 104. 105), so ist das
Trommelfell im vorderen Abschnitte beweglich, jedoch nur in
dem Theile, wo der Lichtreflex Veränderungen zeigt. Treten
bei + V — S die längs der hintern Peripherie (Archiv IX. Bd.
S. 104) beschriebenen Lichtreflexe auf und der dreieckige Licht-
reflex hinter dem kurzen Fortsatz, so spricht dies auch für Be-
weglichkeit der hintern Peripherie und der Membrana flaccida.
Pathologische Processe
können die vorstehend genannten diagnostischen Zeichen der
Lichtreflexe ändern.
1 ) Der Oberflächenglanz kann ganz oder theilweise schwin-
den, wie ich bei den Entzündungsprocessen auseinandergesetzt
habe. Durch verschiedene Spannung der radiären oder circulären
Fasern kann die Oberfläche Unebenheiten erfahren, so dass der
dreieckige Lichtreflex geknittert, perlschnurartig, gestrichelt etc.
erscheint, wie bei Atrophie (IX. Bd. S. 100, 101). — Fremd-
körper können die Lichtreflexe verdecken, Entzündung hervor-
rufen und selbst nach ihrer Entfernung auf längere Zeit die
Lichtreflexe verschwinden lassen.
Die Lichtrefiexe des Trommelfelles. 15
2) Die trichterfönnige Gestalt des Trommelfells kann sich
vielfach ändern. Gerade in diesen Fällen gibt der Lichtreflex
vorzügliche diagnostische Aufschlüsse. Es würde zu weit führen
und ich würde mich wiederholen, \vollte ich alle die Verände-
rungen anführen, welche bei Abflachungen, Einziehungen, strang-
förmigen- and Flächen- Verwachsungen, Verwachsung des Hammer-
griffendes, Narben, Vorwölbungen etc. durch den entsprechend
veränderten Lichtreflex diagnosticirbar sind; ich mnss die Leser
auf den physikalischen und pathologischen Theil meiner Arbeit
verweisen. Wer sich mit der Physik dieser Verhältnisse ver-
traut macht, wird auch die durch pathologische Processe her-
vorgerufenen Veränderungen des Lichtreflexes genau zu ver-
werthen im Stande sein.
3) Die Neigung des Trommelfells in der horizontalen und
verticalen Durchschnittsebene lässt sich durch Ate Lage des Licht-
reflexes genau bestimmen. Ich erwähne, wenn auch nicht durch
pathologische Processe, sondern durch das Wachsthum hervor-
gerufen, die Lage des Lichtreflexes bei Eandem im Vergleich zu
Erwachsenen und die Lage des Trommelfells bei sehr musika-
lischen Personen (Schwartze.)
4) Der Winkel, unter dem die Trichterwände zusammen-
stossen, kann niemals kleiner werden als ein rechter, weil das
Trommelfell von der Labyrinthwand nicht weit genug entfernt
ist; deshalb werden wir bei den hochgradigsten Einziehungen,
Verwachsungen, niemals indirecte Lichtreflexe der trichterförmigen
Vertiefung sehen (Arch. N. F. H. Bd. S. 19. 20).
5) Die ebene Peripherie des Annulus tendineus kann bei hoch-
gradigen Einziehungen mit in die trichteriörmige Vertiefung hin-
eingezogen werden und dann geht der dreieckige Lichtreflex bis
zur Peripherie, was jedoch wegen der starken Spannung des
Annulus tendineus äusserst selten der Fall ist.
6) Findet keine Veränderung des dreieckigen Lichtreflexes
bei + V — S statt, so spricht dies ftir Verwachsung des vordem
Trommelfellabschnittes in dem Theile, in welchem sich der Licht-
reflex nicht bewegt. Sind jedoch Verwachsungen vorhanden, so
wird der Lljehtreflex (sub 2.) entsprechend geändert und kann
nicht mehr normal sein.
Tritt bei — S + V der Lichtreflex an der hintern Peripherie
nicht auf, so spricht dies flir Verwachsung der hintern Peripherie ;
wenn der dreieckige Lichtreflex hinter dem kurzen Fortsatz nicht
auftritt flir Verwachsung der Membrana flaccida. Selbstverständ-
16 IIL TRAÜTMANN
lieh ist nur die Rede von pathologischen Processen, die den
Oberflächenglanz nicht vernichtet haben.
In Bezug auf Veränderungen der Intensität und Farbe des
Lichtreflexes durch pathologische Processe siehe oben.
Nach meinen früheren Mittheilungen (A. f. 0. N. F. IL Bd,
S. 1—30. IX. Bd. S. 96—105) und den vorstehenden, bin ich,
wie ich versprochen (Arch. N. F. IL Bd. S. 4) verpflichtet, die
Ansichten, welche man bis jetzt über den Lichtreflex hatte, näher
zu besprechen.
Toynbee erwähnt den dreieckigen Lichtreflex nur, ohne
seine Entstehung zu erklären.
Wilde sucht ihn dadurch zu erklären, dass von den her-
vorragendsten Punkten der vordem Trommelfellhälfte das Licht
reflectirt würde. Es ist dies, wie ich physikalisch bewiesen,
falsch ; nur die Tritühtergestalt des Trommelfells lässt den Licht-
teflex dreieckig entstehen, der Glanz des Epithels ist zum Auf-
treten, aber nicht zur Gestalt nothwendig; weil das Trommelfell
vertical Ab^ und horizontal 10 ^ geneigt ist, deshalb sehen wir
den Lichtreflex im vordem untern Quadranten zwischen der
horizontalen und verticalen Durchschnittsebene; bei Kindern mehr
nach der verticalen als bei Erwachsenen.
V. T r ö 1 1 s c h (Lehrb. 1 868. S. 38) macht diesen Reflex abhän-
gig von den Wölbungsverhältnissen und dem Oberfläehenglanze.
Diese Ansicht ist vollständig richtig, nur müsste die Form der
Wölbung (Trichter) mehr hervorgehoben werden. In der neuen
Auflage 1873. S. 43. 44. sind eingehendere Angaben gemacht,
wenn auch nicht in Bezug auf die Entstehung, so doch auf die
Pathologie. In Bezug auf die Entstehung erwähnt v. Tröltsch
sehr richtig, wie ich es (Archiv N. F. IL Bd. S. 26. 27) genau
auseinandergesetzt, dass die Basis des Lichtkegels nahezu am
Rande des Trommelfells liegt, also nicht bis zum Rande geht,
wie die Meisten behaupten, und wie in allen Zeichnungen selbst
der neuesten Zeit (Politzer'sche Tafeln) der Lichtreflex abgebil-
det wird. Die kurzen pathologischen Bemerkungen stimmen mit
meinen Beobachtungen vollständig überein, ebenso die auge-
gebenen Veränderungen beiH V.
Moos sagt in seiner Uebersetzung Toynbee's (1863 S. 37):
„Jedenfalls scheint mir das weissglänzende Dreieck etwas ganz
Anderes zu sein, als was man in der Optik einen Lichtkegel zu
nennen gewohnt ist." -- Das weissglänzende Dreieck scheint
nicht nur etwas ganz Anderes zu sein, „als was" man in der Optik
Die Lichtreflexe des Trommelfelles. 1 7
einen Lichtkegel nennt, sondern i s t in der That etwas Anderes,
nämlich: „ein Spiegelbild."
Magnus (Arch. f. 0. I. 273): „Je höher der Luftdruck
steigt, desto undeutlicher wird der' Lichtkegel, der fast gar nicht
mehr zu bemerken ist, wenn der Schmerz als ein sehr heftiger
bezeichnet wird. Dagegen zeigt sich am Rande des Trommel-
fells ein rundlicher regelmässiger Lichtreflex, der dafttr spricht,
dass zunächst an dieser Grenze das Trommelfell nach innen ein-
gebogen ist. Diese Erscheinung kommt unzweifelhaft auf die-
selbe Weise zu Stande, wie der Lichtkegel an dem normalen
Trommelfell, üeberall, wo eine Vertiefung vorhanden ist, kann
man dieses Lichtphänomen bei reflectirtem Lichte wahrnehmen,
weil die Grenze der Vertiefung im Vergleich zur Fläche mehr
oder weniger scharfrandig ist und weil die Vertiefung einen
Schatten gibt, durch dessen Contrast der Lichtreflex verschärft
wird."
Ich bedauere sehr, dass Magnus nicht angeführt hat, nach
wie langer Zeit der verschwundene Lichtreflex wieder aufgetreten
ist. Jedenfalls musBte durch einen acuten Entztlndungsprocess
das Epithel getrübt werden, denn nur so konnte der Lichtreflex
schwinden und wenn das, wie Magnus behauptet, der Fall war,
bleibt es auffallend, dass sich beim Verschwinden des dreieckigen
Lichtreflexes am Rande des Trommelfells ein runder regel-
mässiger Lichtreflex zeigte. Es ist zu ungenau die Form und
Lage dieses Lichtreflexes beschrieben. Ich vermuthe, dass mit
dem runden regelmässigen Lichtreflex derjenige längs der hinteren
oberen Peripherie von sichel- oder perlschnurförmiger Gestalt
gemeint ist. Ich halte es aber nicht gut für möglich, dass dieser
Lichtreflex bei comprimirter Luft auftreten kann, wenn der drei-
eckige schwindet. Die physikalische Auseinandersetzung über
die Entstehung des Lichtreflexes ist nicht richtig (siehe Arch.
N. F. Bd. II).
Schwartze's MittheiMugen über die Veränderung des
Lichtreflexes bei pathologischen Processen (Archiv f. 0. Bd. I.
S. 78) sprechen, wenn sie auch nicht physikalisch erörtert sind,
für sehr genaue Beobachtungen selbst der scheinbar unbedeutend-
sten Veränderungen am Trommelfell. Sie stimmen mit meinen
Beobachtungen vollständig tiberein.
Grub er gibt keine Erklärung für die Entstehung, führt aber
in seinem Lehrbuche S. 182 die Ansicht an von Helmholtz
(Mechanik der Gehörknöchelchen und des Trommelfells S. 14):
Archiv für Ohrenheilkunde. X. Dd. (Neue Folge. IV. Bd.) 2
1 8 III. TRAÜTMANN, Die Lichtreflexe des Trommelfelles.
-Der senkrecht gegen die Axe des Gehörgangs gekehrte Theil
<les Trommelfells, welcher in der Regel dicht unter dem Ende
des Hamnaerstiels liegt, reflectirt das von aussen in das Ohr
geworfene Licht wieder gegen den Ausgang des Gehörganges
zurück und erscheint deshalb als eine dreieckige glänzende
^ Stelle. "
Bis zu den Worten „zurück" hat Helmholtz Recht; drei-
eckig erscheint aber die Stelle nur wegen der Triöhtergestalt, und
glänzend wegen des Oberflächenglanzes.
Politzer (Beleuchtungsbilder des Trommelfells S. 24. Arch.
f. 0. I. Bd.) : „ Das Hauptmoment liegt in der Neigung der Mem-
bran zur Gehörgangsaxe, in Verbindung mit der durch den
Hammergriff bedingten Concavität des Trommelfells,"
Die Politzer'sche Ansicht ist richtig, wenn er, was aus
den Worten nicht recht zu ersehen, es so gemeint hat, dass in
Folge der Neigung wir den Lichtreflex sehen, die Concavität die
Veranlassung der dreieckigen Gestalt ist.
Voltolini (M. f. 0. H. 1872. No. 8.) hält die Ansicht von
Wilde für theil weise richtig und verwirft die von Politzer
und Helmholtz. In Bezug auf Wilde, Politzer, Helm-
holtz siehe oben. Voltolini ist der Ansicht, „dass der drei-
eckige Lichtreflex von der concav-convexen Gestalt des Trommel-
fells abhängig sei und dass die Spitze des Lichtkegels aus dem
Trichter (der Concavität), der starke Glanz die Peripherie ent-
lang aus der Convexität resultire." Diese Ansicht ist nicht
richtig. Nur die trichterförmige Gestalt lässt den Lichtreflex
dreieckig erscheinen, die vordere Peripherie entlang existirt kein
Lichtreflex. Nachdem ich meine Arbeit über den Lichtreflex im
Archive N. F. H. Bd. Septbr. 1873 mitgetheilt, hat Voltolini
seine Ansicht geändert und lässt den dreieckigen Lichtreflex
allein von der Trichtergestalt und nicht mehr von der concav-
convexen Gestalt abhängen. — (Schluss folgt.)
J
IV.
*
Die normalen Bewegungen der Pbaryngeali
der Enstachi'schen Röhre.
Dritter Artikel.
Von
E. Zanfal.
Geschichtliches.
Bidder*) untersuchte zuerst das Cavum phg
unter annähernd normalen Verhältnissen und zwa
Falle, bei dem auf operativem Wege der grösste Theil
Oberkiefers und der knöchernen Nase, die rechten Nai
und der knöcherne Theil der Nasenscheidewand entf
waren, so dass er durch die gemachte OeflfnuDg h
Bewegungen des weichen Gaumens gut übersehen ko
war die Rachenmündung der Eustachi'schen Röhre
auf der linken Seite deutlich sichtbar, 1. c. pag. 3.
Bei der Besprechung der Wirksamkeit des M. 1
palatini pag. 9 führt er an: „bei jeder solchen
(Schlingbewegung) zeigt sich an der Seitenwand de
hinter der Rachenmündung der Eustachi 'seh
pete, eine wulstige Erhöhung, die der Länge nacl
nach unten verläuft, die, wie ihre Lage es andeutet, nie
ist, als eben jener bei seiner Zusammenziehung stär
tretende Muskel."
Ich muss gestehen, dass mir diese Beschreibung
klar ist. Sie kann mich nicht überzeugen, dass das,
der gesehen, wirklich der Levatorwulst gewesen ist, i
verläuft nach meinen Beobachtungen innerhalb de
der Pharyngealmündung der Tuba und gerade wä
1) Nene Beobachtungen über die Bewegungen des weicl:
und über den Gerachssinn. Dorpat. 1838.
20 IV. ZAUFAL
Schlingactes nicht seiner Länge nach von oben nach abwärts,
sondern mehr horizontal von vorne innen nach hinten und aussen
mit einer ganz geringen Steigung nach oben. Was also Bidder
gesehen, kann nur entweder der Tubenwulst oder eine an der
äusseren Partie der hinteren Rachen wand sich empor bauschende
Falte gewesen sein, wie solche beim Zurücktreten des Tuben-
wulstes nicht so selten sich bilden. Unter ähnlichen Verhält-
nissen wie Bidder sah Schuh*) das Ostium pharyng. tubae;
doch gibt auch' er keine genauere Beschreibung der Bewegungen
derselben. — Der Erste, der meines Wissens von der intacten
Nase aus den Tubenwulst gesehen hat, war Voltolini. In
seiner Festschrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier der königlichen
Universität zu Breslau 1861 sagt er S. 16: „Es ist mir auf
die eine oder andere Weise (mit einem gewöhnlichen Ohr-
spiegel oder durch Beleuchtung mit einem blankpolirten Ka-
theter) sogar gelungen, von vorne durch die Nase bis an die
hintere Rachenwand zu blicken und auch den Wulst der
Tubenmündung zu sehen. Dass dies wirklich der Fall
war, davon überzeugte ich mich ganz einfach dadurch, dass ich
durch das andere Nasenloch einen Katheter bis in den Pharynx
schob und seinen Schnabel gegen die andere Nasenhöhle hin-
drehte und ihn so hin- und herschieben liess; ich konnte so
deutlich die Bewegungen des Katheters durch die andere dilatirte
Nasenhöhle mit dem Auge verfolgen." Ob Voltolini auch die
Bewegungen des Tubenwulstes gesehen, finde ich nicht ver-
zeichnet.
Im Jahre 1868 macht er jedoch in der Monatsschrift für
Ohrenheilkunde No. 3 in einem Artikel „ Zur Function der Tuba
Eustachii" darauf aufmerksam, dass bei Ozaena so weite Nasen-
gänge gefunden werden, dass man durch sie anstandslos das
Cavum pharyngonasale übersehen kann und dass man gerade
in solchen Fällen die Bewegungen des weichen Gaumens zu
studiren in der Lage ist. Er sagt 1. c: „Bei nicht wenigen
ganz gesunden Menschen ist eine Nasenhöhle so weit, dass man
bei Erweiterung derselben und starker Beleuchtung von vorae
durch die Nase hindurch bis an die hintere Phaiynxwand sehen
kann. — Was man hier bei ganz gesunden Menschen wahr-
nehmen kann, sieht man auch sehr häufig bei einem sehr
*) Die Bewegungen des weichen Gaumens beim Sprechen und Schlucken,
beobachtet nach der Exstirpation eines Aftergebildes in der Nase, Wien.
Med. Wochenschr. 1S58. Nr. 3.
Die norm. Bewegungen d. Pharyngealmündg. der Eustachi'schen Bohre. 2 1
traurigen Leiden, nämlich der Ozaena, von der mir zahl-
reiche Fälle zur Beobachtung kommen. Meist sind hier die
Nasenmuscheln einer oder beider Nasenhöhlen ganz
oder theilweise zerstört."
Im Jahre 1873 publicirte C. Michel einen Aufsatz in der
Berliner klin. Wochenschrift No. 34 über „das Verhältniss der
Tuben-Mündung zum Gaumensegel, am Lebenden betrachtet
durch die Nase ! " Auch er inspicirte das Cavum pharyngonasale
in Fällen von Ozaena, „wo die Nasenmuscheln klein, atro-
phisch erscheinen und bei mehreren 100 Personen
theils sofort, theilsnach erzielter Heilung des Stock-
schnupfens, der Nasenpolypen u. s. w." Michel sah
bereits die Bewegungen des Tubenwulstes bei der Phonation
und beim Schlingen. Als typisch für die normalen Bewegungen
der Rachenmttndung beschreibt er ausführlich einen patholo-
gischen Fall mit Parese des hinteren Gaumenbogens.
Er findet dass bei der Phonation und beim Schlingacte eine
Schleimhantfalte, die „ ausschliesslich dem weichen Gaumen anzu-
gehören scheint", sich zwischen Wulst und äusseren Band der
Choane hineindrängt und die Tubenmündung vollkommen ver-
schliesst. Was Michel für eine simple Schleimhautfalte hält,
ist offenbar der Levatorwulst. Ich habe jedoch nie gesehen,
dass dieser Wulst unter normalen Verhältnissen bei der Phona-
tion und beim Schlingen den Rahmen der Tubenmündung voll-
kommen verstopft, sondern es bleibt besonders bei der Phona-
tion ein beträchtlicher Baum zwischen ihm und der Concavität
des Hakens frei.^ Ueber das Verhältniss des Levatorwulstes
zum Ostium der Tuba gewinnt man nur dann eine richtige An-
schauung, wenn man das ganze Feld der Tubenmün-
dung besonders die Hakenkrümmung gut übersieht.
Dazu ist, so lange, wie in den Micherschen Fällen noch ein
Rudiment der unteren Muschel vorhanden ist, unbedingt die
Untersuchung mit den von mir angegebenen Trichtern oder, in
besonders günstigen Fällen, mit den gewöhnlichen Ohrtrichtern
nothwendig, durch deren Heben und Senken man sich das Ge-
sichtsfeld hinlänglich erweitem kann. Mit einem einfachen
Nasendilatator, wie Michel ihn angewendet zu haben scheint,
reicht man höchstens nur in jenen Fällen aus, wo die untere
1) Um Irrungen vorzubeugen, muss ich hier erwähnen, dass in meinen
Bildern die Fig. 4. Tafel II. so verschwommen ausgeführt ist, dass es
scheinen könnte, als wäre das Ostium geschlossen.
22 IV. ZAÜFAL, Bewegungen der Pharyngealmündg. der Eust. Röhre.
Nasenmuschel vollständig fehlt. Deswegen macht die Schilde-
rung MicheTs auf mich auch den Eindruck, als ob er nicht
das ganze Ostium der Tuba überblickt, da ihm die hakenför-
mige Krümmung des Wulstes ganz entgangen und da er auch
die von mir kurz als Hakenfälte (Plica salpingo-palatina Tour-
tuaTs) bezeichnete Falte und ihre Bewegungen nicht gesehen.
Auch die vom unteren Ende des Wulstes nachgezogene Falte,
von mir kurz die Wulstfalte genannt (Plica salpingo-pharyngea
TourtuaTs), scheint er nicht als solche erkannt zu haben. Der
ausführlicher mitgetheilte pathologische Fall ist für die Beurthei-
lung normaler Verhältnisse nicht maassgebend, ist im Gegen-
theil ein werthvoller Beitrag für die Wechselwirkung zwischen
M. palatopharyngeus und Levator, worüber ausfllhrlicher in einem
späteren Artikel.
Was die mir bekannten bisher geübten Untersuchungsmetho-
den des Cavum pharyngonasale von der Nase aus betrifft, so
bediente sich Voltolini der gewöhnlichen Ohrenspiegel, wo-
mit er den Eingang der Nase dilatirte, oder er führte einen
blankpolirten Katheter durch die Nase bis ins Cavum pharyn-
gonasale. Zur Beleuchtung verwendete er ausschliesslich Son-
nenlicht.
C. Michel verwendete „ein Charri^re'sches Speculum mo-
dificirt von Voltolini." — Als Lichtquelle benutzte er die
V. B r u n s 'sehe Kalklampe. Auch führte er ein Spiegelchen durch
das bezeichnete mir nicht näher bekannte Speculum ein.*) Wel-
cher Art dieses Spiegelchen war, kann ich aus der citirten Notiz
nicht entnehmen.
Die von mir in Anwendung gezogenen Methoden siehe
dieses Archiv Band IX und das Correspondenzblatt des Ver-
eins deutscher Aerzte in Prag No. 23 und No. 24.
1) 8itzungsprotokoll der Section für Ohrenheilkunde der 46. Natur-
forscherversammlung 1873. Archiv f. Ohrenh. VIII.
V.
Casnistik zur chirurgischen Eröffni
Fortsatzes
von
H. Schwartze.
(Schluss von Bd. VII. S. l!
Die früher (Bd. YU. S. 181) in Ausii
theiluDg ausfülirlieher ErankeDgesehichten i
genommenen Perforationen des Warzenforts j
etwas verzögert, dass wir es im Interesi
boten hielten, erst einige Jahre abzuwarte:
tiven Erfolge des chirurgischen Eingriffes
zwischen ist die Zahl unserer Operationsfäll
1873 auf 17 erstreckte, sehr beträchtlich ^;
gegenwärtig bereits ein halbes Hundert <
nicht über alle Operationsfälle hinreiche;
geschichten geführt. Während der Ferien
ich zufällig verhindert war, sind eine ni
von Fällen durch meine Assistenten oder Z
und von solchen Fällen fehlen zuweilen a
so dass ich vorziehe, sie überhaupt nie
hineinzuziehen. Das übrige Material werd
und zwar ohne jede Rücksicht auf den guten
der Operation, natürlich mit solcher Eins
bei den weniger wichtigen Fällen, dass
komme, den Leser allzu sehr zu ermüden,
ration ausgeführt hat oder ausführen will,
in den Krankengeschichten nicht ohne Int(
leicht auch dafür mir besonders dankbai
über das Resultat der Operation im Allgen
24 V. H. SCHWAßTZE
um danach seine Indicationen för dieselbe zu bemessen, mag die
Krankengeschichten einstweilen tiberschlagen und sich auf die
Durchsicht der übersichtlichen Zusammenstellung am Schlüsse
der Casuistik beschränken.
Die Fälle aus älterer Zeit sind zum Theil noch nach Me-
thoden operirt, die später als ungenügend oder verwerflich er-
kannt wurden. Auch diese sollen zur Mittheilung kommen, um
die Mängel und Gefahren der von uns verlassenen Operations-
methoden darzulegen und dem Leser einen Einblick zu gewähren
in die allmähliche Entwickelung der gegenwärtig von uns ge-
übten Methode.
Zur Entscheidung der für die Praxis wichtigsten Frage nach
der Indication, ob nämlich die Operation zulässig sei bei äusser-
lich gesundem Warzenfortsatz als Heilmittel hartnäckiger Mittel-
ohreiterungen , die sonst den üblichen , und anerkannt besten
Heilmethoden hartnäckig Trotz boten, auch wenn für den
Augenblick keine bedrohlichen Symptome bestehen,
dürfte das vorliegende Material noch nicht ausreichend sein.
Hoffentlich gibt es aber die Anregung für die Fachgenossen,
zur Entscheidung dieser Frage nunmehr durch eigene Operations-
versuche beizutragen, nachdem wir in diesem Sinne zuerst in
einer grösseren Zahl von Fällen mit der Operation vorgegangen
sind. Anatomische und theoretische Gründe allein können für
die Zulässigkeit oder Verwerflichkeit dieser Indication nicht ent-
scheidend sein, sondern es bleibt Sache des therapeutischen
Experimentes, festzustellen, ob die Operation, nach ihrer jetzigen
Methode kunstgerecht ausgeführt, wirklich noch eine Gefahr für
das Leben in sich schliesst. Dabei darf natürlich nicht in An-
rechnung gebracht werden, was einem Operationsfehler zur Last
fällt, der hier wie bei jedem chirurgischen Eingriff verhängniss-
voll werden kann. Auch wir fühlen uns in dieser Beziehung
nicht frei von Vorwurf, und haben aus der ersten Zeit, wo wir
anfingen, die Meisseloperation zu cultiviren, unser Lehrgeld be-
zahlen müssen.
Wir haben seit unserer gegentheiligen Mittheilung in Bd. VIL
S. 162 einen Todesfall zu beklagen, den wir mit grosser Wahr-
scheinlichkeit nur einem Operationsfehler zuschreiben müssen. —
Die nachfolgende Casuistik ist chronologisch geordnet und
beginnt zunächst mit den Krankengeschichten der in unserer
tabellarischen Uebersicht auf S. 183, Bd. VH. erwähnten Ope-
rationen. Dabei ist zu berichtigen, dass durch ein Versehen bei
Casuistik zur chirurgischen ErÖffnuDg des WarzeDfortsatzes. 25
der Correctur die Fälle 60—63 nicht in die Tabelle aufgenommen
worden sind. Daher der Widerspruch zwischen der Ueberschrift
und der Tabelle.
Diese 4 Fälle wolle der geneigte Leser dem früheren Schema
der Tabelle hinzufügen:
Nr.
60
Wpber
61
Krost
62
Kühne
63
Liefeld
Indicirender
Ki'ankheits-
zusiaod
Name
des
Operateurs
Jahr
Operatious»
verfahren
Ausgang
Bemerkungen
Caries des
Gehörganges
und der
Paukenhöhle
Caries des
Proc. mast.
Cartes der
Paukenhöhle
Caries necro-
tica des
Warzenfort-
satzes
Schwartze
Schwartze
Schwartze
Schwartze
1873
1873
1873
1S73
Meissel
Heilung
Meissel und
scharfer
Löffel
Heilung
Meissel
Ohne
Erfolg
Scharfer
Löffel
Tod
Eröffnung der
Schädelhöhle
Totale Sklerose
des Proc. mast.
J)er Tod war
nicht Folge der
Operation, son-
dern des erst
nach der Ope-
ration
diagnosticirten
Epithelial-
krebses im Ohre
Fall L (20 der Tabelle.)
Otitis media acuta mit All^seessbildang am Proc. mastoideus. Er-
l^ifiiiLng des letzteren mit der Holilsonde. Tod 6 Woclien später
unter meuingitiselien Symptomen.^)
11/4 jähriges, sehr kräftiges Kind, ohne scrophulöse Anlage, noch
nicht entwöhnt, zeigt Symptome linksseitiger Ooxitis. Linksseitige
Otorrhoe seit einigen Tagen. Starke Schwellung und Fluctuation
hinter dem linken Ohr. Auch die Vorderohrgegend geschwellt. Ge-
hörgang so verschwollen, dass das Trommelfell nicht gesehen werden
kann. Der Wilde 'sehe Schnitt entleert zwei Esslöffel dicken Eiter.
Durch Einlegen von Charpiewieken wurde die Wunde offen erhalten,
aus der sich fortdauernd Eiter entleerte. Einige Tage später wurde,
weil das Kind fortdauernd unruhig blieb, der rauhe und biossliegende
Warzenfortsatz mit einer Hohlsonde durchbrochen. Beim Zurück-
ziehen derselben entleerte sich ein Esslöffel dicken, gelben Eiters
1) Aus dem Jahre 1861. Bereits mitgetheilt in meinen „Praktischen
Beiträgen zur Ohrenheilkunde. Würzburg. 1864."
26 V. H. SCHWARTZE
aus dem Knochen. Trotz sorgfältiger Ueberwachung des Eiterab-
flusses aus dem perforirten Proc. mast. und aus dem Gehörgang,
trotz aller sonst auf die Pflege des Kindes verwandten Mühe blieb
dasselbe nach wie vor sehr unruhig, schrie fast unaufhörlich, magerte
mehr und mehr ab und etwa 6 Wochen später erfolgte der Tod
unter Nackencontractur, Facialiskrampf und allgemeinen Convulsionen.
Section nicht möglich.
Den Grund des lethalen Ausganges in diesem Falle, der
aus der Anfangszeit meiner selbständigen ärztlichen Thätigkeit
stammt, in der ich als Autodidakt begonnen hatte, mich auch
mit den Krankheiten des Ohres zu befassen, muss ich heute
ausschliesslich in einem ungenügenden Operationsverfahren er-
blicken. Ich würde heute in einem solchen Falle, wo sich bei
der Wilde 'sehen Incision der Knochen entblösst, rauh und
morsch zeigt, sofort derselben die breite Eröffnung des Warzen-
fortsatzes folgen lassen, mich jedenfalls nicht damit begnügen,
eine kleine Oeffnung in denselben mit einer Sonde zu machen,
durch welche dem Eiter immer nur ein sehr ungenügender Ab-
fluss gestattet wird, sondern in den cariösen Warzenfortsatz mit
dem kahntbrmigen scharfen Löffel eingehen und so viel von
demselben ausschaben, als sich erweicht zeigt. Dadurch wird
die Möglichkeit einer vollständigen und häufig wiederholten Irri-
gation und Durchspülung geschaffen und die Fortleitung der eitri-
gen Entzündung auf die Hirnhäute mit Sicherheit verhütet. Der
Einwand, dass oft genug ähnliche Fälle glücklich ablaufen, wenn
spontan oder künstlich auch nur eine ganz kleine Oeffnung in der
Wand des Warzenfortsatzes herbeigeftihrt ist, wovon ich selbst Bei-
spiele anzuttihren habe, kann lUr mich nicht mehr bestimmend
sein, von einem Verfahren abzustehen, welches sich nicht allein
als absolut ungefährlich erwiesen hat, sondern auch die sonst
immer vorhandene Lebensgefahr mit Sicherheit beseitigt und
schliesslich die Ausheilung des Knochenleidens wesentlich be-
schleunigt. Das Zuwarten und der zaghafte Eingriff des un-
erfahrenen Anfängers in der Praxis brachte dem Kinde den Tod.
Fall IL (31.)
Otitis media purulenta chronica« YerlOthang des Trommelfellrestes
mit der Lahyrinthwand. Symptome von Pacehymeningitis. Eröff-
nung des Warzenfortsatzes mittelst Trepankrone« Erfolglos wegen
Hyperostose« Enthlössung des Sinus transversus«
Frau Engelmann, 51 Jahr, aus Halle, kam am 5. Januar 1867
in poliklinische Behandlung. Seit mehreren Jahren bestand recht-
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 27
seitige Otorrhoe und Schwerhörigkeit mit subjectiven Geräuschen. Seit
6 Wochen anhaltende Schmerzen im rechten Ohr mit Schlaflosigkeit,
Schwindelzufällen, in der letzten Zeit fortdauernde üebelkeit, häufiges
Erbrechen. Sie versichert, nicht liegen zu können, nur im Sitzen
sei der Schmerz erträglich. Keine Pupillendifferenz, keine Facialis-
lähmung, kein Fieber! Das Trommelfell zeigt einen grossen Defect
im vorderen Abschnitt; die hintere Hälfte ist verwachsen mit der
Labyrinth wand. An der unteren. Peripherie nach vorn ein schmaler,
sichelförmiger, verkalkter Saum erhalten. Der durch den Defect
sichtbare Theil der Paukenhöhle zeigt eine stark geröthete und ge-
wulstete Schleimhaut. Die Tuba E. für den Valsalva'schen und
Politzer 'sehen Versuch undurchgängig; nur bei starkem Luftdruck
durch den Katheter (mittelst Compressionspumpe) ein leises Perforations-
geräusch hörbar. Der sehr stark entwickelte Warzenfortsatz weder
geröthet noch geschwollen, ist nur bei starkem Fingerdruck schmerz-
haft, aber auffallend empfindlich gegen die leiseste Percussion
des Knochens. Bei letzterer zuckt die P. jedesmal lebhaft zusammen
und klagt über lebhafte Schmerzen, die sich im ganzen Kopfe ver-
breiten.
Nach der üblichen antiphlogistischen und ableitenden Behand-
lung etc. traten im Laufe der nächsten Wochen wiederholt Remis-
sionen von mehreren Tagen in der Heftigkeit der Symptome ein.
Am meisten Erleichterung verschafften subcutane Morphiuminjectionen
und hydropathische Ueberschläge. Wegen der Verlöthung des hin-
teren Trommelfellabschnittes mit der Labyrinthwand, wodurch die
hintere Hälfte der Paukenhöhle abgeschlossen erschien, wurde der
noch bewegliche Theil der Membran incidirt. Es entleerte sich je-
doch kein Eiter, sondern nur einige Tropfen Blut.
Als sich zu den oben genannten Symptomen, fortdauernder Schlaf-
losigkeit, andauernder üebelkeit, Kopfschmerz und Schwindel in
wechselnder Heftigkeit, auch noch wiederholt unregelmässige Frost-
anfälle gesellt hatten, entschlossen wir uns zur Eröffnung des Warzen-
fortsatzes, in der Hoffnung, dadurch der im Antrum mastoideum ver-
mutheten' Eiterretention Abhülfe schaffen zu können und so die
drohende Lebensgefahr zu beseitigen.
Die Operation wurde in der Chloroformnarkose am 15. Februar
im Stadtkrankenhause unter Assistenz des mir befreundeten Collegen
Dr. Hertzberg ausgeführt. Der Hautschnitt wurde ^^4 Zoll hinter
und parallel mit der Ohrmuschel geführt, das Periost in Ausdehnung
von 1^,2 Ctm. zurückgeschoben. Zur Eröffnung benutzten wir eine
Trepankrone von 5 Linien Durchmesser. Dieselbe wurde mit Rück-
sicht auf die ungewöhnlich starke Entwickelung des Fortsatzes,
dessen Höhe gut 3 Ctm. betrug, dicht hinter und etwas tiefer als
der Meat. auditoriiis osseus so aufgesetzt, dass ihr unterer Rand
18 Mmtr. über der Spitze des Warzenfortsatzes eindrang. Nachdem
die Trepankrone reichlich 6 Mmtr. tief in den Knochen eingedrungen
war, sass dicv iimschnittene Knochenscheibe noch fest. An der hin-
teren unteren Peripherie war jedoch, wie die Untersuchung mit der
Sonde zeigte, die ganze Dicke des Knochens durchschnitten und wir
-V • '.
28 V. Et. SCHWARTZE
vertauschten deshalb die Trepankrone mit dem Meissel. Nachdem
wir einen Theil der durchschnittenen Knochenscheibe abgemeisselt
hatten, lag die Dura mater vor uns. Bei der Expiration bauchte
sich dieselbe vor, bei der Inspiration sank sie ein. Durch Com-
pression der V. jugularis interna hörte diese Bewegung auf. Es
konnte kein Zweifel obwalten, dass wir den Sinus t'ransversus bloss-
gelegt hatten. Um die Operation nicht unvollendet zu lassen, wurde
am oberen Rande der umschnittenen Knochenscheibe in der Hohe
des äusseren Gehörganges dicht hinter und parallel mit der Axe
desselben mit dem Meissel weiter eingedrungen, aber nicht tiefer als
etwa s 1 V2 Centimeter. Da der Knochen auch in dieser Tiefe völlig
sklerosirt schien, und keine Spur von zelligen Räumen zu finden
war, brachen wir die Operation unvollendet ab, schlössen die Wunde
durch einfachen Charpie verband und hielten das Leben der Patientin
eigentlich fttr verloren. Am Abend des Operationstages klagte sie
über die früheren Symptome, vorzugsweise aber über Uebelkeit. Der
Kopfschmerz war eher geringer als vor der Operation. Hydropathische
Umschläge, Morphium subcutan. Die folgenden Tage verliefen ohne
andere neue Symptome, als reissende Schmerzen in den Zähnen,
besonders auch an der Austrittsstelle des N. infraorbitalis. Fieber
stellte sich überhaupt gar nicht ein. Schon nach einigen Tagen
versicherte die P., dass die Schmerzhaftigkeit bei der Percussion des
Knochens in der Umgebung der Wunde erheblich vermindert sei.
Nach 6 Wochen war die Wunde verheilt. Die P. befand sich ihrer
wiederholten Versicherung nach besser wie vor der Operation, hatte
weniger Kopfschmerz und Schwindel, und diese Besserung ihres Be-
findens hielt mehrere Monate an. Der Knochen blieb jedoch em-
pfindlich bei stärkerem Anklopfen. Im Juli desselben Jahres meldete
sie sich von Neuem mit einer Exacerbation der alten Beschwerden.
Auch 1868 und 1869 erschien sie noch einige Mal im Ambulatorium.
Seitdem ist sie mir aus den Augen gekommen^ wahrscheinlich ihren
Leiden erlegen.
War in diesem Fall die Operation überhaupt indicirt? Diese
Frage kann verneint werden, wenn man nur die Vitalindi-
cation gelten lassen will. Trotz der anscheinend bedrohlichen
Symptome von entzündlicher Reizung der Dura mater, bestand
das Leben noch Jahre lang nach der erfolglosen Operation fort.
Dass letztere erfolglos blieb, lag zum Theil gewiss in der Un-
gunst der anatomischen Verhältnisse, hauptsächlich aber an der
unzweckmässigen Operationsmethode mit der Trepan-
krone. Trotz der Blosslegung des Sinus transversus hätte wahr-
scheinlich die Eröffnung des Antrum mastoideum mit dem Meissel
noch erreicht werden können, wenn wir noch V2 Ctm. tiefer
vorgedrungen wären. In dieser Beziehung fehlte mir zur Zeit
der Operation die nöthige anatomische Kenntniss und chirurgische
Erfahrung. Dass das Antrum mast. selbst bei hochgradiger
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 29
Sklerose des Proc. mast vollständig fehlt, kommt nach unseren
jetzigen Erfahrungen nur äusserst selten vor, und zwar nur bei
gleichzeitiger Stenosirung der Paukenhöhle. Die Antrumhöhle
kann sehr klein werden, aber sie besteht doch fort, wenn auch
alle Hohlräume in der Apophyse gänzlich fehlen. Die Tiefe, in
welche man mit dem Meissel vordringen darf und muss, um das
Antrum zu erreichen, beträgt bei Hyperostose des Fortsatzes ge-
'wöhnlich 2 — 2,5 Ctm., kann sogar dieses Maass noch übersteigen.
Für normal anatomische Verhältnisse beträgt das Durchschnitts-
maass erheblich weniger; nach den neuerdings mitgetheilten
Messungen des Herrn Dr. Bezold (München) nur 11,0 Mmtr.
(s. A. f. 0,. IX. S. 272), nach einer älteren Angabe von Pagen-
stecher 6—9 Linien (s. A. f. 0. 1. S. 360).
Die Verwendung der Trepankrone flir unsere Operation ist,
wenn gleich sie auch in einzelnen Fällen, z.B. von FoUin, mit
vollkommen glücklichem Ausgang erfolgt ist, als gefährlich we-
gen der Möglichkeit der Verletzung des Sinus tränsversus zu
verwerfen. Trotzdem die von uns benutzte Krone bedeutend
kleiner war als die von Toynbee (Krankheiten des Ohres,
Uebers. S. 342) empfohlene, wurde der Sinus getroffen. Der
Operationsfehler blieb ohne schlimme Folgen. Die Patientin
fieberte nicht einmal nach dem operativen Eingriff, trotzdem sie
in einem hygienisch nicht besonders günstigen Krankenhause
lag. Wenn auch zugegeben werden soll, dass dies einem Glücks-
falle zu verdanken ist, so darf doch jedenfalls so viel aus dem
Verlauf gefolgert werden, dass die Freilegung des Sinus transv.
an und für sich durchaus nicht nothwendig immer die gewöhn-
lich beflirchteten Gefahren der Thrombose und Pyämie mit sich
bringt. Es ist in unserem Falle sogar nicht unwahrscheinlich,
dass durch die Zähne der Trepankrone die Sinus wand ober-
flächlich verletzt worden ist, und doch blieben die befürchteten
Folgen aus. Dass der Sinus nicht etwa schon vor der Operation
thrombosirt gewesen ist, erhellt aus den sichtbaren Respirations-
bewegungen der Sinuswand.
Bemerkenswerth ist die Abnahme der Symptome nach der
Operation, trotzdem diese ihren Zweck nicht erreicht hatte. Noch
nach der Vernarbung der Operationswunde fühlte sich die Kr.
erleichtert gegen früher. Diese palliative Wirkung einer übrigens
verfehlten Operation, der wir bei den später folgenden Fällen
noch mehrmals begegnen werden, beziehen wir auf die revul-
sive Wirkung derselben. —
30 V. H. SCHWARTZE
Fall III. (35).
Otitis media purulenta acuta« Seeundäre Periostitis am Warzen-
fortsatz« Erweitemngr einer Fistel5ffniingr im cariös erweieliten
Warzenfortsatz mit der Holilsonde. Heilungr.^)
Der Oberamtmann M. aus H., etwa 60 Jahre alt, kam am
19. December 1868 in meine Behandlung wegen rechtseitiger acuter
Otitis media, die durch das unbeabsichtigte Eindringen einer kausti-
schen Lapislösung in das gesunde Mittelohr entstanden war. Trotz
sehr frühzeitiger Paracentese des Trommelfelles und der sonst
üblichen, Anfangs antiphlogistischen und ableitenden, später adstrin-
girenden Behandlung mit Bleilösungen kam es zu einem langdauern-
den Eiterungsprocess in der Paukenhöhle mit öfter wiederkehrenden
subacuten Exacerbationen der Entzündung. Noch 6 Wochen nach
Beginn der Entzündung dauerten die Schmerzen im Ohr fort, aller-
dings in wechselnder Heftigkeit, aber zuweilen noch so, dass der
P. die Nächte, schlaflos zubrachte. Dabei fühlte er sich sehr matt,
fieberte etwas, sein Kopf war eingenommen, sein Gang zuweilen
taumelnd. Durch Einspritzen von Wasser in den Gehörgang trat
ungewöhnlich leicht Schwindel ein. Die am Proc. mast. auftretende
entzündliche Anschwellung nahm trotz starker Einpinselung mit Jod-
tinctur mehr und mehr zu. Zweimal wurden tiefe Incisionen bis
auf den Knochen gemacht, die jedesmal nur für einige Tage Er-
leichterung verschafften. Nach 7 Wochen wurde der Fortsatz so
empfindlich, dass leises Darüberstreichen mit dem Finger den hef-
tigsten Schmerzanfall hervorrief. Die hintere Wand des Gehörganges
schwoll an, liess aber keine Fluctuation erkennen. Nachdem einige
Tage kataplasmirt war, entleerte sich aus der oberflächlich inzwischen
verheilt gewesenen letzten Incision an der Wurzel des Fortsatzes
etwas Eiter und danach erfolgte Nachlass des Schmerzes. Die am
andern Tage (12. Febr.) in die Fistelöff*nung eingeführte Sonde drang
über 3,5 Ctm. vor in der Richtung des Antrum mast. Mit einer
starken Hohlsonde wurde die Oeffnung in dem cariös erweichten
Knochen erweitert. Sofort drang das von der KnochenÖfiiiung aus
eingespritzte Wasser in Schlund, Nase und Gehörgang. Aus letzterem
wurde eingedickter, käsiger Eiter herausgespült. Das Gehörver-
mögen war so herabgesetzt, dass die Uhr beim festen Andrücken
an die Ohrmuschel kaum gehört wurde. Die Knochenfistel wurde
durch Einlegen einer DrainagerÖhre ofi^en erhalten und Anfangs
täglich, später seltener durchgespritzt, wobei das Wasser zum Theil
in den Schlund, zum Theil in den Gehörgang abfloss. Seitdem
hörten die cerebralen Symptome auf. Die Schmerzen recidivirten
jedoch noch mehrmals, erreichten aber nie wieder den früheren
Grad. Erst Anfang November 1869 war die Fistelöfi'nung hinter
dem Ohr fest verheilt, nachdem schon lange Zeit vorher die Eite-
rung aus dem Gehörgang aufgehört hatte und die Oeflfnung im
1) Die Krankengeschichte betriflft den bereits in Band IV. S. 233 von
mir erwähnten Fall.
Casaistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 31
Trommelfell vernarbt war. Das Hörvermögen war nahezu voll-
ständig restituirt, für das Sprachverständniss sogar vollkommen nor-
mal. Der P. blieb seitdem von allen Beschwerden von Seiten dieses
Ohres frei. —
Der Fall bietet, abgesehen von seiner Aetiologie, durchaus
nichts Ungewöhnliches, und mancher Leser ist vielleicht geneigt,
mir einen Vorwurf daraus zu machen, dass ich so alltägliche und
oft beschriebene Erlebnisse der Praxis in diese Casuistik mit
hineinziehe. Allein gerade diese Fälle zeigen uns unzweideutig
den Weg, auf welchem wir bei unserem chirurgischen Handeln
vorgehen sollten. Bei exspectativer Behandlung kann in diesen
acuten Fällen der Heiltrieb der Natur zur Genesung führen, er
kann aber, wie Fall I. lehrt, auch unzureichend bleiben. Wir
werden also sicherer gehen und in jedem Falle die Leiden des
Kranken erheblich verkürzen, wenn wir ohne Zaudern zur Er-
öffnung des Fortsatzes schreiten, sobald sich herausstellt, dass
die bis auf den Knochen dringende Incision der Weichtheile nach
Wilde unzureichend bleibt, um die beunruhigenden Sjonptome
definitiv und dauernd zu beseitigen. Gewöhnlich deutet ja das
Fistulöswerden der Incision mit Sicherheit darauf hin , dass der
Knochen selbst bereits erkrankt ist. Wir sehen in unserem Falle,
dass die Incision aber auch trotz der cariösen Erkrankung des
unterliegenden Warzenfortsatzes anscheinend fest wieder ver-
narben kann. Für einen weiteren Eingriff bestimmend sind dann
die Fortdauer der Schmerzen und die nach kurzer Zeit recidivi-
renden cerebralen Symptome. Trotz des schliesslich günstigen
Verlaufes in unserem Falle, kann ich mir heute nicht den Vor-
wurf eines Kunstfehlers ersparen, den ich in der Unterlassung
einer frühzeitigeren breiten Eröffnung des Knochens mit dem
Meissel, bald nach der ersten Incision, also etwa 4 Wochen vor
dem spontanen Durchbruch des Knochens, erblicke. Die qual-
volle Existenz mehrerer Monate wäre dem Kranken dadurch
erspart geblieben.
Fall IV. (36).
Caries neerotica mit Faeialislähmung. EröJQTnang des Warzenfort-
satzes mit dem Drillbohrer. Tod 6 Monate später an Tuberculosis
pulmonum.
Frau Bendix, 30 Jahre alt, aus Mühlingen bei Magdeburg,
kam am 15. Februar 1869 in meine Behandlung. Sie hatte vor
2 Jahren eine heftige Otitis med. acuta überstanden und litt seitdem
32 V. H. SCHWARTZE
an rechtseitiger Otorrhoe, seit 4 Monaten an rechtseitiger Facialis-
paralyse. Seit einem Jahre sehr bedeutende Abmagerung und mehr-
fache andere Symptome von beginnender Tuberculosis, zu welcher
keine hereditäre Anlage bestand. (Wochenlang fortdauernde hart-
näckige Diarrhoen ; Anfälle von Heiserkeit, hartnäckige Lungen-
katarrhe etc.) Die Hauptklage der P. bezog sich auf andauernden
Kopfschmerz über dem rechten Ohr und in der rechten Stim-
hälfte. Dabei gleichzeitig oft Schmerz im rechten Ohr. Der äusser-
lich gesunde Warzenfortsatz bei Druck und Percussion sehr
empfindlich. Schon bei leisester Percussion des Knochens sinkt die
P. vor Schmerz in die Knie. Der knöcherne Gehörgang in seiner
inneren Hälfte cariös. Zahlreiche flache Granulationswucherungen.
Trotz lange fortgesetzter Irrigation und Ausspritzung des Gehör-
ganges bleibt der Grund desselben verstopft durch ungewöhnlich
festanhaftenden käsigen Eiter, der die Ausdehnung der Zerstörung
in Trommelfell und Paukenhöhle zu beurtheilen verhindert. Das
Gehör auf dem kranken Ohre war aufgehoben. Uhr nicht mehr
beim Anlegen; vom Warzenfortsatz aus nach der gesunden Seite
hinüber. Stimmgabeltöne vom Scheitel und den Schneidezähnen aus
nach der gesunden Seite stärker gehört.
Die rechtseitige Facialislähmung betraf alle Aeste des Nerven.
An der rechten Seite der Zunge bis zur Spitze war jede Geschmacks-
empfindung erloschen. Die Uvula war nach links verzogen. Die
faradische Erregbarkeit der Gesichtsmuskeln war aufgehoben, die
galvanische gesteigert. Auch nach mehrtägiger Irrigation von Gehör-
gang und Tuba gelang es nicht, den festen käsigen Eiter im Grunde
des Gehörganges zu entfernen und es wurde deshalb beschlossen,
durch Anlegung einer Gegenöflfnung im Warzenfortsatz, dessen
Schmerzhaftigkeit unverändert fortbestand, eine wirksamere Irriga-
tion und Durchspülung des cariösen Felsenbeines herbeizuführen und
auf diese Weise die Möglichkeit der Ausheilung des Knochenleidens
anzubahnen. Meine Bedenken wegen der verdächtigen Lungen-
afi'ection wurden durch Herrn Geh. Rath Prof. Th. Weber beseitigt,
dessen Entscheidung über die Zulässigkeit der Operation ich der
Patientin einzuholen empfohlen hatte. Prof. Weber constatirte, dass
allerdings bereits tiefere Veränderungen als chronischer Katarrh in
der rechten Lunge beständen, rieth aber bei der Abwesenheit fieber-
hafter Erscheinungen zur Ausführung der beabsichtigten Operation,
unter dem Hinweis, dass schon die Ruhe, welche die P. nach der-
selben einzuhalten genöthigt sei, von wohltbätigem Einfluss auf das
Lungenleiden sein könne. Nach der Anamnese erschien es mir als
höchst wahrscheinlich, dass die constitutionelle Erkrankung nur als
Infectionstuberculose , als Folge der Caries im Ohr aufzufassen sei,
weil die ersten Symptome derselben bei der bisher vollkommen ge-
sunden und kräftigen Frau erst ein Jahr nach der Ohraffection auf-
getreten waren.
Die Eröffnung des Warzenfortsatzes wurde am 27. Februar in
der Chloroformnarkose unter Assistenz meines Freundes Professor
A. Gräfe ausgeführt, und zwar mit dem Mitteldorpf 'sehen Drill-
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 33
bohrei*. Derselbe wurde nach Trennung der Weichtheile und ge-
nügender Ablösung des Periostes so aufgesetzt, dass er etwas über der
Höhe der Ohröffnung, parallel mit der hinterem Wand des Gehör-
ganges eindrang bis zu einer Tiefe von 13 Mm. Mit dem in Bd. VII.
S. 179 erwähnten Handbohrer wurde der enge Enochenkanal erweitert.
Das mittelst Irrigator eingeleitete Salzwasser kam aus dem Gehör-
gang langsam und nur tropfenweise mit krümligem Eiter heraus,
drang aber weder in Schlund noch Nase. Bei dem am Abend des-
selben Tages erneuten Versuche, von der Knochenöffnung aus zu
irrigiren, entstand heftiger Schwindel, Brausen im Kopf, aussetzender
Puls, Ohnmacht, so dass defr Verbuch sofort abgebrochen werden
musste. Noch 2 — 3 Stunden nachher kehrten leichtere Schwindel-
anfälle wieder. Als Ursache dieser beunruhigenden Erscheinungen
stellte sich heraus, dass die zur Irrigation benutzte Flüssigkeit nicht
gehörig temperirt gewesen war. Bei späteren Irrigationen mit Flüs-
sigkeit von 31 — 32 <^ R. kehrten jene Erscheinungen nie wieder.
In der ersten Nacht nach der Operation schlief P. vollkommen
gut. Auch am folgenden Tage fühlte sie sich wohl, abgesehen von
Appetitverminderung. Die zweite Nacht verlief unruhig. Am 1. März
früh Fieber. Temperatur 38,6, Puls 108. Hitze zum Kopf, Zunge
trocken und weiss belegt. Umgebung der Wunde leicht erysipelatös.
Bei der Dürchspülung lief das Wasser stärker aus dem Gehörgang
ab, dessen Grund sich bereits zum Theil gereinigt hat. Das mit
einiger Kraft direct in den Gehörgang gespritzte Wasser drang jetzt
in den Schlund, was vor der Operation nicht geschah.
Ord. Natran sulphuricum mit Sälire.
Am 2. März war die Patientin fast fieberfrei, klagte aber Nach-
mittags über reisseude Schmerzen in und hinter dem Ohr und in
den Zähnen.
Ord. Morphiuminjection.
In den folgenden 2 Wochen wurde die Irrigation von der
Knochenöffnung aus regelmässig zweimal vorgenommen und entleerten
sich dadurch wiederholt dicke, käsige Eitermassen aus dem Gehör-
gange. Diese käsigen Massen zeigten bei mikroskopischer Unter-
suchung neben frischen Eiterzellen Detritus, Fettkügelchen und
Knochenpartifeelchen. In den Schlund kam das Wasser, von der
Knochenfistel aus eingeleitet, niemals, dagegen allmählich immer
leichter, wenn es vom Gehörgange aus eingespritzt wurde. Die
Klage über heftige Schmerzen in den Zähnen des rechten Ober-
kiefers wiederholte sich öfter im Laufe der nächsten Tage. Der
Kopfschmerz nahm bedeutend ab, ebenso die Empfindlichkeit des
Warzenfortsatzes bei der Percussion. Am 8. Tage nach der Ope-
ration (6. März) verliess P. dauernd das Bett.
Am 13. März wurden aus dem Gehörgang einige nekrotische
Knochensplitter mit der Pincette entfernt. Der Grund des Ganges
war vollkommen rein, das Trommelfell fehlend bis auf einen peri-
pherischen Saum.
Am 16. März reiste die P. nach Hause, mit der Weisung, von
jetzt ab täglich nur einmal von der Knochenöffnung und vom Gehör-
Archiv für Ohrenheilkunde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 3
34 V. H. SCHWARTZE
gang aus zu irrigiren mit einem Zusatz von Kali hypermanganicum.
Die Knochenöffnung wurde durch Einlegen einer steifen Drainröhe
(Stück eines elastischen Katheters) möglichst lange offen zu erhalten
empfohlen.
Wie lange dies fortgesetzt Ist; ist nicht genau bekannt.
Am 2. Juni 1869 kam P. wieder. Die Wunde war längst fest
vernarbt; die Otorrhoe sistirt, der Kopfschmerz seltener und
weniger heftig wie vor der Operation gewesen, zuweilen noch
heftig stechende Schmerzen im Ohr. Die Facialislähmnng unver-
ändert. Mit der entschiedenen Besserung des Localleidens con-
trastirte die bedeutende Verschlechterung des Allgemelnzustandes.
Fortgeschrittene Abmagerung, viel Husten, Nachtschweisse Hessen
das Schlimmste befürchten. Am 13. August desselben Jahres er-
folgte der Tod an Tuberculosis pulmonum, nach einem vergeblichen
Aufenthalt in Lippspringe. Keine Section.
Fall V. (37.)
Otitis media purulenta granulosa« Periostitis des Proe. mastoideus.
Keflexepilepsie. Heilang durch Eröffnung des Antrum mastoidemn
mit dem Drillbohrer.
Dieser Fall stammt aus dem Jahre 1869 und ist im Bd. V.
S. 282 wegen der Reflexepilepsie bereits von mir ausführlieh mit-
getheilt. Ich habe in Bezug auf den weiteren Verlauf nur nach-
zutragen, dass ich am 23. Juni 1873 die dauernde Heilung des
Ohrleidens constatiren konnte. Das Trommelfellloch war vernarbt
und seither nie wieder ein eitriger Ausfluss bemerkt. Nach vier-
jähriger vollkommener Intermission der epileptiformen Anfalle seit
der Operation war nach einer ausserge wohnlichen psychischen Emotion
(Verlobung) ein kurzdauernder Rückfall der Krämpfe mit Schwindel
und Erbrechen eingetreten. Seitdem hat der F. geheirathet und
ist nach einer ganz kürzlich erhaltenen Mittheilung seines Vaters,
des Pfarrers Volmar in Orlishausen bei Cölleda (vom 29. Mai 1875)
gesund geblieben. —
Dass Reflexepilepsie vom Ohre ausgehend häufiger vorkommt,
ist mir seit jener Mittheilung unzweifelhaft gevirorden. Wieder-
holt habe ich seitdem Gelegenheit gehabt, zu erfahren, dass mit
der Heilung des Ohrleidens epileptiforme Zufälle verschwanden.
Hier interessirt uns nur das auf die operative Technik Bezüg-
liche und der Verlauf nach der Operation. In dieser Hinsicht
will ich hervorheben, dass dem Gebrauche des Drillbohrers, trotz
nachträglicher Erweiterung mit dem Handbohrer, in diesem Falle
keine fieberhafte Reaction folgte, dass bei der Irrigation das
Wasser nicht sofort nach der Operation durchdrang, sondern
Casuiatik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 35
erst vom 20. Tage an, und dass die Vernarbung der Operations-
wunde im Ganzen 3 Monate in Anspruch nahm. Die Granulations-
wucherungen in der Paukenhöhle verschwanden spontan, als die
Eiterretention im Antrum beseitigt war. Das zur Zeit der Ope-
ration physikalisch nachweisbare Lungenleiden ist sistirt. Das
Körpergewicht,, was sich schon 2 Monate nach der Operation
um 17 Pfand gehoben hatte, stieg seitdem um noch 20 Pfund,
so dass der P. im Jahre 1873 134 Pfund wog.
Fall VI. (43.)
Otitis media acuta purulenta mit Abseessbildangr am Proe« mastoi-
deus« Erweiternngr der Knochenfistel mit der Hohlsonde. Tod dareh
Taberculosis palmonum 1 Jahr später.
Kind Höfer aus Halle, erkrankte im Alter von 9 Monaten,
nachdem es den Keuchhusten überstanden hatte und von demselben
wieder vollständig genesen war, an doppelseitiger Otitis media acuta
mit Abscessbildnng am Warzenfortsatz. Die frühzeitig gemachten
Incisionen wurden fistulös und es kani zu Caries des Warzenfort-
satzes beiderseits. Nach Erweiterung der Knochenfisteln mit der
Hohlsonde drang bei Injectionen von den Fistelöfinungen aus die
Flüssigkeit immer leicht in die Gehörgänge und in den Schlund.
Trotz desinficirender Zusätze zu denselben, meist von Carbolsäure,
bestand ein intensiver Foetor ex aure unverändert fort. Zur Ab-
stossung eines grösseren Sequesters kam es nicht. Das ursprünglich
kräftige Brustkind marascirte unter Eintritt von tuberculöser In-
filtration der Lungen und starb im Alter von 2 Jahren bei unver-
ändertem Fortbestand seiner Ohrkrankheit unter allgemeinen Con-
vulsionen. Keine Section.
Mit grösster Wahrscheinlichkeit muss der lethale Ausgang
in diesem Falle auf das secundäre Lungenleiden geschoben wer-
den. Es ist flir mich kein Zweifel, dasa die Entwickelung des-
selben mit Wahrscheinlichkeit zu verhüten gewesen wäre durch
eine breitere Eröffnung des Warzenfortsatzes, resp. des Antrum
mastoideum. Schon die fortdauernd fötide Jauchung aus dem
Ohre spricht für ungenügende Irrigation des cariösen Herdes.
Für ähnliche Fälle ist der dreiste Gebrauch des kahnförmigen
scharfen Löffels auf das Wärmste zu empfehlen. Im Uebrigen
verweise ich auf die Bemerkungen zu Fall I., der ebenfalls beim
Gebrauch der Hohlsonde lethal verlief und auf die Kranken-
geschichte nebst Sectionsbefund , die Dr. Eysell aus unserer
Poliklinik in Bd. VI. S. 206. Fall I. mitgetheilt hat.
3*
36 ' V. H. SCHWARTZE
Fall VII. (47.)
Otitis media pamlenta seit 10 Jahren. PyAmisclie Symptome. Er-
öffnung des Proe. mast. mit dem Stilet eines Troicarts. Tod.^)
Conrad v. Kaltenborn, geb. 1858, Sohn phthisischer Eltern,
zeigte im 3. Lebensjahr zuerst Spuren von Schwerhörigkeit; seit
dem 5. Jahre linkseitige Otorrhoe. 1865 wurde er einige Wochen
durch V. Tröltsch behandelt; danach sistirte die Otorrhoe mehrere
Monate. 1866 im August kam er zu mir. Meine Notizen von da-
mals sind sehr kurz, weil ich den Knaben im Ganzen nur 8 Tage
gesehen habe und die Behandlung dann meiner eigenen Abreise
wegen aufgeben musste.
Das Protocoll der ersten Untersuchung vom 14. August 1866
lautet : Schwächliche Constitution, aber ohne weitere Organerkrankung.
Hörw. R. 3 Cm. L. 2 Cm. R. Flüsterzahlen auf 3 Meter unsicher, L. gar
nicht. R. Trommelfell atrophisch mit unregelmässigen Kalk- und
gelbröthlichen Pigmenteinlagerungen.
L. Granulation an der hinteren oberen Wand des Gehörganges,
ganz nah am Trommelfell. Granulationen auf dem Trommelfell selbst
im hinteren unteren Quadranten. Keine Perforation des Trommel-
felles erkennbar.
Ord. Aetzungen der Granulationen mit Argentum nltricuoi in
Substanz. Katheter beiderseits. Später, bei Nachlass der Otorrhoe,
zeitweises Einstäuben von Alaunpulver. Soolbäder. —
Kurze Zeit nach meiner Abreise starb die Mutter des Knaben
an der Cholera und das dadurch völlig verwaiste Kind entbehrte
für längere Zeit der nöthigen Fürsorge für sein Ohrenleiden. Die
Otorrhoe sistirte zunächst in Folge der Behandlung abermals für
längere Zeit, recidivirte dann aber 1868 und bestand von da ab
bis zum Tode ununterbrochen fort. Vom Jahre 1871 an stand der
Knabe in Behandlung des praktischen Arztes Herrn Dr. Risel, dem
ich die nachfolgenden Notizen (vom 16. Februar 1873) über den
weiteren Verlauf des Leidens und den schliesslich, leider zu spät^
vorgenommenen Operationsversuch verdanke. Ich gebe den Bericht
des Herrn Dr. Risel, der sich als Student und später als klinischer
Assistenzarzt lange und eifrig bei mir mit den Ohrkrankheiten be-
schäftigt hat, mit dessen eigenen Worten wieder:
„ Während der letzten 2 Jahre, in denen ich den Knaben beob-
achtete,, war die Eitersecretion unter Anwendung schwacher Ad-
stringentien spärlich und nur bei mangelhafter Reinigung des Gehör-
gang^s vorübergehend fötid. Furunkel bildeten sich dann und wann
im äusseren Gehörgange, zeigten sich aber in den letzten 7 Monaten
nicht. Schwindelan fälle stellten sich zuweilen spontan, häufiger beim
Ausspritzen des Ohres, regelmässig aber bei Gelegenheit anderweitiger
fieberhafter Erkrankungen ein. Schmerzen fehlten vollstän-
1) Die Operation in diesem Falle wurde von meinem ehemaligen
Schüler Herrn Dr. Risel in Halle ausgeführt.
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 37
dig. Das Trommelfell war im unteren hinteren Quadranten
perforirt in ziemlicher Ausdehnung, zeitweise seigten sich Granu-
lationen an dieser Stelle, welche aber immer bald nach einigen
Aetzungen mit Lapis zu verschwinden pflegten.
So war der Zustand weder local noch allgemein in irgend welcher
Weise wesentliche Besorgniss erregend, als sich am 16. August v. J.
Schmerz im linken Ohr einstellte, welcjher den Kranken jedoch nicht
hinderte, den Tag über die Schule zu besuchen und am Nachmittag
in der gewöhnlichen Weise zu arbeiten. Abends gegen 7 Uhr sah
ich ihn zuföUig, er war fieberfrei, ein wenig verstimmt, klagte über
Schmerz im Ohr, der jedoch anderer Art sei, als er sonst bei der
Entwickelung von Furunkeln aufgetreten. Tragus bei Druck und
äusserer Gehörgang bei Zug an der Ohrmuschel empfindlich. Hin-
terer Theil des äusseren Gehörganges in der Nachbarschaft des
Trommelfelles geröthet, in der Perforationsöfliiung pulsirt ein Flüs-
sigkeitstropfen, üebrige Functionen ungestört. Feuchtwarme Um-
schläge. *
17. August. Nachts über geschlafen, nur viel gestöhnt im
Schlafe. Nach dem Erwachen Schmerz von gleicher Heftigkeit wie
Tags zuvor. P. fühlt sich unwohl, fiebert, Appetit gering, nach
Tische nimmt das Fieber stetig zu, Nachmittags gegen 4 Uhr Som-
nolenz, leichte Delirien. Abends 8 Uhr fand ich den Kranken
somnolent, aber zum vollkommenen Bewusstsein zu erwecken. Haut
trocken, heiss, Temp. 40,2, Puls 120. Klagen über Oppresaion im
Epigastrium, welche durch Druck vermehrt wird, und über Schwin-
del bei Bewegung des Kopfes. Kopfschmerz und Uebelkeit fehlen.
Umgebung des linken Ohres weniger empfindlich als gestern. Unter-
suchung des Ohres gibt dasselbe Resultat wie gestern. Pupillen
gleich, reagiren normal. Nirgends am Gesicht oder Schädel ödema-
töse oder schmerzhafte Stellen zu entdecken. Brust und Unterleibs-
organe normal. Während des Schlafes Cheyne-Stokes-Respiration^-
phänomen sehr ausgesprochen.
Ord. Kalomel 0,2 stündlich bis zur Hervorrufung mehrmaliger
Diarrhoe, graue ßalbe in der Umgebung des Ohres einzureiben.
18. August. Fieber von gleicher Intensität. Somnolenz ge-
risger. Athmen regelmässig. Haut und Sclera leicht ikterisch. Leber
und Milz scheinen etwas vergrössert. Druck im Epigastrium schmerz-
hafter. Sonst keine Veränderung, auch nicht am Ohr. Mehrere
braune Stühle.
Ord. Kalte Abwaschungen. Chinin 0,5. Säure.
Abends während des Schlafes Delirien. Temp. 40,6. Tags über
mehrmaliges Erkalten des Kopfes und der Extremitäten gefolgt von
massigen Schweissausbrüchen (rudimentäre Schüttelfröste). Klagen
über Schmerzhaftigkeit des Nackens beim Drehen des Kopfes.
19. August. Morgens 5 Uhr spontan galliges Erbrechen, das
sich in den nächsten Stunden noch zweimal wiederholt, darauf mehrere
rudimentäre Schüttelfröste. Temp. 41,0. P. 120. Bewusstsein nicht
ganz frei, Nachts viel delirirt. Ikterische Färbung deutlich. Vage
Schmerzen in den Extremitäten und in der Nachbarschaft der Lenden-
?.4'^
V. H. SCHWARTZE
Wirbelsäule, sowie in der Brust beim tiefen Athemholen. Für letz-
tere lässt die objective Untersuchung keinen Grund auffinden. Leber
und Milzdämpfung nachweisbar vergrössert, erstere den Thoraxrand
überragend und bei Druck schmerzhaft, lieber Nacht hat sich eine
Pj leichte ödematöse Anschwellung um den linken Proc.
mastoideus gebildet, welcher gegen Druck sehr empfindlich i3t.
5 Blutegel an denselben, sonst dieselben Verordnungen.
Nachmittags 5 Uhr. Kein Nachlass der Erscheinungen. Delirien
stark. Anschwellung über dem Proc. mastoideus stärker. Es wird
in schwacher Chloroformnarkose über demselben ein Einschnitt bis
auf den Knochen gemacht und derselbe dann mit dem Stilet eines
Troicarts zum Bauchstich ca. 1 Cmtr. über seiner Spitze angebohrt,
was sehr leicht gelingt. Es entleert sich ca. V2 Theelöffel voll
stinkender Jauche. Reinigung und Verband mit Carbolsäurelösung.
Abends. Delirirt im Wachen. Temperatur sehr hoch. Puls
weicji, 134.
Tod in der folgenden Nacht ohne besondere Erscheinungen. An
der Leiche fanden sich am nächsten Tage zahlreiche Ekchymosen,
bis zu Zweigroschenstückgrösse, auf der Brust und dem Epigastriun),
die als der Effect von Embolien der Haut anzusehen sind, wie es
mit dem Gesammtverlauf der Krankheit einer acuten Septicämie mit
Embolien der Lunge und Leber, vielleicht auch mit beginnenden
Gelenkaffectionen, ausgehend von einer Verjauchung der Zellen
des Warzenfortsatzes mit consecutiver Sinusthrombose, übereinstim-
mend ist. ^
Es ist klar , dass der tödtliche Ausgang in diesem Falle
nicht Folge des operativen Eingriffes war, sondern nur einer Ver-
spätung desselben. Wenn die Operation beim Beginn des pyä-
naischen Fiebers am 17. August oder früher gemacht worden,
so würde das Leben mit Wahrscheinlichkeit zu erhalten ge-
wesen sein.
Fall Vin. (53.)
Oaries der hinteren Wand des GehSrganges. Eiterretention im
Warzenfortsatz. Eröffnung desselben mit dem Drillbohrer, später
mit dem Meissel. Heilung nach 10 Monaten.^)
Emma Faese aus Giebichenstein bei Halle, 1 6 Jahr alt, hatte
im Jahre 1871 eine rechtsseitige acute Otitis, seitdem Otorrhoe mit
häufigen Schmerzanfällen. Im October 1872 gesellte sich zu diesen
Symptomen eine schmerzhafte Auftreibung des Warzenfortsatzes und
Erscheinungen von Hirnreizung, die sie veranlassten, in der Poli-
1) Dieser Fall ist bereits publicirt in einer Inaugural-Dissertation eines
meiner Schüler (Casuistik zur chirorgfschen Eröffnung des Warzenfortsatzes
von Carl Weitz. Halle 1874. 26. Januar. Fall I.).
C&suistik zur chirargischeo Eröffanng dea Warze Dforteatzes.
klinik Hülfe zn sucIieD. Bei der ereten UntersucLuag am 12. 0(
1872, nachdem die Krankheit alBO etwa !■/] Jahr bestanden
zeigte sich der Gehdrgang erfüllt von polypösen Grannlationen
an der hinteren Wand desselben wurzelten und durch die ma
der Sonde auf blossen nnd rauhen Knochen kam. Eine Perfo:
des Trommelfelles konnte nicht nachgewiesen werden. Hörweil
Ubr 15 Ctm. Da Bepinselung des Warzenfortsatzes mit Jodti
nnd die sonst amtliche ableitende Behandlung ebenso wenig al
wiederholt« Entfernung der polypftsen Granulationen einen wi
liehen Erfolg hatte, letztere vielmehr mit grosser Schnelligkeit i
wieder nach wucherten, wurde nach 14tflgiger Beobachtungsdau<
Eröffnung des Warze nfortsatzes beschlossen, obwohl die ceret
Erscheinungen durchaus nie eine bennrnhigende Hßhe erreicht h
Der Zweck der Operation sollte sein, den in den Warzenfoi
Zellen nnd im Antmm mastoidenm vermntheten Eiter zu entl
nnd gleichzeitig durch Anlegung einer Gegen Öffnung eine
saniere Irrigation und Reinigung des Ohres und dadurch die
lieilung der Caries zu ermöglichen. Ausgeführt wurde dteselbi
mir am ll.October 1872 im hiesigen Diakonissenhauae unte
sistenz der Herren Dr. EyseU und Dr. WÜke. Der Warzenfo
(übrigens beiderseits ungewöhnlich stark ausgebildet und vorgei
war weder bei Druck noch bei Percnssion empfindlich, abe:
Hantdecke besonders im oberen Theile geröthet nnd etwai
scliwollcii. Nachdem In der Chloroform narkose ein zoUlanger
schnitt durch das infiitrirte, ungewöhnlich dicke Zellgewebe bi
den f^nochen gemacht war, wobei einige ftlr die LoealitSt
wohnlich starke Arterien spritzten, wurde nach vdlliger Stillnn;
Blutung das Periost eine Strecke znrttckgescboben und da der
chen sich nicht erweicht zeigte, mit einem vergrösserten i
peirastischen Bohrer etwas über der Höhe der äusseren Ohröf
in der Richtung nach vom parallel mit der hinteren Knochen
des Gehörganges etwas über 2 Cmtr. tief eingegangen. Die
Öffnung wurde hierauf mit einem Handtrepan erweitert, bei d
ZurSckziehen aus der Knochen Öffnung Eiter mit Blut gemiscl
ÜOSB. In die Knochenwunde wurde das vordere abgeschnittene
eines Kautschukkatheters eingelegt und durch denselben erst mi
Irrigator, dann mit einer grossen Wundspritze laues Salzwassei
gespritzt. Doch dauerte es wohl 1 Minuten, bis das Wasser An
tropfenweise, dann schneller aus der Ohröffnung abfloss und :
liehe Mengen von eingedicktem Eiter hervorschwemmte. Die C
wurde mit einem Bindestreifen befestigt, auf die Wunde selbi
einfaches Charpiepolster gelegt und angeordnet, dass täglich
mal durch die CanOle die Irrigation des Ohres unter Zusatz
geringen Menge Oarbolsäurelösnng und Kochsalz wiederholt v
Das Wasser drang manchmal besser, manchmal schlechter durc
starken Strome jedesmal dann, wenn es unter stärkerem Drnc
der Spritze eingeführt wnrde.
Fiebererscheinungen folgten der Operation nicht, vielmehr
sich die Patientin in den folgenden Tagen vollkommen wohl
40 V. H. SCHWARTZE
hatten insbesondere die quälenden Kopfschmerzen vollständig nach-
gelassen.
Schon am 5. November zeigte sich der Gehörgang wieder fast
ganz erfüllt von polypösen Granulationen, die ziemlich nahe am Ein-
gang an der früheren Stelle aufsassen; trotzdem floss das Wasser
gut aus der Ohröffnung, ohne jemals in Schlund oder Nase zu dringen.
Durch den Katheter eingeblasene Luft fühlte Patientin im Ohre.
Oberhalb der Wunde entzündliches Oedem bis zur 'Höhe des oberen
Randes der Ohrmuschel ; Schwellung und Röthung des unteren Augen-
lides. Als nach einigen Tagen das entzündliche Oedem verschwun-
den war und die Kranke sich andauernd vollkommen schmerzfrei
befunden hatte, wurden die sehr reichlich nachgewachsenen polypösen
Granulationen im Gehörgang von Neuem abgeschnürt. Statt der
Hartkautschukcanüle wurde ein konischer, etwa 1" langer Bleinagel
in die Knochenöffnung eingelegt und von jetzt ab durch letztere
direct durchgespritzt. Der Bleinagel wurde gut vertragen, die Flüs-
sigkeit lief beim Irrigiren im Strome wieder ab.
Am 16. November wurden abermals die starkgewucherten Gra-
nulationen im Gehörgang abgeschnürt und ein etwa bohnengrosses
nekrotisches Knochenstück, das von Granulationen vollständig um-
geben war, aus dem Gehörgang extrahirt.
Am 18. November wurde Fat. aus dem Diakonissenhaiise ent-
lassen und von da ab ambulatorisch weiter behandelt. Es wurde
täglich hinten von der Fistelöffnung aus durchgespritzt, wobei das
Wasser stets im Strome wieder aus der Ohröffnung abfloss; auch
umgekehrt ging das Wasser hinten im Strahle wieder heraus, wenn
stark in den Gehörgang eingespritzt wurde. Die wuchernden Gra-
nulationen wurden täglich mit Lapis geätzt. In einigen Tagen war
der Gehörgang frei, so dass das Trommelfell graublau, anscheinend
ohne Perforation gesehen werden konnte. Ausser dem geringen Rest
der Granulationen an der hinteren oberen Wand des Gehörganges
war in der Tiefe desselben eine kolbige, bewegliche Wucherung
anscheinend dicht vor dem Trommelfell zu sehen, die von der
oberen Wand des Gehörganges auszugehen schien; dieselbe wurde
ebenfalls geätzt. P. befand sich andauernd wohl und vollkommen
schmerzfrei.
Ende November hatte die Eiterung so weit nachgelassen, dass
selbst die Charpiewieken im Ohre tagelang trocken blieben. Von
den Granulationen hinten oben im Gehörgang war nichts mehr sicht-
bar. Die zapfenartige harte Geschwulst in der Tiefe dicht vor dem
Trommelfell zeigte sich trocken und von intensiv schwarzer Farbe.
Das hinten in die Fistelöffnung eingespritzte Wasser drang nur noch
schwierig aus dem Gehörgang hervor, war aber völlig klar und nie
mehr eitrig getrübt. Hörweite wie vor der Operation 15 Cmtr. Bei
Luftdouche mit dem Katheter war ein nahes, von dem gewöhnlichen
eiwas verschiedenes Perforationsgeräusch hörbar, doch liess sich weder
mit dem Auge noch mit der Sonde ein Substanzverlust des Trommel-
felles erkennen. Statt des Bleinagels wurde jetzt eine Charpiewieke
in die Fistel eingelegt und beschlossen, dieselbe langsam zuheilen
- j
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 41
zu lassen. Der Ernährungszustand der Kranken hatte sich unter-
dessen bedeutend verbessert, auch waren Schmerzen im Ohre und
Kopfe nicht wieder geklagt worden.
Jedoch schon Anfang December zeigte sich der Gehörgang wieder
etwas entzündlich verengt und es waren von Neuem Schmerzen auf-
getreten, so dass der Bleinagel wieder eingeführt und die Irrigation
fortgesetzt werden musste. Die entzündliche Verengung des Gehör-
ganges verschwand dabei nach wenigen Tagen, der Bleinagel wurde
auch jetzt gut vertragen. Die Eiterung war so unbedeutend, dass
die Irrigation nur noch 2 Mal wöchentlich vorgenommen wurde.
Dabei ging die Patientin wieder regelmässig auf ihre Arbeit in eine
Baumwollenspinnerei.
Ende December drang das Wasser nicht mehr hindurch. Der
Gehörgang blieb weit und ohne Granulationen, nur in der Tiefe hing
vor dem Trommelfell oben der dreieckige Zapfen herab, der sich
trotz wiederholter Aetzung nicht verkleinert hatte.
Anfang Januar 1873 war die Eiterung null, sowohl aus dem
äusseren Gehörgange, als auch aus der Fistel, in welcher der Nagel
bei dem letzten Verbände 8 Tage ununterbrochen gelegen hatte.
Die Oeffnung der Fistel erschien schleimhautartig überhäutet. Das
Wasser konnte selbst bei Anwendung grösserer Kraft nicht mehr
von der Fistel nach dem Gehörgange durchgepresst werden. Der
vor dem Trommelfell sitzende zapfenartige Vorsprung ward mit der
Schlinge abgetragen und dabei ein Knochenstückchen (Osteophyt) mit
herausbefördert.
Ende Januar war die Operationswunde fest geschlossen. Otorrhoe
nicht mehr vorhanden, die Wucherungen im Gehörgang nicht wieder
nachgewachsen, 9as Trommelfell immer noch feucht glänzend; beim
Valsalva'schen Versuch wurde hinten oben an demselben ein
Eitertropfen sichtbar, der aber nicht aus der Paukenhöhle hervortrat,
auch dann nicht, als durch den Katheter Luft eingeblasen wurde.
Kopfschmerzen hatte Patientin nie wieder gehabt.
Dieser für Heilung des Knochenleidens imponirende Zustand
dauerte etwa 4 Wochen bis Ende Februar, dann bildete sich ohne
Schmerzen im Gehörgange dort, wo zuerst die Granulationen ge-
sessen hatten, ein Abscess; derselbe wurde incidirt. Wuchernde
Granulationen sprossten von Neuem hervor. Die Narbe hinter dem
Ohr brach wieder auf und die Sonde stiess in der Tiefe auf nekro-
tischen Knochen. Obwohl sich die Hautnarbe in den nächsten Tagen
anscheinend wieder ganz fest geschlossen hatte, koiinte man sie sehr
leicht mit der Sonde durchdringen und constant in einer Tiefe
von 1 ^4 Zoll nach innen und vorn den nekrotischen Knochen fühlen.
Um nun wieder für den reinigenden Wasserstrahl einen freien
Weg durch den erkrankten Knochen zu schaffen, zugleich aber auch
um die schon todten und lebensunfähigen Partien, deren Vorhanden-
sein die Heilung vereitelte, zu entfernen, wurde eine zweite Operation
beschlossen, aber nicht mit dem Bohrer, mit dem man die zweite
Indication gar nicht, die erste vielleicht nicht so gut hätte erfüllen
•V' "^T«:^
i^
42 V. H. SCHWARTZE
könneD^ sondern mit dem Meissel und scharfen Löffel am
17. März 1873 ausgeführt.
Der äussere Gehörgang war erfflllt von polypösen Granulationen,
die hinten oben vom Gehörgang entsprangen. Unter denselben fühlte
man rauhen Knochen. Die Fistel am Warzenfortsatz zeigt sich in
der Haut grösstentheils geschlossen; nur tief unten an der Spitze
des Warzenfortsatzes war sie unter der Haut und im Knochen noch
vorhanden. Nachdem zuerst di^ Granulationen von der hinteren Wand
des Gehörganges mit dem scharfen Löffel entfernt waren^ wurde die
Aussenwand des Warzenfortsatzes, die vorher durch Längsschnitt
und Zurückschieben des Periostes in genügender Ausdehnung frei
gelegt war, in grosser Ausdehnung fortgemeisselt und dadurch der
Warzenfortsatz' selbst breit eröffnet, dann mit dem scharfen Löffel
und einer schmalen Knochenzange eine weite Communication zwischen
dieser Oeffnung und dem äusseren Gehörgang geschaffen, wobei alles
Kranke in letzterem sorgfaltig entfernt wurde. Nachdem darauf die
grosse Wundhöhle mit schwacher Carbolsäurelösung ausgespült war,
wurde vom Gehörgang aus nach hinten eine Drainageröhre durch-
gezogen.
Auch dieser viel eingreifenderen Operation folgte eine kaum
nennenswerthe fieberhafteReaction (höchste Temperatur 38,3)
und konnte Patientin schon nach 10 Tagen aus dem Diakonissen-
hause entlassen werden. Die grosse Wunde war mit Granulationen
ausgefüllt, welche die Drainageröhre vollständig umschlossen und
keinen Einblick in die Tiefe mehr gestatteten. Die Drainageröhre
wurde mehrere Wochen getragen und durch dieselbe die Wunde
täglich irrigirt ; trotzdem zeigte sich Ende April der Gehörgang wieder
voll von polypösen Granulationen, so dass auch hier ein Einblick in
die Tiefe vollständig unmöglich war. Um dieselbe wenigstens etwas
wieder zngängiger zu machen, wurde die Drainageröhre fortgenom-
men. Die Fistelöffnung zeigte Neigung sich zu verschliessen, wurde
aber durch tägliches Einschieben von Charpiewieken offen gehalten.
Die Granulationen im Gehörgange wurden häufig discidirt und stark
mit Lapis weiter geätzt. Zu jeder Zeit drang hinten eingespritztes
Wasser leicht aus dem Ohre wieder hervor. Da Anfang Juni immer
noch geringe Reste der Granulationen im Gehörgange bestanden,
wurden dieselben von jetzt ab mit Chromsäurekrystallen geätzt und
schienen hierdurch im September 1873 dauernd beseitigt zu sein.
Der Gehörgang war weit, ohne Eiterung, nur in nächster Umgebung
des nekrotischen Steigbügelköpfchens dauerte eine ganz geringe
Secretion fort. Auch diese schwand nach Abstossang des nekroti-
schen Theiles am Steigbügel.
Ende October 1873. Seit Wochen ist das Ohr nicht mehr
ausgespritzt. Dasselbe ist vollkommen trocken, auch in der Tiefe
kein eitriger Belag mehr sichtbar. Gehörgang weit. Trommelfell
scheint ganz zu fehlen. Die freiliegende Paukenhöhle überzieht sich
mit Epidermis. Hörweite 3 Cmtr.
Ende November: Dauernde Heilung constatirt, keine Spur
von Eiterung, Hörweite 8 Cmtr.
Casnistik zur chirargischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 43
Ende December. Die freiliegende Paukenköhle ist voll-
kommen trocken und mit Epidermis überzogen.
Spätere Untersuchungen^ viele Monate hindurch in regelmässigen
Abständen von 14 Tagen wiederholt , ergaben stets ein gleiches
Resultat.
Epikrise. Ohne bekannte Veranlassung wird ein Mädchen
vop 15 Jahren von einer acuten Otitis befallen, die zu chroni-
scher Otorrhoe, zu Caries und Eiterretention im Warzenfortsatze
führt. Ohne dass beunruhigende Symptome abgewartet wer-
den, wird zur Eröflhung des Warzeirfortsatzes geschritten. Die
Operation veranlasst nicht die geringste fieberhafte Reaction,
im Gegentheil hören sofort die Mher bestandenen heftigen
Kopfschmerzen auf. Als in Folge der durch die Operation
und das tägliche Irrigiren eingetretenen grösseren Energie des
atonischen Krankheitsprocesses , die sich auch durch schnelles
Nachwachsen der abgeschnürten Granulationen kundgibt, sich
ein grösseres nekrotisches Knochenstück abgestossen hat, hört
die Otorrhoe allmählich fast ganz auf und während sich die
Knochenfistel schliesst, scheint das Leiden auszuheilen. Doch
deutet eine an der hinteren Wand des Gehörganges dicht
vor dem Trommelfell sitzende, vom Knochen ausgehende Gra-
nulation an, dass im Innern desselben der Process noch Fort-
schritte macht. Nach kurzer Zeit bildet sich dann auch da-
selbst ein Abscess, derselbe wird incidirt, aus der Wunde sprossen
wieder fungöse Granulationen, die Narbe auf dem Processus
mastoid. bricht wieder auf und man ftlhlt in grosser Ausdehnung
nekrotischen Knochen. So scheint, wenigstens fltr die definitive
Heilung, das ganze Resultat sowohl der Operation als auch der
langwierigen Nachbehandlung in Frage gestellt. Es wird daher
zu einer zweiten Operation geschritten, diesmal mit dem Meissel
und scharfen Löffel aus den schon oben angeftlhrten Gründen.
Auch danach keine fieberhafte Reaction. Während nun die
Knochenwunde sich schneller als erwünscht verkleinert und zu-
heilen will, dauert die Eiterung und Granulationswucherung im
Gehörgang fort. Abschnüren der Granulationen und intensive
Aetzungen mit Lapis bleiben erfolglos. Erst unter lange Zeit
consequent fortgesetzten Aetzungen mit Chromsäure in Substanz
gelingt es, ohne nachträgliche Abstossung eines Sequesters, die
definitive Vernarbung 6 — 7 Monate nach der zweiten Operation
zu erzielen.
' \
44 V. H. SCHWARTZE
Fall IX. (54.)
Otitis media purulenta chronica mit Oaries im OeliOrgang ohne
Entziindnngr des Proe. mastoideus. Tersueh der Anhohrungr des
letzteren mit dem Drillbohrer ohne Erfolg: wegren totaler Sitlerose.
Frl. K. aus Apolda, geboren 1857, von kräftiger Constitution,
behielt nach Scharlach im 5. Lebensjahr doppelseitige Otorrhoe. Am
10. October 1872 kam sie in meine Behandlung. Im linken Ohr
hatte die Otorrhoe bereits seit längerer Zeit sistirt und es war bei
einer grossen centralen Perforation des Trommelfelles nur noch in
der Paukenhöhle und am Trommelfellrest eine sehr unbedeutende
Eitersecretion nachweisbar. Im rechten Ohr war die Eiterung
copiös und stinkend, das Trommelfell zum grössten Theil fehlend,
in der Tiefe des Gehörganges eine membranöse strangförmige Brocke;
die hintere obere Wand des Ganges cariös, mit polypösen Granu-
lationen. Der Rand des cariösen Defectes ist nach aussen durch
eine buckeiförmige Prominenz begrenzt, hinter welcher eine ge-
krümmte Sonde nach hinten und oben, in der Richtung nach dem
Warzenfortsatze weit hinein gleitet. Der Warzenfortsatz war zur
Zeit äusserlich ohne Zeichen von Entzündung, soll aber in früheren
Jahren schon wiederholt schmerzhafte Anschwellung gezeigt haben,
wegen deren die P. wochenlang bettlägerig gewesen ist. Uhr R.
5 Cmtr. , L. nicht beim Andrücken, vom rechten Warzenfortsatze
sehr deutlich, vom linken unsicher. Stimmgabeltöne vom Scheitel
nach rechts stärker gehört. Die locale Behandlung .während der
nächsten Wochen bestand für das linke Ohr in der Anwendung
kaustischer Lapislösung mit Neutralisation und dem Katheter, für
das rechte in systematischer Reinigung und Desinfection, Excision
der Hautbrücke in der Tiefe des Gehörganges und Herstellung der
vollkommen aufgehobenen Durchgängigkeit der Tuba Eust. Wegen
einiger Symptome von Scrophulosis (dick geschwollene Nase, Ekzem
an den Ohrmuscheln, Lymphdrüsenschwellungen) brauchte die Pat.
Soolbäder und nahm Jodeisen. Die Paukeneiterung im linken Ohre
heilte hierbei auf die Dauer; die Caries im rechten Ohr bestand un-
verändert fort.
Am 2. December 1872 wurde zur Eröffnung des äusserlich ge-
sunden Warzenfortsatzes geschritten, in der Absicht, durch Anlegung
einer künstlichen Fistelöffnung in demselben eine wirksamere Irri-
gation des cariösen Herdes zu ermöglichen. Die Operation wurde
in der Chloroformnarkose unter Assistenz der Herren Dr. Eysell
und Weitz mit einem vergrösserten akidopeirastischen Bohrer nach
Mitteldorpf ausgeführt. Die Trennung der Weichtheile war von
auffallend geringer Blutung gefolgt, kein arterielles Gefäss brauchte
unterbunden zu werden. Nach genügender Ablösung des Periostes
wurde der Bohrer etwas über und hinter der äusseren Ohröffnung
aufgesetzt und parallel mit der hinteren Wand des Gehörganges bis
zu einer Tiefe von 25 Mm. vorgetrieben. Wegen der elfenbein-
Casuistik zur chirargiacben EröffDUtag des Warzeiifortsatzes. 45
artigen Beschaffenheit des Knochens gelang dies nicht ohne einige
Schwierigkeit und nur unter mehrfachen Absätzen und Wechseln der
Bohrerspitzen. Auch in der genannten Tiefe war der Knochen immer
noch von derselben Beschaffenheit, wie an der Rinde und ich wagte
wegen ungenügender Erfahrung über die Zulässigkeit und Noth-
wendigkeit tieferen Vordringens nicht weiter zu gehen. Das in den
Bohrkanal kräftig eingespritzte Wasser drang weder aus dem Gehör-
gang hervor, noch in den Schlund, weder gleich nach der Operation,
noch bei späteren Versuchen, mit anderen Worten, die Operation
hatte ihrem Zweck nicht entsprochen. Von einer nachträglichen Er-
weiterung und Vertiefung der Knochenöffnung hielt mich besonders der
Umstand ab, dass bei einem Versuche am ersten Tage nach der Ope-
ration mittelst einer Metallspritze, deren konischer, ziemlich spitzig
endender Ansatz den Knochenkanal genau abschloss, Wasser hindurch-
zutreiben, eine venöse Blutung eintrat, die den Verdacht erregen konnte,
dass der Sinus transversus verletzt sei. Die Blutung stand nach An-
legung eines Compressionsverbandes und wiederholte sich nicht. Eine
fieberhafte Keaction folgte dem Operationsversuche nicht. Die höchste
Temperatursteigerung nach demselben war 38,3 0.
Am fünften Tage verliess die Operirte das Bett. Der Fistel-
kanal im Knochen wurde 14 Tage lang durch Einlegen eines Blei-
nagels offen erhalten, in der Hoffnung, dass es nachträglich noch
gelingen könnte, eine Communication mit Gehörgang oder Pharynx
zu erzielen, wie wir dies mehrfach erlebt hatten, aber vergeblich.
Anfang Februar 1873 war die Operationswunde vernarbt. Die
stinkende Eiterung aus dem Gehörgang dauerte fort, kaum vermin-
dert. Die excidirte Hautbrücke im Gehörgang, die dem Abfluss des
Secretes ein gewisses Hinderniss geboten hatte, wuchs nicht wieder
nach. Die Bemühungen, die Undurchgängigkeit der Tuba zu be-
seitigen, waren von Erfolg. Die durch den Katheter eingeblasene
Luft zischte endlich laut aus dem Ohre heraus; das in den Gehör-
gang eingespritzte Wasser kam in Schlund und Nase. Auf diese
Weise war wenigstens durch die Möglichkeit besserer Reinigung des
cariösen Herdes ein kleiner Nutzen für die Kr. geschaffen. Carbol-
säurelösungen wurden zur Reinigung, Kupferlösungen zu Einträufe-
lungen fortdauernd und mit grosser Consequenz benutzt. Von Zeit
zu Zeit traten Kopfschmerzen in der Stime, oder in den Schläfen
auf, zuweilen verbunden mit Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Un-
regelmässigkeit des Pulses, Schwindel. Im Ohre selbst traten nur
1 mal im October 1874 acut entzündliche Erscheinungen mit Lymph-
drüsenentzündungen am Halse hervor, sonst blieb es völlig frei von
Schmerz. Polypöse Granulationen wurden nicht wieder sichtbar.
Noch gegenwärtig, 2 V2 Jahr nach der Operation, besteht die krater-
förmige cariöse Höhle in der hinteren oberen Wand des Gehör-
ganges, nach aussen begrenzt von einer buckeiförmigen Auftreibung
des Knochens, unverändert fort bei allerdings verminderter ^aber
fortdauernder jauchiger Secretion. /
Ob durch die directe Einführung einer entsprechend gebogenen,
dünnen Canüle in die Knochenhöhle, wie es für ähnliche Fälle schon
1
46 V. H. SCHWARTZE, Casuistik z. Chirurg. Eröffnung d. Warzenforts.
von Toynbee empfohlen wurde, noch eine Ausheilung erzielt wer-
den kann, wird die Zeit lehren. Ich habe es in diesem Falle erst
nach der nutzlos gebliebenen Operation angefangen, in vielen an-
deren Fällen aber damit nichts erzielen können. Beim Eintritt be-
drohlicher Cerebralsymptome würde ich den Versuch der Eröffnung
des Antrum mastoideum wiederholen, aber mit dem M eis sei, und
keinen Anstand nehmen,, mit demselben, wenn es erforderlich, bis
zu 3 Centimenter Tiefe und mehr vorzudringen, was für solche
Fälle von hochgradiger Hyperostose des Warzenfortsatzes allerdings
nur ausnahmsweise nothwendig werden kann.
(Fortsetzung folgt.)
VI.
Besprechungen.
1.
Die Krankheiten der Naöenrachenhöhle und des Rachens. Von Herrn.
Wen dt. (Ziemssen's Handbuch der speciellen Pathologie und
Therapie. VH. Bd. 1. Hälfte. 1874. S. 235— 323.)
Angezeigt von
V. TrSltsch.
Wir sind im Ganzen über die krankhaften Vorgänge im
obersten und entlegensten Theile des Pharynx, dem Nasen-
rachenräume, bisher noch recht wenig unterrichtet. Um so pas-
sender war es, die Bearbeitung dieser Gegend fllr das Ziems-
sen'sche Handbuch Wen dt zu übertragen, welcher unstreitig
derselben am häufigsten gründliche Beachtung bei seinen zahl-
reichen Ohrsectionen schenkte, wobei ihm sehr zu Statten kam,
dass er in der Regel in der glücklichen Lage sigh befindet, die
beiden Felsenbeine des Kopfes im Zusammenhange und somit
in Verbindung mit den Gebilden des oberen Pharynxraumes aus
der Leiche herausnehmen zu können.
Einer kurzen Einleitung folgt eine übersichtliche anato-
mische Beschreibung der Theile, wobei sehr zu bedauern
ist, dass die hintere Partie der Nase von der Besprechung aus-
geschlossen wurde. Wen dt gesteht (S. 238) selbst zu, dass
dieselbe „in praktischer Beziehung zum Nasenrachenräume ge-
hörig'^ sei und hatte er jedenfalls bei seinen Sectionen Gelegen-
heit, sich von dem normalen und dem krankhaften Verhalten
der Choanen und des hinteren Endes der unteren Muschel mit
ihrem in jeder Beziehung hochinteressanten cavemösen Gewebe
eingehender zu unterrichten, als das Jemand Anderem bisher
möglich war. Wollen wir hoffen, dass diese für den Ohrenarzt
»^3r
48 VI. Besprechungen.
gerade praktisch sehr bedeutsamen Gebilde bei der eigentlichen
Vorführung der Erkrankungen der Nase die gebührende Berück-
sichtigung finden mögen.
Kurz erwähnt wird sodann der Antheil des Cavum pha-
ryngo-nasale bei der Respiration — unserem Erachten
nach hätte dieser Punkt eine weit eingehendere Würdigung ver-
dient — , beim Schlingact und beim Sprechen; hierauf
werden die Beziehungen desselben zum Ohre besprochen.
Verfasser bezeichnet hierbei das Einblasen von Luft durch eine
in die zugehaltene Nase eingeführte Röhre als „passiven Valsalva-
schen Versuch". Neu ist diese Bezeichnung, dagegen irrt sich
Verfasser, wenn er sagt (S. 2i5), dass er dieses Verfahren an-
gegeben hätte. Sehr bald wohl, nachdem Politzer das nach
ihm genannte Verfahren veröffentlicht hatte (1863), mag man
sich vielfach tiberzeugt haben, dass in manchen Fällen, insbe-
sondere bei Kindern, einfaches kräftiges Einblasen in die zuge-
haltene Nase auch ohne gleichzeitiges Schlingen gentige, um
dieselben Wirkungen ftir's Ohr zu erzielen. So spricht sich Refe-
rent 1864 im 1. Heft dieses Archivs (S. 40) ganz deutlich über
diese, sicherlich auch anderen Aerzten schon damals aufgestossene
Thatsache aus, und sagt: „Dieses Ausnahmsverhältiiiss erhöht
den Werth des neuen Verfahrens für die Kinderpraxis ganz
ungemein und mag dasselbe vor Allem in der absolut grösseren
Weite der kindlichen Tuba begründet sein." Die wissenschaft-
liche Thätigkeit Wendt's fttr unser Fach hat Wohl eröt eürige
Jahre später begonnen. (Vergl. dieses Archiv, Bd. HI. 1867.)
Folgen nun „Allgemeine Symptomatologie, Diagno-
stik und Therapie." S. 253 scheint mir der Verfasser die
Unannehmlichkeit der Digitaluntersuchung des oberen Rachen-
raumes für den Kranken zu ttbersehätzen. Ich finde häufig, dass
dieselbe^ insbesondere bei öfterer Wiederholung, auf den Kranken
keinen besonderen Eindruck macht; dagegen ist mir die Wir-
kung der Zähne ungeberdiger Kinder für meinen Finger manch-
mal schon recht unliebsam gewesen. Auch venäag ich nicht
beizustimtoen, wenn W. von dieser Untersuchungs- Methode Siagt:
„Eine Täuschung hinsichtlich der Grössenverhältnisöe ist hier
leichter als bei der Spiegeluntersuchimg " : für einen geübten
Finger möchte ich eher das Gegentheil behaupten.
Bei der Nasendouche empfiehlt W. abweichend von Anderen
eine sehr starke Vorwärtsneigung des Kopfes („Kinü bis zur
Berührung der Brust ") und gibt an, dass durch die so erzielte verti-
VI. Besprechungen. 49
cale Stellung der Eustachischen Röhre das Eindringen der Flüssig-
keit in die Paukenhöhle wie in die Stimsinus' vermieden werde.
Warum „ für die Nasenracbenhöhle die Inhalationen begreif-
licherweise nicht anwendbar sind" (S. 257), ist mir nicht ein-
lichtend. Ich lasse Salmiiäkdämpfe z. B. sehr häufig nacmeat-
lich von Kindern bei Retronasal-Katarrhen in dJ« Nase einziehen,
abgesehen von der Anwendung der Zerstäubun^apparate ^ von
denen es mir allerdings erst neuerdings geglückt ist, auch einen
herzustellen, der weiter nach hinten eingeführt werden kann und
der somit auch auf die tieferen Theile sicher einwirkt.
Es werden nun .die anatomischen Veränderungen
von allgemeinerem Vorkommen" beschrieben: Anämie,
Hyperämie, Hämorrhagie, Oedem, parenchymatöse Schwellung,
vermehrte und veränderte Secretion. Besondere Betonung findet
die bisher nicht viel beachtete Rückwirkung allgemeiner Störungen
im Kreislaufe auf die BlutfttUe und auf seröse Infiltration der
Nasenrachenschleimhaut. „Bei Bright'sßher Krankheit sah ich
namentlich die Rachentonsille constant in hohem Grade mit Blut
überfüllt y auch oft von Hämorrhagien durchsetzt, niebt minder
in ein«m Falle, wo in* Folge Mangels einer Niere Hypertrophie
des linken Ventrikels ausgebildet war. Sehr ausgesprochene
Hyperämie arteriellen Ursprungs traf ich audi bei Phosphorver-
gifteten. Mit grosser Begelmässigkeit bewiiken Stauungen in
der oberen Hohlader venöse Hyperämien in der Schleimhaut, so
bei Mitralinsuffioienz , bei Emphysem und anderen dfe Circu-
lation beeinträchtigenden Erkrankungen der Lunge, besonders
auch bei Compression derselben durch pleurittsiches Exsudat, durch
Hoehstand des Zwerchfells (langdauernder Meteorismus bei Axen-
drehung, Kothstauung u. dgl., Ascites, peritoneales Exsudat,
selbst vorgeschrittei)^ Schwangerschaft). ** Die Laxheit des eyto-
genen Gewebes in der Nasenracbenhöhle und die Lage der
gewissermaassen unter dem Schlunddache aufgehängten Rachen-
tonsille leisten sowohl der venösen Stauung als auch dem inter-
stitiellen serösen Ergüsse Vorschub.
Den ausführlichsten Abschnitt bilden „die wichtigsten
Krankheiten": Acuter und chronischer Retronasalkatarrh,
acuter und chronischer Rachenkatarrh, Retronasal- und Pha-
ryngeal - Phlegmone , Pharyngeal- und Retropharyngeal - Abs-
cesse, croupöse und diphtheritische Entzündung der Nasen-
racbenhöhle und des Rachens, Verhalten derselben bei Syphilis
und bei Tuberculose , hyperplastischer und trockener Katarrh,
Archiv für Ohrenheilkunde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 4 '
50 VI. BeBprechungen.
Neubildungen, Neurosen, Fremdkörper und traumatisches Em-
physem. Wir müssen uns hier beschränken, einiges Wenige
herauszuheben. Bei der Therapie des acuten Retronasalkatarrhes
wird gegen Schmerzen Einbringen von „sehr warmer" Flüssig-
keit durch Nasendouche oder Aufschnttflfeln, im späteren Stadium
Anwenden „blutwarmer" indifferenter Flüssigkeit flir Gurgeln und
Nasendouche empfohlen. Vom acuten wie vom chronischen
Retronasalkatarrhe werden ausführliche, ganz vorzügliche Schilde-
rungen des anatomischen sowie des klinischen Befundes gegeben.
Bei der Behandlung des chronischen Katarrhes wird neben dein
üeblichen Nasendouche mit einer ganz schwachen (Vioo/o) Zink-
lösung empfohlen. Entschieden gewarnt wird vor dem Gebrauch
von Alaunlösung, „da ich in 3 Fällen dauernden Verlust des
Geruches darnach gesehen habe." Als sehr zweckmässig erwies
sich auch W. zeitweises Einblasen von Pulvern, namentlich von
Alaun, ausserdem von Soda, Kochsalz oder Salmiak. In sehr
hartnäckigen Fällen empfiehlt sich ein Pulver aus 1 Th. Höllen-
stein mit 8—10 Theilen Gummi und Zucker.
Sehr werthvoUe eigene Beobachtungen an der Leiche finden
sich im Abschnitt über das Verhalten des Pharynx bei der
Syphilis. „In ^i's der Fälle, bei welchen an anderen Schleim-
häuten, an der Haut, an den Knochen ausgeprägte syphilitische
Erkrankungen bestanden oder Residuen solcher nachzuweisen
waren, war auch der Nasenrachenraum in irgend einer Weise
betbeiligt." Folgen nun die genaueren Angaben. —
Unsere Aufgabe konnte hier nur sein, im Allgemeinen und
mit einzelnen Anführungen auf die Reichhaltigkeit dieser treff-
lichen Arbeit Wendt's hinzuweisen, welche natürlich Jeder, der
sich über dieses Gebiet genügend unterrichten will, und insbe-
sondere jeder Arzt, der sich mit den Krankheiten des Ohres
beschäftigt, im Grundtexte lesen und studiren muss.
VI. Besprechungen. 51-
2.
Aniiales des maladies de Toreille et du larynx (Otoscopie, Laryn-
goscopie, Rhinoscopie), fondöes et publica par Ladreit de La-
charriere, Isambert et. Krishaber. Paris 1875 chez G. Ma^son.
Angezeigt von
H. Sehwartze.
Abermals ein neues Journal flir Krankheiten des Ohres.
Diesmal in französischer Sprache und gleichzeitig für Krank-
heiten des Larynx. Wir begrüssen dasselbe als einen Beweis
der immer grösseren Verbreitung des speciellen Interesses für
eine ' Disciplin , für welche vor 11 Jahren, als unser Archiv als
erstes Fachjoumal begründet wurde, noch Zweifel der Lebens-
fähigkeit und Bedtirfnissfrage gehegt werden konnten. Ob die
Verbindung mit der laryngoskopisöhen Chirurgie für die Sache
förderlich sein wird und einem praktischen Bedürfhiss auf die
Dauer entspricht, muss die Zeit lehren. Jedenfalls scheint uns
für die Verhältnisse in Deutschland diese Verbindung zeitgemässer
und der jetzigen Sachlage der praktischen Bedürfiiisse weit ent-
sprechender als die Verbindung mit der Ophthalmologie, die bei
uns längst* überall eine so selbständige Stellung einnimmt und
die ganze Arbeitskraft des Einzelnen erschöpfend beansprucht,
dafis kaum ein namhafter Ophthalmologe Zeit findet, sich in er-
folgreicher Weise weder theoretisch noch praktisch mit der
Otologie zu befassen. Auch möchten wir hervorheben, dass die
Krankheiten des Larynx in Bezug auf ihr Wesen sowie auf die zu
ihrer Erkenntniss und Behandlung nothwendige Technik den
Ohren-Erkrankungen näher verwandt sind, als den Augen-Krank-
heiien, somit in jeder Beziehung die von dem französischen
Journal gebrachte Verbindung eine verständige genannt werden
muss. Wir wollen im Interesse 'der Sache wünschen , dass in
dem neuen Journal die Krankhdt^* des Xi>hres nicht als Neben-
• .. •-
Sache behandelt werderi und dasselbe wirklich' ein Sammelpunkt
für die einschlägige französische: Literatur werden möchte, welche
bisher in zahlreichen Journalen so zerßtreut wan-dsfes es im Auslande
unmöglich gewesen ist, Xon allen einzelnen Aufsätzen Kenntniss
zu bekommen; ausserdem wird- hoflfentlich* auf diese Weise den
Aerzten in den romanischen Ländern ein klares und vollständiges
Bild gegeben werden von den Fortschritten, welche unsere Dis-
ciplin in Deutschland macht. Wir wünschen den Herausgebern
4*
52 VI. Besprechangen.
zu ihrem Unternehmen, das mit unsern bisherigen Bestrebungen
nahe verwandt ist, ein erfolgreiches Gedeihen.
Das vorliegende Probeheft erschien am 1. März 1875 und
ist 4^/4 Bogen stark. Es enthält von Originalaufsätzen, die auf
Krankheiten des Ohres bezüglich sind, relativ wenig, nämlich
einen Aufsatz über M6ni6re'sche Krankheit ohne neue That-
sachen von dem Herausgeber Dr. Ladreit de Lacharriere,
den Apfang einer Vorlesung über Rhinoskopie von Dr. Kris-
haber und einen Fall von Otomycosis von Dr. Levi. —
Es sollen 6 Hefte im Jahre erscheinen für einen Abonne-
mentei^reis von 12 Francs in Paris, und 14 Frames in den De-
partements. Der Preis ftlr das Ansland ist nicht angegeben.
Chefredäeteur ist Dr. Ladreit de Lacharrifere, Che&rzl am
Taubstnmmeninstitut in Paris, rue Bonaparte 1, an den Ein-
sendungen für die Annalen zu adressiren sind.
VII.
Wissenschaftliche Rundschau.
1,
Zur Morphologie der Tuba Eustachii von Prof. Gerlach.
(Sitzungsberichte der Erlanger physikalisch-medicinischen Societät.
März 1875.)
Von dem Gehörorgane eines 7^ jährigen Kindes, dessen Carotis
mit Gelatine und Berliner Blau eingespritzt worden war, wurde«;
nachdem das Präparat einige Wochen in verdünnter Säure gelegen
hatte, vertieale Durchschnitte in grösserer Menge angefertigt. £s
wurde hiebei das ungemein zahlreiche Vorkommen von Balgdrüsen
in der Tubenschleimhaut und zwar in dem ganzen knorpeligen Theil
der Röhre constatirt, von dem Ostium pharyngeum an bis zum lieber-
gang in die Tuba ossea. Am häufigsten sind dieselben in dem mitt-
leren Theile der knorpeligen Tuba, wo geradezu eine Balgdrüse
neben der anderen liegt. An dem Grunde dieser Bälge sind, mehr
in dem submukösem Bindegewebe gelegen, massenhaft acinöse Schleim-
drüsen vorhanden, deren Ausführungsgänge theils zwischen den
Balgdrüsen theils in die Hohlräume derselben einmünden. Die Bälge
der Tubenschleimhaut sind aber kaum halb so gross, ab diejenigen
der Gaumen- und Rachenmandel, nehmen aber nahezu die ganze
Dicke der Tubenschleimhaut ein. Die Wand der Bälge ist 0,3 — 0,4 Mm.
dick und besteht aus der bekannten conglobirten Drüsensubstanz
(Henle). Abtheilungen der letzteren in Form geschlossener Follikel
kommen in derselben nicht vor, sondern die ganze Wand der Balg-
drüse besteht hier aus diffuser conglobirter Drüsensnbstanz , welche
übrigens nach aussen scharf abgegrenzt ist und auf deren innerer
Fläche unmittelbar das Tubenepithel aufsitzt.
„Zu den drei bis jetzt bekannten Localitäten der oberen Ab-
theilung des Nahrungsschlauches, an welchen Balgdrüsen nachgcr
wiesen wurden, in der hinter dem Zungen-V gelegenen Drüsenregion
der Zunge, in den Tonsillen und in dem Dache des Pharynx
(Luschka) ist somit eine neue hinzugekommen in der Tuba Eustachii,
welche man vielleicht nach der Analogie von Pharynxmandel Tuben-
mandel nennen könnte." v. Tröltsch.
vir. Wissenschaftliche Rundschau. 55
3.
Zur Therapie der mit adenoiden Vegetationen im Rachen-
raum complicirten Erkrankungen des Mittelohres,
von Prof. Dr. Adam Politzer. (Stenographischer Bericht über
den am 20. December v. J. gehaltenen klinischen Vortrag).
Der Vortrag knüpfte sich an das Leiden eines 17 jährigen jungen
Mannes, der das erste Mal April 1874 und heute (20. Decbr. 1874)
als geheilt vorgestellt wurde. Der junge Mann litt seit seinem
zweiten Jahre an Schwerhörigkeit, die in den letzten beiden Jahren
bedeutend zugenommen hatte und mit subjectiven Geräuschen ver-
bunden war. Schmerzen, Ausfluss waren nie vorhanden. Beide
Trommelfelle stark eingezogen und getrübt. Uhr beiderseits nur an
die Ohrmuschel gelegt hörbar, Knochenleitung erhalten ; laute Sprache .
rechts Vs M. links 1 ^s M. Gesichtsausdruck wegen Offenstehen des
Mundes charakteristisch; Luft durch Nase sehr schwer durchgängig.
-f- V , P 1 i t z e r'sches Verfahren Hess keine Luft in die Tuben
dringen. Der Katheter gelangte wegen Unebenheiten im Nasen-
rachenraum schwierig in die Tuba; auch die Luft drang schwer ein.
Auscultationsgeräusch abgeschwächt, rauh, mit Rasselgeräuschen ver-
bunden. Nach Katheter Uhr 5 Cm., Sprache 4 Meter.
Aus der vorstehenden Krankengeschichte wurde auf Erkrankung
des Nasenrachenraums geschlossen. Die Rhinoskopie wurde zur Fest-
stellung der Diagnose unterlassen, weil P. meint, dass sie in ähn-
lichen Fällen häufig resultatlos sei. — Durch die Digitaluntersuchung
wurden in dem erwähnten Falle an der obern, hintern Wand und den
Seitenwänden des „Rachenraumes^ (soll wohl, wie auch in der
üeberschrift, heissen: „Nasenrachenraum") Schleimhautwuche-
rungen nachgewiesen, welche die Unwegsamkeit der Tuben veran-
lassten. Es wird angeführt, dass W. Meyer in Kopenhagen das
Verdienst gebührt, diese Erkrankungsform zuerst ausführlich be-
sprochen zu haben. Dann wird die mikroskopische und histologische
Beschaffenheit " dieser Gebilde, die Meyer adenoide Vegetationen
nennt, kurz besprochen.
Die Entfernung der Wucherungen war die Hauptaufgabe der
Therapie. Zuvor „ schien es aber nöthig ", die Exsudate in der Trom-
melhöhle durch Paracentese zu entfernen. (Es wird nicht motivirt,
weshalb die Paracentese vorausgeschickt wurde.) Dieselbe wurde in
der Weise ausgeführt, dass die hintere Falte durchgeschnitten wurde;
dabei wird das Historische dieser Operation erwähnt. (Ref. zieht den
vorderen Abschnitt für die Paracentese bei Exsudaten des Mittelohrs
vor, weil Exsudate sich aus tiefer gelegenen Incisionen leichter ent-
fernen lassen. . Ausserdem wäre es vielleicht rationeller gewesen, die
Paracentese erst nach Entfernung der Wucherungen zu unternehmen.
Eine dringende Veranlassung dieselbe vorauszuschicken lag nicht vor,
denn Entzündungserscheinungen etc. fehlten vollständig. — P. sagt
selbst: „schon am 5. Tage zeigte sich ein bedeutender Rückfall,
welcher insofern nicht unerwartet kam, als wir (P.) wegen der be-
56 VIL Wissenschaftliche Raodschau.
deutenden Schwellung und ünwegsamkeit der Ohrtrompete auf eine
abermalige Verschlimmerung gefasst sein mussten" — und im Vor-
trage finden wir nicht erwähnt, dass eine zweite Paracentese nöthig
war, nachdem die Wucherungen beseitigt waren.)
Dann wird die Abtragung der Wucherungen mit dem von Meyer
empfohlenen ringförmigen Messer besprochen ; für kleine Wucherungen
empfiehlt sich nach Politzer das Messer nicht. Ref. schliesst sich
dieser Ansicht an. P. ätzte die Wucherungen in dem obigen Falle
mit Lapis, welcher an die von Meyer angegebenen Aetzmittelträger
angeschmolzen wird. P. ha^ diese verschieden gekrümmten Aetz-
mitteiträger sehr zweckmässig dadurch in einen einzigen vereinigt,
dass alle Seiten, wo Lapis angeschmolzen wird gmppt sind und das
Instrument so dünn ist, dass es iiaeh allesi Seiten gebogen werden
kann. Dasn wird das Alftkneifen der Wucherungen mit der von
Meye/ angegebenen Zange besproclien. Dieses Inslrument eignet
sich besonders für isolirt stehende Wucherungen mit nicht zu breiter
Basis. lieber Galvanokaustik enthält sich P. des Urtheils. Ref. hat
sie wiederholt benutzt und ist der Flächenbren&er da zu empfehlen,
wo man Lapis gebraucht; die Scbmerzhaftigkeit ist gtösser als bei
Lapis; der Brenner bledbt zuweilen so fest haften, dass man ihn gewalt*
sam abziehen muss. Die Schlinge empfiehlt sich bei kleinen Wuche-
rungen nicht, da &ie sehr leicht abgleitet. Bei einer grossen Neu-
bildung mit ^tter Oberfläche hat sie Ref. ebenfalls den Dienst ver-
sagt, so dass zum Messer geschritten werden musste. —
Obiger Fall gelangte zur Heilung durch 3maliges Aetzen der
Wucherungen mit Lapis, wonaeh die Tuben durchgängig wurden.
Die Schleimhaut war nach der Heilung glatt, Atfamung durch die
^ase frei, der charakteristische Gesichtsausdruek geschwunden. Hör-
weite beiderseits normal. Trommelfellbefund nicht angegeben, an-
scheinend aber wohl normal , da zum Schluss erwähnt wird , dass
Mittelohr -Entzündungen mit Schwellung und Secretion bestehen
können, ohne bleibende Gewebsveränderungen zu veranlassen. —
Worauf die im Anfang des Vortrages erwähnte Trübung beider
Trommelfelle (eine bleibende Gewebsveränderung) zu beziehen ist,
wird nicht erwähnt. Der Vortrag bringt nichts Neues, gibt aber
ein kurzes Referat der von W. Meyer im Archiv f. 0. N. F.
Bd. I etc. mitgetheilten Arbeiten. Trautmann.
4.
Ein neues Verfahren zur Herausbeförderung flüssiger
Substanzen aus den Räumen des Mittelohres, von Prof.
Dr. Jos. Grub er. (M. f. 0. Nr. 12. 1874.)
Grub er hat eine Spritze mit Ansatzrohr construirt (nähere
Beschreibung s. a. a. O.), um Exsudate oder andere Flüssigkeiten vom
äusseren Gehörgange aus durch die im Trommelfell schon bestehende
YII. WissenschaftHehe BaiKlschatt. 57
oder anzulegende Oeffnung auszuziehen und schliesst die Möglichkeit
nicht aufif auch aus den Zellen des Warzenfortsatze^ Exsudate aus-
ziehen zu können, wenn das entsprechende Ohr nach Yom und unten
geneigt werde, wodurch das Exsudat aus den Zellen des Warzen-
fortsatzes sieh nach der Paukenhöhle senke. An der Leiche ist es
G. gelangen, mit dieser Spritze bis in den Eingang zu den Warzen-
fortsatzzellen zu gelangen. (Beim Lebenden würde G. doch wohl nicht
empfehlen bis zur UebergangszeUe, der Verbindung zwischen Pauken-
höhle und Warzenfortsatzzellen, mit der Spritze- vorzudringen? Ref.)
Die Spritze wird selbstverständlich unter Beleuchtung eingeführt. —
G. meint, dass bei der Luftdouche der Luftstrom das am Boden der
Paukenhöhle befindliehe Exsudat nicht immer bewege, weil das Ost.
tymp. der Tuba weit oben an der vorderen Wand der Paukenhöhle
einmünde. Selbst bei grösserem Substanzverluste könne das Exsudat
unter dem Niveau der Perforation zurückbleiben, und wenn im vor-
deren Segment eine Perforation bestehe, so könne zähes Exsudat
durch die Luftdouche im hinteren Abschnitte sich ansammeln. Ausser-
dem würde ein Theil des Exsudates durch die Luftdouche in die
ZeUm des Warzenfortsatzes getrieben.
Referent hält das Grub er 'sehe Verfahren für zweckn^ässig,
aber nur bei dünnflüssigen Exsudaten; zähe Exsudate wird G. mit
der Spritze nicht entfernen können und werden diese sich auch nicht
bei Neigong des Kopfes aus den Warzenfortsatzzellen nach der
Paukenhöhle senken. Zähe Exsudate lassen sich nur durch grosse
Incisionen und mit Durchspritzen von Salzwasser entfernen. Wenn
G. meint, dass der Luftstrom über das Niveau der Exsudate fort-
streiche, so braucht er ja nur den Kopf entsprechend senken zu
lassen y wie er es auch bei seiner Spritze empfiehlt.
Trautmann.
5.
Ein Fall von Ausstossung des ganzen Annulus tympa-
nicus sammt einem beträchtlichen Theile der Schuppe
des Schläfenbeines durch den äusseren Gehörgang.
Genesung des Patienten. Von Prof. Gruber. (M. f. O.-H.
Nr. 9. 1874.)
G. reiht dem vor einigen Jahr^i in der W. allg. ;ned. Ztg. ver-
öffentUchten Falle einen zweiten an. In dem ersten Falle wurde
der ganze Annulus tympanicns durch den äusseren Gehörgang ent-
fernt. Der äussere Gehörgang schloss sich nach baldigem Aufhören
der Eiterung durch Narbengewebe, und die früher vorhandene Facialis-
paralyse schwand. Im zweiten F^le wurde der ganze Annulus tym-
panicns und ein Theil der Schläfenbeinschnppe mit einem kleinen
Theile der Pars mastoidea entfernt. Das 22 Monate alte weibliche
Kind zeigte, inficirt durch die Amme, als es 3 Wochen alt war.
YU. Wissenschaftliche Rondschan. 59
des Trommelfelles. Referent erwähnt , dass Schwartze die sehr
charakteristische Bezeichnung gebraucht : ,, Das Trommelfell sieht wie
gekocht aus". — In Bezug auf die Therapie hat P. schon früher
bei serösen Exsudaten Folgendes angegeben. Der Kranke neigt
seinen Kopf nach der dem kranken Ohr entgegengesetzten Seite und
etwas nach vorn, so dass das Ost. pharyng. tubae nach unten steht
und sich das Exsudat dorthin senken kann. Der Kranke behält
diese Stellung 1 — 2 Minuten bei. Ehe der Kranke seinen Kopf
neigt, nimmt er etwas Wasser in den Mund. Es wird nun nach
Politzer 's Verfahren Luft in das Mittelohr getrieben. Das nie-
drigere Niveau der Flüssigkeit durch den Trommelfellbefund zeigt,
dass das Exsudat durch die Tuba ausgetrieben wurde. In der
neueren Zeit hat P. dieses Verfahren auch bei Exsudaten von Syrup-
consistenz angewandt. Ein Fall wird genauer angeführt und der
Beweis des Austreibens der Exsudate durch den Trommetfellbefund
constatirt. Bei zähen Secreten hält P. die Paracentese für noth-
wendig. — Ref. zieht die Paracentese bei allen Exsudaten vor, weil
sie sicherer zum Ziele führt. Recidive sind bei beiden Methoden
nicht selten, werden aber nach Ansicht des Ref. durch die Para-
centese leichter vermieden. • Trautmann.
7.
Zur Anatomie des Gehörorganes, von Prof. A. Politzer.
(K. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien. Sitzung vom 16. Oct. 1874.)
Politzer bespricht die Topographie des Theiles vom Schläfen-
beine, welcher zwischen Trommelhöhle und Warzenfortsatz liegt;
besonders das Verhältniss des M. stapedius zum Nervus facialis und
das Verhältniss dieser beiden zum Proc. styloideus. Beim Neuge-
borenen ist nach den Untersuchungen P.'s der obere Theil der Höhle
des M. stapedius vom Canalis facialis durch Knochenmasse getrennt,
der untere communicirt frei mit dem Canalis facialis. Die Hüllen
des Muse, und Nerv, lireten hier in unmittelbare Berührung. Beim
Erwachsenen sind diese Verhältnisse sehr mannigfaltig. Ein voll-
ständiges Getrenntsein mit Ausnahme einer feinen Oeffnung für den
Nerv, stapedius ist selten. Häufig findet man eine oder mehrere
1 — 4 Mm. betragende Spalten an der hinteren Wand der Pauken-
höhle, oder der untere Abschnitt der Muskelhöhle liegt medianwärts
vom Facialkanal und mündet mit einer verschieden grossen unregel-
mässigen Oeffnung an der medialen Wand des Facialkanals in den-
selben. Vorstehende Verhältnisse werden makroskopisch an mace-
rirten Schläfenbeinen, mikroskopisch an entkalkten Quer- und Längs-
schnitten demonstrirt. An den mikroskopischen Schnitten konnte
man die unmittelbare Berührung des M. stapedius und N. facialis in
verschieden grosser Ausdehnung genau sehen. Auf Längsschnitten
erscheint der M. stapedius birnförmig, auf Querschnitten dreiseitig
prismatisch mit abgerundeten Ecken. Die von der Muskelhülle ent-
•^"■■■^r?^s(P|ir---
TU. Wüienscfa&ftliche Randschan.
iDgeDden Bflndet gehen vom Gninde ünä den Seitenvinden der
ile nach oben und gegen die Mitte des Mnskels und dann in die
pediusBehne Über, deren Gewebe man zuweilen nach abwärts bis
r die Mitte dea MaalfeU erfolgen kann. —
Was den Proc. etyloideus betrifn, so iat aus den Unte rauch ungeo
:. ersichtlich, daas er ans einem präformirten Knorpelkörper her-
geht, der beim Fötns und Neugeborenen darstellbar ist. D«
>rpel reicht hinanf bis unterhalb der Gminentia pyramidalis und
durch eine dflnne KnochenUmelle von der Trommel hü hie getrennt,
in Neugeborenen zeigt sich am oberen Ende des Proc. etyl. eise
lenartige Anschwellung, nnterhalb derselben eine oder roehrew
liehe Knorpelzapfen. Beim Erwachsenen verschmilzt die kniicherne
le des Proc. at^l. mit der umgehenden Kn«chenni«see, daa Innere
solid oder hohl, meist zelliges Gefüge mit oder ohne centralen
lal. Unterhalb der Eminentia pyramidalis an der hinteren Tromnael-
lenwand fand P. eine höckerige Erhabenheit, welche das mit der
mmelhöhtenwand verwachsene obere Ende des Proc. styl. war.
ckerkandl fand mehrfach den Proc. styl, ans zwei StQcken
tehend, verbunden durch einen Zwischenknorpel.
P. sagt: „Dass sich in den anatomischen Werken nirgends eine
leutung über den wirklichen Ursprung dieaea Fortsatzea, sowie
r die Endigung aeines oberen Abttchnittes im Schlafenbeine finde."
ain-Uoffmann 1. Bd. S. 05 enthält An de ntun gen über die Ent-
kelung des Proc. atyloideue: ,,Der Griffelf ort salz entsteht ans dem
iten Visceral bogen." — Ausführlicher findet man diese bereils
ständig bekannte That^ache in KöUiker's Entwickelungsge
chte des Menschen S. 2t9 etc.: „Das Anfangsstttck des zweiten
menbogens wird zum Steigbügel, das folgende nicht verknorpelnde
ik des zweiten Bogens wird nach Reichert zum Muse, »tapedins.
in kommt ein langes KnorpelstUck , das mit der Pars maatoidea
Primordialschädels verschmilzt und wenn ea ossificirt, die Emi-
tia papillaris an der hinteren Wand der Paukenhöhle und dem
cesBua styloideua liefert. Das vorderste unterste Stück endlicb,
mit dem der anderen Seite nie Terschmilzt, verknorpelt zum
il und bildet das Cornn minus ossis hyoidei, tum Tbeil gestaUet
dasselbe zum Lig. stylohyoidenm, das an dieses Ideine Hörn gehl.
Ansserdem: Grundriss der vergleichenden Anatomie von Cul
genbauer 1S74. S. 4S8. „Bei den Säugethieren bleiben zwei
en mit dem einfachen Zungenbeinkörper verbunden. Die vorderen
ner sind die ansehnlichsten und treten aus mehreren (3) Gliedern
immengesettt mit dem Petrosum in Zusammenhang. Indem das
lere Glied nur durch ein Ligament vertreten wird, kommt eine
nnung dieses Theiles zu Stande, so dass dann das oberste Stitck,
n es, wie beim Orang und beim Menechen, mit dem Petrosam
ichmitzt, als Griffelfortsatz des letzteren sich darstellt. In diesen
e wird der übrige Theil durch das Lig. stylohyoidenm gebildet,
am Zungenbeinkörper bleibt der Rest des Bogens als ein uu-
mtliches, häufig nicht einmal verknöcherndes Stück befestigt."
Trautmann.
YU. WidaensehaftUche Bandschau. ^ 6 t
8.
Zur pneumatischen Ohrenlupe. Von Professor Voltolini.
(M. f. 0. 1873. Nr. 8, 12.)
In Nr. 8 spricht V. von der Beleuchtung mittelst der sogenannten
pneumatischen Ohrenlupe (des modificirten Brunton^schen Ohren-
spiegels) und behauptet, dass die von v. Tröltsch eingeführte Me-
thode mittelst Reflexspiegel und Benutzung des Tageslichtes sich
nicht empfehle, ,;Wenn auch Trautmann mit einem ^aufwände von
mathematischen Formeln sich zu zeigen bemüht hätte, wie die Ver-
hältnisse bei der Beleuchtung und Untersuchung des Trommelfelles
sein müssten." „Jedwede Untersuchungsmethode," sagt V., „mit re-
flectirtem Tageslicht (zerstreutem Sonnenlichte), mit anderen Worten,
die jetzt gebräuchliche Methode ist ganz allein für kurzsichtige
Aerzte brauchbar, alle änderen können sie nicht gebrauchen. Diese
Methode jedwedem Arzte octroyiren zu wollen , heisst aber eine
Kinderjacke einem grossen Kürassier anziehen wollen.^' —
V. scheint die Wissenschaft, wie Ref. schon mehrfach bei den
Mittheilungen V.'s bemerkt hat, mehr populär aufzufassen. In Nr. 1
IS 70 geht V. in einen Fleischerladen, um sich über Emphysem zu
erkundigen ; in Nr. 8 vergleicht er das Trommelfell mit dem Blumen-
kelche einer Winde ; der Ausdruck Kinderjacke scheint einer Schnei-
derwerkstätte entnommen zu sein.
Mathematik ist freilich nicht für Jeden zugänglich, aber un-
bedingt nothwendig, um den Beweis zu liefern, dass die Untersuchung
mittelst Reflexspiegel nicht nur für Kurzsichtige und Normalsichtige,
sondern auch für Weitsichtige brauchbar ist. Für die Untersuchung
mit dem Reflexspiegel, überhaupt für die Physik der Linsen und
l 1- 1
sphärischen Spiegel ist die Gleichung 1 ^= «r maassgebend und
verhält sich diese Gleichung zu den Linsen wie das a b c zum
Lesen. Dass für Kurzsichtige die Untersuchung mit dem Reflex-
spiegel passt, gibt V. zu; Ref. braucht dies also nicht zu beweisen.
Für das normale Auge passt nach V. ein Reflexspiegel von 5 — 6 Zoll
Brennweite nicht, „w,eil, wenn es z. B. Schrift 6 — 5 — 4 Zoll nähert,
sich zwar accommodire» kann, aber das Sehen schmerzhaft und an-
strengend wird.'^ Ref. verlangt nur Accommodation auf 6 Zoll
(A. f. 0. N. F. Bd. I. S. 91), und ein normales Auge verträgt dies,
wie Ref. an sieh selbst erfahren, ganz gut. Ausserdem ist bei 6 Zoll
Entfernung die Beleuchtung am intensivsten, es kann also die Ent-
fernung selbst 7 Zoll betragen und die Beleuchtung wird noch inten-
siv genug sein. Freilich muss Jemand normalsichtig sein; und wer
dies nicht ist, sollte Ohrenspiegeluntersuchungen überhaupt unter-
lassen oder sich wenigstens mit einer passenden Brille versehen.
Aber auch der Normalsichtige braucht nicht auf 6 Zoll mit einem
Reflexspiegel von 6 Zoll zu accommodiren. Will er <'B. auf 9 Zoll
aecommodiren, so muss die Lichtquelle 1 8 Zoll entfernt sein, was er
1^^^
62 « YII. WisBenschäftliche Handschaa.
1 1 1
sich durch obige Gleichung leicht ausrechnen kann: h";r = T-
a 9 6
Nicht directes Sonnenlicht (oo weite Lichtquelle), sondern zerstreutes
Tageslicht (das beleuchtete Fenster) ist zur Untersuchung zu nehmen.
Hierin hat V. den Fehler zu suchen, wenn er sagt : „Mit dem Reflex-
spiegel von V. Tröltsch kann ich (Voltolini) absolut nichts
sehen etc. Nehme ich (V.) die Semeleder 'sehe Brille von 1 Zoll
Brennweite (also Hohlspiegel von 10 Zoll Brennweite, Ref.) mit der
ich seit 13 Jahren laryngoskopire und rhinoskopire , und werfe mit
dieser auch das hellste Tageslicht (zerstreutes Sonnenlicht) auf das
Trommelfell,* so kann ich auch jetzt noch nichts Genaues sehen, ob-
gleich ich ungefähr sehe, dass ich das Trommelfell vor mir habe;
werfe ich aber das Sonnenlicht mit dieser Brille in den Gehörgang
(also durch einen Hohlspiegel von 10 Zoll Brennweite reflectirtes
Sonnenlicht, Ref.), so habe ich das Trommelfell mit grösster Schärfe."
— Wenn Voltolini mit Semeleder's Brille von 10 Zoll Brenn-
weite und Tageslicht auf 12 Zoll sehen will („weil er etwas weit-
sichtig ist", wie er selbst sagt), darf er freilich den Kranken nicht
12 Zoll von dem durch Tageslicht erleuchteten Fenster entfernt
setzen, weil dann die Lichtquelle nicht jenseits des Mittelpunktes,
sondern zwischen Brennpunkt und Mittelpunkt liegt und demnach
das Spiegelbild als umgekehrtes und vergrössertes jenseit des Mittel-
punktes der Spiegelaxe fällt und zwar in diesem Falle 5 Fnss vom
Spiegel entfernt. In dem für Voltolini wtinschenswerthen Falle
muss der Reflexspiegel vom Fenster 60 Zoll entfernt sein, dann kann
er auf 12 Zoll sehen. Alles dies- kann man sich einfach durch die
111
Gleichung 1 — = - klar machen. -Also zur Klarheit ist der
a a F
Aufwand der Mathematik doch nothwendig.
Nachdem nun Voltolini mit Semeleder's Brille von 10 Zoll
Brennweite das reflectirte Sonnenlicht für seine Sehweite gut befun-
den und die Beleuchtung mit durch einen Hohlspiegel von 10 Zoll
reflectirtem Sonnenlichte für das Beste hält, sagt er bald nachher:
„ wer wird aber das reflectirte (durch einen Hohlspiegel) Sonnenlicht
anwenden^." — Solche Widersprüche versteht Ref. nicht. —
Seite 97 heisst es nun weiter: „Nach dieser langen Auseinander-
setzung, die^ nöthig war, um einem weitverbreiteten Irrthum zu be-
gegnen und womöglich ihn zu beseitigen, kommen wir (Voltolini)
wieder auf besagte Ohrenlupe zurück." — Glaubt Voltolini durch
solche Auseinandersetzungen die Ohrenärzte zur modificirten Ohren-
lupe zu bekehren? Soviel Ref. gesehen: Nein! Denn die meisten
untersuchen auch nach dieser Auseinandersetzung immer noch mit
Reflexspiegel, weil sie damit besser sehen, als mit der Ohrenlupe.
Die Nachtheile der Ohrenlupe hat Ref. bereits besprochen (Archiv f. 0.
IX. Bd; 4. Heft.)
In Nr. 12 d. M. f. 0. wird wieder gegen die Untersuchung
mit dem Reflexspiegel geeifert, die Ohrenlupe empfohlen und die
Frage aufgeworfen: „was sehen wir (Voltolini) mittelst dieser
yn. Wissenschaftliche Rundschau. 63
Lupe im Ohr?" Zunächst wird der Lichtreflex besprochen und zwar
nur der dreieckige im vorderen unteren Quadranten, alle übrigen
werden nicht berührt. Dann wird die Entstehung desselben bespro-
chen, wozu .nach Ansicht des Ref. die Lupe gewiss nicht noth wendig
ist. In Nr. 8. 1872 resultirte der Lichtkegel nach V.'s Ansicht aus
der concav - convexen Gestalt des Trommelfelles; nachdem Ref. die
Physik des Lichtreflexes veröffentlicht, hat sich V. auch dazu be-
kannt, die Entstehung „einzig und allein von der Trichtergestalt
des Trommelfelles herzuleiten. " Dann wird erwähnt, dass sehr wenig
Licht nothwendig sei und der Lichtkegel trete sofort auf. — Es
ist in der That wahr, dass sehr wenig Licht dazu gehört; wenn aber
V. das Tageslicht in den Gehörgang fallen lässt, so ist dies schon
ziemlich viel Licht. Diese Thatsache ist ausserdem ganz bekannt. —
Wie wenig Licht aber erforderlich ist, den Lichtreflex auftreten zu
lassen, hat Ref. bei seinen Arbeiten über den Lichtreflex erfahren,
aber nicht der Mühe für werth gehalten, mitzutheilen. Beleuchtet
man in einem dunklen Zimmer nur das Gesicht des Beobachters, so
genügen die vom Gesicht refleetirten Strahlen, den Lichtreflex auf-
treten zu lassen.
In Nr. I2|heisst es nun weiter: „Wer sich übrigens eingehender
mit der Reflexion des Lichtes von trichterförmigen Spiegeln beschäf-
tigen will, den verweise ich (V.) auf das Werk von J. C. E. Schmidt,
Göttingen, 1834. Hier wird in § 308 — 320 von kegelförmigen und
cylindrischen Spiegeln, von anamorphotischen Zeichnungen gehan-
delt." — Ref. ist im Besitze dieses Buches, findet aber in Bezug
auf trichterförmige Spiegel weiter nichts, als die Construction der
anamorphotischen Bilder und den Beweis, dass die von der inneren
Fläche refleetirten Strahlen in der Trichteraxe am meisten concentrirt
erscheinen. Die anamorphotischen Bilder sind eine physikalische
Spielerei uud haben für den Lichtreflex keine Bedeutung. (N. F.
II. Bd. S. 23.)
Dann soll von V. die Frage beantwortet werden : „ Welche Ver-
änderungen des Lichtkegels lässt die pneumatische Ohrenlupe beob-
achten ? " Tritt weder durch Aussaugen noch durch Einpressen eine
Veränderung des Lichtkegels ein, so spricht dies nach V. entweder
für Verwachsung des Trommelfelles mit der Labyrinthwand, oder
für Verstopfung der Tuba bei acutem Mittelohrkatarrh. Für die
Verwachsung des Trommelfelles mit der Labyrinth wand wird ein
Fall angeführt. Krankengeschichte: Eine Dame, sehr schwerhörig,
Trommelfelle enorm verdickt und verkalkt. Eine Oeffnung im Trom-
melfell sollte Heilung erzielen. Operation: die Punctionsnadel ge-
rieth sofort auf den Knochen, weil das Trommelfell verwachsen war.
Die Diagnose Verwachsungw urde statt vor, nach der Operation ge-
stellt. Voltolini sagt: „Zu meinem nicht geringen Aerger musste ich
die Vernachlässigung dieser Experimente büssen. ^ (Aussaugen und
Einpressen der Luft durch die Lupe, um die Veränderung des Licht-
reflexes zu beobachten. Ref.) Ref. bedauert ebenso sehr wie* V.,
dass die Diagnose nicht vor der Operation gestellt wurde. Bei enorm
verdickten Trommelfellen (wie der vorliegende Fall) würde übrigens
64 YXI. Wiasenscbaftliebe Kumdschau.
V. den dreieckigen Licbtreflex vergebens suchen; darch den ehro-
niscben Entzündongsprocess, der sich auch auf die Hautplatte des
Trommelfellea ausdehnt ^ geht der Glanz des Epithels yerloren. ->
Für Verstopfung der Tuba bei acutem Mittelohrkatarrh wird ebenfalls
ein Beispiel angeführt.
Nach Ansicht des Ref. ist der Verschluss der Tuba bei acutem
Mittelohrkatarrh niemals so vollständig, dass nicht geringe Exeur-
sionen des Trommelfelles zu bewirken wären. Für Verwachsungen
ist das angegebene Symptom richtig, aber längst bekannt. Dass
durch Hervorspringen der vorderen Wand des knöchernen Gehör-
ganges der Lichtreflex verdeckt werden kann, ist ebenfalls bekannt.
Dann wird erörtert, dass. beim Lufteinblasen der Lichtfleck langer
und schmäler wird; beim Aussaugen kürzer und breiter, selbst fast
ganz schwinden kann bis auf einen hellglänzenden Punkt auf dem
verbreiterten Ende des Manubrium (dieser Punkt ist dicht vor dem
Ende des Hammergriffes. Ref.). Beim Aussaugen wurde der drei-
eckige- Lichtreflex glänzender (es ist dies der Fall beim Einblaseo,
weil dadurch das Epithel mehr gespannt und in Folge dessen der
Glanz erhöht wird. Ref.)
Dann wird die Farbe des Trommelfelles besprochen, welche
sich mit der Lupe als perlgmu zeigt. (Diese Farbe ist längst be-
kannt und die Lupe wird sie nicht ändern. Ref.) Dann zeigt sich
das Trommelfell mit der Lupe durchscheinend ^ der lange Ambos-
schenkel und das Promontorium angedeutet. Wo das Promontorium
und der lange Ambosschenkel deutlich, könne man auf Atropliie
schliessen. — (Auch diese Erscheinungen sind bekannt und nicht
erst durch die Lupe entdeckt. Ref.) Continuitätstrennungen lassen
sich durch die Lupe mittelst Aussaugens feststellen (schon durch
Siegle bekannt. Ref.).
Die Verwachsung des Hammergriffes soll dadurch festgestellt
werden, dass sich das von Gruber beschriebene Knorpelgebilde be-
wegt. V. sagt: „es erschien mir nämlich oftmals ganz deutiieh; als
ob das Knorpeigebilde sieh bei — V bewegt; dies wird um so eher
der Fall sein, wo der Hammer am Promontorium verwachsen ist." —
Das Knorpelgebilde existlrt nicht im Trommelfell, wie V. noch an-
nimmt, kann sich also auch nicht bewegen. Wahrscheinlich hat V.
den gelben Fleck vor dem Ende des Hammergriffes gesehen. Sobald
sich also der Hammer bewegt, wird sich auch dieser Fleck ändern.
Ist das Ende des Hammergriffes angewachsen, so wird sich dieser
gelbe Fleck nicht bewegen, also gerade das entgegengesetzte Symptom.
Dass mall Eiter aus der Paukenhöhle aussaugen kann mittelst des
Siegle 'sehen Trichters, also auch durch die Lupe, ist nicht neu.
Es würde zu weit führen, wollte Ref. beweisen, dass sich diese Me-
thode nicht empfiehlt.
„Ob und wie Bewegungen des Trommelfelles bei der Respiration
und beim Schlingacte erfolgen und mit der Lupe noch wahrnehmbar
sind*, behalte ich mir (V.) noch vor, ein andermal zu berichten. " —^
Bis jetzt hat V. noch nicht darüber berichtet. Er wird damacn
beim normalen Trommelfell selbst mit der Lupe vergeblich suchen.
Vn. WissenschafÜidie RandschAiL 65
Beim atropfarseheu Trommelfell sieht man diese Bewegungen auch
ohne Lupe. (Archiv f. 0, Bd. IX. S. 100. 101.)
Von den Operationen, welche V. mit der Lupe zu machen em-
pfiehlt, nennt er: 1. die Tenotomie des M. tetisor tympani, 2. die
Lostrennang des Hammergriflendes bei Verwachsung mit dem Pro-
montorium; 3. die Eröffnung des Trommelfelles in grösserem oder
geringerem Umfange zur Sicherung der Diagnose: Ankylose des
Steigbügels« — V. hat bereits mehrere Fälle unter Beihülfe der
Ohrenlupe operirt. , Referent vermisst bei den operirten Fällen die
Diagnose, den Verlauf und Erfolg der Operation. In Nr. 2 der
M. f. 0. wird allerdings angegeben, dass in dem einen operirten
Falle der abgelöste Lappen des Trommelfelles abstarb und ein ein-
faches reines Loch 4m Trommelfell blieb. Der zweite Fall, welcher
eben^lB ohne Diagnose angefahrt ist, wurde nicht operirt, weil er
das Messer nicht vertrug; iii solchen Fällen soll in Zukunft das
Loch galranokaustisch gemacht werden. In Nr. 12, December 1873,
ist denn auch das Loch galvanokaustisch in einem Falle gemacht
worden und hat V. den langen Ambosschenkel , das Köpfchen des
Steigbügels und den Anfang beider Schenkel desselben gesehen. —
Ob dies ein Fall von Ankylose des Steigbügels gewesen, und wenn
dies der Fall, was gegen die Ankylose geschehen, wird nicht er-
wähnt. Vielleicht wird dieser Fall noch genauer beschrieben.
Neues hat also Voltolini durch seine Ohrenlupe nicht zu
Tage gefördert; er hat nur längst bekannte Thatsachen tron Neuem
mitgetheilt und dabei, wie Ref. gezeigt, manchen Irrthum unterlaufen
lassen. Trautmann.
9.
lieber Myringomycosis aspergillina, von Dr. Cassels
(Glasgow). (Vortrag vor der med.-ehir. Gesellschaft. Nov. 1874.)
C. beginnt mit der geschichtlich nicht uninteressanten That-
sache, dass in England zum ersten Male und zw4r von ihm (British
med. Journal. Mai 1874) Fälle von Otomykosis veröffentlicht worden
sind; und dass die englischen Otologen dem Gegenstande bis dahin
besondere Aufmerksamkeit nicht geschenkt hätten, befangen in der
irrigen Ansicht, dass Ohrpilze in England nicht vorkämen. Dem-
nächst macht er die bis jetzt beobachteten Ohrpilze namhaft, hält
Aspergillus flavus, glaucus und nigricans für Ohrpilze im strengeren
Sinne des Wortes, weil sie bis jetzt allein (? Ref.) als solche auf-
gefunden worden seien, und gibt die charakteristischen Merkmale für
die differentielle botanische Diagnose. Dann folgen die wichtigsten
auf Otomykosis bezüglichen historischen Thatsachen. Auf die ätiolo-
gischen Verhältnisse übergehend erwähnt er, dass man innerhalb des
Meatus auditorius stets Aspergillus allein, ausserhalb desselben ihn
stets in Verbindung mit Penicillium antrifft. Hieran schliesst sich
ArchiY für Ohrenheilkunde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd ) 5
66
Yü. Wissenschaftliche Randschaa.
eine Aufzählung der entfernten Ursachen (Geranium-Blätter, Oel etc.),
eine Erwähnung der bis jetzt controversen Frage über das Primäre
oder Secundäre der Pilzentwickelung bezüglich des pathologischen
Vorganges in den betheiligten Geweben, und der durch jene ver-
mittelten subjectiven Symptome. Unter den objectiven Erscheinungen
nimmt nach seinen Beobachtungen, auch wenn nur zartes Mycel an
dem Trommelfell zu entdecken ist, eine Injection d^r Hammergefässe
der Zeit nach die erste Stelle ein; daran schliesst sich die Bildung
eines anscheinend membranös sich ausbreitenden Ueberzuges des
Trommelfelles mit gleichzeitig entschiedener Hörverschlechterung, die
in geradem Verhältniss zur Dicke dieser Membran steht. Erst nach
Bildung desselben werden Mycel und fruchttragende Hyphen sicht-
bar. Dann folgt die Loslösung der Pseudomembran und mit Ab-
stossung des Epidermis-Ueberzuges die ßlosslegung des Coriums,
dessen Irritation durch die auf demselben liegenden Sporen gesteigert
wird. Uebereinstimmend mit diesem Stadium anatomischer Verän-
derung nehmen Schmerzen und Schwerhörigkeit zu. Erst nach der
Perforation des Trommelfelles und der Theilnahme der Trommel-
höhlenschleimhaut kommt es zu einem eitrigen Ausfluss aus dem
Gehörgang.
Die Ansicht C.'s, dass man in wenigen Tagen mit Hülfe häufiger
Wassereinspritzungen und eines Parasiticidum gewöhnlich eine
gründliche Heilung bewerkstellige, erscheint dem Ret zu sanguinisch.
Praktisch nicht unwichtig ist schliesslich die vom Verf. erwähnte,
übrigens von Küchenmeister schon betonte parasiticide Wirksam-
keit des Weingeistes ') , der sich ihm auch in jenem Falle bewährte,
welcher Veranlassung zu dem Vortrage gab. Als die fragliche Kr.
nach fast zweijährigem Bestehen des Uebels und vergeblicher An-
wendung heroischer, örtlicher und allgemeiner Mittel (kolossale Biasen-
pflaster und Quecksilber!) zu ihm kam, klagte sie überwiegend über
das linke, weniger über das rechte Ohr. Dem verschiedenen Ver-
halten bezüglich der subjectiven Geräusche entsprach auch die Ver-
minderung der Hörföhigkeit und der objective Befund. Während
der rechte Gehörgang, abgesehen von dem Mangel an Cerumen
frei war und sich nur am Trommelfell selbst vollkommen entwickelte
Exemplare von Aspergillus niger vorfanden , war der linke mit
reichlichen Massen abgestossenen Epithels erfüllt, zwischen welchen
zarte Punkte von dunkler oder schwarzer Farbe eingestreut waren.
Letztere ergaben sich bei mikroskopischcfr Untersuchung als Sporen-
köpfe desselben Pilzes. Entsprechend diesem verschiedenen Befunde
waren die anatomischen Anomalien des rechten Gehörganges und
Trommelfelles unbedeutend, während links der Gehörgang und das
Trommelfell von seinem Epithellager entblösst und das Corium frei-
gelegt war. Längs des nur angedeuteten HammergrifiTes war eine
dunklere Färbung, alle Gewebe sehr congestionirt und empfindlich.
Die bezeichneten Functions- und anatomischen Anomalien wurden
in wenigen Tagen durch den alleinigen Gebrauch des Alkohols be-
1) s. A. f. 0. II. Bd. S. 7.
YII. Wissenschaftliche Hnndschau. 67
seitigt und die Fortdauer der Heilung noch kurze (!) Zeit bestätigt
gelegentlich einer weiteren Behandlung des gleichzeitig bestehenden
Tuben>Katarrhs. — Jacoby.
10.
Beriebt über klinische Fälle von Ohrkrankheiten, de-
ren Hauptsymptom subjective Geräusche waren, von
Dr. Lawrence Turn bull, Ohrenarzt am Howard - Hospital zu
Philadelphia.
I. Seit etwa einem Jahre bestand bei einem 14 jährigen Gym-
nasiasten linksseitige Schwerhörigkeit gleichzeitig mit subjeotiven
Geräuschen. Die objective Untersuchung ergab Schleimverstopfung
der 1. Tuba und einen mit reichlicher Secretion verbuudenen Nasen-
rachen-Katarrh. — Gegen diese Zustände wandte T., zunächst einige
Tage Luftdouche an mit geringem Erfolge; demnächst zehnmal
Injectionen von Chloralhydrat , angeblich nach Lucca (soll wohl
heissen Lucae, Ref., der dasselbe für s o 1 c h e Verhältnisse übrigens
nie empfohlen hat); dann Nasendouche mit Salzwasser, später mit
Zinksolution und schliesslich inducirte Elektricität mittelst Einführung
des einen Pols in den mit Salzwasser gefüllten Gehörgang. Letztere
erregte zwar bedeutenden Schmerz, beseitigte aber auch die sub-
jectiven Geräusche und erzeugte Hörverbesserung ( ! — Ref.)
II. Subjective Geräusche nebst Schwerhörigkeit in Folge chro-
nischen Katarrhs mit Einziehung des Trommelfelles. —
Ein 40 jähriger Kaufmann mit chronischen Verdauungsstörungen
und gedrückter Gemüthsstimmung litt seit Jahren an reichlich ab-
sonderndem Nasenrachenkatarrh, linkerseits verengter Tuba und er-
heblicher, rechterseits freier Tuba und geringer Schwerhörigkeit;
links stärker eingezogenem Trommelfell als rechts. Nach Beseitigung
der reichlichen Secretion der Schlundschleimhaut und Elevation des
Trommelfelles durch Siegle's Apparat wurde zur Behebung des
subjectiven Geräusches zunächst Tenotomie des Tensor tympani, dann
Faradisation, beides ohne Erfolg angewandt. Schliesslich besserte
sich der Zustand durch Einspritzungen von lauem Salzwasser und
milde Purganzen» Indess auch dieser Erfolg war vorübergehend, so
dass der Kranke im Sommer 1874 von einem anderen Arzte aber-
mals faradisirt wurde und man zuletzt auf die von T. bereits an-
gewandten inneren Mittel wieder zurückging. — Würde nicht, ab-
gesehen von der auf den Nasenrachenkatarrh bezüglichen Behandlung,
eine passende Berücksichtigung der Verdauungsstörungen und des
Allgemeinzustandes auch ohne Faradisation mindestens ebensoviel ge-
nützt haben? (Ref.)
lU. Subjective Geräusche in Folge von Collapsus der Tuben
ohne Schwerhörigkeit.
Ein 34 jähriger Arzt litt seit 4 Monaten an schlafstörenden sub-
5*
68 Vn. Wiesensohaftlicbe Rnodschkn.
jectiven Geränsclien. Bei normalem Gehör w»r d»8 rechte Trommel-
fell mäasig eingesunken, diie r. Onf. pliar. tnbae verstopft. Katbeteria-
muB nnd Luftdonche achafften massige Besserung. Einige Tage epflter
wurde mit Hilfe des Rhinoskopa ein metallieohes Bougie, dann eine
Mischung von gleichen Theilen verdünnter Carbolsflure und JodtiDctar
auf die Schleimbaut des Orificium applicirt. Das Bongie wurde als
Reizmittel nur in dem weiteren Theile der Tuba und zwar vom
Munde aus applicirt. Unter Fortsetzung dieser Behandlung ver-
geh wutden die snbjectiven Geräusche.
IV. Eine Dame von 25 Jahren litt rechterseits an coatinniriichem
Sauaen ohne Sehw«r1iöngkeit, das durch Entfernung eines Ceruminal-
pfropfes beseitigt wurde. — Linkerseits war das Tromm«lf<ell ein-
gesunken nnd die Tuba, resp. das Ostium pharyngeum, wie rhino-
skopisehe Untersuehung ergab, durch eine schwarze Masse geechloaeen.
Nach Entfernung derselben durch die Nasendouqjie fand «ich an der
&tell«, wo dieselbe gesessen hatte, ein Geschwflr, daa dnrch eine
Miaehung von verdflnnter Carbolsäare nnd Jodtinctur behandelt wurde.
Zum hanalichen Gebrauch wurde eine kräftige äalzljisnng abwechaelnd
mit einer Lösung von schwefelsaurem Ziak zur Nasendouche empfahlen.
Hierdurch wnrde sie von den schlafstdrenden subjectiven Geräuschra
vollstjlndig befreit.
T. Hochgradige Schwerhörigkeit mit snbjectiven Gerkuscheo in
Folge von Sonnen stidi. —
Ein 44jähriger Mann litt seit 8 Jahren angeblich in Folg« der
Einwirkung extremer Sonnenhitze an TOllkommener Taubheit. Gleicli-
zeitig fand sich granulöae Pharyngitis, die sich bis in die Tuba er-
streckte, mit nlceröser Zerstörung der Schleimhaut, welche den Vomer
bekleidet. Die linke Tuba war geschlossen, die rechte verengt. An
dem 1. Trommelfell fuid sich eine Narbe. Knochenleitung; für die
Uhr fehlte gJUiK und Stimmgabel wurde nur von den Schläfenbeineii
aus percipirt. — Als die von T. auf einer Seite ausgeführte Teno-
tomie dea Tensor tympani erfolglos blieb, wurde constanter Stron
angewandt, der Besserung berbeifflhrte. Gegen den Zustand der
Schlundschleimhaut vnrden Scarificationen und eine Mischung von
gleichen Theilen Jodtinctur und Glycerin angewandt, gleichzeitig
aber auch Jodkali verabreicht. — Auf besonderes Verlangen des Kr-
wnrde die Tenotomie auch auf der anderen Seite ausgeführt, indess
mit namhafter Verschlimmerung, Unter nachträglicher Anwendung
der ElektricitSt erfuhr dann der Zustand wieder wesentliche Bease-
rung. — Bei einer so complicirten nnd heroischen Behandlung dürfte
es schwer sein , über den therapeutischen Werth eines einzebies
Mittels ein siciieres Urtheil zu gewinnen. (Ref.)
VI. Erschütterung mit Blutaustritt in das Labyrifitb, darauf
Taubheit und intensive snbjeetive Geräusche; sehlieBslich acute Be-
theiligung der Schleimhaut innerhalb der Zellen des Proc. mast. —
Gelegentlich einer Fahrt auf dem Miaaisippi während des Krieges
wurde unmittelbar über dem Kopfe des 45 jährigen Mannes, während
das Knke Ohr dem Geschosse zugekehrt war, eine Kanone so nahe
dem Kopfe abgefeuert, dass daa Haar verbrannt wnrde. Ungefähr
Yn. Wissenschaftliche Bandschau. 69
eine Stande nachher erwachte er aus der sofort eingetretenen Be-
wusstlosigkeit mit Schwindel und Kopfschmerzen, aber ohne Ohr-
schmerzen. Uebelkeit und Erbrechen stellten sich ein und wieder-
holten sich gelegentlich während der folgenden zwei bis drei Tage.
— Bis dahin vollkommen ohrgesund, wurde er seit jenem Ereigniss
links fast vollkommen taub, rechts schwerhörig, hatte aber links
nie Bubjeetive Geräusches. Um den 15. September 1873 verlor er
gleichzeitig mit dem Eintreten klingender und brausender subjeetiver
Oeräusehe rechts fast jede Schallperception« Am 1. October stellte
sieh rechts eitriger Ausfluss ein. Am 27. October sah man beide
Trommelfelle perforirt. Unter dem Gebrauche einer Sol. argenti
nitrici besserten sich die Symptome einschliesslich der Hörfähigkeit
Am 2. November erscheint die Perception rechts erheblich gebessert,
aber heftiger Sehmerz ist in den mastoid. Zellen und der rechten
Kopfseite nebst Schwellung vorhanden. (Aber wie verträgt sich eine
wesentliche Hörverbeaserung mit so acuten Symptbmen? Ref.) Eine
Wilde'sche Incision hatte so guten Erfolg, dass der Kr. am 6. Nov.
frei, von Schmerz, von subjectiven Geräuschen und mit wesentlicher
Hörverbesserung entlassen wurde.
YII. Erschütterung mit Symptomen von Blutextravasat in das
Labyrinth oder die halbcirkelförmigen Kanäle. Ein Soldat hatte
wenige Tage vorher in Folge einer in nächster Nähe abgefeuerten
Kanone eine so hochgradige Gehirnerschütterung erfahren, dasa er
sofort mehrere Stunden bewusstlos, nach seinem Erwachen bedeutende
Schwerhörigkeit, Gliederzittern, argen Schwindel und grosse Un-
sicherheit des Ganges davon trug. Behandlung fand nicht statt. —
VIII. Congestiv vermittelte subjective Geräusche als Folge der
Arbeit an einem erhitzten Ofen. Vergebliche Anwendung aller ge-
wöhnlichen Mittel, einschliesslich der Tenotomie des Tensor tympani.
Eine 26jährige [Dienerin wurde während ihrer Beschäftigung
an einem erhitzten Ofen von Kopfschmerz, Schwindel und subjectiven
Geräuschen auf der dem Ofen zugekehrten Seite befallen. Die
Untersnchung derselben im Januar 1873, ungefähr ein paar Jahre
nach jenem Ereigniss, ergab normales Verhalten dar Tuben. Rechts,
wo sie an subjectiven Geräuschen litt, war das Trommelfell ein-
gezogen, und fand eine Axendrehung des Hammers statt. Luft-
douche, Injection verschiedener Medicamente (kohlensaures Kiili,
Ohloralhydrat), Discision der hinteren Falte, Tenotomie und intra-
tttbale Anwendung der Elektricität blieben absolut erfolglos.
Sechs Monate nach der Entlassung war sie angeblich in der-
selben Verfassung wie früher. Das wäre post tot discrimina rerum
noch grosses Glück. ^(Ref.) Nimmt man zu dem oben Angeführten
noch hinzu, dass der Kranken durch die Discisionswunde eine Lö-
sung von Soda bis zu lebhafter nachträglicher Schmerzempfindung
eingeflösst, dass die Wunde eine Reihe von Wochen absichtlich offen
erhalten wurde, so dürften sich vom Standpunkte des gewissenhaften
Arztes wohl ernste Bedenken gegen die Behandlung erheben lassen.
IX. Hochgradige Taubheit, Verbesserung der gleichzeitigen sub-
jectiven Geräusche und des Schwindels durch Tenotomie. —
■JO VII. Wissenschaftliche Rnndgchan.
Wegea Schwerhörigkeit nnd Disposition zu epileptioidem Schwin-
del hatte der zur Zeit (Mai 1874) 45jährige Kanfmanii schon als
Soldat Beüe Entlassung erhalten, zehn Jahre an Wechaelfieber mit
Milzanschwellnng , beiläufig auch einmal, angeblich in Folge eines
Schlages eine Woche linkerseits an Otorrhoe gelitten und aich im
J. 1S59 gelegentlich seiner Beschäftigung in einer Mühle Erkältungen
ausgesetzt. Gegen die durch die genannten Schädlichkeiten alLmählicb
entwickelte hochgradige Schwerhörigkeit benutzte er eine aus Metail-
blech von ihm selbst fabricirte Ohrtrompete, die er in Folge ihrer
Leichtigkeit an der Auricula befestigen konnte tind mit deren Hilfe
er sprachliche Laote verstand. — Beiderseits bestanden subjecÜTe
Geräusche. Die objective Untersuchung ergab : links chronische Ent-
zttndnng des Trommelfelles mit Injection der Hammergefäase , Ab-
lagerung von Lymphe (?) und Adhäsionen. Rechts war das Trommel-
fell eingezogen, injicirt und getrübt, besonders in der Gegend des
M. mallei. Die rfaihoskopiache Untersnchung ergab, dass beide OsUa
pharyng. der Tuben offen waren, das rechte weniger als das linke.
Stimmgabel wurde besser rechts gehört. Anaangnng dea Trommel-
felles durch Siegle's Trichter hatte ebensowenig Einfluea anf die
Bubjeotiven Geräusche wie Faradisation. Deswegen wurde am 26. Juli
die Tenotomie und Durchtrennung der Adhäsionen vorgenommeo.
Die während der Operation sehr lebhaften Schmerzen verschwanden
allmählich bis znm Abende unter dem Gebrauche einer Mixtur mit
Oleum terebinthinae. Durch die Operation ftthlte sich der Kr. be-
ztlglich seines Seh wind elgeflthlea erleichtert. Dann wurde zweimal
eine Lösung von Snlphas Zinci 0,06 : 30,0 durch die Oeff'nnng ohne
erheblichen Schmerz eingespritzt. Nach späteren brieflichen Mit-
theilungen hatte sich eine Reaction anf das Verfahren nicht ein-
gestellt. Ob die suhjectiven Geräusche eine Besserung erfahren
haben, ist nicht angegeben (Ref.).
An diese Krankengeschichten schliesst T. einen Discurs Über
die ursächlichen Verhältnis^ snbjectiver Geräusche, wobei die be-
kannten, auch von v. Tröltsch in seinem Lehrbuch erwähnten
UntersuchnngH-Regnltate Noleta citirt werden. Die anf die Behand-
lung jener bezUglichen Kotizen enthalten Neues absolut gar nicht,
wohl aber manche Ungenauigkeit. So sagt T. von Schwartze, dass
er Paracentese gegen Blutanhäufung in der Trommelhöhle empfoblcD
habe, während derselbe bekannte rmaasaen gerade die Unzweck-
mässigkeit derselben unter den bezeichneten Bedingungen dargethan
hat. — Jacoby.
Transactiona of the american otological Society seventh
annual meeting. Newport R. J. Juli 15. 1S74.
Der ganze circa 120 Octavseiton umfassende Band zerföllt in
zwei ziemlich gleiche Haupttheile. Der erste derselben bringt den
Vn. Wissenschaftliche Rundschau. 71
von Dr. Burnett (Anatomie und Physiologie) und Dr. Blake
(Pathologie und Therapie) herrührenden Jahresbericht; der zweite
neben vereinzelten theoretischen Excursen überwiegend Casuistisches.
— Die Referate beziehen sich vorzugsweise auf Arbeiten deutscher
Autoren. Da fast nirgends eine eingehende Kritik geübt wird, so
lässt sie Ref. zur Vermeidung unnützer Wiederholungen unbeachtet. —
Als von Amerikanern ausgehend wird zunächst erwähnt eine von
Dr. Blake bei der Versammlung der Bostoner Gesellschaft zur
Förderung mediciniseher Wissenschaft gegebene Beschreibung einer
zuerst von Dr. Wymann beobachteten Eigenthümlichkeit an den
Schädeln der Havaja-Insulaner und der alten Peruvianer. Dieselbe
bestand in Exostosen des äusseren Gehörganges, welche gleichförmig
an der oberen und unteren Lippe derjenigen Enochenlamelle sassen,
die die hintere Wand des Ganges bildete und beiläufig bereits von
Prof. Welker an Schädeln amerikanischer Indiaiier beschrieben
worden sind. — Demnächst wird aufgeführt die bereits im 3. Heft
IX. Bandes dieses Archivs erwähnte Arbeit von Dr. A. Bück über
den Mechanismus des Hörens. Zur Vervollständigung des dort Mitge-
theilten, resp. zur Rectification def Verf. sei hier nur noch hinzu-
gefügt , dass die von ihm geleugnete Communication der beiden
Schneckenkanäle nach Henle (Handb. der spec. Anatomie II, S. 769,
Gruber, Lehrbuch der Ohrenheilk. S. 54, und Hasse's dem Ref.
genau bekannten Vorträgen) unzweifelhaft existirt und dass Helico-
trema nichts weniger als eine mikroskopische Oeffnung ist. —
Schliesslich werden die Untersuchungsresultate Dr. Sterling 's
über den Mechanismus des Oefinens und Schliessens der Tuba aus
dem London med. Record (18. Februar 1874) angeführt. St. brachte,
um die Schallempfindungen zu vergleichen, welche man in dem nor-
malen und katheterisirten Ohre hat, einen Katheter in die Tuba und
fand, dass die im Larynx erzengten Töne wesentlich lauter in dem
armirten Ohre wahrgenommen wurden. Bezüglich des Mechanismus
des Oefinens der Tuba ergab sich dem an sich selbst experimen-
tirenden Verf. bei nicht gleichzeitigen Schluckbewegungen Folgendes :
1. Während der Contraction für Eröflnung der Tuba änderte
das Gaumensegel weder seine Lage noch seine Gestalt, wurde nicht
gespannt, sondern hing weich und schlaff wie zur Zeit der gewöhn-
lichen Ruhe herunter. Es nahm also der Tensor und Levator palati
an der Eröffnung der Tuba nicht Theil.
2. Die Theile, welche allein sich bewegen, sind die hinteren
Pfeiler des Pharynx. Beide nähern sich gleichzeitig in der Richtung
nach der Mittellinie, indem sie sich nur V« — ^/i" aus ihrer früheren
Lage bewegen. Die Thätigkeit ist eine anhaltende, nicht krampf-
hafte und kann eine erhebliche Zeit unterhalten werden. Der Ton,
welcher die Oeffnung der Tuba begleitet, ist scharf, knatternd und
wird in die Trommelhöhle oder das Trommelfell selbst verlegt. —
Von Arbeiten nicht-deutschen Ursprunges aus dem pathologisch-
therap. Theil sind zu erwähnen:
1. Dr. Phillimore (British med. Journal April 1874), Notizen»
über Othämatom. — Bezüglich der Ursachen behauptet er, dasselbe
\
72 Vn. Wiaa^nschaftliche Rundschau.
nie ohne BegleUung von pathologisch-anatomischen Hirnaiterationen,
rttcksiehtlich des Sitzes nie an der hinteren Fläche der Muschel oder
am Lobaloa beobachtet zu haben.
2. Dr. Harlan 's (Philadelphia med. Times. Deeember 1873).
Bericht über einen bösartigen Tumor am Ohre bei einem Sjährigea
Mädchßn.
Zwei Monate vor der Untersuchung war ein blutiger Au8flufi&
aus dem linken Ohr beobachtet worden, dem Schmerz beim Schlingen,
Schwellung um das Ohr und Verziehung des Gesichts nach rechts
folgten. Die Untersuchung des Gehörganges ergab , dass derselbe
durch einen feBten kugeligen Polypen geschlossen war, während über
und hinter der linken Ohrmuschel sich eine fluctuirende Geschwulst
befand« Nach Entfernung des Polypen und einer Incision der Ge-
schwulst wurde zwar jauchiges Secret entleert, aber ein nekrotischer
Knochen nicht entdeckt. Die linke Gesichtshälfte einschliesslich der
linken Zungenhälfte war geschwollen. 28 Tage nach der ersten
Untersuchung hatte die Geschwulst hinter dem Ohre den Umfang
^ines Hühnereies, war gelappt und hatte eine rothe granulirte Ober-
fläche. 17 Tage später war dft Cornea von einem Ulcus perforirt
mit Vorfall der Iris. Das Athmen durch den Mund und die rechte
Nasenseite wurde mühsam. Bald darauf starb die Kr., anscheinend
in Folge von Erschöpfung, nachdem sich noch Lähmungssymptome im
Gebiete des Oculomotorius (Immobilität des Bulbus) eingestellt hatten,
denen ein Strabismus duplex convergens vorangegangen war. —
Bei der Section ergab sich nach Entfernung der Geschwulst der
Knochen rauh und erodirt und, abgesehen von den die erwähnten
Lähmungserscheinungen im Gebiete des Oculomotorius etc. aufhel-
lenden Befunden, Zerstörung der inneren Wand der Trommelhöhle
als anatomischer Beleg für die inter vitam beobachtete Facialis-
/• Paralyse. — Genauere Angaben über den muthmaasslichen Ausgangs-
punkt des Tumors und seine mikroskopische Structur fehlen. (Ref.)
3. Dr. Le Ball (Paris 1873) über die semiotische Bedeutung
traumatisch vermittelter Ohrblutungen.' Neues ist absolut nicht ge-
geben. —
4. Dr. Noyes (med. Record Nr. 193) berichtet über einen Fall
^ traumatischer, eitriger Mittelohrentzündung mit Theilnahme des Proc.
> mast. Obgleich durch operative Eröffnung desselben reichliche Eiter-
^ entleerung stattfand, ejitwickelten sich doch 4 Wochen später Sym-
ptome einer schweren Hirnaffection, welcher der Kranke erlag. Als
Grund des Todes ergab sich eine partielle Vereiterung des linken
mittleren Hirnlappens, Pachymeningitis basilaris und Eiteransammlung
in den Seitenventrikeln etc., so dass beides, die Ohr- und Hirn-
affection wohl als coordinirte Folgezustände des Trauma zu deuten
waren.
5. Dr. Dalby (British med. Journal, März 1874) gibt einen
Fall von Mittelohrentzündung mit secundärer Pyämie. Der zehn-
jährige Knabe, welcher wegen Fieber in das St. George-Hospital
\ aufgenommen wurde, hatte 14 Tage vor seiner Aufnahme in Folge
von Erkältung eine acute Mittelohrentzündung überkommen. Wegen
JUi
Yn. Wissenschaftliche Randschaa. 73
inflammatorischer Erscheinungen in der Mastoidealgegend nnd heftigen
Fiebers mit sich wiederholenden Frostanfällen wurde eine Incision
dieser Gegend und demnächst eine kleine Oeffiiung (warum kleine?
Bef.) in den Knochen gemacht, so, dass eine Sonde eingeführt wer*
den konnte. Eine Eiterentleerung kam dabei nicht zu Stande und
der Kr. &tarb mit pyämisehen Erscheinungen, resp. secundärer Pleu^
ritis etc. Die Section ergab Caries des Trommelhöhlendaches , die
sich nach hinten bis zum Sinus lateralis ausdehnte, so dass man sich
beim Mangel weiterer anatomischer Himalteration veranlasst sah,
hier den Ausgangspunkt der secundären Pyämie zu sehen. Da mau
die Trommelhöhle mit dickem Eiter erfüllt, die Gehörknöchelchen
nekrotisch und in dem Eiter lose gebettet fand, so würde die zeitige
Anlegung einer grossen Oeffnung im Proc. mast. mit ausreichender
Irrigation wohl einen anderen Verlauf herbeigeführt haben, zumal
Verf. ausdrücklich angibt, dass schon nach dem ersten Frostanfall
eine Betheiligung der ganzen linken Kopfseite und ausserordentliche
Druckempflndlichkeit in der Mastoidealgegend constatirt wurden. (Ref.)
6. Patterson Cassels (London Lancet April 1874) hält den
Gebranch des Alkohols in der Otitis media mit Trommelfellperfo-
ration in Uebereinstimmung mit Dr. Löwenberg (Paris) dann für
angezeigt, wenn bei reichlicher Schleimabsonderung das Trommelfell
sehr congestionirt, hypertrophisch und villös ist. In diesem Zu-
stande will er den Alkohol von fast specifischer Wirkung gefunden
haben. —
Von neu-erschienenen Werken wird zunächst das bereits im IX. Bd.
des A. f. 0. S. 106 recensirte Roosa'sche Lehrbuch der Ohrenheil-
kunde von Dr. Burnett besprochen. — Bemerkens werth erscheint
dem Ref. das Urtheil, welches der Kritiker im Gegensatz zu den
bekannten abfälligen Ansichten Roosa's über vermeintliche Gefahren
bei Anwendung der Nasendouche abgibt und das im Wesentlichen
übereinstimmt mit dem bei einer früheren Besprechung der letzteren
vom Referenten ausgesprochenen und von deutschen Otologen fast
ausnahmslos acceptirten. —
Dann folgt eine Besprechung von Dalby's (Ohrenarzte am
8t.-George-Hospitari Abhandlung über Krankheiten und Verletzungen
des Ohres; schliesslich eine Berichterstattung über HyrtTs Corro-
sionsanatomie , Wien, 1873 von C. J. Blake. Die letztere enthält
im Wesentlichen Aufzählungen der anatomischen Varietäten des in-
neren Ohres in verschiedenen Thierspecies.
Der zweite Theil des Buches enthält folgende Arbeiten:
1. Ueber die letzten Formen von Granulationsgewebe von
Dr. Albert H. Bück (Newyork).
B. unterscheidet drei Hauptformen, nämlich Granulationsgewebe,
das sich fortentwickelt, bis es durch vollständige Ausfüllung des Ge-
hörganges mehr weniger gefährliche Folgezustände herbeiführt; dann
inactives, resp. auf einer bestimmten Entwickelungsstufe verbleiben-
des, von dem Boden, auf dem es entstand, sich loslösendes; endlich
solches, das eine Umwandlung in Hörn- oder Knochengewebe er-
fährt. Zur Illustration der beiden letzten Formen schliesst derselbe
*■ .5". -1
■ t
1 i. "'
' 74 VU. TVissenschaftliche Randschan.
vier Krankengeschichten an, die im Uebrigen nichts Bemerkenswerthes
bieten. —
IL Ein Fall von Otitis med. purulenta mit Bildung einer Fistel,
die sich in den Pharynx öffnet, von Dr. Mathewson-Brooklyn.
Ein kräftiger, 32 jähriger Mann stellte sich zuerst am 7. Mai
1873 mit den gewöhnlichen Symptomen einer acuten rechtsseitigen
Mittelohrentzündung vor, die angeblich schon vor 6 Monaten begonnen
hatte. Durch eine kleine centrale Oeffnung des rothen und ver-
dickten Trommelfelles ergoss sich dicker rahmiger Eiter. Gegen
den anderen Mitteln trotzenden heftigen Schmerz wurde eine Wilde-
sche Discision versucht und Wochen lang offen erhalten. — Ueber-
einstimmend mit der Angabe des Kranken, dass sich Eiter in den
Schlund ergiesse, ergab die Untersuchung eine eiterentleerende Oeff-
nung an der äusseren Seite der rechten Tonsille durch den vorderen
Arcus palatinus. Bei Druck auf jene konnte man reichlich Eiter
anscheinend durch eine Oeffnung in der unteren Wand des Gehör-
ganges nahe dem Trommelfell hervortreiben. Trotz wiederholter
Versuche mit Bougies und feinen Sonden konnte man weder abwärts
vom Öhre , noch aufwärts vom Schlünde den weiteren Verlauf der
Fistel entdecken. Bei weiter Eröffnung des Mundes oder einem
Drucke auf die Seite des Nackens unterhalb des Proc. mast. wurde
reichlich Eiter in den Gehörgang ergossen. Eine versuchsweise (da
äussere Zeichen eines Abscesses fehlten) hinter dem Proc. mast. in
der Richtung nach dem Nacken angelegte und offen erhaltene Oeff-
nung führte nicht zu Eiterentleerung. Wegen anhaltender Kopf-
schmerzen wurde sodann mittelst einer kleinen ^/le" im Durchmesser
haltenden Trepankrone der Proc. mast. angebohrt und ein 5/^" langes
Knochenstück mit anscheinend durch Entzündung verändertem Ge-
webe entfernt; Eiter aber nicht gefunden. Die Reaction auf die
Operation war unbedeutend und als M. den Mann im Frühjahr
1874 wiedersah, war derselbe von dem örtlichen Krankheitsprocesse
resp. seinem Schmerze voltkommen geheilt und im Allgemeinen wohl.
Die Besserung war plötzlich im Januar 1874 eingetreten, nachdem
noch nach der Operation sich im Nov. 1873 eine wesentliche mit
theilweiser Paralyse des rechten Armes und Rückenschmerzen ein-
hergehende Verschlimmerung eingestellt hatte. —
III. Ohrpolyp mit knorpliger und knöcherner Basis, Entfernung
des Polypen, des Knorpels und eines Theiles des Knochens. Sistirnng
der Otorrhoe und Hörverbesserung von Dr. Pomeroy, Newyork.
Ein 15 jähriges Mädchen, die seit einer Reihe von Jahren an
beidseitiger Otorrhoe litt, wurde linkerseits mittelst einer starken
Zange von einem den grössten Theil des Gehörganges ausfüllenden
weichen Schl^impolypen befreit. Unter demselben wurde Knorpel-
substanz gefunden, die ebenso wie hyperplastisches Knochengewebe,
letzteres nur zum Theil, durch eine Knochenzange resecirt wurde.
Die secundäre Reaction war zwar nicht unbedeutend, so dass Örtliche
Antiphlogose zur Bekämpfung nothwendig wurde; es erfolgte aber
dauernde Hörverbesserung und vollständiges Verschwinden der
Otorrhoe.
YU. Wissenschaftliche Rundschau. 75
IV. Der mechanische Werth der Gewichtsvertheiinng an den
Gehörknöchelchen, ron Dr. Cl. J. Blake, Boston.
Der Zweck ^er Untersuchung war, zu erforschen, ob und wel-
chen Antheil die Gewichtsvertheiinng, namentlich am Hammer und
Amboss, für Begünstigung der Uebe^tragung der Schallschwingungen
habe, besonders bei den kurzen Wellen der hohen musikalischen
Töne. Zunächst bestimmte B. das Durchschnittsgewicht der Knöchel-
chen als Ganzes, dann die Vertheilung des Gewichtes an jeder der
beiden Seiten der Schwingungslinie. Bezüglich der speciellen Ge-
wichtsangaben muss Ref. auf das Original verweisen. Behufs Be-
stimmung der Gewichtsvertheiinng an Hammer und Amboss wurden
die Knochen sorgfältig in Situ gewaschen und nach sorgfältiger Prä-
paration genau in der Richtung der Schwingungslinie mittelst einer
feinen Haarsäge durchsägt. Fast constant ergab sich das Gewicht
der oberen zur unteren Hälfte der Knochen wie 15:8. Hieraus
lässt sich die Bedeutung bemessen, welche das höhere Gewicht als
Gegengewicht hat, wenn unter Spannung des Tensor tympani bei-
spielsweise die beiden Ossicula so gestellt sind, um auf das Leichteste
in der Richtung der Schwingungsaxe zu schwingen. Es trägt also
in Berücksichtigung der vom Verfasser speciell bezeichneten Tensor-
tympani- Wirkung das Uebergewicht der oberen Theile des Malleus
und Amboss dazu bei, die Feinheit des Mechanismus zu steigern,
der der Excursion der Schallwellen nach Helmholtz in so hohem
Maasse entspricht, dass man selbst mit Hilfe des besten Mikroskopes
sie sichtbar zu machen ausser Stande ist.
V. Perforation der Shrapneirschen Membran von Dr. J. Blake,
Boston.
Die angebliche Seltenheit der Perforationen der S.'schen Membran
hat ihren Grund nach B. vorzugsweise in der Lage und den ana-
tomischen Beziehungen dieses Theiles des Trommelfelles ; selbstredend
nicht in der Widerst-andsfähigkeit derselben. Ein weiterer Schutz
gegen solche Einflüsse, die geeignet sein würden, Perforation zu er-
zeugen, bietet die Schlaffheit derselben. Die Lage, sofern der Hals
des Hammers und das Ligam. ext. mallei ihr einen Schutz gewähren,
machen es nothwendig, nach anderen als den gewöhnlichen Ursachen
der Perforation sich umzuschauen. B. findet jene vorzugsweise in
der Localisation anderer Krankheitsprocesse an den der Membran
benachbarten Theilen , insbesondere Granulations - Polypenbildung,
UÜferation am oberen und äusseren Theile der Trommelhöhle; Vor-
gänge, die keineswegs zu den Seltenheiten gehören.
Bei Destruction des Trommelfelles (bez. des unteren Abschnittes)
ist selbstredend eine freie Oeffnung für den Abfluss des purulenten
Secretes gegeben. In diesem Falle bleibt, sofern nur der Druck
des Secrets in Betracht kommt, die S.'sche Membran intact. Anders
aber gestaltet sich die Sache, wenn das Trommelfell vor dem Zu-
standekommen der Perforation eine Verdickung erfährt, oder wenn
die Perforation, die schliesslich entsteht, relativ zu klein für die
Menge der angesammelten Flüssigkeit ist. Im ersteren Falle kann
die Perforation der S.'schen Membran die primäre Perforation sein,
76' Vn. WiasenscWtUcbe BondBidias.
nnd in einem ^Ohen EntzflndungBstadmm sich bilden. Im 2. Falle
ist sie dtiB Resultat secundärer Vorgänge in ihrer N&chti&rBch&ft und
ereignet sich in einer epäteren Periode. , Pfir beidd Kategorien ana*
Ijsirt nun 6. einzelne von ihm beobachtete Fftlle. Zur BekKmpfang
der secnndaren Grannlationon hält er HäUenstein, in welcher Fom
auch immer, für die fraglichen VerhttltiiiBBe deswegen am wenigsteo
ftlr geeignet, weil der Schorf fUr die genauere Untersnchnng und
Tollständige Behandlung ein Hinderniss setzt. Cuprnm sulph. oder
Zincum sulph., oder mit grosser Vorsicht angewandt Kali caust. ei-
seheinen ihm geeigneter. Alann in Pulver oder KUgelcheoform wird
für den fraglichen Zweck besonders Ton ihm gelobt (macht aber
leicht klumpige schwer zu beseitigende Niederschläge. Ref.).
VI. Chronischer Ausfluss ans der Trommelhöhle mit Ferfbration
des hinteren Theiles der Membrana äaccida von Dr. Bnrnett,
Philadelphia.
Der 17jährige Kr. litt zar Zeit der tlntersuchung (Juli 1872)
ungefähr ein Jahr an Otorrhoe. Inspection ergab Perfor&tioo nm
nnd hinter dem Proc. brevis m. Perforationageränsch wurde sie
wahrgenommen. Caries war durch Sondenuntersnchnng nie zn ent-
decken. Wöchentlich wurde je einmal eine concentrirte Lösang v(hi
Arg. nitr. (40 Gran auf die Unze) und täglich dreimal za Hause eine
Zinklftaung von 10 Gran anf 1 Unze angewandt, später anstatt der
letzteren eine Lösung von Alann oder salpetersanrem Blei. Ntch
4 Monaten hörte die Otorrhoe auf; Granulationen waren nie vor-
banden und der Ausfluss blieb stets gleichmtLssig hell nnd von RahU'
consifitenz. Hörverbessemng hatte sich nach der Heilung in erheb-
lichem Umfange eingestellt. Im Januar 1873 kam eine leicM
beseitigte Scbmerzhailigkeit am Proc. mast vor. Am 1. Oec, Wi
reoidivirte die Otorrhoe durch S'/i Monate mit Fortbeetehen der
alten Perforation in der Membr. flaccida. Dagegen wurden abermale
Silber- und Zinklösungen, doch noch concentrirter, angewandt, wobei
Heilung mit wesentlicher Hör v er bessern ng eintrat.
VH. Irritation der Chorda tympani, Faciallsparalyse , Polyp
am Trommelfell, Periostitis mallei nnd der anliegenden Knochen-
texturen, von Dr. Noyes, Newyork.
N. gibt zunächst die von dem Kr. selbst, einem 33jährigeD
Arzte, abgefasste Krankengeschichte mit seinen eigenen Worten
wieder. — So lange er sich erinnern konnte, war er von deo
quälendsten, continnirllchen, schlafstörenden, subjectiven GeräasAen
im linken Ohr heimgesucht. Im Alter von 1 '/s Jahren hatte er
bereits einen Ohrabscess, der angeblich vollständig heilte nnd über
dessen Natur und Locali^t er keinen weiteren Aufschlnss zu geben
im Stande war. Das Gehör der afScirten Seite war wesentlich ver-
ringert, das Trommelfell perforirt, und während des Durchpressen»
der Luft bei gleichzeitig zugedrücktem Ohre hatte er regelmässig
eine bittere Geschmacksempfindung an der Zungenwurzel. Die Ab-
sonderung der Gehörgangs wände war quantitativ vermindert, bis-
weilen härter, wesentlich dunkler als gewöhnliches Cerumen und
massig fStid. So war der Zustand bis zum 23. Jahre. Von da ab
. ■»
YII. WisseBfichaftliche Rundschaa. 77
war der Ausfluss dftnn-gelb, ein wenig scharf, quantitativ massig,
aber sehr beständig, durch Wassereinspritzungen oder Adstringentia
nicht wesentlich beeinflusst; bisweilen einige Monate intermittirend,
aber iismer wiederkehrend. Bald nachher schloss sich die Perforation,
60 dass nie später Perforationsgeräusch wahrzunehmen war. Nach
dem Verschluss derselben stellte sich ein Gefühl von Schwere, Druck,
Verstopfong und Spannung in der ganzen linken Eopfhälfte ein,
anfangs periodisch, allmählich beständig. Bald darauf traten Symptome
ein, die auf Reizung der Chorda deuteten; eine Geschmacksempfin-
dung an der linken Seite der Zunge beim Einpressen der Finger^
spitze in den Porus acust. ext. oder beim Kneifen des Ohrläppchens,
selbst beim Streichen über die linke Gesichtshälfte mittelst der
Fingerspitze, allmählich beständig, ohne jed« äussere Veranlassung,
nur ziemlich verstärkt durch eine der oben genannten. In gleichem
Maasse mit der bezeichneten Geschmacksempfindung vermehrte sich
die Speichelabsonderung aus der linken Seite des Mundes.
Zehn Jahre nach dem Verschluss der Perforation gesellte sich
eine Paralyse des linken Facialis dazu, gepaart mit häufigen Zuckun-
gen der von ihm innervirten Muskeln.
Soweit die Krankengeschichte. N. fand bei der Untersuchung
Paralyse der linken Gesichtshälfte, das Trommelfell flach, weiss,
dick, nicht gefössreich, am oberen und mittleren Theil desselben
eine polypenartige Geschwulst von der Grösse einer kleinen £rbse,
fest, obgleich roth, zum Bluten nicht geneigt. Die leiseste Berüh-
rung an derselben veranlasste Empfindungen an der Zunge. Im
Oehdrgange ' fand sich eine geringe Menge Eiter, die Wände des-
selben aber waren nicht empfindlich bei der Berührung; die Tuba
permeabel, die Trommelhöhle leicht aufzublasen. Uhr hörte er im
Contact mit der Muschel. Der Polyp wurde mittelst Galvanokaustik
und rauchender Salpetersäure ohne secundäre Reaction beseitigt.
Darauf liess das unangenehme Gefühl in der linken Kopfseite nach
und der Ausfluss nahm nur vorübergehend zu. Nach dem Ver-
schwinden der Geschwulst liess sich weder eine Perforation noch
Unregelmässigkeit an dem Trommelfell entdecken. Auch innerhalb
der Trommelhöhle schienen Granulationen nicht zu existiren. Der
Polyp entsprang von dem M. mallei, und es lag der Schluss nahe,
dass eine ' chronische Entzündung desselben wie des Periosts vor-
handen war, die gleichzeitig die Reizung der Chorda verursachten.
N. vermnthete, dass diese schon in einer früheren Periode vorhan-
den war und eine starke Oongestion die Kopfsymptome und schliess-
lich die Facialisparalyse veranlasste.' Die Kopfsymptome verschwan-
den nach Anwendung der Galvanokaustik ganz, die Hörfähigkeit
stieg für die Uhr bis zu sechs Zoll, die Reizungssymptome von
Seiten der Chorda wurden wesentlich geringer; nur die Facialis-
paralyse bestand auch nach einer dreiwöchentlichen electrischen Be-
handlung fort. N. bemerkt mit Recht, dass der Fall dadurch ein
besonderes Interesse beansprucht, dass er die durch physiologische
Experimente gefundenen Resultate der Chordanreizung vollständig
bestätigt.
Vn. Wissenschaftliche Rnndschan.
III. Neuralgie io naä um das Ohr, von Dr. J. Orne Green,
ODäehat macht G. auf den grossen Nervenreichtbum des AnsBe-
id mittleren Ohres, besondera anf das Ganglion oticnm anf-
im, sofern darch dieses der weiche G&nmen, das Trommelfell
dem Tensor, die Schleimbaut der Trommelhöhle und die Haut
sseren Ohres unter einander und mit dem Nervensystem im
leinen in sympathische Verbindung gesetzt sind. Dann geht er
e bekannten für die Diagnose erforderlichen Bedmgungen
rdert insbesondere Abwesenheit jeglicher Symptome von üypei-
der Entrundung, ohne die Möglichkeit secundärer Em&hnmgs-
^en zn leugnen. — Demnachat schildert er die Weise, in der
a ihm beobachteten Neuralgien auftraten. Bezflglicb der Ur-
unterscheidet sich die qu. Affectlon nicht von anderen Neu-
, Bei der Keäex- Varietät kann man in nachbarlichen Geweben
on, gemeinhin U Iceration entdecken j bei der nicht reflecloriach
leiten war die Ursache nicht ersichtlicher, als bei den meislen
gien. Bei einigen Fällen der letzteren Art lag eine ent-
sn rheumatische, in anderen eine auch durch anderweitige
gien manifestirte neuralgische Diathese vor; in anderen wurde
anifeste Erkältung der afficirten Partie als Veranlassung he-
gt; in einer schien Syphilis eine Cervico-Occipital-Nearalgie
gerufen zu haben. Bei den Reflex- wie directen Neuralgien
n die Kranken den Sclimerz ziemlich genau localisiren. Ab
lenralgien unterscheidet G. die Neuralgie des PI. tympanicns
e der Nerven der Tnba Eustachii. Als directe oder nicht re-
sehe gilt ihm die Neuralgie des N. anricnlo-temporalia trigemiDi,
ster der kleinen Zweige des Trigcminus, welche den Tragn»
e Gebörgangs wände versorgen ; ein Zoster der kleinen Zweige
I Fossa helicis nnd eine Cervico occipital-Neuralgie, in welcher
imerz auf die M&stoidealgegend bezogen wird. Hieran Bchliesst
eine anatomisch begründete Symptomatologie der genannten
gien, spricht dann von der Reflex nenralgie des PI. tympanicue,
1 cariösen Zähnen ausgeht, nnd in allen von ihm beobachteten
durch angemessene Berücksichtigung der Zähne geheilt wnrde-
chat bertlhrt er die zuerst von Gerhardt beobachtete Nea-
des PI. tympanicus in Folge von Larynskrankheit, Nen-
der Nerven der Tuba Eustachii hat er gelegentlich eines sehr
ntenden Tnbeukatarrhs gesehen, der wegen seiner Gering-
st als Quelle der Schmerzen nicht gelten konnte. Von Anricnlo-
ralis-Neuralgie, deren difTerenticlle Diagnose speciell angegeben
lat er zahlreiche Fälle besonders bei Frauen, einen auch bei
kräftigen Uanne beobachtet. Ein oder mehrere schmale
pflaster auf den schmerzhaften Fleck applidrt haben neben
er Behandlung gewöhnlich sehr bald die nSthige Erleichterung
ifltt. — Als wichtige Momente für die differentielle Diagnose
sn Zoster des Tragus und Meatns und der wirklichen Neuralgie
iriculo- Temporaiis führt er vorzugsweise zwei auf. In all^"
der letzteren Art, soweit er sie beobachtet hat, fehlt der
Vn. Wissenschaftliche Randschau. 79
vom Meatns ausgehende Schmerz ; auch kam eine distinete Remission
nicht vor; endlich erscheint in der Regel die charakteristische Blas-
cheneruptton bei Zoster bald, während bei der wirklichen Neuralgie
der Schmerz oft lange Zeit vor der Untersuchung eintritt. In einem
unlängst von ihm beobachteten Falle von Cervico-Occipital-Neuralgie
bewährte sich durch seine ausserordentlich prompte Wirkung das
jüngst empfohlene CrotonchloraU Schliesslich macht er noch auf die
Unmöglichkeit aufmerksam, bei einem durch objective Veränderungen
nicht vermittelten Schmerz in der Tiefe des Ohres mit Sicherheit zu
differenziren zwischen einer Neuralgie der im Trommelfell verbreiteten
Nerven und einer des Plexus tympanicus.
IX. Ein durch secundäre Betheiligung des inneren Ohres und
Gehirns lethal endender Fall von chronischer Mittelohrentzündung
aus der Praxis des Dr. Agnew, mitgetheilt von Dr. David Webstelr,
New-York.
Ein 27 jähr. Geistlicher, der am 23. April 1873 in Dr. Agnew's
Behandlung trat, und mit unregelmässigen Zwischenräumen mehrere
Monate vergeblich von ihm curirt wurde, litt rechterseits seit 7—8 Jah-
ren an continuirlicher Otorrhoe, im letzten Jahre an gelegentlichem
Kopfschmerz und Schwindelanfällen und beiläufigen nicht besonders
hervorstechenden subjectiven Geräuschen in beiden Ohren. Das Trom-
melfell war an seinem hinteren, oberen Abschnitt perforirt und die
Perforationsöffnung mit Granulationen^ von innen her durchsetzt. Gra-
nulöser Pharynxkatarrh. Stimmgabel vom Schädel aus R.; beide
Tuben für Exp. Vals. permeabel. Nach Purification mit warmem Wasser
wurde eine 40gränige Argentumlösung für Ohr und Pharynx an-
gewandt. Obgleich am nächsten Tage das Quantum des purulenten
Secrets unbedeutend war, wurde die Instillation wiederholt. Darauf
nahm dasselbe noch mehr ab, aber der Schwindel zu. Pol. V. und
abführende Pillen blieben dagegen erfolglos.
Am 27., wo ausserdem auch Verstopfungsgefühl im Ohr und
Schläfrigkeit zugegen war, wurde Arg. nitr. in Substanz auf die
Granulationen, innerlieh Bromkalium und ein Vesicator hinter dem
Ohre angewandt. Als am 6. Mai die Granulationen an Umfang be-
deutend zugenommen hatten, wurden sie mittelst Schlinge entfernt,
und der Rest mittelst Salpetersäure cauterisirt. Nachdem noch mehrere
Aetzmittel gegen die Granulationen, innerlich Purganzen und Brom-
kalium angewandt worden waren, ging es am 23. Mai mit dem Kopfe
besser. Nach einer Erkältung am 7. Juli bekam der Kr. eine Otitig
ext., die unter örtlicher Antiphlogose wieder verschwand. Ende
September steigerten sich die durch Blutegelapplicationen, Eisblase etc.
bekämpften Kopfbeschwerden so, dass er das Bett hüten musste.
Trotz verschiedener Derivantien hatte er die Nacht vom 28. zum 29.
unter Zuckungen und häufigem Erwachen ziemlich schlaflos zuge-
bracht, am 29. war die Haut heiss, P. 74, heftiger Schmerz vor dem
Ohre. Am 4. October allmählicher Verlust des Gedächtnisses, leichte
Delirien und Unfähigkeit sich zu unterhalten ; Gesicht einigermaassen
gedunsen, P. 80. Parese des Rectus int. dexter, Diplopie. Am
8. October wurde die Behandlung einem anderen Collegen übertragen,
HO Vit. WisseDsebafÜiche Randgchau.
der Dr. W. von dem am Ib. December nach abermaliger Steigerung
der Cerebral Symptome ohne Intervention weiterer Paralysen erfolg.
ten Tode banacbiichtigte. LeichenöDhnng fand nicht statt. (Im Be.
ginne der Behandlung wäre sofortige grUndliclie Zerstörnng der Ora-
nnlttionen, Dilatation der Trommelfellöffnnng , geoane Untersuchang
des Mittelohrea, ev. operative Eröffnung des Proc. maat. angeeeigi
gewesen. Ref.)
X. Tenotomie des Tensor tympani hinter dem Manabrium mall«!
mittelst Gruber 's laBtrnment von Dr. Pomeroy, Newyork.
P, hat die weiter unten erwähnten, von Dr. Green in den Ver.
handlangen von 1873 detailHrten Gründe, welche die Anaführang der
Tenotomie hinter dem M. mallei mit dem modificirten Gruber'schea
Instrument rechtfertigen, bei seinen Beobachtungen bestätigt gefunden.
Jene GrUnde sind:
1. Die in Folge der Enge des Gefaörganges häufige Schwierigkeit,
die Sehne von vomher zu erreichen j
2. die Tendenz des Tensor seine Insertion am Mallens so m
nähern, dass er einen spitzen Winkel mit dem OehBi^uig
bildet;
3. die normaliter schräge Lage des Trommelfelles zur Axe dee
Gehörganges in Verbindung mit der conVexen Form seioer
■ vorderen Wand;
4. die Schwierigkeit, die Sehne von vornher zu erreichen, wenn
das Manubr. m. sehr rflokwärts gerichtet ist, in Folge der
ungewöhnlichen Lage des Austrittspunktes der Sehne aus ibiem
Kanal.
In einzelnen Fällen war es unausführbar wegen zu tiefen Ein-
gesunken sei ns des Trommelfelles eine Sonde einzuführen, um sieb
von der wirklich erfolgten Dnrchschneidung zu überzeugen. In
solchen Fällen hat das G.'sche Instrument vermöge seiner. Feinbeit
besondere Vorzüge. In wenigen Fällen benützte er das von ibm
modificirte Grnber'sche Instrument, erreichte damit besondere Vor-
theile und beschreibt genau, wie dieselben mit Hilfe der von ibm
angebrachten Modificationen zu Stande kamen. — Bei einem Ver-
gleiche der durch die Operation erlangten Resultate mit denen der
Paracenteae kann P. einen auffallenden Unterschied nicht bemerken.
In einem Falle, wo sehr quälende Geräusche zehn Jahre lang be-
standen hatten, verschwanden sie vollständig und trat bie zum Octo-
ber 1874 keine Äenderung hierin ein; ein Resultat, wie es nacb
seiner Erfahrung durch Punction nicht erreicht worden ist. Die
Hörfähigkeit wurde in der Regel nicht wesentlich verbessert, und
hält er es für unwahrsobeiulich , dass dies jemals durch Tenotomie
erreicht werde. Die zu Grunde liegende Krankheit war stets die
gewöhnliche chronische Entzflndung der Trommelhöhtenschleimbaut.
Im I. Falle wurden bei einem ISjährigen Mädchen di« seit
2 Jahren bestehenden aubj. Geräusche um die Hälfte verringert.
IL 21 jähriges Mädchen, seit 4 Jahren ohrenkrank, euhjecäve
Vn. WiteeDSchaftliche Bandschaa. 81
GeräQSche in beiden Ohren, müBsige Versehlimmernng nach dar
Operation.
III. 20 jähriges Mädchen, 10 Jahre ohrenkrank, constante subj.
Geräusche im rechten Ohr (früher auch im linken! — j; nach der
Operation Hörfähigkeit verdoppelt; subjective Geräusche für immer
vollständig verschwunden. .
IV. 5 4 jähriger Mann, viele Jahre schwerhörig, constante sehr
störende subjective Geräusche; Hörfähigkeit nach der Operation ver-
bessert und subjective Geräusche wesentlich geringer.
V. 3 4 jähriger Mann; 12 Jahre schwerhörig, subjective Geräusche
links seit 5 Jahren, nachdem sie vorher lange Jahre im rechten be-
standen hatten. Hörfähigkeit nach der Operation, subjective Geräusche
etwas gebessert.
VI. Die Operation misslang bei einem 30 jährigen schwerhörigen
Weibe, die nicht ätherisirt war, wegen starker Blutung, die sich
regelmässig bei jedem Operationsversuch wiederholte, und zur Hem-
mung Liquor ferri sesquichlorat. nöthig machte. Es folgte, nach
des Verf. Vermuthung, zum Theil gewiss in Folge der Anwendung
des Liquor ferri eine Mittelohrentzündung.
VW. 50 jähriger Mann, seit vier bis fünf Jahren schwerhörig,
meist schlafstörende subjective Geräusche rechts; links nur geringe;
vier Tage nach der Operation die subjectiven Geräusche fast ver-
schwunden.
YUI. 50 jähriger Mann, seit einem Jahr im linken Ohr bestän-
diges subjectives Geräusch ; rechts hochgradige Schwerhörigkeit, aber
niemals subjective Geräusche. Die Operation wurde unter beträcht-
licher Hämorrhagie, aber ohne Nutzen ausgeführt.
IZ. 40jährige Frau. Seit 10 Jahren ohrenkrank; beständige
sehr quälende subj. Geräusche. Geringe Verbesserung der Perception
und der' subjectiven Geräusche. —
XI. Ein Fall von sogenannter Meni^re'scher Krankheit, von
Dr. Oh. H. Burnett, Philadelphia.
Ein sehr kräftiger, massig lebender, nicht syphilitischer Walzwerk-
arbeiter, Kranker des Professors Pepper (dessen Journal die ana-
mnestischen Daten entnommen sind), verlor im Frühling 1871 seinen
bis dahin regelmässigen Appetit und Verdauung und wurde von Zeit
zu Zeit ungewöhnlich schläfrig. Bald nachher wurde sein Gang beim
Nachhausegehen Abends unsicher und er stürzte einmal hin. Im
Juni 1871 hatte er im Sitzen einen Anfall von Schwindel und fiel
dabei auf die FÜessen des Bodens, angeblich ohne Verlust des Be-
wusstseins. Nach 5 Minuten erhob er sieh zwar wieder, war aber
seehs Monate arbeitsunfähig. Unmittelbar nachher bemerkte er
klingendes subjectives Geräusch im 1. Ohr. Vor einigen Monaten
brach er gelegentlich, gewöhnlich unmittelbar vor einem Schwindel
aofall. Derartige Anfälle hatte er bis zum Beginn der Behandlung,
November 1873, sehr zahlreiche. Dabei hatte er die Empfindung,
Archiv für Obrenheilkuade. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 6
»'
i-\-
0^
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•V
S2 Vn. WisBenscbaffcliche Randschan«
als ob jedesmal etwas sich durch den Kopf bewege und das klingende
Geräusch bei gleichzeitiger Zunahme desselben sich nach aufwärts
zur linken Schläfe verbreite. In diesem Moment stürzt er hin, ohne
die Fähigkeit, die Richtung des Falles zu beherrschen, so dass er
sich häufig bedeutend verletzte. Nie ist mit solchen Anfällen der
geringste Verlust des Bewusstseins verbunden, so, dass er entweder
sofort einem Nahestehenden die Hand deicht, oder nach einigen
Minuten wieder aufsteht. Nach 15 Minuten ist er, abgesehen von
einem gewissen Schwächegefühl, wieder in seiner gewöhnlichen Ver-
fassung. Die Anfälle kommen sehr unregelmässig bezüglich der Hef
tigkeit, Häufigkeit, Tages-, Jahreszeit u. s. w. Abgesehen von der
periodischen Anwendung von Laxirpillen befand er sich im Alige-
!^ meinen wohl, ist insbesondere frei von Herzklopfen. Anfangs hatte
^;. er sich wegen seines Leidens an die häufige Anwendung von blutigen
Schröpfköpfchen im Nacken, Hinterkopf, Schläfen gewöhnt, aocli im
Anfange einige subjective Erleichterung des Kopfes davon empfanden.
Von November 1873 bis Juni 1874 nahm er ohne Erfolg JodkaVi,
Digitalis, Arg. nitr., Sublimat, Sarsaparilla - Abkochungen u. s. f.
$_ Dr. Burnett untersuchte ihn am 11. November 1873. Er fand die
f Trommelfelle glanzlos und verdickt. Links war der Kranke absolut
/v taub und hatte beständiges Klingen, ähnlich dem Geräusche einer
.' Seemuschel. Auf der rechten Seite war die Perception für die
Uhr erheblich herabgesetzt. Sprache wurde auf 5 Schritte vernom-
men ; Stimmgabel vom Schädel aus nur rechts gehört. Von den Tuben
war nur die linke für Katheterismus mit Schwierigkeit wegsam.
Die Erscheinung, dass sich vor jedem Anfalle das Klingen in der
Richtung nach oben bewegte, hat neuerdings sich nicht mehr gezeigt.—
Im Februar, drei Monate nach der ersten Untersuchung, sah B. den
Kr. wieder und behandelte ihn wegen Fortbestehen des Schwindels
^ und der subjectiven Geräusche mittelst constanten Stromes, anschei-
nend mit Ermässigung der genannten Symptome. Bezüglich der
Schwindelanfälle bemerkt er noch, dass dem Kr. die Gegenstände
in einer verticalen Ebene von vorn nach hinten sich zu bewegen
schienen, dass das Gleichgewicht bei ungetrübtem Bewusstsein voll;
ständig verloren ging, und dass er selbst sich immer um 90 ^ die
anscheinend bewegten Gegenstände sich aber um 180^ drehten. ^^
den 11. Mai nahm der Schwindel rücksichtlich seiner Häufigkeit za,
er hatte einen Anfall in horizontaler Ebene von links nach rechts^
so dass er anstatt rückwärts nach rechts fiel. —
Aus den oben angegebenen Trommelfellbefunden stellt nun B.
die Wahrscheinlichkeits-Diagnose, dass der chronische Katarrh oder
die Otitis hypertrophica schon vor der Meniere'schen Krankheit existirte
und letztere durch Fortleitung des Processes auf das Labyrinth ver-
anlasst worden sei. Bei dem sehr relativen diagnostischen Werthe
der Trommelfellbefunde und der immer noch controversen physiolo-
gischen Bedeutung der halbcirkelförmigen Kanäle erscheint dem Ref.
das Urtheil B.'s sehr gewagt. —
Die Schlussfolgerung, dass man aus der Richtung des Schwindels
von vorn nach rückwärts auf eine Affection des Canalis semicirculariß
J
Vn. Wissenschaftliche Bnndschau. 83
snperior, ans dem einmaligen Falle nach der Seite aaf den des Canalis
horizontalis, nnd aus dem Fortbeatehen des Bewusstseins neben deut-
lichem Gefühl der Richtung des Schwindels, selbst bei geschlossenen
Augen, auf eine Betheiligung gerade der halbcirkelförmigen Kanäle
schliessen dürfe, weil eine solche Behauptung mit den bekannten
Mach^sehen Experimenten übereinstimmt, hält Ref nur für zu-
lässig unter der Annahme, dass durch die Experimente von Mach,
Brenner n. s. w. die Böttcher 'sehen Einwendungen als vollständig
widerlegt gelten dürfen. — Praktisch nicht ganz bedeutungslos ist
die Schlnssbemerkung des Prof. P e p p e r , dass bei einem neuerdings
stattgehabten Aufenthalt des Kr. im Hospitale weder ein hinter dem
Ohr angebrachtes Setaceum, noch Bromkalium, sondern Monate lang
fortgesetzter Gebrauch des Jodkalium einen merklich günstigen Ein-
fluss zn üben schien. Jacoby.
12. 13.
I. De la Maladie de Meniere. Inauguraldissertation von Eduard
Voury, Paris, 1874.
IL Maladie de Meniere. Inauguraldissertation von Joseph
Bertrand. Paris 1874.
Ad. 1. Die Einleitung enthält die bekannten von M. 1861 auf*
gestellten Thesen (v. Tröltsch Lehrbuch. V. Aufl. 490). Gelegent-
lich der Definition, resp. des Namens, will Ref. nicht unerwähnt
lassen, dass deutsche Autoren, z. B. v. Tröltsch, zwar von Meniere-
schen Symptomenreihen, aber nicht von einer M.'schen Krankheit
sprechen ; ohne Zweifel mit Recht, sofern von der modernen Medicin
die ontologische Zusammenfassung von Symptomen unter einem ge-
meinsamen Krankheitsnamen beim Mangel einer pathologisch-anato-
mischen Einheit nicht mehr gut geheissen wird. An die Einleitung
schliessen sich einige geschichtliche Notizen. Von diesen dürfte das,
was Verf. von H i 1 a i r e t berichtet, um deswillen nicht uninteressant
sein, weil es der Zeit nach mit den M.'schen Publicationen zusammen-
fällt. H, sagt nämlich (Comptes rendus et m^moires de la Soci^tö
de Biologie. IIL S^rie. Bd. III. 1861), gelegentlich der Epikrise einer
Beobachtung eines mit M.'schen Symptomen complicirten Falles von
acuter Mittelohreiterung, er halte nicht alle von Meniere erzählten
Fälle für beweiskräftig, um gerade die Affection der halbcirkelför-
migen Kanäle darzuthun; eine plötzliche intensive Hyperämie, ein
Blutextravasat an der centralen Insertion des Acusticus könne gewiss
dieselben Erscheinungen hervorrufen. — In dem pathologisch-ana-
tomischen Theil werden die bekannten, bis jetzt leider höchst spär-
lichen (Ref.) Sectionsbefunde mitgetheilt, aus denen Verf. sich be-
rechtigt hält, stets eine Alteration des Labyrinths im Ganzen oder
nur der halbcirkelförmigen Kanäle 'zu diagnosticiren. Insbesondere
84 Vn. WiBsenschaftliche Bandschau.
citirt erden bekannten Meniere'schen Fall, dann Politzer (A. f.O.Il.
8. 88.), Voltolini (M,f. 0. 1869.^8. 109), Gruber (Lehrb. 8. 617)
und die vielfach angezogene Beobachtung von Signol und Vulpian,
auf einen Hahn bezüglich, der in Folge einer traumatischen Nekrose
des Schläfenbeines, resp. Zerstörung der halbcirkelförmigen Kanäle
die Mischen Symptome zur Schau trug. — In dem ätiologischen
Theil unterscheidet Verf. eine primäre, secundäre und traumatisciie
Meni^re'sche Krankheit. In Uebereinstimmung mit dem vom M,
gelegentlich des Namens Bemängelten erscheint ihm diese Aufbau
schung desselben hoch weniger zu billigen. Die Anschauung, resp.
Erkenntniss derartiger Fälle gewinnt sicherlich durch eine derartige
Bezeichnung viel weniger an Klarheit, als durch Sammlung path.-
anatomischer Befunde und exacte physiologische Analyse. Das Gleiche
gilt auch von den vermeintlichen entfernten Ursachen^ insbesondere
den Allgemeinkrankheiten, es sei denn, dass sich unzweideutige
Symptome, resp. Krankheitsproducte derselben auch anderweitig
constatiren lassen.
Der symptomatologische Theil der Arbeit führt in sehr detaillirter
Weise die bekannten Krankheitserscheinungen auf. Wenn Verf. dei
Üebersichtlichkeit wegen vier Formen unterscheidet, eine apoplekti-
forme, epileptiforme, stomachale und einfache, so dürfte dieser Sod-
derung ein grosser praktischer Werth wohl nicht zukommen. Wemger
unwichtig ist die Betonung des gewöhnlich periodischen Auftretens
der qu. Symptome in Intervallen, welche mehr weniger von com-
plicirenden nervösen Symptomen frei sind, und die bisweilen Jahre,
meist nur einen kurzen Zeitraum umfassende Dauer des Gesammt
Vorganges bis zu schliesslich vollständiger Hörlosigkeit* — Für die
Diagnose wird namentlich Gewicht gelegt auf das Vorhandensein von
Schwindel bei gleichzeitigen subjectiven Geräuschen. Als unter
scheidend von Hirnapoplexie wird der Mangel äusserer Zeichen von
acuter Congestion zum Kopfe, resp. das im Allgemeinen ohnmacht-
ähnliche Aussehen und das schnelle Vorübergehen der Bewusstlosig
keit besonders betont. Von unvollständig entwickelter Epilepsie
unterscheidet sich die M.'sche Krankheit leicht durch das Fehlen der
Schwerhörigkeit und die gewöhnlich bei dieser nur in einem Ohre
empfundenen subjectiven Geräusche. Bezüglich der Prognose tet
sich mit Verf. nicht disputiren, da unheilbar werdende Schwer
hörigkeit ein integrirendes Attribut des aufgestellten Ontologismus ist.
Ebenso trostlos ist aus naheliegenden Gründen, was er über Therapie
sagt. Die physiologischen Betrachtungen enthalten eine Aufzählung
der Versuche von Flourens, Vulpian, Czermak, Schmiede-
kamm u. s. w. Als letzten Grund für das Zustandekommen des
Schwindels und der Symptome aufgehobenen Gleichgewichts führt
Verf. an, dass Flourens die Zusammensetzung des Nerven, welcher
zu den halbcirkelförmigen Kanälen sich begibt, aus drei Wurzeln
nachgewiesen hat, von denen die eine aus dem Pons, die zweite aus
dem Pedunculus cerebri, die dritte aus dem Corpus restiforme ihreD
Ursprung nimmt, und dass, entsprechend einer Läsion der letztge-
nannten Hirntheile, auch anatomische Alterationen der aus ihnen her-
VII. Wissensohaftliehe Randschani. 85
vorgegangenen Wurzeln mit Gleichgewichtsstörungen verbunden sind.
Nun folgen die verschiedenen Hypothesen von Trousseau, Goltz,
Knapp u. s. w. Die mit den Flourens'schen und anderen Ex>
perimentatoren nicht übereinstimmenden Resultate Böttcher 's schei-
nen dem Verfasser noch nicht bekannt gewesen zu sein.
Den SchluBS des Ganzen bilden zwanzig, recht vollständig mit-
getheilte, grossentheils sehr instructive Fälle. Zu bedauern ist nur,
dasB die Erscheinungen im Leben in Folge des Mangels an Sections-
befunden die für die Gewinnung einer pathologisch - anatomischen
Basis nothwendige Ausstattung nicht erfahren. —
Ad. II. Der geschichtliche üeberblick ist nicht frei von einiger
nationaler Ueberhebung, sofern allen Experimentatoren nach Flourens
die Originalität gewissermaassen abgesprochen wird : der symptomato-
logische Theil ist ziemlich oberflächlich abgehandelt und die Ein>
theilung in idiopathische Meniere'sche Krankheit und solche, 'die
von Alterationen des mittleren oder äusseren Ohres herrührt, zur
Vermeidung von Unklarheit, nach Ansicht des Referenten als unzu-
lässig zu bezeichnen. Den oben angedeuteten drei Gruppen ent-
sprechend folgen 27 casuistische Beläge, die durchweg viel kürzer
gehalten sind, als die sub I. gebrachten Krankengeschichten. Hieran
schliesst sich ein Raisonnement , das als Grund dafür, dass einzelne
Individualitäten auf dieselben Vorgänge nur mit Schwindel, andere
dagegen mit der ganzen Meni er e 'sehen .Symptomenreihe reagiren,
schon bestehende Congestivzustände oder eine erhöhte Vulnerabilität
des Nervensystems voraussetzt. Der äusserst dürftige pathologisch-
anatomische Abschnitt enthält von Thatsachen fast nichts, dagegen
einzelnes, streng genommen, nicht dazu Gehörige. Vollständiger ist
der physiologische Theil. Verf. bemüht sich hier den Mechanismus
darzttthun, mit Hülfe dessen die M e n i e r e *schen Symptomenreihe zu
Stande kommt, indem er von dem angeblich durch physiologische
Experimente erwiesenen Satze ausgeht, dass eine Läsion der halb-
cirkelförmigen Kanäle Gleichgewichtsstörungen, eine solche der
Schnecke dagegen nur Taubheit veranlasst, und der N. acusticus
zusammengesetzt ist aus zwei heterogenen Elementen, Acpsticusfasern
im engeren Sinne oind solchen zur Vermittelung des Urtheils über
die Kopf- resp. ^örperstellung im Räume. Das Hauptsymptom der
M e n i e r e 'sehen Krankheit, der Schwindel, wird je nach seiner Rich-
tung auf Verlegung des einen oder anderen halbcirkelförmigen Kanals
zurückgeführt, gestützt auf die Autorität Flourens. Für die Vor-,
Rückwärts- und Seitenbewegung begnügt er sich mit den Experi-
menten desselben ; für die Kreisbewegung führt er die von verschie-
denen Autoren aufgestellten Hypothesen auf, insbesondere Brown-
S6quard's der dieselben für einen durch den Hörnerven an-
geregten Reflex, und Vulpian's, der zunächst die Nerven der
halbcirkelförmigen Kanäle, dann die Endausbreitung des Acusticus
als erregt und schliesslich diese als Erreger des Reflexes sich
vorstellt.
Für die Erklärung der subjectiven Geräusche und der Taubheit
begnügt er sich einfach mit der Annahme eines verstärkten intra-
TT
86 Vn. Wissenschaftliche Rnndschaa.
labyrinthären Druckes. — In den nun folgenden, auf Aetioiogie, Dia-
gnose u. 8. w. bezüglichen Abschnitten findet sich weder Neues noch
Bemerkenswerthes. Von den therapeutischen Notizen des Verf. er-
scheint der Curiosität halber die etwas mittelalterliche Behauptung
interessant, dass eine Unterdrückung resp. Heilung der Otorrhoe die
nervösen Symptome wieder hervorrufen könne. Dieselbe ist um
so unbegreiflicher, da er dabei nicht etwa an eine obtnrirende Be-
handlung denkt, wie aus dem Satze hervorgeht, „man müsse sich
daran gewöhnen, die Otorrhoen zu respectiren **. Jacoby.
Berichtigung.
In meinem Aufsatze: „Zur Anatomie der Paukenhöhle" (Areh.
f. Ohrenh. N. F. IL Bd. I. H. 1873. S. 50—61) erwähne ich als phj
Biologische Verbindungen im Cavum tympani unter anderen die ym
vertikalen Ambosschenkel zur inneren Wand der Paukenhöhle ziehen-
den Fäden und Membranen und führe an, dass die Verbindungen
des horizontalen Ambosschenkels mit der äusseren Paukenwand von
Zaufal in der Leipziger Naturforscher -Versammlung (1872) als
normal bezeichnet wurden, dass femer eine andere, zwischen der
Sehne des Muse. tens. tymp. und der vorderen oberen Wand des
Cavum tymp. ausgespannte Membran, zuerst von Prussak beschrie-
ben worden sei, nach Gruber bei Kindern der ersten Lebensjahre
fast constant vorkomme und auch von Zaufal als normal be-
zeichnet wurde. Wie ich jedoch soeben einer Arbeit ZaufaTs:
„Die pathologisch - anatomische Untersuchung des Gehörorganes"
(Wiener med. Wochenschrift 1866) entnehme, sprach sich Zaufal
bereits anno 1866 für die physiologische Natur der oben erwähnten
fadenförmigen und membranösen Gebilde aus, weshalb auch meine
diesbezüglichen, auf die Paukenhöhlen von Erwachsenen sich be-
ziehenden Angiiben nur als Bestätigung der Ansicht Zaufal's gelten
können.
Wien, März 1875. Dr. Urbantschitsch.
Arr^v F. Ohrpiilu^lkuiidr Bd . X.
VIII.
Die Lichtrefleze des Trommelfelles
von
Dr. F. Trautmann.
(Scbluss.)
Im Anfang des Jahres 1870 machte ich, angeregt durch
Schwartze in Halle , eine grössere Eeihe von Trommelfell-
UQtersnchmigen , die in Nachstehendem einzeln aufgeführt sind.
Diese Untersuchungen bezogen sich unter Anderem auch auf die
Form des Lichtreflexes , um möglicher Weise Schlüsse aus der
Formveränderung auf die fnnctionelle Störung ziehen zu können.
Die Function wurde in allen Fällen flir die Uhr und Sprache
festgestellt. Als Grenze für die Sprache musste abgewandte
Flüstersprache auf 20 Fuss angenommen werden, da das Unter-
snchungszimmer eine grössere Entfernung nicht gestattete.
Die Untersuchungen betreffen zur Hälfte Kinder männlichen
Geschlechts im Alter von 11 Jahren 2 Monaten bis 13 Jahren
8 Monaten ; zur anderen Hälfte junge Leute, welche zum Militär
eingestellt waren, im Alter von 20 Jahren 5 Monaten bis 24
Jahren 8 Monaten. Die Kinder gehörten der arbeitenden Klasse
an, die erwachsenen Leute waren aus Schleswig-Holstein (seiner
Zeit stand das 86. Regiment in Halle), ebenfalls zum grössten
Theile Arbeiter, aber durch die Aushebungscommission als ge-
sund ausgesuchte Leute. Diese Untersuchungen wurden durch
den Feldzug 1870/71 unterbrochen, so dass die Gesammtsumme
nur 200 beträgt. Da aber statistische Notizen über den Licht-
reflex nicht existiren (die 15 von Till au x angeführten Fälle,
Gaz. möd. de Paris 1874. 8. August, sind nicht zu rechnen, da
die Zahl zu klein und selbst diese kleine Zahl ungenau unter-
sucht ist), so denke ich, sind diese 200 Fälle immerhin eine
nicht ganz werthlose Beigabe zur Statistik der Ohrenheilkunde.
Archiv für Obrenheilknndo. X. Bd. (Nene Folge. IV. Bd.) 7
'i'?^''^
1 " :irf
88 Vm. TRAÜTMANN
Diese Untersachimgen haben Folgendes ergeben:
Bei den Kindern war der Lichtreflex auf beiden Ohren
unter 100 Fällen 11 Mal normal. Die normale Form des
Lichtreflexes im vorderen unteren Quadranten habe ich früher
beschrieben (A. f. 0. N. F. IL Bd. S. 26—29); nur will ich hier
nochmals erwähnen, dass ich den Lichtreflex niemals bis zur
Peripherie gehend gefunden habe, wie irrthttmlich von Emigeu
behauptet wird. Die durchschnittliche Hörfähigkeit dieser 11
normalen Fälle betrug flir Cylinderuhr rechts 52 Zoll, links eben-
falls 52 Zoll; abgewandte Fltlstersprache beiderseits 20 Foss.
Bei den Erwachsenen war der Lichtreflex auf beiden
Ohren unter 100 Fällen 16 Mal normal. Die durchschnitt-
liche Hörfähigkeit dieser 16 normalen Fälle betrug für Cylinder-
uhr rechts 48 Zoll, links 54 Zoll; abgewandte Fltlstersprache
beiderseits 20 Fuss. Nr. 31 wurde nicht dazu gerechnet, weil
die Angaben jedenfalls falsch.
Einseitig w^ir der Lichtreflex normal und z^ar bei
Kindern unter 100 Fällen rechts 5 Mal mit einer durci-
schnittlichen Hörfähigkeit für Cylinderuhr von 51 Zoll und ab-
gewandter Flttstersprache 20 Fuss, links mit einer durchschiütt-
lichen Hörfähigkeit fttr Uhr von 51 Zoll und abgewandte Flttster-
sprache von 20 Fuss.
Bei Erwachsenen war der Lichtreflex einseitig nor-
mal unter 100 Fällen rechts 8 Mal mit einer durchschnitt-
lichen Hörweite für die Uhr von 53 Zoll und abgewandte Fltlster-
sprache 20 Fuss; links unter 100 Fällen 12 Mal mit einer
durchschnittlichen Hörweite von 54 Zoll und abgewandte Flttster-
sprache 20 Fuss. Nr. 39 wurde nicht dazu gerechnet, weil
jedenfalls die Angaben falsch.
Will man feststellen, ob der veränderte Lichtreflex mit einer
Functionsstörung zusammenfällt, so ist es nothwendig, aus einer
bestimmten Altersklasse, flir welche man die Functionsstörung
durch den veränderten Lichtreflex feststellen will, eine möglichst
grosse Anzahl normaler Trommelfelle mit normalem Lichtreflex
auszusuchen und für diese die durchschnittliche Hörfähigkeit fest-
zustellen. Würde man alle Trommelfelle ohne Unterschied neh-
men, so erhielte man keine normale Hörfähigkeit. Die von mir
gemachten Untersuchungen haben mehrere kleine Fehler; erstens
sind es nur männliche Individuen, zweitens sind nicht Personen
einer bestimmten Altersklasse ausgewählt, sondern es ist eine
Differenz von 2 — 4 Jahren vorhanden.
•• 1 «
Die Lichtreflexe des Trommelfelles. * 89
Die durchschnittliche normale Hörfäbigkeit bei den von mir
untersuchten Kindern betrug 52 Zoll für die Cylinderuhr; das
niedrigste normale Maass betrug 40 Zoll, das höchste 70 Zoll,
üeberall, wo die Hörweite für die Uhr unter 40 Zoll beträgt,
finden wir den Lichtreflex niemals normal und man könnte sich
demnach für berechtigt halten, anzunehmen: „dass bei ver-
ändertem Lichtreflex auch stets die Function beein-
trächtigt sei", wenn nicht einmal die Anzahl der untersuchten
Fälle (100 Kinder) zu klein zu nennen wäre und anderseits bei
verändertem Lichtreflex nicht eine Hörweite vorkäme (wenn
auch bei den Kindern unter 100 Fällen nur 1 Mal), welche selbst
über den Durchschnitt 52 Zoll hinausgeht. In Nr. 59 Tabelle A
finden wir rechts eine Hörweite von 57 Zoll, links 55 Zoll und
der Lichtreflex ist beiderseits im Centrum punktförmig. — Die
vorher aufgestellte Ansicht wird durch die Untersuchungen der
Erwachsenen noch mehr schwankend gemacht.
Bei den Erwachsenen beträgt die durchschnittliche normale
Hörfähigkeit für Uhr rechts 48 Zoll, links 54 Zoll, die niedrigste ^
rechts 39 Zoll , links 42 Zoll ; bei den einseitig normalen be- /
trägt die niedrigste rechts 42 Zoll, links 44 Zoll; die niedrigste
durchschnittliche Hörweite für Uhr beträgt demnach bei den
Erwachsenen 41 Zoll, üeberall zwar nun, wo die Hörfähigkeit
für die Uhr unter 41 Zoll herabgesetzt ist, finden wir Verän-
derungen im Lichtreflex, anderseits aber auch ziemlich oft bei ver-
ändertem Lichtreflex eine Hörfähigkeit, welche nicht allein über
den niedrigsten Durchschnitt 41 Zoll, sondern sogar über den
höchsten, 54 Zoll, hinausgeht; das Letztere ist der Fall 21 Mal
beiderseits, 16 Mal rechts, 10 Mal links. — Das Missverhältniss
zwischen Erwachsenen und Eandem erkläre ich mir folgender-
weise. Die Erwachsenen waren ausgesuchte, gesunde Leute, die
Kinder wurden ohne Unterschied untersucht; ausserdem haben
die pathologischen Processe bei den Kindern zur normalen ßück-
bildoDg noch nicht so lange Zeit gehabt, als bei den Erwach-
senen, wo die Function durch die Rückbildung so weit zur Norm
zurückgekehrt, als es überhaupt möglich ist. Allerdings nehme
ich dann an, dass die meisten Erkrankungen bei den Erwach-
senen in früher Jugend aufgetreten sind. Zu dieser Annahme
halte ich mich für berechtigt, weil alle Leute gefragt «wurden,
ob sie vor kurzer Zeit oder in ihrer Jugend ohrenkrank gewesen
seien. Nur 2 Leute waren vor kurzer Zeit erkrankt, Nr. 1 1 und
Nr. 32. Die meisten Leute wussten nicht, ob sie ohrenkrank
7*
• ■: ^n'^'-'^iSf^^
90
Vni. TRAUTMANN
gewesen (sie mussten es also in früher Jugend gewesen sein,
wenn pathologische Veränderungen vorhanden war6n) und die-
jenigen, welche es wussten, datirten das Leiden aus der Kindheit
(Nr. 9. 13. 39. 59. 63. 89).
Nachstehende Untersuchungen berechtigen, was die Function
betrifft, zu folgendem Schluss:
Haben pathologische Processe die Form, Lage, Intensität,
Tabelle i.
Nr.
Alter
■II
i ühr
Spracht
!
9 20 FUBS
Jahr
Monat
rechts
links
rechts
linlcs
1
12
10
32
27
abg. Fl.
abg. Fl.
2
12
7
40
34
»
1
3
13
45
45
»
"
4
13
40
50
»
1
5
13
5
48
60
1»
" 1
6
13
3
30
40
»
»
7
13
1
35
52
leise abg.
n
8
13
6
49
48
abg. Fl.
»
9
11
10
50
52
»»
1»
io
11
7
70
67
»
»
11
12
11
37
34
»
abg. Fl. nicht
zuverlässig
12
13
38
25
»
abg. leise
13
12
7
32
40
«
abg. Fl.
14
13
2
50
48
»
»
15
12
6
27
34
abg. leise
abg. leise
16
11
10
56
53
ab. FL
abg. Fl.
17
12
7
45
37
»
»♦
•
18
11
7
16
18
abg. leise
n
19
11
6
40
30
abg. Fl.
n
Die Liohtreflexe des Trommelfelles.
91
Farbe des Lichtreflexes verändert, so gestatten diese Erschei-
nungen einen Bückschluss ^vS die stattgehabten pathologischen
Processe und somit auch auf die. mehr oder weniger gestörte
Function. Die Function ist stets herabgesetzt bei Veränderungen
des Lichtreflexes, welche durch Wölbungsanomalien bedingt sind ;
in den übrigen Fällen ist sie meist, aber nicht nothwendig,
lierabgesetzt.
flHder.
Lichtreflex
Bemerkungen
rechts
links
1
fehlt
fehlt
starke peripherische Trübung
beiderseits.
an der Basis verwaschen
desgl.
periph. Trübung beiderseits.
punktförm. im Gentram
desgl.
totale Trübung beiderseits.
matter
desgl.
periph. Trübung beiderseits.
in der Mitte quer unter-
brochen
normal
rechts periph. Trübung.
an der Basis abgekürzt,
matter
normal
rechts periph. Trübung.
sehr matt
desgl.
periph. Trübung beiders., rechts
stärker u. Hammer undeutlich.
normal
normal
normal
normal
normal
normal
in der Mitte quer unter-
brochen
matter
periph. Trübung beiderseits.
in der Mitte quer unter-
brochen.
länger, Basis schmä-
ler, Glanz vermehit
rechts periph. Trübung, links
Einziehung.
fehlt
fehlt
Oberflächenglanz sehr matt.
normal
normal
fehlt
fehlt
totale Trübung beiderseits, leichte
Verdickung der Epidermis-
schicht.
normal
normal
an der Basis ver-
waschen
desgl., aber inten-
siver
periph. Trübung beiderseits.
punktförmig in einer
centralen Narbe
fehlt
Narbe und Verkalkung rechts,
links diffuse Trübung und Ver-
dickung der Epidermisschicht.
punktförmig im Cen-
tram
desgl.
totale Trübung beiderseits.
92
Vm. TRAÜTMANN
Nr.
Alter
Uhr
Sprache
20 Fuss
Jahr
Monat
rechts
links
rechts
links
20
11
10.
1
1
abg. mittel-
laute
desgl.
21
13
, 6
45
48
abg. Fl.
abg. Fl.
22
12
5
22
36
»
1»
23
13
—
21
23
»
«
24
12
6
19
20
abg. leise
-
25
13
6
48
48
abg. Fl.
»
26
13
4
21
35
•
,
27
13
3
31
38
«
V
28
13
6
25
28
«<
n 1
29
13
4
48
43
»•
rr 1
30
13
2
45
36
V
» 1
31
13
6
44
46
«
»
32
12
4
12
16
«
n
33
12
5
24
46
1*
V
34
13
2
30
36
M
»
35
12
4
, 56
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»
36
12
11
15
17
»
«
37
13
6
9
18
abg. leise
abg. leise
38
13
1
35
42
abg. Fl.
abg. Fl.
39
12
4
23
18
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»
40
12
9
36
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»
r>
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11
9
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w
V
42
13
1
36
50
»
•n
-pf"
Die Lichtreflexe des Trommelfelles.
93
Lichtreflex
rechts
links
Bemerkungen
verlängert, an der Basis
schmäler
normal
punktförmig im Gen-
trum
punktförmig im Cen-
trum
punktförmig im Gen-
trum, sehr matt
normal
abgektürzt an der Basis,
matter
matter
punktförmig im Cen-
tram
fehlt
in der Mitte quer unter-
brochen
normal
abgekürzt, matter, in
derQuere unterbrochen
punktft5rm. im Centrum
punktförm.im Centrum,
sehr matt
normal
drei punktförmige in
der untern Peripherie
einer centralen Narbe
Cerumen
matter
matter
punktförm. im Gentrum^
sehr matt
desgl.
matter
desgl.
normal
normal
in der Mitte quer unter-
brochen
normal
fehlt
normal
fehlt
desgl.
fehlt
normal
matter
desgl.
an der Basis abge-
kürzt
sehr matt
matter
normal
abgekürzt, matter
normal
desgl.
an der Basis abge-
kürzt
länger, quer ge-
strichelt
dreieckig mit der
Spitze nach unten^
bogenförmig nach
unten eingezogen
hochgradige Einziehung beider-
seits; gleicht sich bei Po-
litzer y. aus.
geringe Einziehung beiderseit»,
penph. Trübung beiderseits,
links Fremdkörper (Fliege).
diffuse Trübung des Trommel-
felles beiderseits.
geringe Einziehung und diffuse
Trübung beiderseits.
periph. Trübung beiderseits.
leichte diffuse Trübung beiders.
periph. Trübung beiderseits.
rechts totale, links peripherische
Trübung.
periph. Trübung beiderseits, links
stärker.
diffuse Trübung beiderseits.
rechts diffuse Trübung.
diffuse Trübung beiderseits, Ober-
flächenglanz abgeschwächt.
links geringe periph. Trübung.
rechts centrale Narbe, links Ein-
ziehung.
links grosse mit dem Promonto-
rium verwachsene Narbe.
periph. Trübung beiderseits,
diffuse Trübung beiderseits.
diffuse Trübung beiderseits,
rechts periph. Trübung.
\
94
Vni. TRAÜTMANN
Nr.
Alter
Uhr
Sprachi
e 20 Fass
Jahr
Monat
rechts
links
■
rechts
links
43
13
2
40
40
abg. Fl.
abg. Fl.
44
11
9
40
38
V
n
45
13
3
42
40
»
»
46
11
9
42
40
»
»
47
12
5
42
38
»
»
48
13
1
44
34
»
»
49
13
1
22
26
»
»
50
12
3
12
31
zag. Fl.
»
51
13
6
42
32
abg. Fl.
»
52
12
1
15
25
abg. leise
abg. leise
53
13
3
28
38
abg. Fl.
abg. FI.
54
12
6
36
40
»
»
55
12
3
9
9
zag. leise
zag. leise
56
13
3
36
42
abg. FI.
abg. FI.
57
13
1
42
38
»
»
58
13
3
50
36 •
»
<
59
12
8
57
55
»
»
60
13
7
60
58
»
»
61
11
4
32
34
j»
»
62
12
6
36
41
»
»
63
12
4
26
24
»
9t
64
12
6
20
24
»
Ji
65
13
3
•
46
50
»
n
66
13
2
26
34
»
n
Die Lichtreflexe des Trommelfelles.
95
Lichtreflex
reobts
links
Bemerkungen
längs gestrichelt
In der Mitte quer nnter-
brochen
etwas matter
matter, quer gestrichelt
fehlt
normal
desgl.
desgl.
desgl.
fehlt
matter, an der Basis
abgekürzt, quer ge-
strichelt
fehlt
an der Basis abgekürzt,
sehr matt
normal
stärker glänzend, quer
gestrichelt, länger und
breiter
matter
In der Mitte quer unter-
brochen
fehlt
in der Mitte quer unter-
brochen
in der Mitte quer unter-
brochen
normal
punktförm. im Centrum
normal
in der Mitte quer unter-
brocheii, ISngs ge-
strichelt
sehr matt
pusktfOrm. im Centrum,
sehr matt
punktförm. im Centrum
matter
punktförm. im Centrum,
sehr matt
desgl.
fehlt
desgl.
in der Mitte quer
unterbrochen
matter, abgekürzt;
verlängert gedacht
die Basis breiter
desgl.
matter
fehlt
desgl.
desgl.
matter
desgl.
normal
abgekürzt an der
Basis
desgl.
desgl.
desgl.
normal
desgl.
periph. Trübung beiderseits.
leichte periph. Trübung beiders.
leichte diffuse Trübung.
leichte totale Trübung beider-
seits, Hammer undeutlich; will
vor Kurzem Schmerzen gehabt
haben.
periph. Trübung beiderseits.
totale Trübung beiderseits.
rechts subacute Entzündung des
Mittelohres; 1. diffuse Trübung.
periph. Trübung links.
Einziehung und Abflachung des
vordem Abschnittes beider-
seits; links Trübung.
diffuse Trübung beiderseits.
periph. Trübung beiderseits.
diffuse Trübung und Verdickung
der Epidermisschicht. Hat vor
Kurzem Schmerzen gehabt.
diffuse Trübung beiderseits.
periph. Trübung beiderseits.
diffuse Trübung links,
diffuse Trübung beiderseits.
periph. Trübung beiderseits.
diffuse Trübung beiderseits,
diffuse Trübung beiderseits.
diffuse Trübung beiderseits,
rechts periph. Trübung. .
diffuse Trübung beiderseits.
96
r^
Vm. TRAÜTMANN
Nr.
1
Alter
1
1
ühr
Sprache 20 Fqss
1
Jahr
Monat
rechts
links
rechts
links
67
12
6
36
60
abg. FL
abg. Fl.
68
12
.3
24
26
»
n
69
12
9
60
56
»
70
12
9
36
48
»
»
71
11
2
26
34
»
72
• 12
3
28
32
*f
f>
73
13
6
36
52
jt
w
74
12
3
37
46
n
it
75
11
8
35
42
n
** i
76
12
2
32
45
n
" 1
77
13
3
34
33
ft
f»
78
13
2
52
58
»
»»
79
13
—
7
7
zag. mittel-
lante
abg. mittel-
laute
80
12
11
26
26
abg. Fl.
abg. Fl.
81
.t2
7
32
36
»
j»
82
13
2
26
24
»
n
83
12
11
8
12
nicht notirt
84
12
6
24
32
nicht notirt
85
11
7
36
44
abg. Fl. abg. Fl.
86
13
2
28
14
nicht notirt
87
12
4
26
30
abg. Fl.
abg. Fl.
88
12
8
26
26
t>
.
Die Ljchtreflexe des Trommelfelles.
97
Lichtr€
flex
Bemerkungen
rechts
links
längs gestrichelt, in der
Mitte qaer nnterbrochen
normal
periph. Trübung rechts.
puDktfOrm. im Gentmm,
matt
desgl.
diffuse Trübung beiderseits.
normal
normal
in der Mitte qaer unter-
brochen
matter
leichte Trübung beiderseits.
fehlt
punktft>rmig im
Centram, matt
diffuse Trübung beiderseits.
panktförm. im Centram
desgl.
periph. THibung beiderseits.
abgekürzt, matter
normal
rechts periph. Trübung.
strichftSrmig , Seiten-
theile fehlen, in der
Mitte unterbrochen
matter
Oberfiächenglanz abgeschwächt.
in der Mitte qaer anter-
brochen
an der Basis i
kürzt
ibge-
periph. Trübung beiderseits.
längB der antern Peri-
pherie der centralen
Narbe drei feine Pankte
matter
rechts centrale Narbe; peripher.
Trübung beiderseits.
sehr matt
desgl.
diffuse Trübung beiderseits.
normal
längs gestrichelt
stärker glänzend, län-
ger, breiter
Spitze fehlt, Basis
quer unterbrochen,
breiter, glänzender
hochgradige Einziehung und Ab-
fiachung beiderseits.
matter, das untere Drit-
tel ausgefallen, Schen-
kel erhalten
sehr matt
diffuse Trübung beiderseits.
fehlt
fehlt
beiderseits diffase Trübung und
Verdickung der Epidermis-
schicht.
fehlt
fehlt
Verdickung der Epidermisschicht
beiderseits; hat vor Kurzem
Schmerzen gehabt.
fehlt
fehlt
diffase Trübung, Verdickung der
Epidermisschicht, Einziehung
beiderseits.
in der Mitte quer unter-
brochen, matter
desgl.
periph. Trübung beiderseits.
Basis sehr matt
matter
leichte periph. Trübung beiders.
sehr matt
fehlt
diffuse Trübung beiderseits, links
Einziehung.
sehr matt
abgekürzt an
Basis
der
diffuse Trübung beiderseits.
punktform, im Centrum
desgl.
diffuse Trübung beiderseits.
v^K^.'Z-^yzriT'
98
Vin. TRAÜTMANN
1
Nr.
!
1 Alter
1
Uhr
Sprache 20 Fugs
Jahr
Monat
rechts
links
rechts
links 1
89
13
4
36
3
abg. FL
zug, mittel-
iante
90
11
6
12
26
nicht DOtirt
91
13
8
56
44
abg. Fl.
abg. Fl.
92
11
11
26
34
V
» 1
93
12
4
26
32
•
»» 1
94
11
3
50
56
>»
»
95
11
8
6
15
nicht notirt
96
1
13
2
19
36
nicht notirt
97
12
1
26
32
abg. Fl.
abg. Fl. 1
?8
13
3
20
20
n
n
99
12
6
32
18
»
zug. leise {
100
13
6
36
38
»
abg. Fl.
Tabelle B.
Nr.
Alter
Uhr
Sprache
1
I 20 Foss
Jahr
1
Monat
rechts
links
rechts
links
1
1
22
5
25
25
abg. Fl.
abg. Fl.
2
22
1
36
31
1
»
3
24
6
67
42
1
I
»
1
4
24
7
25
19
»
1
n
1
5
1
24
8
54
1
57
. »
1
!
Die Lichtreflexe des Trommelfelles.
99
Lichtreflex
rechts
links
Bemerkungen
abgekürzt, matter
ponktförm. im Gentmm,
sehr matt
Dormal
matter
fehlt
normal
fehlt
fehlt
in der Mitte erhalten»
Spitze n. Basis fehlen
zweimal qaer unter-
brochen
an der Basis abgekürzt,
matter
matter
Eriraclisene.
punktförmig in einer
grossen Narbe
matter
matter
matter
fehlt
normal
kleines Dreieck, Ba-
sis nach dem Ham
mer, Narbe im vor
dern Abschnitt
fehlt
abgekürzt an der
Basis
matter, längs ge-
strichelt
fehlt
desgl.
rechts peripher. Trübung; links
Enochennarbe des Proc. mast.,
grosse Narbe im vorderen
Trommelfellabschnitt.
peripher. Trübung beiderseits;
rechts Verdickung der Epider-
misschicht.
links Oberflächenglanz abge-
schwächt.
leichte diffuse Trübung beiders.
leichte Verdickung der Epider-
misschicht beiderseits; hat vor
Kurzem Schmerzen gehabt.
rechts Perforation, links Narbe.
Pfropf beiderseits.
diffuse Trübung und leichte Ver-
dickung der Epidermisschicht
beiderseits.
diffuse Trübung beiderseits.
rechts diffuse Trübung, links
Propf.
periph. Trübung beiderseits.
Lichtreflex
rechts
links
Bemerkungen
sehr matt
quer gestrichelt
normal
matter
pnnktförm. im Centrum
an der Basis abge-
kürzt
fehlt
normal
matter und längs
gestrichelt
desgl.
diffuse Trübung beiderseits.
rechts peripher., links diffuse
Trübung.
periph. Trübung beiderseits.
Oberflächenglanz abgeschwächt;
hat vor 8 Tagen Schmerzen
gehabt.
100
Vm. TRAÜTMANN
Nr.
Alter
ühr ^
Sprache 20 FnRS
Jahr Monat
rechts
links
rechts
links
6
22
1
9
37
45
abg. Fl.
abg. Fl.
7
24
7
39
48
»
,»»
8
24
56
56
»
,
9
22
4
3
22
abg. leise
» 1
10
23
9
14
18
zug. Fl.
»
11
22
4
2
1
39
abg. mittel-
laute
»
12
21
8
39
46
abg. Fl.
" 1
13
22
2
10
16
nicht notirt /
14
21
8
55
46
abg. Fl.
abg Fl. 1
15
22
36
36
j»
V
16
24
5
4t
43
»
n
17
22 .
5
54
60
»
/
" 18
22
4
39
56
nt
D
19
22
5
50
51
y>
»
' 20
21
2
67
47
»
»
21
22
10
48
45
»
•
r
22
20
5
34
45
n
..
23
22
6
50
60
n
w
24
22
9
48
36
«
j)
25
22
8
53
48
»
f
26
21
7
60
«
38
M
w
27
23
4
27
34
»
"
Die Lichtrefleze des Trommelfelles.
101
Lichtreflex
rechts
links
Bemerkungen
im obem Drittel qaer
unterbrochen, längs ge-
strichelt
normal
normal
normal
normal
normal
fehlt
matter
punktfOrm. im Centrum
matter
•
fehlt
matter
quer gestrichelt, matter
panktförm. im Centrum
matter, an der Basis
abgekürzt
matter; quer gestrichelt
matter
normal
fehlt
in der Mitte quer
unterbrochen
matter, längs ge>
strichelt
matter
normal
matter, längs ge-
strichelt, im Obern
Drittel quer unter-
brochen
In der Mitte quer unter-
brochen
normal
pnnktftJrm. im Centrum
matter
in der Mitte quer unter-
brochen
desgl.
normal
normal
längs gestrichelt, matter
matter
normal
normal
fehlt
sehr matt
normal
normal
längs gestrichelt
matt, quer ge-
strichelt
matter, in der Mitte
quer unterbrochen
matter
rechts periph. Trübung.
Ohrenfluss in der Jugend, rechts
chronische Eiterung des Mittel-
ohres mit Perforation; links
Verkalkung und Narbe.
diffuse Trübung beiderseits.
rechts chronische Eiterung des
Mittelohres mit Perforation ;
links periph. Trübung. 1866
Ohrenfluss.
rechts Oberflächenglanz abge-
schwächt.
rechts starke periph. Trübung,
links Propf. Schmerzen in der
Jugend.
diffuse Trübung beiderseits.
periph. Trübung beiderseits.
peripher. Trübung beiderseits;
rechts im vordem obem Quadr.
Ealkablagerung.
links Cerumen, entfernt durch
Wasser. Einfluss des Wassers
hat den Lichtreflex verändert.
rechts periph. Trübung.
periph. Trübung beiderseits,
periph. Trübung beiderseits.
periph. Trübung beiderseits.
starke diffuse Trübung beiders.
diffuse Trübung links,
periph. Trübung beiderseits.
r
102
VUI TRAÜTMANN
Nr.
Alter
Uhr
Sprache
) 20 FuBS
Jahr
Monat
rechts
links
rechts
links
28
21
3
33
46
abg. Fi.
abg. Fl.
29
24
7
44
39
•
30
22
5
46
28
»
»
31
• 24
9
7
n
» 1
32
21
8
angelegt
44 •
abg. mittel-
laute
»
' 33
•
2t
5
57
57
abg. Fl.
n
34
21
3
48
58
♦»
» 1
35
21
6
46
50
n
36
22
8
50
51
»
n
37
23
36
33
»
- ,
99-
3S
22
7
52
19
»
39
21
1
3
5
abg. mittel-
laute
abg. leise
40
21
6
46
43
abg. Fl. -
abg. Fl.
41
22
2
42
38
»
i>
42
22
50
60
»
»
43
22
6
60
64
»
»'
44
24
60
60
»
»
45
23
40
42
m
»
46
21
2
56
70
»
ff
47
23
4
12
30
»
»»
4S
22
t
5
60
56
»
»
Die Llchtrefleze des Trommelfelles.
103
Licbtre
flex
Bemerkungen
rechts
links
im obem und untern
Drittel quer unter-
brochen
normal
rechts periph. Trübung.
panktförm. im 'Centrum
an der Basis abge-
kürzt
rechts und links periph. Trübung;
links Narbe im hintern untern
Quadranten.
normal
matter
links diffuse Trübung.
normal
normal
auffallend der Unterschied zwi-
schen Uhr und Sprache. Grund :
Dummheit, weshalb er entlassen..
fehlt
normal
acute Eiterung des Mitteiohres,
rechts mit Perforation. Kurz
vor der Einstellung erkrankt.
in der Mitte quer unter-
brochen
desgL
periph. Trübung beiderseits.
normal
normal
Jäags gestrichelt, matter
matter
periph. Trübung beiderseits.
strichförmig, die Seiten-
theile fehlen
desgl.
diffuse Trübung, vorderer Ab-
schnitt stärker getrübt.
matter
matter
diffuse Trübung beiderseits.
fehlt
fehlt
Cerumen beiderseits.
fehlt
normal
als Kind Typhus ; rechts chronic*
sehe Eiterung des Mittelohres
mit polypöser Wucherung, links
Uebertreibung.
in der Mitte quer unter-
brochen
normal
rechts periph. Trübung.
sehr matt, quer ge-
strichelt
fehlt
rechts Verkalkung; links diffuse
Trübung und leichte Verdick-
ung der Epidermisschicht.
panktförm. im Centrum
fehlt
rechts Oberflächenglanz abge-
schwächt, links Verkalkung im
vordem Abschnitt.
quer gestrichelt
normal
periph. Trübung rechts.
im Obern Drittel quer
unterbrochen, Basis
längs gestrichelt
Basis matter
periph. Trübung beiderseits.
fehlt
fehlt
diffuse Trübung und leichte Ver-
dickung der Epidermisschicht
beiderseits.
quer gestrichelt
normal
leichte periph. Trübung links.
sehr matt, quer ge-
strichelt
sehr matt
diffuse Trübung, Periph. stärker
getrübt; beiderseits.
in der Mitte quer unter-
brochen
Basis matter
periph. Trübung beiderseits.
Archiv f&r OhrenheilkuDde. X. Bd. (Nene Folge. IV. Bd )
8
104
Vin. TRAÜTMANN
Nr.
Alter
Uhr
Sprache 20 Fnss
Jahr
Monat
rechts
links
, rechts
links
49
21
8
42
50
abg. Fl.
abg. Fl.
50
24
7
45
42
»
»
51
23
1
67
60
»
»
52
21
2
50
60
»
ff
53
21
3
20
40
»
»
54
23
6
60
48
»
»
55
21
1
47
60
»
»
56
22
4
.46
51
»
» 1
57
20
11
67
47
»
» 1
58
23
6
62
33
1»
» 1
59
23
5
10
17
abg. leise
abg. mittel-
laüte
60
20
10
60
60
abg. Fl.
abg. Fl.
Ii
61
21
6
57
20
»
99
62
20
. 11
54
54
»
y,
63
22
10
10
zag. Fl.
zug. FI.
64
21
7
48
62
abg. Fl.
abg. Fl.
65
24
7
35
42
*
»
66
20
11
42
30
»
»
67
*-
23
5
18
60
»
»
68
24
ü
20
42
3»
•
".♦r
Die Lichtreflexe des Trommelfelles.
105
Lichtre
flex
Bemerkungen ^
rechts
links
panktfönu. im Centrnm
matter, an der Basis
abgekürzt
periph. Trübung beiderseits.
matter
matter '
diffuse Trübung beiderseits.
in der Mitte qaer nnter*
brechen
desgl.
in der Mitte quer anter-
brochen, Basis längs
gestrichelt
desgl.
periph. Trübung beiderseits.
im obem und nntem
Drittel quer unter-
brochen
im antem Drittel
qaer anterbrochen,
anterer Theil längs
gestreichelt
ziemlich starke diffuse Trübung
beiderseits.
dreieckig, hinterer
Schenkel concav bo-
genförmig
fehlt
beiderseits Narbe im vordern un-
tern Quadranten ; rechts erbsen-
gross; 1. stecknadelkopfgross.
normal
normal
normal, stärker hori-
zontal geneigt
desgl.
qaer gestrichelt
punktförmig im
Centram
periph. Trübung beiderseits.
pimktförm. im Gentram
fehlt
starke periph. Trübung beiders.
fehlt
punktförmig im
Centrum
rechts Ealkablagerung im hintern
obem Quadranten, leichte Ver-
dickung der Epidermisschicht.
Als Kind von 15 Jahren nach
Typhus Ohrenfluss beiderseits.
normal
normal
im obem Drittel qaer
anterbrochen
matter
periph. Trübung rechts^ diffuse
Trübung links.
in der Mitte qaer anter-
brochen, der antere
Theil quer gestrichelt
Basis quer ge-
' strichelt
fehlt
fehlt
chronische Eiterung des Mittel-
ohres mit Perforation beider-
seits. Ursache vor 6 Jahren:
Trauma.
normal
normal
sehr matt, Basis qaer
gestrichelt
matter
diffuse Trübung beiderseits, Pe-
ripherie stärker getrübt.
Spitze matter, Basis
qaer gestrichelt
matter
leichte diffuse Trübung beiders.
panktförm. im Centram
normal
rechts im hintern untern Qua-
dranten Narbe> diffuse Trübung.
in der Mitte qaer anter-
brochen
matter
diffuse Trübung beiderseits.
8'
106
Vra. TRAÜTMANN
Nr.
Alter
ühr
Spracbe 20 Fuss 1
Jahr
Monat
reckts
linlcs
rechts
links
69
24
7
40
38
abg. Fl.
abg. Fl.
70
22
2
45
31
«f
n
71
22
4
67
50
n
ft
72
20
U
62
62
»
»
73
22
3
49
48
\
n
74
*
24
67
39
»
«
75
23
—
60
50
»
»
76
21
—
67
62
n
»
77
23
1
35
60
»
n 1
78
23
1
42
47
»
n 1
79
21
6
56
67
n
ft 1
80
23
6
67
67
tf
n
81
21
3
30
36
j»
n
82
22
4
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65
»
n
83
21
5
7
25
nicht Dotirt
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20
6
52
53
abg. Fl.
abg. FI.
85
22
3
36
34
»
»
86
21
7
36
42
»
»
87
22
8
28
33
»
yt
88
23
%
— ^
42
36
»
•
Die Lichtrefleze des Trommelfelles.
101
Lichtr<
3flex
Bemerkungen
rechts
links
an der Basis qaer ge-
strichelt
desgl.
punktförm. im Centram
in der Mitte quer-
unterbroc^en
starke periph. Trübung rechts'
links genüge.
im obern Drittel qaer
nnterbrochen, längs ge-
strichelt
matter
periph. Trübung beiderseits.
punktförm. im Centram,
matt
matter
rechts im vordem Abschnitt Ver-
kalkung; peripher. Trübung
beiderseits.
in der Mitte qaer unter-
brochen
normal
rechts leichte periph. Trübung.
normal
matter
leichte diflFuse Trübnng links.
normal
matter
links diffase Trübung.
ponktförm. im Centram
desgl.
periph. Trübung beiderseits.
an derBaflifl abgekürzt
normal
rechts periph. Trübung.
normal
punktförmig im
Centrum, matt
starke periph. Trübung links.
in der Mitte quer unter-
brochen, längs ge-
strichelt
normal
rechts periph. Trübung.
normal
im obern Drittel
quer unterbrochen
panktfbrm. im Centrum
an der Basis abge-
kürzt, matter
im hintern Abschnitt Verkalkung
beiderseits; dilTaRe Trübung.
normal
normal
fehlt
matter, längs ge-
strichelt
rechts chronische Eiterung des
Mittelohres mit Perforation ;
links Verkalkung, diffuse Trü-
bung.
normal
normal
fehlt
fehlt
sehr starke peripher. Trübnng
beiderseits; Oberflächeuflanz
durch Epidermis- Verdickung
geschwunden.
matter
matter
periph. Trübung beiderseits.
matter, längs gestrichelt
>
matter, in der Mitte
quer unterbrochen,
unterer Theil quer
gestrichelt
sehr starke peripher. Trübung
beiderseits.
in der Mitte quer unter-
brochen
desgl.
periph. Trübung beiderseits.
Vm. TRAUTMAHN
„
Alter
Uhr
Sprach
20 FuM
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H.n.t
rechts
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„.ht.
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48
22
9
46
46
23
2
46
60
21
4
2'/«
2'/«
abg. mittel-
laate
dMgl.
Die Lichtreflexe des Trommelfelles.
109
Lichtreflex
rechts
links
Bemerkungen
fehlt
l&ngs gestrichelt
normal
normal
matter
normal
matter
in der Mitte qner unter-
brochen, matter
normal
normal
normal
in der lütte längs un-
terbrochen, sehr matt
matter
normal
fehlt
normal
in der Mitte quer
unterbrochen« längs
gestrichelt
matter
matter
desgl.
normal
normal
normal
desgl.
rechts im vordem untern n. hin-
tern untern Quadranten Narbe ;
2 Verkalkungen. Links starke
periph. Trübung. Vor 8 Jah-
ren Ohrenfluss nach Scharlach.
links sehr starke periph. Trü-
bung« OberflSchenglanz abge-
schwächt.
starke periph. Trübung links,
periph. Trübung beiderseits,
diffuse Trübung beiderseits.
totale Trübung beiderseits, Ober-
flächenglanz abgeschwächt,
chronischer Nasenrachen- und
Tuben-Katarrh.
r. -
IX.
Zur Casnistik der KnocheDgeschwftlste des änsseren
Gehörganges
von
Dr. L. B. in Hamburg.
•
Durch die mit gütiger Erlaubniss des Herrn Dr. Knorre
erfolgende Veröffentlichung einer mich selbst betreffenden Kranken-
geschichte hoffe ich manchen Leidensgefährten und ihren Aerzten
einen Dienst zu erweisen. Die seltenen, sehr langsam wachsenden,
meist doppelseitigen Exostosen des äusseren Gehörganges haben in
wenigen bisher bekannt gewordenen Fällen zu Functionsstörungen
ernsterer Art geführt und unseres Wissens ist nur Bonnafont,
welchem es gelang, mit der Feile ein für das Hören genügendes
Loch durch den Knochen zu bohren, in der Lage gewesen, eine
solche Geschwulst operativ anzugreifen.') v. Tröltsch berichtet
von einem Herrn, der radicale Hülfe durch das Steckenbleiben
eines Stückes Laminaria digitata fand, welches ihm zur Erwei-
terung des Gehörganges eingelegt war und nach dem •Aufquellen
nicht wieder zu entfernen war; als sich dasselbe 2 Monate später
durch Eiterung abstiess, folgten einige kleine Sequester und der
seit Jahren taub gewesene Mann hörte wieder auf das feinste.
In meinem 43. Jahre, 1868, bemerkte ich nach dem Baden
in meinem linken Ohre häufiger als sonst die durch eine Wasser-
blase entstehende, allen Schwimmern bekannte eigenthümliche
Verdumpfung des Gehörs ; der zur Sprengung solcher Blase früher
stets mit Erfolg eingeführte Grashalm erreichte sein Ziel nicht
mehr wegen eines vorliegenden Hindernisses, das sich bei
1) Mir sind ib jüngster Zeit 2 Fälle von erfolgreicher Operation von
Exostosen im Gehörgang mittelst Meissel und Hammer privatim zur Kennt-
Diss gekommen. Schwartze.
»r^-j'. *
Zur Casoistik der Enooheogeschwülste des äusseren GehtJrganges. 111
näherer Untersuchung als hart und unempfindlich gegen Be-
rtthrung erwies. Ich beobachtete, nun aufmerksam geworden, die
Geschwulst genauer und glaubte ein allmähliches Wachsen der-
selben wahrzunehmen; der Wunsch nach Aufklärung über ihre
Natur verleitete mich am 30. Decbr. 1868 zu einem Versuche
gewaltsamer Entfernung mit der Pincette. Hierbei empfand ich
heftigen Schmerz ; es stellte sich sofort reichlicher blutig seröser
Ausfluss ein, welcher die ganze Nacht anhielt und in den näch-
sten Tagen serös eitrig wurde , oft begleitet von leisem Ohren-
sausen und gefolgt von schneller Umfangszunahme der Geschwulst,
so dass ich durch Druck auf die hintere Fläche der Ohrmuschel
den Gehörgang schliessen und vollständige Taubheit hervorrufen
konnte. (Injection von lauem Wasser.) Täglich wurde das
Hören schlechter, so dass ich am 1 0. Januar meine Uhr auf der
linken Seite nur bei unmittelbarer Berührung vernahm, während
Absonderung und Schmerz fast ganz geschwunden waren. Die
jetzt vorgenommene Untersuchung von zwei befreundeten CoUegen
zeigte eine auf der hinteren Wand des Gehörganges au&itzende
harte, denselben ganz ausfällende Geschwulst von weisslicher
Farbe; zu meiner unangenehmen Ueberraschung fanden sich in
dem rechten Gehörgange 2 kleinere ähnliche Geschwülste neben
einander; die Diagnose schwankte zwischen Fibroid und Exostose
und über Zulässigkeit und Art eines therapeutischen Eingriffes
wichen die Ansichten auseinander. Herr Dr. E n o r r e , an welchen
ich mich nun noch wendete, entschied sich mit grosser Wahr-
scheinlichkeit für eine Exostose und rieth, unter Anwendung eines
adstringirenden Mittels, das Ende der entztindlichen Periode ab-
zuwarten; die Untersuchung mit der Nadel werde dann zeigen,
ob man Knochen vor sich habe ; in diesem Falle verspreche das
Messer keinen Erfolg, Aetzmittel könnten das nahe Trommelfell
verletzen, vielleicht sei die galvano-kaustische Schlinge anwend-
bar ; das andere Ohr sollte ich einstweilen unberührt lassen. Unter
dem Gebrauehe einer Zinklösung verminderten sich nun bald
Eiterung, Druckempfindung und Sausen der leidenden Seite ; am
25. Januar hörte ich wieder das Knittern des Trommelfelles beim
Durchtreiben von Luft durch die Tuba Eust.; vom 26. Januar
an konnte ich auf Augenblicke hören, indem sich die Durch-
gängigkeit des Gehörganges plötzlich durch Entfernung der
schrumpfenden GesclÄvulst von der gegenüber liegenden Wand
desselben herstellte, wobei ich die Empfindung einer platzenden
Blase hatte; vom 30. Januar an, also etwa 4 Wochen nach ge-
'V^^T^^T^^^ ,^
112 IX. L. B.
schehener Verwundung, war das Gehör wieder beinahe normal
und nur schwaches Sausen erinnerte zuweilen an die vorherge-
gangenen Störungen. Inzwischen war jeder Zweifel ttber die
Natur des Uebels geschwunden; das sich durch seine Unempfind-
lichkeit und Härte als Exostose zu erkennen gab ; eine Operation
wurde bei» dem normalen Functioniren des Organes flir nicht an-
gezeigt gehalten.
Ich erfreute mich nun 4 Jahre lang ungestörten Befindens;
in der zweiten Hälfte des April 1873 stellte sich, wahrscheinlich
durch Blutandrang, öfter Ohrenklingen ein; in der Vermuthung
dass eine mechanische Störung vorliege, sondirte ich vorsichtig
den Gehörgang und gelangte auf der rechten Seite (vor 4 Jahren
war die linke krank) an eine knitternde Membran, die ich fttr
ein sich lösendes Epidermis-Läppchen hielt; bei tieferem Ein-
dringen entdeckte ich aber bald meinen Irrthum ; grosse Em-
pfindlichkeit durch die leiseste Berührung und starkes Sanseo
zeigten mir, dass ich das Trommelfell gereizt hatte. Sofort, am
28: April, nahm das Sausen anhaltend zu und erreichte die Stärke
eines brausenden Wasserfalles, während das Hörvermögen in
gleichem Maasse sank ; am 1 2. Mai konnte ich auf dem leiden-
den rechten Ohre die Uhr bei directer Berührung kaum hören,
empfand aber wieder weniger Sausen, ohne dass Eiterung einge-
treten war. Auf ein baldiges Abnehmen der acuten Erscheinungen
hoffend, tröpfelte ich wieder eine Zinklösung ein. Im Laufe der
nächsten Wochen besserte sich mein Zustand, insofern ich bei
beständigem bald schwächeren bald stärkeren Sausen die Uhr
wieder auf IV2 — 3 Cent. Entfernung hören konnte; auch gelang ♦
es mir oft durch den Valsalva'schen Versuch oder starkes Schnau-
ben die Geschwulst mit lautem Geräusch von der Wand des Ge-
hörganges abzudrängen, wodurch das Gehör ftir einige Augen-
blicke hergestellt wurde ; ja am Ende des Monats Mai war ich
wieder relativ gesund, das Sausen hatte mich verlassen und ich
hörte normal.
Ohne jede Veranlassung trat aber nun eine Verschlimmerung
ein, neues Sausen und Abnahme der Hörweite bis auf 1 V-2 Cent. ;
meine Gewohnheit, täglich im Freien zu baden, war nicht ohne
Einfluss, da durch das Eindringen von Wasser ins Ohr das vor-
her leidlich gute Gehör verschlechtert, oder jamgekehrt die gerade
bestehende Schwerhörigkeit gehoben wurde. Unter diesen Um-
ständen beunruhigte mich nicht wenig eine neue Erscheinung;
leiser Druck auf die hintere Muschelwand der gegenwärtig g^
Zar Casnistik der Kno<^hengeschwülste des äusseren Gehörgapges. 113
Sonden linken 3eite gentigte, auch diese taub zu machen, und
in der That erwachte ich am 14. Juni, nachdem ich am Tage
vorher beim Baden öfter getaucht hatte, taub auf beiden Ohren.
Diese erschreckende Wahrnehmung führte mich am 15. Juni
wieder zu Herrn Dr. Knorre, um in meiner verzweifelten Lage
seinen Bath zu erbitten. Als ich zu ihm kam, hatte das linke
Ohr sich schon wieder so weit gebessert, dass ich hören konnte ;
wie früher erklärte Dr. Knorre die Geschwulst für eine Exostose
and machte mir den Vorschlag, dieselbe anzugreifen, ohne mich
geschäftsunfähig zu machen. Er hat redlich Wort gehalten^ denn
ich bin während der ganzen Behandlungsdauer nicht einen Tag
meiner Praxis entzogen worden; obgleich ich zuweilen heftige
Schmerzen empfand, blieb ich von fieberhaften Zuständen und
Allgemeinleiden vollkommen frei. Alle unten beschriebenen Ope-
rationen betrafen übrigens nur das rechte Ohr.
Am 16. Juni wurde der Anfang mit einem Drillbohrer ge-
macht, der ohne Schwierigkeit 5 — 6 Mill. tief eindrang und den
Knochen als nicht zu hart für den Bohrer erwies; ein dicker
verursachte mir weniger Schmerzen als der dünnere ; Blut zeigte
sich wenig. Den ganzen Tag hatte ich etwas Schmerz und
Sausen ; allmählich zunehmendes Secret verursachte vollkommene
Taubheit der rechten Seite und ich konnte nicht mehr durch die
East. Röhre auf das Trommelfell wirken. An den beiden folgen-
den Tagen wurden ''mehrere neue Löcher gebohrt, wobei das
anfänglich unvermeidliche öftere Abgleiten des Instruments von
der glatten Geschwulst recht weh that; obgleich Dr. Knorre
meist etwa V^ Cent, tief eindrang, konnte er am nächsten Tage
die Bohrlöcher kaum wiederfinden, so dass die Einftlhrung des
gröberen Bohrers durch eines derselben nicht gelingen wollte.
Jetzt begann auch die Wand des Gehörganges Theil zu nehmen
an der traumatischen Entzündung, wurde empfindlich und sonderte
viel Serum und Detritus von Epidermis ab. Als nach einer
Pause von 2 Tagen, am 21. Juni, wieder ein Loch gebohrt und
ein Versuch mit dem Meisel gemacht wurde, war ich noch weit
empfindlicher als zuvor; die Schläge auf das so gut wie gar
nicht eindringende letztere Instrument verursachten eigenthüm-
liche heftige Kopfschmerzen. Herr Dr. Knorre rieth nun, zu
warten, bis die Reaction sich mehr verloren haben würde, ein
mir ausserordentlich peinlicher Aufschub, weU, vielleicht auf
sympathischem Wege, sich jetzt auch der Zustand der linken
Seite verschlechterte, so dass ich wieder einen Nachmittag ganz
114 IX. L. B.
taab war; glflcklicber Weise dauerte dies nur bis zun aadeni
Molken, nm dann, bis zum beatigen Tage, niclit wiederzakehren.
Oewolmt auf der linken Seite zu sclilafen, erwachte icb freilich
in der nächsten Zeit jeden Morgen tanb, weil die G^cbwulst
mit der Wand des Gehörgaoges dnreh Druck verklebt war,
konnte aber gleich nach dem Äofetehen wieder gut hCren; nach-
dem ich gelernt hatte, im Schlafe aaf dem BUcken zn liegen,
trat diese FnnctionBBtönuig der linken Seite nicht wieder em.
Am 24. Juni endlich gelang es, einen dicken gewöhnlichen
Bohrer in einem der angelegten Locher zu fixiren, and unter seb
starkem Drucke ein weites tiefes Loch zo schneiden; der Scfam«i
war dabei erträglich, wuchs aber im Laufe des Tages nnd ver-
orsacbte mir eine schlaflose Nacht. Am 26. Juni scheiterte ein
Versuch, das Loch mit einem noch dickeren Instrumente zn er-
weitern, an meiner grossen Empfindlichkeit; diese erwies sich
29. Juni noch eben so stark; jede Berührung mit dem Instmiueiil
war äusserst schmerzhaft und erzengte eine verhältniBsrnMig
heftige Blutung, wie sie nie zuvor stattgefonden hatte. Unter
diesen Umständen beschloss Herr Dr. Knorre, die GeschwulEt
sofort Ton dem angelegten Bohrloche aus zu verkleinern; Behon
am 4. Juli wurden kleine EnochenstUcke mit der Komninge
schmerzlos abgekniffen; am 8. Juli wurde das Verfahren in
grösserem Umfange geübt, em Arm der Zange in das Loch ein-
geführt und ausser mehreren kleinen ein erhsengrosses StOck
entfernt ; dieses Mal schmerzte der Eingriff sehr. Die Knochen-
stücke bestanden nicht aus Elfenbein, sondern zeigten die Stnictnr
einer sehr dichten harten Spongiosa. Nachdem am 12. JnH
wieder ein grösseres und mehrere kleine Stücke unter heftigen
Schmerzen abgekniffen waren, stieg die Empfindlichkeit der
Theile gerade wie bei den früheren Bohrungen auf einen Grad,
der fernere Versuche am 13., 17. und 21. Juli erfolglos macbte;
auch war jetzt fUr die Zange kein Angriffspunkt mehr vorhanden,
nachdem dieselbe das Bohrloch in seiner ganzen Tiefe ausgenntzl
hatte; Granulationen Uberwucherten die Geschwulst und es be-
stand eine starke serös-eitrige Absonderung, Durch Aetherspray
Hess sich die Beizbarkeit nicht heben; die eisige Kälte war an-
&nga wohlthuend, bei der Operation ftlblte ich den Schmerz aber
nicht weniger und noch Stunden lang nachher brannte das Ohr,
als wäre es mit kochendem Wasser begossen worden. Mit
einer eigens angefertigten kleinen Beisszauge gelang es Herrn
Dr. Knorre am 27. Juli noch ein Stückchen abzukneifen; jede
ZurCasuistik der Enochengeschwülste des äusseren Gehörganges. 115
Bertthroog der kranken Theile war jetzt ungemein schmerzhaft;
nnd man musste mit der Sonde fast bis zur Tiefe des Trommel-
felles eindringen, um den Knochen zu erreichen; die Functions-
fäliigkeit des Organes blieb natttrlim unentschieden; weil an-
haltende Secretion und Geschwulst der Weichtheile den etwa
angelegten engen Kanal verlegte.
Bei der grossen Schwierigkeit; alle einem weiteren opera-
tiven Vordringen entgegenstehenden Hindemisse zu überwinden;
machte ich, unter Herrn Dr. Knorre's Zustimmung, einen Ver-
such mit Aetzmitteln. Ac. hydrochlor. dil.; später conc, wurde
durch ein capillar zugespitztes Olasrohr in unmittelbare Berührung
mit dem freiliegenden Knochen gebracht; die täglich wiederholte
Anwendung verursachte bald heftige Schmerzen, ohne dass sich
eine Veränderung des Knochens nachweisen liess. Ich vertauschte
nun nach 3 Wochen die Salzsäure mit englischer Schwefelsäure ;
fortgesetzte Uebung machte es mir leicht, die betreffende Stelle
mit einem stumpf zugespitzten Glasstabe zu erreichen ; die da-
durch hervorgerufenen, einige Minuten bis zu einer Stunde dauern-
den Schmerzen grenzten zuweilen an das Unerträgliche, offenbar
durch Reizung der Wände des Gehörganges. Reichliche Eiterung
und Abstossung grosser Epidermisfetzen bestand fortwährend ; die
Sonde traf deutlich den freiliegenden Knochen , die Functions-
fähigkeit des Organs blieb natürlich unentschieden. Nachdem
ich die Aetzmittel bis zum 13. Septbr., im Ganzen 8 Wochen,
2—3 Mal täglich gebraucht hatte, konnte kein günstiges Resultat
festgestellt werden; es war kein Sequester abgegangen. Ich
beschloss nun, einen anderen Weg einzuschlagen und machte am
15. Septbr. 1873 einen Versuch mit dem glühenden Eisen in
Form einer dicken Stricknadel, welche durch den Ohrspiegel
schnell auf den Knochen gebracht wurde; selbst bei mehrmaliger
Wiederholung schmerzte dies Verfahren sehr wenig; wurde aber
schon nach einigen Tagen wieder aufgegeben, um den gereizten
Weichtheilen Ruhe zu gönnen und nach Beseitigung der Ent-
zündung eine genaue Untersuchung der Sachlage zu ermöglichen.
Schmerz, Eiterung und Sausen nahmen nun schnell ab; nach
14 Tagen hörte ich meine Uhr wieder auf 4 Cent; Dr. Knorre
fand den Knochen biossliegend und rieth zu fernerem Abwarten ;
am 4. Octbr. konnte ich zu meiner grossen Freude mit der Sonde
zwischen Gehörgang und Geschwulst eindringend, das Trommel-
fell erreichen. Trotz dem im Ganzen günstigen Stande der Sache
wünschte ich sehnlich eine fernere Erweiterung des angelegten
116 IX. L. B.
Kanales; derselbe war nämlich 8o eng^ dass ausser mir Niemand
ihn mit dem Auge oder mit der Sonde finden konnte, das Sausen
war nicht geschwanden, sondern ohne mir bekannte Ursache bald
schwach, bald aber anch recht stark, das Gehör endlich besserte
sich nicht weiter und genügte also nicht für feinere Wahrneh-
mungen, ja nach einer Sondenuntersuchung verminderte sich die
Hörweite meist, freilich nur vorübergehend, wieder auf 2 Cent.
Die Anwendung von Laminaria di^tata versprach wenig, dagegen
war die von Bonnafont erfolgreich angewendete Feile noch
nicht probirt worden, und da ein ftlr feine Instrumente genügender
Kanal den freiliegenden Knochen erreichbar machte ^ beschlos»
ich mit Erlaubniss des Herrn Dr. Knorre einen Versuch in
dieser Richtung.
Natürlich musste ich selbst der Operateur sein, weil kein
Anderer im Stande gewesen wäre, das nahe liegende Trommel-
fell zu schonen; zu diesem Zwecke eignen sich die feinen, in
den verschiedensten Formen käuflichen sogenannten Schlicht-
feilen der Uhrmacher; ich bediente mich besonders der fiacben;
vom abgestumpften, welche den Hieb nur auf e i n e r Fläche tragen,
so dass die andere glatte die damit in Berührung kommenden
Weichtheile nicht verletzen kann.
Am 29. Octbr., bei der ersten Anwendung der Feile, gelang
es mir noch nicht, den freiliegenden Knochen zu erreichen; erst
am 31. Octbr. traf ich darauf und fand ihn ganz unempfindlich
gegen das Instrument; da ich aber wegen der Nähe des Trommel-
felles nur in kurzen Zügen arbeiten konnte, war der Fortschritt
sehr langsam. Die umliegenden Weichtheile sonderten gleich
darauf wieder stärker ab, so dass ich meist taub war ; schon am
1 . Novbr. wurden sie sehr empfindlich, ich konnte nur mit grosser
Mühe den Knochen finden und musste am 2. Novbr. vorläufig
alle Versuche abbrechen, weil auch die leiseste Berührung mit
der Feile heftig schmerzte und der von Granulationen über-
wucherte Knochen sich nicht erreichen liess. Nachdem bis zum
28. Novbr. , resp. beinahe 4 Wochen , kein neuer Angriff unter-
nommen war, hatte sich das Gehör wieder eingestellt, ich sptirte
kein Sausen und die Absonderung war verschwunden. Bei einer
genauen, am 2. Decbr. angestellten Untersuchung,^ sah Dr. Knorre
einen freien Baum zwischen der Geschwulst und der Wand des
Gehörganges und rieth mir von allen ferneren Eingriffen ab.
Trotzdem drängte mich der Wunsch, noch mehr zu erreichen,
zu wiederholten, mit Unterbrechungen fortgesetzten Versuchen;
Zur Casnis'tik der Enochengeschwfilste des äusseren Gebdrganges. 117
einem jeden folgte aber eine 8—14 Tage dauernde heftige Re-
action, weshalb ich Ende Januar definitiv davon abstand. Als
Herr Dr. Knor're am 16. April 1874 die Güte hatte, mich noch
einmal zu untersuchen, fand er den freien Baum im Gehörgang
merklich erweitert. Seitdem ist mein Zustand unverändert ge-
blieben; gegenwärtig, April 1875, höre ich normal, habe weder
Ohrensausen noch sons%e Klagen, der freie Baum ist unver-
ändert geblieben, lässt eine ziemlich dicke Sonde leicht bis ans
Trommelfell dringen und es hat sich, so weit meine Untersuchung
reicht^ an keiner Stelle ein Theil der entfernten Geschwulst re-
generirt; die Schmalzabsonderung ist unverändert. Auf der linken
nicht operirten Seite ist das Gehör seit jener Zeit ebenfalls un-
unterbrochen normal geblieben.
Das erlangte Besultat habe ich offenbar nur den Operationen
des Herrn Dr. Knorre zu danken; sollten, was ich bezweifle,
meine eigenen Versuche etwas dazu beigetragen haben, so sind
sie doch erst durch jene möglich geworden, und sein gltlckliches
Beschreiten einer bisher unbetretenen Bahn wird, wie ich hoffe,
nicht allein mich zu lebenslänglicher Dankbarkeit verpflichten,
sondern auch manchen Leidensgefährten vor dem Verluste seines
Gehörorganes bewahren. Es wäre demnach, wie bei manchen
Enchondromen , genügend, einen Theil dieser Exostosen zu ent-
femeo, wenn dieselben immer so wenig Neigung zur Begeneration
haben, wie in dem vorliegenden Falle; ob es rathsam, vor dem
Eintritte ernster Störungen einzugreifen, oder diese abzuwarten,
lasse ich dahingestellt, würde aber ftlr mich das Erstere vor-
ziehen. Freilich erreichen diese Geschwülste selten den Durch-
messer des Gehörganges, dagegen dürfte ihre Entfernung im
Beginn mit kleinen starken Beisszangen nicht zu schwierig sein ;
die galvanokaustische Schlinge empfiehlt sich weniger, weil sie
von den glatten Flächen leicht abgleitet und nach Schwartze's
Erfahrungen die Wand des Gehörganges gefährdet; auch die
Nähe des Trommelfelles dürfte dabei zu berücksichtigen sein,
und endlich ist es unbekannt, ob nicht die Härte dieser Geschwülste
der Schlinge einen unüberwindlichen Widerstand entgegengesetzt.
Bei allen Operationen dieser Art ist gutes Licht von be-
sonderer Wichtigkeit; fehlt die Sonne, so ist ein Hydrooxygen-
gasapparat, wie ihn das hiesige Allgemeine Krankenhaus besitzt,
sehr zu empfehlen ; er wird aber wohl wenigen Aerzten zur Ver-
fügung stehen. In Betreff aller Eingriffe ist noch zu bemerken,
dass die anfangs gegen Sonde, Bohrer u. s. w. äusserst geringe
■
i
118 IX. L. B.
Empfindlichkeit der Geschwulst sich mit jedem nenen Versnclie
erheblich steigert; aus diesem Gnmde wäre es wttnschenswerth,
die Zahl der Sitzungen womöglich durch ihre Intensität zu
ersetzen; während ich anfangs minutenlanges Bohren ertragen
konnte, schreckte mich nachher schon die Berührung des In-
strumentes zurück. Schon v.Tröltsch betont, dass alle Exostosen
des (rehörganges bei Berührung mit der Sonde schmerzhaft rea-
giren; sie unterscheiden sich von denen anderer Körperstellen
noch durch den Umstand, dass sie im Gegensatze zu jenen nicht
allein an ihrer von Weichtheilen bedeckten Oberfläche, sondern
auch im Innern gegen eindringende Instrumente sehr empfindlich
sind, weshalb diese nicht nach Belieben weiter geftlhrt werden
können, wenn sie einmal die Schale passlrt haben. Ob sich
deshalb unter Umständen die Narkose empfiehlt, wage ich nicht
zu entscheiden; sie würde die Beleuchtung des Operationsfeldes
sehr erschweren und, was wichtiger, dem Operateur mit der Em-
pfindung des Kranken das sicherste Zeichen der Nähe des Trom-
melfelles nehmen; mag auch eine kleine Perforation desselben
wenig schaden, so würden doch leicht ernstere Verwundmigeii
entstehen, wenn ein dicker, mit grosser Kraft eingeführter Bohrer
plötzlich die hintere Wand der Geschwulst durchbricht.
Zum Schlüsse erlaube ich mir noch ein Wort über £e
Aetiologie der Exostosen des Gehörganges; vielleicht geben ört-
liche Verletzungen beim Beinigen des Ohres zuweilen die Ver-
anlassung, obgleich ich diese Ansicht kaum für haltbar erachte,
denn zahllose Menschen vollziehen diesen Act gerade nicht in
der zartesten Weise, ohne dass Geschwülste entstehen. Berflck-
sichtigt man auch das langsame Wachsthum der Exostosen, so
ist femer doch nicht einzusehen, warum sie bei dieser gewiss
immer von Jugend auf geübten Art des Insultes stets erst im mitt-
leren Lebensalter zur Beobachtung kommen. Weder Air Arthritis
noch Syphilis liegt ein Beweis vor; ich bin nie syphilitisch oder
arthritisch gewesen, habe in meinem Leben viele Aufi'egangen
und Entbehrungen er&hren, aber nie Gelegenheit oder Neignng
zu^chwelgerei und Liederlichkeit gehabt. Möge man also meine
Leidensgefährten mit dem Makel der Syphilis verschonen mid
einstweilen lieber oflFen bekennen, dass wir von den veranlassen-
den Ursachen der Exostosen des Gehörganges noch nichts wissen.
"# - ■^
X.
üeber die Entzfindnng des Hittelohrs bei Neugeborenen
nnd Säuglingen
von
Dr. Kutscharianz
aus Tiflis.
Bekanntlich sind die Ansichten der Autoren ttber die Otitis
der Neugeborenen und Säuglinge verschieden. Dieser Umstand
veranlasste mich, diese Frage einer selbständigen Untersuchung
zu unterwerfen. Bei der Verfolgung der Frage über den Cha-
rakter der betreffenden Veränderungen stellte ich mir die Auf-
gabe, über die Ursache dieser Veränderungen nachzuforschen,
nach einem vielleicht vorhandenen Zusammenhang zwischen diesen
Mittelohrleiden und anderen pathologischen Vorgängen zu suchen.
Ausserdem, um der Frage noch näher zu kommen, habe ich das
Mittelohr auch bei unreifen Kindern von verschiedenem Alter
des intrauterinen Lebens einer Untersuchung unterworfen.
Ich habe meine Präparate theils frisch, theils nach vorher-
gehender Erhärtung untersucht. Als Material dienten mir über
300 Einderleichen aus dem Findelhaus zu Moskau. Es wurden
jedes Mal beide Gehörorgane genommen und jede Leiche (jedes
Kind) wurde einer allgemeinen Section unterworfen. Die Arbeit
ist im pathologischen Institut der Universität Moskau ausgeführt.
Die Paukenhöhle in verschiedenen Stadien des Intrauterinlebens
(der menschlichen Frucht).
Dem frühesten von mir untersuchten Stadium gehörten 2 vier-
monatliche Früchte. In dieser Zeit des EmbryonaDebens besitzt
das Mittelohr noch fast keine Höhle und wird durch drei ungleich
grosse polsterartige Erhebungen der Paukenschleimhaut — durch
Archiv für Ohrenheillcunde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 9
120 X. KÜTSCHARIANZ
drei Kissen — beinahe ganz ausgefüllt. Diese Kissen bestehen
— wie die übrige Sehleimhaut — aus einem ganz durchsich-
tigen Gewebe, das durch die hindurchscheinenden, in verschie-
denen Richtungen verlaufenden Blutgefässe leicht röthlich gefärbt
ist. Das grösste unter diesen 3 Kissen ist das von v. Tröltsch
beschriebene. Es geht von der Labyrinthwand aus in das Innere
des Mittelohrs und erreicht nicht ganz die Innenfläche des Trom-
melfells. Es bleibt zwischen ihm und dem Trommelfell ein enger
Zwischenraum. In seiner grössten Dicke misst dieses Kissen
0,95 Mm.
Von den übrigen zwei Kissen entspringt das vordere von
dem vorderen Abschnitt des Bodens des Mittelohrs; seine Ba^is
erstreckt sich von dem äusseren und unteren Theile der Trom-
petenmttndung bis zum anliegenden Trommelfellrande. Die Dicke
dieses Kissens reicht bis 0,70 Mm. Das andere — hintere —
Kissen entspringt von der hinteren oberen Wand des Mittelohrs
und hat die gleiche Dicke mit dem vorderen Kissen. Es gehen
auch diese beiden Kissen in das Innere des Mittelohrs, das eine
von oben und hinten aus, das andere von vom und unten, nnd
erstrecken sich beide dem grossen Kissen entgegen, das sie aber
nicht ganz erreichen; und so bleibt im Inneren des Mittelota
zwischen allen drei Kissen ein kleiner zackiger Spaltraum , der
von einer geringen Menge klarer, wässeriger, wenig klebriger
Flüssigkeit ausgeftlllt wird.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt, dass die zwei
kleinen Kissen von einem mehrschichtigen Pflasterepithel be-
kleidet sind, das grosse Kissen aber und ebenso der grösste Theil
des Paukenwandüberzugs von einem einschichtigen cylindriigchen
Flimmerepithel. Die Grenzen zwischen diesen beiden Epithel-
arten sind keine schroffen und es finden sich allenthalben lieber-
gänge zwischen Pflaster- und Cylinderzellen. Von diesem, dem
Epithel bedeckt, bestehen die Kissen, ebenso wie der übrige
Paukenhöhlenüberzug, in der Hauptsache aus dem embryonalen
Bindegewebe: aus dichtgelagerten kleinen runden Zellen von
0,0037 Durchmesser mit feinkörnigem Protoplasma und sehr deut-
lichem grossen Kern,
Gegen das Epithel, noch mehr gegen den Knochen hin zeigt
das embryonale Bindegewebe eine Diflferenzirung: die runden
Zellen werden eckig und abgeplattet. Gegen den Knochen hin
trifft man weiter spindelförmige Zellen mit einer hellen, durch-
sichtigen und anscheinend streifigen Intercellularsubstanz. — Ers^
Entztindung des Mittelohrs bei Neugeborenen und Säuglingen. 121
V
unmittelbar auf dem Knochen kommt wiederum eine dünne
Schicht von regelmässig gelagerten kleinen runden Zellen. Diese
letzte Gewebschicht schickt kolbenartige Zellenfortsätze in den
EjQochen (resp. in die knöcherne Wand der Paukenhöhle)
hinein. Die ganze bindegewebige Grundlage des Mittelohrüber-
zugs wird von ziemlich breiten und stark verästelten Blutgefässen
versorgt, die man am deutlichsten an Präparaten mit natürlicher
Injection wahrnimmt. Die den Eaum zwischen den Kissen aus-
füllende Flüssigkeit zeigt unter dem Mikroskope einzelne de-
generirte Epithelzellen, kleine runde Zellen, freie Kerne und
kömigen Detritus. — So der Befand bei viermonatlichen Em-
bryonen.
Ein ziemlich ähnliches Bild zeigten die Gehörorgane von einer
fünfmonatlichen Frucht. Es war nur der Unterschied vorhanden,
dass die bindegewebige Grundlage des Paukenhöhlenüberzugs
nicht 80 dick war, dass die Kissen etwas niederer und der Raum
zwischen diesen drei Kissen im Yerhältniss zum früheren ein
grösserer geworden.
Die Zellen der bindegewebigen Grundlage des Ueberzugs
der Paukenhöhle zeigen sich weniger dicht gelagert und haben
schon eine Grösse von 0,0050—0,0125 Mm, erreicht. Jetzt zeigen
alle Zellen eine ausgesprochen eckige und spindelige Form. Ihre
Intercellularsubstanz hat zugenommen, sie ist durchaus hell, durch-
sichtig, und das Ganze macht jetzt den Eindruck des Schleim-
gewebes, was am deutlichsten in dem grossen Labyrinthkissen
zu Tage tritt. In etwas späteren Stadien des embryonalen
Lebens, am Ende des sechsten (2 Fälle) und des siebenten Mo-
nats ^3 Fälle) bietet das Mittelohr ein etwas anderes Bild. Die
beiden kleinen Kissen ragen jetzt kaum merklich hervor und
sind fast verschwunden, das grosse, von der Labyrinthwand aus-
gehende Kissen hat noch wenig an Grösse abgenommen. Der
von Flüssigkeit eingenommene Zwischenraum ist noch mehr ge-
wachsen.
Die histologische Untersuchung ergibt, dass nun der über-
wiegend grosse Theil des Paukenhöhlenüberzugs von cylindri-
schem Flimmerepithel bedeckt ist und dass nur stellenweise (so
neben den v. Tröltsch'schen Taschen, partiell auf dem Boden
und der Decke der Paukenhöhle) das mehrschichtige Pflaster-
epithel noch erhalten geblieben ist. Die Uebergangsformen zwischen
den Cylinder- und Plattenepithelzellen sind an den Grenzen der
beiden Epithelarten überall nachzuweisen. In der bindegewebigen
122 X. KUTSCH ARIANZ
Schicht des Paukenhöhlenttberzugs trifft man durchgehends mehr
spindelförmige und eckige Zellen. Die intercellulare Substanz
ist mit der dichteren Lagerung der Zellen wiederum spärlicher
geworden, es tritt in ihr eine netzförmige Faserung auf.
Noch weitere Veränderungen bietet das Mittelohr der acht-
monatlichen Embryonen (2 Fälle). Hier ist der Paukenhöhlen-
überzug fast überall gleichmässig dick und der von Pltlssigkeit
eingenommene Raum hat jetzt schon ungefähr dieselbe Grösse
wie bei reifen Kindern.
Von dem kleinen Kissen sieht man nichts mehr, an der Stelle
der grossen Labyrinthwanderhebung ist nur eine kleine Hervor-
wölbung vorhanden. Der Paukenhöhlenüberzug ist fester, derber
geworden, nur ist er noch immer etwas dicker, als bei ganz
reifen Kindern. Das Epithel der Paukenhöhlenschleimhaut bietet,
wie das Mikroskop zeigt, dieselben Verhältnisse, wie im vorher-
gehenden Stadium.
In der bindegewebigen Schicht trifft man fast durchgehends
Spindelzellen und faserige, netzförmig angeordnete Zwischen-
substanz. Die runden Zellen sind — wie auch bei reifen Kin-
dern — nur in der oben beschriebenen, unmittelbar auf dem
Knochen liegenden periostalen Schicht unverändert vorhanden
geblieben.
Endlich bei ganz reifen Kindern, bei todtgeborenen (3 Fälle)
ebenso wie bei kurz nach der Geburt gestorbenen (1 Fall), ist
die Paukenhöhle in allen ihren Theüen vollkommen ausgebildet.
In allen Fällen findet sich in der Paukenhöhle eine schon be-
sprochene durchsichtige Flüssigkeit.
Alle Theile des Mittelohres sind mit einer dünnen, glänzenden,
dem darunter liegenden Knochen fest adhärirenden Schleimhaut
bedeckt (überzogen), die je nach dem Füllungszustande ihrer
Blutgefässe von rosaroth bis in verschiedenem Grade röthlich
gefärbt erscheint.
Von der Oberfläche aus gerechnet besteht die Schleimhaut
aus folgenden Schichten:
1. einem fast durchgehends cylindrischea Flimmerepithel
— Plattenepithel ist nur an wenigen Stellen vorhanden — ,
2. darunter einer zuerst mehr lockeren, dann derberen
Schicht von spindelförmigen Bindegewebszellen mit netzförmig
angeordneter faseriger Intercellularsubstanz. Diese Schicht geht
allmählich in
Entzfindang des Mittelohres bei Neugeborenen and Säoglingen. 123
3. die unmittelbar auf dem Enoclien liegende periostale
Randzellenschicht über.
Die ganze Dicke der Schleimhaut beträgt 0,08 Mm.
Ganz dasselbe makroskopische und mikroskopische Verhalten
zeigt die Paukenhöhlenschleimhaut bei Kindern, die schon Tage
und Wochen gelebt haben. Es wurden 20 hierher gehörige Fälle
untersucht, von 1 Tag alten Kindern bis zu solchen, die bereits
7^/2 Monate gelebt hatten.
Die Schleimhaut ist auch bei diesen Kindern glatt, dünn,
durchsichtig, und ist überall von gut erhaltenem, keine Trübung
zeigendem Epithel bedeckt. Auch bei diesen Kindern zeigt die
normale Paukenhöhlenschleimhaut einen wechselnden, verschie-
denen Füllungszustand ihrer Blutgefässe.
In den meisten Fällen enthält die Paukenhöhle nur Luft
und nur in wenigen war auch eine geringe Menge von zähem,
durchsichtigem Schleim vorhanden, mit darin enthaltenen degene-
ririen, getrübten Epithelzellen und Zellenresten.
Auf Grund dieser Beftmde müssen wir den Annahmen früherer
Untersucher widersprechen. Das Vorhandensein eines das Mittel-
ohr ausfüllenden embryonalen Schleimgewebes müssen wir für
das reife Kind entschieden in Abrede stellen. Unsere Beobach-
tungen haben uns, wie wir gesehen haben, im Gegentheil gezeigt,
dass die polsterartigen Erhebungen des Paukenhöhlenüberzuges
schon während der letzten Monate des Fruchtlebens vollkommen
schwinden und dass die Paukenhöhle der reifen Frucht von einer
fast gleichmässig dünnen, schon ganz entwickelten Schleimhaut
bedeckt wird.
Damit fällt auch weg die von Autoren auf Vorhandensein
des embryonalen Bindegewebes (Schleimgewebes) im Mittelohr
der reifen Kinder bäsirte Erklärung der bei Neugeborenen so
häufig anzutreffenden Paukenhöhlenentzündung. — Auch können
wir uns der Annahme von Zaufal und Brunner nicht an-
schliessen, wonach die entzündlichen Veränderungen im Mittelohr
der Neugeborenen eine physiologische Bedeutung haben sollen.
Unseren Untersuchungen nach müssen wir im Gegentheil an-
nehmen, dass bei einer normalen Ent Wickelung und einem nor-
malen Verhalten des Mittelohres die Paukenhöhlenschleimhaut
und der Pauk6nhöhleninhalt gegenüber dem sonst normalen Ver-
halten der Schleimhäute anderer Organe nichts Abweichendes
bietet. So viel über die normalen Verhältnisse.
124 X. KÜTSCHARIANZ
Jetzt wenden wir uns zu den Abweichungen von diesem
normalen Typus. Diese können im Grossen und Ganzen von
zweierlei Art sein:
1. Es kann bei einer intacten oder fast intacten Schleimhaut
nur der Inhalt der Paukenhöhle ein abnormer sein.
2. Es können die Schleimhaut und der Inhalt der Pauken-
höhle — beide anomale Verhältnisse darbieten , was auch am
häufigsten der Fall ist.
A. Teränderungren des Inhaltes der PaukenliSlile bei normaler
Besehaffenheit der PaukenhOhlensehleimhaut.
Hierher gehörten über 30 Fälle von Kindern, die zwischen
3 Tagen und 7 Monaten gelebt hatten, darunter drei nicht aus-
getragene. Der fltlssige Inhalt der Paukenhöhle war in allen
diesen Fällen in viel grösserer Menge vorhanden , als in den
früher betrachteten. Er hatte den Charakter eines klebrigen,
durchsichtigen Schleimes, hatte die Consistenz des Hühnereiweiss
und zeigte unter dem Mikroskope eine grosse Zahl von degene-
rirten cylindrischen Epithelzellen, von Zellenresten und Detritus-
masse.
Die Paukenhöhlenschleimhaut war ganz intact, nur etwas
hyperämisch. Trommelfell und Tuba ebenso intact; die letztere
auch ganz leer. Die Bachenschleimhaut etwas gesehwellt. In
den meisten Fällen zeigten die beiden Gehörgänge den näm-
lichen Befund. — Die Section der betreffenden Kinder ergab in
der Mehrzahl der Fälle Bronchitis, Bronchopneumonie, Gastro-
enteritis, Morbi cerebri et meningum etc.
B. Teränderungren des Inhaltes und der Sehleimhaut der
Paukenhöhle.
In diese Gruppe gehörten mehr als 200 Fälle von neu-
geborenen Kindern und Säuglingen, die an verschiedenen Affec-
tionen gestorben waren. Je nach dem Charakter der Entzündung
theilen wir alle diese Fälle in 3 Gruppen.
1 . Leichte katarrhalische Entzündung mit partiellem EpithelabJaU^
Dieser Zustand zeigte sich in verschiedener Intensität ver-
treten.
Es wurden gegen 20 Fälle beobachtet im Alter von 1 1 Tagen
bis 4 Monaten.
EDtzündung des Mittelohres bei Neugeborenen und Säuglingen. 125
Die Schleimhaut war stark hyperämisch , geschwellt, mehr
oder weniger getrübt und ihres Epithels beraubt; manchmal war
das Epithel in grösserer Ausdehnung abgefallen. Trommelfell,
Trompetenmündung zeigten sich hyperämisch, die Trompeten-
und Rachenschleimhaut geschwellt, sonst normal. Die Schleim-
haut der Paukenköhle war stellenweise kissenartig vorspringend.
In den oberflächlichen Lagen der Bindegewebsschicht liess sich
eine nicht sehr ausgesprochene Rundzelleninfiltration nachweisen.
Auch der flüssige Inhalt der Paukenhöhle enthielt Lymphzellen
und Körnchenkugeln, neben Epithelzellen. Die allgemeine Section
zeigte kein bestimmtes. Zusammentreffen mit irgend einem patho-
logischen Befunde.
2. Intensive katarrhalische Entzündung der Paukenhöhlenschletm-
hauty verbunden mit volhtändiger Abschilferung des Epithels und
starker Schwellung der Schleimhaut,
Es wurden über 30 Fälle untersucht. Das Alter der Kinder
schwankte zwischen einigen Tagen und einigen Monaten. Die
Paokenhöhlenschleimhaut ist stark hyperämisch, hat eine dunkel-
rothe Farbe. Sie zeigt sich locker und ist 3 — 5 Mal gegen das
Normale verdickt. Die Ohrmündung der Trompete ist durch die
Schleimhautanschwellung ganz verlegt.
Das Epithel der Paukenschleimhaut ist fast ganz abgefallen,
nur an wenigen Stellen erhalten und an diesen Stellen stark
aufgequollen, getrübt, alterirt. Die ganze Dicke der binde- '
gewebigen Schicht, namentlich gegen die Oberfläche hin, ist von
Lymphzellen durchsetzt. Die Bindegewebszellen erscheinen in
oberen Schichten stark verändert, gequollen, getrübt, die einen
im Zerfall begriffen, die anderen scheinbar in Proliferation, zwei
und mehrere Kerne enthaltend. Die Gefässe sind stark injicirt
und von Lymphzellen scheidenartig umgeben.
Der Paukenhöhleninhalt zeigt unter dem Mikroskope eine
sehr reichliche Beimengung von degenerirten Epithelzellen und
grosse Mengen von Lymphzellen. Auch hier zeigte die allgemeine
Sectios keine sich stets wiederholenden Beftmde.
3. Eiterige Entzündung, Ulcerationsbildungen an der Pauken-
köhlenschleimhaut.
Es gehörten hierher gegen 150 Fälle. Das Alter der Kinder
schwankte hauptsächlich zwischen 6 Tagen und einem Monat,
dann aber bis zu 4 Monaten.
r
126 X. KUTSCH AßlÄNZ
Jedesmal war die Paukenhöhle von einem gelblich-grttnen
Eiter ausgefüllt mit einzelnen Schleimklumpen darin. Nicht
selten (gegen 40 Mal) zeigten sich an diesem Inhalte Blutbei-
mengungen, meistens aber in den Fällen, wo der Eiter einen
jauchigen Charakter hatte, ein dtlnnflüssiger und tlbelriechender
war (so in 40 Fällen).
Nach der Absptllung der sie bedeckenden Eiterscliicht zeigte
sich die Schleimhaut sehr intensiv hyperämisch, ganz dunkelroth
gefärbt. Die Schleimhautoberfläche war äusserst uneben, und sand-
artig von Granulationen bedeckt. Ueberall — das Trommelfell
ausgenommen — war sie sehr verdickt und gelockert, dadurch
war die Innenmtindung der Trompete vollständig verlegt. Die
Tuba selbst war stark hyperämisch und ihre Bachenmündung
ebenfalls durch die Schleimhautschwellung ganz undurchgängig.
In Fällen mit putrideitrigem Inhalte der Paukenhöhle vraren an
der Paukenschleimhaut tiefe Substanzverluste vorhanden mit
gleichzeitigen cariösen Processen an den Gehörknöchelchen oder
an der knöchernen Paukenhöhlenwand.
In allen Fällen der eitrigen Entzündung war das Epitbel
der Schleimhaut nirgends mehr vorhanden. Die oberen Schichten
der Mucosa zeigten das Bild eines Granulationsgewebes. Die
Granula, aus Lymphzellen bestehend, enthielten meist Gefäss-
schlingen. In den mittleren Schichten der Schleimhaut finden
wir eine sehr dichte, aber nach der Tiefe abnehmende Bund-
Zelleninfiltration. Die in der oberflächlichen Schicht der Mucosa
nicht mehr vorhandenen Spindelzellen werden in den mittleren
Schichten zwischen den Lymphzellen wieder angetroffen und
desto mehr, je weiter wir nach der Tiefe gehen. Diese Spindel-
gellen sind gequollen und in Zerfall und Proliferation begriffen.
Erst in der Tiefe der Schleimhaut treffen wir zwischen den
Spindelzellen ausser Lymphkörperchen auch die faserige Grund-
substanz. Am seltensten wird die unmittelbar auf dem Knochen
liegende periostale Schicht befallen. In den Fällen, wo keine
Bjiochenulcerationen vorhanden, wird sie ganz intact angetroffen,
oder es zeigen ihre Zellen eine geringe AufqueUung, Vergröss^rung.
Die allgemeine Section zeigte auch bei allen diesen Fällen
von eitriger Entzündung des Mittelohres kein bestimmtes Zu-
sammentreffen mit einer speciellen Affection, mit einem sich stete
wiederholenden pathologisch-anatomischen Befunde. Am öftersten
waren die Affectionen der Eespirationsorgane vorhanden, dann die
der Verdauungsorgane, endlich des Gehirns und seiner Häute.
iEntzündang des Mittelohres bei Neugeborenen und Säuglingen. 127
Wenn wir jetzt alle besprochenen pathologischen Fälle unter
einander vergleichen, so sehen wir, dass die Eintheilung der-
selben in verschiedene Gruppen eine mehr oder weniger will-
kürliche ist, dass sie alle Uebergänge von einem Bilde zum
anderen zeigen, und daher müssen wir alle diese Fälle als ver-
schiedene Abstufungen, verschiedene Grade eines einzigen ent-
zündlichen Processes am Mittelohr ansehen. Sollen wir zum
Schlnsse noch unsere Ansicht über die Ursachen der Mittelohr-
entzündung aussprechen, so glauben wir ausser einer Fort-
pflanzung der Entzündung von Nachbarorganen her noch auf
die durch in die Paukenhöhle mit der Athmung eindringende
Luft bedingte Reizung der'Schleimhaut Gewicht legen zu müssen.
Im weiteren Verlaufe tritt als ein die Entzündung sehr be-
günstigendes Moment die Stagnation der katarrhalischen Producte,
bedingt durch den Verschluss der inneren Trompetenmündung,
binzu. Diese Stagnation wirkt dann selbst als ein bedeutender
Beiz.
Was die Prävalirung der eitrigen Form der Entzündung be-
trifft, so möchten wir deren Ursache auch in der grösseren Prä-
disposition des kindlichen Organismus zu den Eiterungen über-
haupt suchen.
• Äv ■:--■'
XI.
Ein neuer Apparat znr Untersnchnng des Nasenrachen-
raumes nnd des Kehlkopfes
von
Dr. Schalle,
Stabsarzt a. D. in Dresden.
(Hierza Tafel II und III.)
Trotz der grossen Zahl von Apparaten, welche zur Be-
leuchtung des Nasenrachenraumes und des Kehlkopfes angegeben
wurden, sind wir noch nicht in der Lage, in einem derselben
die Anforderungen befriedigt zu sehen, die wir im Interesse der
praktischen Medicin mit Rücksicht auf Leistungsfähigkeit, Ver-
wendbarkeit und Kostenpreis zu stellen berechtigt sind. Zu dieser
üeberzeugung brachte mich die eigene Prüfung verschiedener
sehr verbreiteter derartiger Instrumente, z. B. der von Lewin,
Tobold und v. Bruns, sowie die Betrachtung der verschie-
denen, gegen andere Erfindungen zum Theil mit grosser Schärfe
ausgestatteten Vorwürfe, welche wir fast in jedem Lehrbuche
der Laryngoskopie finden. Auf eine specielle Kritik, wie das
z.B. Weil mit dem Tobol dachen Apparat that, möchte ich
mich aus verschiedenen Gründen nicht einlassen und wiederhole
deshalb nur, dass mir obaigenannte Apparate zur Pharyngoskopie
und Ehinoskopie, welche ja, wie dies Semeleder*) schon be-
tonte, weit mehr Licht erfordern, als die Laryngoskopie, eben
nicht ausreichten.
Ich entschloss ndch daher, auf physikalische Gesetze und
mehr noch auf den Versuch mich stützend, mir selbst einen
Apparat zu construiren. Dieses Vorhaben gelang mir nach zahl-
reichen dreijährigen Versuchen mit Erzielung von, wie mir scheint,
1) Die Bhinosköpie. Leipzig 1862.
£in neuer Apparat zur Untersuch, d. Nasenrachenraames u. d. Kehlkopfes. 1 29
nicht nur fUr die Beleuchtung, sondern auch für die übrige Technik
der Untersuchung so wesentlichen Vortheilen, dass ich mich für
entschuldigt halte, wenn ich eine kurze Beschreibung meines
Apparates in Folgendem zu geben mir erlaube.
Die allgemeine Technik der Pharyngoskopie, ßhinoskopie
und Laryngoskopie als bekannt voraussetzend, berühre ich nur
die Theile derselben speciell, deren Besprechung die besondere
Gonstruction der von mir angegebenen Instrumente nothwen-
dig macht.
Der Zweck eben berührter Untersuchungsmetho^en ist, die
in den Höhlen der Nase, des Nasenrachenraums, Kehlkopfes und
der Luftröhre befindlichen Organe zu betrachten. Da genannte
Räumlichkeiten dem Lichte directen Zugang nur in geringem
Maasse oder gar nicht gestatten, müssen wir durch erweiternde
und liehtreflectirende Instrumente, also Nasenspiegel, Zungen-
halter, Kehlkopf- oder Rachenspiegel etc. den Strahlen einer
geeigneten Lichtquelle die zweckdienliche Richtung geben.
Betrachten wir zueilt, welche Lichtquelle sich am meisten
zu gedachter Untersuchung eignet.
Das Sonnenlicht, weil es am intensivsten ist und die
Organe in ihrer natürlichen Farbe erscheinen lässt, würde nach
dem Urtheile der meisten Autoren jede andere Lichtquelle ent-
behrlich machen, wenn es uns jeder Zeit zur Verfllgung stände.
Leider ist es in unseren Breiten oft wochenlang gar nicht, ja
in gleicher Reinheit, d. h. unter gleichen atmosphärischen Ver-
hältnissen nur wenige Tage im Jahre zu haben.
Das elektrische Licht, nach Foucault*) 2/3O/0 stärker
als das Sonnenlicht, würde seiner Intensität halber eine vor-
zügliche Lichtquelle darbieten, wenn nicht die Umständlichkeit
und Kostspieligkeit seiner Erzeugung die allgemeine Verwen-
dung unmöglich machte. Dasselbe gilt vom elektrischen Lichte
durch Elektromagnetismus erzeugt.
Das Magnesiumlicht ist ebenfalls als zu theuer') un-
brauchbar.
Das Drummond'sche Licht, erzeugt durch Glühen von
Kalk in durch reinen Sauerstoff verbrennendem Wasserstoff, fand
vorzüglich in v. Bruns und Ziemssen warme Vertheidiger,
1) Eisenlohr, Lehrbuch der Physik. 10. Aufl. Stuttgart 1870. I
S. 262. j
2) Yoltolini, Die Anwendung der Galvanokaustik etc. 2. Aufl. 1
Wien 1871. S. 63.
>.--.- -r-^u"
f
■ 1
130 XI. SCHALLE
besonders seit man statt Wasserstoff Leuchtgas verwendete, und
verdient gewiss alles ihm gespendete Lob, wenn nicht Kost-
spieligkeit*) und Umständlichkeit der Herstellung des nt^thigen
Sauerstoffes auch diesen Apparat als für die Praxis nicht zweck-
mässig erwiese.
Sau erst off gas in Verbindung mit anderen Belenchtungs-
materialien, ein Verfahren welches Tusco angab, Philipps')
speciell bearbeitete und Voltolini (1. c. S. 63) noch jetzt ver-
wendet, trifft ebenfalls der bei der vorigen Lichtquelle letzt-
genannte Vorwurf.
Le\ichtgas ist nicht überall zu haben und zeichnet sich
selbst mit den Argand'schen Brennern nicht durch Lichtintensität
vor den neuesten und grössten Petroleumbrennem aus.
Von concentrischen Dochten, wie sie Fr es nel in Ver-
bindung mit Polygonaliinsen und Totalreflexion für Seeleuchte-
zwecke mit grossem Vortheile in Anwendung zog, muss man
wegen Kostspieligkeit und Grösse der zu construirenden Apparate
absehen.
Was endlich das von Wintrich^) vorgeschlagene diffuse
Tageslicht anlangt, so ist dasselbe der verschiedenen Be-
deckungen des Himmels halber sehr schwankend und meist zu
schwach, so dass es sich wohl kaum fllr Laryngoskopie ein-
bürgern, in keinem Falle aber, wenigstens nach den jetzigen
Methoden, für die Pharyngoskopie irgend welche Bedeutung er-
langen wird.
Ich wende mich nun zu dem gewöhnlichen LeuchtmateriaL
Was die für Pharyngoskopie und Laryngoskopie erforderliche
Lichtstärke anbelangt, so ist der alte Streit nicht beigelegt,
nachdem bewiesen worden ist, dass man bei Streichhölzchen-
beleuchtung den Kehlkopf sehen und dass man dasselbe auch
mit einfachem Tageslichte erreichen kann. Warum hat man dann
die obenerwähnten Lichtquellen alle versucht? Warum preisen
dann fast alle Autoren^) die Intensität des Sonnenlichtes?
1) Tobold, Handbuch der Laryngoskopie. Berlin 1869. S. 19. Der
Zi e m SS e nasche Apparat kostet bei Dubosq 300 Fres.
2) Der Sauerstoff. Berlin 1871.
3) Vorläufige Mittheilung über die Benutzung des zweckmässig ab-
geblendeten zerstreuten Tageslichtes zur Oto-, Ophthalmo- und Laryngoskopie.
Medicin. Neuigkeiten. Nr. 15. Erlangen 1864.
4) Semeleder a. a. 0. S. 7. — v. Bruns, Die erste Ausrottung
eines Polypen in der Kehlkopfshöhle. Tübingen 1862. S. 49. — Fourni^,
Ein neuer Apparat zur Untersuch, d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 131
FränkeP) sagt sehr richtig: „Wir fürchten nicht für einen An-
fänger in der Laryngoskopie gehalten zu werden, wenn wir auf
die Intensität der Beleuchtung einen so grossen Werth legen."
Fest steht so viel, dass eine Lichtstärke erforderlich ist, welche
uns gestattet, in dem in tiefer Nacht liegenden Nasenrachenraum
Neubildungen, Ulcerationen, Eiterbelege, ja selbst Schwellungen
und Böthungen der Schleimhaut, und zwar in der Distanz bis
zu 30 Cm. deutlich zu erkennen.
Ich wähle daher nicht die sonst wegen ihrer vorwiegend
blauen und violetten Strahlen so angenehme EübÖlflamme, son-
dern das Licht, welches reich an gelben und grünen, also blen-
denden, aber darum auch wirksamsten Strahlen, die grösste Licht-
stärke bietet und doch überall leicht in guter Qualität zu
beschaffen ist, nämlich das Petroleumlicht. Mein Brenner
hat 35 Mm. Durchmesser, der Oelbehälter (s. Taf. II u. III. Fig. 1)
besteht der bequemeren Aufstellung, Füllung, wie der Vermeidung
stärkerer Petroleumverdampfung halber aus Eisenblech und steht
auf einem Ständer, der leicht ein Höher- und Tieferstellen der
Lampe erlaubt. Der Branddocht gestattet trotz peripherischer
und centraler Luftzuftihr doch eine gleichmässige Regelung und
wird durch einen Saugdocht gespeist.*)
Etade pratique sur le laryngoscope. Paris 1863. S. 19. — Semeleder,
Die Laryngoskopie. Wien 1863. S. 12. -- Moura, Trait^ pratiqae de
Laryngoscopie et de Rhinoscopie. Paris 1864. S. 18. — v. Brnns, Die
Laryngoskopie und die laryngoskopische Untersnchnng. Tübnngen 1865.
S. 24. — Türck, Klinik der Krankheiten des Kehlkopfes and der Luft-
röhre. Wien 1866. S. 134. — Tobold a. a. 0. S. 10. -^ Voltolini
a. a. 0. S. 54.
1) Die laryngoskopische Beleuchtung. Deutsches Archiv f. klin. Med.
Xn. Bd. S. 545.
2) Früher verwendete ich, veranlasst durch Versuche mit Sauerstoff,
zur Verstärkung der Flamme eine centrale Brandröhre und sind die bisher
verkauften Apparate damit versehen. In neuester Zeit bin ich davon zurück-
gekommen, weit der Gewinn an Lichtintensität nicht im Verhältniss stand
zu dem nicht ganz zu beseitigenden Uebelstande der intensiveren Wärme-
entwickelung und des zu raschen Verkohlens des Dochtes.
Gleich hier füge ich ein, dass ich auch den von Silber (Silberlicht)
angegebenen Brenner, der als patentirt mit einem sehr einfachen Oel-
reservoir versehen allein schon 9 Thlr. kostet, versucht habe, ohne eine
dem hohen Preise entsprechende erhebliche Lichtstärke zu bemerken, wenn-
gleich sich nicht verkennen lässt, dass er längere Zeit als alle übrigen
Brenner constant brennt, weil er vermöge seiner besonderen Construction
den Docht sehr wenig angreift.
132 XL SCHALLE
Hier möchte ich mit ganz besonderem Nachdrucke betonen,
dasSy um immer das gleich gute Licht zu erhalten, die Lampe
einer sorgsamen Pflege bedarf. Mehrfach habe ich bei Aerzten
und zwar bei Specialisten zu meinem Erstaunen gesehen, wie
sie bei gelbroth-brennender Flamme und wahrscheinlich nur
quartaliter geputztem Cylyider untersuchten.
Es gibt trotz aller Gegenbehauptung von Lampenerfindern
und Fabrikanten eflfectiv kein mittelst Dochten verbrennendes
Leuchtmaterial, welches längere Zeit eine vollständig gleich-
massig leuchtende Flamme gewährte, weil die unvermeidliche
Verkohlung des Dochtes und die theilweise Verstopfung der
feinsten den Docht zusammensetzenden öUeitenden Böhrchen nach
und nach zunimmt, der Sauerstoff nicht mehr zu der vergrösserten
Brennfläche gleichmässig in innige Berührung treten kann und
somit nur eine unvoUkommenere Verbrennung der austretenden
Petroleumdämpfe stattfindet. Schon einfache unparteiische stun-
denweise Beobachtung einer vorher wohl vorbereiteten Petroleum-
flamme überzeugt durch den Augenschein, wie die Flamme immer
trüber und trüber wird. Bei Versuchen mit Photometeni, die
ich später erwähnen werde, wurde constatirt, dass eine Versuchs-
flamme in einer Stunde von 9 Lichtstärken auf 4,5 herabsank.
Um diesen üebelstand möglichst zu vermindern, muss der Docht
an jedem üntersuchungstage seines Brandschorfes mit Hinweg-
nahme von 2 — 3 Mm. des unter demselben befindlichen Dochtes
mittels einer scharfen*) liampenscheere entkleidet werden. Ferner
muss der Oelstand im Behälter stets möglichst hoch sein, da erst
bei reichlicher Nahrungszufuhr die Lampe das Meiste leistet.
Ein angebrachter Oelmesser lässt auf einen Blick die Höhe des
Oelstandes erkennen. Noch hat man beim Anbrennen des Dochtes
wohl darauf zu merken, dass man denselben nur soweit* heraus-
dreht, bis die Flamme die Einkerbung des Cylinders gerade
knapp überragt. Es vergehen einige Secunden bis der den Docht
passirende Oelstrom in den Gang gekommen ist. Erst nun dreht
man den Docht langsam und nur so weit heraus, dass die Flamme
einen ruhig, gleichmässig brennenden, weissen Flammencylinder
darstellt. Ich betone dieses Verfahren beim Anbrennen speciell;
1) Eine stumpfe Lampenscheere, wie sie in jedem Haashalte im Ge-
brauch sind, schneidet die feinsten Oelcylinder des Dochtes nicht durch,
sondern quetscht sie unvermeidlich mehr oder weniger zu. Ebenso ver-
ursacht blosses Abwischen des Dochtes Verschmierung und Verstopfung
desselben.
ein nener Apparat zur Untersuch, d. NaseDrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 133
weil es ein ganz gewöhnlicher Fehler ist, dass in der Eile der
Docht zu weit herausgedreht wird. Es steigt dann nach kurzem,
anscheinend sehr intensivem Brennen die Flamme mit gelbrother
Farbe und langen Spitzen im Cylinder in die Höhe, weil von
der zu gi'oss gewordenen Dochtfläche zu viel Petroleumgas ent-
wickelt wird, nicht vollständig verbrennt und so die Flamme färbt.
Ist d.Qjc Cylinder rein, der Oelstand hoch, der Docht gut ab-
geschnitten und vorsichtig angebrannt, so wird man, wie ich,
mit der fieinheit und Intensität der Lichtquelle stets zufrieden
sein. Ebengenannte Eigenschaften waren auch Veranlassung,
dass Herr Prof. Dr. Lösche den Apparat fttr das hiesige Poly-
technicum als starke, reine Lichtquelle zu optischen Versuchen
angeschaflft hat, nachdem er auf spectroskopischem Wege die sehr
gleichmässige Farbenvertheilung der Flamme dargethan hatte.
Nun hat Kirchhoff*) nachgewiesen, dass ein glühender,
also Licht ausstrahlender Körper Licht von derselben Wellen-
länge absorbirt. Wir weiden also die Lichtinsensität einer
homogenen Lichtquellcnicht erhöhen können, wenn wir sie in
den Krümmungsmittelpunkt eines Reflectors anbringen. Ziehe
ich aber in Erwägung, dass jede Flamme nicht vollständig ho-
mogen ist, so kann ich wohl annehmen, dass ich eine licht-
verstärkung erhalte, wenn ich meine Flamme zwischen den
Krümmungsmittelpunkt eines cylinderförmigen Reflectors und den
letztem selbst stelle. Die Lichtstrahlen werden von der Cylinder-
üäche divergent reflectirt und werden so durch Reflexion zu
Theilen der Flamme, von denen sie nicht ausgingen, die nicht
homogenen Flammentheile verstärken können. Ob durch Zurück-
werfen* der Wärmestrahlen ein erhöhtes Glühen der Kohlen-
theilchen bewirkt wird, lasse ich dahingestellt. Dass aber eine
Verstärkung der Lichtintensität statthat, lehrt der Augenschein
und das photometrische Experiment.
Der einfache Cylinderreflector , den ich anwende, ist eine
mit Zinkweis ausgekleidete Thonzelle ^), welcher der Boden fort-
genommen ist und in deren Wandung eine Oefiiiung zum Aus-
tritte der Lichtstrahlen angebracht wurde. Die Thonzelle wird
einfach über den Brenner gestülpt und dient zugleich zum Ab-
blenden des übrigen Lichtes.
1) Eisenlohr a. a. 0. S. 270.
2) YersQche mit auf Kapfer plattirtem Silber missglückten, indem die-
selben die Bitze nicht aashielten. Spiegel ans massivem Silber oder von
Platin wurden als zu theuer vermieden.
134 XI. SCHALLE
Um nun das Licht in den Nasenrachenraum oder den Kehl-
kopf zu leiten, bedient man sich einfach*) und doppelt reflec-
tirten Lichtes. Das erstere benutzen wohl noch einzelne Autoren,
ohne dass sie den Vorwurf zurückweisen können, dass der Unter-
suchende sich fortwährend durch eigene Körpertheile das Licht
nimmt. Man ist daher allgemein zum doppelt reflectirten Lichte
übergegangen, indem man das Licht mittelst eines vor oder
neben dem Auge des Untersuchenden befindlichen Spiegels in
den Rachenraum des zu Untersuchenden und von hier mittelst
Kachenspiegels in die zu betrachtenden Körperhöhlen reflectirt
Hier^) müssen wir nun auch den Hauptlichtreflex hervor-
zubringen suchen und sind dabei an bestimmte Maasse gebunden.
Um mit emmetropischem Auge kleine Gegenstände genau
zu sehen, würde eine Annäherung auf 20—25 Cm. wünschens-
werth sein. Wie weit kann ich nun das zu untersuchende Organ
dem Auge nähern? Zwischen dem Untersuchenden und Unter-
suchten muss ein Zwischenraum bleiben, um die Strahlen der
seitlich befindlichen Flamme (Tat 11. u. IIL Fig. 1.) mit dem
Beleuchtungsspiegel aufzufangen und um die nöthigen Listrumente
in die Mund-, resp. Nasenhöhle einführen zu können. Dieser
Zwischenraum wird allgemein auf 4 — 5" gesetzt und habe ich
denselben für meinen Apparat auf 14 Cm. fixirt. Der Abstand
von der Mundöflfnung bis zur hinteren ßachenwand beträgt 3"
oder 8 Cm., und ebensoviel die Entfernung von der hinteren
Rachenwand bis zur Stimmritze resp. Choaneneingängen. Diese
Maasse nehmen Türck (1. c. S. 117) und Luschka^) aH;
Frank el (I.e. S. 541) bestätigt sie durch Messungen an Leben-
den und ich fand dieselben durch Messungen an guten Abbil-
dungen.'*) Schliesslich nahm ich an 60 Individuen directe Mes-
1) Es ist ein verbreiteter Fehler, die einfach, nämlich durch den Bachen-
spiegel, reflectirte Beleachtang mit dem Namen „directe'' zu belegen. Von
einer directen Beleachtang kann man nur bei Besichtigung des Nasen-
rachenraames von vorn, des mittleren Kachenraames und des Kehlkopfes
auf die von Voltolini a. a. 0. S. 71 angegebene Weise reden.
2) Czermak, Der Kehlkopfspiegel. Wien 1863. S.28 berichtigt meines
Wissens zuerst Semeleder 's fälschliche Ansicht, den Haaptlichteffect aof
die hintere Bachenwand, also auf den Bachenspiegel einzustellen.
3) Der Kehlkopf. Ttibungen 1871. S. 49.
4) Politzer, Wandtafeln zur Anat. des Gehörorgans. Wien 1873. Nr.V.
— Braune, Anatom. Atlas. Tab. I. a. und Tab. 11. — Büdinger, Topo-
graphisch-chirurgische Anatomie des Menschen. I. u. II. Abth. Tafel VII.
— V. Bruns, Atlas zur liaryngoskopie. Tübingen 1865. Tafel I.
..- -^,,-
Ein neuer Apparat zur Untersuch, d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 1 35
sangen der Entfernung vom Rande der Zähne zur hinteren
ßachenwand vor und fend dabei allerdings Schwankungen von
7,5 — 9,5 Cm. und eine Durchschnittszahl von 8,55.
Beachtet man nun diese erheblichen Schwankungen, und
weiter, dass die hintere, die obere Rachenwand, Tubeneingänge,
Choanen und mittlere Muscheln um mehrere Cm. differirende Ent-
fernungen geben und, wie diese Differenzen bei verschiedenen
Altem und Geschlechtem noch wesentlich wachsen, so liegt wohl
klar auf der Hand, dass von einem genauen Maasse überhaupt
keine Rede sein kann.
Schliesslich habe ich den Weg des Versuches eingeschlagen
und nach zahlreichen Proben gefunden, dass ich im Durchschnitt
sowohl für Pharyngoskopie als Laryngoskopie am besten gethan
habe, den Hauptlichteffect auf 28 Cm. vom Augenspiegel einzu-
stellen, so dass also bei 14 Ctm. Distanz des Mundes des Kranken
vom Spiegel noch 14 Cm. als Entfernung vom Mundrande bis
zum Rachen-, resp. Kehlkopfbilde entfallen.
Alle Hohlspiegel brechen nun das Licht, welches sie em-
pfangen, nach dem einfachen Gesetze
F ~ a' "^ a
wenn F den Brennpunkt des Spiegels a^ Entfernung der Licht-
quelle und a den Vereinigungöpunkt der reflectirten Lichtstrahlen
zum Flammenbilde bedeutet.
Es ist bekannt und aus obiger Formel leicht abzuleiten,
dass das Flammenbild jenseits des Krtimmungshalbmessers steht,
wenn die Lichtquelle sich zwischen Brennpunkt und Krümmungs-
halbmesser des Spiegels befindet; es ist dal^ei grösser und ent-
sprechend lichtschwächer.
Steht die Lichtquelle im Krümmungshalbmesser des Spiegels,
so tritt das Bild in die gleiche Entfernung und ist gleich gross.
Steht die Flamme jenseits des Krümmungshalbmessers, so
erscheint das Bild diesseits desselben und ist kleiner, dafür aber
lichtstärker. Ein anderes physikalisches Gesetz lautet: Die Licht-
intensität steht im umgedrehten Verhältnisse mit dem Quadrate
der Entfernung vom leuchtenden Körper.
Stelle ich also die Lichtquelle sehr nahe, so gewinne ich
zwar Licht, aber es vertheilt sich dafür dem ersten Gesetze ent-
sprechend auf eine grössere Fläche. Stelle ich die Lichtquelle
fem, so kann ich weniger Licht fassen, gewinne aber wieder
durch das kleinere lichtstärkere Bild. Was ich auf der einen
Archiy für OhrenlieilkTinde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd ) 10
136 XL SCHALLE
Seite gewinne, entfällt mir auf der andern. Die einen unter-
suchen mit dem vergrögserten, die andern mit dem verkleinerten
Flammenbilde, ich wähle die Mitte und nehme das Flammenbild
im Krümmungshalbmesser.
Dementsprechend muss ich einen Spiegel von 28 Cm. Krüm-
mungshalbmesser verwenden, da, wie wir oben sahen, der Haupt-
lichteflfect auf 28 Cm. erreicht werden soll.
Je grösser nun der Spiegel, um so grösser die Lichtmenge,
die er aufiiehmen kann. Dennoch setzen auch hier Grösse des
Oeflfnungswinkels und der Preis gewisse Grenzen, wenn auch
der erstere Grund hier wenig in Frage kommt, da es sich nicht
um Herstellung eines optisch richtigen Bildes , sondern nur um
eine möglichst grosse Vereinigung von Lichtstrahlen handelt
Der von mir angewendete Spiegel (Taf. IL u. IIL Fig. 1 . 2. 3.)
hat 12 Cm. Durchmesser. Derselbe ist doppelt durchbohrt und
zwar so, dass beide Löcher nicht blos in gleicher Entfernung
vom Mittelpunkt des Spiegels, sondern auch mit demselben in
einer Graden liegen.*)
Es wird so binoculäres Sehen ermöglicht, dessen Nutzen
von vornherein so am Tage liegt, dass ich mich auf einen Be-
weis der VorzUge desselben nicht einzulassen brauche.
Man schlug vor'), den Spiegel vor die Nase oder die Stirn
zu stellen, um mit beiden Augen darüber oder darunter weg-
zusehen. WeiP) bespricht das binoculäre Sehen, indem man
mit einem Auge durch den Spiegel, mit dem andern neben dem-
1) Nachdem meine eigne Idee, die Spiegel doppelt zu darchbohren,
schon vom Glasschleifer und Opticus ausgeführt war, erfuhr ich aus Tiirck,
dass schon Moara: Trait^ pratique de Laryngoscopie et de Rbinoscopie,
Paris 1864, eine ähnliche Anwendung mittheilt; er sagt S. 26: reflectenr,
muni de deux trous excentriques dispos^s sur un m§me horizontale. Les
trons etroits ont chacun de 15 ä 20 millivetres de longueur, ils sontsepares
Tun de lautre par un Intervalle de 40 ä 45 millim^tres et permettent de
Yoir rimage laryngienne avec les deux yeux. Ce reflecteur nous sert pn'n-
cipalement pour ^clairer le larynx avec la lumi^re solaire diffuse.
Daraus, dass er ihn principalement für diffuses Licht, also gewiss
selten anwendete, und dass er auf S. 28 obigen Buches den Concavspiegel
auf der Stirn zu befestigen und dann unter dem Spiegel weg mit zwei
Augen zu sehen anräth, geht hervor, wie wenig Werth er auf die Verwen-
dung doppelt durchbohrter Spiegel legte und wie er den Hauptwerth, die
günstige Stellung der Sehachsen zur Centralachse des Spiegels und des
Lichtkegels gar nicht erkannte.
2) V. Bruns, Atlas zur Laryngoscopie. Tübingen 1865. Taf. IV.
3) Die Gewinnung vergrösserter Kehlkopfbilder. Heidelberg 1872. S.U.
Ein neuer Apparat zur Untersuch, d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 137
selben vorbeisieht, eine Methode, die gewiss von den Meisten
Tinwillktihrlich geübt worden ist.
Der Werth des binoculären Sehens wurde somit anerkannt,
aber es ist eine andere Frage hier aufzuwerfen: Ist es denn
überhaupt möglich, mit beiden Augen die Choanen oder den
Kehlkopf zu sehen? Die unsere beiden Retinae trejBFenden Licht-
strahlen müssen ebenso divergent austreten, wie unsere Sehachsen
convergent zum Bilde stehen. Es handelt sich also darum: Be-
schränkt nic^t Mundrand oder Isthmus faucium, so wie es z. B.
der äussere Gehörgang thut, das Ausfallen so divergenter Licht-
strahlen ?
Nun ergaben mir 60 Messungen an Lebenden, dass die
Pupillen zwischen 53 und 67 Mm. Abstand hatten, während bei
54 Individuen also bei 90 ^/o der Untersuchten die Schwankung
sich zwischen 56 und 63 hielt. Die Durchschnittszahl betrug
59,8 Mm. Es ergab sich ferner, dass bei möglichst weit und
rund geöffnetem Munde die Mundhöhen zwischen 30 und 42 Mm.
die Mundbreiten zwischen 34 und 59 Mm. schwankten.
Nehme ich nun als weiten Pupillenstand 63 und stelle die
Pupillen in Fig. 4 (Taf. II. u. III.) nach c und b , nehme den
Schnittpunkt der beiden Sehachsen, also das Choanenbild in a
aji, der bei 28 Cm. Entfernung des Bildes vom Spiegel, wie wir
oben sahen, und mit Rücksicht darauf, dass unsere Augen sich
3 Cm. hinter dem Augenspiegel befinden, hier 31 Cm. von der
Linie cb absteht, setze ich de als Entfernung der Sehachsen
in der Mundöffnung und diese also 14 Cm. vom Bilde a, so ist
cb : de = ag : af,
6,3 : de = 31 : 14,
oder in Mm. 63 : de = 310 : 140
de = 630 : 140
310
de = 28,45.
Da nun obige 60 Messungen sowohl in Höhe als Breite
des Mundes selbst in den Minimalgrössen die Zahl 28,45 über-
schreiten, so ist damit bewiesen, dass die Mundöffnung für bino-
culäres Sehen nicht zu klein ist.
Noch könnte man an den Isthmus faucium denken. Derselbe
befindet sich vom Choanenbilde, wie wir oben sahen, 8 Cm.
entfernt; ich setze ihn dementsprechend in Figur 4 (Tafel II
u. III.) nach hl
10*
.*• •*
138 XI. SCHALLE
cb : hi = ag : ak
6,3 : hi = 31 : 8
hi = 8.6,3
31
hi = 16,25 Mm.
Ein Isthmus faucium kleiner als 16,25 Mm. kann aber nur
bei ganz abnormer Bauart oder sehr hypertrophirten Tonsillen
vorkommen , gehört also zu den sehr seltenen Fällen oder ist
durch Operation zu erweitern. Ein Hindemiss fttr binoculäres
Sehen findet also auch an dieser Stelle nicht statt.
Ein wirkliches Hindemiss entsteht erst durch die in einzelnen
Fällen erforderliche Anwendung von Rachenspiegeln, die kleiner
sind als 16,25.
Leicht kann man sich im Uebrigen an meinem Apparate
durch abwechselndes Schliessen des einen und des andern Auges
überzeugen, dass ein binoculäres Sehen stattfindet und dabei
noch einen Vortheil, nämlich den eines wesentlich vergrösserten
Gesichtsfeldes beobachten, indem man bei Gebrauch des rechten
Auges den rechten, des linkes Auges den linken Theil des Bildes,
welches wir mit beiden Augen vollständig erblicken, nicht sehen
kann. Es erhellt hierbei zugleich, dass nur das Centrum, also
der Theil des Bildes, welcher dem Schnittpunkte der beiden
Sehachsen am nächsten liegt, wirklich binoculär gesehen wird.
Nun ist der Einfallswinkel der Lichtstrahlen immer dem
Ausfallswinkel gleich und ich muss daher das beobachtende
Auge möglichst nahe dem Centrum des Lichtkegels, also auch
dem des Spiegels anbringen, und will ich mit beiden Augen in
gleichem Sinne verfahren, so muss ich sie mit dem Centrum auf
eine Grade stellen, wie dies bei meinem Spiegel durch Stellung
der Sehlöcher der Fall ist. Es erhellt hierbei, wie falsch die
vielgebrauchte Methode ist, mit einem Auge durch den Spiegel
und mit dem anderen neben demselben vorbeizusehen, da hier
das eine Auge sich im Centrum des Lichtkegels, das andere
sich um den vollen Radius des Spiegels vom Centrum entfernt
befindet.
Die Löcher meines Spiegels halten 1 Mm. im Durchmesser
und sind in ihrem Centrum 54 Mm. von einander entfernt.
Nehme ich mit Berücksichtigung obiger Abstände unserer
Pupillen als Mittelabstand 60 Mm. und ziehe in Erwägung, dass
dieselben sich ihrer anatomischen Verhältnisse zur Nase und
/
Ein neuer Apparat zur Untersncfa. d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 139
Stirn halber in Wirklichkeit circa 3 Cm. hinter dem Spiegel
befinden und unsere Sehachsen sich 28 Cm. vor dem Spiegel
schneiden sollen, so ergibt obige Construction (Taf. IL u. III. Fig. 4)
und Rechnung, dass die Abstände der Sehachsen beim Passiren
des Augenspiegels und somit also auch die Centren der Sehlöcher
noch 54 Mm. entfernt sein müssen. Die Construction bleibt immer
dieselbe und es ist selbst bei bedeutendem Abweichen von der
Durchschnittszahl der Pupillenabstände, also 60 Mm., der Fehler
ein sehr kleiner, wenn wir einfach annehmen, dass die Abstände
der Sehlöchercentren immer 6 Mm. kleiner sein müssen, als die
der Pupillen des betreffenden Untersuchers. Im Allgemeinen aber
können Leute, deren Pupillenabstände in der gewöhnlichen Norm,
also zwischen 56 und 63 Mm. sich befinden, mit dem Spiegel
untersuchen, den ich für meinen Pupillenabstand von 60 Mm.
verwende.')
Die Grösse des Spiegels bietet hierbei noch den Vortheil,
dass Mond und Nase des Untersuchenden vor den directen Ex-
halationen des Kranken geschützt sind, eine Annehmlichkeit, die
in gewissen Fällen, z. B. Ozaena, Syphilis, nicht zu unter-
schätzen ist.
Die Fixirung des Augenspiegels, meines Wissens aller Ap-
parate, geschiehtyiun an einem excentrischen Theile desselben.
Ich ziehe es vor, meinen Spiegel durch ein Kugelgelenk voll-
ständig centrisch zu befestigen, wodurch mir der grosse Vortheil
erwächst, dass bei allen Stellungsänderungen des Spiegels dessen
Centrum und die Centralachse des Lichtkegels immer unver-
ändert bleibt, wodurch allein eine schnelle und sichere Einstellung
d^s Hauptlichteffectes ermöglicht wird.
Suchen wir nun die Stellung, welche der Kranke am Apparate
einnehmen muss, damit seine zu untersuchenden Organe in der
oben erwähnten Entfernung sich vom Spiegel befinden, und die
Mittel, wie er diese Stellung schnell erreichen und ruhig und
sicher einhalten kann.
Zunächst gebe ich dem Kranken gewisse fixe*) Punkte, indem
ich am Tische ein Halteblech anschraube (Taf. 11. u. EI. Fig. 1),
an welches der Patient während der Untersuchung seinen Kopf
1) Bei etwaiger BestelluDg meines Apparates würden Collegen, deren
Pupillenabstand nicht zwischen 56 und 63 Mm. fällt, das Maass anzugeben
haben^ damit dann die Sehlöcher entsprechend angebracht werden.
2) von Er uns a. a. 0. S. 37 erkennt auch an, dass „in der Regel''
die Fixirung des Kopfes des Kranken noth wendig sei.
140 XI. SCHALLE
seitlich anlegt. An dem vorderen Rande dieses Bleches ist eine
abschraubbare Querstange in der Höhe von 47 Cm. über dem
Tische befestigt, auf welche der Kranke seine Spina nasalis auf-
legt und so gegen jede Schwankung nach der Seite oder nach
vor oder rückwärts zwei fixe, fühlbare Haltpunkte gewonnen
hat, die er mit gutem Willen und geringer Energie leicht fest-
halten kann.
Hierbei lege ich hohen Werth darauf, dass die Stellung des
Eoptes eine stark vornüber geneigte ist, wie es von mehreren
Autoren, insbesondere von Merkel und Voltolini, scharf beton
wird.*) Der Letztere gibt an, dass Gaumen und Zäpfchen im
erschlafften Zustande in gedachter Stellung des Kranken dnrcli
ihre eigene Schwere nach vorn sinken und so den Kaum zwischen
ihnen selbst und dem Zungengrunde vergrössem, zugleich aber
auch in dieser Lage gegen Berührung mit dem Rachenspiegel
am meisten geschützt sind. Voltolini sagt in der oben citirten
Arbeit S. 17 sehr wahr: „Gelingt die Khinoskopie nicht ohne
Hebung des Zäpfchens, so gelingt sie noch weniger mit Hebung
desselben." Ich trete dieser Ansicht vollständig bei, indem ich
nie mehr einen Zäpfchenhalter anwende.
Ein zweiter Grund, der die vornüber geneigte Stellung so
vortheilhaft macht, und auf den meines Wissens noch Niemand
aufmerksam gemacht hat, ist der, dass unter Concavstellung der
Halswirbelsäule sich diese von der Schädelbasis entfernt und
somit eine Vergrösserung des, Raumes zwischen Gaumen und
hinterer Eachenwand eintreten muss. Eine Betrachtung des
Skelets oder der betreffenden Abbildungen in obigen Atlanten
lässt die Richtigkeit der entwickelten Ansicht leicht begreifen.
So ist es auch nur möglich, wie Autoren die horizontale oder
gar wie Moura (L c.) und Türck (L c. S. 103) die nach hinten
gebeugte Stellung für Pharyngoskopie empfehlen konnten, indem
sie jedenfalls den Kopf stark nach vom drücken und so die
Halswirbelsäule concav stellen Hessen. In jedem Falle entging
ihnen der von Voltolini erwähnte gewiss sehr wichtige Factor
des Nachvornsinkes der Weichtheile des Gaumens und darum
empfehlen genannte Autoren auch so eifrig die Zäpfchenhalter.
Von einer gleichzeitigen Intonation von Nasenlauten, ge-
1) Voltolini, Zur fünfzigjährigen Jubelfeier der königlichen Univer-
sität Breslau. IL Zur Rhinoskopie und Pharyngoskopie. Breslau. 1871. S. 19.
— Merkel, Physiologie der menschlichen Sprache. Leipzig. 1866. S. 36.
Bin neuer Apparat zur Untersuch, d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 141
näselten oder Mundnasenlauten, von der Kräuter*) behauptet,
dass sie allein eine freie Communication zwischen Rachen- und
Nasenrachenhöhle ermöglichen, habe ich keinen erheblichen Vor-
theil gesehen und halte daran fest, dass unter Benutzung des
Vorfalles des weichen Gaumens durch eigene Schwere die voll-
ständige Ruhe der Gaumenmusculatur flir die Untersuchung am
günstigsten ist.
Damit nun der Kranke die gewünschte Stelle bequem ein-
nehmen, also seine Spina nasalis an obige Querstange, die ständig
47 Cm. über dem Tische angeschraubt bleibt, anlegen kann, so
muss die Stellung der Sitzknorren des Kranken verschiebbar
sein, weil ja die Entfernung der Spina nasalis von der Spina
coccygis bei den verschiedenen Menschen eine verschiedene ist.
Zu dieserh Zwecke verwende ich einen Drehsessel, der in Ver-
bindung mit 2 Tritten eine Stellung des Sitzes von 10 — 85 Cm.
über dem Fussboden gestattet, welcher Spielraum sowohl die
pharyngoskopische Untersuchung von Kindern, wie andererseits
die laryngoskopische Beobachtung sehr grosser Personen noch
gestattet. Weiter ist auf einem kleinen Gestell ein Metermaass
mit leicht ersichtlichen Theilstrichen und Zahlen angebracht,
welches neben den Sessel zu stehen kommt und an dem man
mit Leichtigkeit die Sitzhöhe des betreflfenden Sitzes ablesen
kann. Kommt nun ein neuer Kranker, so passt man die be-
treffende Sitzhöhe ab, was bei nur einiger Uebung sehr schnell
geschieht, liest auf dem Maasse die Höhenzahl und hat dieselbe
nun ein für alle Male bestimmt, indem der Kranke bei jeder
neuen Untersuchung seine Sitznummer ansagt, ja meist aus eignem
Interesse selbst einstellt, während man noch sonstige Vorkeh-
rungen trijfft.
Für die Laryngoskopie verhält es sich nun ähnlich. Hier
sind wohl die meisten Autoren einig, dass die hintenüber ge-
beugte Stellung des Kopfes die richtige ist,* doch möchte ich
auch hier betonen, dass das starke Vorwärtsstrecken des Kopfes
alle Manipulationen erleichtert, indem flir dieselben die Erwei-
terung des Rachenraumes nur günstig sein kann. Auch bei der
Laryngoskopie fixire ich durch obige Querstange, die in diesem
Falle 36 Cm. über dem Tische angeschraubt wird, wie oben
beschrieben, die Spina nasalis des Kranken und gebe Anweisung,
1) Das physiologische System der Sprachlaute. Archiv f. Anat., Phys.
und wiss. Med. 1873. S. 449.
142 XI. SCHALLE
möglichst den Kopf hintenüber zu halten und doch vorzustrecken.
In dieser Stellung sitzt der Ba^anfife tiefer als der Arzt und ver-
wendet man also die tieferen Sitzhöhen obiger Vorrichtung und
verfährt im Uebrigen mit Einstellung etc. wie bei der Pharyn-
goskopie.
Da es nicht appetitlich, in gewissen Fällen sogar gefährlich
ist, verschiedenen Nasen durch die Querstange eine Berührungs-
fläche zu bieten, so werden Glasröhren beigegeben, welche über
die Querstange gesteckt werden und von denen jeder Kranke
eine frische bekommt, die nach dem jedesmaligen Gebrauche
sofort ins Wasser zur Reinigung gelangen und dann wieder ander-
weit benutzt werden.
Noch dürfte zu erwähnen sein, dass man gut thut, dem
Kranken bei der Pharyngoskopie die Direction des Zungenspatels
selbst zu überlassen, um seine Aufmerksamkeit von den Mani-
pulationen des Arztes abzulenken, und so die psychische Ursache
der leicht eintretenden Contractionen der Rachenmusculatur zu
vermeiden. Dabei weiss der Kranke am besten, wie weit er
den mechanischen Reiz des Zungenspatels vertragen kann, ohne
Würgbewegungen hervorzurufen. Am meisten eignet sich zu
diesem Zwecke der Türck'sche Zungenhalter, während man
manchmal, wie das auch G ruber*) empfiehlt, mit einem ein-
fachen Katheter wegen seiner kleinen Berührungsfläche am ehesten
zum Ziele kommt. Auch muss man sich obenerwähnter oft kaum
zu besiegender Reizbarkeit halber in einzelnen Fällen zur An-
wendung sehr kleiner Rachenspiegel verstehen ; am glücklichsten
ist man aber stets dann, wenn man das Hauptaugenmerk auf
eine recht schnelle Untersuchung richtet.
Hierzu aber gehört nicht nur rasche und gewandte, die Be-
rührung der Organe des Kranken vermeidende Einführung des
Rachenspiegels, sondern auch die schnelle und sichere Einstellung
des Lichtes.
Dies geschieht aber durch eine einfache Bewegung am Spie-
gel, hinter dessen Sehlöcher man vorher seine Augen postirt hat.
Ein Vor- und Zurückfahren mit dem am eignen Kopf befestigten
Spiegel, um die richtige Entfernung und damit den besten Licht-
effect zu erhaschen, fällt weg, weil der Spiegel am Apparat be-
festigt ist (s. Taf. n. u. in. Fig. 1) und weil schon dadurch, dass
sich Arzt und Kranker an die richtige Stelle des Apparates be-
1) Lehrbuch der Ohrenheilkunde. Wien. 1870. S. 187.
J5^T.
Ein neuer Apparat zur untersuch, d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 143
geben, sofort auch die richtige Distanz gefunden ist. Ich zweifle
nicht, ich habe ja vor 3 Jahren auch noch so untersucht, dass
man nach längerer Uebung mit dem excentrisch fixirten, am
eignen Kopfe befestigten Spiegel auch dahinkommt, den Hanpt-
lichteffect richtig einzustellen; warum soll ich aber nicht das
Einfachere, Bequemere, Sicherere und somit Bessere wählen,
wenn es mir geboten ist?
Damit aber die Stellung des Arztes zum Kranken ein flir
alle Mal dieselbe bleibt, gehört noch eins dazu: auch der Spiegel,
d. h. sein Kugelgelenk, muss immer denselben Höhepunkt ein-
nehmen. Dem übrigen Baue des Apparates entsprechend beträgt
die Höhe des Centrums des Spiegels 40 Cm. über dem Tische.
Auch hier muss, da die Untersuchenden einen verschieden langen
Oberkörper haben, die Sitzhöhe dementsprechend geregelt werden.
Am besten eignet sich auch hierzu ein einfacher Drehsessel, der
ein für alle Mal so eingestellt bleibt, dass der Arzt gerade be-
quem, ohne jede Beugung des Nackens durch die Sehlöcher des
Spiegels blicken kann. Erst nun, nachdem so die Stellung des
Arztes und des Kranken gefunden ist, gehe ich zur Entfernung
der Lichtquelle vom Augenspiegel .über.
Ist die Entfernung der Lichtquelle vom Concavspiegel a',
die des Bildes a und der Brennpunkt des Spiegels F, so gilt
die Formel
F a' "^ a'
Die EntfeiTiung des Bildes, d. h. Hauptlichteffectes ist, wie
uns bekannt, 28 Cm., der Brennpunkt des Spiegels, wie wir
früher sahen, 14 Cm. also ist
1 _ 1 o- -1
F ~ a' + a '
1 — 1 4_ 1
14 ~ a' "^28'
1 = 1 _ 1
a' ~ 14 28 '
a' = 28.
Die Flamme muss also 28 Cm. vom Spiegel entfernt sein.
Nun können wir die oben beschriebene Lichtquelle noch
dadurch wesentlich verstärken, dass wir zwischen dieselbe und
den Augenspiegel noch ein oder mehrere Linsen einschieben,
die das empfangene Licht .concentriren. Man hat ein-, zwei-
\
144 XI. SCHALLE
und dreilinsige Apparate (Lewin, v. Bruns, Tobold) an-
gewendet. Je stärker die Linse, je grösser die Concentration
von Lichtstrahlen, je grösser aber auch die Aberration. Ersetzen
wir eine starke Linse durch ein System von Linsen, so gewinnen
wir durch Verminderung der Aberration und verlieren durch
Vermehrung der Medien und der reflectirenden Flächen. Ich
wähle daher nur eine Linse. Da ich dieselbe nicht näher als
die Hälfte ihres Durchmessers an die Lichtquelle heranrücken
kann, wenn die Strahlen überhaupt noch im zur Brechung er-
forderlichen Einfallswinker) dieselbe treffen sollen, und da ich
der Aberration gerecht werden muss und doch eine möglichst
starke Linse verwenden möchte, so wähle ich für dieselbe 65 Mm.
Durchmesser und 80 Mm. Brennweite und rücke sie auf 35 Mm.
an die Lichtquelle heran.
Für die Linsen gilt dasselbe Gesetz wie fllr den Spiegel
1 = 1- -L -1
F ~ a' "^ a '
1 = 1 -L 1
80 35 "^ a '
¥ ~ 8Ö ~~ 35 '
a = — 62 Mm.,
d. h. das Flammenbild ist negativ oder die Strahlen verlassen
so die Linse, als ob sie 62 Mm. vor der Linse ausginge^. «Wir
sehen also jenseits der Linse ein zwar concentrirtes, aber immer
noch divergent austretendes, sich also mit der Entfernung stetig
vergrössemdes, umgekehrtes Flammenbild.
Will ich nun die Lichtquelle auf obige Weise aufstellen,
so muss die hintere Linsenfläche 28 — 6 = 22 Cm. vom Spiegel
abstehen.
In dieser Stellung der Lichtquelle erhalte ich ein in Zer-
streuungskreisen befindliches markirtes Flammenbild.
Dass ich kein optisch reines Bild bekomme, hat seinen
Grund darin, dass die oben erwähnten optischen Gesetze nur so
lange zutreffen, als nur der der Centralachse der Linse nahe-
liegende Theil derselben zur Verwendung kommt, ferner, so lange
der Dickendurchmesser der Linse gegen den Höhendurchmesser
zu vernachlässigen ist, femer, so lange die Flächenausdehnung
der Lichtquellen ein kleiner Bruchtheil der Linsenoberfläche oder
1) Siehe Näheres bei Fränkel a, a. 0. S. 561.
/:
Ein neuer Apparat zur Untersuch, d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 145
ihres Abstandes von der Linse ist. Erst dann kann von einem
optischen Bilde die Eede sein. Allen diesen Anforderungen wer-
den unsere Apparate nicht gerecht, ja sie flögen durch Verwendung
des Reflectors noch Complicationen hinzu.
Wie wir nun schon oben erwähnten, handelt es sich bei uns
aber auch nicht um Gewinnung eines optisch-richtigen Bildes,
sondern nur darum, eine Fläche möglichst hell und gleichmässig
zu beleuchten.
Jedes Flammenbild hat entsprechend der Flamme sehr un-
gleich erleuchtete Theile, nämlich zwei sehr helle Randstreifen
und eine weniger erleuchtete Mitte.
Ist es nun schon nicht leicht, auf einer weissen Fläche Licht-
stärken zu taxiren, wie dies die mit so viel Genialität von Bunsen,
Ritschie, Rumford u. A. construirten Apparate beweisen, so ist
es noch viel schwerer, auf einer gefärbten, unebenen, nicht wie ein
glatter Spiegel, sondern wie zahllose, sphärische Spiegel das Licht
reflectirenden Fläche die hellsten Stellen eines Flammenbildes
herauszufinden und halte ich es daher für richtig, nicht mit dem
ungleich hellen Flammenbilde, sondern seinem Zerstreuungskreise
zu untersuchen. An und fllr sich ist es übrigens schon wegen
der Verschiedenheit der Distanzen der zu beobachtenden Rachen-
oder Kehlkopfflächen absolut unmöglich, die Zerstreuungskreise
ganz zu vermeiden, weil eine scharfe Einstellung eben nicht
möglich ist, wie dies auch Hirschberg*) bestätigt.
"Wenn wir das eine oder mehrere Linsen passirt habende
licht einer Flamme mittelst eines Concavspiegels auf eine weisse
Fläche werfen, so erhalten wir an der nach obigen Gesetzen
berechneten Stelle ein von Zerstreuungskreisen umgebenes Flam-
menbild. Entfernen wir den Bildfänger, so finden wir bald eine
Stelle, an der das Flammenbild verschwindet und sich ein gleich-
mässig erleuchteter Kreis gebildet hat, der von hier ab, je mehr
man den Lichtfänger entfernt, immer grösser und somit licht-
schwächer wird. Derjenige Zerstreuungskreis, der zugleich gleich-
mässig hell und doch am kleinsten ist, muss natürlich der licht-
stärkste und somit für uns brauchbarste sein, wobei selbstver-
ständlich nicht geleugnet werden kann, dass dieser Lichtkreis
nicht so hell ist, als die hellsten Theile des Flammenbildes,
welches ihn erschuf, aber er hat eins vor ihm voraus, er ist
eben gleichmässig hell.
l) Üeber die laryngoskopische Beleuchtung. Deutsches Arch. f. klin.
Med. von Ziemssen und Zenker. XII. Bd. S. 575.
146 XI. SCHALLE
Nun ist aber der so erhaltene LicbtefFect nicht nnr dnreli
die directen Strahlen der Lichtquelle, sondern durch die zahl-
reichen reflectirten Strahlensysteme entstanden, welche durch die
die Flamme umgebenden verstärkenden Apparate als einfach und
mehrfach reflectirtes Liebt geboten werden und als ihr gemein-
samer Schnittpunkt zu betrachten sind. Je nachdem nun der
Apparat mit oder ohne Cylinder, als spiegelnde Flächen, mit
oder ohne und mit welcher Art Reflector, mit oder ohne LmBen
ausgestattet ist, befindet sich auch jener hellste Zerstreuungskreis
verschieden weit vom Augenspiegel entfernt und durfte sein Ab-
stand nnr durch eine sehr complicirte Rechnung genau zn be-
stimmen sein.
Viel einfacher und am schnellsten zum Ziele führend ist der
Weg der Experimente, indem ich einfach auf 28 Cm. vom Spiegel
den Lichtfänger aufstelle und nun die Lichtquelle verrücke. Es
ergibt sich dabei, dass der kleinste und hellste Kreis auf 28 Cm.
entsteht, wenn die hintere Linseufläcbe genau 30 Cm. vom Augen-
spiegel entfernt ist. Demgemäsi wird die Lampe auch gestellt
und ist dabei noch zu berücksichtigen, dass, der übrigen Con-
struction entsprechend, die Einkerbung des Cylinders sich gerade
40 Cm. über dem Tische befinden muss, welche Stellung dnrcb
Heraufstelleo des Lampenbrettes leicht bewirkt und durch Schrau-
ben dann für immer fisirt wird.
Nach obigen Gesetzen lässt sich nun leicht das Flammenbild
finden, welches mit die Grundlage zu dem betreffenden Zer-
streuungskreise bildet.
Das Licht scheint bei meinem Apparate ca. 6 Cm. hinter
der Linse herzukommen, also ist der Lichtquellenabstand in
unserem Falle 30 + 6 = 36 Cm.
1 = 1 + 1,
Das Flammenbild ist also 22 Cm. vom Spiegel entfemt-
Die Beleuchtung der betreffenden Organäächen geschiebt
somit mit den Lichtstrahlen verschiedener Systeme, ein Umstand,
der, ähnlich wie wir es beim diffusen Tageslichte sehen, nicht
Ein neaer Apparat zur Untersuch, d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 147
in die Wagschale fällt, da es bei Beleuchtung von Körpern,
deren Oberfläche das Licht fast vollständig zerstreut, nur mehr
auf die Lichtmenge, nicht auf die Richtung der einzelnen Strahlen-
systeme ankommt.
Gleich hier sei erwähnt, dass der hellste Zerstreuungskreis
meines Apparates eigentlich aus zwei sich nahezu deckenden
besteht, ein Uebelstand, der durch die verschiedene Reflexion
der vorderen und hinteren Spiegeloberfläche bedingt ist und ganz
wegfiele, wenn man Metallspiegel verwenden würde, die sich
aber aus bekannten Gründen nicht empfehlen.
Je grösser die Einfallswinkel, je weniger werden sich die
Kreise decken. Wir müssen also eine möglichste Annäherung
des Bildes an die Lichtquelle zu bewirken suchen und erreichen
sie dadurch, dass wir den Kranken die Wange und den Mund-
rand fest an das Halteblech anlegen lassen. Es bleibt dann
nur der unvermeidliche Abstand von den Choanen oder der
Stimmritze zum Rande des Schädels , in Wirklichkeit also circa
10 Cm. Auf der anderen Seite nähern wir die Lampe dem
Haltebret so weit, dass sie gerade noch den Spiegel voll be-
leuchtet. Es steht dann der GlascyliniJer der Lampe noch 10 Cm.
von der ihm zugekehrten Eisenschiene des Haltebleches ab.
Hiermit erhalten wir auf 28 Cm. Entfernung einen homo-
genen Lichtkreis von 5 Cm. Durchmesser, an den sich zwei 1 Cm.
resp. 1,5 Cm. breite in der Horizontalen befindliche minderhelle
Halbmonde anschliessen.
Da nun die Weite des Isthmus faucium circa 25 — 35 Mm.
beträgt, sq können bei richtiger Spiegeleinstellung die hintere
Rachenwand und erst recht die Pharynx- oder Larynxtheile nur
von dem centralen, gleichmässig erleuchteten Theile des Licht-
kreises getroffen werden, da alle seitlich gelegenen Theile schon
durch den Isthmus abgeblendet werden.
Hat man das Halteblech am Tisch angeschraubt, Spiegel
und Lampe an den oben erwähnten Stellen angebracht, so bleiben
diese Apparate für immer stehen, ebenso wie die Querstange flir
Pharyngoskopie, resp. flir Laryngoskopie immer dieselbe Stelle
einnimmt. Alle genannten Apparate sind daher mit Schrauben
versehen, die ein flir alle Male eingestellt bleiben. Das einzig
Veränderliche ist die Sesselhöhe der Kranken.
So eignet sich der Apparat flir den praktischen Gebrauch
und man kann vernachlässigen, dass bei kleineren Personen und
Kindern sich die Abstände der zu betrachtenden Flächen etwas
-r-tv
148 XI. SCHÄLLE
kürzen, bei sehr grossen Individuen etwas verlängern, da immer
noch vor und hinter dem hellsten Kreise Licht genug zur Unter-
suchung vorhanden ist.
Will man aber in einem speciell wichtigen Falle einen viel
näheren Punkt, z. B. die Nasenhöhle, oder viel weitere, z. B. die
Bifurcationsstelle, mit bester Beleuchtung betrachten, so stelle
man, Mund oder Nasenhöhle auf 20 Cm. Entfernung angenommen^
die Lampe auf 45 Gm. und umgedreht, die Bifurcationsstelle auf
45 Cm. geschätzt, die Lampe in 20 Cm. Entfernung auf. Natür-
lich gibt ein Apparat, der für Einstellung auf 28 — 30 Cm. con-
struirt ist, nicht ein gleich gutes Licht auf 45 Cm. und wird
durch Verschiebung der Lichtquelle eben immer nur eine licht-
schwächere Beleuchtung geboten. Für gleich gute Bereuchtimg
so erheblich abweichender Distanzen müssen Spiegel mit an-
deren Brennweiten, also in den betreflfenden Fällen von 10 Cm.
resp. 22 Cm. angewendet werden.
Zur Untersuchung des Gehörorganes qualüScirt sich der
Apparat durch seine Lichtstärke vorzüglich.
Dass man in den trüben Novembertagen oft zur künstlichen
Beleuchtung greifen muss, ja dass sie selbst im Sommer, wenn
nicht Sonnenlicht zur Disposition steht, zu bester Beleuchtung
schwerer zu sehender Trommelfellbefunde nothwendig ist, dürfte
wohl ausser Zweifel sein.
Um meinen Apparat zu gedachtem Zwecke zu verwenden,
ninmit man den Augenspiegel fort und gebraucht einen gewöhn-
lichen Ohrenspiegel, wie er für Normalsichtige mit einer Brenn-
weite von 6" oder circa 15 Cm. üblich ist. Stelle ich das zu
untersuchende Trommelfell auf 25 Cm., als gewöhnliche Entfer-
nung flir deutliches Sehen angenommen, so muss ich den Ohren-
spiegel 50 Cm. von der hinteren Linsenfläche entfernen.
Für Fixirung des Spiegels, sei es am eigenen Kopfe oder
am Apparate, bin ich nicht, da das dem Ohrenarzte durch das
gewöhnliche Untersuchen mit Tageslicht handlich gewordene
Halten des Spiegels mit der Hand auch, bei meinem Apparate
gut zu verwenden ist. Damit man, den Spiegel in der rechten
Hand haltend, leicht den richtigen Abstand von der Lampe findet;
habe ich einen Leitungsstab angebracht, der an der Stelle des
vom Apparat abgeschraubten Spiegels angebracht wird und an
dessen Ende man sich gerade 50 Ct. von der Lichtquelle be-
findet. Den Kranken postirt man dadurch schnell und in der
richtigen Distanz, dass man ihn anweist, bei der Untersuchung
Ein neaer Apparat zur ÜDtersach. d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 149
des linken Ohres den rechten Augenrand, und bei der des rechten
Ohres den linken Warzenfortsatz an die vordere Kante des
Haltebleches anzulegen, da sich dann sein Trommelfell circa
25 Cm. von dem Augenspiegel entfernt befindet.
Will man Kurzsichtigkeit halber oder zum Operiren, indem
man mit einer Hand Spiegel und Trichter dirigirt, kürzere
Distanz des Lichteflfectes, also circa 15 Cm. erreichen, so ver-
wendet man einfach einen Ohrenspiegel von 10 Cm. Brennweite
und stellt sich wie oben beschrieben auf 50 Cm. auf, wobei die
Position des Kranken durch die directe Verbindung durch die
eigene Hand von selbst gegeben ist.
Zum Mikroskopiren kann man den Apparat in Gleichem
gut verwerthen, und zwar wie er ist, indem man das Mikroskop
so aufstellt, dass sein Beleuchtungsspiegel sich 26 Cm. vom
Spiegel des Apparates befindet. Man erhält dann eine sehr gute
Beleuchtung, deren blendende, also grüne und gelbe Strahlen
man noch nach Belieben durch blaue Gläser, welche man vor
der Linse anbringt, mehr oder weniger abdämpfen kann.
Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dass zum besten
EflTecte nicht nur meines, sondern aller derartiger Apparate,
gleichviel ob man Pharynx, Larynx, Nase, Ohr oder mikrosko-
pische Präparate beleuchten will, möglichst absolute Verdunkelung
des Untersuchungszimmers nothwendig ist.
Schliesslich stellte ich mit dem erzeugten Lichteflfecte photo-
metrische Messungen an, welche Herr Hofrath Dr. Fleck, Pro-
fessor am hiesigen Polytechnicum und Director der chemischen
Centralstelle flir öffentliche Gesundheitspflege, selbst zu leiten die
Güte hatte.
Die Hauptschwierigkeit bei Prüfung derartiger Apparate be-
ruht darin, dass hier nicht die Stärke einer Lichtquelle, sondern
die Stärke eines Lichteffectes auf eine gegebene Entfernung zu
bestimmen ist. Es muss demnach sowohl beim Bunsen'schen
wie Kumfor duschen Photometer die Normalflamme nicht, wie
bei den gewöhnlichen Versuchen, in der Distanz von 20 Cm.
verharren, sondern beweglich sein und bei mehreren Lichtstärken
also näher herangerückt werden. Bei meinem Apparate müsste
dies auf so nahen Abstand geschehen, dass eine genaue Schätzung
unmöglich würde.
Man könnte nun daran denken, statt der üblichen Normal-
flamme, also einer Paraffinkerze 6 Stück auf das Pftmd, sich
eine intensivere zu verachaffen. Dies ist aber unmöglich, weil
150 XI. SCHALLE
es, abgesehen von Kerzen, keine Flamme gibt, welche, con-
stant bleibt.
Wie der Druck im Gasometer, beeinflusst durch den wech-
selnden Verbrauch, nicht gleichmässig beharrt, ebenso brennen
alle Gasflammen unter wechselndem Drucke mit wechselnder
Intensität, wie Herrn Prof. Fl eck 's Erfahrungen, während er
die Gasprüftmgen für Dresden zu leiten hatte, genugsam dar-
gethan haben.
Die bedeutenden Schwankungen aller Dochtbrenner erwähn-
ten wir schon früher.
Somit war es unmöglich, auf Lichtstärken zu prüfen nnd
wir mussten uns darauf beschränken, photometrische Vergleiche
mit den uns zu Gebote stehenden Apparaten, und zwar in drei
Versuchsreihen anzustellen.
Erstens wurden Photometer, wie sie Bunsen verwendete,
derart construirt, dass eine kreisrunde Fläche einer Papptafel
ausgeschnitten und die Oeflfnung mit geöltem Papier überklebt
wurde, in dessen Mitte ein etwa 1 Cm. grosse Gentralfläehe von
der Oeldurchtränkung freiblieb. Stellten wir nun die vier Ap-
parate von Lewin, Tobold, v. Bruns und mir vor vier so
bereitete Photometer und zwar auf 30 Cm., als der nothwendigen
Entfernung des Hauptlichteflfectes, so war es nicht schwer, den
eminenten Unterschied der Beleuchtung zwischen den ersten drei
Apparaten und dem meinigeu zu erkennen. Um durch etwaige
Ungleichheit der Photometer bedingtes falsches Resultat zu ver-
meiden, wurden die letzteren gewechselt. Der Erfolg war der-
selbe. Zahlreiche CoUegen haben sich in zwei Vorträgen im
hiesigen Verein für Natur- und Heilkunde und im militärärzt-
lichen Verein von dem erlangten günstigen Resultate überzeugt.
Zwischen den drei erstgenannten Apparaten konnte bei diesen
Versuchen ein wesentlicher Unterschied nicht constatirt werden
und gingen wir daher zu einer zweiten Versuchsreihe über.
Wir stellten auf eins der obigen Photometer zwei Apparate
von beiden Seiten in der Entfernung von 30 Cm. ein. Hierbei
ergab sich, dass der Tobold'sche Apparat stärker war als
der von Lewin und wiederum von v. Bruns übertroffen wurde,
welches letzteren •Lichtintensität wieder ganz erheblich hinter
der meines Apparates zurückblieb.
Schliesslich zogen wir eine dritte Versuchsweise in Anwen-
dung unter Benutzung der Rumford'schen Schattenprobe. Wir
beklebten ein kreisrundes Loch einer Papptafel mit Pauspapier
Ein neuer Apparat zur Untersach. d. Nasenrachenraumes u. d. Kehlkopfes. 151
und stellten 2 Cm. von derselben ein Stäbchen auf. Liessen
wir nun das letztere durch den Lewin und Tobold auf 30 Cm.
beleuchten^ so konnte man von der Bückseite des Photometers
beide Schatten gut erkennen, aber auch bemerken, wie der
Tobold den dunklem Schatten erzeugte und sich also als stärker
erwies. Bei Vergleich des v. Bruns und Tobold ergab sich
dasselbe Besultat zu Gunsten des v. Bruns. Stellten wir nun
meinen Apparat mit dem von v. Bruns zugleich auf, so war
insofern der Erfolg ein anderer, als der Schatten des v. Bruns
fast vollständig vernichtet vurde. Bei Aufetellung gegen den
Tobold ergab sich das gleiche Besultat.
Nachdem obige Versuche unter den genauesten Vorsichts-
maassregeln, sowohl mit Bücksicht auf den guten Zustand der
verglichenen Apparate, welche mir von hiesigen Specialisten ge-
liehen wurden, als auch mit strengster Vermeidung aller mög-
lichen Fehlerquellen, die durch schlechtes Brennen der Flam-
men etc. hätten entstehen können, angestellt worden waren und
wir obige evidente Besultate erzielt haben, liegt es wohl klar
am Tage, dass mein Apparat obige vielverbreitete Instrumente
an Lichtstärke bei Weitem übertrifft.
Fasse ich endlich noch einmal alle erreichten Vortheile zu-
sammen, so ergeben sich folgende:
1. wird durch zwanglose, aber sichere Stellung des Kranken,
centrale Fixirung des Beleuchtungsspiegels am Apparate selbst
und gleiche Stellung beider Augen zur Centralachse des Licht-
kegels die Einstellung des besten Lichteffectes auf die schnellste
Weise gestattet;
2. wird binoculäres Sehen geboten;
3. wird durch die Veränderlichkeit der Entfernung zwischen
Lichtquelle und Augenspiegel für besondere Fälle eine Verschieb-
barkeit des Hauptlichteffectes ermöglicht;
4. ist der Apparat auch zu Ohrenuntersuchungen und zum
Mikroskopiren zu gebrauchen;
5. wird für einen mit so einfachem Leuchtmaterial und Hülfs-
mitteln versehenen Apparat sehr grosse Lichtintensität gewährt.*)
1) Der Apparat wird vom Mechanicns und Opticus Schadewell,
Dresden, Seheffelgasse , für 18 Thlr. geliefert. Nacli der beifolgenden Be-
schreibang kann sieb Jeder die nicht mit inbegriffene Sitzvorrichtung nebst
Tritten, Fussbank und Maass von einem tüchtigen Tischler machen lassen»
Auf Wunsch wird sie zum Preise von 8 Thlr. mit beigegeben.
Archiv für Ohrenheilknnde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 1 1
^7
» .
XII.
Ein Beitrag znr Frage: Enthält die Chorda tympani
„Geschmacksfasern ?^'
von
August Carl,
approbirt. Arzt in Frankfurt a. M.
Vielfach sind die Bemühungen gewesen, Licht über die fdnctio-
nelle Bedeutung der Chorda tympani zu verbreiten. So auffallend
nun auch manche Beobachtung, sei es, dass dieselbe aus physio-
logischem, anatomischem, oder klinischem Lager entstammte, in
dieser oder jener Sichtung hervortrat, so kann man doch mit
Sicherheit kaum mehr behaupten: als dass jene nur wenige
Millimeter oberhalb der Austrittsstelle des Facialis durch das
Foramen stylomastoideum sich abzweigende und durch die Pauken-
höhle zum Lingualis vom dritten Aste des Trigeminus ziehende
Nervenbahn von Fasern betreten wird, welche sehr verschie-
denartige peripherische Endapparate mit ihren entsprechenden
Centren zu verknüpfen bestimmt sind. Verlangt man die be-
rechtigten Details : Herkunft und schUesslichen Verbleib der ein-
zelnen, die Chorda constituirenden Factoren, so sieht man sich
mitten in ein Gewirr von einander widersprechenden Beobach-
tungen, Versuchen und Theorien getrieben.
Wahrlich, ich würde es nicht für erlaubt erachten, mich
diesem bei den Physiologen fast in Miscredit gerathenen Gegen-
stande zu nähern, wenn nicht der günstige Zufall, einen charak-
teristischen klinischen Befund, die Gelegenheit experimenteller
Selbstuntersuchung und physiologisches Interesse in dem nämlichen
Individuum, in mir selbst, in Combination gebracht hätte.
Bevor ich es unternehme, die näheren Umstände, welche
mich in diese glückliche Lage setzten, zu schildern, kann ich es
dem Leser und mir selbst nicht ersparen, auf das vorhandene
Material klinischer und physiologischer Erfahrung und die auf
Beitrag zar Frage: Enthält die Chorda tympani ^Geschmacksfasern''? 153
seinem Boden erstandenen Theorien zum Theil genauer einzu-
gehen. Es geschieht dies nicht aus jener seltsamen Gewohnheit
Mancher^ jeder kleinen Beobachtung einen beschwerlichen Quellen-
apparat Yorauszusendeu; sondern lediglich im Bewusstsein, dass
die Thatsachen ,' wie sie aus der Beobachtung des eigenen Be-
fundes sich ergeben, erst im Zusammenhange mit bereits be-
kannten Erfahrungen und verglichen mit den Resultaten des
Thierexperimentes für das Verständniss unseres Gegenstandes
von einiger Bedeutung sein werden. Dies vorausgeschickt, wird
man keine historische Darstellung der Chordafrage erwarten
dürfen. Das Zusammengehörige unter den gefundenen That-
sachen, das Uebereinstimmende in ihrer Auffassung soll ohne
chronologische Strenge zusammen überblickt werden. Am Schlüsse
lasse ich ein Verzeichniss der Literatur, so weit ich mir die-
selbe verschaffen konnte, sich anreihen.
In drei Richtungen glaubt man die Function der Chorda
ansprechen zu dürfen — oder richtiger ausgedrückt: drei Gat-
tungen von Nervenfasern, welche mit drei verschiedenartigen
Endapparaten sich verknüpfen, sollen die einen hier, die anderen
da eintretend und sich wieder abzweigend die Componenten der
Chorda tympani ausmachen. Indessen nicht alle Autoren er-
kennen die Coexistenz aller drei Faserarten in der Chorda an:
nämlich, 1. solcher, welche von reizaufhehmenden Organen der
Zungenschleimhaut kommend, die Auslösung von Geschmacks-
empfindungen vermitteln, 2. solcher, welche der tactilen Empfin-
dung gewisser Zungenpartien dienstbar sind, und 3. solcher,
welche zur Secretion gewisser Speicheldrüsen in inniger Beziehung
stehen. Am häufigsten angegriffen und am wärmsten vertheidigt
hat man die „ Geschmacksfasem ", wie ich sie der Kürze halber
bezeichnen will. Dieselben sollen auch den Hauptgegenstand
der nachfolgenden Betrachtungen bilden, indem ich im Stande
sein werde, dem Thierexperimente, durch welches man über die
Bahnen der gustatorischen Nerven Aufschluss zu erhalten suchte
und einer Reihe von pathologischen Befunden ein weiteres kli-
nisches Factum zur Seite zu stellen, welches vielleicht Schluss-
folgerungen über jene Bahnen ermöglichen wird. Die „ Speichel-
fasem" werden eine, wie ich denke, nicht uninteressante Be-
stätigung durch den directen Versuch am Menschen erfahren, und
was die sensiblen Chordaelemente betrifft, so werde ich darüber
im Anschluss an nicht bestrittene Facta und directe Versuchs-
ergebnisse mich kurz fassen können.
11*
"■"♦ »
154 Xn. CARL
Welcher Umstand zuerst dazu geführt habe, Geschmacks-
fasern in der Chorda zu vermuthen, ist mir unbekannt geblieben,
weil ich nicht in der Lage war, die ersten über diesen Gegen-
stand erschienenen Originalarbeiten einzusehen. Ich musste micli
mit der da und dort gefundenen Notiz begnügen ^ dass ein Auf-
satz von Bellingeri die Chorda tympani als Geschmacksnerven
in Anspruch nimmt, eine Meinung, der sich später Guarini 1842
imd im Jahre 1847 Baragiola anschlössen. Ob diese italie-
nischen Autoren durch bestimmte klinische Erfahrungen oder
an der Hand irgend welcher Experimente zur Erkenntniss der
von ihnen vertretenen Meinung gelangten, blieb mir verborgen.
Im Ganzen kann man drei Hauptveranlassungen aufstellen,
welche stets von Neuem die Betheiligung der Chorda an der
Vermittlung der Geschmacksempfindungen wahrscheinlich machten.
Sie bestehen 1. in der beobachteten Alienation oder dem gänz-
lichen AusfaU der gustatorischen Empfindung an bestimi^ten
Zungenregionen bei gleichzeitigen Anomalien gewisser Kopf-
nerven ohne Betheiligung des Glossopharyngeus; 2. in hin nnd
wieder auftauchenden Berichten, wonach zufällige Reizungen der
Chorda in der Paukenhöhle von mehr oder minder deutlichen
Geschmackeindrücken auf der Zunge gefolgt wurden, und 3. in
den Ergebnissen von Nervendurchschneidungen an Thieren.
Beginnen wir mit einer cursorischen Durchsicht der eben
näher bezeichneten Kategorie pathologischer Fälle, so ist
zuerst derjenige von Meyer (1. c.) zu erwähnen. Eine Pistolen-
kugel, welche beträchtliche Verwüstungen an den oberen Wkbeln
eines Menschen veranlasst hatte und sich post mortem an dem
vorderen Ende des Felsenbeines dicht neben dem Ganglion petro-
sum vorfand, hatte ausser mehrfachen Paralysen anderer Körper-
theile (der Facialis fungirte normal, hingegen war der Qumtus
in allen 3 Aesten gelähmt) eine Geschmacksparalyse im Bereiche
der vorderen zwei Drittel der entsprechenden Zungenseite be-
wirkt. Der Glossopharyngeus fand sich unverletzt.
Bomb er g (I.e.), welcher diesen Fall citirt und mehrere
andere hinzufügt, welche durch die gemeinsame Eigenschaft
charakterisirt sind, dass bei Lähmungen einzelner Aeste oder
des ganzen Trigeminus gleichzeitig Ageustie in den vorderen
Zungenpartien der entsprechenden Seite auftrat, führt diese
Fälle als Zeugen für die specifisch-gustatörische Energie einer
Quintusabtheilung auf
Ein anderer von Eomberg (ibid.) mitgetheilter Fall war
Beitrag^ zur Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasern"? 155
bei totaler Umwachsung des Gasser'schen Knotens von Ge-
schmacksstörungen freigeblieben. Diese klinischen Daten sind
deshalb mit Vorsicht aufeunehmen, weil die Beschreibung der
Ausbreitung der lähmenden Ursache leider sehr wenig eingehend
ist. Eine von Romberg selbst beobachtete Kranke war von
Anästhesie im Bereiche des Quintus linkerseits befallen und den-
noch von jeder AflFection in der Schmeckfähigkeit freigeblieben.
Duchenne (1. c.) theilt in einer Abhandlung, welche weiter
unten uns noch beschäftigen muss, 4 Fälle von Facialislähmungen
mit, von denen drei mit Abschwächung des Geschmackes ein-
hergingen. Zwei davon waren sog. peripherische Lähmungen,
die übrigen beiden sind nicht genauer charakterisirt.
Stich (1. c), welcher eine dankenswerthe Uebersicht über
das Beweismaterial ftlr und gegen die gustatorischen Eigenschaften
der Chorda gewährt, verfügt selbst über eine Anzahl von beob-
achteten Facialisparalysen, die ihn zu der Ueberzeugung gelangen
Hessen, dass Schädlichkeiten, welche den VII. Nerven bereits an
der Schädelbasis treffend zur Lähmung des von ihm versorgten
Muskelgebietes führen, keinen Einfluss auf den Geschmack an
irgend einer Zungenpartie üben; hingegen betrachtet er die Be-
einträchtigung der Geschmacksperception bei Facialislähmungen,
deren Ursachen sich im Verlaufe des Faloppischen Kanales auf-
finden lassen, durch eine zahlreiche Casuistik für erwiesen. Aber
auch sog. peripherische Facialislähmungen können nach Stich
abschwächend auf den Geschmack der vorderen Zungenpartie
nifluiren. Er citirt hierzu eine von Roux an sich selbst beob-
achtete rheumatische Facialisparalyse, welche mit einer Ge-
schmacksalienation („metallischer Geschmack") einherging. Das
Hauptgewicht legt er jedoch auf eine arteficielle Durchtrennung
des Facialis nach seinem Durchtritt durch das Foramen stylo-
mastoideum, welche bei eiaer Unterkieferresection nicht zu ver-
meiden war, während derLingualis unverletzt blieb. Es traten
nun auf der entsprechenden Seite Geschmacksstörungen in der
Weise auf, dass die einzelnen Geschmacksqualitäten nicht präcise
bezeichnet werden konnten.
Der Umstand, dass Basislähmungen des Facialis ohne Ein-
fluss auf den Geschmack bleiben, lässt ihn schliessen, dass die
betreffenden Geschmacksfasem zwar eine Strecke weit in ihrem
Verlaufe die Bahn des Facialis benutzen, dann aber in eine
andere, und zwar in diejenige des Trigeminus überspringen. Im
Hinblick auf die zuletzt mitgetheilten Fälle von Geschmacks-
^'PriVf'!Tr-
156 Xn. CARL
alteration bei peripheriflchen Paralysen glaubt er den Weg be-
stimmt bezeichnen zu können. Nach seiner Auffassung würden
die Geschmacksfasem der vorderen Zungenpartien — wenigstens
theilweise — in der Bahn der Chorda tympani zum Facialis-
stamme gelangen und in diesem peripherisch verlaufend und
durch das Foramen stylomastoideum austretend in die Quintus-
bahn (auriculo-temporalis ?) übergehen. Ich werde weiter unten
Gelegenheit nehmen, auf diese Hypothese Stich 's zurückzu-
kommen; hier möge nur auf einen Umstand aufmerksam gemacht
werden, welchen bereits Ekhard (I.e.) in Erinnerung bringt,
dass nämlich in jenem Falle von operativer Facialistrennung,
welcher offenbar von wesentlichem Einflüsse auf die Gestaltung
der Stich 'sehen Auffassung des hier interessirenden Faserver-
laufes war, eine Zerstörung der Chordafasem in der Gegend
ihrer Apposition an den *Lingualis durch den die Operation er-
heischenden Tumor nicht ausgeschlossen ist. Dies wäre der
Fall gewesen, hätte naan vor der Operation eine Geschmaclts-
prüfung vorgenommen.
Lotzbeck (1. c.)^ hat mehrere Fälle veröffentlicht , welche
nach operativen Eingriffen in der Gegend des Kieferwinkels,
^Kesectionen, Exstirpation von Geschwülsten u. dergl. mehr oder
minder eine Abnahme der Geschmacksperception auf der ent-
sprechenden Seite erkennen Hessen. Andere wiederum erlitten
nicht die geringste Einbusse.
Durch Voltolini (I.e.) hören wir von einem Patienten,
dessen innere Paukenhöhlenwand von Caries zerstört war und
den Facialis oberhalb des Foramen ovale entblösst erkennen liess.
Auch die Chorda tympani war vernichtet. Es bestand Paralyse
im motorischen Gebiete des Facialis und Geschmackslähmung
der gleichnamigen Zungenseite.
Der Meissner 'sehe Jahresbericht über die Fortschritte der
Physiologie im Jahre 1864 bringt 2 von Neumann beobachtete
Fälle zur Kenntniss, welche nach mehrjähriger Otorrhoe und gänz-
licher Vereiterung des Trommelfelles die Fähigkeit zu schmecken
auf der entsprechenden Zungenseite verloren hatten. Aeusserst
interessant sind die ebenfalls dort aufgeführten Inzani-Lus-
sa na 'sehen Beobachtungen, welche ich mit den Worten des
Meissner 'sehen Referates hier folgen lassen will:
1 . Einem Menschen war von einem Quacksalber die Chorda
tympani im Cavum tympani wahrscheinlich zufällig (?) durch-
Beitrag zur Frage: Enthält die'Chorda tympani „Geschmacksfasern?« 157
schnitten worden. Auf den beiden vorderen Dritteln der be-
treffenden Zungenbälfte fehlte die Gesehmacksempfindliehkeit
bei vollkommen erhaltener Empfindlichkeit flir Berührung und
schmerzhafte Eindrücke.
2. Inzani und Lussana beobachteten einen Menschen^mit
vollständiger Lähmung des sensiblen Theiles des Trigeminus der
einen Seite (Erweichung des Ganglion semilunare fand sich später),
der aber bei völliger ünempfindlichkeit der betreffenden Zungen-
hälfte gegen Berührung und schmerzhafte Eindrücke auf dem
vorderen Drittel dieser Zungenhälfte süss und bitter schmeckte.
In einer späteren Arbeit (Sur les nerfs du goöt. Observations
et exp6riences nouvelles. Archives de physiologie normale et
pathologique. T. IV. 1871 — 72) hat Lusanna zwei Fälle von
totaler Trigeminusparalyse notirt, welche ohne jegliche Störung
der Geschmacksperception im Bereiche der vorderen Zungen-
partien verliefen. Gleichzeitig macht er uns mit drei Facialis-
lähmungen bekannt, welche alle in gleicher Weise bei Erhaltung
der tactilen Sensibilität ein gänzliches Verschwinden der Ge-
schmackswahmehmungen auf der entsprechenden Zungenpartie
aufzuweisen hatten.
Lässt man so die Serie der wichtigsten pathologischen Fälle
Revue passiren, so muss man gestehen, dass des Widersprechen-
den genug geboten wird. Bei der überwiegenden Mehrzahl decken
sich indessen Störung der Geschmacksempfindung einerseits und
Facialiserkrankungen oder Paukenhöhlenprocesse andererseits ;
und da nun der Facialis durch die Chorda tympani die alleinige
anatomische Beziehung zur Zunge besitzt, so musste sich selbst-
verständlich auf diese Nervenverbindung die Aufmerksamkeit des
Forschers richten. Der Fall von Meyer, welcher mit ausge-
sprochener Geschmackslähmung die vollkommene Integrität des
Facialis verbindet : also ftlr den Trigeminus, welcher ja gelähmt
war, als den schUesslichen Excipienten der gustatorischen Fasern
der vorderen Zungenpartien spräche, wird uns unten noch ein-
mal beschäftigen. Von den übrigen vier Fällen, welche Rom-
berg (1. c.) zu Gunsten der gustatorischen Energie gewisser
Trigeminusfasem anführt, kann nur der als dritter daselbst auf-
geführte von dem Vorwurfe frei bleiben, welcher die anderen
trifft, dass nämlich die den Quintus lähmende Ursache nicht auch
die Chorda tympani oder den Facialis (wie in dem ersten der-
selben ausdrücklich eingeräumt wird) bedrängt habe. Eine aus-
führliche Besprechung der Romberg'schen Fälle liegt begreif-
-*»Tr<; "
158 Xn. CARL^
licherweise nicht im Plane dieser nur im Allgemeinen orientiren-
den üebersicht.
Ich wende mich nun zu den Geschmacksphänomenen, wie
sie in eiozelnen Fällen durch Reizung der Chorda tympani des
Menschen in der Paukenhöhle beobachtet wurden.
V. Tröltsch (I.e. S. 400) erwähnt des Umstandes, das»
eingesetzte künstliche Trommelfelle die Ursache von Geschmacks-
alterationen auf der gleichnamigen Zungenseite bildeten. Zum
Gegenstande eingehender Untersuchungen wurde die Chorda tym-
pani von Duchenne (1. c.) gemacht, welcher dieselbe in der
Paukenhöhle zu reizen suchte, und zum Beizmittel den elektri-
schen Strom erwählte. Nachdem der äussere Gehörgang mit
Wasser geftlllt und eine Elektrode in Gestalt eines feinen Drahtes
in letzteres eingetaucht war, stellten sich bei schwachen Strömen
Gehörsempfindungen, mit wachsender Stromstärke ein Prickeln
auf der entsprechenden Zungenseite ein, Erscheinungen, yon
welchen uns die erstere hier gar nicht, die andere erst später
interessiren wird. Vermehrte Duchenne die Stromstärke, so
trat bei einem gewissen Werthe derselben eine metallische Ge-
schmackswahmehmung auf der gleichnamigen Zungenseite ein,
welche zwar durch das gleichzeitige schmerzhafte Prickeln etwas
verdeckt wurde, aber immerhin stets deutlich und bestimmt er-
kannt werden konnte. In diesen Versuchsergebnissen liegt der
positive Beweis, dass gewisse Fasern der vorderen Zungen-
partien, dazu bestimmt, Perceptionsorgane ftlr „schmeckende"
Substanzen mit der centralen Stätte, an welche die Entstehung
der Geschmacksvorstellung geknüpft ist, zu verbinden, nothwen-
digerweise auf ihrem Wege zum Gehirne die Bahn der Chorda
tympani auf eine gewisse Strecke benutzen müssen. In welchem
Hauptstamme jedoch diese Geschmacksfasern schliesslich zum
Hirne eilen, darüber konnte natürlich dieser interessante Versuch
keinen Aufschluss geben und es war daher das Bestreben der
Physiologie, dieser Frage, welche weit entfernt durch die er-
wähnten pathologischen Daten eine Aufklärung zu erfahren, nur
noch verwirrter und unauflöslicher erschien, durch das Thier-
experiment zur Entscheidung zu bringen.
Ich würde die Grenzen dieser Betrachtungen weit tiber-
schreiten , wollte ich mich auf eine exacte Darstellung aller zn
diesem Zwecke angestellten Versuche, welche wiederum eine
Eeihe von Gegenversuchen hervorriefen, einlassen; es genügt ftr
die Sache, einen kurzen Abriss von den Plänen zu liefern, durch
Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda tympaoi „Geschmacksfasern''? 159
welche die einzelnen Forscher der Lösung der interessanten
Frage näher zu kommen suchten, und in Kürze über die aus den
Experimenten gezogenen Folgerungen und über ihre Verwerthung
zu verschiedenen Theorien zu unterrichten.
Gl. Bernard (1. c.) seheint der Erste gewesen zu sein,
welcher die Frage nach der Geschmacksfunction der Chorda vor
das Forum des Thierexperimentes brachte. Man kann sich von
vornherein dem Bedenken nicht entziehen, dass es abgesehen
von operativen Schwierigkeiten, fiir deren thatsächliche Ueber-
windnng die Namen Bernard 's und Schiffs, auf dessen Ver-
suche ich später eingehen werde, Bürgschaft leisten, gewagt
erscheint, wenn man aus dem Allgemeinbenehmen des Versuchs-
thieres auf das Zustandekommen einer ganz specifischen subjee-
tiven Vorstellung in demselben schliessen soll. Wie zahlreich
fliessen hier die Fehlerquellen! Und dennoch basiren hierauf
die meisten der in Anwendung gezogenen Methoden. Unter
solchen Umständen kann es nicht befremden, wenn die Ein-
mfithigkeit, welche man bei den Pathologen vermisste, auch unter
den Physiologen nicht hergestellt wurde. Bernard experimentirte
an Hunden. Er durchtrennte den Facialis in der Schädelhöhle
und glaubte eine Verlangsamung der Geschmackswahrnehmung
auf der operirten Seite constatiren zu können. Durchschnitt er
denselben Nerven unterhalb des Foramen stylomastoideum, so
ergab sich keine zeitliche Differenz in der Perception. Eine
Durchtrennung der Chorda im Mittelohr Hess das Verhältniss
des ersten Experimentes eintreten. Hieraus schliesst Bernard:
Die betreffenden, zur Geschmacksperception an den vorderen
Zungentheilen in Beziehung stehenden Fasern verlassen das Ge-
hirn in der Bahn des Facialis und gelangen via Chordae tympani
zu ihrem peripherischen Bestimmungsorte. Er erblickt in den-
selben keine centripetalen Fasern, er kann sich von der An-
nahme, dass der Facialis andere als centrifugale Fasern ent-
hält, nicht lossagen, und lässt sich daher zu einer Hypothese
bewegen, die bis jetzt noch durch keine Beobachtung eine
Stütze erhalten hat. Die in der Chorda vom Facialis abzwei-
genden Fasern sind nach Bernard Hülfstasern für die Ge-
schmacksperception in dem Sinne, dass sie eine Art Erection
der Papillen der Zungenschleimhaut bewirken sollen. Hierdurch
sind die letzteren geeignet zur Absorption der schmeckenden
Substanzen, deren Moleküle sonach absorbirt werden müssen,
bevor sie geschmeckt werden können. Um die Abhängigkeit
160 XU. CARL
der Absorptionsgeschwindigkeit von der Existenz der Chorda-
fasem zu erweisen, bringt Bernard zwei Hunden, deren einem
er die Chorda in der Paukenhöhle durchschnitten hatte, während
sie bei dem anderen intact war, 2 Tropfen Blausäure auf die
Zunge : der erstere stürzte 1 V2 Minuten später unter Convulsionen
zusammen. Es bedarf keiner Andeutung, dass das letztere Ex-
periment eine Sache für sich ist und mit der Geschmackserreguug
nichts zu thun hat. Es würde, ganz abgesehen davon, dass jene
Papillenerection niemals beobachtet werden konnte, die An-
nahme, dass die Absorption der „schmeckenden" Substanzen in
die Gefässe oder Lymphgefässe vorher stattfinden musste, ehe
die Reizaufnahmestätten in Erregung versetzt werden konnten,
mit dem Princip der anatomischen Anordnung der letzteren in
directem Widerspruche stehen.
Bei Schiff (1. c.) finden sich die Versuche von Biffi und
Morganti, über welche ich das Original leider nicht einsehen
konnte, erwähnt. Diese Forscher durchtrennten bei jungen Thie-
ren, durch das Felsenbein eindringend, die Chorda in der Pauken-
höhle und beobachteten zwar keine Verlangsamungen, wohl aber
eine Abschwächung in der Perception; wenigstens glaubten sie
eine geringere Reaction im Benehmen der Thiere gegen die anf
der operirten Seite angewandten Keizsubstanzen in diesem Sinne
deuten zu können. Diese Forscher sind der Ansicht, dass die
durch die Chorda dem Facialis zugeflihrten Geschmacksfasem in
diesem als sogenannter Nerv, intermedius Wrisbergi zum Ge-
hirne verlaufen.
Später zeigten Inzani und Lussana (1. c), deren Versuchs-
ergebnisse mir ebenfalls nur durch das Referat bekannt geworden
sind, dass die Durchschneidung der Chorda in der Paukenhöhle,
ebenso diejenige des Lingualis unterhalb der Apposition der
Chorda die betreffenden Thiere reactionslos gegen intensive Ge-
schmacksreize machte, welche auf der vorderen Zungengegend
in Anwendung gebracht wurden.
Die zahlreichsten Versuche an Thieren bezüglich des nns
interessirenden Gegenstandes wurden von S e h i f f (1, c.) angestellt.
Namentlich suchte derselbe durch successive Durchschneidung
aller in Betracht kommenden Bahnen den Weg der betreffenden
Geschmacksfasern zum Hirne kennen zu lernen. Ich muss mich»
um diese üebersicht nicht noch weitläufiger werden zu lassen,
damit begnügen, im grossen Ganzen die Schi ff 'sehen Versuchs-
resultate hier aufzuführen. Am frappantesten ist ein Versuch,
Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasern''? 161
welcher die Grundlage für seine Auffassung des Faserverlaufes
geworden ist. Er glaubte nämlich constatiren zu können, dass
die Durchschneidung des Trigeminusstammes in der Schädelhöhle
die Geschmacksperception auf den vorderen Zungenpartien gänz-
lich vernichtet. Hierdurch überzeugt, dass die betreffenden gusta-
torischen Nervenfasern in der Quintusbahn dem Centrum zugeführt
werden, kam es ihm darauf an, zu erfahren,: durch welchen Ast
oder Aeste dieselben zuerst aufgenommen würden und wie sie
dann weiter verliefen. Zu diesem Zwecke wurden folgende Ex-
perimente angestellt: An Thieren, welchen er, um das Gebiet
des Glossopharyngeus auszuschliessen , diesen Nerven vorher
durchschnitten hatte, wurde der Lingualis oder der Ram. submaxil-
laris oberhalb der Appositionsstelle der Chorda an den ersten
Nerven, aber unterhalb des Ganglion oticum durchtrennt. Es
trat eine Abschwächung, aber kein gänzliches Erlöschen der Ge-
schmacksempfindung auf. Continuitätstrennungen desselben Ner-
ven in der Höhe des Ganglion oticum blieben ohne stö-
renden Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung : „ la sensibilitö
gustative se conserva dans presque toute son int6grit6." Diese
Versuchsergebnisse in Verbindung gebracht mit den schon von
Anderen und auch von Schiff erlangten Resultaten nach Durch-
schneidung des Lingualis unterhalb der Appositionsstelle der
Chorda, wodurch der Geschmack ohne Zweifel vollkommen er-
lischt, Hessen Schiff schliessen, dass die Geschmacksfasern
anfangs zwar in dem Lingualis verlaufend, später in andere
Bahnen übertreten, jedenfalls nicht im dritten Aste zum Gehirn
gelangen können. Bei dieser Sachlage wäre man, meint Schiff,
leicht in Versuchung, folgende Deutung zuzulassen: Die Ge-
schmacksfasern der vorderen Züngenpartien verlassen den Ner-
venzug des Lingualis theils auf der Bahn der Chorda, theils via
Ganglion oticum durch den Petrosus superficialis minor, um dann
schliesslich im Facialis dem Hirne übermittelt zu werden. Mit
dieser Annahme fände eine grosse Anzahl klinischer Fälle ihre
Erklärung. Indessen es widerspricht der Fundamentalversuch
Schiffes: Die Dissection des Trigeminus^ vernichtet ja die Ge-
schmacksempfindlichkeit auf den vorderen Zungenpartien.
So bleibt denn für Schiff nur noch folgende complicirte
Bahn als die möglicherweise betretene übrig: Die betreffenden
gustatorischen Fasern gelangen durch die eben angeflihrten Ana-
stomosen des dritten Astes des Trigeminus mit dem Facialis
in diesen Nerven und verlassen denselben wieder auf Bahnen,
162 Xn. CARL
welche wiederum dem Trigeminus zueilen, indem sie nämlicli
vom Ganglion geniculatum des Facialis im Petrosus superficialis
major zum Ganglion sphenopalatinum und nun im zweiten
Aste des Quintus centralwärts ziehen. Auch einem beim Men-
schen nicht Constanten, vom Ganglion sphenopalatinum direct
zum dritten Aste verlaufenden Nervus sphenoidalis glaubt Schiff
für den Transport der Geschmacksfasern vom dritten zum zweiten
Aste verantwortlich machen zu müssen. Von diesen Vorans-
setzungen ausgehend richtet Schiff das trennende Messer der
Reihe nach gegen jene eben genannten Verbindungen, welche den
zweiten und den dritten Ast, sei es direct oder indirect mit
Zwischenschaltung des Facialis, vereinigen. Der Sphenoidalis,
Petrosus superficialis major werden durchschnitten, das Ganglion
sphenopalatinum vom zweiten Aste abgetrennt.
In allen diesen Fällen trat, wie S c h i f f behauptet, gänzliches
Erlöschen der Geschmackswahmehmung auf den vorderen Zungen-
partien auf. Somit hält Schiff folgende Wege flir die die vor-
deren zwei Drittel der Zunge versorgenden Schmeckfasem für
experimentell erwiesen:
1. Chorda tym. — Facialis — Gangl. geniculat. — Petros. superfic.
major — Gangl. sphenopal. — IL Ast. Lingualis.
2. N. sphenoidalis — Gang!, sphenopal. — IL Ast. inconstant.
3. Gangl. otic. — Petros. superf. minor — Gangl. genie. — Petros.
saperf. major. — Gangl. sphen. palatin. — IL Ast.
Wie man sieht, bleibt, wenn dieser Verlauf wirklich der
richtige ist, noch mancher klinische Fall in Dunkelheit; doch
würde dies allein kaum zu einem Zweifel berechtigen; denn fast
kein einziger derselben ist nach jeder Richtung hin exact beob-
achtet. Indessen den Schiff 'sehen Versuchen stehen andere
. gegenüber, welche das Gegentheil der von Schiff gefundenen
Resultate bringen und von denen nicht angenommen werden
darf, dass sie mit weniger Sorgfalt ausgeführt worden seien.
Prövost (1. c.) hat zwei Jahre nach der Publication der
Schiff 'sehen Versuche die seinigen veröflfentlicht, welche im
Laboratorium Du-Bois Reymond's von ihm in Gemeinschaft
mit Rosenthal angestellt wurden. Bei fünf Hunden, welchen sie
das Ganglion sphlenopalatinum exstirpirten, nahm man auch mcht
die geringste Störung in der schmeckenden Thätigkeit der vor-
deren Zungenpartien wahr. Die nach längerer Zeit folgende
SeCtion überzeugte davon, dass man das Ganglion total entfernt
Beitrag zur Frage: Enthält die Gliorda tympani „Geschmacksfasern''? 163
hatte. In der entsprecheBdeo Zungenregion zeigten sich keine
degenerirten Nervenfasern.
Schon vor Schiff wurde von Alcock (vgLLussana 1. c.) das
Ganglion sphenopalatinum bei Hunden exstirpirt, ohne dass sich
eine Beeinträchtigung des Geschmacks constatiren liess. — Gegen
die von Schiff vertretene Ansicht richtet sich ebenfalls ein
später von Lussana erschienener Aufsatz, welcher indessen
Nichts von neuen Versuchen bringt, sondern sich auf patholo-
gische Befunde und frühere Experimente stützend der Ansicht
Morganti's beitritt, wonach die Geschmacksfasern in der Chorda
zum Facialis gelangen und mit diesem als Intermedius Wrisbergi
in der Nähe des Glossopharyngeusursprunges in das Hirn ein-
dringen.
Hiermit wäre ich am Ende dieser Uebersicht angelangt.
Wie verschieden auch die klinischen Daten und die physiologi-
schen Ergebnisse dastehen und wie vielgestaltig auch die Deu-
tungen sind, welche sie hervorgerufen haben, eines ist von keinem
derselben bestritten: dass nämlich die Chorda tympani in grösse-
rem oder geringerem Maasse bei der Verknüpfung von periphe-
rischen Geschmacksorganen mit ihren centralen Stätten be-
theiligt sei.
Ich wende mich nun zur Darlegung meines eigenen Falles,
um zu untersuchen, durch welche der eben betrachteten Ansichten
derselbe seine Erklärung finden und somit für dieselbe eintreten
möchte.
Ich bin 24 Jahre alt. Bis zum 7. Jahre stets gesund, wurde
ich damals von Scarlatina befallen, welche mit einer ungemein
heftigen diphtheritischen Entzündung des Rachens vergesellschaftet
war. Als ich der Beconvalescenz entgegenging, bemerkte man
aas beiden Ohren einen reichlichen Ausfluss , welcher indessen
rechterseits bald wieder verschwand, linkerseits jedoch in gleicher.
Weise fortdauerte. Die therapeutischen Eingriffe meiner damaligen
Aerzte, von denen nur ein einziger, wie ich mich entsinnen kann,
einen verlangenden Blick in den Gehörgang zu werfen suchte,
bestanden in lauwarmen Ausspritzungen, zuweilen in der An-
wendung von allerlei adstringirenden Lösungen und in der Ver-
ordnung von Soolbädem. Die Otorrhoe dauerte jedoch fort und
die Hörfähigkeit nahm linkerseits mehr und mehr ab. Von Zeit
zu Zeit stockte der Ausfluss, namentlich im Sommer, und ver-
leitete so, indem er die Hoffnung, es sei Genesung eingetreten,
erweckte, zur Einstellung der Ausspritzungen. Dann erfolgte
'y?mr^\ '
164 Xn. CARL
gewöhnlich im Herbste eine Seene, welche mit heftiger Coryza
eröffnet wurde. Bald trat allgemeines Krankheitsgefühl, Schwmdel,
Fieber und furibunde, bohrende, den Schlaf raabende Schmerzen
in der Tiefe des Ohres ein. Gleichzeitig schwoll der äussere
6ehörgang an nnd war gegen die geringste Berührung äusserst
schmerzhaft. Nach mehrtägiger Anwendung von wannen Rata-
plasmen reducirte sich gewöhnlich die Empfindlichkeit des äusse-
ren Gehörganges soweit, dass eingespritzt werden konnte. Als-
dann entleerten sich grosse Massen eingedickten, braunen, penetrant
foetiden Eiters, untermischt mit weisslichen,' glänzenden Parti-
keln (Cholestearin) und zuweilen grössere zusammenhängende
häutige Fetzen, welche hie und da von Pilzen (Aspergillus
glaucus) besetzt erschienen. Ein oder zwei Mal fanden sich
kleine an den Bändern ausgenagte Knochensequester. Nach einer
jeden derartigen Attake, welche bis zum Eintritte des Status quo
3—4 Wochen in Anspruch nahm, zeigte sich eine Abnahme der
Hörfähigkeit linkerseits. Als ich in meinem 16. Jahre zum ersten
Male das Glück hatte, durch Herrn Prof. v. Tröltsch unter-
sucht zu werden, welchem ich später für die während eines
mehrjährigen Aufenthaltes in Würzburg auf meine Krankheit
verwandte Sorgfalt aufs Tiefste verpflichtet bin, stellte es sich
heraus, dass das Trommelfell zerstört war. Die HörTähigkeit
war so bedeutend reducirt, dass die Uhr nur noch auf wenige
Centimeter Entfernung gehört werden konnte. Dies Verhältniss
gestaltete sich nach derartigen, subacuten Entzündungen in der
Paukenhöhle noch schlimmer. Unter der Behandlung des Herrn
Prof. V. Tröltsch, welcher mich namentlich mit einem zweck-
mässigen Reinigungsverfahren vertraut machte, gelang es all-
mählich der Ansammlung der erwähnten Massen und damit jenen
fatalen intercurrenten Entzündungen entgegen zu arbeiten.
Status praesens:
Das Trommelfell fehlt bis auf ein kleinstes oberes Stückchen
gänzlich. Die Chorda tympani ist nicht sichtbar. Die Schleimhaut
der Labyrinthwand der Paukenhöhle findet sich im Vemarbungs-
zustande ohne wesentliche Hypertrophie. — Der Ausfluss ist seit
den letzten ^,'4 Jahren auf ein Minimum reducirt. Die Hörfähigkeit
ist in dem Grade beschränkt, dass nur die fest an den Warzen-
fortsatz angepresste Uhr vernommen wird. Eine auf der Sagittal-
naht des Schädels aufgesetzte Stimmgabel höre ich prävalirend
nach links hin. Im Gebiete des Facialis hat nicht die geringste
Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasern''? 165
Anomalie statt; die Uvula steht gerade. Ebenso ftmgirt der
Qnintns allenthalben normal.
Soweit die Krankengeschichte. —
Schon seit mehreren Jahren war es mir begegnet, dass beim
Beinigen des Ohres, zu welchem Zwecke ich Baumwollenbäusche
mit der Pincette tief in die Paukenhöhle brachte und nach allen
Bichtungen hin drehte, eine stechende Empfindung am linken
Zungenrande, etwa der Mitte entsprechend einsetzte und blitz-
schnell zur Zungenspitze hinfuhr. Diese Erscheinung tritt jedes-
mal dann auf, wenn der Bausch durch entsprechende Drehung
die Bichtung nach oben und etwas nach vorne erhält. Auch bei
Anwendung verschiedener Adstringentien, wie ich sie früher zu-
weilen eingegossen habe (z. B. Zinc. sulfuric, Alum. acetic), trat
dieselbe Empfindung auf, wenn auch weniger intensiv. Des-
gleichen habe ich sie durch Lösungen von Salicylsäure hervor-
gerufen, welche ich neuerdings mit vielem Nutzen (höchst voll-
kommene Desinfection des Ohres) in Anwendung ziehe. Eine
Geschmacksempfindung konnte ich von jeher auf das AUer-
bestimmteste in Abrede stellen. Es darf gewiss keinem Zweifel
unterliegen, dass dieser rein sensible Eindruck die Folge einer
in einem Falle mechanischen, im anderen chemischen Beizung
der Chorda tympani ist. An dieser Localität findet sich kein
anderer Nerv, welcher für ein derartiges Phänomen verantwortlich
gemacht werden könnte. Damals lediglich ganz allgemein über
die Chordafrage orientirt und namentlich ohne jede Kenntniss
der pathologischen und physiologischen Einzelheiten, welche uns
auf den vorigen Seiten beschäftigt haben, glaubte ich auf das
beschriebene Experiment hin fUr mich sicher zu sein, dass in
der Chorda keine Geschmacksfasem verlaufen; denn wenn die
sensiblen auf einen Beiz hin antworten, warum sollten die in
den nämlichen Nervenstämmchen eventuell vorhandenen gustato-
rischen dies nicht auch thun?
Wie gross war indessen mein Erstaunen, als mein verehrter
Lehrer, Herr Prof. Fick, welchen ich gelegentlich mit der
Sachlage bekannt machte, eine Prüfung der Geschmacksempfind-
lichkeit der vorderen Zungenpartien vornahm, und nun sich
linkerseits eine vollkommene Ageustie für sämmtliche Geschmacks-
qualitäten herausstellte! Ich lasse hier die Ergebnisse späterer
Prüfungen, welche ich mit aller Vorsicht und Genauigkeit an-
gestellt habe, folgen.
Vorläufig wurde festgestellt, dass die Sensibilität für tactile
166 Xn. CARL
und thermische Eeize auf der linken Zungenseite nicht yon der-
jenigen der rechten abweicht. Die eigentlichen Geschmacks-
prüfungen wurden in folgender Weise angestellt. Ich streckte
die Zunge möglichst weit vor und liess sie in dieser Stellang
mit einer Pincette fixiren. Mit einem Pinsel wurden mir
schmeckende Substanzen auf verschiedene Zungenpartien auf-
getragen. Zur Prüfling der bittdren Geschmacksenergie bediente
ich mich der Lösungen von Extr. colocynthidis und Extr. quassiae.
Auf der linken Seite der Zungenschleimhaut wurde vorne weder
am Bande noch auf der Oberfläche , noch auf dem, dem Dia-
phragma oris zugekehrten Abschnitte die geringste Geschmacks-
wahrnehmung verspürt. Dies Verhältniss blieb unverändert
nach hinten bis circa 1 Ctm. vor den Papillae circumvallatae.
Wurde diese Grenze überschritten, so erhielt ich sofort auf's
Deutlichste den Eindruck : intensiv bitter. Der entsprechende Ver-
such rechts führte sogleich auf den vordersten Partien zu einer
bitteren Geschmacksempfindung, welche um so intensiver eintrat,
je weiter mir der Pinsel nach hinten geführt wurde. Dieselben
Grenzen des geschmacklosen Gebietes, welche sich linkerseits
für bittere Reize ergeben hatten, Hessen sich auch bei Anwendung
anderer, auf die Erregung der restirenden Geschmacksqualitäten
hinzielenden Substanzen constatiren. Starke Salzsäure und Zucker-
lösungeo, Glycerin, Chlomatrium machten linkerseits bis zur an-
gedeuteten hinteren Grenze lediglich den Eindruck indifferenter
Körper, während sie rechterseits präcise geschmeckt wurden.
Die Geschmacksparalyse begrenzt sich nach rechts genau durch
die Mittellinie. In dem Augenblicke, wo der links angesetzte
und nun nach rechts hinübergeschleifte Pinsel die Medianlinie
passirte, erkannte ich die angewandte Substanz.
Becapituliren wir nun die Summe aller dieser Thatsachen,
so liegt ein Fall vor, welcher mit einem lediglich auf die Pauken-
höhle beschränkten chronischen destruirenden Processe eine genau
begrenzte Geschmacksparalyse der gleichnamigen Zungenseite ver-
einigt. Gleichzeitig ist jedoch die Sensibilität daselbst nicht nur
voUkpmmen erhalten, wenn die gewöhnlichen adäquaten Beize
zur Anwendung gebracht werden, sondern auch durch Reizung der
Chorda in der Paukenhöhle wird eine sensible Empfindung auf
die betreffende Zungenpartie localisirt. Zu der Annahme, dass
der pathologische Process sich bis jetzt auf das Cavum tympani
beschränke, glaube ich mich deshalb berechtigt, weil zur Zeit
keine Symptome existiren, welche auf ein Tiefergreifen desselben
Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda fympani „ Geschmacksfasern «? 167
im Felsenbein schliessen lassen. Der Facialis ftingirt normal
und ebenso das innere Ohr, wie der angeführte Stimmgabel-
versuch und die angelegte Uhr erweisen. Auch sind. bis jetzt
keine Blutungen aufgetreten, welche vielleicht die Propagation
gegen die grossen Gefässe hin signalisiren könnten. Ebensowenig
darf man die Paukenhöhlenerkrankung und die gleichseitige
Geschmacksparalyse flir unabhängig von einander erklären. Für
eine centrale Störung fehlt jeder Anhaltspunkt, auch würde es
schwer fallen zu begreifen, warum alsdann die hinteren Zungen-
partien linkerseits sich vollkommen normal verhalten. In dieser
Erwägung und im Hinblick auf eine hinreichende Casuistik glaube
ich nicht irre zu gehen, wenn ich die Ageustie in innigste Be-
ziehung zu der Ohrenerkrankung bringe und daran festhalte,
dass die letztere ausschliesslich das ätiologische Moment für die
erstere abgibt. Indessen, wenn es sich darum handelt, den
Gausalnexus genauer darzulegen, so sieht man sich in eine
schwierige Lage versetzt. Sehen wir zu, wie weit wir in die
Erklärung der vorliegenden Thatsachen mit Hülfe 'derjenigen
Theorien rücken können, welche wir oben näher kennen gelernt
haben.
Beginnen wir mit der Hypothese St ich 's, welcher die
gustatorischen Fasern der vorderen Zungenpartien via Chorda
tympani in den Facialis gelangen, mit diesem peripherisch weiter
verlaufen und extracranielle Anastomosen mit dem Quintus in
diesen Nerven gelangen lässt. Beschädigungen der Chorda müssen
bei -diesem Verlaufe nothwendigerweise zur Untergrabung der
Function dieser Fasern führen. Aber kann man im Ernste in
meinem Falle an eine Beschädigung der Chorda innerhalb der
Paukenhöhle denken? Die sensiblen, und wie wir später sehen
werden, die Speicheifasem sind ja innerhalb des Cavum tympani
erregbar. Und wer könnte sich vorstellen, dass bei einem Nerven-
stämmchen von so unbedeutendem Querschnitte, wie ihn die
Chorda besitzt , lediglich ein einzelnes und gerade bestimmten
eigenartigen physiologischen Zwecken dienendes Bündel durch
irgend eine pathologische, in der Paukenhöhle localisirte Ursache
zerstört wäre, welche die übrigen Constituenten freigelassen hätte.
Diese Annahme ist gewiss von der Hand zu weisen. Hat das
Trauma in der Paukenhöhle auf die Chorda eingewirkt, so ist
nicht einzusehen, warum nur die in der letzteren verlaufenden
Geschmacksfasem gelähmt worden, die sensiblen und secretori-
schen hingegen in Function geblieben sind. Die Stich'sche
Archiv für Ohrenheilkunde. X. ßd. (Neue Folge. IV. Bd.) 12
*^-'7f^^
168 Xn. CARL
Hypothese ist somit nicht im Stande, den vorliegenden Fall von
seinen Bäthseln zu befreien.
Die Bernard'sche Ansicht, welche von allen späteren für
unhaltbar betrachtet wird, gewährt ebensowenig die Möglichkeit
einer Erklärung fUr den Complex der in Bede stehenden Er-
scheinungen. — Stellt man sich auf die Seite Biffi's und Mor-
gan ti 's, denen sich auch Lussana anschliesst, so bleibt auch
hier dieselbe Schwierigkeit bestehen, an welcher die Theorie
Stich 's gescheitert ist. Warum sind die sensiblen und secreto-
rischen Fasern intact geblieben, während die gustatorischen ihren
Untergang gefunden haben? Dieser Thatsache steht man anch
an der Hand der Schiff 'sehen Sätze rathlos gegenüber. Da
Schiff nur einen kleinen Theil der Fasern in die Chorda, die
übrigen vielmehr via Ganglion oticum und Petrosus superficial,
minor zum Enieknoten des Facialis gelangen lässt, so müsste bei
einem die Chorda tympani in der Paukenhöhle treffenden Trauma
eine blosse Abschwächung des Geschmacks die Folge sein. Wie
die Verhältnisse bei mir liegen, hätte man im Sinne der Schiff-
schen Geschmacksbahnen pathologische Veränderungen des Lin-
gualis, oder Ganglion oticum, oder Petrosus superfic. minor, oder
des Knieknotens etc. vorauszusetzen. Für keine dieser Möglieh-
keiten ist der geringste Anhaltspunkt gegeben; im Gegentheil,
man kann sie der Seihe nach mit stichhaltigen Gründen zurück-
weisen. So sieht man sich denn darauf angewiesen, einmal von
jenen Theorien, wie sie auf Grund anderer Befunde von Anderen
geschaffen wurden, abzusehen und lediglich der Betrachtung-der
in dem vorliegenden Falle vorhandenen Erscheinungen hingegeben,
die Aufklärung aus diesen selbst und allein zu versuchen. Wir
sind schon im Vorhergehenden zu der Einsicht gelangt, dass die
Annahme ungereimt erscheint, es habe ein pathologischer Vor-
gang in der Trommelhöhle irgend welcher Art ein bestimmtes
Quantum der Chordafasem vernichtet, den Rest aber freigelassen.
Sei es, dass wir diesen Vorgang in ülcerationsprocessen an der
Auskleidungsmembran suchen wollen, welche sich auf jenen,
das Cavum tympani passirenden Nerven ausgedehnt haben, sei
es, dass wir an eine zur Atrophie flihrende Compression durch
eingedickte Eitermassen oder dergl. denken: eine partielle und
noch dazu physiologisch streng abgegrenzte Zerstörung der Chorda
erscheint unmöglich ; und da nun die sensiblen und secretorischen
Chordaelemente prompt erregbar sind, so kommen wir ganz natur-
gemäss zu der Sehlussfolgerung : dass überhaupt eine Läsion
Beitrag znr Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasern"? 169
der Chorda tympani nicht stattgefunden haben könne.
Ist man einmal von dem Präjudiz, die lähmende Ursache an
der Chorda suchen zu wollen, zurückgekommen , so kann man
unbefangen* fragen: ist die Coincidenz des Paukenhöhlenpro-
cesses mit der Geschmackslähmung möglicherweise an den Un-
tergang anderer Nerven geknüpft, deren Bahnen in den Bezirk
der pathologischen Vorgänge reichen könnten? Welche Nerven
existiren in der Paukenhöhle, deren Vernichtung die Geschmacks-
paralyse bedingen könnte? ,Die Nerven der Paukenhöhle treten
bekanntlich, wenn wir von den beiden motorischen Aestchen für
den Muse, stapedius und Tensor tympani absehen, in einem auf
der inneren Paukenhöhlenwand hinziehenden Geflechte zusammen.
Es bildet sich diese als Jacob son'sches Geflecht oder Plexus
tympanicus beschriebene Anastomose durch das Zusammen-
treten folgender Nervenwege. Von dem Ganglion petrosum des
Glossopharyngeus ausgehend tritt der sogen. N. tympanicus
durch ein in der Fossula petrosa des Felsenbeines sich öffnendes
Kanälchen (Caniculus tympanicus) in die Trommelhöhle und be-
gegnet hier eines Theiles Fasern, welche als Zweig des Petrosus
superficialis minor vom Ganglion oticum her ihren complicirten
Weg dorthin finden und andren Theiles solchen, welche vom
carotischen Geflechte ihren Ursprung nehmen. Die letzteren haben
hier kein Interesse für uns. Es existirt also eine directe Ver-
bindung zwischen Glossopharyngeus und Ganglion oticum und
somit auch zwischen Glossopharyngeus und dem dritten Aste des
Quintus. Die Möglichkeit, dass die Geschmacksfasern des vor-
deren Zungenabschnittes, welche, wie Alle zugeben, im periphe-
rischen Anfangsstücke des Lingualis enthalten sind, durch das
Gangl. oticum via Petros. superfic. minor, Nervus tympanic. zum
Felsenknoten und von hier in den Glossopharyngeus gelangen,
ist demnach gewiss nicht von der Hand zu weisen. Henle
(I.e. pag. 423) bemerkt zu dem Plexus tymp.: „mit Rücksicht
auf die Qualität der Fasern, könnte man versucht sein, auf dem
Wege durch den Plexus tympan. die sensiblen Elemente des Glos-
sopharyngeus vom Trigeminus, die Gesckmacksfasern des
Trigeminus vom Glossopharyngeus abzuleiten". Ich
will hier eine Betrachtung einfttgen, die sich unwillkürlich auf-
drängt, dass nämlich ein derartiger Verlauf, falls er sich begrün-
den Hesse, vor dem anatomisch-physiologischen Gewissen weit
eher Beifall finden möchte, als dies geschehen kann, wenn man
einen Theil der gesammten schmeckenden Fasern der Zunge
12*
N «T-«*^
170 Xll. CARL
im Glossopharyngeus, einen anderen weit entfernt davon im Tri-
geminus mit dem Hirne in Verbindung treten lässt. Es ist weit
verständlicher und mit gewissen Grundanschauungen harmoniren-
der, wenn Fasern von gleicher physiologischer Dignität in einem
gemeinschaftlichen Hauptstamme zum Hirne gelangen. Selbst-
redend soll diese, nur beiläufig angestellte Ueberlegung keines-
wegs als wissenschaftliches Argument ausgegeben werden. Es
wäre nur zu untersuchen, ob sich die Annahme, jene Fasern
verliefen so wie eben angedeutet, zur Erklärung des vorliegenden
Falles verwerthen lässt. An jedem Felsenbeinpräparat, welches
einen Einblick in die Paukenhöhle gewährt, erkennt man an der
inneren Wand derselben eine feine, seichte, senkrecht verlaufende
Rinne im Knochen eingegraben. In dieselbe bettet sich der
Nerv, tympanicus, welcher somit unter der Schleimhaut der Trom-
melhöhle liegt. Ich frage nun, heisst es eine besonders kühne
Unterstellung machen, wenn man der Meinung ist, dass dieser
feine, so wenig gedeckte Nerv an der eben genannten Stelle meiner
Paukenhöhle seinen Untergang gefunden hat? Man rufe sich aus
der Krankengeschichte in Erinnerung, dass bereits seit 17 Jahren
die Otorrhoe besteht und dass während dieser Periode mehrfach
acute Entzündungen ab und zu in Scene traten, so wird man
zugeben müssen, dass die Veränderungen, welche die Aus-
kleidungsmembran der Trommelhöhle offenbar erlitten hat, sicher-
lich auch den gerade unter ihr liegenden Jacobson'schen Ner-
ven nicht unberührt gelassen haben wird.
Direct beweisen lässt sich das erst durch eine sorgfältige
Section und die mikroskopische Untersuchung; aber es ist im
höchsten Grade wahrscheinlich, dass ein so feines Nervenästchen
den deletären Einflüssen eines 17 jährigen eitrig -katarrhalischen
Processes in seiner unmittelbaren Nähe erliegen musste. Während
nun mit einem Male durch diese Annahme die Einzelheiten meines
Falles klar und deutlich begriffen werden können, gewinnt der
hypothetische Faserverlauf mindestens ebensoviel an Wahrschein-
lichkeit, als Stich für seine Theorie beibringen konnte. In-
dessen, bevor wir weiter gehen, dürfen wir uns einer Erwägung
nicht entziehen. Angenommen, es verliefen die Geschmacks-
fasern der vorderen Zungenpartien sämmtlich auf dem eben
beschriebenen Wege zum Glossopharyngeus, in welche Stellung
würde man bei dieser Auffassung zu den Resultaten ^ier Du-
chenne 'sehen Versuche, welcher durch Reizung der Chorda Ge-
schmacksempfindung zweifellos auslösen konnte, gerathen? Wie
r' V
Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasem"? 1 jl
Würde sich dieselbe mit den vielfach beobachteten Fällen von
Abschwächung des Geschmacks bei Facialisparalysen vereinigen
lassen, ganz abgesehen von den einander widersprechenden Dis-
sectionsresultaten ? Nein! Die Bedeutung der Chorda tympani
als Bahn einer gewissen Summe von schmeckenden Fasern flir
den vorderen Zungenabschnitt kann nicht geleugnet werden.
Diesen Widerspruch zu lösen, musste ich mich fragen, kann die
Zerstörung der Jacobson 'sehen Anastomose in irgend einer
Weise auf die Leistungsfähigkeit der in der Chorda verlaufen-
den schmeckenden Fasern influiren? Ich glaube diese Frage
bejahen zu dürfen und will mich bemühen, dies näher zu be-
gründen. Die Nichterregbarkeit der schmeckenden Fasern auf
Reize hin, welche^ die Chorda in der Trommelhöhle treflfen,
würde verständlich sein, sobald sich ein Weg auffinden liesse,
auf welchem dieselben früher oder später die Chorda verlassend,
ebenfalls den Plexus tympanicus erreichen könnten, um hierauf
mit den übrigen vom Ganglion oticum herkommenden zum Glos-
sopharyngeus zu ziehen. Ein derartiger Weg existirt durch eine
Verbindung, welche vom Ganglion geniculatum des Facialis zum
Plexus tympanicus reicht. Wenn man die älteste, von dem
Entdecker dieser Anastomose Jacobson (1. c.) gegebene Be-
schreibung nachliest, so erfährt man, dass vom Petros. super-
ficialis major, also der directen Fortsetzung des Knieknotens, ein
Aestchen durch einen besonderen Kanal sich zur Innenwand der
Paukenhöhle begibt und hier mit einem Aste des Glossopharyn-
geus (N, tympanicus) in Verbindung tritt. Ganz beiläufig macht
Jacobson die Bemerkung, dass bei Entzündungen der „Pauken-
haut" dieses Aestchen leicht ergriffen werden könne, und fügt
hinzu: „Femer ist es wahrscheinlich, dass die bisweilen bei
Eiteranhäufungen in der Pauke eintretenden Lähmungen des
Gesichts und der Zunge (?) von einem Drucke dieses Nerven
herrühren ".
Hirzel(l. c.) bestätigt die von Jacobson constant bei den
Säugethieren gefundene Anastomose zwischen dem Plexus tympa-
nicus und Petrosus superficialis major in der Nähe seines Eintritts
in den Knieknoten. Als später von Arnold diese Verbindung in
seinen Icones neiTor. capit. abgebildet worden war, trat B eck (1. c.)
mit der Behauptung hervor, diese angebliche Nervenanastomose
sei nichts Auderes, als ein feines aber constantes Arterienästchen.
Seinen Ausftlhrungen trat Bischoff (1. c.) bei. Krause (1. c.)
stellte hierauf auf Grund genauer Präparation und mikroskopischer
^\
112 Xn. CARL
Untersuchung die nervöse Natur der betreffenden Verbindung
fest. Auch Raub er (1. c), dessen Arbeit ich mir nicht ver-
schaffen konnte, hat, wie ich bei He nie (1. c. p. 404) finde, die
in Rede stehende Verbindung gesehen. He nie (1. c. p. 404)
fuhrt dieselbe mit dem Namen: Ramus communicans nervi facialis
cum plexu tympanico auf und bemerkt darüber: „Vom Facialis
aus betrachtet, erscheint er als ein am Ganglion geniculi oder
in dessen Nähe entspringender Ast, der sich an die wesentliche
Schlinge des Plexus tympanicus, die sich vom Ganglion oticum
zum Ganglion petrosum des Glossopharyngeus erstreckt, anlegt
und somit den Vermuthungen über die Natur und den Verlauf
seiner Fasern ein weites Feld bietet ". Nach alle dem hat man
keinen Grund, an der Existenz der betreffenden Verbinduug zu
zweifeln.
Der Weg, auf dem ich mir die Geschmacksfasem des vor-
deren Zungenabschnittes zum Hirne verlaufend' denke, wäre also,
wenn ich das bisher Gesagte kurz zusammenfasse, folgender: Sie
treten zuerst in den Ram. lingualis des Trigeminus ein und wäh-
rend nun, wie ich glaube, der grössere Theil derselben via
Ganglion oticum — Petrosus superficial, minor — Plex. tympanic.
— Gangl. petrosum zum Glossopharyngeus gelangt, biegt ein
möglicherweise individuell variabler Bruchtheil in die Chorda
tympani ein, passirt so die Paukenhöhle, legt sich in diesem
Nerven dem Facialis an, in dessen Bahn er centralwärts bis
zum Ganglion geniculat. zieht; von hier aus strebt er als Ram.
commun. n. fac. cum plex. tympanic. dem Plexus tympanic. zu
und erreicht so zum zweiten Male in der Paukenhöhle, gemein-
schaftlich mit der erstgenannten vom Ganglion oticum herziehen-
den Partie, den Glossopharyngeus. Ist nun der Plexus tym-
panicus, wie oben wahrscheinlich gemacht wurde, zerstört, so
begreift man, warum die gereizte Chorda im Bereiche der gusta-
torischen Energie reactionslos verhaiTt.
Mancher wird vielleicht bei der Durchsicht der hier ent-
wickelten Hypothese, zu deren Gestaltung wir an der Hand der
vorgefundenen Erscheinungen fast mit Nothwendigkeit geführt
wurden, erstaunt die Frage aufwerfen, warum den betreffenden
Geschmacksfasern von mir zwei Wege zum Plexus tympanicus
eingeräumt werden, einmal: Ganglion otic. — Petros. superfic.
minor und ferner: Chorda tymp. — Ram. comm. c. plex. tympan.?
Hätte man nicht mit dem letzteren Wege zur Erklärung der
vorliegenden Verhältnisse ausreichen können? In der That,
Beitrag znr Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasern''? 173
dies wäre möglich gewesen ! Nichtsdestoweniger bestimmen mich
zwei Gründe, die oben ausgesprochene Ansicht festzuhalten.
Einerseits deshalb, weil die meisten Facialiserkrankungen ledig-
lich mit Abschwächung der Geschmacksperception einher-
gehen, ein Verhalten, welches nur durch die oben aufgestellte
Hypothese verständlich wird; denn: verliefen alle Fasern in der
Chorda, so müsste eine totale Lähmung des Geschmackes auf-
treten. Auf der anderen Seite sehe ich mich dazu gezwungen, die
beiden Wege in Anspruch zu nehmen, weil der Eam. oommun.
c. plex. tymp. eine immerhin zu geringe Mächtigkeit besitzt, als
dass man vermuthen dürfte, in seinem Querschnitt seien sämmt-
liehe schmeckende Fasern einer Zungenseite von der Spitze bis
nahezu zu dem V der Papulae circumvallatae vereinigt. Die
Vermuthung liegt indessen nahe, wie oben schon angedeutet,
dass das Verhältniss der Summe jener in der Chorda und der
im Petros. superf. minor zum Plex. tymp. gelangenden Geschmacks-
fasem mehr oder minder beträchtlichen individuellen Schwan-
kungen unterliegt.
Im Begriffe, die hier entwickelten Anschauungen zu ver-
öffentlichen, finde ich, dass bereits Erb (Handbuch der Krank-
heiten des Nervensystems in Ziemssen's specieller Pathologie
und Therapie), welcher nach Durchsicht des vorhandenen patholog.
Materials und vor Allem gestützt auf die Experimente Schiffs
sich für den Trigeminus als den schliesslichen üebermittler der
in Kede stehenden gustatorischen Fasern an das Hirn erklärt,
die Möglichkeit eines Uebergangs der Chordafasern in den Plexus
tympani ins Auge fasst, dieselbe aber „Angesichts des Experi-
mentes und pathologischer Beobachtungen am Trigeminus fttr
gar nicht wahrscheinlich " betrachtet. Gleichwohl fügt er hinzu :
„ immerhin könnte sie vorkommen und so das scheinbar Paradoxe
einzelner Fälle erklären".
Bei der Unmöglichkeit, mit Hülfe der vorgefundenen Theorien
ein Verständniss über den Zusammenhang der an meinem Falle
zu beobachtenden Tbatsachen zu gewinnen, war es gewiss nicht
unerlaubt, die Zahl der Hypothesen um eine zu vermehren ; und
zwar deshalb um so weniger, als jene anderen jedesmal nur be-
stimmte Arten von Fällen in vollkommener Weise zu erklären
vermochten. Vielleicht wäre es daher nicht ganz ohne Interesse,
die am Eingange dieser Beobachtungen vorgeführten Gruppen
von Geschmacksparalysen im Lichte meiner Hypothese ganz
kurz Revue passiren zu lassen. Die Mehrzahl derselben sind in
•TP^TJf.Wg
x.-i
174 XII. CARL
den betreffenden Veröffentlichungen so aphoristisch mitgetheilt,
daßs sie in sicherer Weise keinen Prüfetein flir meine Ansicht
abgeben dürfen und es kommt mir, wenn ich trotzdem eine
kleine Durchsicht derselben vorschlage, daher vielmehr darauf
an, hierdurch zu zeigen, wie verschiedene allgemeine Kategorien
von Fällen im Sinne meiner Aufstellung ihre ungezwungene
Deutung erlangen würden.
Halten wir uns zunächst an den genauer beschriebenen Fall
von Meyer, welchem Eomberg Beweiskraft flir die Eigen-
schaft des Trigeminns als Geschmacksfa&em führenden Nerven
zugesteht, weil der Facialis unverletzt, der Quintus aber in allen
seinen Aesten gelähmt war. Das ProtocoU fügt hinzu : Der Glosso-
pharyngeus war intact; hierdurch wäre man thatsäcblieh diesem
sorgfältig mitgetheilten Falle gegenüber in Verlegenheit; aber
glücklicherweise bemerkt es ausserdem: die Fistolenkugel fand
sich neben dem Ganglion petrosum. Durch diesen Zusatz wird
es nach meiner Hypothese vollkommen verständlich, warum der
Geschmack auf den vorderen zwei Dritteln der Zunge verloren
gegangen war; denn der Kam. tympan. nerv, glossopharyngei
geht ja vom Ganglion petrosum ab durch die Fossula petrosa
zur Paukenhöhle. Bei dieser Auffassung stände der Meyer/sche
Fall den übrigen von Eomberg citirten Fällen von Quintus-
paralyse ohne Geschmacksstörung nicht mehr feindlich gegenüber.
Was den Zusammenhang zwischen Facialisparalyse und Ge-
schmacksbeeinträchtigungen -betrifft, so darf man von meinem
Standpunkte getrost Stich beistimmen, wenn er behauptet,
Basislähmungen des Facialis blieben ohne Einfluss auf den Ge-
schmack. Ebenso verständlich sind uns Störungen, resp. Ab-
schwächungen desselben nach allen den Facialis von dem Knie-
knoten bis zum Abgange der Chorda in die Paukenhöhle tref-
fenden Schädlichkeiten. Weniger leicht können wir uns mit
Störungen des Geschmacks bei „ peripherischen " Facialisparalysen
abfinden; denn unterhalb des Abganges der Chorda tympani
sind meiner Auffassung zufolge keine gustatorischen Elemente
mehr im Facialisstamme.
Ausdiücklich will ich noch einmal bemerken, dass ich jene
operative Verletzung des extracraniellen Facialis, welche Stich
als Stütze seiner Theorie beibringt, aus den schon vonEkhard
geltend gemachten Gründen, nicht als beweisend betrachten kann.
Dafür aber existiren einige gut beobachtete Fälle von sogenannter
„rheumatischer" peripherischer Facialisparalyse; darunter der
Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasern''? 175
oben angeftihfte Fall yon Roux, welcher in Folge einer der-
artigen Affection eine metallische Geschmacksempfindung auf der
entsprechenden Seite beobachtete. Auch hat Stich geluDden,
dass bei allen Paralysen, die „durch einen Druck des Facialis
vor dem Foramen stylomastoideum durch Lymphdrüsen oder
andere Anschwellungen bedingt waren, die Geschmacksbeein-
trächtigung vorhanden war. " Diese Erfahrungen vermögen gleich-
wohl keine Bresche in meine Hypothese zu schiessen. Sobald
man sich die anatomische Thatsache ins Gedächtniss ruft, dass
die Chorda tymp. nur circa 1 — 2 Mm. oberhalb des Foramen
stylomast. im Bogen nach aufwärts vom Facialis abzweigt, so
wird man einsehen können, dass pathologisch-anatomische Vor-
gänge, welche den Facialis unterhalb des Foramen treffen, nur
diese 1—2 Mm. sich hinauf zu erstrecken brauchen, um die
Chordafasem direct zu lähmen oder wie in dem Koux 'sehen
Fall, m reizend, zu Alienationen des Geschmackes zu veran-
lassen. Und was versteht man denn unter einer „ rheumatischen "
Ltähmnng? Die „rheumatische^ Entzündung ist eine anatomisch
noch wenig aufgeklärte Krankheit. Aber so viel wird man
a priori behaupten können, dass "ihr irgend eine gewebliche
Veränderung zu Grunde liegen muss und eine solche wird, jvenn
einmal zu Stande gekommen, nicht immer am For. stylomast.
ihre Grenze finden müssen. Ganz dasselbe kann man auch für
diejenigen peripherischen Paralysen geltend machen, welche
durch Druck von geschwellten Lymphdrüsen u. dergl. auf den
Facialisstamm entstehen sollen. Hier dürften etwa entzündliche
Vorgänge am perineuralen Bindegewebe ins Spiel kommen, welche
sehr wohl 1 — 2 Mm. über das Foram. stylom. hinaufreichen und
die Chordafasem tangiren könnten.
Von den Lotzbeck'schen Fällen war ein Theil nach Ver-
letzung des Facialis in der Gegend des Kieferwinkels durch
Abschwächung des Geschmackes ausgezeichnet, ein anderer
blieb frei davon; ich beziehe diese Differenz auf stattgehabte
gleichzeitige Verletzung der Chorda in der ersteren Keihe von
Fällen.
Eine hübsche Bestätigung gewinnt meine Auffassung durch
den Volt olini 'sehen Fall: Zerstörung der inneren Pauken-
höhlenwand durch Caries — totale Geschmackslähmung!
Auch die oben angeführten Neumann'schen Fälle erheben
keinen Widerspruch gegen meine Darlegung des Verlaufes der
Geschmacksfasem. Ebenso verhalten sich die beiden Inzani-
176 XII. CARL
Lussana'schen mit den Worten des Referats citiften Fälle, von
denen der zweite so offenkundig Zeugniss gegen den Schiff-
sehen Faserverlauf ablegt.
Die übrigen von Lussana (1. c.) zusammengestellten Fälle
von totaler Trigeminusparalyse mit erhaltener Geschmaeksfunction
gevrähren in gleicher Weise flir meine Hypothese, wie auch fiir
diejenige Lussana 's eine Stütze.
Alles in Allem kann ich unter den mir zur Kenntniss ge-
langten Fällen, welche dasjenige Maass von genauer Darstellung
besitzen, welches sie berechtigt, in Betracht gezogen zu werden,
keinen finden, welcher die Haltbarkeit meiner Ansicht anzufechten
im Stande wäre.
Was die physiologischen Versuche betrifft, so befinde ich
mich im Einklang mit den Duchenne'schen und Inzani-
Lus Sana 'sehen Resultaten; im directen Gegensatze zu denjenigen
von Schiff. Indessen stehen letzteren wiederum die control-
lirenden Versuche von Pr6vost-Rosenthal gegenüber und
diejenigen, welche Alcock früher unternommen hatte. Unter
diesen Umständen kann meine auf einen charakteristischen patho-
logischen Befund basirte und durch andere klinische Aufzeich-
nungen theils direct befürwortete, zum mindesten nicht wider-
legte Hypothese den experimentellen Ergebnissen gegenüber eine
neutrale Stellung einnehmen. Beiläufig will ich nur anmerken,
dass die erwähnte Durchschneidung des Glossopharyngeus, welche
Schiff bei einer Gruppe von Versuchen aus Zweckmässigkeits-
gründen vorgenommen hat, ohne hierdurch die Geschmacksem-
pfindung auf den vorderen Zungenpartien aufzuheben, deshalb
meine Auffassung nicht zu erschüttern vermag, weil keine Garan-
tien vorhanden sind, dass Schiff die Durchtrennung des Glosso-
pharyngeus hoch genug, nahe genug an dessen Austritt aus dem
Schädel ausgeführt hätte, um diesen Nerven ausser Zusammen-
hang mit dem Felsenknoten zu bringen.
Es wurde bereits im Verlaufe der obigen Erörterungen auf
die Möglichkeit, durch Reizung der Chorda in meiner Pauken-
höhle die Speichelsecretion zu beeinflussen, Bezug genommen.
Durch die Versuche Bern ard 's (1. c. 1857. 58. 62.), Eckhard's
(I.e. 1862), Schlüter's (I.e. 1865) und Heidenhain's (Lc
1868) ist in übereinstimmender Weise die Thatsache an Hunden
festgestellt worden, dass durch Reizung der Chorda tympani
eopiöse Mengen von dünnflüssigem Speichel aus der Glandula
Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda tympani „Geschmacksfasern*' ? 177
snbmaxillaris geliefert werden. Dasselbe bin ich im Stande, an
mir selbst hervorzurufen.
Ich brachte lediglich mechanische Insulte in der früher be-
schriebenen Weise zur Anwendung uftd hatte die Freude, wenige
Augenblicke, nachdem mir das Stechen und Prickeln in der
Zunge die gelungene Reizung signalisirte, einen kleinen Bach
dünnen Speichel von der linken Caruncula salivalis herabfliessen
zu sehen. Ein einziges Mal gelang es mir im Anfange der
Reizung, den Speichel im spritzenden Strahle austreten zu lassen.*)
Was den Gehalt der Chorda an sensiblen Fasern betrifft,
so ist derselbe ebenso wenig zu bestreiten, wie die Anwesenheit
der eben besprochenen secretorischen Elemente. Von den durch
unmittelbare Beleidigung der menschlichen Chorda, wozu nament-
lich künstliche Trommelfelle Veranlassung boten, hervorgerufenen
Sensibilitätsphänomenen will ich nur des Resultates eines inter-
essanten Versuches V. Tr ölt seh (1. c. p. 527) erwähnen, welcher
durch eine an der hinteren oberen Partie des Trommelfelles
eines seiner Patienten vorhandene Perforation die Chorda tym-
pani als weissen Punkt erblickte und indem er sie mit einer
feinen Pinselspitze zu reizen begann, bei dem Patienten eine
stechende Empfindung auf der entsprechenden Zungenseite her-
vorrief. Femer darf ich hier noch einmal an die Duchenne-
schen Experimente erinnern. Der oben gegebenen Schilderung
der näheren Umstände, unter denen die Empfindung bei mir
selbst entsteht, habe ich nur noch Weniges beizufügen. Vor
Allem sei ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht ^ dass der
betreffende sensible Eindruck, den ich am besten als „stechend"
mit „prickelndem" Nachklingen bezeichnen zu niUssen glaube,
nicht etwa entsprechend dem Gebiete der gustatorischen Paralyse
bis zur Medianlinie localisirt wird, sondern lediglich der Zungen-
rand etwa von der Grenze zwischen hinterer und vorderer Hälfte
bis zur Spitze hin ist Sitz der Empfindung. Es scheint hieraus
hervorzugehen, dass vorzugsweise diese Stelle ihre sensiblen
Fasern durch die Chorda central wärts sendet; ob alle, ist schwer
zu sagen. Aus dem besprochenen Versuche lassen sich begreif-
licherweise keine Schlüsse über den weiteren Verlauf der in der
Chorda gesammelten sensiblen Fasern aufbauen. Ob sie im
Facialis peripherisch verlaufend in den Auriculotemporalis ge-
1) Die galvanische Reizung behalte ich mir für später vor, wenn das
gänzliche Versiegen der Eiterung aaf eine Ausheilung des Proeesses wird
Bchliessen lassen können.
178 Xn. GAEL, Enthält die Chorda tymp. „Geschmacksfasern''?
langen, oder ob in sie centripetalem Zuge vom Enieknoten aus
die Bahn des Petrosns superficialis major aofeuchen, dar&ber
ist meines Wissens noch nichts Sicheres bekannt.
Literatur.
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14. Lussana: Snr les nerfs da goüt. Exp^riences nouveMes. Archives de
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20. Schiff, LcQons sar la Physiologie de la digestion. T. I. 1867.
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Meissner's Jahresbericht 1857. 1858. 1862. 1862. 1865. 1868.
22. Sticb> Beiträge zar Kenntniss der Chorda tympani 1857. Annalen des
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23. V. Tr ölt seh, Lehrbach der Ohrenheilkunde. 5. Anfl. 1873.
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■-* -'-- . VT
XHI,
Casnistik znr chiinrgischen Eröffnung des Warzen-
fortsatzes
von
H. Sehwartze.
(Fortsetzung von Bd. X. S. 46.)
(Hierzu Tafel IV.)
Fall X. (55 der Tabelle.)
Otitis media cariosa nach Seliarlacli mit wiederholter Ahseesshildungr
am Proe. mastoideus* ErSffnungr des letzteren mit der Hohlsonde
wegen acuter Symptome Ton Hirnreizungr« Besserungr, aher keine
Heilung nach 3 Jahren.
Ernst Richter aus Halle a/S., geb. 1865, von schwächlicher
Constitution, überstand im Herbst 1869 schweren Scharlach mit
doppelseitiger Otitis. Seitdem fötide Otorrhoe und Taubheit auf beiden
Ohren. Auf den rechten Warzenfortsatz waren bereits während der
Krankheit von dem behandelnden Arzte zweimal Incisionen gemacht^
gefolgt von sehr reichlicher Entleerung von Eiter. Als mir das Kind
im November 1869 zugeführt wurde, waren diese Incisionen fest
vernarbt ohne Knochendepression, und der Warzenfortsatz schmerzlos
bei Druck und ohne Schwellung des Hautüberzuges. Sehr copiöse
und fötide Otorrhoe auf beiden Seiten bestand fort, rechts stärker.
Dabei öo hochgradige Taubheit, dass die Sprache des Kindes bereits
sehr undeutlich geworden war und der Unterricht eines Taubstummen-
lehrers in Anspruch genommen werden musste, um das völlige Ver-
lernen der Sprache zu verhüten.
Das linke Trommelfell war im peripherischen Theil noch vor-
handen mit dem Hammer. Durch den centralen Defect innerhalb
der Pauke auf der stark gewulsteten Schleimhaut nach hinten-unten
Granulationswucherungen sichtbar. Tuba durchgängig. «
Im rechten Gehörgang hinten -oben, entsprechend dem Bo-
den des Antrum mastoideum, eine cariöse Stelle, mit breit auf-
sitzenden Granulationswucherungen. Von Trommelfell und Hammer
nichts sichtbar. Pauke erfüllt von Granulationen. Tuba undurch-
.'•• %
180 XIII. SCHWARTZE
gängig. — Sorge für gründliche und regelmässige Entfernung des
Eiters und Aetzungen mit Höllenstein in Substanz bildeten für die
nächsten Monate die Therapie. Am 4. December 1869 entleerte
sich beim Spritzen der Hammer aus dem rechten Ohre, der nach Ver-
kleinerung der Granulationswucherungen schon einige Zeit vorher
sichtbar geworden und aus seiner Verbindung mit dem Amboss ge-
löst erkannt worden war. Am Kopfe des Hammers war eine tiefe
cariöse Excavation, sonst aber der Knochen in seiner Gestalt voll-
kommen erhalten. Eine Störung des Allgemeinbefindens trat in der
nächsten Zeit nicht auf, abgesehen von leichten und schnell vorüber-
gehenden subacuten Steigerungen der Entzündung, die als Effect der
Aetzungen anfgefasst werden mussten oder konnten. Da die Granu-
lationen sich nicht verminderten, wurde im Februar 1870 das bisher
benutzte Aetzmittel mit Chromsänre vertauscht, anfangs in Krystallen,
später in Lösungen von 1:1. Auch hiervon war nach einigen Mo-
naten nur rechts ein etwas erheblicherer Nutzen erkennbar, so dass
vom April an wieder zum Höllenstein zurückgekehrt wurde. Erst
als am 7. Mai ^uch auf dem linken Ohre der nekrotische Hammer
extrahirt war, was sich mit der winklig gebogenen Kornzange von
Politzer leicht bewerkstelligen Hess, war eine wesentliche Abnahme
in der Neigung zum Nachwachsen der Granulationen bemerkbar.
Die Otorrhoe war wesentlich vermindert, bestand aber auf beiden
Seiten fort. Von 8 zu 8 Tagen wurden mit eiserner Consequenz
die Aetzungen fortgesetzt.
Wegen meiner Einberufung zur Armee wurde diese Behandlang
während der Dauer des Krieges 1870/71 unterbrochen. In dieser
Zeit wurden Einträufelungen von Solutio cupri sulphurici angewandt.
Nach meiner Kückkehr aus Frankreich wurden die Aetzungen un-
verdrossen wieder aufgenommen und es gelang bis zum Herbst 1871,
den Eiterungsprocess im linken Ohr vollständig zu beseitigen. In-
zwischen hatte sich das Gehör des Knaben, welcher sehr allmählich
auch eine deutliche Sprache wiedergewonnen hatte, so weit verbessert,
dass er mit Erfolg eine öffentliche Schule besuchen konnte.
Das Leiden des rechten Ohres widerstand hartnäckig unserer
bisherigen Therapie. Der Grund lag hauptsächlich in der (Jndnreh-
gängigkeit der Tuba, welche eine vollkommene Ausspülung der
Knochenhöhle nicht gestattete. Diese Undurchgängigkeit war bedingt
durch einen Verschluss des Lumens am Ost. tympanicum tubae. Alle
Versuche, diesen Verschluss zu beseitigen, von der Tuba aus mittelst
Bougies, von der Pauke aus mittelst entsprechend localisirter Aetzun-
gen blieben resultatlos. Die Annahme einer festen, bindegewebigen
oder membranösen Verwachsung der Tuba in oder am Ostium tym-
panicum, wie sie sich bei Caries des Mittelohres gar nicht so selten
entwickelt, erschien schliesslich unabweisbar. Dessen ungeachtet
wunde andauernd vom Gehörgang aus, so weit es überhaupt mög-
lich ist, für gründliche Reinigung und Desinfection gesorgt, ohne
dass dadurch verhindert werden konnte, dass das cariöse Secret an-
dauernd eine fötide Beschaffenheit behielt. Dip Befürchtung, dass
dies von einer Stagnation faulenden Eiters im Antrum mastoideum
Casuistik zur chirurgischen- Eröffnung des Warzenfortsatzes. 181
herrühren möchte, in welches man von der cariösen Stelle an der
hinteren -oheren Gehörgangswand eine Sonde vorschieben konnte,
sollte der weitere Verlauf bald bestätigen. Im December 1872 er-
krankte der Knabe plötzlich unter he^gem Fieber mit Temperatur
über 41^0., und cerebralen Symptomen, Kopfschmerz, Erbrechen,
Sopor, Delirien. Dabei völliges Cessiren der Otorrhoe. Nach mehr-
tägiger Dauer dieser bedrohlichen Symptome kam es zur Abscess-
bildung hinter dem Ohr über dem Proc. mastoideus. Nach Incision
desselben zeigte sich die Wurzel des Fortsatzes vom Periost entblösst
und der Knochen so erweicht, dass eine Hohlsonde leicht hindurch-
drang nnd bis zum Antrum vorgeschoben werden konnte. Das in
die Knochenöffhung eingespritzte Wasser drang sofort, stark getrübt
und mit käsigem Eiter vermischt, aus dem Gehörgange hervor. Das
Fieber und alle anderen Symptome von Hirnreizung hörten sofort
auf. Nur wenige Tage gelang es, diese Injectionen von der künst-
lichen Fistelöffnung, denen immer ein Zusatz von Kochsalz und Carbol-
säure gegeben wurde, mit demselben Erfolge fortzusetzen. Nach
wenigen Wochen war die Incision fest vernarbt. Ein Versuch, durch
Einlegen einer Drainröhre die Oeffnung im Knochen längere Zeit
künstlich zu unterhalten, wurde leider versäumt. Die Folge dieses
therapeutischen Fehlers war, dass im Laufe der nächsten Jahre sich
ähnliche Zufälle wiederholten, obschon in geringerer Intensität, wobei
jedesmal durch frühzeitige tiefe Incisionen auf den Warzenfortsatz
die Entzündung cupirt wurde, ehe es zur subcutanen Abscessbildung
gekommen war. Im Laufe des letzten Jahres sind diese Entzündungen
am Warzenfortsatz nicht wieder hervorgetreten, dafür aber einige
Mal ohne jeden Schmerz in oder hinter dem Ohre Anfälle von
pyämischer Febricula mit rudimentären Schüttelfrösten, Temperaturen
von 41 — 42® C, die bisher mit oder ohne Gebrauch von grossen
Chinindosen nach wenigen Tagen wieder verschwanden, mit Hinter-
lassung einer sehr auffälligen Abmagerung, um dann jedesmal für
längere Zeit von einem relativen Wohlbefinden gefolgt zu sein. Die
locale Behandlung vom Gehörgange aus mit Aetzungen etc. wurde
mit geringen Unterbrechungen bis heute fortgesetzt, daneben von
allgemeinen Heilmitteln Bäder» Landaufenthalt, überhaupt Alles in
Anwendung gezogen, was man bei günstigen äusseren Verhältnissen
in solchen Fällen zu thun pflegt. Noch heute halte ich das Leben
des Knaben wegen seines Ohrleidens für bedroht, obwohl sich die
Verhältnisse im Ohre in so weit viel günstiger gestaltet haben, dass
sich ein Nachwuchern von Granulationen nur an einer einzigen Stelle
zeigt, nämlich an der dem Boden des Antrum entsprechenden Partie
der hinteren oberen Wand des Gehörganges. Die Pauke ist schon
seit langer Zeit frei von Granulationswucherungen und zeigt zum
grössten Theil dermoide Umwandlung ihrer Schleimhaut.
Es ist kaum nöthig, dem Leser zu wiederholen, dass ich
ein therapeutisches Verfahren, wie es in diesem Falle fllr das
rechte Ohr stattgefunden hat und oben beschrieben ist, nach
182 Xm. SCHWARTZE
meinen gegenwärtigen Erfahrungen flir nnzureichend erachte.
Bei Gelegenheit der acuten Exacerbation im December 1872
hätte der Knochen breit eröffnet und mit dem kahnfönnigen
scharfen Löffel so viel von demselben entfernt werden müssen,
als sich cariös erweicht zeigte.
Von der Nothwendigkeit dieses Eingriffes zur Heilung der
Caries bin ich auch bei dem jetzigen Befunde im Ohr überzeugt,
indessen ist derselbe bei der grossen Aengstlichkeit der Eltern
des Knaben immer noch, von Jahr zu Jahr hinausgeschoben
worden^ in der Hoffnung, dass es auch ohne denselben gelingen
möchte, bei fortgesetzter Ausdauer in der bisherigen einfachen
Therapie schliesslich den Process zur Heilung kommen zu sehen.
Um unnütze Wiederholungen zu vermeiden, bitte ich den Leser
gütigst zu vergleichen, was ich Bd. X. S. 26 im Anschluss an
Fall I gesagt habe.
Fall XI. (56.)
Otitig media purulenta elironiea mit Caries und polypösen Orana-
lationen im GehQrgrangre. Eiterretention im Warzenfortsatz mit
acuten Symptomen von Hirnreiznngr. Er^^ffnungr desselben mit dem
Prillbolirer. Besserung. Keine Heilung nacli 8 Jahren.
Willy V. B. ans Leipzig, geboren 1863, litt seit 7 Jahren an
linkseitiger Otorrhoe in Folge von Otitis media mit Perforation des
Trommelfelles. Ein Bruder leidet gleichfalls an Otorrhoe nnd an
Spondylitis cervicalis. Mehrere Monate nach der Entstehung des
Leidens der Otorrhoe wegen befragt, constatirte ich den Defect der
unteren Hälfte des Trommelfelles, und nachdem eine Zeit lang Ad-
stringentia und, wenn ich nicht irre, auch kaustische Lapislösungen
ohne Erfolg in Anwendung gekommen waren, ging der Knabe in
die Behandlung des Collegen Wen dt in Leipzig über. Es bildete
sich eine polypöse Wucherung, die nach der Aussage von Wendt
theils von der Oberfläche des Trommelfelles, theils von der Pauken-
höhle ihren Ausgang nahm. Durch Aetzungen Hess sich diese
Wucherung beseitigen und im Laufe von 3 Jahren erfolgte anch
kein Recidiv derselben. Eine geringe Eiterung dauerte indessen fort,
gegen welche vergeblich angekämpft wurde. Der Trommelfellrest
blieb roth, massig dick, glatt, ebenso die Paukenschleimhaut schwach
rosenroth und glatt. Beim Valsalva'schen Versuch zischte die Luft
zu jeder Zeit leicht durch das Ohr hervor.
Im Laufe der nächsten Jahre verschlechterte sich der Ernährungs-
zustand immer mehr und mehr, ohne dass ein anderweitiges Local-
leiden nachweisbar war, und das ursprünglich kräftige Kind bekam
schliesslich eine schwächlich-anämische Constitution.
Casnistik zur chirurgischen Eröffonng des Warzenforteatzes. 183
Mitte October 1872 trat unter Fieber eine acute Exacerbation
der Otitis ein mit schmerzhafter Anschwellung des Warzenfortsatzes.
Vorübergehende Besserung nach Blutegeln. Bald darauf Schwindel-
anfalle ^ Stimkopfschmerz ^ Erbrechen. Von letzteren Symptomen
konnte es zweifelhaft sein, ob sie auf das Ohrleiden allein zu beziehen
waren , weil etwa 8 Tage später die Masern zum Ausbruch kamen.
Am 8. November (14 Tage nach Ausbruch der Masern) con-
statirte Dr. Wen dt ein Recidiv des Polypen im Gehörgang, etwa
halberbsengross, der oberen Gehörgangs wand aufsitzend. Diese Granu-
lationswucherung vergrösserte sich ungemein schnell und füllte schon
nach 8 Tagen den Gehörgang vollständig aus, so dass der Abfluss
des 'Eiters aus der Tiefe vollständig verhindert war. Selbst die Luft
zischte beim Valsalva'schen Versuch nicht mehr wie früher zum Ohr
hinaus. Der Warzenfortsatz zeigte von Neuem ÖdematÖse Anschwel-
lung und wurde äusserst schmerzhaft gegen Berührung.
Als ich am 25. November, zur Consultation hinzugezogen, den
Knaben sah, erstreckte sich die schmerzhafte Anschwellung hinter
dem Ohre fast bis zur Mitte des Occiput. Fluctuation nicht fühl-
bar. Der Gehörgang war vollständig erfüllt durch eine polypöse
Granulationsmasse; der Kranke durch anhaltende Schmerzen und
schlaflose Nächte in hohem Grade geschwächt und so nervös erregt,
dass er sich nur schwer untersuchen liess.
In der Chloroformnarkose wurde zunächst der grosse Polyp aus
dem Gehörgang mit der Schlinge entfernt und danach bei der Son-
dirung des Gehörganges festgestellt, dass der dem Boden des Antrum
mastoideum entsprechende Theil der hintern-obern Gehörgangs wand
cariös war. Die reichliche arterielle Blutung nach der Incision der
stark geschwollenen Weichtheile auf dem Warzenförtsatz machte mehr-
fache Gefassunterbindungen nothwendig. Nach hinreichender Ablösung
des Periostes von dem äusserlich nicht erkrankten Fortsatz wurde mit
dem Drillbohrer das Antrum eröffnet und sofort drang beim Ein-
spritzen in die Knochenöffnung eine grosse Menge käsig eingedickten
nnd äusserst übelriechenden Eiters aus dem vorher freigemachten
Gehörgang hervor. Die ganze Operation hatte nicht 5 Minuten in
Anspruch genommen. Auch bei Einspritzungen durch deii Gehörgang
quoll das Wasser hinten wieder hervor. Nach genügender Durch-
spülung mit Carbolwasser wurde in die Knochenfistel ein Bleinagel
eingelegt und darüber der bei uns übliche Verband gelegt (geölte
Charpie oder Wundwatte , Compresse mit Carbolwasser getränkt, was-
serdichtes Zeug, Flanellbinde).
Zur Nachbehandlung, die College W e n d t übernahm, sollte An-
fangs zweimal täglich mit Carbol-Salzwasser irrigirt werden.
Eine fieberhafte Reaction trat nicht ein (Temperatur während
der ersten 10 Tage nach der Operation nie über 38^). Ebenso wenig
eine bemerkenswerthe locale Reaction in der Umgebung der Wunde,
auch keine Verschwellung des Gehörganges. Die Kopferscheinungen
Hessen sofort nach ^ und das Allgemeinbefinden besserte sich schnell.
Das Durchspülen der eröffneten Knochenhöhle wollte, wie mir
Dr. Wen dt schrieb, schon nach wenigen Tagen nicht mehr gehörig
Archiv far ObrenheUkunde. X. Bd. (Nene Folge. IV. Bd.) 13
184 Xra. SCHWARTZE
gelingen, während doch beim Valsalva'schen Versuch unter Verschluss
des Gehörganges die Luft aus der künstlichen Knochenfistel heraus-
zischte. Am 5. December war die Wunde durch Granulationen aus-
gefüllt. Am Abend desselben Tages eine T.emperaturerhebung auf
39,2® ohne nachweisbare Ursache, die am anderen Tage übrigens
wieder verschwunden war, ohne sich zu wiederholen. Am 6. Januar
1873 schrieb Wen dt: „B. befindet sich sehr gut. Der Trommelfell-
rest und die Schleimhaut der Paukenhöhle noch geschwellt ; im Gehör-
gang keine Granulationen nachgewachsen. Die Wunde ist geschlossen
bis auf eine kleine Fistel, durch welche man mit der Sonde nach
vom und etwas nach unten blossen und rauhen Knochen fühlte
Dieser Befund wurde weiterhin bestätigt durch einen Brief des Haus-
arztes (Dr. Berg er), welcher mich am 16. Februar benachrichtigte,
dass er von der Fistelöffnung aus mit der Sonde in der Tiefe von
1 Oentimeter auf blossen Knochen gestossen sei. Die Eiterung aus
dem Fistelgang sei spärlich, aus dem Gehörgang reichlicher. Der
Allgemeinzustand sei andauernd sehr gut. Der Bleinagel war schon
seit längerer Zeit fortgelassen worden. Ich rieth wiederholt zu er-
neuten Versuchen, die Oommunication zwischen Fistel und Gehörgang
wiederherzustellen und durch tägliche Einspritzungen möglichst frei
zu erhalten. Dies wollte aber nicht gelingen, auch nicht nach vor-
aufgegangener Erweiterung der Fistelöffnung mit Laminaria. Die
Erweiterung der Fistelöffnung hatte zur Folge, dass sich vorüber-
gehend ein stärkerer Abfluss von Eiter aus dem Warzenfortsatz ein-
stellte. Erst am 29. März konnte ich selbst den Knaben wieder
untersuchen. Von der Fistelöffnung aus kam die Sonde in der
Tiefe von 1 Centimeter in der Richtung nach vorn und unten auf
eine entblösste Knochenstelle, drang aber nicht in den Knochen hinein.
Der Gehörgang war frei von Granulationswucherungen, zeigte an
seiner hintern-oberen Wand, dem Boden des Antrum mast. entsprechend,
einen harten prominirenden Wulst. Eiterung gering. Oommunication
zwischen Fistel und Gehörgang nicht mehr nachweisbar. Allgeniein-
zustand gut. In der Annahme, dass es doch noch zur Ausstossung
eines kleinen Sequesters kommen würde , wurde die Fistel künstlich
offen erhalten durch Einlegen einer Drainröhre.
Im April erkrankte der Knabe am Scharlach, im Verlaufe dessen
sich ein Abscess am und unter dem linken Ohre entwickelte. Ich
betrachtete denselben nicht als einen vom Ohr ausgehenden Senkungs-
abscess, sondern als einen einfachen Lymphdrüsenabscess. Die schnelle
Heilung nach der Incision bestätigte diese Annahme.
Anfang Juni konnte ich von der bis dahin künstlich offen er-
haltenen Fistelöffnung hinter dem Ohre beim Sondiren nirgends mehr
entblössten Knochen fühlen und rieth, die Fistel zuheilen zu lassen.
Nach der Rückkehr von einem mehrwöchentlichen Aufenthalte in
Franzensbad und Alexanderbad war eine feste Vernarbung der Fistel
erfolgt (Anfang August) unter wesentlicher Kräftigung des Allgemein-
zustandes. Es dauerte jedoch noch immer eine geringfügige Eiterung
in der Tiefe des Gehörganges, anscheinend aus dem Antrum stam-
mendy fort, welche trotz der sorgfältigsten und regelmässigen Reinigung
Casnistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 185
und trotz der Anwendung verschiedener Adstringentia (Alaun, Kupfer)
fortbestand, als im October 1873 der P. meiner weiteren Beobachtung
entrückt wurde, weil die Eltern ihren Wohnsitz nach Dresden ver-
legten. Dort kam er unter Obhut des Collegen Dr. Schur ig. Der-
selbe schreibt mir am 18. October 1875: „W. v. B. hat seit Jahresfrist
keine Schmerzanfälle mehr gehabt. Im October 1874 traten leichte
Schmerzen und Schwellung des Gehörganges auf, denen vermehrter
Ausfluss für einige Tage folgte. Seitdem besteht eine sehr massige,
dünn-eitrige Secretion. Der Gehörgang ist frei von Granulationen ;
die Paukenschleimhaut blutreich und aufgelockert, zeigt eine fein
granulirte Oberfläche; der oben-hinten noch bemerkbare Trommel-
fellrest ist sehr dick, von weissgrauer Farbe und lässt am freien
Rande feine Granula, ähnlich denen an der inneren Pauken wand,
erkennen. Die Tuba sehr leicht durchgängig. Tieferes Eingehen
mit der Sonde nach dem Antrum mastoideum ist mir nicht gelungen,
doch erschwert die übergrosse Aengstlichkeit des Knaben eine solche
Untersuchung bedeutend ".
In diesem Falle war die Operation indicirt durch die Sym-
ptome von Himreizung bei acuter Exacerbation der chron. Otitis
mit Anschwellung des Warzenfortsatzes. Die einfache Incision der
Weichtheile auf demselben wäre oflFenbar ungenügend gewesen,
um die bedrohlichen Symptome dauernd zu beseitigen. Nach
einer kurzen Bemission wären dieselben mit erneuter Heftigkeit
aufgetreten, bis nach Wochen oder Monaten im günstigen Falle
ein spontaner Durchbrnch der gesunden Corticalis am Warzen-
fortsatz erfolgt wäre. Wo sich in ähnlichen Fällen mit der Sonde
vom Gehörgange aus feststellen lässt, dass eine cariöse Zer-
störung, dem Boden des Antrum entsprechend, bereits zu Stande
gekommen ist, kann, wie ich glaube, wohl kaum ein Zweifel
über die Zweckmässigkeit der Eröffnung des Antrums vom War-
zenfortsatze aus bestehen, auch wenn die Corticalis dem Auge
noch als gesund erscheint.
Für die definitive Heilung der Caries blieb der Eingriff er-
folglos, weil die gewählte Operationsmethode, und besonders die
Nachbehandlung ungenügend war. Der mit dem Drillbohrer
geschaffene enge Knochenkanal war schon nach wenigen Tagen
durch Granulationen so verlegt, dass eine genügende Irrigation
bei dem ohnehin schwer tractabeln kleinen Patienten unausftthr-
bar erschien.
13*
-i-'^fmm^
186 Xffl. SCHWARTZE
Fall Xn. (57.)
Otitis med. pumlenta chronica. Eiterretention im Antrnm mastoi-
deum. ErOirniing des Warzenfortsatzes mit Drillbohrer. Schwere
Pyämie. Heilangr.^)
(Hierzu Temperatur -Curve auf Tafel IV.)
Friedrich Schröder, 25 Jahre alt, aus Eilenburg, Buchbinder, von
kräftiger Constitution, will seit seinem achten Jahre hin und wieder
eitri^n Ausfluss aus beiden Ohren bemerkt haben. Sein Gehör soll da-
bei niemals merkbar geschwächt gewesen sein. Er hat die Feldzüge
von 186Ö und 1870/71 mitgemacht, den letzteren als ünterofficier
bei der Cavallerie. Im Laufe des letzteren wurde zuerst eine geringe
Schwerhörigkeit bemerkt, die sich im Juni 1871 ganz plötzlich im
Laufe eines Tages zu hochgradiger Taubheit auf beiden Ohren ge-
steigert haben soll. Diese besserte sich spontan wieder so weit, dass
er im Dienst bleiben konnte. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich
im Nov. 1871 dauerte die Schwerhörigkeit und ein heftiges Ohren-
sausen in wechselndem Grade fort und da die Behandlung in seiner
Heimath und in Leipzig (Einspritzungen, Gurgelungen, Nasendouche,
Katheter) im Verlauf mehrerer Monate keine dauernde Besserung her-
beiführte, wandte er sich im October 1872 an mich.
Die erste, am 27. October 1872 vorgenommene Untersuchung
ergab Folgendes:
Fat. hört die Uhr nur beim festen Andrücken an die Ohrmuschel
und von den Schädelknochen aus. Beide Gehörgänge, durch ent-
zündliche Schwellung der Hautauskleidung verengt, enthielten Eiter.
Rechts fiel eine sehr bedeutende Anschwellung der oberen Wand des
Gehörganges auf, die indessen keine deutliche Fluctuation erkennen
Hess. Im Sinus meat. audit. extern, lag ein verfaulter Wattepfropfen,
nach dessen Entfernung zwar die Hörweite auf dieser Seite auf
1 Ctm. stieg, das Sausen aber unverändert fortbestand." Das Trommel-
feir war der Schwellung des Gehörganges wegen nur theilweise zu
sehen, eine Perforation desselben nicht sichtbar, jedoch durch Lnft-
douche nachweisbar, bei welcher neben dem Perforationsgeräusch
ein zähes Rasselgeräusch in der Paukenhöhle hörbar wurde. Durch
die linke Tube war selbst bei starkem Luftdruck kein Luftstrom
durchzubringen. Bei ableitender und antiphlogistischer Behandlung
mässigten sich die entzündlichen Erscheinungen im linken Ohr schnell,
der Gehörgang dieser Seite wurde trocken, das Trommelfell sichtbar,
aber eine weitere Hörverbesserung trat nicht ein; rechts wurde das
Hörvermögen etwas besser (2,5 Ctm.), aber Kopfschmerzen, Schwindel-
zufälle, stinkende Eiterung dauerten unverändert fort. Auch die An-
schwellung der oberen Wand des rechten Gehörganges veränderte
sich im Laufe von Wochen gar nicht. Die Weichtheile über dem
1) Dieser Fall ist angeführt in den Inauguraldissertationen von Dr. Paul
Rupprecht (Bericht über das Stadtkrankenhaus zu Halle. Halle 1873. S.4)
und Dr. Carl Weitz(Ca8ui8tik zur Chirurg. Eröffnung des Warzenfortsatzes.
Halle 1874. Fall H.)
Casnistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 187
Proc. mastoid. waren massig verdrckt, durch chronisch entzündliche
Infiltration^ aber keine Empfindlichkeit des Knochens bei Druck und
Percussion.
Da mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen war, dass im Antrum
mastoideum und in den Zellen des Warzenfortsatzes eine Eiter-
stagnation stattfand, obwohl Sclimerzhaftigkeit und Anschwellung
aussen nie bemerkt worden war, und andererseits auch die Annahme
einer Erkrankung des Knochens bei der langen Dauer und Hart-
näckigkeit des Leidens berechtigt erschien, wurde die künstliche Er-
öfl&iung des Warzenfortsatzes beschlossen und am 28. November 1872
von mir unter Assistenz der Herren Dr. Eysell und Rupprecht
im hiesigen Stadtkrankenhause in der Chloroformnarkose ausgeführt.
Die Oeffnung in dem Warzenfortsatze wurde mit dem Drillbohi'er
gemacht und hinterher mit einem Handtrepan erweitert. Das durch
dieselbe mit dem Irrigator eingeleitete Wasser lief sofort aus dem
Gehörgange wieder ab und spülte eine grosse Menge eingedickten
käsigen Eiters hervor. Um den Verschluss der Oeffnung zu verhin-
dern, wurde sogleich nach der Operation ein Bleinagel eingelegt.
Schon am Abend zeigte sich, wenn auch minimale, Temperatur-
steigerung.
29. 11. 72. Kopfschmerz, namentlich im Vorderkopf vermehrt.
Abends massiges Fieber. Schnittwunde schlaff, blass, leicht speckig,
beim Verbandwechsel stark blutend. Nur mit Mühe gelingt es, von
der Trepanationsöffnung aus durch den Gehörgan^ hindurch einige
Tropfen einer schwachen CarbolsäurelÖsung hindurch zu spritzen,
wobei sich eine Spur stinkenden Eiters mit entleert. Ord. Einfacher
Watteverband. Abends Morph, hydrochlorat. 0,01.
30. 11. Temperatur continuirlich ohne Frost ansteigend, Abends
bis zu 40,6. Kopfschmerz anhaltend. Klage über Pulsiren im Ohr.
Wegen Obstruction Magnes. sulf. 15,0. Früh beim Verbandwechsel
zeigte sich im äusseren Gehörgang etwa V2 Theelöffel zäher, glasiger,
eigenthümlich grünlich gelbbraun geförbter und sehr übelriechender
Eiter. Die mikroskopische Untersuchung desselben zeigte weder
Knochenpartikelchen noch Detritus, sondern durchweg frische Eiter-
zellen. Die Operationswunde durchweg speckig, dünnflüssiges, gelbes
Serum absondernd, die Umgebung geschwellt, geröthet, schmerzhaft.
Auch heute gelingt es nur mit einiger Gewalt, wenige Tropfen der
desinficirenden Flüssigkeit durch das Ohr hindurchzuspritzen. Ord.
Feuchte Compresse, Kali nitricum 3:150, Abends Morph, 0,01.
1.12. Aussehen der Wunde wie gestern. Im Gehörgange wenige
Tropfen des nämlichen Eiters wie Tags zuvor. Durchspritzungen
noch sehr erschwert, Abends jedoch für den Irrigator möglich. In
der Nacht schlechter Schlaf trotz Morph. 0,01. Kopfschmerz und
Pulsiren im Ohre vermehrt. Früh zwischen 8 und 9 angeblich
schwaches Frösteln, Mittags von 1 1 — 1 1 V2 starker Schüttelfrost unter
Ansteigen der Temperatur bis zu 41,8 Gegen Abend unter starkem
Schweiss Temperaturabfall auf 40,0. Viel Durst, kein Appetit, be-
legte Zunge, Stuhlverstopfung. Ord. Eisblase auf die rechte Kopf-
hälfte, Klysma.
188.
Xm. SCHWARTZE
2. 12. In der Nacht nach 1 Uhr angeblich ein neuer, aus-
' gesprochener Schüttelfrost. Kein Schlaf. Kopfweh und Pulsiren im
Ohre durch die Eisblase gelindert. Dagegen Schwindel und früh
während des Irrigirens Brechreiz. Sensorium völlig frei. Ord. Eis-
blase fortgesetzt. Magnes. sulph. 16;0. Nachmittags klngt Patient über
ein gegen früher verstärktes Klingen im Ohre, das Pulsiren ist ver-
schwunden. Kopfweh sehr massig. Weicher, normal frequenter Puls.
Temperatur stetig abnehmend. Die Wunde fängt an, sich zu reinigen.
Der Strom des Carbolwassers fliesst beim Gebrauch eines Irrigators
leicht durch. Die abfliessende Flüssigkeit geruchlos, dagegen der
in der Wundcompresse befindliche Eiter stinkend. Ord. Klysma.
Morph. 0,01.
3. 12. Nachts wenig und durch schreckhafte Träume gestörter
Schlaf. Die Temperatur muss, ohne dass Schüttelfrost eingetreten
ist, die Nacht hindurch über 40 ^ gewesen sein, wenigstens war sie
Abends 11 Uhr 40,8» und Morgens 7 Uhr 40,4 «. Um 10 Uhr früh
war sie unter sichtlichem subjectiven Besserbefinden auf 39,3^ herab-
gegangen. Keine irgend bedrohlichen Hirnsymptome; Kopfweh und
Klopfen im Ohr bei Fortgebrauch der Eisblase sehr vermindert.
Puls weich und trotz der hohen Temperatur theils normal, selten
wenig mehr als normal, öfters subnormal an Frequenz, ohne Irregu-
larität im Rhythmus. Herztöne rein. Respirationsfreqnenz normal.
Einzelne katarrhalische Rasselgeräusche in den gröberen Bronchien.
Nach Hinwegnahme der immer noch mit stinkendem Eiter Imprä-
gnirten Compresse zeigt sich die Wunde durchweg gereinigt, in der
Nähe des Bohrloches sogar deutliche Granulationsknöpfchen. Die
Umgebung abgeschwollen, kaum noch schmerzhaft. Das carbolisirte
Irrigatorwasser läuft leicht durch, Anfangs einige Tropfen stinkenden
Eiters aus dem Gehörgange spülend, dann klar und geruchlos.
Einige Tropfen der Flüssigkeit dringen auch durch die Tuba in
den Schlund.
Mittags 12 Uhr neuer, halbstündiger Schüttelfrost. Danach
Temperatur 40,6 ö, Puls 80. Vermehrte Schmerzen im Ohr, welche
Nachmittags nach erneuter Irrigation nachlassen. Von Neuem speckige
Beschaffenheit der Wunde. Abends ausser der hohen Temperatur
(40,3^) keine alarmirenden Symptome. Ord. Eisblase und Carbol-
compresse fortgesetzt. Früh, Mittags und Abends Irrigiren mit
schwacher CarboUösung. Nachmittags 1,5 Chinin, sulphuricum.
9 Uhr Abends: Patient hat stark geschwitzt. Temp. herab-
gegangen auf 39,2. Im Laufe des Nachmittags soll Patient laut ge-
sprochen haben. Häufiges kurzes, trockenes Hüsteln. Links oben
vorn katarrhalisches Schnurren hörbar und dem Patienten selbst fühl-
bar, keine Dämpfung. Lautes Kollern im Leibe. Vermehrte Schwer-
hörigkeit, wohl in Folge des Chiningebrauches. Beim Verbandwechsel
war der in die Compresse imbibirte Eiter geruchlos, ebeuso ä^s
irrigirte Wasser geruchlos abfliessend. Keine Hirnsymptome. Ord.
Morph. 0,02.
4. 12. In der Nacht wenig Schlaf trotz verstärkter Morphium;
dosis. P. soll leise Delirien gehabt haben. Früh Temp. 38,5, Puls
J
Casoistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 189
weich, 56— -60 in der Minute. Subjectiv, ausser einer geVissen
Schwere im Kopf und etwas Brennen in der Wunde, keine Klagen,
namentlich nicht über Kopfweh, Sausen, Pulsiren im Ohr u. s. w.
Vollständig freies Sensorium, feuchte Zunge, trockne Haut. Chinin-
tanbheit verschwunden. Noch immer etwas Kollern im Leibe. Lockerer
Husten, katarrhalische Sputa und Rasselgeräusche. Aussehen der
Wunde noch immer schlaff und gelb infiltrirt. Eiter in der Compresse
weniger stinkend als bisher. Die Anfangs sehr erschwerten Durch-
spritzungen mittelst Irrigator entleeren nur wenige Tropfen eines
ebenfalls nur wenig stinkenden, gelben, ziemlich zähflüssigen Eiters,
wonach das Wasser klar und geruchlos abfliesst«. Patient gibt an,
nach dem Durchspülen sei ihm jedesmal leichter im Kopfe und sein
Gehör freier.
Mittags 12 Uhr: Schüttelfrost von einer Stunde Dauer. Danach
Temp. 41,0<*; trockne, brennende Haut, viel Durst, vermehrte Schwer-
hörigkeit, vermehrte Kopf- und Ohrenschmerzen. Bis Abends 6 Uhr
Te&peratur andauernd sehr hoch, ohne Kopferscheinungen bedroh-
licher Art. Nachmittags und Abends Irrigation, danach wie ge-
wöhnlich Erleichterung. Abends 9 Uhr ist die Temp. unter leichtem
Schweiss und subjectiver grosser Euphorie auf 38,7 herabgegangen.
Urm enthält kein Eiweiss. Ord. Klysma. Morph. 0,02.
5. 12. Besser als bisher geschlafen. Temperatur massig febril.
Puls 60. Zunge feucht. Schmerzen im Kopfe und Ohre wie vor
der Operation. Wunde noch immer schlaff und gelb, ausgeflossener
Eiter stinkend. Da die Schüttelfröste bisher immer Mittags eintraten,
so wird, um dieselben eventuell zu coupiren, von früh 4 Uhr an
in V2 stündlich gereichten Dosen im Ganzen 1,5 Chinin gegeben.
Da ferner vermuthet wird, dass das Irrigatorwasser die Gewebe der
ohnehin sehr engen sinuösen Wunde quellen mache und die dadurch
entstehende Eiterretention den Eintritt neuer Schüttelfröste begünstigen
könne, so wird heute .die dreimal wiederholte Irrigation mit etwa
^/4procentiger Kochsalzlösung unter Carbolsäurezusatz ausgeführt.
Früh 10^2 Uhr: Temperatur unter zunehmender Schwerhörigkeit
und Klingen im Ohre auf 38,0 herabgegangen. Bis Abends ^29 Uhr
unter fortwährendem subjectiven Wohlbefinden des Patienten und
ohne Schüttelfrost langsam bis zu 38,7 ansteigend. Puls in derselben
Zeit von 52 auf 72. Tags über kein Stuhl. Ord. Abends Morph. 0,02.
6. 12. Nachts ruhiger Schlaf. Ausser dem Kopfweh und der
unveränderten Schwerhörigkeit keine subjective Störung. Bronchial-
katarrh verschwunden. Patient äussert lebhaften Appetit und verlangt
aufzustehen. Local: beginnende gute Granulationen und Pus bonum
et laudabile. Durchspritzungen mit 3/4procentiger Kochsalzlösung
mit Carbolsäurezusatz heute etwas erschwert, Tags über Fortbestand
des subjectiven Wohlbefindens, kein Schüttelfrost. Abends leicht ver-
mehrte Schmerzhaftigkeit des Ohres.
7 — 10. 12. Schlaf und Befinden andauernd gut, Schmerzen im
Hinterkopfe und Schwerhörigkeit fortbestehend. Wunde granulirt und
eitert gut und beginnt sich zu verkleinern. Auch im äusseren Gehör-
gange guter Eiter. Beim Einblasen durch den Katheter laut zischen-
jj
*» ■• J-
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190 Xin. SCHWARTZE
des PerforationsgeräuBch. Täglich zweimaliges Irrigiren mit ^iipro-
centiger Kochsalzlösung. Morgens bis zum 10. 12. je 1,0 Chinin,
alle 2 Tage Klysma, Abyids Morphium. Temperatur durchschnittlich
früh 37,8, Abends 38,8, Puls zwischen 60 und 70. Am 7. 12. und
10. 12. Temperatursteigerung bis zu 39,7,. resp. 39,2. An beiden
Tagen ist mangelhaft eingespritzt, am letzten kein Chinin gegeben.
11 — 13. 12. Temperatur andauernd bis 39,2 erhöht ohne Fröste
und sonstige beunruhigende Symptome. Kopfschmerz nicht mehr
diffus, sondern auf die rechte Hinterhauptshälfte localisirt, deshalb
Abends 0,01 Morph, subcutan daselbst mit gutem Erfolge. Allgemein-
zustand ebensowenig wie die functionellen und anatomischen Ver-
hältnisse des Ohres verändert. Von der Tuba aus lässt sich, anch
bei Verschluss des Meat. audit. extern., keine Luft durch die Tre-
panationsöffnung im Warzenfortsatz hindurchtreiben.
14 — 31. 12. 72. Allgemeinbefinden immer besser. Pat. steht
auf. Temperatur nähert sich Morgens immer der Norm, Abends in
den letzten Tagen nicht mehr über 38,0. Die gut granulirende
Operationswunde verkleinert sich; die Knochenöffnung wird durch
Bleinagel, später Drainröhre, offen gehalten und täglich durchgespritzt.
Der andauernd verengte äussere Gehörgang wurde wiederholt mittelst
Laminaria zu dilatiren versucht, was nur in geringem Grade und
vorübergehend gelang ; einmal war danach das Gehör vorübergehend
gebessert.
2 — 4. 1. 73. Otit. extern, acut, des anderen Ohres. Ord.
2 Blutegel.
6. 1. 73. P. wird entlassen und von jetzt ab ambulatorisch
behandelt. Irrigation von der Fistelöffnung aus wird täglich fort-
gesetzt.
Nach kurzer Zeit (Ende Januar) bildete sich an der hintern-
oberen Wand des Gehörganges eine kleine Fistelöffnung, durch die
am 12. 1. zuerst deutlich Knochen fühlbar wurde. Nach der täg-
lich angewandten Luftdouche erscheint das Gehör jedesmal etwas
gebessert. Eine geringe ödematöse Schwellung und Schmerzhaftigkeit
am Warzenfortsatze verschwand unter hydropathischen Umschlägen.
Mitunter traten heftige neuralgische Schmerzen in der rechten Ge-
sichtshälfte auf.
26. 1. 73. Eiterung aus dem Ohre selbst sehr gering, reich-
licher aus der Fistel ; der Eiter selbst immer noch auffallend stinkend.
Das hinten eingespritzte Wasser fliesst meist leicht vorn aus dem
Ohre wieder heraus.
5. 2. 73. Seit 8 Tagen nicht mehr. Wiederholte Anfälle von
Stirnkopfschmerzen, die den Kranken nicht schlafen lassen.
15. 2. 73. Die Anfälle wiederholten sich. Beim Bücken hatte
Pat. constant Schwindel; Uhr wird in Entfernung von 1 — 2 Ctm.
gehört. Der Gehörgang ist durch tägliches Einlegen von Laminaria
erheblich weiter geworden, die Eiterung aus demselben sehr gering,
aber noch immer stinkend, dagegen tritt aus der absichtlich durch
tägliches Irrigiren offen gehaltenen Knochenöffnung ziemlich viel
Eiter. Das Wasser durchzupressen gelingt nicht mehr.
Casnistik zur chirurgischen ErtSffnnng des Warzenfortsatzes. 191
1. 3. 73. Der Schwindel beim Bücken hat aufgehört/ Kopf-
schmerz nur noch in einzelnen heftigen Anfällen^ dagegen klagt Fat.
über Gedächtnissschwäche und auffallende Abnahme seines Denkver-
mögens. Unter täglichem Einführen von Laminaria bleibt der Gehör-
gang weit. In denselben eingespritztes Wasser dringt leicht in den
Schlund. Der penetrante Geruch des Secretes hat fast ganz auf-
gehört. Durch den Katheter eingepresste Luft geht nicht gleich-
massig gut aus dem Ohre heraus; dem Durchtritt derselben scheint
ein klappenartiges Hinderniss entgegen zu stehen. Die Haut in der
Ujugebung der Fistel schwillt von Zeit zu Zeit unter Schmerzen
ödematös an.
7. 3. 73. Durch die Fistelöffnung werden mehrere kleinere und
ein etwas grösseres nekrotisches Knochenstück entfernt.
17. 3. Ein grösseres; etwa IV2 Ctm. langes nekrotisches Knochen-
stück wird extrahirt.
24. 3. Anfälle von Kopfschmerzen sind nicht wieder aufgetreten.
31. 3. Durch den Katheter eingeblasene Luft dringt nur bei
sehr starkem Druck und unsicher hindurch , dabei zähes Knattern
in der Paukenhöhle hörbar.
April. Gehör ist gleichmässig gut. Eiterung gering. Die Fistel
hinten wird absichtlich immer noch offen gehalten. Wasser dringt
vom Ohr aus sehr leicht in Schlund und Nase. Die durch den
Katheter eingeblasene Luft, dringt wie früher manchmal selbst bei
starkem Druck gar nicht durch. Einige Tropfen einer Lösung von
Cupr. sulph. wurden öfter durch den Katheter eingeblasen.
Anfang Mai. Die Tuba ist so frei, dass schon beim Valsalva-
schen Versuche ein laut zischendes Perforationsgeräusch entsteht,
zugleich hört man in der Paukenhöhle zähe, knatternde Rasselge-
räusche. Klage über Thränen, ohne dass Insufficienz der Thränen-
leitung nachweisbar wäre.
12. 6. In den Katheter wurde reichlich Salzwasser eingespritzt,
das aus dem Gehörgange wieder abfloss. Da sich danach keine üblen
Zafälle einstellen, werden diese Irrigationen per tubam öfters Wieder-
holt. P. ist vollständig schmerzfrei. Hörweite 5 — 8 Ctm.
15. 6. Die Fistelöffnung im Proc. mast. ist sehr klein geworden,
wird aber immer noch absichtlich offen erhalten. Das Sausen ist
noch vorhanden, aber so schwach, dass P. es nur bei besonderer
Aufmerksamkeit wahrnehmen kann. Schwindel und Kopfschmerzen
seit Januar nicht wieder gehabt; auf dem Scheitel ein Gefühl von
Benommenheit.
19. 6. Nach Weglassung der Drainröhre ist die Fistel in we-
nigen Tagen zugeheilt.
21. 6. In den Gehörgang eingespritztes Wasser dringt leicht
in den Schlund, ebenso dringt umgekehrt durch den Katheter ein-
gespritztes Wasser leicht in den Gehörgaug und treibt jedesmal
Schleimflocken hervor. Dieses Irrigiren durch den Katheter wird in
mehrtägigen Pausen wiederholt. Kopf ist ganz frei; Patient arbeitet
anhaltend seit mehreren Wochen wieder in seiner Profession. Hörweite
^V^K-T
192 Xm. SCHWARTZE
gleichmäsBig 8 Ctm., kann durch Druck aufs Trommelfell momentan
noch vergrössert werden.
26. 6. 73. Seit mehreren Tagen ist der Gehörgang vollkommen
trocken. Valsalva'scher Versuch gelingt leicht, verursacht ein trock-
nes Zischen. Hörweite 8 — 10 Ctm. Sausen schon seit längerer Zeit
ganz verschwunden.
Bis Mitte August 1873 wird Patient zur ControUe noch beob-
achtet und dann, da der Zustand der gleiche geblieben war, als ge-
heilt \f\ seine Heimath entlassen, nachdem wegen Insufficienz der
M. Recti interni durch Prof. Gräfe eine Tenotomie an ihm gemacht
worden war.
Bis Anfang October 1873 sistirte die Eiterung vollständig, xlann
trat rechts ohne Schmerzen wieder ein serös-schleimiger Ausfluss ein,
wegen dessen P. in der Zeit vom 11. Februar bis 18. März 1874
von Neuem von mir mit Salzwasserinjectionen per tubam behandelt
wurde. Nachdem dieselben nur wenige Mal wiederholt waren, blieb
das Ohr vollkommen trocken. Durch Exp. Val. konnte F. ganz leicht
ein zischendes- Perforationsgeräusch ohne Schleimrasseln hervorrufen.
Als durch mehrwöchentliche Beobachtung die dauerhafte Heilung
der Otorrhoe constatirt schien, auch über Kopfschmerz und Ohren-
sausen nie wieder geklagt worden war, verliess P. Halle mit einer
Hörweite von 5 Ctm. Die letzten Nachrichten, die ich über ihn
erhielt, reichen bis Mitte October 1874 (2 Jahre nach der Operation).
Einige Mal waren im September und October 1S74 die früheren
Kopfschmerzen mit grosser Heftigkeit wiedergekehrt, gegen welche
jedesmal mit schnellem Erfolge die Masseninjection von Salzwasser
durch den Katheter in Anwendung kam, zuletzt durch den Coliegen
Kich. Rüge in Berlin. Jedesmal förderte diese Injection einige
Flocken von Schleimeiter aus der Paukenhöhle und dann trat so-
fort Erleichterung der Kopfschmerzen ein. Ein spontaner Ausfloss
wurde nie wieder bemerkt. Die Narbe war fest, der Knochen un-
empfindlich.
Ein Blick auf die beigegebene Temperaturcurve (Taf. IV.)
lässt keinen Zweifel, dass in diesem Falle der Anbohrung des
äusserlich gesunden Warzenfortsatzes mit dem Drillbohrer eine
lebensgefährliche Erkrankung, eine schwere Pyämie folgte. An
das primär septicämische Fieber ohne Eemission während der
ersten 60 Stunden schloss sich am dritten Tage nach der Operation
ein Schüttelfrost mit plötzlicher Temperatursteigerung bis auf
41,8^, welcher nach mehreren Stunden unter Seh weiss eine Be-
mission von fast 2,0 <^ C. folgte. Daran schloss sich bis zum
sechsten Tage täglich ein Frostanfall mit Temperaturspitzen bis
zu 41,00 C. Da sich die Frostanfälle mit auffallender Regel-
mässigkeit an die Mittagsstunde gehalten hatten, so wurde die
bisher nach dem Froste gegebene Chinindosis von 1,5 Gramni
vom achten Krankheitstage an in derselben Dosis vor dem muth-
Casaistik zut chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 193
maasslichen Ausbruche des Schüttelfrostes verabreicht. Zugleich
wurde statt des bisher zur Irrigation gebrauchten reinen Wassers
mit Zusatz von Carbolsäure, V^procentige Kochsalzlösung genom-
men, um die Aufquellung der Weichtheile in der Tiefe der engen
Wundhöhle dadurch zu verhindern und durch wirksamere Durch-
sptQung der weiteren Aufuahme der infectiösen Stoffe entgegen
zu treten. Seitdem blieben die Schüttelfröste aus, die Temperatur
sank im Laufe eines Tages auf 39,0, und unter fortgesetztem
Gebrauche von täglichen Chinindosen von 1,0 erfolgte langsam
die Genesung. Am 1 0. Erankheitstage stieg die Temperatur
noch einmal auf 40®, als die Irrigation der Wundhöhle täglich
einmal weniger als bisher bewirkt wurde. Derselbe Einfluss
der unterlassenen Irrigation ist am 13. Tage bemerkbar, wo so-
fort eine Temperatursteigerung um einen halben Grad eintrat,
als des Abends nicht durchgespritzt war. Die günstige Wendung
der Krankheit scheint also mehr auf Becchnung der localen Be-
handlung der Wunde zu kommen, als auf die des Chinins. Bei
Fortdauer der Resorption wäre dasselbe allein sicher erfolglos
geblieben. Immerhin ist auch der Einfluss des Chinins auf die
pyämischen Schüttelfröste, je nachdem dasselbe vor oder nach
denselben gegeben wurde, von einigem Interesse. —
Die Annahme einer Thrombose des Sinus transversus mit
jauchigem Zerfall des Thrombus und embolischer Pyämie hat
keine Berechtigung. Es fehlt der Nachweis der metastatischen
Entzündungsherde.
Die Annahme einer Diploßvereiterung als Ursache der Pyämie
ist aus mehrfachen Gründen höchst unwahrscheinlich. Zunächst
existiren unter normalen Verhältnissen im Bereich unseres Ope-
rationst'errains keine diploetischen Knochenzellen. Wenn aber
solche ausnahmsweise vorhanden gewesen sind (was unter patho-
logischen Verhältnissen nicht sehr selten vorzukommen scheint),
und in denselben eine infectiöse Eiterung Platz gegriffen hatte, so
ist nicht einzusehen, dass unter solchen Umständen eine Pyämie
zur Heilung kommen konnte, wenn die fortdauernde Ursache
derselben nicht zu entfernen war. Noch weniger aber ist ein-
zusehen, wie dann die Irrigation des Ohres den doch unbestreit-
baren Einfluss auf das Fieber haben konnte.
Zur Erklärung der Pyämie scheint mir für unsem Fall
die Annahme am wahrscheinlichsten, dass es sich um eine Re-
sorption des in den pneumatischen Knochenzellen des Warzen-
fortsatzes aufgesammelten infectiösen Eiters gehandelt hat, be-
V-v
194 Xm. SCHWARTZE
gttnstigt durch den anfänglich beim Durchspülen in Anwendung
gezogenen starken Druck und die Schwierigkeit der Secretent-
femung aus der engen, sinuösen Wunde überhaupt.
Ich bin geneigt, in dem gewählten Operationsverfahren
(Drillbohrer) den Hauptgrund flir den Eintritt der Pyämie zu
erblicken. Dasselbe Verfahren war bisher unter ähnlichen ana-
tomischen Verhältnissen von mir ganz ohne fieberhafte Reaction
in Anwendung gezogen (z. B. in Fall VIIL); in den von Jacoby
publicirtfen Fällen (A. f. 0. IV. u. VI) folgte jedesmal eine mehr
oder weniger erhebliche locale und allgemeine Reaction.
Angesichts des mitgetheilten Falles, der uns zur Warnung
dienen mag, halte ich den Gebrauch des Drillbohrers zu dem
Zwecke, bei Eiterretention im Antrum durch den gesunden, resp.
sklerotischen Warzenfortsatz einen Abzugskanal oder eine Gegen-
öflFnung zu schaffen, für unzweckmässig und gefahrvoll. Statt
des Bohrers ist in solchen Fällen der Hohlmeissel und Hammer
zu gebrauchen und vor allen Dingen eine weite, trichterförmige
Oeffnung im Knochen zu schaffen, die mit ihrer Spitze im Antrum
einmündet.
Fall xm. (58.)
Otitis med. acuta mit Abscessbildungr hinter dem Ohr. Er^ffnun?
des Warzenfortsatzes mit dem Handbohrer. Heilung.
Frau Eisselt aus Zeitz, circa 24 Jahre alt, erkrankte ohne be-
kannte Ursache am 5. Februar 1873 an rechtseitiger Otitis med. acuta.
Am 9. Februar erfolgte Perforation des Trommelfelles. Nachdem
14 Tage profuse Otorrhoe bestanden, verminderte sich dieselbe unter
schmerzhafter Anschwellung der Warzenfortsatzgegend , welche sich
allmählich bis zum Occiput ausdehnte. Fieber, anhaltende Schmerzen,
schlaflose NäTjhte erschöpften Frau E. sehr; zudem befand sie sich
im 3. oder 4. Monate der Schwangerschaft. Die Untersuchung am
3. März 1873 zeigte eine sehr grosse, fluctuirende Geschwulst unter
der Warzenfortsatzgegend , die sich seitlich bis zum Ligamentum
nuchae und nach unten tief herab am Nacken erstreckte. Das zur
Reinigung des Gehörganges eingespritzte Wasser drang sofort in den
Schlund. Die an die Ohrmuschel gelegte Uhr wurde nicht gehört,
Stimmgabeltöne vom Scheitel nach dem kranken Ohr. Durch Incision
in der Chloroformnarkose wurde an demselben Tage der noch un-
gewöhnlich tief liegende Abscess eröffnet unter Entleerung einer
enormen aber geruchlosen Eitermenge. Da sich am Warzen fortsatz
eine raube und vom Periost entblösste Stelle zeigte, aber ohne dass
eine feine Fistelöffnung im Knochen erkennbar war, so wurde an
Casuistik zur chirargischen Eröffnang des Warzenfortsatzes. 195
dieser Stelle, welche der höchsten Prominenz des Fortsatzes entsprach,
mit dem Handbohrer in den Warzenfortsatz etwa 15 Millim. tief
eingegangen. Danach entleerte sich nochmals durch die Knochen-
Öffnung eine weitere Menge von Eiter. Die Oeflfhung im Knochen
wurde so viel erweitert, dass ein Bleinagel in dieselbe eingelegt
werden konnte. Abendtemperatur 37,5. Die auf diesen Eingriff
folgende Nacht schlief die P. mit Unterbrechungen, zum ersten Mal
seit Wochen wieder ohne Morphium.
4. März 1873. P. gibt spontan an, dass ihr der Kopf viel
leichter geworden sei. Temp. 37,8. Das in die Knochenfistel mit
dem Irrigator eingeleitete Wasser (mit Zusatz von Kochsalz und
Carbolsäure) dringt leicht in den Schlund unter Schwindel und leichter
Ohnmachtsanwandlung.
In den folgenden Tagen wurde die Irrigation zweimal täglich
vorgenommen. Wiederholte Klage über starkes Dröhnen im Ohr,
wenn sie selbst spricht oder schluckt. Kopf und Ohr frei von
Schmerz, kein Fieber.
Am 7. März drang das Wasser beim Irrigiren bereits weniger
leicht in den Schlund und der Bleinagel wurde vertauscht mit einer
Charpiewieke.
Am 8. März wurde der P. erlaubt, zum Zwecke der gründlichen
Lüftung des Zimmers für einige Stunden das Bett zu verlassen.
Dies bekam ihr schlecht. Sie wurde schwindlig und übel (Anämie)
nnd bekam einen nervösen Frostanfall von einstündiger Dauer. Da-
nach wieder stechende Kopfschmerzen in der entsprechenden Schläfe
unter subjectivem Hitzegefühl. Trotzdem Abends Temperatur 37,4,
Puls 96. Aehnliche Zufälle wiederholten sich nicht, als die P. in
den folgenden Tagen das Bett nicht wieder verlassen durfte, der
Gehörgang blieb frei von Secret.
Am 11. März nach einer psychischen Emotion (Besuch des
Ehemannes) abermals ein heftiger Anfall von Stechen im Ohr und
in der Schläfe bis in den Kopf hinein mit einer schlaflosen Nacht.
Am 12. März Schmerzhaftigkeit des Ohres bei Druck gegen
den, Tragus, von Neuem etwas Eiter im Gehörgang sichtbar. Hydro-
pathischer Umschlag.
Beim Irrigiren von der Fistelöfi'nung aus kommt kein Wasser
mehr in den Schlund, auch wenn kurz zuvor die Sonde in den
Warzenfortsatz eingeführt war. Im Laufe der folgenden Woche
traten noch wiederholt Anfälle von bohrendem, tiefem Kopfschmerz
in der Schläfengegend auf.
Am 20. März war die Perforation des Trommelfelles vernarbt.
Bei der Luftdouche durch den Katheter ein normales Blasegeräusch
ohne Rasseln hörbar.
Am 24. März wurde P. entlassen, nachdem sie mehrere Tage
völlig schmerzfrei geblieben war und ihr Allgemeinbefinden sich so
weit gekräftigt hatte, dass sie die Reise in die Heimath wagen konnte.
Durch die Fistel war mit der Sonde der Bohröffnung entsprechend
noch entblösster Knochen fühlbar.
Die nachträgliche Abstossung eines Sequesters erschien mir
196 Xm. SCHWARTZE
wahrscbeinlich. Zu einer solchen kam es jedoch nicht, sondern nach
Verlauf von 3 Monaten war die Fistel fest vernarbt unter Hinter-
lassung einer tiefen Knochendepression. Nur ein oder zwei Mal
fanden sich in dem abgesonderten Eiter nach Mittheilung des Herrn
Dr. Richter in Zeitz ganz minimale Knochenpartikelchen. Eiterung
aus dem Gehörgang kehrte nicht wieder (October 1875); das Hör-
vermögen wurde wieder vollständig normal. Eine gewisse Empfind-
lichkeit der Narbe und deren Umgebung gegen Druck ist zurück-
geblieben.
In solchen acuten Fällen mit grossen Äbscessen unter Haut
entsteht für den weniger Erfahrenen nicht selten ein Zweifel,
ob die einfache Incision gentigen wird, oder ob dieselbe sofort
von der Eröffnung des Knochens gefolgt sein muss. Gewöhnlich
wird die Eegel gegeben *) und befolgt, zuerst die Incision allein
zu machen und dann erst abzuwarten, wie sich der weitere Ver-
lauf gestaltet, ob Schmerzen und Fieber wiederkehren, ob sich
von Neuem Symptome von Himreizung einstellen. Im Noth-
falle wird dann nachträglich zur Eröffnung des Warzenfortsatzes
geschritten. Ein solches Verfahren ist gewiss für viele Fälle ge-
rechtfertigt. Findet sich jedoch nach der Spaltung des Abscesses,
dass eine Stelle des Knochens bereits vom Periost entblösst und
rauh oder morsch erscheint, oder ist gar eine oft nur sehr feine
Fistelöffnung in der sonst anscheinend gesunden Corticalis zu
entdecken, so möchte ich rathen, zur Abkürzung des Krankheits-
verlaufes und um der Möglichkeit eines unerwartet schnellen
Exitus letalis (vgl. Fall I) vorzubeugen, der Incision des Abs-
cesses sofort die Eröffnung des Warzenfortsatzes folgen zu lassen.
Dies ist in solchen acuten Fällen immer leicht ausführbar, weil
wir hier die Corticalis nie so verdickt oder die pneumatischen
Knochenzellen so sklerosirt finden, wie dies bei alten verschleppten
Eiterungsprocessen so sehr häufig vorzukommen scheint. Es
scheint deshalb auch für solche Fälle ziemlich gleichgültig,
welche Operationsweise gewählt wird, ob Bohrer, ob Meissel,
ob Trepan. Es kommt nur darauf an, dass die Knochenöffnung
so weit angelegt und für einige Tage erhalten wird, dass eine
gründliche Irrigation leicht ausftlhrbar ist. Länger wie 8 Tage
die Knochenöffiiung künstlich zu erhalten, ist in diesen Fällen
kaum erforderlich. Mitunter fühlt man nach der Spaltung des
Abscesses bei der genauesten Untersuchung mit dem E^ger
nirgends eine blosse Knochenstelle und doch ist es nach gehörig
1) V. Tröltsch, Lehrbuch, 6. Aufl. S. 450.
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 197
freigelegtem Krochen mit dem Auge möglich, irgendwo in dem-
selben eine feine Fistelöffnung zu entdecken, durch die man mit
einer feinen Sonde hineinkommt. Im Allgemeinen wird man in
der Annahme selten irren, dass grosse Abscesse über dem Warzen-
fortsatz gewöhnlich vom Knochen ausgehen, auch wenn am
Knochen äusserlich und mit blossem Auge keine Erkrankung
erkennbar ist. Dass ausnahmsweise auch eine selbstständige
Periostitis am Warzenfortsatze vorkommen und zur Abscessbildung
unter der Haut fahren kann, ohne Erkrankung der Knochen-
zellen, stelle ich damit nicht in Abrede und habe ich früher
schon selbst wiederholt in Erinnerung gebracht (z. B. A. f. 0. VII.
S. 161. Anm.).
Für die Differentialdiagnose entscheidend ist das Vorhanden-
sein einer eitrigen Entzündung des Mittelohres mit Perforation
des Trommelfelles, die Anschwellung der hintem-obem Wand
des knöchernen Gehörganges und der Grad der Hörstörung.
Der segensreiche Effect der Operation tritt in diesen acuten
Fällen am eclatantesten hervor und war ja auch der erste Fall,
in welchem Jasser zuerst in Deutschland halb zufällig zur Er-
öffnung der Warzenzellen kam, ein ähnlicher. Der Effect tritt
sofort ein und gewöhnlich ist auch der definitive Erfolg, wie in
unserem Falle, für Restitution des Organes in anatomischer und
fdnction eller Beziehung äusserst befriedigend.
Fall XIV. (59.)
Caries neerotiea der Pars mastoidea. Sequestrotomie.
HeiluBgr (?) ').
Emil Dietrich, 12 V2 Jahr alt, bekam im Winter 1871, während er
an einer Erkrankung, deren Symptome auf Wirbelbelcaries *) schliessen
lassen, die aber jetzt vollständig ausgeheilt scheint, bettlägerig war,
eine heftige rechtseitige Otitis. Hinter dem Ohre bildete sich eine
Geschwulst, die spontan aufbrach und viel Eiter entleerte. Damit
hörten die Schmerzen auf die Dauer auf, doch blieb Otorrhoe, die
insbesondere wegen des damit verbundenen Gestankes dem Kranken
und seiner Umgebung lästig wurde.
Die Untersuchung in der Poliklinik am 9. März 1873 ergab
Folgendes: die ganze rechte Ohrgegend aufgetrieben, die Cervical-
drüsen derselben Seite stark geschwollen, doch nicht schmerzhaft
1) In der Inauguraldissertation von Dr. Weit z als Fall III aufgeführt.
2) £in Bruder ist an Wirbelcaries mit Congestionsabscess gestorben.
GasnistiL zur chirargischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 199
petrosa. Die abgestumpfte Spitze der Pyramide lag in der vorderen
Wand des äusseren Gehörganges, zu welcher eine, der Grösse des
extrahirten Sequesters entsprechende, die hintere Wand des Gehör-
banges durchbohrende Fistel führte, welche so gross war, dass man
bequem den kleinen Finger in dieselbe einführen konnte. Die hintere
grösste Wand wurde von compacter Knochensubstanz gebildet, die
der hyperqstotischen Fossa sigmoidea entsprach ; die vordere kürzeste
Wand von einem kleinen Rest der erhaltenen äusseren Lamelle des
Proc. mast. und dem Rest der hinleren Wand des äusseren Gehör-
ganges; die untere Wand von dem Tegmen tympani und dem an
dasselbe sich anschliessenden horizontalen Theil der Squama, der
den äussersten hintersten Bezirk der mittleren Schädelgrube bildet
Der trockene Sequester hat eine Länge von 1,8 Ctm. , eine
Breite von 1,2 Ctm. und eine Dicke von 0,8 Ctm.
Die fieberhafte Reaction, welche der Operation folgte, war gering.
Nur an 3 Tagen war eine Abendtemperatur von über 39,0<>, und
zwar erst vom 8. Tage an nach der Operation. Die höchste Morgen-
temperatur war 38,2 am ersten und am zehnten Tage nach der
Operation. Ausser wiederholten Gaben von Chinin (0,5 pro dosi)
und Natron sulphuricum gegen Obstipation wurde eine interne Medi-
cation nicht erforderlich. Am sechsten Tage verliess P. das Bett,
am l7. Tage das Zimmer. In Bezug auf die Vorgänge an der
Wunde selbst ist erwähnenswerth , dass in den ersten drei Tagen
nach der Operation eine vermehrte schmerzhafte Schwellung der
vorher schon hypertrophischen Lymphdrüsen am Halse, etwa um das
Dreifache, eintrat, die bald von einer wesentlichen Verkleinerung
gegen den ursprünglichen Zustand gefolgt war. Das anfänglich
missfarbige, fast gangränöse Aussehen der Wunde hatte schon am
fünften Tage einer guten Granulation Platz gemacht.
An der hinteren, aus compacter Knochensubstanz bestehenden
Wand dauerte es ziemlich lange, etwa bis zum 14. Tage, bis sich
deutliche Granulationsknöpfchen entwickelten. — Am 17. Tage war
bereits auch diese ganze Wand mit kleinen Granulationen bedeckt,
mit Ausnahme einer erbsengrossen Fläche, die auch schon eine
röthlich-gelbe Farbe angenommen hatte. Am 19. Tage war die ganze
Wundhöhle durch Granulationen ausgefüllt, die Communication mit
dem äusseren Gehörgang aber noch gross genug, um bei Irrigiren
dem Wasserstrahle mit Leichtigkeit den Abfluss aus dem Gehörgang
zu gestatten.
Am 20. Tage fand es P. für angemessen, sich dadurch dankbar
zu erweisen, dass er sich heimlich aus der Klinik entfernte, wo er
auf Freistelle aufgenommen war. Später eingezogene Erkundigungen
nach ihm blieben erfolglos, weil er seinen Wohnort gewechselt und
sich in fremden Dienst begeben hatte. Es war daher bis jetzt nicht
sicher festzustellen, ob und in welcher Zeit die vollständige Heilung
eingetreten ist. —
Archiv ffii OhrenheUkunde. X. Bd. (Nene Folge. IV. Bä.) 14
-*-
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 201
genug, sondern zu horizontal aufgesetzt worden. Ein Stück der
hinteren-oberen Gehörgangs wand wurde mit entfernt. Als wir mit
dem Meissel bis zu einer Tiefe von 25 Mm. vorgedrungen waren,
fand sich immer noch kein Antrum und wir wagten nicht, mit dem
Hohlmeissel weiter zu gehen. Statt dessen brauchten wir das schon
früher (Bd. VIL S. 179) erwähnte modificirte Perforatorium von
Wein hold und drangen mit demselben wenige Mm. tiefer in das
Antrum mastoideum ein. Das in die Bohröffnung eingespritzte car-
bolisirte Salzwasser floss sofort aus dem Gehörgang wieder ab. In
den Schlund gelangte nichts von dem Spritzwasser, dagegen jetzt
sofort, wenn es vom Gehörgange aus mit einiger Kraft eingespritzt
wurde, was vor der Operation nie gelungen war.
Verband mit Carbolwasser. Bleinagel in die Knochenöffnung.
Nach der Operation ist P. trotz der einstündigen tiefen Narkose
relativ -wohl, frei von Kopfschmerz. Die Besorgniss, es könnte sich
eine traumatische, eiterige Meningitis entwickeln, veranlasste uns,
für die ersten fünf Tage den Lister 'sehen Verband anzuwenden,
bis sich überall, auch auf der blossgelegten Dura mater reichliche
Granulationen entwickelt hatten. Am Abend des Operationstages
Temp. 37,5^. Die folgende Nacht schlief P. ohne Morphium. Am
dritten Tage drang das Spritzwasser von der Knochenöffnung aus
nicht mehr in den Gehörgang. Nennenswerthe fieberhafte Reaction
folgte der Operation nicht. Höchste Temperatur 38,2 <^. Einige Mal
traten kurzdauernde Anfälle «in von tiefem Schmerz im Ohr und
Kopf, besonders in der Schläfe, gegen welche mit gutem Erfolg
wiederholt subcutane Injectionen von Morphium in Anwendung kamen.
Am siebenten Tage nach der Operation drang das in die Knochen-
Öffnung gespritzte Wasser wieder aus dem Ohre im Strome hervor.
Statt des bisher eingelegten Bleinagels wurde von jetzt ab ein Stück
elastischen Katheters eingelegt. Bei der täglichen Irrigation mittelst
eines Clysopomps, floss das Wasser immer leicht aus Ohr und Nase
wieder ab.
Ende Mai war. die Fistel hinter dem Ohre verheilt, nachdem es
in der letzten Zeit immer schwieriger, zuletzt unmöglich geworden
war, Wasser durchzutreiben. Die Kopfschmerzen hatten gänzlich
und auf die Dauer aufgehört. Eine sehr geringe Eiterung in der
Paukenhöhle bestand fort bis Juni 1873. Einspritzungen von Alaun-
wasser in den Gehörgang, welche leicht in Mund und Nase kamen
und der Kranken niemals mehr Schwindel hervorriefen, beseitigten
in wenigen Wochen auch die letzte Spur derselben.
Anfang Juli 1873 constatirte ich das vollständige Aufhören der
Eiterung. Der Trommelfellrest war blass und trocken. Perforation
hinten-oben bestand fort. Die 'Kranke war andauernd frei von Kopf-
schmerz und Schwindel geblieben.
Eine nochmalige Untersuchung am 24. Februar 1874 bestätigte
die dauernde und vollständige Heilung. Die Lücke im Trommelfell
war durch eine Narbe geschlossen, in welcher der Steigbügelkopf
1
deutlich sichtbar ist. Hörweite = — .
5
14*
■» :
Casnistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 203
nebensächlichen Erscheinung, dass die unmittelbar nach und
während der ersten Tage nach der Operation freie Communi-
cation zwischen der Operationswunde und dem Gehörgange
später flir einige Zeit wieder unterbrochen war. Es ist dies eine
Erfahrung, die sich häufig wiederholt und die offenbar dadurch
zu erklären ist, dass die Passäge durch die Granulationen vor-
übergehend verlegt wird. In anderen Tällen, wo die Eröffnung
des Antrum durch die Operation zweifellos erreicht ist, gelingt
es wegen des im Antrum angehäuften käsigen Eiters oder wegen
Verschwellung der Communicationsöfifnung mit der Pauke oft
überhaupt erst mehrere, manchmal 8 Tage nach der Operation,
das Wasser frei abfliessen zu sehen.
Fall XVI. (61.)
Malaeische Oaries im Warzenfortsatz. Operation mit scharfem Ll^ffel
und Knochenzange. Tranmatisclie ^Nekrose. Sequesterextraction.
Heilungr nach 19 Monaten.
Hertha Krost aus Halle a/S. , geb. 1867, kam im April 1872
in Behandlung wegen doppelseitigen acuten Paukenhöhlenkatarrhs
mit hypertrophischen Tonsillen. Von demselben wurde sie geheilt.
Gegen Weihnachten 1872 erkrankte sie an den Masern und in Folge
derselben im Januar 1873 an rechtseitiger Otitis media purulenta
mit Perforation des Trommelfelles. Drei Wochen nach Beginn der
Otorrhoe wurde eine Röthung und schmerzhafte Anschwellung hinter
dem Ohre bemerkt. Erst nach mehrwöchentlicher Dauer der Schmer-
zen wurde das Kind der Poliklinik zugeführt.
Am 19. Februar 1873 wurde der Wilde'sche Einschnitt gemacht,
nach welchem die Schmerzen zwar nicht gänzlich aufhörten, aber
bedeutend an Heftigkeit abnahmen. Eiter wurde durch die Incision
nicht entleert, auch war keine rauhe Knochenstelle bemerkbar.
Otorrhoe dauerte fort, wurde zunehmend reichlicher. Die Incisions-
stelle wurde fistulös. Anfang April blieb kein Zweifel mehr, dass
es sich um Caries des Warzenfortsatzes handelte. Der jetzt in ziem-
licher Ausdehnung blosse Knochen fühlte sich mit der Sonde morsch
und erweicht an. Operation in der Chloroformnarkose am 12. April
1873 unter Assistenz von Dr. Ey seil undDr. Weitz. Der Knochen
war theilweise, besonders nach der Spitze hin, wo sich die Hautfistel
befunden hatte, so erweicht, dass ohne Anwendung des Meisseis die
Zellen mit einer Hohlsonde eröffnet werden konnten. Der erkrankte
Theil der äusseren Wand, wie auch die Zwischenlamellen der Zellen
wurden mit dem scharfen Löffel und letztere zum kleinen Theil mit
1) Theilweise iu der Inauguraldissertation von Dr. Weitz (Halle,
26. Januar 1874) als Fall IV aufgeführt.
• * * . * . ■ * ■..."■•
204 Xm. SCHWARTZE
einer der Luer'schen Hohlmeisselzange nachgebildeten Knochenzange
fortgenommen und so das Antrum mastoideum völlig frei gelegt.
Obwohl während der Operation sich der äussere Gehörgang mit
Blut füllte^ gelang es bei der nachfolgenden Irrigation nicht, von
der Wunde aus durch den Gehörgang und Tuba E. oder umgekehrt,
vom Gehörgang durch die Wunde das Wasser durchfliessen zu lassen,
was aber nach Verlauf einiger Tage mit Leichtigkeit geschah. Ver-
band mit Wundwatte, die mit l^/o Carbolsäürelösung getränkt ist.
Eine geringe fieberhafte Reaction (Abendtemperatur nicht höher
als 38,9 ö) war wohl weniger Folge der Operation, als einer schon
länger bestehenden Bronchitis. Ea iät sehr wahrscheinlich, dass schon
bei und vor der Operation Fieber bestand, was leider durch Tem-
peraturmessung festzustellen, wegen der ambulatorischen Behandlung,
versäumt war. Nach etwa 8 Tagen verliess die P. das Bett. Schmer-
zen im Ohr traten nicht wieder ein, aber bei fortdauerndem Husten
blieb die P. auffallend blass. Anfang Mai Hess sich unzweifelhaft
eine Infiltration der linken Lungenspitze nachweisen. Anfang Juni
zeigte sich immer noch in der Tiefe der Operationswunde eine von
Granulationen nicht bedeckte Knochenpartie. Mitte Juni begann
eine Neigung zur Einziehung der Wundränder. Obwohl das sub-
jective Befinden ein vollkommen gutes war, auch der Husten nach-
gelassen haben sollte, war eine Zunahme der Lungeninfiltration nicht
zu verkennen. Erst in der zweiten Hälfte des Juli schien dielselbe
zum Stillstand zu kommen. Am 21. Juli 1873 wurde aus der Tiefe
der Wundhöhle ein kleiner Sequester extrahirty übrigens aber der
Knochen noch in grösserer Ausdehnung verfärbt und nekrotisch ge-
fühlt und auch im Laufe der nächsten Monate noch öfters kleinere
Knochenstückchen extrahirt. Die Hauptmasse der Nekrose blieb fest
und unbeweglich. Die Einspritzungen von der eingezogenen Fistel-
öff'nung und vom Gehörgange aus wurden täglich wiederholt und
durch Einlegen fester Charpiewieken dafür gesorgt, dass die Oeffhung
stets weit und trichterförmig blieb. Dieser Zustand blieb sich ziem-
lich gleich bis in die ersten Monate des Jahres 1874. Die Fistel-
öfinung wurde vollständig kraterförmig , mit überhäuteten Rändern.
Die Eiterung war sehr unbedeutend, aber immer war doch in der
Tiefe noch etwas stinkender Eiter trotz sorgfältigster desinficirender
Reinigung. Dabei hatte sich der Allgemeinzustand bei längerem
Gebrauch von Eisenmitteln auffallend gebessert. Der Appetit war
vortrefflich, das Körpergewicht von 38 Pfd. fam 4. Juni 1872) auf
45 V2 Pfd. (am 24. Januar 1873) vermehrt, der Husten trotz der
rauhen Jahreszeit vollständig verschwunden. Im Juni 1874 fing das
Kind an, jedesmal beim Ausspritzen vom Ohr und von der Fistel
aus, über heftigen Schmerz zu klagen) was ein Anzeichen der be-
ginnenden Lösung des Sequesters war. Mitte Juli war zuerst vom
Gehörgange aus die völlige Lösung desselben zu constatiren. Auch
von der Fistel im Proc. mast. war derselbe fühlbar und beweglich.
Am 25. Juli 1874 wurde die Entfernung dieses grossen Sequesters
in der Narkose vorgenommen. Durch einen Schnitt von 2 — 3 Ctm.
Länge, parallel mit dem hinteren Rande der Muschelinsertion und
e -^
Casuistik zur chirurgischen Eröffnung des Warzenfortsatzes. 205
Zurtickschiebung des Periostes mit dem Raspatorium nach vorn wurde
die Fistel erweitert, und dann der mehr als bohnengrosse Sequester
mit einer feinen Kornzange von hinten extrahirt ; darauf die Todten-
lade mit dem kahnförmigen scharfen Löffel ausgeschabt.
Am Sequester ist ein Theii der hinteren Wand des Gehörganges
erkennbar. Oelverband.
Eine fieberhafte Reaction folgte diesem erneuten Eingriffe nicht.
Am 8. November 1874 war die Fistel im Grunde einer lief einge-
zogenen Knochennarbe zugeheilt. Aus dem Ohre war nie wieder
ein eiteriger Ausfluss bemerkbar geworden. Durch wiederholte Unter-
suchung in längeren Pausen ist die völlige und dauernde Heilung
der Caries constatirt worden, zuletzt im Spätsommer 1875.
Die Verzögerung der Ausheilung des Knochenleidens ist in
diesem Fall offenbar durch den sehr ungünstigen Allgemeinzu-
stand herbeigeflihrt worden. Ohne den operativen Eingriff .wäre
das Leiden überhaupt wohl nicht zur Heilung gekommen und
das Kind mit Wahrscheinlichkeit eher seinem Lungenleiden er-
legen. Der Stillstand der Lungeninfiltration und die Eückbildung
derselben während und nach der Heilung des Ohrleidens ist mit
Sicherheit constatirt. —
(Fortsetzung folgt.)
XTV. Besprechutigen. 207
eine tief einget^urzelte Abneigung, welche der medicinischen Welt
hier in England nicht unbekannt ist. Hätte die literarische Un-
fruchtbarkeit der englischen Ohrenärzte seither fortgedauert, so
wäre die Behauptung gerechtfertigt, dass britische Ohrenheil-
ktinde zu existiren gänzlich aufgehört haben müsste.
Mit dem Anfang des Jahres 1870 griff indessen eine leb-
hafte Productivität bei den englischen Aerzten Platz, im starken
Gegensatz zu der Indifferenz im voraufgegangnen Decennium.
Hinton, welcher am allerbesten befähigt war, den grossen
Errungenschaften Toynbee's nachzueifern, schrieb in diesem
Jahr zu „ Holmes System of Surgery " den ausgezeichneten Artikel
„On the diseases of the Ear*". 1871 gab Allen sein kleines
Werk „Aural Catarrh" heraus, welches freilich in keiner Be-
ziehung geeignet war, die Stellung dieser Specialität zu fördern,
weil das Neue darin dem Specialisten unwichtig, das Alte schon
hinreichend bekannt war. 1872 erschienen nur zeitweilige Bei-
träge, von denen einige allerdings den Beweis lieferten, dass die
Autoren gut beobachtet hatten. 1873 hatten wir einen Ueber-
fluss an Werken; unter ihnen die Compendia von Keene und
Dalby, von denen .die Arbeit des Letzteren bemerkenswerth
ist wegen der darin enthaltenen Beschreibung der feineren
Structur der Ohrpolypen. 1874 nahm die britische Ohrenheil-
kunde einen neuen Anlauf, um den hervorragenden Rang wieder
zu gewinnen , welchen sie einst in der Vergangenheit einge-
nommen hatte. Es erschienen ziemlich gleichzeitig die beiden
Werke von Hin ton, deren Titel wir oben angefahrt haben.
Die Vorztlglichkeit dieser Werke zeigt, wie gut Hin ton die
britische Ohrenheilkunde repräsentirte, und wie schwierig es sein
wird, einen Nachfolger für ihn zu finden, der in gleicher Weise
befähigt ist, den Glanz und die üeberlieferungen der von
Saunders, Toynbee und Wilde gegründeten Schule unver-
mindert zu erhalten. Bis zum Erscheinen dieser Werke könnte
man mit Recht von dieser Schule gesagt haben, was von der
schottischen Philosophie gesagt worden ist, dass sie im Ausland
geachtet, dass sie aber zu Hause unerkannt und unrepräsentirt .
war. Glticklicherweise ist dieser Vorwurf jetzt nicht mehr möglich.
„The Questions of Aural Surgery und der„Atlas"
illustriren sich gewissermaassen gegenseitig, doch sind sie von
einander unabhängig. Darum sprechen wir von ihnen lieber
einzeln, damit wir ihnen besser Gerechtigkeit widerfahren lassen
können.
f ^-
XIV. Besprechungen. 209
Diagnose in der täglichen Praxis selten flir nothwendig, und wo
sie nöthig erscheint, sind die Resultate der Untersuchung keines-
wegs immer so zufriedenstellend, wie man wünschen möchte.
Jedoch soll die Methode durchaus nicht verachtet oder gering
geschätzt werden, denn in einzelnen Fällen gibt sie in den Händen
eines geübten Chirurgen sichere und bestimmte Aufschlüsse, die
auf keine andere Weise erlangt werden können.
Von den verschiedenen Methoden der Luftdouche erwähnt
H. Valsalva, Politzer, Katheter. Den Versuch von Val-
salva benutzt er gar nicht, weder zur Diagnose, noch zur
Therapie, wegen der dabei möglichen schädlichen Zufälle. Das
Verfahren von Politzer schätzt er dagegen sehr hoch flir Dia-
gnose (in Verbindung mit der Auscultation) und Behandlung der
Erkrankungen der Tuba E. und Paukenhöhle. Bei einseitigen
Erkrankungen führt E. das Nasenstück des Ballons in das Nasen-
loch der entgegengesetzten Seite, weil er der Ansicht ist, dass
der Luftstrom gewöhnlich kräftiger in die Tuba eindringt, welche
dem armirten Nasenloch entgegengesetzt ist. Der Katheter ist
nach H. nicht häufig erforderlich flir die Diagnose. In Bezug
aaf das Material des Katheters gibt er nach Politzer dem
Hartkautschuk den . Vorzug. Unter den Allgemeinerkrankungen,
welche direct oder indirect Ohrkrankheiten verursachen, legt H.
das grösste Gewicht auf die acuten Exantheme. Die arthritische
Diathese scheint nicht specifische Erkrankungsformen im Ohre
zur Folge zu haben, sondern vielmehr nur eine besondere Hart-
näckigkeit der^ gewöhnlichen Erkrankungen zu bedingen. Jeden-
falls ist sie eine der Hauptursachen hartnäckiger Katarrhe des
Nasenrachenraums.
In Betreff der Syphilis (angeborene und erworbene) sagt
H., sie hat sicher eine gewisse ätiologische Bedeutung, aber
wie gross dieselbe ist, sei noch nicht entschieden. Nach unserer
eigenen Erfahrung ist dieselbe sehr gross in allen Lebensperioden
und keineswegs beschränkt auf die ärmeren Klassen. Als ätio-
logisches Moment flir Taubstummheit steht dieselbe an H|Lufig-
keit nur den Exanthemen nach.
„ Krampfkrankheiten der Kinder stehen in sehr wichtiger
Beziehung zu Ohrkrankheiten". Hierin stimmen wir mit dem
Autor durchaus überein, denn, abgesehen von den noch dunkeln
Affectionen des Labyrinthes, welche Krampfanfälle verursachen
können, sind nicht wenige Fälle von Convulsionen verursacht
durch Druck von Flüssigkeit in der Paukenhöhle, Fälle, die oft
^ ~ -VW'-''^^'^^
r.
XIV. Besprecbungen. 211
nung werth. H/s Eriahrung dient zur Bestätigung von Toyn-
bee's Annahme, dass die diffuse Entzündung des Gehörganges
häufig nur als Anzeichen einer tiefer sitzenden Entzündung in
der Paukenhöhle zu betrachten sei, als „sympathische" wie
Toynbee sich ausdrückt.
Bei der Behandlung der diffusen Otitis ext. acuta empfiehlt
H. nur dann tiefe Incisionen, wenn der Knochen gefährdet ist.
Nach unserer eigenen Erfahrung ist die Anwendung der Inci-
sionen aber auf die Mehrzahl aller Fälle auszudehnen, weil sie
den Verlauf der Entzündung wesentlich abkürzen und anderer-
seits iiie Nachtheil bringen können.
Das Capitel über „ Affectionen der Tuba E. " ist von beson-
derem Interesse durch Mittheilung einiger Beobachtungen voji
Yuile. Derselbe besitzt die Fähigkeit, willkürlich seine Tuba
zu öffnen und den Tensor tympani zu contrahiren. Bei der Oeff-
nung der Tuba E. ändert das Gaumensegel weder seine Lage
noch Gestalt. Es wird nicht gespannt, sondern bleibt weich und
schlaff, wie gewöhnlich. Nur die hinteren Gaumenbögen zeigen
eine ergiebige, bestimmte, gänzlich unverkennbare Bewegung.^
Beide bewegen sich zugleich der Mittellinie zu und können in
der neuen Stellung willkürlich erhalten werden. Aus diesen
Thatsachen schliesst Yuile, dass der Tensor und Levator palati
keinen Antheil haben kann an der Oeffnung der Tuba, und dass
die dabei offenbar betheiligten Muskeln die palato-pharyngei sind.
Bei abnorm weit geöffneter Tuba werden die iTöne mit verstärkter
Intensität gehört. ^
Bei der Behandlung der Tubenverstopfung empfiehlt H. die
Laminariabougies. Zweimal hat er das Abbrechen derselben
erlebt. In beiden Fällen stiessen sich übrigens die in den Tuben
zurück gelassenen Stücke nach Verlauf einiger Tage, in eine
weiche Masse aufgelöst, wieder aus, ohne bleibenden Nachtheil
für den Kranken. Dass einzelne Ohrenärzte, besonders in Ame-
rika, niemals von Bougies Gebrauch machen, erklärt sich H.
dadurch, dass in dem trockneren amerikanischen Klima Tuben-
verschluss überhaupt viel seltener zu Stande zu kommen scheint.
Unter den selbständigen Affectionen des Trommelfells spricht
H. von einer „ mehr als gewöhnlichen Dünnheit und Transparenz ",
die sich bei Personen finde ^ deren Hörnerv geschwächt ist „in
unexplained ways". Prognostisch ist dieselbe von ungünstiger
Bedeutung. Im Verein damit trifft man häufig das Symptom
des Besserhörens bei Geräuschen.
XIV. Besprechungen. 213
Flüssigkeit durch die Toben besser zu ermöglichen. Bei ein-
seitigen Erkrankungen ist selbstverständlich zur Durchspritzung
des Mittelohres nur der Katheter verwendbar.
In den Capiteln „ über die Folgen des Katarrhs der Pauken-
höhle" findet sich viel Interessantes; wir können hier jedoch,
um nicht zu breit zu werden, nur einen oder zwei Punkte be-
rühren. Bei der Behandlung der Perforationen des Trommel-
fells legt H. besonderes Gewicht darauf, dass bei sehr kleinen
Oeffnungen mit profusem Ausflusö eine Dilatation der OeflFnung
gemacht werden sollte. Viele Fälle, welche vorher jeder Be-
handlung getrotzt hatten, kamen schnell nach diesem Eingriff
zur Heilung, Ist ein ausgedehnter Defect des Trommelfells vor-
handen und liegt die Pauke bloss, so benutzte H. Adstringentia
nicht frtiher, bis er sich hinlänglich davon überzeugt hatte, dass
die Pauke völlig frei war von alten Eiterresten. Zu diesem
Zwecke verwendet er zunächst immer schwache solvirende
Lösungen (Kali causticum, Kali carbonicum) mit solcher Kraft
in den Gehörgang eingespritzt, dass sie durch die Tuba in den
Schlund abfliessen. Danach erst, wenn die Paukenhöhle völlig
rein erscheint, die üblichen Adstringentia (Alaun, Zink) und
kaustische Lösung von Arg. nitricum. In jedem uncomplicirten
Falle von Perforation, meint H., lässt sich durch eine gründ-
liche Behandlung das Gehör so viel verbessern, dass es für
alle Zwecke ausreichend wird, gleichgültig ob die Oeflfnung zu-
heilt oder nicht. Bleibt dieses Resultat aus, so verwendet er
das künstliche Trommelfell, am liebsten in Gestalt der Watte-
kugel nach Yearsley. Es wirkt nach ihm durch Unterstützung
der Gehörknöchelchen. Erst wenn die Wattekugel erfolglos bleibt,
versucht er das Toynbee'sche Instrument oder die anderen
Modificationen desselben.
H.'s Versuche, nach Politzer 's Vorschlag Gummiösen in
das Trommelfell einzuheilen, blieben resultatlos. In einem Falle
entstand eine enorm starke Otorrhoe , übrigens ohne bleibenden
Nachtheil.
Die grosse Häufigkeit der Ankylose des Steigbügels bei
Toynbee's Sectionen sucht H. aus der BeschaflFenheit des unter-
suchten anatomischen Materials zu erklären. Es stammte fast
ausschliesslich von Personen im höchsten Lebensalter. Hin ton
selbst fand unter 500 eignen Sectionen jüngerer Subjecte, unter
denen 93 mit Sicherheit taub gewesen waren, niemals eine
knöcherne Ankylose des Steigbügels, selten eine vollständige
H
. c "
XIV. Besprechungen. 215
rigkeiten einer solchen Aufgabe zu würdigen verstehen, wird das
Erstaunen am gi'össten sein. Um eine kleine Vorstellung von
der Mühe zu geben, welche auf den Atlas verwandt ist , wollen
wir nur anführen, dass Jedes Exemplar des Atlas 25 Tafeln, jede
Tafel 6 verschiedene Abbildungen enthält. Die Originale der-
selben sind sämmtlich nach dem Leben mit der Hand gezeichnet
in Wasserfarben. Von diesen Zeichnungen wurden von ^tinstler-
hand Copien in Wasserfarben genommen für jedes einzelne Ex-
emplar des Atlas. Wir wissen, dass nicht nur jede Original-
zeichnung sorgfältigst verglichen wurde mit dem betreflfenden
Krankheitsfalle, sondern dass alle Copien, die davon genommen
wurden, der sorgsamsten Ueberwachung des Autors unterlegen
haben. Niemand wird unter solchen Umständen durch den hohen
Preis des Atlas überrascht sein können. Die Zeichnungen selbst
verbinden mit künstlerisch vollendeter Ausführung vollkommene
Naturwahrheit und Genauigkeit in allen Details.
Der Autor und unsere Leser mögen es uns verzeihen, wenn
wir hier nur auf eine oder zwei Tafeln etwas näher eingehen,
welche besonders verdienstlich und interessant sind. Auf der
ersten Tafel z. B. stellt Fig. 1 das Trommelfell im normalen Zu-
stande dar, Fig. 2 ein ungewöhnlich dünnes und atrophisches
Trommelfell. Bis jetzt hatten wir niemals eine so gelungene
Abbildung eines gesunden Trommelfelles gesehen. Auf der dritten
Tafel sind sehr genaue Abbildungen des Trommelfelles bei ver-
schiedenen Graden von Tubenverstopfung gegeben.- Die ver-
schiedenen Abstufiingen von geringer abnormer Concavität der
Membran bis zum vollständigen Collapsus sind genau dargestellt.
Auf Taf. IV und V ist jede Art von Perforation illustrirt. Be-
sonders werth der Betrachtung sind die Bilder multipler Per-
forationen, wie auch auf Tafel VIII „heilende Perforationen".
Auf Taf. XX sind zwei vortreflfliche Bilder von Exostose des
Gehörganges.
Zum Schlüsse sprechen wir dem Autor dieser vortrefflichen
Werke unseren Dank aus für die Belehrung und das Vergnügen,
welche uns das Eeferat über diese seine Abschiedsgeschenke *)
an die Brittische Ohrenheilkunde gewährt hat. —
1) Hin ton soll leider beabsichtigen, sich dauernd von der ärztlichen
Praxis zurückzuziehen. Red.
Archiv flir Ohrenheilkunde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 15
"■ - f^/'^-* '? ^'^^- ..' .;^*w?^ f ^-:7if«5«n^.i^3^ 'rarrpriT^.^«^
XV.
Wissenschaftliche Rindschan.
1.
Ueber die Meni^re'sehe Krankheit und den Schwindel
bei Krankheiten des Ohres von Dr. Ladreit de Lar-
rachiere. (Annales des maladies de l'oreille et du larynx I.
p. 28. Paris. 1875.)
L. behauptet im Gegensatz zu Bertrand (s. A. f. 0. N. F. IV. 1.),
dass die charakteristischen Symptome der M. 'sehen Krankheit sich
nur bei Labyrinthaflfectionen finden, dass die* nicht von solchen ab
hängigen Symptome jenen nur ähnlich und immer leicht von ihnen
zu unterscheiden sind. Demnächst recapitulirt er die Resultate der
Flourens 'sehen Experimente, welche die üebereinstimmung der nach
der Durchschneidung eines halbcirkelförmigen Kanales eintretenden
Bewegung mit der Richtung desselben darthaten. Vom Jahre 1822,
der Publicationszeit der Fl.'schen Experimente, dauerte es bis zum
Jahre 1861, wo M. als der erste die Resultate derselben zur Er-
klärung pathologischer Erscheinungen verwandte. Hieran schliesst
L., entsprechend der III. u. IV. Meni^re'schen Beobachtung, die be-
kannten Symptomenbilder der apoplektiformen , und nach dem viel-
fach citirten Falle des plötzlich während der Menstruation an
M.'scher Krankheit erkrankten jungen Mädchens, die der durch Ent-
zündung vermittelten Species der M.'schen Krankheit. Endlich existirt
nach L. auch eine chronische Form, welche in periodischen Schüben zu
einem schliesslich gleichen Symptomencomplex führt. Zur Illustration
dieser Eintheilung führt er zwei Krankengeschichten an. Bei der
erßten Kranken entwickelten sich die Symptome progressiv in einer
Reihe von Jahren nach dem Aufhören einer Ohreiterung. Im zweiten
Falle handelt es sich wahrscheinlich um eine nach einer Fissur an
der Basis cranii zurückgebliebene Atrophie der Acusticus-Ausbrei-
tung (Ohrblutung und Bewusstlosigkeit bei Gelegenheit des Falles,
die sonstigen obligaten Cerebralsymptome bald nachher, schliesslich
absolute Taubheit). Darauf folgt Mittheilung eines Sectionsbefundes
aus der Dissertation von Bonnen fant. Dieser bezieht sich auf einen
Fall, in welchem plötzlich apoplektiforme Symptome mit vollständiger
Taubheit eintrat. Die Section ergab neben eitriger Basilar-Meningitis
XY. Wissenschaftliche Rundschau. 217
Fissur von der Basis ossis oeeipitis quer durch die beiden Felsenbeine
bis an die innere Wand der Trommelhöhle, die nicht gespalten war.
Das rechte Labyrinth war voll coagulirten und wenig veränderten
Blutes, die membranösen Theile erweicht, das linke Labyrinth erfüllt
niit blutigem Eiter; seine membranösen Partien durch eitrige Ent-
zündung, die sich durch die Fissur bis in die Schädelhöhle erstreckte,
desorganisirt. —
Die Symptome zerfallen nach L. in schnell vorübergehende
(Synkope, Erbrechen, Kopfschmerz), mehr weniger lange Zeit be-
stehende (Schwindel, subjective Geräusche), endlich ein beständiges
(Taubheit). Am meisten charakteristisch für die Krankheit sind der
Schwindel und die subj. Geräusche. Die verschiedenen Formen beider
werden genau beschrieben. Wenn Verf. aber subjective Geräusche
bestimmter Qualität, die er einzeln aufführt, nur intratympanischen
Zuständen, andere nur Labyrinth- Anomalien vindicirt, so dürfte er
ans naheliegende)! physiologischen Gründen und im Hinblick auf den
grossen Einfluss, welchen die individuelle Phantasie der Betheiligten
an der näheren Qualification' jener erfahrungsgemäss nimmt, hierin
wohl etwas zu weit gehen, üeberraschende Plötzlichkeit sehr greller,
klingender Geräusche ist, soviel Referent zu erfahren Gelegenheit
hatte, solchen Zuständen eigenthümlich. L.'s ätiologische Notizen
bringen nichts Neues. Die Diagnose stützt sich nach ihm anf das
gleichzeitige Vorkommen von Taubheit, Schwindel und subjectiven
Geräuschen. Wenn es sich bei der differentiellen Diagnose zwischen
ißtratympanischer und intralabyrinthischer Schwerhörigkeit .um die
Localisation handelt, so gibt für ihn die erhaltene Knochenleitung
den Ausschlag für intratympanische. Nur Schade, dass in einem
gewissen Alter auch dieser Anhaltepunkt fehlt. (Ref.) Was Verf. über
den diagnoßtischen Werth des je nach dem Sitze des üebels sehr ver-
schiedenen Verlaufes sagt, ist ebenso rationell wie das auf die The-
rapie bezügliche. Schliesslich kann man ihm nur beistimmen, wenn
er gegen die absolute ünheilbarkeit der Schwerhörigkeit opponirti
welche sein Landsmann Voury in seiner Inaug. -Dissertation behauptet
hat. Eine von ihm erzählte Krankengeschichte dient als Beleg für-
die Heilbarkeit. Jacoby.
2.
Notiz über acute syphilitische Otitis von Dr. Ladreit de
Larrachi^re. (Annales des mal. de l'or. et du lar. IL p. 23.
Paris 1875.)
L. Jbezeichnet mit obigem Namen eine als Theilerscheinung der
secnndären Syphilis auftretende Otitis ext. , die er als specifisch
veranlasste aus dem Zustande der Gehörgangswände, der Art der
Absonderung und ihrem ebenso plötzlichen, wie wenig schmerzhaften
Auftreten diagnosticirt. Von der gewöhnlichen Otitis externa soll
sich die in Rede stehende Form durch die anfängliche Schmerz-
15*
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^"•▼'^^^ ^1^^- " ^--•
XV. Wissenschaftliche Rundschau. 219
Individuen anzugehören. Gar nicht selten beobachtet man nach T.
und anderen^ von ihm angeführten französischen Autoren auch bei
der einfachen Form sehr widerwärtige Ozaena. In prognostischer
Beziehung erwähnt er neben "der rothen Nasenspitze auch die Mög-
lichkeit der Fortleitung der Entzündung auf den Ductus naso-lacry*
malis. — Für die Behandlung gelten nach ihm drei Indicationen.
1) die Bekämpfung eines etwaigen Allgemeinzustandes. 2) Reinigung
der Schleimhaut von den Producten des örtlichen Vorganges. 3) Be-
kämpfung der sonstigen Anomalien der Schleimhaut. — Die von.
ihm angegebenen Mittel und Methoden sind nicht neu. Was die
beiläufig belobte Anwendung von Einspritzungen mit kaltem Wasser
betriflFt, so dürfte nicht leicht Jeder ihm zu folgen geneigt sein. (Ref.)
Besonders belobt er das von ihm zur Pulverisation benutzte Mineral-
wasser von St. Christau (Basses Pyr^n^es), wo er als Badearzt fungirt.
Jacoby.
4.
Zeichen, welche die functionelle Prüfung des Ohres
liefert von Dr. de Capdeville. (Annales des mal. de Tor. et
du l. II. p. 154.)
Am Schlüsse einer so eben erschienenen, auf die Frage bezüglichen
Arbeit stellt 0. folgende Thesen auf:
1. Sobald sich die Affection ausschliesslich auf den Schall-
leitungs- Apparat beschränkt, bleibt die Perception durch die Schädelr
knochen immer bedeutender, als die auf dem normalen Wege.
2. Sobald das innere Ohr an der Aflfection Theil nimmt, oder
deren ausschliesslicher Sitz ist, finden sich beide Perceptions-
Weisen gleichzeitig und in gleicher Weise betroffen.
In der Anwendung dieser Sätze auf die Resultate der functio-
nellen Prüfung gelangt er zu folgenden zwei Schlüssen:
1. In allen Fällen, wo die Uhr besser gehört wird am
Schädel als in 30 Ctm. Entfernung (et a fortiori ä une distance plus
rapprochde) hat man es mit einer Affection der Schallleitungsorgane
zu thun.
2. In allen Fällen, wo die Uhr ebenso schlecht am Schädel
gehört wird, wie in 30 Ctm. oder an beiden Punkten nicht gehört
wird, handelt es sich um eine Affection der tieferen Partien des
inneren Ohres, des Hömerven oder der centralen Ausbreitung
desselben. —
Die Richtigkeit der beiden letzten Sätze dürfte von erfahrenen
Ohrenärzten wohl nicht unbedingt zugegeben werden. Die über den
semiotischen Werth der Schallleitung durch die Schädelknochen
existirenden Hypothesen sind zur Zeit noch viel zu wenig durch patho-
logisch-anatomische Thatsachen erhärtet, als dass es gestattet wäre^
sie in der vom Verf. beliebten souveränen Weise als Grundlage für
die Diagnose zu verwenden. Wenn man dieselbe auch als wesent-
liches diagnostisches Moment stets berücksichtigen muss, so wird man
220 XV. WisseDSchaftliche Kundschau.
in einem gegebenen schwierigen Falle doch immer nur durch Wür-
digung aller Erscheinungen zu einem einigermäassen haltbaren Ur-
theile gelangen. Jacoby.
' 5.
Ein objectivesOhrgeräusch inBegleitung einer krampf-'
haften Retraction des Trommelfelles und Gaumen-
segels von Dr. H. Burnett. (Philadelphia med. Times 172.
13. Febr. 1875.)
Gelegentlich der Behandlung eines 18jährigen Japanesen an
einer linksseitigen chronischen Mittelohreiterung entdeckte B. bei Unter-
suchung des rechten Ohres ein knipsendes ^ dem der Fingernägel
ähnliches; unmittelbar am Ohre, aber auch auf 10' Entfernung und
an der entsprechenden Nasenöffnung hörbares Geräusch, das den
Kr. übrigens durchaus nicht belästigte. Am linken, Ohr war dasselbe
nicht zu hören. Die Besichtigung des rechten Trommelfelles zeigte,
dass dasselbe geröthet und verdickt war. Die Hörprüfung ergab eine
mangelhafte Hörfähigkeit und die Mittheilung des Kranken, dass
auch rechts vor einigen Jahren Otorrhoe bestanden habe. Das knip-
sende Geräusch hatte im letzten Sommer begonnen, eine Woche
nach der acuten Entzündung des linken Ohres. Erst nachdem im
Laufe eines Monats eine Verringerung der erwähnten rechtsseitigen
Trommelfell -Verdickung eingetreten war, konnte B. bei dem jedes-
maligem GeräuÄch eine Bewegung am vorderen oberen Trommelfell-
Quadranten wahrnehmen. Vorher schon hatte er, mit Hülfe des von
Politzer benutzten Manometers bei jedesmaliger Retraction des
Trommelfelles eine entsprechende negative Bewegung .der in jenem
enthaltenen Flüssigkeit wahrgenommen, während eine nicht immer
sichtbare positive Bewegung bei jeder Herzcontraction eintrat. Wäh-
rend des jedesmaligen schnappenden Geräusches sah man bei Prüfung
der Fauces eine Erhebung und Retraction des Gaumensegels. Athmen,
Schluckbewegungen und Sprechen übten einen bemerkbaren Einfluss
auf den schon beschriebenen krankhaften Zustand. Schlucken und
schnelles Athmen vermehrte die Häufigkeit des schnappenden Ge-
räusches. Anhalten des Athmens machten beides (das Ohrgeränsch
und den Gaumenkrampf) sofort aufliören. Mit dem Wiederbeginn
des ersten trat beides von Neuem wieder ein. Für gewöhnlich zählte
man etwa zwanzigmaliges Geräusch in je einer Minute. Während
anhaltenden Sprechens traten Geräusche nicht ein. Dieselben traten
weder in regelmässiger Aufeinanderfolge, noch synchronisch mit den
Athemzügen auf. Zwei oder drei Geräusche kamen gewöhnlich
schnell nach einander ; d^nn trat eine Pause ein ; dann wieder mehrere
Geräusche und so fort. Dieselben stören die Hörfähigkeit so, dass
der Kranke, wenn er genau zu hören wünscht, jedesmal denAthem
anhält, auch die subjective Untersuchung mittelst der Uhr bestätigte
diese Angabe. Denn während er das Uhrgeräusch gewöhnlich nur
im Contacte vernahm, hörte er es bei angehaltenem Athem 2 Zoll
.•- ■ ■• "••
XV. Wissenschaftliche Rundschau. 221
weit. Ebenso hörte er, wenn man eine Stimmgabel vor das Ohr
hielt, bei jedesmaligem Krampf einen höheren Ton. Das schnappende
Geräusch, aber nicht der Gaumenkrampf hört auf, sobald der Kranke
seinen Kopf so weit als möglich zurückwirft; ebenso konnte man
jenes beseitigen, wenn man den Finger fest und in der Richtung
nach dem Ostium pharyngeum der rechten Tuba an den weichen
Gaumen drückte , trotzdem während des Manövers das Fortbestehen
der krankhaften Muskelcontraction zu fühlen war. Ein gleicher Druck
anf die linke Seite des Velum war ohne jeglichen Einfluss. Als
ursächliches Moment für das fragliche Geräusch glaubt Verf. in
seinem Falle das von der überwiegenden Mehrzahl der Beobachter
betonte, nämlich die durch Krampf der resp. Muskeln veranlasste
plötzliche Trennung der vorderen von der hinteren Wand der Tuba
deswegen annehmen zu dürfen, weil auch in seinem Falle sichtbarer
Krampf der Muskeln des weichen Gaumens vorhanden und das Ge-
räusch auch in der Nähe der entsprechenden Nasenöflfhung hörbar
war. — Als Heilmittel gegen den ursächlichen Krampf erwähnt er
die auch von Anderen mit Erfolg benützte inducirte Elektricität. —
In einem Zusatzartikel zu seiner Arbeit (Phil. med. Times April 17.,
1875) theilt Verfasser noch mit, dass ihm der Kranke gelegentlich
einer Consultation am 6. Februar d. J. erzählt habe, dass wenige
Tage vorher sich eine Perforation in dem Trommelfell des afficirten
Ohres gebildet habe, und damit das Geräusch fast verschwunden
sei. — Die objective Untersuchung ergab in der That eine Per-
foration des vorderen obern Quadranten, wo früher die krankhafte
Retraction sichtbar war. Ungefähr eine Woche nach Entstehung der
Perforation gesellte sich ein geringfügiger Ausfluss hinzu. Derselbe
wurde aber schnell beseitigt und die Perforation heilte. Da später
weder irgendwo krankhafte Contractionen noch Geräusch wieder ein-
traten, so glaubt B. als Heilmittel für analoge Fälle, in denen für
die Behebung der pathologischen Erscheinungen ohrenärztliche Hülfe
gefordert wird, die artificielle Perforation des Trommelfelles vor-
schlagen zu dürfen. Jacoby.
6.
Die Bläschenflechte im Ohre (Herpes auricularis) von Prof.
Dr. Jos. G ruber. (M. f. 0. Mai 1875.)
G. bezeichnet mit H. auricularis nicht den symptomatischen
Herpes, wie er dann und wann am Ende von Entzündungsprocessen,
die in der Tiefe des Ohres stattfinden, vorkommt, noch denjenigen,
welcher den H. facialis begleitet, sondern lediglich den idiopathischen,
der nach G.'s Beobachtungen ausserordentlich selten vorkommt. Bis
jetzt hat er ihn im Ganzen fünfmal, theils an der Ohrmuschel, theils
im Gehörgange gesehen ; hält aber dafür, dass ein mit jenem Namen
zu bezeichnender Vorgang auch am Trommelfell und in der Trommel-
"i^^'^^r
^ XV. Wissenschaftliche Bandschau. 223
<
xesnltate ebenso ungenügend waren, wie nach Instrumentaloperationen.
Meniere benutzte dazu einen zugespitzten Lapisstift, Bonnafont
Wiener Aetzpaste, Erhard Jodque^ksilber. Keiner erzielte dauern-
des Offenbleiben. Dass bis zur Regeneration des Gewebes subjective
Geräusche unter gewissen Umständen verschwinden, ist bekannt.
Jacoby.
8,
I. Jahresbericht der Philadelphia-Anstalt zur Behand-
lung von Ohrenkranken von Ch. H. Burnett.
In dem mit dem 15^^ Sept. 1874 abgelaufenen Jahre wurden im
ganzen 350 Kranke angenommen und bis auf einige wenige behandelt»
Die 350 Kranken vertheilen sich folgendermaassen nach den
drei Abschnitten des Ohres.
I. Krankheiten des äusseren Ohres.
Traumatische Spalte des Ohrläppchens 2
Tumor an der vorderen Fläche der Auricala nach Parotitis .... 1
Eczema auricaläe 2
Ekzem beider Anricnlae 2
Otitis ext. circumscripta 5
Otitis ext. diffusa acuta 3
Otitis ext. diffusa chronica l
Postaurirc'ttlar-Abscess 5
Fremdkörper im Ohre l
Exostosen des Gehörganges l
Ceruminal-Pfropf 50
Obturirende Eeratose . 1
Yerschwärung der Dermoidschicht des Trommelfelles 1
«Schuppigkeif* n. Jucken des Gehörganges, ohoe Betheiligung des Gehörs 7
Bäntiger Verschluss des Gehörganges, vollständige Taubheit .... 1
IL Krankheiten des Mittelohres.
Acute Entzündung des Mittelohres 6
» „ n n traumatische 3
„ „ „ „ mit Theilnahme des Proc. mast. . 1
Chronische » » » » Perforation des Trommelfelles . 40
» » » « Polypen 14
Chronischer nicht secretorischer Katarrh ' ... 60
„ secretorischer Katarrh .^ 28
. » „ » nach Epilepsie . . * 2
„ » » » Scharlach 2
„ Mumps 2
„ Typhus 2
„ Schlundkrankheit 11
mit vernarbter Membran 23
» » »
» » »
» » »
» » »
~ z^'Z^
XYm. Antwort auf die Beriditigwig des Renn Dr. C. lüchel. 227
nachzuweisen. Sie haben ja bereits für Lncae s Ansicht eine hin-
fällige Stütze bieten mfissen. Ob Lncae, irregeführt dnroli die
Sicherheit des Auftretens der MicheTschen Behauptungen das ihnen
beigelegte Epitheton «sehr pricise^ aufrecht erhalten wird? Ich
weiss es nicht
Ich habe behauptet, dass M. ^als typisch illr die normalen Be-
wegungen der Phaiyngealmfindung der £. Rohre einen pathologischen
Fall mit Parese des Arcus pharyngo-palatinus ausftlhrlich beschreibt. '^
Auf 2 vollen Spalten der BerL kl. Woch. erzählt er uns, wie
er in ,,mehreren 100 Ftllen^ das Oav. pharyng. nas. von der
Nase aus inspicirt, schildert er ausführlich die Bewegungserschei-
nungen an der Tubenmündung beim Schlingen und bei der Phonation
in „sehr zahlreichen^ Fällen, wo er die hintere Hälfte
der Tubenmündung mit dem Tubenwulste in seiner ganzen Aus-
dehnung, darüber das Dach des Schlundkopfes, dahinter die Rosen-
mül 1er 'sehe Grube, überhaupt den ganzen von der betreffen-
den Choane bestimmten Raum klar beleuchtet überblickte.
Und nun sollte man glauben, dass ihm unter den „mehreren 100"
und „sehr zahlreichen" Fällen die Wahl leicht sei, einen normalen
FaU zur Illustration des Gesagten ausführlich zu beschreiben. Doch
nein; — mit einer -^ kühnen Redewendung, „trotz der Parese des
hinteren. Gaumenbogens , war die Tubenmündung vollständig ge-
schlossen", stempelt er den mitgetheilten Fall zu einem normalen!
Wozu anders bringt er uns denselben, als weil er ihn gewisser-
maassen als Illustration, als Paradigma, als Typus für die normalen
Bewegungen der Schlundöffhung der £. R. angesehen wissen will?
Der mögliche Einfluss der Parese des Are. palato-pharyng. kommt
ihm dabei gar nicht in Betracht „trotz der Parese" müssen die Be-
wegungen normal vor sich gehen, weil es M. gerade so will oder
braucht. Glaubt er wirklich, dass der Ausfall der Wirksamkeit eines
so kräftigen Muskelpaares, wie es die Palato-pharyngei sind, für die
Spannungsverhältnisse des weichen Gaumens und für die Gestaltung
des Ostiums so gleichgültig ist?! Würde er es wagen, bei einer
Parese des AugenschUessmuskels von einem normalen Lidschluss zu
sprechen? Es wird nun Jeder erstaunt fragen: ja warum wählt M.
gerade einen pathologischen Fall zur Illustration, da er unter den
„sehr zahlreichen normalen Fällen" freie Wahl hatte und auf einen
diesbezüglichen Einwand gefasst sein musste? Die Antwort ist sehr
einfach — weil er in keinem einzigen Falle, den erwähn-
ten pathologischen ausgenommen, das ganze Ostium
überblickte.
Im Affecte der Freude, einen Fall mit ungehindertem Ueberblick
über das ganze Ostinm zu sehen, wird er an sich selbst zum Ver-
räther. Er sagt: mehrere Male habe ich mich aufs Bestimmteste
überzeugt, dass der Boden (der Tubenöffnung) bis zum oberen Rande
des Tubenwulstes gehoben wurde, dass von einer Oeffnung, einer
Spalte nichts zu sehen war und nur eine feine Furche übrig blieb :
die von dem Tubenwulste herablaufende eben erwähnte Furche."
„In einem Falle aber, betreffend einen 8jährigen Knaben,
.» "
XVIIL Antwort auf die Berichtigung des Herrn Dr. C. Michel. 229
c ttj so verstopft er das gianze kleine Dreieck ab Q während Ae a
frei bleibt, und das ist der unter der Hackenkrümmung frei bleibende
Kanm, der beim Schlingen verschieden gestaltet sein kann, je nach
der individuellen Form der Hackenkrümmung (s. Urbantschitsch,
d. Arch. X. l.)> der Excursionsbreite des Tubenwulstes und der
Eundung des Levatorwulstes. Ich fand ihn halbmond-, spitzbogen-
nnd pfeilförmig, oder einfach dreieckig mit bogenförmiger Basis. Die
hinteren und vorderen Begrenzungslinien dieser Figuren gehen in die
von mir beschriebenen Furchen vor und hinter dem Levatorwulst
über. Die Höhe dieses freien Raumes von der höchsten Wölbung
des Levatorwulstes gerechnet unterliegt mannigfaltigen individuellen
Verschiedenheiten und pathologischen Einflüssen, besonders von Seite
de^ Energie der Musculatur des weichen Gaumens, und es dürfte
einmal dahin kommen, aus der Grösse und Gestalt desselben einen
MaasBstab zu gewinnen für die Abschätzung der Functionstüchtigkeit
dieser Muskeln bei Innervationsstörungen und Degenerationen.
Um aber alle diese Verhältnisse in den genannten Fällen , wo
das Ost. pharyng. t. mehr weniger durch das hintere Ende der
unteren Muschel maskirt ist, klar zu überblicken, kann ich ganz be-
sondersden von mir verwendeten Nasenrachentrichter^), 10 bis
1 1 1/2 Cm. lang und 7 — 4 Mm. an dem inneren Ende weit, empfehlen.
Man kann einen 7 oder 6 Mm. dicken Trichter bis in die Choane
ohne Anstand vorschieben, das hintere kolbig verdickte Ende der
unteren Muschel durch leichtes Heben und Auswärtsdrücken des
inneren Trichterrandes bei Seite schieben und hierdurch eine Ueber-
sicht der Rachenkrümmung und ihres Verhältnisses zum Levatorwulst
gewinnen. Es gelingt oft, besonders bei der Phonation mit schwachem
Anschlag, tief — bis 1 Ctm. — ins Ostium hineinzublicken und ei^en
grossen Theil der vorderen, resp. äusseren Fläche der medialen Tuben-
i^and zu übersehen. In all diesen Fällen sah aber Michel von dem
Hacken nichts und ebenso sah er die Hackenfalte nicht. Nur in dem
angeführten pathologischen Falle sah er die Hackenkrümmung und
vergass auch nicht, ihre Abgrenzung gegen den Levator-
wulst als eine feine, halbmondförmige Furche zu be-
schreiben.
Nach diesen Auseinandersetzungen glaube ich das Recht zu
haben, mit Bestimmtheit zu behaupten, dass die Angaben Dr. 0.
MicheTs über das Verhältniss des Levatorwulstes zur
Tnbenöffnung über den normalen Verschluss oder
Nichtverschluss derselben ganz unzuverlässlich sind.
Dass sie nicht mehr als maassgebend in dieser Frage verwendet wer-
den, hoffe ich durch meine Auseinandersetzungen zu erreichen.
Bei Schluss meiner „Antwort" erhalte ich die Nummer 41 der
Berl. kl. Woch. 1875. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Aus-
einandersetzungen eine so baldige Bestätigung finden würden und
zwar von einer Seite, wo ich es am wenigsten vermuthet hätte,
1) Zu haben bei dem Chirurg. Instrumentenmacher Mang, Prag, Fer-
dinandstrasse 31. Solche aus Hartkautschuk bei Waldek & Wagner^
Graben. — ^
Archiv f.
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Tafel BT.
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Januar 1873
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Lith.v. Oscar rürstenau, Leipzig
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Gehörprüfung auf Grund einer Beobachtung v. Nekrose d. Schnecke. 233
wellen als bewegende Kräfte mechanisch gegen das Trommelfell
als Fläche wirken, während in der Schnecke die Töne unmittel-
bar ausgelöst werden. Das Nähere über die Art des Vorganges^
sowie die Motivirung und Bedeutung dieser Hypothese flir die
Ohrenheilkunde, behalte ich mir fttr eine besondere Arbeit vor,
^veil es mich hier zu weit führen würde.
Dass die Sprache nicht ein einfacher Vorgang im Reiche
der Töne ist, daflir scheinen mir auch folgende Momente zu
sprechen. Wir finden bei der Hörprüfimg nicht selten, dass das
Verhältniss der Sprache nicht immer in einem proportionellen
VerhäJtniss zur Perception der Töne steht; ferner hält die Bes-
serung, die nach Anwendung des Katheterismus oder Applicirung
des künstlichen Trommelfells eintritt, nicht immer gleichen Schritt
flir Beide. Ausserdem erinnern viele Worte, namentlich in Spra-
chen, in denen sich Consonanten hinter einander häufen, nicht
selten so sehr an Geräusche, dass es schwer wird, eine Grenze
zn bestimmen zwischen einem aus Tönen zusammengesetzten
Worte und einem Geräusche, so dass man schliesslich genöthigt
wäre, alles Percipirte in die Schnecke zu verlegen, wogegen
aber die Bedeutung der Vorhofsgebilde bei Thieren ohne Schnecke
zu sprechen scheint. Ich halte daher nach Vorstehendem das
Zusammenwirken von Vorhof und Schnecke in der oben an-
gedeuteten Weise fttr das Verständniss der Sprache flirnothwendig,
und scheint es mir von vornherein unwahrscheinlich, dass ein so
complicirtes Wellensystem, wie es in jedem Worte dem Ohr
entgegengebracht wird, ohne Schnecke in einer so vollkommenen
Weise ausgelöst werden sollte, wie dieses angeblich beobachtet
worden ist. Es liegt daher die Vermuthung nahe, wie dieses
Schwartze hervorhebt und Lucae sich gelegentlich in der
Klinik öfters in derselben Weise ausgesprochen hat, dass in
solchen Fällen im anderen besseren Ohre die Schallauslösung
vor sich geht.
Diese Vermuthung hat sich auch bestätigt in einem in der
Poliklinik beobachteten Falle, wo in Abwesenheit des Herrn
Professor Lucae die nekrotische Schnecke von mir entfernt
wurde, und wo die mit genauer Controle angestellte Hörprüfting
jene Voraussetzung vollkommen bewahrheitete.
Julius Schramm, 7 Jahr alt, suchte den 19. August 1873
in der hiesigen Poliklinik fttr Ohrenkranke Hülfe wegen einer
starken Eiterung in dem rechten Ohre, welche vor drei Jahren
im Gefolge von Masern aufgetreten war. Irgend welche be-
IG*
ZL
GebürprUfung anf Grnnd einer Beobachtn;
macht habe. Leise Flüstersprac
nicht bei Anwendung der gleich zti
nun za ermitteln, welche Rolle bei d
in Bezug auf die Sprache, das gesi
später im Verein mit Herrn Profea
Weise ao, dass wir bei festem Vei
welches, wenn fest Terachlosst
zngewandt, noch 6 Fuss weit
pereipirte, das zu prüfende kra
und schliessen Hessen. Wir erhieltei
als verschlossenem kranken Ohr g*
Kesultat.
Es beruhen somit alle Beoba<
fähigkeit eines Ohres ohne Schnee
angegebenen Sichtung bin; und ei
geübte Methode der Hörprüfung -
an Sicherheit der Controle alle an
übertrifft.
Bei einseitiger bedeutender Seh
g^utem Pereeptionsvermögen des ant
immer das Sprachverständniss des
schriebenen Art und Weise. Dabei
untersuchende Ohr einen dUnnen Ge
um Irrungen von Seiten des Geflihli
nnn, dass das zu prüfende Ohr, we
qualitativ besser hört, als bei Ven
ist das Gehörte auf seine Rechnung
geöffnetem und geschlossenem Ohr d
nuDg des anderen Ohres. Dass i
Bezug auf Diagnose, Prognose und
darf keiner weiteren Erläuterung; n
einseitig taub und doch scheint
Ohre filr qualitative Schallempfindu
ist aber nicht nur wichtig zur Em
sondern auch zur Bestimmung des Gi
Schwerhörigkeit, weil ohne diese
niedrig angenommen werden könnti
"■■.'•/fl^r^WU!« imiJIWIIHIjnWÄWI 'V/T'
ff
XX.
Deber Ansstossnog der nekrotischen Schnecke mit Be-
merknngen fiher den relativen Terth der üblichen
Methode der H&rprftfnng
Au^flt Lncae.
Im AüBchlnss an den von Herrn Dr. Dennert ans meiner
Foliklmik mitgetheilten Fall berichte ich Über folgende foi
Kurzem in meiner Priyatpraxis vorgekommene Beobacbtang:
Der 30jahrige Zengfeldwebel Glantz aus Glogau datirt Bein
rechtsseitiges Ohrenleideo auf das Jahr 1866 zurück, wo er, damals
Artillerist, angeblich nach einer Schiesslthnng Stechen im rechten
Ohr mit gleich darauffolgendem Blutanstritt beobachtet haben will.
Mit Ausnahme von Tanbheit hatte er längere Jahre hindurch über
nichts Besonderes zu klagen, als im Octoher 1874 sich eitriger, mit
Blut gemischter Aushubs einstellte, und der Beit dieser Zeit dnrcb
chronischen rechtsseitigen Kopfschmerz und häufige Schwindeianßlle
geängstigte Kranke am 21, Mai 1875 meine Hülfe aufsuchte.
Fat. ist ein kräftiger, sonst gesunder Mann mit leidendem Ge-
sichtsauBdruck. Die ganze rechte Ohrgegend, «lamentUch vor dem
Tragus und am Warzenforlsatz auf Druck und Klopfen leicht em-
pfindlich, nirgendB änsserlich Schwellung sichtbar. In dem geschwol-
lenen rechten Gebörgange stinkender Eiter, nach dessen Entfernung
tief im Grunde rotbe Granulationen erscheinen.
Bei fest verschlossenem linken vollkommen nor-
malen Ohre werden rechts in nächster Nähe der Ohr-
muschel leicht verständliche Worte, [z. B. die Zahl 6),
wenn leise geflflstert, deutlich wahrgenommen.
Ord. AusBpriteungen mit Salicyisänre (1 : 600).
25. Mai 1875. Gehörgang und Vorderohrgegend geschwollen.
Hydropatbische Umschläge.
29. Mai. Schwellung und Schmerzen noch bedeutend.' Hydro-
pathische Umschläge, Jodsalbe.
2. Juni. Anschwellung und Schmerzen viel geringer. Druck
auf den Warzen fortsatz kaum noch schmerzhail. Nach vorsieh figei"
Ausspritzen des Ohres erscheint im knorpeligen Ab Bchnitte desGehär-
-J
lieber Aasstbssang der nekrotischen Schnecke. 239
die leise Flüstersprache rechts in unmittelbarer Nähe
des Ohres, links über IV2 Fuss weit wahrgenommen. —
Es ist somit dringend nothwendig, dass — wollen wir uns
nicht den gröbsten Täuschungen hingeben — fortan in jedem
Falle von einseitiger bedeutender Funetionsstörung das zu unter-
suchende Ohr während der Prüfung des Sprachverständnisses
abwechselnd geschlossen und geöffnet wird. Bei Befolgung
dieser Vorsichtsn^aassregel werden in Zukunft viele unerquickliche
Kurversuche unterbleiben und manche wunderbare Heilungen
von einseitiger Taubheit aus der Literatur verschwinden, welche
in Wirklichkeit weiter Nichts sind, als unbeachtet gebliebene
Hörverhessertmgen des andern, in geringem Grade erkrankten
Ohres.
Endlich ist der vorliegende Fall wichtig zur Beurtheilung
des diagnostischen Werthes der sogenannten Kopf knochenleitung,
indem er lehrt, dass bei einseitiger Nekrose der Schnecke die
auf bdeliebige Punkte des Schädels aufgesetzten Stimmgabeln
durchaus nicht constant nur auf dem gesunden Ohre percipirt
werden.*) —
Meine Absicht, von dem entfernten Knochenstückchen eben-
falls eine Abbildung zu geben, wurde mir dadurch vereitelt, dass
schon bei ihrer Entfernung aus dem Ohre die ausserordentlich
morsche Schnecke zerbrach und später vollständig in Staub zer-
fiel. Sie hatte ungefähr das Aussehen der zu dem Cassels'-
schen Falle (dieses Arch. 9. Bd.) gehörigen Fig. 3.
1) Vgl hiennit meine Monographie „Die Schallleitung durch die Kopf-
knochen«, Würzburg 1870. S. 45.
lieber die Stärke des bei der Lnftdonche erforderlichen Luftdruckes. 241
zengt, dass man mit demselben aach einen stärkeren stossweisen
Luftdruck von -/lo — ^/lo Atmosphäre (in maximo!) hervorbringen
kann^ wenn man ihn in der Art benutzt, dass der massig ge-
füllte, umstrickte Ballon mit der einen Hand kräftig und plötz-
lich zusammengedrückt wird. Von dieser Art der Verwendung
hat aber Lucae 1. c. nichts erwähnt und selbst dieser mögliche
Maximaldruck ist keineswegs ftlr alle Fälle von Tabarverschluss
ausreichend. Der constante Luftstrom, der mittelst des Doppel-
ballons erzeugt werden kann, auf welchen Lucae besonders
Werth zu legen geneigt ist (1. c), mag bei individuell weiter
Tuba stark genug sein, um Luft in die Paukenhöhle zu treiben,
bei pathologisch erschwerter Durchgängigkeit der Tuba sicher
nicht.
Die Compressionspumpe , welche ich im Hause gewöhnlich
für Diagnose und Therapie benutze, ist die von v. Tröltsch.
Sie ist seit 15 Jahren in meinem Besitz, während dieser Zeit in
fortwährendem Gebrauch gewesen und hat sich ausserordentlich
gut bewährt. Eeparaturen waren selten erforderlich, abgesehen
von der etwa alljährlich zu erneuernden Belederung des Stempel-
kolbens. Zur Bedienung der Pumpe, die allerdings erlernt sein
will, wie jede technische Manipulation, benutze ich einen Ge-
htilfen. Der bei Benutzung dieser Compressionspumpe bei mir
gebräuchliche Druck schwankt zwischen 2/10 und ^/lo^Atmosphäre,
je nach Bedtlrfniss. Ueber Vio Atmosphäre gehe ich höchst
selten hinaus und versuche dann zunächst die Sondirung der
Tuba. Der in der überwiegenden .Mehrzahl aller Fälle benutzte
Druck beträgt etwas weniger als ^lo Atmosphäre. Der Druck
bleibt, wie ich mit dem Manometer erprobt habe, nach einmaliger
Füllung der Pumpe mehrere Minuten constant. Die Ventile
schliessen also verhältnissmässig sehr gut. Durch fortgesetztes
Nachpumpen in schnellerem oder langsamerem Tempo bei an-
dauernd geöffnetem Ausflusshahn bringt man es sehr leicht und
nach kurzer Uebung dahin, den Druck beliebig lange vollkommen
constant zu erhalten.
Für meine Poliklinik ist vor einigen Jahren die von Politzer
empfohlene Compressionspumpe (A. f. 0. IV, 42) von Leiter in
Wien angekauft, aber sehr bald wieder ausser Gebrauch ge-
stellt worden, weil die Klappenventile in derselben einer fort-
währenden Erneuerung bedürftig waren. Auch das an der Pumpe
Strasse 66) von mir bezogenen Exemplare wären jedesmal nach kurzer Zeit
unbrauchbar.
XXII.
Eleiaere Hittheil
Eine einfache Methode, den R«
Ange zu befesi
Nicht selten tritt bei der üntersui
Operationen im äusseren Gehörgang, i
«hr das BedUrfuiss ein, beide Hände :
diesem Zwecke die rersehiedensten
den Reflexspiegel angegeben, z. B. an S
stellbare Arme, Semeleder's Brille, das
mit einem Holze im Munde etc.
Je einfacher eine Methode, desto i
gezogen nnd aus diesem Grunde the
gewendete Vorrichtung mit, die ich
praktisch halte. Die Enden einer etn
Schnur werden durch einen Knoten ^
Weise entstehende Doppelschnur wird
dem, dem Reflexspiegel zugekehrten T
das andere Ende wird von der Spi
centrale Durchbohrung des Spiegels g
Schnnr wird um den Kopf gelegt u
Weise angenehm vor dem Auge bei
wenig vorspringende Nase, resp. zu
so dass die Cilien beim Lidschlage
Spiegels berühren, so braucht man
Spiegel ein kleines Stück Kork zu sc
der betreffenden Stelle des Spiegels an:
ist es, die Lichtquelle auf der richtigi
zu haben. Bei der Conflguration mei
der Untersuchung mit dem linken Auj
niii.
wissenschaftliche Rnadschan.
1.
Zur Perforation des Trommelfelles von Dr. A. Bing.
(AUgem. Wiener med. Zeitung Nr. 35. 1873.)
Nachdem B. zunächst Myringitis und Secret- resp. Exsudat-
ansammlung In der Trommelhöhle als diejenigen Zustände namhaft
gemacht hat, welche gewöhnlich die Quelle für pathologische Trom-
melfellperforationen sind, bespricht er die Oertlichkeit , wo dieselbe
stattfinden kann, und bezeichnet in Uebereinstimmung mit allgemeiner
Annahme als gewöhnlichste Stelle den vordem untern Qua-
dranten. Demnächst widerlegt er durch Betonung des anatomischen
Lageverhältnisses des Ostium tympanicum tubae zum Trommelfell
die von Wilde angestellte Hypothese, dass die oben bezeichnete
Stelle des Trommelfells um deswillen besonders leide, weil dort ein
Anprallen des aus der Tuba kommenden Luftstromes stattfinde. Im
Gegensatz hierzu führt er als Grund für das überwiegende Vorkommen
der Perforation an dem bezeichneten Orte theils die in doppelter
Bichtnng schräge Lage des Trommelfells, theils das Quantum des
Exsudats an, sofern, begünstigt durch jene, der Druck desselben
gerade an der fraglichen Stelle aus physikalischem Grunde der
stärkste sein muss. Die zerstörende Wirkung desselben tritt hier,
wie Verf. richtig anführt, um so leichter auf, als die elastischen,
d. h. den meisten Widerstand leistenden Gewebselemente gerade an
dieser Stelle in geringer Menge vorhanden sind. — B. empfiehlt
schliesslich zur Entleerung von Trommelhöhlenexsudat eine quer
längs der untern Peripherie des Trommelfells verlaufende Schnittlinie.
Dass man Perforationsöfi'nungen, welche mit Rücksicht auf die Menge
des hinter ihnen angesammelten Exsudates einen relativ unzureichen-
den Abfluss gestatten, wo sie auch immer sich vorfinden mögen,
zweckmässig erweitert, ist nach allgemein chirurgischen Principien
selbstverständlich. J a c o b y.
^
248 XXTTT. Wissenscbaftliche Rundschau.
später immer und zwar so, dass factisch das eine Auge nach dem
Erdboden, das andere nach dem Himmel gerichtet [ist, und die
Schnauze seitlich gehalten wird. Versuchen die Thiere zu laufen,
80 taumeln sie, fallen oft um, und kollern sich dann wie eine Walze
um ihre Längsaxe am Boden herum. Ein leichter Stoss, den man
einem solchen, den Kopf schief haltenden Kaninchen verseift, lässt
es zu Boden fallen und Convulsionen bekommen.
Diese durch zahlreiche Sectionen nachgewiesene Psorospermien-
Rhinitis mit ihren weiteren Folgen kommt immer gleichzeitig bei
mehreren Exemplaren einer Kaninchenzucht zum Vorschein und ist
entschieden ansteckend (ob also nicht auch auf den Menschen über-
tragbar? Ref.) Die runden Psorospermien zerfallen in Wasser und
schleimigen Flüssigkeiten zu Micrococcen, die sich wieder zu Dipto-
oder Triptococcen einigen, ja stabförmige Bakterien bilden können. —
Im Gehörgang, seltener in der Paukenhöhle von Kaninchen
kommen ferner Milben von Dermatophagus und von Dermatocoptes
vor und vermögen dieselben dort Entzündung hervorzurufen. Man
findet an solchen Thieren stets klebrige dicke Schmalzpfröpfe im
Gehörgang, sowie übelriechende klebrige Massen am Ohreingange.
Diese Parasiten sind ziemlich gross, die Dermatophägen 0,31 — 0,43 Mm.
lang und 0,26— 0,30 Mm. breit; die Dermatokoptes 0,68 — 0,80 Mm.
lang und 0,43 — 0,56 Mm. breit. —
Bei Einem Kaninchen fanden sich im Ohre Dipterenlarven. Bei
der Section zeigten sich Maden im Gehörgange, im Mittelohre und
im Labyrinth; dabei tiefgehende Entzündungs- und Zerstörungs-
zustände mit Meningitis und Encephalitis. Die Larven waren die
der gewöhnlichen Schmeissfliege (Musca vomitoria).
V. Tröltsch.
Zwei Warzenfortsätz - Operationen von 0. Kappeier.
(Chirurg. Beobachtungen aus dem Thurgau'schen Kantonsspital
Münsterlingen während 1865—1870. Frauenfeld 1874.)
Aus dem obigen ungemein reichhaltigen Berichte, der die Be-
achtung der Chirurgen im höchsten Grade verdient, entnehmen wir
folgende 2 Fälle (S. 42—45):
L Eiterung aus dem Ohre mit Hirnerscheinungen.
Caries des Warzenfortsatzes. Anbohrung desselben.
Ein sonst gesunder 53 jähriger Tagelöhner bekam im Juni 1868
heftige. Schmerzen im rechten Ohre mit folgender Eiterung, zu der
sich bald Diplopie und Schwindel gesellten. Anfang September wird
über dem Warzenfortsatz Fluctuation bemerkt und durch einen Ein-
schnitt etwas Eiter entleert. Die Wunde schloss sich nach einigen
Tagen und der Kranke hatte wie früher fortwährend die heftigsten
Schmerzen im r. Ohre und über die rechte Kopf hälfte, starkes Ohren-
rauschen, Eingenommenheit des Kopfes und sehr starke Eiterung
aus dem Ohre.
I Jilülp
XXm. WiBsenschaftliohe ]
Am 11. September trat er mMflnete
ErBcheinungen. Aneserdem mässigee Fiel
linken AugeB. Gehörgang rechts stark e
haften schwammigen Grannlationen, dnrch
ganze vorne nach hinten und unten auf j
Lafteinblasen durch die Tuba erwies si<
dnrcbbohrt. Starker Druck auf den 1
Injeetioaen mit einer Lösung von Cupinn
Am 12. September Ptosis des linken
dagegen heftige Schmerzen im r. Kiefei
Mundes. Massiger Kopfschmerz und unbed
fort bis zum 5. October. An diesem Tage
wieder heftige stechende Schmerzen im r.
dem Proc. maBtoidens zeigte sich stärker ger
nnd schon auf leichten Druck empfindli(
und erhöhte Abendtemperaturen.
K. entschloss sich daher zur Eröffnu
handenen cariösen Herdes im Warzenfor
einen etwa Zoll langen Einschnitt auf dei
änsserlich unveränderten Knochen einen
wenigen Drehungen fiel derBelbe in ein(
und* beim Zurückziehen desselben floss B
Eiter aus. Die Wunde wurde dann dnrcl
weitert und das Bohrloch mit Pbenylchs
spritzen der Wnnde stellt« sich heraus, d.
mit der Knocheuhöble communicirte.
Am näcbeten Tage schon hatten di<
Kopf bedeatend abgenommen und die B«
ständig verschwunden. [Die Eiterung ans
dauerte noch his zum 13, October. Am
nieder beim Andrllcken ans Ohr und i
wegsam geworden, dass man das verdickt
melfell zu Gesicht bekam. Am 5. Novem
beseitigt, der Kranke ausser Bett, hörte
Luftdonche wnrde jas Hören noch etwas
IL Caries des Proc. mast.
cariöser Partien. Ein 52jähriger Sc
Nachtmarsche im November 1866 heftigi
nach and nach in der Gegend des link
Kein Ohrenfluss. Hörvermögen ganz auff
Am 1. April Eintritt ins Spital. '6s
dem 1. Ohre, der bei Einschnitt circa 2 i
fortige Abnahme der Schmerzen und et
nächsten Tage. Anfangs Mai neuerdings i
am Proc. mast. Der oberflächlich rauhe 'S
gelegt ond die cariösen Partien mit Hohln
fernt. Hierbei wurde die Art. stylomast.
heftige Blutung. Mitte Juli geheilt entlaei
XXIII. Wissenschaftliche Bundschaa. 251
6.
lieber chronisehen Rachenkatarrh nnd dessen Heilung
durch die Galvanokaustik von Dr. lifichel (Köln). (Deutsche
Zeitschr. f. Chirurgie. Bd. II.)
M. fand die Wirkung der Galvanokaustik in circa 70 Fällen
von chronischem Rachenkatarrh mit Hypertrophie der Schleimhaut
und Drüsenschwellung „so ausgezeichnet, so prompt und nie ver-^
sagend^, dass er sie als das souveraine Mittel gegen diese sonst
häufig für unheilbar gehaltene Erkrankung empfiehlt. Daneben kalte
Waschungen, kalte Gurgelungen, kalte Bäder.
Mit dem Galvanokauter sollen die kranken Stellen nicht ver-
brannt, sondern nur oberflächlich versengt werden. Die nach ener-
gischer Cauterisation zurückbleibenden kleinen Narben sind ihr^r
Kleinheit wegen von keiner Bedeutung für die Function der Schleim-
haut. Nach oberflächlicher Cauterisation bleiben überhaupt keine
Narben. Zur Cauterisation in der Pars nasalis führte auch M. oft
den Galvanokauter durch die Nase ein und controUirte seine Wirkung
vom Rachen aus durch den Spiegel. Im Durchschnitt genügte ihm
eine drei- bis viermalige Cauterisation, bei bedeutenden Hypertrophien
etwa eine achtmalige Wiederholung, um Heilung zu erzielen. Der
Schmerz ist geringer als bei Aetzungen mit Höllenstein in Substanz.
— Referent hat zu gleichem Zwecke die Galvanokaustik seit Jahren
benutzt und seinen Schülern empfohlen und ist von den Erfolgen oft
sehr befriedigt gewesen, wenn die Kranken die nöthige Ausdauer
bewiesen hatten. Schwartze.
7.
Charcot, Gudrison de la maladie de Meni^re par le sulfate de
quinine. (Gaz. des Hop. 1875. No. 95, 98.)
Charcot beobachtete zu wiederholten Malen, dass den Anfällen,
die im Verlaufe der Meniere'schen Krankheit auftreten, ein sehr
intensives, pfeifendes Geräusch in den Ohren vorhergehe; es wäre
dies gleichsam, der Aura epileptica ähnlich, die Einleitung zu den
bald nachfolgenden Erscheinungen des Schwindels, der Gleichgewichts-
störungen , des Erbrechens u. s. w. Von dieser Beobachtung aus-
gehend, versuchte er nun der pathologischen subjectiven Gehörs-
empfindung, mit welcher der Anfall beginnt, ein durch Chinin künst-
lich erzeugtes ähnliches physiologisches Symptom zu substituiren,
um so den ganzen Anfall zu verhindern, da dessen Initialsymptom
durch die Chiniuwirkung verdeckt, resp. in seiner wahren Form
nicht mehr zum Ausbruch kommen kann.
Bei mehreren Kranken, deren Geschichte, zwar nicht näher an-
gegeben, die aber nach Revillout's Angaben, der über diese Be-
handlungsweise referirt, alle jene Erscheinungen darboten, welche
'^.-»i.-v.. ^- ^ :vr^%v..- ■ . ' -*r.^ V
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XXIII. Wissensohaftliche Bandsohaa. 253
Ohrmuschel wären nähere histologische Details erwünscht gewesen*
Der Verfasser beschränkt sich auf die Angabe, dass der Tumor alle
Charaktere des wahren Sarkom's besessen; citirt jedoch auffallender
Weise nur solche Autoren, welche speciell die in Folge des Ohr-
stechens zuweilen entstehenden Narbenfibrome beschrieben haben,
wie Bramley und St. Vel. Kuhn.
9.
Darolles, Otite aigue moyenne; paralysie faciale et m^ningite aiguö
par irruption du pus dans Taqu^duc de Fallope. (Bullet, de la Soc.
anat. de Paris. 1875. t fasc.
Eine 38 jährige Frau wird nach kurz vorher bestandenem, voll-
ständig geheiltem acuten Gelenkrheumatismus in Folge einer intensiven
Erkältung von heftigen Schmerzen und fast absoluter Taubheit auf
dem rechten Ohre befallen. Drei Tage später klagt die Kranke über
das Oefübl, „als sei ihr plötzlich das Trommelfell zerrissen"; die
Schmerzen nehmen ab, eiteriger Ohrenfluss stellt sich ein, die Taubheit
persistirt. Beim Valsalv ansehen Versuche — alleiniges ünter-
«uchungsmittel während des Verlaufes — kein Perforationsgeräusch
hörbar. Fünf Tage nach Beginn der Krankheit wiederum heftige
Oephalalgie, Proc. mast. l)ei Druck sehr schmerzhaft , Otorrhoe ver-
mindert. Am 10. Tage vollständige rechtsseitige Facialislähmung. —
Blutegel im Nacken, Vesicans auf Proc. mast.; einige unwesentliche
innere Mittel abgerechnet , war dies die alleinige Therapie während
der ganzen Krankheitsdauer. — Von jetzt ab heftiges Fieber (40<^),
hartnäckige Stuhlverstopfung, Eingezogenheit der Bauchdecken.
Am 13. Tage Contraction der Nackenmuskeln, Puls 130, Tem-
peratur 40,8®. Am 15. Tage Opisthotonus dauert fort; Herpesaus-
schlag im Gesichte, rechts an den Lippen und Augenwinkel, links
mitten auf der Wange. Puls und Temperatur wie vorher.
Am* 16. Tage profuse Schweisse, unwillkürliche Harn- und
Stuhlentleerungen, Lähmung des linken Armes, Pupillen erweitert,
«ehr träge reagirend. Puls fadenförmig, Temperatur 40,6®. Abends
Tod. —
Sectionsbefund: Venen der Dura und Pia stark injicirt;
im subarachnoiden Zellgewebe ausgiebige eiterige Infiltration, beson-
ders an der Hirnbasis und ausserdem noch an der Convexität der
rechten Hemisphäre, links nur an dem auf dem Keilbein liegenden
Hirntheile. Kleine inselförmige Eiterheerde finden sich schliesslich
längs der Blutgefässe der Hirnconvexität. Die Pia adhärirt an vielen
Stellen an der grauen Substanz.
Am Felsenbein von aussen nichts Abnormes zu sehen ; die Pauken-
höhle ist mit Eiter gefüllt. Die Gehörknöchelchen flottiren frei in
4er Flüssigkeit. Am oberen Trommelfellsegmente findet sich eine
stecknadelkopfgrosse Perforation mit zerrissenen Wundrändern; War-
zenzellen ebenfalls mH Eiter gefüllt; Ner^rus facialis bis zu der Stelle
•' ■ :.• A. T
254 XXni. Wissenschaftliche Randschau.
blossgelegt; wo er im Hiatus Fallop. seip zweites Knie bildet; während
seines Verlanfes mit dicklichem Eiter überzogen. Die übrigen Wände
der Paukenhöhle sind frei.
Entwicklung und Verlauf diedes Falles bieten sonst nichts Neues;
er ist ein neuer pathologisch-anatomischer Beleg der Ueberleitung
einer Otitis media purulenta auf die Hirnhäute durch die im Hiatus
Fallopii gelegenen Durafortsätze und deren Blutgefässe. Das Un-
gewöhnliche an dieser Beobachtung ist jedenfalls die ganz und gar
unvollständige Untersuchung der Patientin während der Erkrankung^
und was noch mehr, der fkst absolute Mangel jedweder rationellen
therapeutischen Hülfeleistüng. * Kuhn.
10.
Herpin, Absces du cervelet, cons^cutif ä une l^sion du rocher.
(Bull, de la Soc. anat. de Paris. 1875. 1. Fase.)
Ein 19 jähriger Mann, der seit seiner Kindheit an hochgradiger
Taubheit leidet, wird wegen gastrischer Beschwerden ins Spital auf-
genommen. Seiner Angabe nach datirt die Taubheit aus seinem
fünften Lebensjahre; er will jedoch nie Ohrenfluss gehabt haben^
noch anderweitig erkrankt gewesen sein. — Seine jetzigen Klagen
bestehen in Appetitlosigkeit, Stuhlverstopfung, leichten Schwindel-
zufällen und besonders in sehr heftigen Kopfschmerzen, die sich über
den ganzen Schädel ausbreiten. — Es dauern diese Erscheinungen
die folgenden vier Tage fort. Puls und Temperatur sind stets nor-
mal. Trotz aller Aufmerksamkeit gelingt es H. nicht, irgend welches
andere Symptom, das eine allenfallsige Cerebralerkrankung vermuthen
Hesse, zu beobachten.
Am 4. Tage tritt plötzlich eine bedeutende Gehörverbesserung
ein; der Kranke, den man bisher förmlich anschreien musste, ver-
steht jetzt alle Fragen sehr gut und es hält dies auch bis zum
6. Tage an, wo dann bei sich immer steigernder Cephalalgie all-
mählich Goma und des anderen Tages To^ eintritt, ohne dass der
Kranke die ganze Zeit hindurch Lähmungs- oder Reizungserschei-
nungen dargeboten.
Bei Eröffnung des Schädels findet man im linken Kleinhimlappen,
und nur durch eine dünne Schichte Hirnsubstanz von den Meningen
getrennt, einen nussgrossen Eiterherd. A^ der hinteren Fläche
des Felsenbeines, der Lage des Abscesaes entsprechend, ist die
Dura geröthet und sehr verdickt; der Knochen selbst ist in einem
Umfange von ID-Ctm. cariös entartet. Im Innern des Ohres und
, speciell im Mittelohre finden sich alte käsige Herde; von einem
derselben war die frische Entzündung ausgegangen, hatte sich in
der Richtung der Hirnhöhle ausgebreitet und den Abscess im Klein-
hirne verursacht, wenn gleich bei der näheren Untersuchung zwischen
dem erkrankten Knochen und dem Eiterherde selbst keine directe
Vermittlung ,nachzuweisen war.
XXIII. Wissenschaftliche Rundschau.'' 255
Bemerkenswerth an dieser Beobachtung ist die am 14. Tage
plötzlich auftretende hochgradige Gehörsverbesserung, die stets nor-
malen Pals- und Temperaturverhältnisse und schliesfilich, die Cephal-
algie abgerechnet, der Mangel jedweden Symptomes, das eine Er-
krankung des Gehirns hätte vermuthen lassen können. Kuhn.
11.
Loewenberg, lieber die nach Durchschneidung der Bogengänge
des Ohrlabyrinthes auftretenden Bewegungsstörungen. (A. f. A. u. 0.
Bd. III. 1. Abth. S. 1.)
L. zieht aus eigenen physiologischen Versuchen folgende
Schlüsse:
1. Die nach Durchschneidung der Bogengänge des Ohres auf-
tretenden Bewegungsstörungen hängen nur von dieser Verletzung
UBd nicht von etwaiger Mitverletzung von Hirntheilen ab.
2. Das von Czermak in seinen Experimenten beobachtete
Erbrechen hängt von Mitverletzung des Kleinhirns ab.
3. Die Bewegungsstörungen sind die Folge Ton Reizung der
häntigQn Kanäle und nicht von Lähmung derselben«
4. Diese Reizung ruft jene krampfhaften Lähmungen auf re-
flectorischem Wege hervor, ohne jede Betheiligung des Be-
wnsstseins. Nur durch Hervorrufen willkürlicher Bewegungen wird
zu neuen Reizungen der Kanäle Anlass gegeben.
5. Die Uebertragung dieser reflectorischen Erregung auf die
motorischen Nerven findet im Thalamus statt.
6. Die Durchschneidung des N. acusticus ruft jene Bewegungs-
störungen nicht hervor (entgegen Brown-S6quard).
Schwartze.
12.
Infection purulente, suite d'otite interne, observ^epar
le Dr. Goldschmidt, par M. E. Tourneret. (Gaz. m^d. de
Strasbourg 1875 No. 11.)
43 jährige Lehrerin, aaämisch-nervös, seit erster Kindheit immer
kränklich, mit scrophulösen Narben am Hals und Spina ventosa,
erkrankt nach einer Erkältung mit heftigen intermittirenden Schmerzen
in der rechten Kopfhälfte. Rechtseitige Otorrhoe mit Perforation
des Trommelfelles. Cessiren der Otorrhoe. Frostanfälle. Obstipation
mit Auftreibung des Abdomen. 3 Wochen später plötzlicher Nachlass
der Cephalalgie unter Eintritt heftiger Schmerzen im linken Hypo-
chondrium, Steigerung des Fiebers. Dilatation der Pupillen. Ikterische
Conjunctiva. Fuliginöser Zungenbeleg. Doppelschlägiger Puls. De-
lirien, Temp. von 40,2. Coma. Starke Empfindlichkeit des Unter-
leibs. Icterus. Unfreiwilliger Abgang von Koth und Urin. Kaum
^^^
XXni. Wissenschaftliche Bandschan. 257
(Glasgow) mitgetheilten, war absolute Taubheit, in sieben auch Faci-
alislähmung vorhanden. Hieran schliesst er eine Erörterung über
das relativ seltene Vorkommen der Necrose im Vergleich zur Caries,
über den Einflnss des Alters, des Geschlechts, der Körperconstitution,
die geographische Verbreitung, allerdings mit der durch die geringe
Zahl von 1 6 Fällen gebotenen sehr grossen Reserve. — Als nächste
Veranlassung für den pathologischen Vorgang im Knochengewebe
ergab sich mit Ausnahme des Wild 'sehen in allen vom Verfasser
zusammengetragenen Fällen langjähriges Bestehen einer eitrigen
Entzündung der Trommelhöhlenschleimhaut resp. Periostitis des Fel-
senbeins. Für das Zustandekommen der Labyrinth -Nekrose üt^er
als mehr weniger isolirter Affection citirt er die bereits von
Tröltsch herangezogeinen Momente, die räumlieh gesonderte Ent-
wicklung, frühzeitige vollständige Verknöcherung, die Ernährung
durch besondere, mit andern durchaus nicht communicirende Gefässe,
endlich die ausserordentliche Festigkeit der Structur. Die so häufig
(in sieben von sechszehn Fällen) gleichzeitig mit der Labyrinth-Ne-
krose vorkommende Facialisparalyse bezieht Verf. auf die genau
erörterten topographischen Verhältnisse des äussern und obern halb-
cirkelförmigen Kanals und der Schnecke zum Canalis Fallopiae, wo-
bei er insbesondere darthut, dass eine Ausstossung jener ohne gleich-
zeitige Verletzung dieses, resp. des N. facialis nicht denkbar ist;
eine These, die durch die pathologischen Beobachtungen in der That
ihre volle Bestätigung gefunden hat. Zur Erklärung des Zustande-
kommens einer Labyrinthnecrose ohne gleichzeitige Betheiligung der
dasselbe umgebenden spongiösen Substanz führt er zwei Momente
an, nämlich Embolie der Arteria auditiva interna (wie wahrscheinlich
in dem Wilde 'sehen Falle, in dem eine chronische Mittelohreiterung
nicht voranging), ferner Periostitis purulenta des Labyrinths, als
Folgezustafd chronischer Mittelohreiterung, zu deren üeberleitung
auf jenes die Betheiligung, resp. Zerstörung der Membrana tympani
secundaria dient, wie viele Sectionsbefunde solcher Fälle auch dar-
gethan haben, wo ein lethaler Ausgang vor vollständiger Necroti-
sirung der Schnecke eintrat. Einen weiteren Beweis für die Rich-
tigkeit dieser Annahme sieht er in der fast in allen sechszehn Fällen
während des Bestehens der chronischen Mittelohreiterung vorgekom-
menen Polypenbildung , und dem "periodisch die Ausscheidung des
purulenten Secretes hemmenden Einfluss derselben, sammt den mit
Noth wendigkeit sich anschliessenden Folgen, der fauligen Zersetzung
des Secrets, und dem gesteigerten Druck. Bei dieser Gelegenheit
weist er gleichzeitig aus normal-anatomischen Gründen und Sections-
befunden das nicht seltene Freibleiben der halbcirkelförmigen Kanäle
von dem pathologischen Processe nach, und macht auf die im ent-
gegengesetzten Falle in Betracht kommenden anatomischen Punkte
aufmerksam. — In dem häufigen Vorkommen der alleinigen Ne-
<5rose der Schnecke findet er mittelbar den Beweis für die Richtig-
keit seiner Annahme, dass das runde Fenster die Brücke für die
iJebertragung der eitrigen Periostitis zu dem Labyrinthe abgibt.
Denn geschähe dies durch eine Fistel des äusseren halbcirkelförmigen
25S XXIII. WisseDschaftlicbe Rnndecbaa.
E&nala oder das ovale Feneter, so mttBBten anclt BeobachtnDgen tos
alleiniger ADSstosBung der balbcirketförmigen Kanäle existiren,
was bekanntennaaBsen nioht der Fall ist. Als Symptome, welche fllr
den Durchbruch dea runden Fenafera und die Fortleitung der eitrigen
Periostitis als charakteristisch gelten dürfen, führt er an : den plötz-
lichen Eintritt heftiger anbjectiver Geräusche, heftigen Schmerz in
der Tiefe, Seh winde Unfall e , Erbrechen u. s. w., zn einer Zeit, wo
erweielichermaassen der Abfluss des Eiters bei lange bestehenden
Mittelohr eiterungen durch Polypen plötzlich gehemmt wird. — Bei
Aufzählung dieser Symptome bleibt, wie Verf. anzuführen nicht ver-
giagt, allerdings der Nachweia Schmerz empfindender Nerven inner-
halb des Labyrinths immer noch Deaiderat. — Mehr significant ist
unbedingt schon der Charakter der qu. subjectiven Geräusche, die>
wie Verf. bei längerem Verkehr mit Obrenkranken erfahren wird,
wegen ihrer äusserst grellen und belästigenden Qualität von Niemand
mehr betout werden, als von solchen, die plötzlich an acnten La-
byrinth-, resp. Acusticnaaffectionen erkranken (Kef.). An die Erör-
ternng der Symptome schliesst Verf. Notizen über den Verlauf, die
für die Praxis von nicht geringem Interesee sind, besondera über die
Zeit, die vom Beginn der LabyriDthentzllndnng bis zur vollständigen
Trennung dea Labyrinth gehänaes , bez. in den aufgeführten Fällen
bis zur Ausstosanng der Schnecke verläuft. Zum Schlnaa gibt er
noch auf Prognose und Therapie des fraglichen Leidens ebenso be-
achtenswerthe, wie durch sichere Thatsachen begründete MittheilnngeD,
die in Verbindung mit dem sonst Gebotenen der Arbeit einen dauern-
den, nicht gering zu schätzenden Werth verleihen und dieselbe
jedem Ohrenarzte werthvoll machen dürfen. Jacoby.
Otitis und ihre Beziehungen zur sogenannten Erkäl-
tung, Klinischer Vortrag des Prof. 0. B. Agnew. New-Tork,
In der Einleitung betont A. , dass er das Thema, in einer den
Medicin Studirenden und encyklopftd lachen Aerzten leicht verständ-
lichen Sprache behandeln werde, dass der Vortrag also nicht fflr
Specialisten berechnet ist. Die Veranlassung za demselben gibt eine
durch Mittelohreiterung veranlasste Schwerhörigkeit eines Lehrera. —
Im Hinblick auf das häufige Vorkommen solcher Zustände in Folge
von Erkältung durch plötzliche bedeutende Temperaturcontraste etc,
nnd die Unmöglichkeit solche immer zu vermeiden, erörtert A. in
sehr ausführlicher Weise die den Aerzten bekannten, zur Abhärtnog
des Körpers insbesondere der Haut, gebräuchlichen hygienischen
Einflllsse, resp. Methoden, Waschungen, "Frottirnngen, Luftbäder,
Gymnastik, den Einfiuss der Kleidung und Nahrungsmittel. Bezüg-
lich letzterer erscheint dem Referenten die Bemerkung des Vortragen-
den be achtens werth , dass selbst bescheidene Dosen alkoholischer
Getränke die Disposition zu Erkältungen at ei gern. Zum Beweise
l^x^TSf-^'";'?'"
XXni. Wissenschaftliche Rundschau. 259
dessen beruft er sich auf die Erfahrungen, welche bei den Expe-
ditionen nach dem Norden gemacht worden sind. — Beim üeber-
gange von dem hygienischen Excurse zu dem therapeutischen Theil
beklagt er zunächst die unter den Aerzten Amerika's noch weit ver-
breitete Unwissenheit auf otologischem Gebiete und legt seinen Zu-
hörern in eindringlichster Weise die Nothwendigkeit dar, bei Furunkel
und Otitis externa baldigst zu incidiren, sowie bei Otitis med. cat.
recht frühzeitig zur Paracentese des Trommelfells zu 'schreiten.
Neues für den Specialisten bietet der Vortrag nicht. Jacoby.
16.
Zur Morphologie der Tuba Eustachii von Prof. Dr. Ger-
lach. Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Societät zu
Erlangen. Sitzung vom 8. März 1875.
Prof. Ger lach constatirte an der Leiche eines halbjährigen
Kindes, dessen Carotis mit Gelatine und Berlinerblau eingespritzt
war, das Vorhandensein massenhafter Balgdrüsen in der Tuba Eusta-
chii und zwar im knorpeligen Theile vom Ostium pharyng. ange-
fangen bis zum üebergang in den knöchernen Theil. Am häufigsten
finden sie sich in dem mittleren Theile d«r knorpeligen Tuba. An
dem Grunde der Bälge sind, mehr im submukösen Bindegewebe, massen-
haft acinöse Schleimdrüsen, die theils zwischen die Balgdrüsen, theils
in die Bälge selbst einmünden. Die Bälge sind kaum halb so gross,
als die der Gaumen- und Rachenmandel^ nehmen aber nahezu die
ganze Dicke der Tubensohleimhaut ein. Die Wand der Bälge ist
0,3 — 0,4 Mm. dick und besteht aus der Henle 'sehen conglobirten
Drüsensubstanz. „Abtheilungen der letzteren in Form geschlossener
Follikel kommen in derselben nicht vor, sondern die ganze Wand
der Balgdrüse besteht hier aus diffuser conglobirter Drüsensubstanz,
welche übrigens nach aussen scharf abgegrenzt Üst und auf deren
innerer Fläche unmittelbar das Tubenepithel aufsitzt."
Gerlach schlägt vor, diesen Drüsencomplex analog der Pha-
rynxmandel — Tubenmandel zu benennen. Zaufal.
17.
Notiz zur Beurtheilung des normalen Situs der Eusta-
chischen Röhre. Von Dr. W. Flemming, ausserordentl.
Prof. in Prag. (Monatsschrift f. Ohrenheilk. 1875. Nr. 6.)
Prof. Flemming spricht sich in diesem Aufsatze entschieden
für das normale Geschlossensein der T. Eustachii in der Ruhe aus.
Erst durch das Hinzutreten bestimmter Muskelactionen werde dieselbe
geöffnet. Die subjectiven Empfindungen hierbei im Ohre während
der Phonation sind dieselben, wie wenn man während der Ausführung
des positiven Experimentum Valsalvae zugleich einen Ton summt.
■ V'?'; *♦• =-rx.-K^. "iv ■
XXin. Wissenschaftliche Rundschau. 261
das ich mit dem Otoskope controUirte, eine Bewegung des
Tubenwulstes sichtbar ist^ dass diese Bewegung sich
jedoch wesentlich von der bei der Phonation und beim
Schlingen sichtbaren unterscheidet und am meisten Aehn-
lichkeit hat mit den Zwangsbewegungen, wie ich sie beim Nieder-
drücken des Zungengrundes geschildert habe. — Die Excursionsbreite,
ist beträchtlich geringer, als bei der Phonation und beim Schlingen,
doch immer so deutlich, dass ich aus den Bewegungen des Tuben-
wulstes den Rhythmus des Knackens zu bestimmen vermochte. Die
ausftlhrliche Schilderung dieses Falles später. Zaufal.
18.
üeber ein neues Verfahren zur Wegsammachung der
Eustachischen Ohrtrompete und. zur Ventilation der
Trommelhöhle. Von Prof. Dr. Josef Gruber. Wien 1875.
Dieses „ neue Verfahren " ist eine Modification des Politzer 'sehen
und besteht im Wesentlichen darin, dass der Patient statt Wasser
zu schlucken , angewiesen wird , die Mitlaute k c k (= h k k) „in
möglichst gebundener Weise ", oder einfacher die Sylben hack, heck,
hick, hock, huck auszusprechen, während gleichzeitig der Arzt durch
Compression eines in die Nase luftdicht eingesetzten Ballons die Luft
im Cavum pharyngo-nasalö" verdichtet. Durch Aussprechen der be-
zeichneten Sylben, besonders aber des kck, wird ein möglichst fester
Abschluss des Cav. pharyng. nasale vom Cav. pharyng. ovale be-
werkstelligt und zwar ist der Abschluss ein um so vollständigerer,
je weiter man in der Reihe der oben angeführten Sylben vorschreitet.
Die Vortheile, welche dieses Verfahren vor dem Politzer 'sehen
haben soll, sind nach G. folgende:
1. sei es einfacher, da das vielen Patienten widerliche Wasser-
schlucken wegfällt, bei Halskrankheiten nicht so schmerzhaft sei,
wie das Schlucken und die Luft dabei nicht in den Magen gelange.
2. Vermag man damit durch länger dauerndes Anlauten der
Sylbe die Luft für längere Zeit durch die Tuba streichen zu lassen.
3. Durch Berücksichtigung der Scala vermag man den Verschluss
des Cav. pharyngonas. zu reguliren und damit auch die Kraft des
durch die Tuba dringenden Luftstromes.
4. Sei das neue Verfahren für die Selbstbehandlung des Kranken
vortheilhafter. Zaufal.
19.
lieber ^inen Recessus salpingo-pharyngeus von Dr. Emil
Zuckerkandl, Prosector.
Unter dem Namen eines Recessus salpingo-pharyngeus beschreibt
Zuckerkandl eine divertikelartige Ausbuchtung der seitlichen
Wand des Cavum pharyngo-nasale. Er fand diese Anomalie an der
XXIIL Wissenschaftliche Rundschau. 263
Sehnenbündel des Tensor veli an dem oberen Rande der Incisura
pterygoidea. Die dazu gehörigen Fasern des Tensor entspringen
vor der lateralen Tubenplatte nahe dem Ostium tubae und vermögen
also eine Erweiterung des Tubenostiums auszuführen. In gleicher
Weise wirken auch jene Fasern^ die um den Hamnlus sich herum-
schlingend an dem liinteren Rande der Gaumenplatte inseriren. Was
ü. über das Verhältniss der aponeurotjschen Ausbreitung der Sehne
des Tensor veli zur membranösen Tuba aussagt, kann ich nach einem
Präparate, das ich schon vielfach demonstrirte, vollinhaltlich bestä-
tigen. Die Stelle möge daher wörtlich hier angeführt werden. „ Von
der häutigen Tuba zieht als Verlängerung derselben ein fibröses Ge-
webe zu der Mittellinie des harten Gaumens, welches besonders gegen
den lateralen Knorpel in manchen Fällen als ziemlich stark ent-
wickeltes Ligament erscheint. Mit diesem steht die Aponeurose des
Tensor veli in inniger Beziehung, so dass bei Zug an seinem Mus-
kelbauch eine Anspannung der häutigen Tuba, resp. eine Abhebung
derselben von dem knorpeligen Theile erfolgt, wodurch die an der
membranösen Tubenwand entspringenden Fascikel des Tensor veli
in ihrer Wirkung bezüglich der Erweiterung des Tubarlumens we-
sentlich unterstützt werden."
Von dem M. levator veli sei hier nur soviel erwähnt, dass ü.
in einigen Fällen eine Muskelschleife vorfand, welche ungefähr in
der Mitte der knorpeligen Tuba von dem Levator abzweigte und mit
der Pars membranosa nahe dem Tubenostium sich verband. In
gleicher Stärke mit dem Levator beobachtete er das gleichzeitige
Vorkommen eines M. petrosopharyngeus. Dem M. salpingo-pharyngeus
vindicirt er wegen seiner schwachen Entwickelung , seines nicht
seltenen Fehlens nur eine untergeordnete Bedeutung als Erweiterer
der Tubenöffnung. Nach seiner Ansicht steht er in dieser Beziehung
entschieden dem Lig« salpingo-pharyngeum Zuckerkandl's nach.
Es möge mir erlaubt sein, meine Beobachtungen an Leben-
den über die Wirksamkeit dieses Muskels hier einzuflechten. Dass
er dort, wo er vorkommt, die mediale Tubenplatte nach rück- und
einwärts ziehen kann, scheint mir nach seinem ganzen anatomischen
Verhalten gewiss zu sein. Neben dieser Function kommt ihm jedoch
noch eine andere zu, nämlich die straffe Anspannung der Wulst-
falte — Plica salpingo-pharyngea — währenddes Zurück-
nnd Einwärtsrückens des Tubenwulstes. In gleicher Weise besorgt
er die Spannung der Schleimhaut am unteren Ende des Wulstes.
Es wird dies dadurch ermöglicht, dass seine Sehne (oft Aponeurose)
sich nicht blos im Perichondrium, sondern auch mit einzelnen Fäden
in dem Gewebe der Schleimhaut selbst inserirt.
Das Verhältniss der Wulstfalte zum Tubenwulste und zur Ober-
fläche des weichen Gaumens kann man sich jederzeit zur Anschauung
bringen, wenn man die von mir verwendeten Nasenrachentrichter in
Anwendung zieht. Selbst unter den ungünstigsten Verhältnissen ist
man mit Nr. 4 im Stande, wenigstens das untere Ende des Wulstes
und seine Falte in Action zu sehen, beim Phoniren, Schlingen etc.
Ich stosse auf Fälle, wo die Wulstfalte fehlt. Der Tubenwulst endet
Archiv für Ohrenheilkunde. X. Bd. (Neue Folge. IV. Bd.) 18
I
XXm. Wissenschaftliche Rundschau. 265
bilden. Sie sitzen einem sonst vollkommen entwickelten, Tuben*
knorpel auf."
Zu den accessorischen Knorpeln gehören jene Knorpel-
bildungen, welche der Tuba als Kerne, Stäbe oder Platten angelagert
sind. Dazu gehören:
1. die in die Fibrocartilago basilaris eingestreuten Knorpel,
2. die knorpelige Umwandlung des Ligamentum salpingo-pha-
ryogeum an der hinteren medialen Tubenplatte,
3. die fast constant vorkommende Einlagerung von Knorpel-
stäben am unteren Rande der medialen Platte oder um den Knorpel-
haken,
4. die in der membranösen Tuba auftretenden spindelförmigen
Knorpelstücke. "
Als Anhang finden wir 50 Tuben speciell in Bezug auf die
Knorpelbildungen ausführlich beschrieben. Zaufal.
21.
Subcutane Injectionen von Strychninum nitricum gegen
nervöse Schwerhörigkeit und InnervationsstÖrungen
der Binnen-Muskeln des Mittelohres. Vorläufige Mit-
theilung von Dr. med. B. Hagen (Leipzig). (Central-Blatt für
med. Wissenschaften 1875. Nr. 36.)
H. hat seit beiläufig etwa 3/4 Jahren „mit unleugbaren Erfolgen
und länger andauernden günstigen Resultaten in einer nicht geringen
Reihe entsprechender Fälle" Strychnin-Injectionen angewandt. 'Er,
benutzte meist eine einprocentige wässerige Lösung und machte wö-
chentlich zweimal eine Injection in die Bedeckungen des Proc. mast.,
meist ohne gleichzeitig irgend eine andere Behandlungsmethode an-
zuwenden. — Gegen subjective Geräusche erwiesen sich die be-
treffenden Injectionen wirkungslos. — * Jacob y. *
18'
"i-v^'
XXIV. SitzüDgsprotocoll der Section für Ohrenheilkunde in Gratz. 26T
kegeis die Einstellung des besten Lichteffectes auf die schnellste
Weise gestattet;
2. wird binoculäres Sehen geboten;
3. wird durch die Veränderlichkeit der Entfernungsdifferenzen
zwischen Lichtquelle und Beleuchtungsspiegel für besondere
Fälle eine Verschiebbarkeit des Lichteffectes ermöglicht;
4. ist der Apparat auch zur Ohrenuntersuchung und Mikroskopie
zu gebrauchen;
5. wird eine für einen mit so einfachen Hülfsmitteln versehenen
Apparat sehr grosse Lichtintensität gewährt.
Web er- Li el aus Berlin demonstrirte das neu von ihm an-
gegebene Instrument, das Ohrmikroskop.
Es sei keinem Zweifel unterworfen, dass die übliche Unter-
suchungsmethode mit Reflexspiegel, pneumatischem und gewöhnlichem.
Ohrtrichter, obschon sie die Ohrenheilkunde viel gefördert habe,
gleichwohl dem Bedürfniss in keiner Weise genüge; dass man viel
zu wenig dabei sehe , viel weniger als die Untersuchung von Ohr-
Leichenpräparaten mit dem blossen Auge oder mit der Lupe an
pathologischen Veränderungen erkennen lasse. Auch bei der besten
Beleuchtungsweise, wie der eben vom Collegen Schalle demon-
strirten, werde man das Trommelfell und die bei Löchern in der
Membran freiliegenden Trommelhöhlen gebilde nur eben ganz klein und
aus der Ferne viel zu unklar zu genauer diagnostischer Verwerthung
beobachten können.
Wenn wir mehr von den Krankheitsprocessen (nicht nur, wie
solche sich beim Präparate darstellen) beim Lebenden wissen
wollen, wenn wir uns einer besseren Erkenntniss und Therapie
nähern wollen, müssen wir erst mehr sehen und das Sichtbare klarer
und vor Allem vielfach vergrössert sehen lernen.
Bis zu einem gewissen Grade ist diesem Bestreben Voltolini
mit seiner Ohrlupe entgegengekommen. Diese ist ein ausgezeichnetes
Instrument, welches viel zu wenig gewürdigt ist, vielleicht weil seine
Vortheile erst nach vielfacher Uebung in geschickter Hand erkannt
werden. Der Vortragende möchte die pneumatische Ohrlupe nicht
mehr missen, mit Hülfe welchen Instrumentes man bei Sonnenbe-
leuchtung das Trommelfell etc. nicht nur 21/2 — 3 Mal vergrössert
und unter verschiedenen Spannungszuständen zu beobachten, sondern
auch zu operiren vermöge.
Indess das Bedürfniss erheische für viele Fälle nicht nur bei
weitem vergrösserte und klarere Trommelfell-, resp. Paukenhöhlen-
bilder, sondern auch einige Kenntnissnahme von den akustischen,
den Schwingungs-Alterationen der Membran und des Hammergriffes.
Mit/dem von Weber-Liel construirten Ohrmikroskop ist
es bei So'nnenbeleuchtung leicht möglich, nicht nur
das Trommelfell beim lebenden Menschen in seinen
einzelnen Abschnitten 15 mal (deutlich) vergrössert zu
sehen, sondern auch die normale oder pathologisch
veränderte Schwingungsfähigkeit einzelner Abschnitte der
Membran zu beobachten. Es wird zu letzterem Zwecke das Trommel-
1
schiefer Stellung und unter einem gewissen Winkel zum Mikroskop
stehenden Trommelfell-, resp. Hammertheile normal oder verändert
tind nnr anomal functionefähig sind, sieht man während der Schall-
znleitung die den betreffenden Organtheilen aufgestäubten, das Licht
stark reüectirenden Amjlnmkörnchen grössere oder kleinere ver-
schieden gerichtete Excnrsionen machen, deren Weite an einem jen-
seits des Ocnlars angebrachten Mikrometer abgelesen werden kaon.
Das Weber-Liel'sche Ohrmikroskop ist mit Beniitznng
des Brnnton'schen Ofarspiegels nach Art der Voltolini'schen Ohr-
lupe hergestellt, dorchans compendiöa, in jedem Falle leicht anwend-
bar. Der Mikroskop -TnboB ist wie bei jedem anderen Mikroskop
ausziehbar angebracht; der Brnnton'sohe Lichtfänger fehlt; die
SchallzuleitUDg geschieht durch eine weite seitliche OefFnung unterhalb
des Reflectors, so dass, wenn der Ohrtriehter des Instrumentes im
Gehörgang eingefügt ist, die Zuleitung in einen nahezu luftdicht ge-
schlossenen Raum geschieht; auf eben diesem Wege geschieht die
Luftverdünnung oder Verdichtung.')
Sitzung YOm 20. September.
Vorsitzender: Stabsarzt a. D. Dr. Schalle.
Schriftführer: Dr, Hinaus, Dr. Birnbacher.
Weber-Liel: Zur Tenotomle des Tensor tympani.
Der ergangenen Auffordernng gemäss bringt der Vortragende
weitere Mittheil nngen Über die praktiachenEr folge der Operation,
welche von ihm jetzt au mehr als 300 Fällen ausgeführt worden ist.
Nur nach vielen Vorübungen ^n der Leiche kommt man schliesslich
dazu, die Sehne sicher zu treffen. Der betreffende Operation smodus
mit den zu beobachtenden Cauteien wird beschrieben. Ebenso wird
die Ansicht, als ob die Operation gefahrbringend oder in eventuellen
Fällen bedenklich für die restirende Hörkraft sei, zurückgewiesen;
bei den gewöhnlichen Anforderungen an das Gehörorgan sei die An-
wesenheit und Function des Muskels nicht Bedingung ; das beweisen
pathologische Fälle, wo trotz Verlust des Hammers und des Muskels
relativ recht gut noch verstanden und gehört werden -könne. Fllr
pathologische Verhältnisse möchte er seiner Erfahrung nach seine
1) Das „Ohrmikroskop" ist nach dem Frincip des Mach-Eeasel''
sehen Mikroskopen spiegeU constmirt. Letzlerer hat noch an der Eintritts-
stelle der Lichtstrahlen in den Spiegel eine Sammellinse und ist daher auch
bedeutend lichtsliirker, ermifglioht ferner das Einschieben einer aplana-
tiachen Linse zwischen Mikroskop und Spiegel und damit viel stärkere
Vergrösserungen als erateres. Dr. Kessel.
270 XXIY. SitzuDgsprotocoU der Section für OhrenfaeilkuBde in Gratz.
setzen könne; sie haben die Operation ihretwegen nicht aasgefUhrt^
sondern vielmehr in dem Umstände, dass der Erfinder es bisher
unterlassen habe, die Indicationen für die Operation aufzustellen.
Er glaubt, dass es Manchem Bedenken erregte, durch die Durch-
schneidung des Tensors die Krümmungen und Spannungen des
Trommelfelles und in weiter Folge die Druckänderungen im Laby-
rinthe zu ändern, da man durch Hei mholtz weiss, dass beide letz-
teren zum Hören noth wendige Bedingungen seien.
Grub er ist für die Operation und bemerkt, dass er schon,
bevor W.-L. die von ihm zuerst operirten Fälle bekannt gemacht
hat, in seinen Vorlesungen auf den Gedanken Hyrtl's hingewiesen
habe. Er stellte sich indess die Operation gefährlicher vor und hielt
deshalb mit ihrer Ausführung zurück, bis die von W.-L. veröffent-
lichten Resultate bekannt wurden. Er ist nicht dafür, dass man
mit der Ausführung der Operation warten solle, bis alle Indicationen
bekannt seien. Schon jetzt liege für ihn eine ganz bestimmte In-
dication vor, nämlich Verkürzung der Sehne des Tensor tympani,
die Symptome hierfür seien bekannt; er führt an, dass anch die
ReizuugserscheinuDgen des Corti'schen Organes sich ganz gut aus
der Vermehrung des intraauriculären Druckes durch Einwärtsdrängung
des Stapes erklären lassen.
Weber-Liel replicirt Dr. Kessel gegenüber, dass dieser nur
theoretische Gründe gegen die Operation habe, dass in dem heutigen
Vortrage ganz und gar nichts über Indicationen, sondern nur über
die praktischen Resultate der Operation im Allgemeinen zur Mit-
theilung gebracht worden sei. In Beziehung auf die Indicationen,
denen er bei seinen operativen Eingriffen gefolgt ist, verweist er
auf die Angaben, die er darüber an anderer Stelle gemacht habe.
Allerdings sei die Operation noch nicht fix und fertig und die In-
dication durchaus fortbildungsbedürftig. Indess dürfe man die Ope-
ration darum nicht ruhen lassen ; nur die praktische Erfahrung habe
einstweilen das Recht zu sprechen. Seit jeher habe die wissen-
schaftliche Begründung den therapeutischen Erfolgen nachgehinkt.
In Beziehung auf die Bemerkung Kessel 's über die Krümmungs-
abhängigkeit des Trommelfelles und die Bedeutung der Corti'schen
Faser, ist diese dem Vortragenden nicht ganz verständlich. Es
kommen die besten und schlechtesten Hörfähigkeiten bei den flachsten
Trommelfellen oder anomal stark gekrümmt scheinenden Membranen
vor; Beispiele, die jedem zugänglich, beweisen, dass die weitgehend-
sten Zerstörungen Platz gegriffen haben können und kein Trommel-
fell, noch TensoK, noch Hammer mehr zugegen waren, und doch die
Kranken noch relativ sehr gut hören, wenn nur das Labyrinth intact
geblieben sei.
Für Herrn Magnus sind« die ihm bekannt gewordenen In-
dicationen von Weber-Liel ebenfalls nicht klar genug; er hält
sich nur an die eine von Gruber. Er erwähnt, dass er bei allen
Sectionen, die er gemacht, bei Verkürzung der Sehne immer auch
andere schwere pathologische Veränderungen im Mittelohre, als Ver-
dickung der Schleimhaut, Synostose des Steigbügels mit dem ovalen
XXIY. Sitzangsprotocoll der Section für Ohrenheilkande in Gratz. 271
Fenster, Verdickung der Membran des runden Fensters etc. gefunden
habe. Er erklärt die Operation zwar für möglich, die Indicationen
jedoch noch für zu eingeschränkt und die Grenze dieser nicht scharf
gezogen.
Kessel entgegnet, dass die Symptome der Retractiori der
Sehne des Trommelfellspanners vorhanden sein können, ohne dass
labyiinthäre Erscheinungen auftreten, ja dass selbst nicht einmal
eine sehr hochgradige Schwerhörigkeit damit verknüpft sein müsse;
ausserdem sei es bisher gar nicht erwiesen, dass die subjectiven Er-
scheinungen im Klange und Geräusche von Belastungen des Trommel-
felles, resp. Steigbügelplatte abhängen, da die von Mach und von
Hensen und Schmidekamm dazu angestellten Versuche zu ganz
entgegengesetzten Resultaten führten. Die einzelnen Fälle, wo die
Geräusche nach Durchschneidung in der That sistirt hätten, seien
nicht beweisend dafür, dass sie vom Labyrinthdruck abhängen, weil
Adhäsivprocesse der Paukenhöhle, die man ja unter Umständen vor-
her gar nicht bestimmen könne, ebenfalls die Ursache davon gewesen
sein können. Kessel macht dann die Bemerkung, dass, selbst wenn
er von den eben angedeuteten Einwänden absehe, es Hauptbedingung
für die Operation sei, dass man die Empfindlichkeit der Nerven der
Corti'schen Fasern vorher prüfe, da man ja, im Falle sie nicht mehr
empfindlich seien, schon vorher jeden Erfolg ausschliessen könne.
Es sei dringend nothwendig, dass die Nerven des Corti'schen
Organes in dem Umfange der Sprachgrenze vorhanden seien, die von
C~2 bis C^ gehe und dazu sei es weiter dringend nothwendig, dass
man die Töne in continuirlicher Reihe und zwar durch die Kopf-
kno6henleitung prüfe, weil diese die gewünschten Aufschlüsse gebe,
in welchem Umfange die Corti'schen Fasern noch functioniren.
Schalle bemerkt, dass sich die von Magnus angegebenen
Veränderungen auch im Leben nicht nachweisen lassen, und man
deshalb nicht gut thun würde, einen bereits gegebenen positiven
Indicationspunkt zu ignoriren.
Prof. Grub er weist hin auf das Verhalten bei chronischem
Mittelohrkatarrh, wo noch eine Besserung durch die Luftdouche her-
vorgebracht wird, die aber nach kürzester Zeit wieder verschwinde,
und schiebt dies auf Contraction des Tensor tympani. Er sei zu-
frieden, wenn sich durch die Operation eine Verminderung der Druck-
erscheinungen , des Schwindels und der subjectiven Geräusche er-
reichen lasse; die Verbesserung des Gehörs komme erst in zweiter
Linie in Betracht. Wenn auch in manchen Fällen die Sehnenenden
wieder verwachsen, so sei dies kein Grund, die Operation gar nicht
zu machen, ebensowenig wie man Tenotomien an anderen Orten aus
dem gleiche Grunde perhorresciren wird.
Sitzung vom 21. September.
Vorsitzender: Dr. Magnus.
Schriftführer: Dr. Aldi ng er.
Dr. Magnus eröffnet die Sitzung und leitete den Vortrag
i
f!^»«'-*/"
XXIV. Sitzungsprotocoll der Section für Ohrenheilkunde in Gratz. 273
grenzungslinie und bedeutend herabgesetzter Hörschärfe. Es wurde
sofort nach Angabe Politzer's dessen Verfahren mit nach vorne
und rechts übergeneigtem Kopfe gemacht. Die eingedrungene Flüs-
sigkeit war darnach nicht mehr nachweisbar und die wesentlichen
Beschwerden waren beseitigt.
Ninaus erwähnt noch^ dass bei manchen Fällen die Douche
a tergo des weichen Gaumens angezeigt erscheine.
Dr. Magnus ist gegen den Gebrauch von Spritzen, weil der
Druck gewöhnlich zu stark ausfalle , und man sie auch nicht gut
zum Selbstgebrauche überlassen könne.
Dr. Schalle erklärt, die Spritzen aus dem Grunde vorzuziehen,
weil sich die Widerstände und die Stärke des dazu verwendeten
Druckes besser bestimmen und auch zähe an der Schleimhaut an-
haftende Borken leicht losbringen lassen.
Dr. Kessel betont, dass es immer noth wendig sei, früher die
Dnrchgängigkeit des anderen Nasenganges zu prüfen.
Hierauf dankt der Vorsitzende den Anwesenden für ihre Theil-
nahme und erklärt die Reihe der Sitzungen geschlossen.
Nachtrag zur Sitzung vom 21. September.
Dr. Kessel demonstrirt einen neuen nach seinen Angaben ge-
arbeiteten Hörmesser. In einer Einleitung bespricht er die bis heute
zumeist geübten Prüfungsmethöden und die Nachtheile, welche ihnen
anhafteil und gibt dann Hinweise, in welcher Art dieselben den
heutigen Bedürfnissen entsprechend verbessert werden könnten.
Zunächst deutet er an, dass die adäquaten Reize des Acusticus,
der Schall und die menschliche Sprache nicht principiell, sondern
nur durch die Art ihrer Erzeugung von einander unterschieden
seien, indem sie beide aus Klängen und Geräuschen beständen, dass
ihnen also dieselben empfindenden Elemente im Labyrinthe dienen
müssten, und dass, im Falle letztere einzeln oder in grösserem Um-
fange zerstört seien , nicht blos Schalllücken entstehen, sondern auch
ein Ausfall derjenigen Sprachelemente vorhanden sein müsse, welchen
das gleiche Tonverhältniss zu Grunde läge.
Das menschliche Gehörorgan nehme Töne wahr von 16 — 20000
Schwingungen in der Secunde, die Sprache umfasse aber nur acht
Octaven und zwar (nach Wolf) das R mit 16 und das S mit 4324
Schwingungen in der Secunde; Alles, was über der Sprachgrenze
liege, müsse durch geeignete Mittel geprüft werden.
Bei der Hörprüfung komme es wesentlich darauf an, zu beach-
ten, auf welchem Wege der Schall übertragen werde, durch den
Mittelohrapparat oder durch die Kopfknochen. Er weist die Annahme,
welche sich in den meisten Lehrbüchern der Physiologie vorfindet,
nämlich dass die Knochenleitung -beim normalen Hören eine durchaus
untergeordnete Rolle spiele gegen die Luftleitung, als eine irrige
zurück, indem er zeigt, dass man bei verstopften Gehörgängen der
mittelstark gesprochenen Sprache ganz leicht folgen und dass man
'-T'at^TN^'
XXIY. Sitzungsprotocoll der Section für Ohrenheilkande in Gratz. 275
dass man die Uhr an die Ohrmuschel andrücke ^ deren Knorpel
dann als „guter Schallleiter ^ die Schallbewegung continuirlich zum
Labyrinthwasser fortleite. Kessel bemerkt, dass Wolf Recht habe,
wenn er behaupte, dass das Tiktak der Uhr kein Geräusch, sondern
ein Klang sei; es sei in der That ein Klang mit sehr hohen Ober-
tönen, dessen Dauer kurz und dessen Intensität nach einigen Schwin-
gungen von ihrem Maximum auf Null herabsinke. Weiter hätten
ihm seine Versuche über den Grad der Schall-Leitungsfähigkeit der
thierischen Gewebe gezeigt , dass der Knorpel zu den schlechten
Schallleitern gehöre, wovon man sich überzeugen könne, wenn man
die beiden Gehörgänge mit den kleinen Fingern fest verstopfe und
eine Taschenuhr an den Ohrknorpel andrücken lasse oder auch so,
dass man die Gehörgänge offen halte und eine schwach angeschlagene
Stimmgabel so weit abklingen lasse, dass sie in einer Entfernung von
20 Centimeter durch die Luft nicht mehr gehört werde, setze man
sie dann mit dem Stiel auf die Spitze des Nasenknorpels, so würde
in beiden Fällen kein Klang wahrgenommen, was aber sofort ge-
schähe, wenn man die beiden Tonquellen, die eine auf den Warzen-
fortsatz, die andere auf den Nasenrücken bringe, wobei die Knochen-
leitung wirksam wäre 5 in der That hätten dann die falschen Vor-
stellungen über das Verhalten des Knorpels zur Leitung zu irrigen
Schlüssen geführt.
Die Thatsache, dass der Knorpel ein schlechter Leiter sei, gäbe
nunmehr eine bessere Vorstellung über die Bedeutung der Knorpel-
lager im Mittelohre, woselbst [sie an den Gelenken und an solchen
Stellen vorhanden seien, wo Uebertragungen von Knochen zum me-
chanischen Apparate möglich seien; sie hätten hier wahrscheinlich
den Zweck, nicht nur das Entstehen von Klirr- und hohen Neben-
tönen beim Aneinanderschlagen der einzelnen Theile des Systems zu
erschweren, sondern auch, wenn sie doch entständen, an der Fort-
leitung zu hindern.
Der Vortragende wendet sich nun den Bedingungen zu, welche
ein Hörmesser erfüllen müsse, um den heutigen Ansprüchen annähernd
zu genügen, und formulirt sie in folgenden Sätzen:
1. Der Hörmesser müsse in möglichst continuirlicher Reihe
einen grossen Umfang von Tönen, wenigstens aber die
Sprachgrenzen umfassen ;
U. Die Stärke der Töne müsste eine immer gleichbleibende sein ;
HI. er müsste eine Prüfung auf ein Ohr, und zwar auf Luft-
und Knochenleitung gestatten;
IV. die Töne desselben müssten eine Intensität haben, welche
derjenigen der Sprache annähernd entspräche.
Kessel hat einen Apparat ^ anfertigen lassen , welcher obigen
Bedingungen im Wesentlichen entspricht. Die Töne werden erzeugt
durch Metallzungen, welche durch Stifte, die auf einer Messingwalze
nach Art der Spieldosen angebracht sind, in Schwingung versetzt
werden.
Die Zungen geben die Töne der C dur-Scala durch sechs Octaven
hindurch, können aber leicht auf acht Octaven gebracht werden,
XXIV. SitzuDgsprotocoll der Section für Ohrenheilkande in Gratz. 277
Seetion für Zoologe und ver gleichende Anatomie«
Professor Claus hält seinen Vortrag über das ^Gehörorgan der
Heteropoden.
Die Beurtheilung der Sinnesorgane der Thiere ist mit grossen
Schwierigkeiten verbunden und meist nur innerhalb gewisser Grenzen
ausführbar. Wir sind angewiesen auf Analogieschlüsse, bei denen
die morphologischen Verhältnisse fast die ausschliesslichen Anhalts-
punkte bieten. Von der Gleichheit oder Aehnlichkeit der Form
schliessen wir zurück auf die Gleichheit oder Verwandtschaft der
durch die betreffenden Organe vermittelten Functionen. Oft lässt
uns aber dieses Bestimmungsmittel ganz im Stiche, denn bei niedern
Thieren giebt es eine Reihe von Sinnesorganen, welche bei den
höheren nichts Analoges haben, für die uns der Sinn fehlt.
In die Reihe dieser vielgestaltigen und qualitativ sehr verschie-
denartigen Perceptivorgane zählen auch die mit dem Namen „Ge-
hörbläschen^ belegten Einrichtungen, die, mit äusserst unvoll-
kommenen Bildungen beginnend, durch successive Dififerenzirung un-
mittelbar dem häutigen Labyrinthe der höchsten Thiere sich an die
Seite stellen. Das Wesentlichste daran ist eine rings geschlossene
Kapsel, die darin befindliche Endolymphe und die in letzterer schwe-
benden Concremente.
Im einfachsten Falle unmittelbar der Nervensubstanz eingefügt,
machen diese Blasen, zumal jene gewisser Turbellarien und Nemer-
tinen, den Eindruck einer einzigen eigenthümlich differenzirten Zelle,
während sie andere Male als Complexe mehrerer Zellen sich dar-
stellen. Eigenthümlich steht es um die bezüglichen Organe der
Quallen, wo man wenigstens bei den grösseren Formen (Geryonia),
einen zugehörigen Nerv gesehen hat. Wie weit hier die Function
reicht, ist schwer zu sagen, es handelt sich um Perception der Er-
schütterung von Körpern, deren Empfindung von dem, was wir
„ hören " nennen, wesentlich verschieden sein mag. Sehr mannigfaltig
sind die Gehörorgane der Arthropoden, unter denen die Ohren der
höheren Krebse eigenthümlich difi'erenzirt erscheinen und nach H e n -
sen's Experimenten es nicht unwahrscheinlich ist, dass bei der ver-
schiedenen Länge der als Hörhaare gedeuteten Cuticularanhänge so-
gar eine Unterscheidung der l^onhöhe möglich gemacht erscheint.
Die von Grab er als tympanale Sinnesapparate bezeichneten Gehör-
organe der Geradflügler sind als eine Bildung für sich anzusehen
und besonders lehrreich durch die Verschiedenheit ihrer Lage.
, Die paarigen Hörblasen der Heteropoden, um nun endlich auf
diese überzugehen, sind schon Gegenstand zahlreicher Untersuchungen
gewesen.
Man erkennt sie meist schon bei oberflächlicher Betrachtung als
durch das glashelle Integument durchschimmernde helle Bläschen.
Leydig, Leuckart und Gegenbaur haben hier im Wesentlichen
eine ähnliche Einrichtung wie an den Gehörblasen der meisten übrigen
Mollusken nachgewiesen. Ein langer Nerv erweitert sich zu einer
gleich einer Beere ihm ansitzenden Blase. Die feste Membran der
^
XXIV. Silzungsprotocoll der Sectlon für OhreoheilkuDde. 279
oder Stfitzzellen den Fasern desaelbeD Organes nahekommen möchteD.
Das Ganze entspräche also nngeföhr einer Fischcyeücula und es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass wir ea hier mit einem Schallempfin-
dnngsapparate im Allgemeines and nicht mit einem solchen zu thun
haben, der die Unterscheidung verschiedener Tonhöben gestattet, an8
dem Grande nämlich, weil die Länge der |;enannten Stäbchen und der
borsten artigen Anhänge keine merkbaren Unterschiede erkennen ISsst.
Der Vorsitzende Prof. Graber knüpft an die von Prof. Claus
berührten, akustischen Perceptionsorgane Folgendes an: Das, was
bei den Chitiubäntern fttr akustische Organe gehalten wird, zeigt,
wenigstens hinsichtlich des äusseren Zubehörs und zum Theile anch
der Nervenendigungen selbst ungemein differente und nur theilweise
morphologisch auf einander beziehbare Bildongen, woraus man viel-
leicht anch den Analogieachluas machen darf, dass der Fond der
akustischen Einrichtungen bei den ttbrigen Wirbel-
losen mit den bekannten „Gehörblasen" keineswegs
erschöpft sei.
Etwas, was einen ganz strengen Vergleich mit den letzteren,
ringsum geschlossenen Kapseln aushält, kennen wir im Bereiche der
Insecten bisher nur bei der Ptychopteralarve (stud. Grobben), sowie
— und dies ist sehr bedeutsam — im kugeligen FtthlerendgUed
gewisser Dipteren (Sicua ferrngineus), wo Prof; Graber eine wenig-
stens äuaserlich an den einsteinigen Otolithensack erinnernde Bildung
entdeckt hat.
Hinsichtlich der yieiberufenen „Ohren" der Heuachrecken, die
in vieler Beziehung, so 2. B. durch die trommelfellartige Differen-
zirung des Integumentes and die stufenweise Grössen abnähme ge-
wisser Nervenendigungen an die hochgradig entfalteten OehCrapparate
der Wirbelthiere erinnern , so ist durch des Referenten mehrjährige
Untersucbungen sicher constatirt, dass sie nicht die alleinigen Schall-
empfindungsvermittler bei den betreffenden Insecten sind, sondern
als durch Arbeitsth eilung erzeugte Specialohren für die von diesen
Käfern prodacirten Lautäusserungen betrachtet werden müssen; eine
Thatsache, die auf die allmähliche Heranbildung und Verbesserung
akustischer Organe ans den indifferenten sensibeln Hautnervenendi-
gnngen ein bedeutsames Licht wirft.
Seetton fBr Innere Hedieln.
Prof. Stoerk aus Wien bespricht eine pathologische Stim-
menform, die bei Kindern und Erwachsenen vorkommt, nämlich das
Näseln.
Eh ^bt verschiedene Veranlassnngen dieser Stimme rkranknng.
Der Vortragende fasst fttr heute bloa jene Fälle in's Auge, welche
durch Wucherungen im Rachen, iq specie im oberen KachcBTaume
veranlasst werden.
Seit den genauen anatomischen Beschreibungen von Tonrtual
und in jttngster Zeit LuBchka's ist dieser Hohlraum und dessen
AicliiT f6r OhnmhaUVnnäB, I. Bd. (Nam FkIbb. IV. Bd.) 19
diese Gebilde durch Wilhelm Meyer in Kopenhagen, der im Archiv
für Ohrenheilkunde, Band VII.. {N. F. I.) und VIII. (N. F. 1I.|,
1873, 1S74, eine wahrhaft claasische Arbeit deponirte. Meyer
beschreibt alle hier rorkommeoden Wucherungen als zapfen form ige,
hahnenkamm förmige , blatlartige Excrescenzen , welche ao weit sich
vergrösaem , dasB sie den Raum zwischen den Choanen - MlinduDgen
der hinteren Rachenwand entweder znm Theile oder ganz ausfllllen
nnd hierdurch die Permeabilität der Nasengänge beeinträchtigen.
Die Natnr dieser Wucherungen bezeichnet Meyer als adenoide
Vegetationen, conform jenen Gebilden, welche Hls nach seinen
Untersuchungen als adenoidea Gewebe bezeichnet. Zur Description
dieser Erkranknng will der Vortragende nichts erheblich Neues hin-
zuitlgen, begnügt sich nur damit, auf die Meyer'sche Arbeit and
ihre allgemeine Verbreitung und Beachtung aufmerksam zu machen.
Das einzig Dissentirende findet der Vortragende in Behandlung die-
ses Leidens.
Meyer gibt zur Heilung dieses Zuatandes in der angezogenen
Arbeit ein in ^j* natürlicher Grösse abgebildetes (Taf. II. u. lil,
Fig. 8) Ringmesser an. Der an einem laugen Stiele angefQgte Bing
ist an seiner inneren Seite geschärfl:. — Mit diesem Instrumente,
wünscht der Autor, soll man durch die Nasenhöhle hindurch in den
Nasen rächen -Raum gel an geh, das Ringmesser an das Kachendach
andrücken nnd hierdurch die daselbst aufsitzende Neubildung ab-
tragen.
Der Vortragende weist anatomisch aus dem Baue der Naseu-
gänge, aus der Stellung des Vomer nnd schliesslich aus den patho-
logischen Zuständen der Nasenschleimhaut nach, dass eine derartig
intendirte Esstirpatiou mit dem Ringmesser eine offenbare Unmög-
lichkeit ist.') Redner weist auch aus den weiteren Hülfsmitteln, die
Meyer ersonnen, um diesen Operationszweck zu erreichen, nach,
dass es auch ihm mit seiner eigenen Methode nicht gelungen sein
muss, weil er anch an derselben Stelle ganz eigengeformte raspel-
arttge Aetzmittelträger angibt, um die übrig gebliebenen Theile durch
häufige Aetzungen nachträglich zu zerstören ; bei der allen Chirurgen
bekannten langsamen nnd nicht in die Tiefe einwirkenden Aetzung
1) Diese Behauptung Stoerk's ist nach meinen eigenen Erfahrungen
unbegründet. Nicht io allen Fällen ist das Meyer'sche Ringmesser branch-
bar, was übrigens auch nie von Meyer behauptet ist, führt aber nach
einiger Uebung in ai>deren Palten ganz leicht and sicher zum Ziel. Ich
habe selbst mehrere Fälle mit dem Rinsmesser nach Meyer's Angabe mit
Tollkommenem und dauerndem Erfolge operirt. Schwartze,
-f*^.
XXIV. Sitzungsprotocoll der Section für Ohrenheilkunde. 281
mit Nitras argenti ist auch dieser supplementäre Eingriff nicht aus-
reichend.
Als drittes Hülfsmittel, da auch dje Aetzungen Herrn Dr. Meyer
nicht befriedigt haben dürften, griff er zu einer Zange, wie er sich
ausdrückt eine Art „ Heurteloup'sches Lithotript", welches die Biegung
und annähernd die GrÖssenverhältnisse eines Katheters hat.
Der Vortragende hat die angegebenen Methoden nacheinander
versucht, fand sich aber bei etwas grössern Wucherungen veranlasst,
zu anderen Exstirpations-Methoden überzugehen, und zwar aus dem
Grunde, weil die Erkrankung ja zumeist im kindlichen Alter zur
Beobachtung kommt und in diesem Alter auch die grösste Gewähr
zur Heilung bietet. Hat der Process bis in das mannbare Alter an-
gedauert, so ist selbst von einer completenEntfernung der Wucherungen
noch keine sichere Heilung zu erwarten, weil bis dahin durch die
jahrels^nge ünthätigkeit der Gaumenmusculatur zumeist Subparesis
zurückgeblieben, die zu beheben wir kaum mehr in der Lage sind. Ein
weiterer, sehr wichtiger pathologischer Zustand tritt in der Textur-
veränderung der Schneider 'sehen Membran ein. Die Nasenschleim-
haut wird bei Jahre lang dauernder Inpermeabilität hydropisch ver-
ändert. Die Schleimhaut verliert complet ihr normales Gefüge, durch
das Abgesperrtbleiben der Nasenhöhle werden die SchleimfoUikeln
mit ihrem Inhalte colloidartig verändert, die Schleimhaut der Conchen
sieht gelblichen coUoidartigen Säcken ähnlich und ist bei der inten-
sivsten Medication nicht mehr zur Norm zurückzuführen.
Daraus leuchtet hervor, dass man bei .jedem zur Exstirpation
dieser Neugebilde construirten Instrumente darauf zu achten hat,
erstens : dass es wo möglich in allen Fällen zur Anwendung kommen
kann, und zweitens, was das Wichtigste ist, im Kindesalter.
Um der ersten Forderung gerecht zu werden, muss es für jede
Grösse variabel sein , d. h. , es muss in seinen Dimensionen leicht
veränderbar sein, ohne fragil zu werden. Um dem zweiten Postulate
zu entsprechen, muss es selbst bei widerstrebenden Kindern, ohne
selbe zu gefährden, anwendbar sein.
Dies zu erreichen, hat der Vortragende eine gedeckte hervor-
stehende Stahlspitze angewendet, welche an einem Griffe einer
Guillotine durch Anschrauben angebracht wird. Diese Stahischlingen-
Guillotine wechselt genau nach dem Bedürfnisse ihrer Grösse.
Prof Stoerk hat eine ganze Serie von solchen Stahldraht-
Guillotinen vorgezeigt und deren Handhabung demonstrirt.
Hat man sich entweder durch die rhinoskopische Untersuchung
oder durch die Digital-Untersuchung vom Sitze und dem Umfange
der Neubildung überzeugt, so schraubt man die entsprechend gespal-
tene Oese an den Griff an und geht jetzt hinter das Velum und
drückt sein Instrument perpendiculär nach aufwärts an das Rachen-
dach, während dieses Druckes drängt sich die Neubildung durch die
Lücke der Oese und im Momente, als man im Drucke nach Oben
die Grenze fühlt, schnürt man durch kräftiges Zusammenziehen der
Faust die Neubildung ab.
Bei sehr umfangreichen Neubildungen muss die Oese eine- so
19*
A I etat pamoiogique, an conrraire, i ouie vane aeion les maiviaue;
la surditö eat parfois partielle et porte exclusivement sur certaias
bruits et certaina eona isol^a, uomme si des noteB manqnaient an
clavier aconstique; d'autres fois eile se gönöralifle et s'ötend k tous
les brnita et k tooa les sone iDdUtinctement.
Dana cbb conditiüDa il eat Evident qne racoomStre uni-soD oe
aufißt plus; I'esameD ne peut etre complet qyt'k l'aide de diff6renta
acoumetres ou mieus d'un appareil r^unisaant lea divera äl^meiite
acoum^triqnes tele que bruite et aons de bautenr et d'intenait^ diff^-
rentea, iaol^s ou combin^s entre eux au gr^ da pr&ticien. Celui
dont nons venons de donner la description r^unit ces conditioua dane
une certaiue mesure ; mais auasi longtempa que l'on ne sera pu
parvenu ä imiter la voix humaine, cel acouufitre natnrel, TexameD
par la volx sera le compl^ment indispensable de l'acoumetrie arti-
Scielle.
2. Le nt^tre doit etre notre unit^ de meanre k diatance.
Si raconmStre n'^tut pas entendn k diatance, l'emploi mäthodiqne
du diapaeon donnerait une appr^ciation plna on moins esacte du d^-
gr^ de Taadition.
3. Plndeurs formules d'enr^gistrement ont 6t6 propos^es, mais
au point de vue de la pr^cision et de la concision ancune ne väut
la m^thode abröviative en usage pour indiqaer la frßquence du ponis,
de la reapiration et Le d^grä de la temp^rature du corps. On re-
pr6senterait lea mots: montre, timbre, voix, oreille, droite, gauche
■par leurs initiales, et la portöe de l'ouie chea les aourda ainai que la
portöe auditive de la montre seraient esprimßea par mStre et centi-
m€tre.
Le Präsident remercie le rapportenr des soins qu'il a ap-
port^s ä l'analyse d'une qneetion ai complexe et des efforta qu'il a
tentes pour la räaliaation d'un acoum^tre unirerael. Mr. Sapolini
propoee l'impreasion du rapport. Mr. le President lui röpond que
tona lea rapports seront imprimöa dans les Coraptes-rendus du con-
grfea, qu'il serait impoggible de aatiafaire k sa demande pendant la
durße de la seasion; il fait obaerver d'aiiieura que l'acounietre pro-
poa^ par Mr. Deletancbe p&re ne peut donner Heu k dea äls-
cusaions utiles que pour autant qu'il nous soit donnä d'en faire naage
et de Ini iaire subir le contröle de l'expörience. C'est la pratique
seule qui pourra lui aasigner sa valeur comme inatrument de mea-
suration. II est d'avis qu'une diacnsaion sur lea cDncluaions, qael-
qu'int^resaante qu'elle aoit, reatera sterile en rdsultats.
Mr. Sapolini croit que la montre pourrait, k la rigueur, aer-
vir d'aeounjgtre, pourvuque l'on puiese se aervir dana toua lea pays
d'une montre ayant la meme intenaitä dans sea bruita, ce qui lui
pariut peu r^aliaable.
Mr. Delatanche p^re croit que l'on ne trouvera jamaia un
XXV. CoDgres international des Sciences m^dicales — ßruxelles 1875. 285
aeoum^tre uniforme et r6ellement pratique, k moins äe le construire
Selon certaines donn^es scientifiques bien determin^es.
Mr. le President dit qu'il lui semble que le rapport n'a pas
insist6 snffisamment sur la valeur de Tage dansla formule.de Knapp.
lEtant admis que Tacuit^ auditive est bien diff^rente dans le jeune
äge, Tage adulte et dans ia vieillesse, quel äge prendta-t-on comme
moyenne? Toute indication de ladistance normale doit ni^eessaire-
ment etre accompagn^e de l'indication de Tage.
Mr. Patterson Cassels (Glasgow) ne con^oit pas qu'on puisse
attacher tatit d'importance aux questions qui concernent la mensuration
de Touie. Les moyens dont nous disposons aujourd'hui lui paraissent
bien suffisants. — Le malade tlent avant tout k sa gudrison; peu
la lui importe d^termination plus ou moins exacte du degr6 de son
ouie et la formule qui en donne la valeur.
Mr. Sapolini fait observer que i'adoption d'un systöme uni-
form d'acoum^trie vise surtout aux facilit^s des Communications scienti*
fiques entre m^decins-auristes et noh aux besoins de la pratique in-
dividuelle.
Mr. Delstanche pere soutient que cette uniformitd acquerrait une
importance majeure du moment oü Ton voudrait instituer un examen
comparatif entre Tacuit^ moyenne de l'ouie chez les diflP6rents peuples,
qui ä cet ^gard offrent comme on sait une grande diversit^. — II
reconnait toutefois que cette 6tude se rattache plutöt k la statistique
d^mographique qu'ä 1& sp6cialit^ de Totologie.
Mr. Bonnafont revient sur les difficult^s signal^es par le rap-
porteur, de trouver un proc^d6 de mensuration dont Tapplication püt
etre g^n^ralis^e ä tous les cas qui se pr^sentent dans la pratique
et fournir k leur egard des donn^es snffisamment positives. — Selon
lui, le son que donne le diapason ä une intensit^ trop grande pour
permettre d'appr^cier des diflF^rences peu sensibles dans le d^gr^ de l'au-
dition, comme, par e^emple, lorsque Ton veut suivre la marche et les
progr^s d'une gu^rison. Le montre lui parait, sous ce rapport, bien
pr^ferable.
Mr. Delstanche p^re est parfaitement d'accord avec Mr. Bon-
nafont et c'est pr^cisement d'apres les consid^rations que vient de
produire Thonorable pr^opinant qu'il a cherchd ä r^unir sous un
petit volume les divers modes d'acoumötrie m^canique.
Mr. Bonnafont s'est fait construire par Mr. Eoenig un
petit appareil ä languettes m^talliques donnant toutes les notes d'une
gamme. Cet appareil, excellent pour des investigations physiologiques,
n'a pas toutefois de grande valeur pour Texamen des malades. II r^sulte
de ses observations que les sujets chez lesquels le diapason n'ötait
pas pergu au contact, n'ont presque jamais, pour ne pas dire jamais,
retir6 le moindre avantage d'un traitement, malgrö Tintegrit^ appa-
rente de Torgane auditif.
Mr. Guye(^croit k Tutilit^ d'un acoumetre construit d'apres les
indications du Dr. Delstanche p^re, n^anmoins, il Ini semble ^gale-
ment qu'il y aura toujours utilitö ä employer d'autres moyens encore,
notamment la voix.
XXV. Congr^s international des Sciences m^dicales — Bruxelles 1875. 287
dit^ catarrhale dont il est parvenu ä triompher rapidement par
ce seul moyen, ä Texclusion de tout autre traitement.
Mr. Delstanche pere, se faisant Tinterprete des sentiments de
rassemblee 7 remercie Mr. Guye de son importante communication,
en ajoutant que pour sa part, il mettra k profit les excellents con-
seils qu'il vient d'entendre.
Mr. Bonnafont attribue aussi une grande valeur ä la fonction
du nez, au point de vue de Touie et c'est pour cette raison que; de-
puis loiigtemps, il fait gargariser les malades par le nez et non par
la beuche. — Cependant loin d'admettre que la dessication des pa-
rois nasales soit moins prompte que celle de la bouche, il penche vers
Topinion contraire. — Au reste, il ne croit pas que l'6tat de Satu-
ration aqueuse de Fair inspir^ par le nez, si la chose se v6rifie, ait
une importance reelle au point de vue de la respiration.
Mr. Guye r^pond que les parois du nez sont humect^es par
les larmes independamment de la s^erdtion qui leur est propre. —
Pour lui le nez, bien plus que la bouche, est l'annexe de Tappareil
respiratoire, il en voit la preuve dans ce qui ce passe chez la grande
majorit^ des animaux. — R^pondant ä une autre objection de Mr.
Bonnafont, il conteste. que les personnes qui vivent dans les mon-
tagnes aient besoin, pendant les ascensions, de respirer par les deux
orifices. Ses recherches, ä ce sujet, lui ont demontr^ qu'il n'en est
rien, en general. C'est pour que la bouche reste dose que les mar-
cheurs et particulierement les soldats y introduisent un caillou ou
se mettent une fleur qu un brin d'herbe entre les levres.
Mr. Bonnafont explique la coutume de se mettre un caillou
en bouche par le soulagement que produit l'augmentation de la s6-
crötion salivaire sous Tinliuence d'un corps ^tranger. Selon lui, Tin-
terpr^tation de Mr. Guye, quelqu'ingönieuse qu'elle soit, u'est pas
la vraie.
Mr. Guye soutient que si la presence d'un caillou est sus-
ceptible d'augmenter le flux salivaire, le fait d'avoir la bouche fer-
m6e doit n^anmoins contribuer beaucoup ä la maintenir dans un
6tat de fralchenr.
Mr. Müller (St. Petersbourg) loin de regarder la respiration
buecale comme r^sultant d'une habitude, Tenvisage comme la con-
s^quence d'uh ^tat pathologique ou d'une disposition anatomique vi-
cieuse, ayant son si^ge dans le nez. Aussi, avant de conseiller
l'emploi du contre-respirateur, notamment chez les jeunes enfants, il
Importe de s'assurer si la respiration par la bouche n'est par de-
venue un auxiliaire indispensable.
Mr. Sapolini est d'avis que si les enfants respirent par la
bouche, c'est que souveut le d'^veloppement encore rudimentaire du
nez, chez eux, ne permet pas un acces süffisant ä l'air, par cette
voie ; il n'admet pas que les larmes contribuent sensiblement , dans
les conditions ordinaires, ä entretenir l'humidit^ des narines, surtout
pendant le sommeil.
Mr. Guye n'a observe la tendance ä respirer par la bouche
chez les enfants qu'en cas d'obstruction nasale congenitale ou acci-
mo AA.V. v,uugres mternauonai aes ociences meaicaiM — ßroxeuee ISTü.
dentelle. L'habitnde qu'ils contractent pendant un coriza peut, par
la snite, s'inväti5rer et c'eet en vue de combattre cette tendance qu'il
conseiUe Temploi de son appareil.
Mr. Patterson Oassella ne partage pae l'opinioii 6ram par
Mr. Ouye coucemant Torigine de la pharyngite grasuleiiBe Ott ad^-
norde. 11 l'a observ^e uon senlement chez les personnea obligeea
de s^Journer dans des habitatiooB ^troitea et mal a^r^ee, maiB fräqaem-
meDt auBBi chez leg individua plac^s dans lea meilleureB conditioDS
bygiäniqaea ; d'apr^s Ini lea oampagnardB ais^s sont loin d'eo Slre
exempts. II croit qne ces affections sont d'origine constitnliooelle,
soit ayphilitiqae, Boit Bcrofulense.
Mr. Gnye ne prätend paa lenr aasigner one origine pnre-
ment tocale, miua s'il fant fajre la part äventaelle de la constihitiaH
du sujet, ü n'eB est pae moina urgent, aelon lui, d'^viter de les
aggraver par de mauvaises habitudeB.
M. Sapolini fait hommage k la aection de dens brochnreaen
Italien :
1. Della arteria acnatica centrale.
2. Commnnicazione anlla Otojatria, fatta al V. CongresBO della
Associazione modica italiana in Roma.
La "Söance eet levöe i 2 hearea.
S^ance dn 21 Septembre.
La 86ance eat ouverte i 11 h. boub la pr^aidence dn Dr.
Delatanehe pfere.
Mr. DelBtancbe fila donne lecture de aon memoire en li-
ponae k la seconde qneation, inacrite an programme de la aection:
Sur les d^fectuosit^a de l'organe anditif au point de
vue du Service militaire.
Ce rapport devant €tre publik dans le Compte-rendu gänäral dn
congr^B, nouB nous bornona k en donner ici lea concluaions:
1. LeB Instructions ofGciellea dea diff^renta Etata Bnr les d^fec-
tnoait^a de l'organe auditif qui rendent itnpropre au serrice mili-
taire, laisaent toutea pluB on moina k däsirer, tant boub le rapport
des diapoaitioDB relativea k Tesamen de I'oreille qu'au point de vne
de la mani^re dont elles ätabliaaent lea droita, röanltant de ce
chef, k l'exemption temporaire on definitive;
2. II Importe que le m^deciti appelä k ae prononcer an sn-
jet d'une maladie on d'nne infirmit^ de roreille, soit mis k mSme de
pratiquer Texamen de l'organe dana un local convenable et avec
le secoura de tona les instrumenta n^cessairea k cet effet;
3. L'esamen dea eaa difficiles ne ponvant se faire d'une mani^re
aatisfaiaante dans le tempa n6ceasairemeDt restreJnt qui peut y etre
consacr^ devant les conaeila de .milice et de rövision, il noua parait
opportun, en ce qni lea eoncerne, d'ötendre le ayateme des enqnSles
et de renvoyer lea int^resB^s devant un sp^ciaÜBte comp^tent, oa
bien, ce qui serait pr^f^rable, devant nne commiasion de sp^cialiBtes;
celle-ci pourrait faire l'office de conaeil de r^viaion et serait munie
de tous 1
et d^jou(
4. I
Service ,
e^amen
seil de n
5. I
existe d<
compatib
limite foi
I'admiBsic
6.')
partielle,
poraire
caractärii
tions , Is
conjointe.
de point
Le
de roreil
1"
Texempti
ment k i
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curables
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Strängen
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caiBse. -
Phil
2"">
Coi
cat6. —
Ty
vicieuses
Or.
aec) d'tu
Fo
normale.
Affi
dos , la
^nt bonne d'ülleurg et byperesth^sie iicoustique, lorsqn'os k lien
de croire k leur exiatence.
3<°« Cat^gorie. Provoquant rexemption dMniÜve ou U räforme.
Pavillon. Perte totale ou d'une grand paitie dn pavilloD.
Difformitds pronODC^eB incarables on curabtes, eenlement par une Ope-
ration, l(Trsque le eujet refuse da s'y soumettre.
ÖoDdnit. Oblit^ratioD bilaterale, congänitale ou acquise. Re-
tr^cissement ou affusBoment des parois, avec daretä d'onle.
Eczema cbronique. — Vögötations et polypea.
Ecoulement chroniqne quelqu'en soit la cause.
Tympau. Myringite chroDique avec Ecoulement. Grannlations
et, polypea.
Oreille moyenne. Catarrhe simple chroniqne bilateral Ca-
tarrhe pnrulent chronique, avec on sane. carie. Catarrhe chroniqne
des trompee (r^tr^ciaseinent et oblit^ration i.
Grannlations et polypea de l'oreille moycnnc.
Carie de l'apophyse maatolde.
Fonction. Surdit6 compl^te.
Afiaibliseement de Tonle ne permettant d'entendre, dans un local
clos, la Toix basse nettement articnl^e qu'ä moina d'nn mitre de
diatance.
Les conclusions du rapport de m€nie que le tableaa des d^fec-
tuositÜB de l'oreille, aont tranacrites h part et communiqu^es i la
section par Mr. Delstanche fila, pour 6tre mises en discuBBion
dauB noe prochaine a^ance.
Mr. Sapolini präsente deui instrumenta nouveaux de aoo in-
vention.
Le Premier est nn perforateur du tympan, destinö a opßrer
avec une pr^cision matb^matique ; il agit au moyen d'au ressort a
d^tente et präsente l'avantage de r^unir en un seul temps la Perfo-
ration et la caut^riBation de la plaie, gräce k une rainure transver-
sale, situ^e k la base de la pyramide du trocart et qui aert de pcrte-
cauatique. En aecoud lieu, Mr. Sapolini montre des ciaeanx a po-
lype offrant une diaposition particuliere dana la forme de la anrface
tranchante, qui permet, selon l'inventeur, d'obtenir une aection pluä
complete qu'i l'aide dea ciaeaux ordinaires.
Mr. Delstanchefila montre le petit appareÜ en baieine dont
il ae aert pour fixer au nez du malade la aonde une foia miae en
place et dont il a donn6 la descrlption dana l'Archiv für Ohren-
heilkunde.
Iia B^anee est lev^e ii 1 h.
S^auce du 22 Septembre.
La a^ance eat ouverte ä 1 h, Pröaident Mr. Delatanche pere.
Mr. Bonnafont a la parole pour une communication Ecrite
touchant la reBponaabilitä legale dea aourda muets.
L'orateur commence par etablir que l'absence du sena de l'onle
exeree une inflnence dea plua facUeuaea aur le dßveloppemCnt de
XXV. Congr^s international des Sciences m^dicales — Bruxelles 1875. 291
noB facultas et les rend rebelies ä tous les moyens d'instruction et
d'^ducation. L'intelligence des sourds - muets n'^tant pas accessible
aux notions abstraites, on ne peut s'attendre ä trouver en eux la
notion de conscience qui permet d'apprdcier les actes ^manant de
rintelligence. Le Dr. A. Tardieu considere la surdi-mutit^ aban-
donnee ä eile meme comme constitaant une des conditions les plus
manifestes d'incapacit^ et meme d'irresponsabilit^, mais ces conditions
facheuses trouvent, d'apres lui, un correctif presqu'illimit^ dans ses
effets, dans r6dncabilit6 des sonrds-muets. Mr. Bonnafont se
refase k admettre cette ^ducabilite illimit^e et assimilable k celle des
individus parlants et entendants. Quelle qa'elle soit, Feducation des
sourds-muets ne sera jamais qu'une ^bauche d'^ducation. Encore
fant-il ^tablir une distinction entre la surdi-mutit^ cong^nitale et la
surdi-mutit^ acquise. Celle-ci toutefois, du moment qu'elle commence
avant Tage de huit ans, est encore completement assimilable ä la
surdi-mutit6 cong^nitale, car bien que Tenfant ait parl6 et entendu
avant T^poque oü le mal l'a frapp^, il fiiiit par perdre neanmoins
la notion de la parole, et la difference qui existe entre les deux
infirmites s'efface insensiblement. Or, entre le sourd-muet non instruit
et l'idiot la diff^rence n'est pas grande. Mr. Bonnafont le prouve
par des cpnsid^rations sur Timmnabilite de leurs mauvais penchants
et par le t^moignage d'Itard qui declare n'avoir jamais observö un
seul sourd-muet atteint de manie; or comme la folie est en raison
directe du ddveloppement intellectuel , cette consideration fournit un
nouvel argument sur le degrd de responsabilite legale des sujets
atteints de surdi - mutit6. — Ce manque d'dducation de l'intelligence
chez les sourds-muets se fait sentir dans toutes les phases de leur
vie : s'ils savent 6crire, ils s'expriment g6n6ralement dans un langage
enfantin ou idiot qui trahit Tabsence de rectitude dans le jugement.
— Donc, il est bien entendu que les sourds-muets non instruits
pourront ^tre, sous le rapport 16gal, assimil^s aux idiots.
De tout temps les sourds-muets ont 6t6 consid^r^s comme devant
etre exclus de la famille sociale. Les anciens qui attribuaient cette
infirmite aux unions consanguines des pareuts, avaient ddicte des lois
tres s^v^res relativement ä ce genre d'unions et la legislature avait
toujours trouve un puissant soutien dans la religion du pays ä Tap-
plication de cette loi. Ces mesures, parfois exag6rdes, avaient nean-
moins un but humanitaire : celui d'emp^cher la döt^rioration de l'espece.
La surdi-mutite n'est d'ailleurs qu'une expression des nombreuses
infirmites qui atteignent les populations oü on les rencontre le plus
souvent. C'est ainsi que les pays oü Ton compte le plus de sourds-
muets sont aussi ceux qui possMent le plus de cretins, oü la vie
moyenne est la moins longue, oü Ton trouve le mpins d'adultes pro-
pres au Service militaire, oü Ton voit, en un mot, Tesp^ce humaine
oflfrir les caract^res d*une d^t^rioration profonde tant au point de
vue physiqüe qu'au point de vue moral.
Mr. le President remercie, au nom de la section, Mn Bonna-
font de l'importante communication qu'il vient de lire et qui sera
publice dans le Compte-rendu general du Congres.
•. » •••
292 XXY . CoDgr^s international des Sciences m^dicales — Bruxelles 1875.
L'assembl^e reprend la discussion sur le rapport du Di. Del-
stanche fils.
Mr. Bonnafont fait observer qne la plupart des desiderata
qni y sont signal^s, n'existent plus en France. Les cas litigieux
d'exemption sont en g^n^ral tranch^s en faveur da röclamant. Un
examen approfondi est rarement jug^ n^cessaire et 11 n'y a que les
cas de maladies simul^es et qui ne peuvent ^tre constat^es seance
tenante qni soient renvoy^s ä nn examen ult^rieur.
Mr. Gnye intervient dans le d^bat en faisant consid6rer qu'il
ne s'agit pas de disenter quelle est la meillenre parmi les r^glemen-
tations actuellement en vigueur. 11 s'agit de trouver les dispositions
r^glementaires les plus d^sirables^ les plus parfaites possible. Ainsi^
dans la question de ia Perforation du tympan, traumatique ou non,
le Probleme soit €tre pos^ en ces termes: Est-il utile ou juste
d'exposer un homme atteint de Perforation du tympan
aux influences facheuses du Service militaire? De meme
que le rapporteur il se prononce pour Tincompatibilite de la Per-
foration tympanale avec le Service actif. La Perforation fut-elle
m6me traumatique et le r^sultat de manoeuvres frauduleuses ; nous
savons que cette Idsion entraine frdquemment un catarrhe chroniqne
et eela nous suffit pour ajourner toute d^cision ä l'^gard de Tindividu
jusqu'ä un examen ult^rieur.
Mr. Bonnafont maintient son opinion quant k la possibilite
d'incorporer les individus atteints de Perforation du tympan.
Mr. le rapporteur fait observer que la discussion s'egare sur
des questions de detail. II propose de prendre sous les yeux le
tableau des infirmit^s qu'il a fait transcrire et distribuer aux
membres de la section et de se guider sur ce canevas pour en dis-
cuter les donn^es point par point. II ne faut pas oublier, ajonte-
t-il, que nous discutons au point de vue de la science pure. Nous
ne faisons pas de la l^gislation; nous formulons des voeux avec
l'espoir qu'il sera tenu compte de notre mani^re de voir.
Mr. Bonnafont n'admet pas Topportunit^ de faire une dis-
tinction entre le service actif et le Service s^dentaire; selou
lui on est apte ou on ne Test pas^ on est bon ou mauvais. Les
conditions d'aptitude une fois fix^es, il est inutile de comj)liquer les
choses par des atermoiements qui ouvrent la porte k des actes d'in-
justice ou de favoritisme.
Sur la proposition de Mr. Guye, les conclusions modifides du
rapport et le tableau qui leur est annex^ sont mises aux voix et
adopt^es k la majorit^ des membres pr^sents.
La seance est lev^e ä 1 h.
S6ance du 23 Septembre.
La seance est ouverte ä 11 h. President Mr. Delstanche pere.
L'ordre du jour appelle une communication de Mr. Sapolini
sur les Instruments destin^s k Pextraction des corps
^trangers du conduit auditif externe.
XXV. CoDgr^s international des Sciences m^dicales Bruxelles — 1875. 293
L^orateur d^mbntre rinsuffisance du lavier et du petit forceps
ainsique de la cui:ette deLeroy d'EtioUes comme instruments
d'extraction , puis fait connaitre un nouvel instrument de sod in-
yention r^alisant, selon lui, ä peu pres tous les perfectionnements
n^cessit^s par les d6fectuosit6s des instruments pr^cedemment em-
ploy^s. Son instrument est compos^ essentiellement de deux lames
curviligues dont l'une est fixe, l'autre mobile autour de son axe;
elles sont renferm^es l'une et Tautre dans un tube cylindrique assez
long. Les deux lames s'emboitent parfaitement, de fa^on k n'en
faire qu'une senle, doublement dpaisse. On glisse les deux lames
ainsi dispos^es le long du corps ^tranger, jusqu'ä ce que celui-ci
86 trouve dans la concavit^. Alors il suffit de faire dicrire ä la
lame mobile un mouvement de demi-cercle, pour que l'objeet se
trouve emprisonne comme entre les mors d'une pince. Si Ton ne
parvient pas ä faire ex^cuter k la lame mobile son demi - mouvement
de rotation complet, alors les deux lames ^cartdes tant soit peu
Tune de Tautre formeront cuiller et Ton aura sur le cöt^ du corps
^tranger un plan rdsistant contre lequel on pourra poüsser, sans
danger, la pincette ä extraction.
La description d^taill^e de l'instrument se trouve dans une
^)rochure de l'auteur: Nuovo istrumento per Testrazione
dei corpi stranieri del condotto acustico esterno, que
Sapolini distribue aux membres de la section.
Mr. Guye. Tout en rendant hommage k Tesprit inventif dont
t^moignent les ing^nieux instruments pr^sent^s k Tassembl^e par Mr.
Sapolini, ^met quelques doutes quant k leur utilite pratique.
L'^paisseur des lames courbes de l'instrument lui semble un obstacle
ä leur introduction tandisque, du moment oü T^paisseur serait re-
dnite, le manque de soliditd qui en r^sulterait exposerait ä des
inconv^nients plus grands encore.
D'aprös Mr. Guye, son forceps n'encourt pas les memes re-
proches et quoiqu'il ne Tait pas encore utilisd sur le vivant, il a
pu s'assurer de son efficacit^ par les exp^riences qu'il a institu^es
sur le cadavre, en se plagant dans les conditions les plus d^savan-
tageuses. II se sert fr^quemment d'une des branches de son for-
ceps, en guise de lavier, soit pour 6branler un corps 6tranger,
soit, lorsqu'il s'agit d'une concr^tion c^rumineuse , pour en häter
Texpulsion en ouvrant un passage au liquide de l'injection.
Mr. Van Hoek (Nym^gue) a employ^ le petit forceps de Mr.
Guye Sans aucun succ^s. II n'est pas parvenu k en articuler les
branches, dans un cas oü une petite pierre se trouvait au fond du conduit.
Selon Mr. Bonnafont si, au lieu de se laisser aller ä un
effroi que rien ne justifie, on voulait bien r^fl^chir k Tiiinocuitö
pr^sque constante des corps etrangers dans l'oreille et d'autre part
aux dangers auxquels exposent les tentatives d'extraction , on aurait
moins souvent recours ä Temploi des grands moyens. Les instru-
ments les mieux entendus n'^chappent pas au reprocbe d'enfoncer
souvent le corps etranger, qui sans Tintervention inopportune de
Top^rateur sortirait souvent tout seijl par la m6me voie qu'il a
parcour
nne dia
se gODfl
Cei
vations
cluant i
pent of
bouchon
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d'une 8
moyen '
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dans ui
ans qu'i
Mre. Sapolini et Guye n'aaraient pas lui etre d'aucun staoois
— rencbnträ äea caa oii il n'ait pas r^usai ä äliminer lee corps ^tran-
gera, qnelB qu'ils fussent, aa moyen de aimples mjectione aqneueee.
L'emploi de ce moyen exige parfoia, il est vrai, beancoup de patieuce,
notamment loraque le corpa est profondäment enfonc^ dans le condnit
par Buite de tentatives d'extraction ant^rieures. L'expärience de son
p^re durant aa longue carriöre m^dicale n'eet paa moina concluante
en favenr dea injectiona aimples; seulement, en vue d'att^nner I'in-
conv^niejit qn'offreat ces dernieres, de provoquer k ta longue des
rertiges et d'antres pb^nom^nes riiäexea encore pIns penibles, il s.
I'habitude d'alterner l'emploi dea injectiona d'eaa avec cehi dea
douches d'air ^nergiquea et saccäd^ea au moyen d'une poire h in-
snfflation et il a vti pluaieura fois l'air projete de la sorte dans le
conduit amener bruaquement au debora dea corpa ötrangers que
n'avaient pü deplacer d'une fa^on aenaible les injectiona aqneuäefl
employöea d'abord. II favorise l'action de la donche d'air, en don-
nant au conduit auditif une direction perpendiculaire au boI. 11 lut
est meme arriv^ de provoquer aingi involontairement l'expnlsioD de
polypös k Podien le grfile.
Mr. Guye admet parfaitement, ponr en avoir €t4 temoin plu-
sieura foia, que les douches d'air pulssent produire lea effets signales
par aon confräre, mala il croit qu'au lieu de la position que le Dr.
DelBtancbe Als donne- ä l'oreille do patient, il eat pr^f^rable,
snrtout lorsqn'il s'agit d'nn enfant, d'employer la m^tbode de Toi"
tolini, c'eat ä dire de coucber le patient aur une table dans la
Position supine et la tete pendante, l'angle sup^rieur forma par le
tympan avec le conduit ätant treg obtus et favorisant davautage pur
coDsöquent le glissement du corpa fitranger. II cite le cas d'un
enfant cbea lequel un corpa mobile situ^ au fond du canal externe
de l'oreille et qu'il ne r^ussisait pas h entrainer an dehora ä l'aide
d'injections aquensea, sortit ausaitot qu'il eüt dpane k la tete la po-
sition indiquäe plua baut.
Mr. Sapolini fait reraarquer, ä ce propos, qu'il exlste dans le
XXV. Congr^s interuatioiml des Sciences m^dicales — Bruxelles 1S75. 295
Milanais iine pratiqne populaire qui tend ä corroborer l'efficacit^ du
procede dont Mr. Guye s'est si bien trouv^. On saisit simplement
las enfants par les pieds et on les secoiip de maniere ä obtenir Tex-
pulsion du corps ^tranger.
La question de la chloroformisation prealable k Textraction des
Corps <6trangers dans les cas difficiles rencontre des partisans et des
adversaires parmi les membres de l'assemblee. — Tandis que Mrs.
Bonnafont et Sapolini d^clarent n'y vouloir recourir en aucun
cas, Mr. Guye e&t d'avis que c'est parfois le seul nioyen de r^ussir
Sans exposer l'organe auditif ä de graves lesions. II cite deux cas
dans lesquels, gräce k Temploi du chloroforme, il est parvenu k
extraire de louille un sequestre provenant de carie.
^ La s^ance est lev^e ä 1 h.
S^ance du 24 Septembre.
La seance est ouverte ä 11 h. et demie. President: Dr. D ei-
st auch e pere.
L'ordre du jour appelle la discussion du Memoire de Mr. Bon-
nafont sur la responsabilite legale des sourds-muets.
Mr. Guye n'admet pas la non - responsabilite des sourds-muets
dans un sens aussi absolu que Mr. Bonnafont. Un sourd-muet
quij des son enfance, aura reQU une education soign^e, qui observe et
lit des ouvrages de tout genre, sera bien souvent, malgre son in-
firmite, sup^rieur en disce^nement ä un homme de la classe n6cessi-
teuse qui n'a jamais regu la moindre instruction. A son avis> ia
responsabilite du premier est au moins ^gale, sinon sup^rieure ä
Celle du second. En suite, Mr. Guye n'admet pas non plus la
distinction absolue entre la surdi - mutitd congdnitale et la surdi-
mutite acquise, au point de vue de ia responsabilite. Ceile-ci de-
vrait etre appr^ciee dans chaque cas isole et Ton ne pourrait jamais
se prononcer d'avance sur cette question. Enfin, Mr. Guye combat
la doctrine du danger des unions consanguines, quant k l'influence
de celles-ci sur le developpement de la surdi-mutite. De pareilles
unions entre individus sains n'entrainent pas ä ces consequences et
sMl en est parfois autrement, il suffit d^admettre, pour expliquer ces
exceptions, qu'il puisse exister chez un des parents, soit par cause
anatomique, soit pou toute autre raison^ une pr^disposition latente,
hdreditaire, ä la surdite. Or, si la meme pr^disposition existe
chez tous . les membres d^une famille , il est evident qu'elle sera
doubiee en quelque sorte par l'union entre parents. Selon Tora-
teur, les prescriptions religieuses qui condamnent les unions consan-
guines, ont pour veritable mobile de s'opposer ä des relations in-
times prematurees entre jeunes gens souvent reunis, ä cause des
liens de parente, et qu'il s'agit d'influencer par la perspective de
rimpossibilite d'une union definitive.
Repondant ä Mr. Guye, Mr. Bonnafont se dedare tout
d'abord Tadversaire de la doctrine qui consid^re comme dangereuses
les unions consanguines. Si cette opinion est exprimee dans son
Archiv für Obrenheilkande. X. Bd. (Nene Folge. IV. Bd.) 20
de t
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XXV. Congr^s international des Sciences na^dicales — Broxelles 1875. 297
gence. Consid^r6e au point de vue pnrement humanitaire, la question
ne peut etre tranch^e qu'en faveur de la m^thode AUemande.
L'usage de la parole, quelle qu'en soit rimperfection , peut, ä un
moment donu^, acqu6rir une importance capitale au point de vue de
la conservation de riudivldu, et c'est une arme defensive qu'il est
de notre devoir de fournir aux sourds-muetS; quoiqu'il en doive
coüter de temps et de patience.
Mr. 6 u y e appuie ses observations ant^rieures sur les r^sultats
observ^s dans les Instituts de sourds-muets, en Hollande. La, les
deux m^thodes se trouvaient en prdsence et avaient chacune leurs
Partisans; les rdsultats obtenus ä Rotterdam, par la m^thode nouvelle,
ont ^t^ si concluants que Tinstitut d'une autre grande ville, Gro-
ningue, a du abandonner rancienne m^thode d'^ducation par signes
et adopter, apres en avoir reconnu la sup^riorit^, le Systeme employe
ä Rotterdam.
Mr. Sapolini fait, ä son tour^ T^loge de la nouvelle mdthode
qui est appliqude aveo le plus grand succ^s en Italie et notamment
ä l'institut des sourds-muets de Milan.« II a constat6 ä maintes re-
prises que des sourds-muets ^taient arriv^s ä se faire comprendre
d'une maniere intelligible et leur langage, sans ^tre bien doux ä
roreille, etait pourtant sup^rieur au coassement si insupportable aux
oreilles de Mr. Bonnafont.
Mr. Bonnafont ne songe nuUement k contester les r^sultats
signal^s par Mr. Guye et Sapolini, mais 11 fait toutes ses r^ser-
ves quant au degr^ de surdit6 dont pouvaient bien 6tre affeetds les
Kleves qui sont arrives ä d'aussi heureux r^sultats. S'^iait-on, au
pr^alable, assur^ du degr^ de Touie chez tous les pupilles des asiles
mentionnds? — son exp^rience personnelle lui laisse beaucoup de dou-
ter ä cet dgard. A Tinstitut de Vienne beaucoup d'^leves entendaient
le diapason. Or, quand on per9oit le diapason on peut presque
toujours entendre la voix, et tous ces enfants ä qui on peut apprendre
ä parier, Mr. Bonnafont leur d^nie la quallte de sourds-muets.
11 a remarqu^, en outre, que ce sont pr^cis^ment ceux qui entendent
le mieux le diapason, qui apprennent ä parier le plus facilement.
Mr. Delstanche fils croit que Ton pourrait tenter un Sys-
teme mixte, en commen9ant' par Tenseignement de la parole pour
passer ensuite k T^tude des signes, ou vice-versä, selon que Texpe-
rience se prononcerait en faveur de la priorit6 de Tun ou Tautre de
ces enseignements.
La clöture de la discussion est prononcee.
Mr. Bonnafont präsente k Tassembl^e son nouveau perfora-
teur du tympan. II expose ses vues sur la valeur de la Perforation,
et lui assigne un rdle equivalent k celui que joue en Ophthalmologie
l'op^ration de la cataracte. La grande difficult6 a toujours 6t6 de
maintenir ouverte Touverture produite, n'importe le procdd^ par le-
quel on avait obtenu la perte de substance; piqure, incision, cau-
terisation, empörte piece, tout a pour rösultat final la cicatrisation.
L'objectif des recherches de Mr. Bonnafont a ^t^ de trouver un
petit appareil que Ton püt laisser k demeure pour maintenir b^ante
20*
■ I
298 XXY. Congr^s iDternatioDal des Sciences m^dicales — Bruxelles 1875.
Touverture du tympan. II meDtionne ses premiers tätonnements
dans cette voie et exhibe le petit instrument construit ä Paris qui
remplit ä peu pres les conditions, mais qu'il croit susceptible encore
de grands perfectionnements. — Cet instrument consiste en an tro*
cart, arm^ d*un petit oeillet mobile en aluminium , retenu par un
fil qu'on laisse dans le conduit pour pouvoir le retirer, s'il se d6pla-
9ait. Apr^s avoir perfor^ le tympan avec le trocart, Toeillet reste
maintenn dans Fouverture pratiqu6, ä la membrane^ gräce ä nne •
petite arrete circulaire qui s'oppose ä. son d^placement.
Mr. De U tan che fils se plait ä reconnattre que le procede in-
vent^ par Mr. Bonnafont est ce qu'il a vu de plus parfait en ce
genre, mais il se demande si pour les raisons qui out inspire le
choix de Politzer, il n'y aurait pas avantage ä substituer ä Foeillet
m^tallique un oeillet en caoutchouc durci. II cite aussi le procede
de Voltolini ä Taide d'un anneau d'or fix^ autour du" manche du
marteau et le proc6d^ que propose von Troeltsch, qui consiste
ä d^couper dans le tympan un lambeau que Ton renverserait et que
Ton fixerait sur un point avlvd au moyen d'une piqüre.
Mr. Bonnafont ne croit pas qu'un pareil proc^d^ ait Jamals
subi r^preuve de la mise en pratique, il d^fie Toperateur le plns
habile d'obtenir un semblable lambeau et de la fixer convenablement.
Gräce au fil dont est muni son oeillet, le danger de le voir tomber
dans la caisse n'est pas k craindre et quant k Timminence d'une
suppuration p^riphdrique , il cite un cas dans lequel la pr^sence de
Foeillet ayant provoqu^ un peu d'inflammation et de suppuration,
il se trouva d'accord avec un confrere de Paris, pour laisser nean-
moins Finstrument k demeure. LMvenement demontra qu'il n'y avait
lä aucun danger k redouter.
La parole est accord^e k Mr. Van Hoek pour une communi-
cation relative k Tacide salicylique. Cet agent antifermentes-
cible est employd avec succes par Mr. Van Hoek dans tous las
cas d'otorrh6e inv^t^ree. II a vu des cas oü Fecoulement avait per-
sist^ malgre Femploi des moyens le plus recommandds et dont tri-
omphait conmie par enchantement Facide salicylique. Sans se pro-
noncer sur le mode d'action de cet agent, il est porte ä attribaer
les succes obtenu ä son action sur les Ibact^ries et les vibrions, actioD
analogue k celle de Facide ph^nique mais plus süre et ne presen-
tant pas Finconvenient d'une odeur p^n^trante, d^sagreable ä bon
nombre de malades. L'orateur pr^conise surtout Fusage de ce noa-
vel agent pour les nfalades que le medecin ne peut voir qu'ä cer-
tains intervalles de temps. II se sert de la Solution k 1 ^/o.
Mr. Ogston (Aberdeen) fait observer que Fon favorise singti-
lierement la dissolution de Facide salicylique par Finterm^diaire du
borax , Faddition de 4 % de borax permettant de dissoudre 5 % et
plus d'acide salicylique cristallis^.
Une discussion s'engage k ce sujet entre les membres de la
section, sur la pr^ference k donner aux agents topiques dans les cas
d'otorrh^e. Chaque m^thode a pour ainsi dire ses partisans; cba-
que medecin auriste a un topique auquel il donne la pr6f^rence.
XXV. Congres iuternational des Sciences mödicales — Bruxelles 1875. 299
Mais qaant k Taeide salicylique, las donnees exp^rimentales fönt
encore d^faut.
Mr. Ledeganck fait observer quo raction de Tacide salicy-
lique est en ce moment meme ä Tetude dans diff^rentes sections du
Congres; il cite quelques rösultats provisoires et quelques exp^ri-
ences qui lui sont personnelles, mais en presence de Tincertitude
qui r^gne encore sur cette matiere, il propose d'lnscrire la question
de Tacide salicyniqne au nombre de celles qui pourraient figurer avec
avantage au programme du futur congres.
Mr. Guye objecte avec raison que cette question n'a pas un
caract^re special, qu'elle est du domaine de la Chirurgie g^n^rale et
de la medecine publique. La proposition est retir^e.
M^. Ogstonr signale encore, comme resultats d^finitivement
acquis, que Tacide salicylique n'emp^che pas le bourgeonnement ni
la cicatrisation des plaies, tandis que Tacide ph^nique präsente ces
inconv^nients. II ajoute qu'on a trouve le moyen de saturer d'acide
salicylique Touate destin^e au pansement et qu'il y aurait probable-
ment avantage k y recourrir de pr^ference pour boucher le conduit
auditif, en cas d'otorrh^e.
La s^ance est levde ä 1 h. et demie.
S6ance du 25 Septembre.
La sdance est ouverte ä 1 1 h. President : Mr. Delstanche pere.
Mr. Delstanche pere demande ä revenir quelques instants
encore sur la question de la responsabilitd des sourds-
mnets. Ceux qui admettent pour ces malheureux un certain degr6
de responsabilite — en rapport avec leur ^ducabilit^ — ne tiennent
pas suffisamment compte des conditions speciales dans lesquelles vivent
les sourds-muets. On ne tient pas compte de leur irascibilit^ : sou-
vent, pour une cause futile, ^on les voit entrer dans des coleres
6pouvantables. Beaucoup d'entre eux sont ^pileptiques. II ne faut pas
perdre de vue non plus l'infiuence du milieu dant lequel Tindividu
a ^te dlevd. Ainsi que Ta fait remarquer dans son memoire Mr. B o n -
nafont, les sourds-muets ont 6t6 longtemps mis au ban de la
societ^ et ils le sont encore dans quelques contr^es. D'autre part
on voit dans certains pays le sourd-muet 6tre Tobjet d'une certaine
v^n^ration ; meme dans nos campagnes le sort du sourd-muet est in-
finiment prefärable ä ce qu'il est dans les grands centres de pro-
pulation.
Mr. Hicguet (Bruxelles) confirme Tassertion du Mr. Del-
stanche pere en ce qui concerne la condition des sourds-muets dans
nos campagnes.
Mr. Delstanche fils est 6galement d'avis que pour apprdcier
le degr^ de responsabititd des sourds-muets il faut tenir compte de
plusieurs circonstances autres que celle de leur infirmitd physique.
Toutefois il se demande si Tabsence de toute dducation n'est pas
infiniment plus grave, au point de vue de la responsabilite, que
Tabsence de l'ouie et de la facult^ de parier.
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d'nn foetuB k terme, on trouve cette cavitä rempÜe par une eapece
de gel^e qni diaparsit gradnellemeot k mesnre qae l'air pdn^tre dsD9
l'oreitle moyenne Bons les efforta de la respiration. L'^poqnMxacte
de la dUpariÜOD de ce couBBinet g^latbeux n'avait pas ^t^ deter-
miD^e, maia, vn Hrnportance capitale de cette donnde pour la meäe-
cine 16gale, Hr. OgstOD s'occnpe actaellement h <Sclaircir ce pio-
bläme par qnelqneB recherches personneUes. Jusqn'ä präsent ees
obBervatioDB embrassent 10 on II caa: 4 daua lesqueU la vie amt
cess^ d6B le premier joar et 6 ou 7 daoB leaquels la mort 6tajt enr-
venne entre I et 3 semiüneB. Lea rÖButtatB farent träs divers:
Ainsi nn enfant mort an bout d'nn jonr aeulement avait la cÜBse
remplie d'air et il n'y avait plus de trace de la Eubstance g(Mi-
Dense, tandis que chez d'aatres enfants pluB ägds, ayant vecu 2 ou
3 jonrs, il n'y avait presque pas d'air, ce qui iafirme aingnlieretnect
la valeur des observations de Mr. Wteden, surtout comme donn^e
de mödecine legale. Mr. Ogston croit D^anmoias que si l'absence
de r&ir n'a pas une valenr absolne, la pr^ence de ce fluide est
nn Bigne positif inconteBtable de la vie conimeD^aDte. Quant a l'ab-
sence de l'air eile pent avoir sa nÜBon d'etre dauB nn obBtacle a
la Ventilation de l'oreille moyenne par snite d'une obBtructiou catu--
rhale des trompes; on peat meme admettre que l'air aprÖB avoir
p^näträ danB l'oreille moyenue puisBe en etre de noaveau eipolsee
enti^rement par auite d'nn gonflement inflammatoire du tisau mn-
qneni qui tapisse la cavitä.
Mr. Delatanche fils fait observer que la qaestion mise en avaat
par Mr. Ogston a 6t6 ätudi^e, depnis lea rediercbea de Wreden,
par le Dr. Wen dt de Leipzig. Les obeervations de ce demier
B'ätendent k pluB de 300 oreilleB de ftetus et d'enfants nonveau-n^e
Four expliquer TaffaiBBement dn couaainet gelatineux , conatatö anssi
cbes les mortB-n^a, 11 admet la poaaibilitä d'une respiration intra-
uterine. II V« mSme juaqn'ä prdtendre, ce en quoi il s'öcarte de
l'opinion de Mr. Ogston, que le fait de trouver dans aon int^grite
le consainet g^latineux conatitne une preuve qn'il n'y a paa en chei
l'enfant de mouvement respiratoire änergique avant on apr^B la
naisBance, preuve dont on pourrait tirer parti dans les recfaercbes
m^ico- legales Bur la tete eöpar^e du reate du corpa.
Ur. Ogaton a eonatat^ que chez plusienra enfanta qui ^taien'
morts k la Buite d'un catarrbe des voies reapiratoires, il eiistait auBsi
nn catarrbe de l'oreille moyenne. L'air faiaait d^fant quoiqne la res-
V.
XXV. CoDgr6s international des Sciences m^dicales — Bruxelles 1 875. 301
piration eüt ^t^ parfaitement stabile. Mr. Ogston ne connaissait
pas les recherches de Mr. Wen dt.
Mr. Sapolini s'est ^galement oecnp^ de la question ä la suite
du bruit qu'avait 80ulev6 le travail de Mr. Wreden. II a fait 66
autopsies et il a toujours constat^ Texistence d'une certaine quan-
tit^ de g^latine soit que Tenfant eüt respir6 ou non, soit qu'il eüt
v^cu ou non. Cette gelde d'abord transparente devient graduellement
latescente et opaque. Son existence est normale , eile präsente peu
de r^sistence k Tentr^e de Fair et Mr. Sapolini croit qu'elle s'eli-
mine par les trompes. Cette disparition se fait d'une mani^re lente
et insensible et ce n'est que vers le 11™® ou 12™® mois de la vie
qu'elle est complete. La g^latine apparait vers le 3™® mois de la vie
foetale. En ce moment la cavit^ de Toreille moyenne n^existe pas
comme cavit^; eile est combl^e par un tissu mou qui deviendra
plus tard le coussin g^latineux. Ce tissu se remollit gradnellement
k mesure que la eavit^ de Toreille moyenne s'dlargit. L'orateur con-
sid^re ce tissu g^latineux comme une premi^re ^bauche du pärioste
qui tapisse Toreille moyenne. Quant k la valeur s^miotique de
ia pr^sence de Fair dans la caisse chez le nouveau-n^, Mr. Sapo-
lini est convaincu que le moindre effort dlnspiration , le moindre
„iilet d'air" suffit pour amener une certaine d^pression du coussi-
net g^latineux.
Mr. Delstanche fils entretient Vassembl^e d^un cas extreme-
ment remarquable d'expulsion du labyrinthe osseux ä travers le con-
duit auditif externe. II s'agit d'un enfant äg^ actuellement de 6 ans.
Le pere et la mere sont srofuleux et cette diathäse a ddtermine chez
le Premier une carie ^tendue du f6mur. Lorsqu'il, il y a 3 ans, Ten-
fant fot pr^sent^ la premi^re fois k la eonsultation de Mr. Del-
stanche, Toreille droite ^tait remplie de v6getations qui s'dpanouis- .
saient au dehors. Elles furent extraites au moyen de T^trangleur,
mais elles repuUulerent imm^diatement et plusienrs essais successifs
n'enrent pas plus de succ^s. Aussi Mr. Delstanche avait-il
renoncd k les d^truire, lorsqu'un jour il constata la pr^senee d'un
Corps dur qui se montrait k Törifice. II en fit Textraction; c'^tait
la moiti^ de conduit auditif osseux et k quelques jours de la Tautre
moiti^ se d^gagea ^galement. Troiä ou quatres semaines plus tard,
la Sonde exploratrice revela la pr^sence d'un nouveau corps dur
que cachait la masse de v^g^tations qui continuaient k remplir le
conduit: c'^tait le labyrinthe osseux au grand complet, k part un
des canaux semi-circulaires, qui se sera cass^ sans doute pendant les
efforts que n^cessita Textraction bien que celle-ci füt facilit^e par
r^iimination pr^alable du conduit auditif osseux. Chose 6tonnante,
Tenfant n'a jamais donn^ le moindre signe de douleur pendant tout le
temps qu'a dur6 le travail d'^limination, il n'y a pas eu des symptomes
c^r^braux; pas un jour de malaise qui ait emp^chd Tenfant de se
livrer k ses jeux; Tapophyse mastoüde est rest6e normale et insen-
sible k la pression.
Depuis ce temps, Toreille droite est promptement revenue k son
aspect normal. Les v^g^tations disparurent enti^rement en fort peu
302 XXV
de jonrs e
de-sac. C
A plosieur
dont qnelq
est restee
inaia k pai
snrait von
trouver le
Mr. S _
de l'appareil oseens, il doit s'etre forma une esp^ce de barrage
qui aura isole U masae c^r^brale et les m^ninges.
Mr. Guye a observö un caa qui pr*5sßnte qnelqu'analogie a^ec
celni dont il vient d'etre qneation. Chez un enfant de 6 ä 7 ana,
il a Tu sorÜr, par le procesfins mastoYdIen cari6, les 3 caDans semi-
circnlaires conjointement k la moitig dn yestibule. Malgrä c«tte
grave l^sion Tenfant entend encore par cette oreille ä nne distance
variant eatre 4 et 20 centim^tres. II y a paraiysie incompläte äs
facial et l'enfant est encore pr^sent6 tons lea ans devant une
assembl^e de m^decine , afin de constater la peraiatance de Toule
da cöte maUde. Mr. Guye croit qu'une cloiaon cicatricielle bb sera
formte entre les dens ampoales (l'ovolde et la ephärique).
Mr. Sapolini demande la parole pour formulerdeni propositiooa:
1. il voadrait voir a'^tablir nne enqn€te internationale concer-
nant la statiatiqne des sourds-mnets dans tons les pays; feni^nele
s'oGcnperait non seulement des sonrds-mnets proprement dite,
mais eile s'^tendrait aux cas de surdite simple, de mutitä simple,
dont il connait, ponr sa part, deux exemples, et anx cas de be-
gaiement, ces denx derni^rea affectiona se rattachant, seien IqI,
k une m€me l^sion primitive ayant aon aiege dana le nerf de Wria-
berg, et la meme cauae pouvant dßterminer le mutisme et le bigm-
ment, Mr. Sapolini consid^re le nerf de Wrieberg oomme ud
13"* nerf cranien, ayant pour fonction ap^ciale l'articulatioD de la
parole.
2. Mr. Sapolini vondrait que lea tentativea fiütea par Mr.
Delstanche p^re, ponr doter l'otiatrie^d'un acoumStre universel,
fussent continu^es. Mr. DelstanGl(.e a indiquä les bases scienti-
fiques de la construction ; il serait ä döairer que lea essais se mul-
tipliassent sur ces donnees, de mani^re k faire de l'id^e de Mr. Del-
stauche un fait accompli. Mr. Sapolini esprime l'espoir de vair
sea deus propositions complfctement röaiiaöea au prochain congr^.
Apres nne courte allocution d'adieu pav Mr. le Pröaidenl, aai
membrea de la section, raaaembl^e, anr la motion d'un de sea raem-
bres, exprime k Mr. Delstanche p^re aea remerciements ponr la
courtoisie et le tact avec leaqnels il a rempli aes d^licates fonctions-
La säance de clöture eat lev6e ä 1 h.
(Extrait des proces verbans des a^ances par lea aecretaires
Mrs. Ledeganck et Delatanche öla.)
LITERATUR/)
1875.
i. de Rossi — V Anno di insegnamento delia otojatria. Cenni
statistico-clinici per Tanno «colastico 1874 — 75. Borna 1875.
2. Transactions of the American otological society, 8. annual meet-
ing. Boston, 187 5.
3. Politzer — üeber zwei angeblich „neue Verfahren*^ zur
Wegsammachung der Ohrtrompete. Wien. med. Woch. 1875.
47—49.
4. Wiedersheim — Zur Anatomie und Physiologie des Phyllodac-
tylus europaeus mit besonderer Berücksichtigung des Aquae-
ductus vestibuli der Ascalaboten im Allgemeinen. Morpholog.
Jahrbuch Bd. I.
5. van Hoek — Veslag van de zittingen der Afdeeling voor Oor-
Heelkunde tijdens het internationale congres voor genees^
kundige Wetenschappen. Brüssel 1875. (Weekblad van het
nederlandsch tijdschrüt voor Geneeskunde 1875. No. 40.)
6.' Theobald — Tinnitus aurium. (Transactions of the medical
and chirurgical faculty of Maryland April 1875.) Baltimore
1875.
7. ürbantschitsch — Ein Beitrag zur Lehre über den Bau des
Tubenknorpels beim Menschen. Med. Jahrbücher 1875.
m. Heft.)
8. Gruber — üeber Myringitis. M. f. 0. 1875. 10, 11, 12.
9. Bezold — Die Salicylsäure in der Ohrenheilkunde. M. f. 0.
1875. 8, 9.
10. Zuckerkandl — Anatomische Notiz über die Tuba Eustachiana
eines Elephas indicus. M. f. 0. 1875. 9.
l) Um ip Zukunft ein fortlaufendes Literaturverzeicbniss in mögliebster
Vollständigkeit jedem Hefte beifügen zu können, werden die Verfasser be-
züglicher Originalartikel wiederholt ersucht, Separatabdrücke ihrer Arbeiten
möglichst frühzeitig an die Redaction des Archivs unter der Adresse
Prof. Schwartze (Halle a/S.) einzusenden, üeber Alles, was darunter für
unsere Leser in irgend einer Hinsicht von Interesse sein kann, wird in der
„Wissenschaftlichen Rundschau'' ein kritisches Referat erscheinen.
304 Literatur.
U. Heydloff — Ueber Ohrkrankheiten als Folge und Ursache
von Allgemein krankheiten. DIsb. insug. Halle 1875.
12. Bnrckhardt-Merian — BeitrAge zur Prophylaxe a. Therapie
der Gehörkrankheiten. (Corresp. -Blatt für Schweizer Aerzte
1875. Nr. 18.)
13. Urbantscbitseh — ' Ein Fall von alternirender Schwerhörig-
keit. (Wien. PreBse 1875.)
14. Hendel — Die Temperatur des äusseren Gehörganges unter
physiolo^ Beben nnd pathologischen Verhältnissen. (Virchow's
Archiv 1875. S. 132,)
15. Politzer — Anwendung des Pankenröhrcheas. (Wien. med.
Woch. 1875. 15, 16.)
16. Robertson — Haematoma auris. (Glasgow med. Journal 1875,
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17. HughlingB-Jackson — Qbservations on Heoi^re's diaeage.
(Med. times & gaz. 1875, Aug.)
18. Hichel — Ueber dae Verhältniss des NaBenrachenraums zum
Mittelohr. (Berl. klin. Woch. 1875. Nr. 25.)
lü. Michel — Nene Beobachtungen Über daa Verhalten der Bachen-
mBndnng der Tuba E. (Berlin, klin. Woch. 1875. 41.)
211. Voltolini — Innervation des M. tensor. tymp. (Vlrch. Archiv.
1875.)
21. Böttcher — Zur Theorie Stereoskop. Instrnmente fOr wissen-
fichaftl. Diagnostik. (A. f. Ophthahnol. XX. p. 182.)
22. Aunales des maladifee de l'oreille et dn larynx. Heft 3, 4, 5.
23. Lucae — Das Verhältniss der RachenmOndnng der EoBt. Röhre
zum Gaumensegel etc. (Virch. Archiv 1875, Sept.)
24. Voltolini — Die acute ZellhantentzDndnng in der Supra- und
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25. Utz — Beitrag zur Histologie ^er häutigen Bogengänge des
menschlichen Labyrinthes. Httnchen 1875.
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■".^■ü-RfWff"